Geschwisterbande von Lovienna ================================================================================ Kapitel 1: Großer kleiner Bruder -------------------------------- Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Harry Potter sowie an den in dieser Fanfiction auftretenden Charakteren. Die folgende Geschichte entstammt allein meinen Hirngespinsten und ich verdiene kein Geld damit. --------------------------- „Ooh, welch seltene Begebenheit! Was führt dich denn in die große Halle, Perce?“ Grinsend setzte sich Fred Percy gegenüber an den langen Tisch der Gryffindors. „Haben sie dich aus der Bibliothek geworfen?“ Percys Blick hob sich finster über den Rand des Buches in seiner Hand. „Wenn du es genau wissen willst: Irgendjemand hat mitten in der Bibliothek eine Ladung Stinkbomben hochgehen lassen, sodass Madame Pince gezwungen war, sie bis morgen zu schließen.“ „Hey, schau mich nicht so an. Wir waren’s nicht.“ „Blödsinnige Machenschaften wie diese tragen immer eure Handschrift.“ „Danke für das Kompliment.“ Freds Grinsen wurde breiter. „Aber ich muss dich enttäuschen. Mit dieser Meisterleistung haben wir ausnahmsweise nichts zu tun.“ „Wenn ich rauskriegen sollte, dass ihr es doch wart, werde ich dafür sorgen, dass ihr einen Monat lang die Klos putzen dürft. Und zwar ohne Zauberei!“, knurrte Percy und widmete sich wieder dem Lehrbuch der Zaubersprüche Band V. „Och Perce, nimm doch endlich mal den Stock aus deinem Hintern und entspann dich.“ „Entspannen!? Ich muss mich auf meine Zwischenprüfungen vorbereiten! Wie soll ich mich entspannen, wenn ich nicht in Ruhe lernen kann?“ Fred lachte auf. „Diese ollen Prüfungen sind doch erst in ‘nem halben Jahr. Ehrlich mal, du bist der größte Streber auf der ganzen weiten Welt. Ich weiß nicht, aber irgendwas müssen Mum und Dad bei dir falsch gemacht haben.“ Geräuschvoll schlug Percy sein Buch zu und warf Fred einen missbilligenden Blick zu. „Wenigstens bringe ich gute Noten nach Hause“, sagte er in seinem gewohnt hochnäsigen Ton, woraufhin Fred nur genervt die Augen verdrehte. „Ach richtig, wie konnte ich das vergessen. Perfect Percy. Er ist ja so toll und so belesen und so klug und überhaupt nicht langweilig oder besserwisserisch oder einfach nur die größte Spaßbremse des Jahrhunderts.“ Während Fred daraufhin begann eine beeindruckend originalgetreue Nachahmung Mrs. Weasleys zum Besten zu geben ("Kinder, von Percy könnt ihr euch alle noch eine Scheibe abschneiden!"), sammelte Percy mit düsterer Miene seine Bücher zusammen und stand schließlich ruckartig auf. „Nur damit du es weißt: Es ist mir völlig gleichgültig, was du denkst.“ Er klemmte sich die Bücher unter den Arm und schob seine Brille auf der stolz in die Höhe gereckten Nase zurecht. „Wenn du mich entschuldigst.“ Und ohne Fred eines weiteren Blickes zu würdigen, wandte er sich zum Gehen. „Hey, Perce! Wenn du nicht bald mal raus in die Sonne gehst, wird man dich irgendwann noch mal mit der Maulenden Myrte verwechseln. Du siehst in letzter Zeit irgendwie käsig aus“, rief Fred ihm grinsend nach, als ein plötzliches Giggeln hinter ihm ihn dazu veranlasste den Kopf zu drehen. Ein paar Jungs aus seinem Jahrgang saßen am Hufflepuff Tisch und schienen die ganze Unterhaltung offenbar gespannt verfolgt zu haben. „Oh man, was für ein Idiot“, meinte der eine, als er wieder zu Atem kam. „Die schlimmste Art von Musterschüler. Habt ihr die Brille gesehen?“ „Modell 18. Jahrhundert würde ich sagen.“ „Letztens hat er meine Freundin angeblafft, nur weil sie ausversehen die Seite eines Buches aus der Bibliothek umgeknickt hatte. Mit Büchern geht man sorgfältig um, Fräulein! Einige dieser Exemplare sind über viele Jahrhunderte alt und wenn ICH, Oberschlaumeier Weasley, sowas noch EINMAL sehe, dann werde ich dich bei Madame Pince melden und dann bla bla bla“, äffte ein Junge mit kurzen, dunkelbraunen Haaren Percys Stimme nach, woraufhin seine Freunde erneut in lautes Gelächter ausbrachen. „Du tust mir echt leid so jemanden in der Familie zu haben, George“, meinte der Junge, der Fred am nächsten saß und klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter, schreckte jedoch im nächsten Moment überrascht zurück, als Fred seine Hand barsch von sich stieß. Das gewohnte Grinsen war inzwischen vollkommen aus dem Gesicht des Weasley Zwillings verschwunden. „Erstens bin ich Fred“, sagte er trocken, ehe sein Blick ein Hauch gefährlicher wurde. „Und zweitens bin ich so kurz davor euch allesamt in kleine widerliche Knallrümpfige Kröter zu verwandeln. Mein Bruder ist vieles, aber kein Idiot. Also schließt nicht von euch auf andere. Wenn ich mitkriege, dass ihr noch einmal so einen hirnverbrannten Schwachsinn von euch gebt und euch auf diese armselige Art über ihn lustig macht, dann werde ich jeden einzelnen von euch bis in alle Ewigkeit in Fom von Juckpulver in den Wahnsinn treiben, klar? Schreibt euch das hinter die Löffel.“ „M-moment mal, du hast doch eben selbst-“ „Das ist etwas vollkommen anderes, ihr Pflaumen. Er ist mein Bruder!“ Die Jungen sahen sich kurz an, nuschelten anschließend unter Freds bösen Blicken ein paar Entschuldigungen und machten sich dann schleunigst aus dem Staub, vorbei an Percy, der vorhin unbemerkt im Schatten des Ausgangs stehen geblieben war und über dessen verdatterten Gesichtsausdruck sich nun langsam aber sicher ein kleines Lächeln legte. Vielleicht war es ihm doch nicht so gleichgültig, was sein Bruder über ihn dachte. Kapitel 2: Das Weihnachtsgeschenk --------------------------------- „Und ich darf mir sicher sein, dass er sich nicht gleich in einen Flubberwurm verwandeln wird?", fragte Mrs. Weasley mit latenter Besorgnis, als sie ihren nagelneuen Hut begutachtete. „Da kannst du dir nie sicher sein." „Fred!" Fred lachte auf. „Keine Sorge, Mum. Es ist ein stinknormaler Hut." Die Erleichterung über diese Tatsache war Mrs. Weasley ins Gesicht geschrieben, als sie sich von ihrem Stuhl erhob und um den Tisch herum eilte, um ihrem Sohn einen dicken Kuss auf die Wange zu drücken. "Danke, mein Schatz. Er ist wunderschön." Es war Weihnachten im Hause Weasley und nach einem mehr als reichhaltigen Essen saß die ganze Familie nun zusammen am Küchentisch und verteilte Geschenke. Mr. Weasley hatte allerdings darauf bestanden, zur Abwechslung dieses Jahr eine etwas andere Form der Bescherung auszuprobieren - und zwar sogenanntes „Wichteln", so eine Art weihnachtlicher Brauch der Muggel, weshalb ihr Vater übrigens auch so derart begeistert davon war. So hatte also jedes Familienmitglied vor einer Woche seinen Namen auf einen Zettel geschrieben und diese wurden dann neu verteilt. Demjenigen, dessen Namen man gezogen hatte, musste man also an Weihnachten etwas schenken. Auch wenn Fred zunächst skeptisch war, fand er die Idee letzten Endes gar nicht mal so schlecht. Es war etwas Neues und außerdem hatte es den Vorteil, dass man sich - zumindest was die Familie betraf - lediglich um ein Geschenk kümmern müsste und nicht gleich um acht, was auf Dauer ganz schön auf den Geldbeutel schlagen konnte. Andererseits bekam man selbst umgekehrt natürlich auch nur ein einziges Geschenk. Und das auch nur von einer einzigen Person. Die Frage aller Fragen war also: Wer hatte ihn gezogen? Selbstverständlich wäre George in diesem Fall der Jackpot gewesen, aber er wusste bereits, dass er Ginnys Zettel gezogen hatte - tz, als würden sie so etwas voreinander geheim halten - somit fiel er also schon mal aus. Bill würde ihm sicherlich auch etwas Nettes schenken, wohingegen jedoch Mr. Weasleys Geschenke von Zeit zu Zeit immer etwas kurios sein konnten. Von Percy mal ganz zu schweigen. Jedes verdammte Jahr bekamen George und er sowohl zum Geburtstag als auch zu Weihnachten von ihm einfach nur stinklangweilige Bücher geschenkt. In erster Linie Schulbücher, die er ihnen jedes Mal mit den Worten „Vielleicht motiviert euch das ja zum Lernen" in die Hände drückte. Fred hatte ihm schon des Öfteren gepredigt, dass es darum ging, Jemandem mit einem Geschenk eine Freude zu machen und ihm nicht etwas zu schenken, wovon allein er selbst besessen war. Aber da war er bisher immer auf taube Ohren gestoßen. Was hatte er auch anderes erwartet. Wie auch immer, es war eine Chance von sieben zu eins, dass ausgerechnet Percy seinen Zettel gezogen hatte. Es war also noch nicht aller Tage Abend. „Gut, dann wäre Fred jetzt an der Reihe", sagte Mrs. Weasley vergnügt in die Runde, nachdem sie wieder auf ihrem Stuhl Platz genommen hatte. Mr. Weasley hatte zu Beginn darauf bestanden, dass jeder einzelne von Ihnen, bevor er sein Geschenk bekam, zum Spaß verkünden sollte, wen er als seinen Wichtel vermutete. Also ließ Fred seinen Blick einmal prüfend durch die Reihen gleiten, um möglicherweise irgendeinen Anhaltspunkt, wie zum Beispiel ein verräterisches Grinsen oder eine auffällige Bewegung, auszumachen, doch keiner ließ sich auch nur irgendetwas anmerken. Dann eben auf gut Glück. „Bill", riet Fred ins Blaue hinein, in der unterschwelligen Hoffnung, dass er richtig lag. Ein Grinsen legte sich sogleich auf das Gesicht des ältesten Weasley Sohns, als sich alle Augen auf ihn richteten. „Sorry, Kleiner. Muss dich leider enttäuschen." „Sehr schade", entgegnete Fred und erwiderte das Grinsen. "Na schön. Dann offenbare dich mir mal, oh du geheimnisvoller Wichtel." Und noch bevor er den Satz fertig gesprochen hatte, wurde ihm auch schon ein in rotes Papier säuberlich eingepacktes Geschenk über den Tisch zu geschoben. Fred seufzte innerlich. Soviel zum Thema eine Chance von sieben zu eins, dachte er sich, als er auf Percys Geschenk hinab blickte, das überraschenderweise die Form eines Buches hatte. „Danke Perce", sagte er trotzdem, als er anfing das Geschenk auszupacken. „Na dann wollen wir mal sehen, was wir hier haben. Uh, na sowas. Ein Buch!" Gespielt überrascht nahm er das Buch in die Hand. „Das kommt jetzt aber unerwartet. Nein ernsthaft, damit hab ich überhaupt nicht gerechnet. Was ist es diesmal? Das Lehrbuch der Zaubersprüche Band III? Zaubereigeschichte der Neuzeit Band IV? Zaubertränke für Dummies Band-", doch mit einem Mal hielt Fred inne, als sein Blick auf den Titel des Buches fiel. Zauberspäße für Spezialisten, Band I - das Handbuch der effektivsten Zaubersprüche für den Spaßvogel in Ihnen - Ziemlich fassungslos starrte Fred auf das Buch in seinen Händen, denn damit hatte er nun tatsächlich nicht im Mindesten gerechnet. Ein kurzer Blick hinüber zu Percy verriet ihm, dass dieser sich noch nicht so ganz sicher war, ob er eher peinlich berührt oder amüsiert über Freds Sprachlosigkeit war, oder aber, ob er dieses Geschenk nicht vielleicht doch lieber zutiefst bereuen sollte. Fred musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht vor Freude laut loszulachen. Wer hätte das gedacht? Er hatte sich geirrt. Ein besseres Geschenk hätte ihm wahrscheinlich keiner machen können.   Kapitel 3: Zwei minus eins -------------------------- Percy,  versunken in „Geschichte der Zauberei -  Band I“, saß an seinem Schreibtisch Zuhause im Fuchsbau, als es dreimal energisch an seine Zimmertür klopfte. „Percy-Schatz, ich habe hier ein paar Stückchen Kesselkuchen für dich“, tönte Mrs. Weasleys Stimme dumpf aus dem Flur. „Du hast doch bestimmt noch Hunger.“ „Komme“, murmelte Percy geistesabwesend, nahm das Buch und ging weiterlesend Richtung Tür. Vorsorglich schloss er sein Zimmer immer von innen ab, damit ihn auch ja nichts und niemand in seinen Vorbereitungen auf sein erstes Schuljahr in Hogwarts stören konnte. Und damit meinte er insbesondere herumalbernde Zwillinge. Percy öffnete die Tür, sah von seinem Buch auf und sofort entgleisten seine Gesichtszüge. Von seiner Mutter war keine Spur zu sehen, stattdessen blickte er zu seinem Leidwesen in das breit grinsende Gesicht einer völlig anderen Person. „Vielen Dank, Percy-Schatz“, flötete Fred durch eine Art kleinen Trichter, der seine Stimme sogleich in die ihrer Mutter umwandelte, und stapfte an Percy vorbei in dessen Zimmer. Percy seufzte schwer. Er hätte es wissen müssen. Schwungvoll drehte Fred sich zu ihm herum und hielt den Stimmenverzerrer stolz in die Höhe. „Hat Bill uns letztes Jahr aus Hogsmeade mitgebracht. Cool, oder?“ „Ganz toll. Aber ich hab dafür jetzt wirklich keine Zeit, Fred“, sagte Percy bestimmt und klang trotz seiner kaum erst elf Jahren mehr denn je wie seine Mutter. „Geh draußen spielen oder mach dich nützlich und hilf Dad beim Entgnomen.“ „Pff, das macht alles keinen Spaß ohne George“, murmelte Fred und zog eine Schnute. In der Tat befand sich George derzeit nicht wie alle anderen Weasleys Zuhause im Fuchsbau, sondern vielmehr am anderen Ende des Landes. Ursache dafür war eine ziemlich hartnäckige Krankheit, die er sich offenbar bei ihrem letzten Besuch in der Winkelgasse eingefangen hatte und die noch dazu hochansteckend war. Dennoch nichts Bedrohliches, wie der Arzt meinte. Aber trotzdem hatte er George Quarantäne verordnet, was Fred natürlich ganz und gar nicht gefiel. Er hatte in der ganzen letzten Zeit jede noch so kleine Gelegenheit genutzt, um sich in Georges Krankenzimmer in der obersten Etage des Fuchsbaus zu schleichen, bis es Mrs. Weasley schließlich zu bunt wurde und sie George nun bis auf Weiteres bei ihrer Großtante Tessie unterbrachte, in der Hoffnung, dass er bald wieder auf die Beine kam. Percy verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann lies halt ein Buch. Das tät dir sowieso mal ganz gut.“ Fred rollte mit den Augen. „Ganz sicher nicht.“ „Tja, dann kann ich dir auch nicht helfen. Ich hab jedenfalls keine Zeit“, sagte Percy und deutete vielsagend zur Tür. „Aber ich dachte, du wolltest Kesselkuchen“, erwiderte Fred und hielt Percy das kleine silberne Tablett in seiner Hand entgegen. Skeptisch begutachtete Percy abwechselnd die vier kleinen Stücke Kesselkuchen auf dem Tablett und die unheilversprechende Miene seines kleinen Bruders. „Auf gar keinen Fall“, entschied Percy schließlich. „Man Percy, sei kein Angsthase. Ich würde doch niemals etwas in dein Essen mischen.“ „Und was war das gestern in meinem Müsli?“ Fred hob die Schultern. „Was kann ich dafür, wenn sich der Frosch in deinem Frühstück wohlgefühlt hat. Jetzt nimm schon eins.“ Doch Percy rührte keinen Finger. „Oh man“, stöhnte Fred, nahm eines der Stücke und biss herzhaft zu. Weiterhin äußerst skeptisch beobachtete Percy, wie Fred den Kuchen in Windeseile verspeiste. „Schiehscht du?“, sprach sein kleiner Bruder mit vollem Mund und hielt ihm das Tablett erneut unter die Nase. Verlockend roch der Kuchen ja schon. Nicht vollkommen überzeugt, aber dennoch ein bisschen beruhigter fasste sich Percy ein Herz und nahm das vordere Kuchenstück, überlegte es sich kurzfristig jedoch anders und langte  stattdessen nach dem Stück ganz hinten. Nach einer flüchtigen Kontrolle von allen Seiten biss er vorsichtig in den herrlich duftenden Kuchen. Zunächst schien auch alles in Ordnung zu sein, doch dann riss Percy die Augen auf und begann zu husten. Scharf! Viel zu scharf! Er spuckte den Kuchen aus und mit dem Kuchen entfleuchten seinem Mund mehrere kleine Stichflammen, wovon eine seine feinsäuberlich beschriebene Pergamentrolle in Brand setzte. Panisch schnappte sich Percy immer noch Stichflammen hustend das Wasserglas auf seinem Tisch und schüttete den Inhalt über das kokelnde Pergament, bis es mit einem Zischen erlosch. Den Rest des Wassers trank er hastig aus. Als endlich auch die Schärfe in seinem Mund allmählich nachließ, wischte er sich den Mund mit dem Ärmel seines Pullovers ab und drehte sich wütend und mit tränenden Augen zu Fred herum, der sich derweil lachend mit einem Paar Mauseohren auf dem Kopf, Schnurrhaaren im Gesicht und rosaroter Nase auf Percys Bett hin und her kugelte. „Ich wusste, du würdest das hintere Stück nehmen“, lachte Fred und quiekte zwischendurch. „Bertie Botts Bohnen: Norwegischer Stachelbuckel. Die beste Sorte überhaupt.“ „Nicht-witzig! Ganz-und-gar-nicht-witzig-Fred!“, knurrte Percy. Fred wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augen. „Sorry, das musste sein. Freiwillig hättest du es ja nicht mit mir ausprobiert. Wäre George da-“ „Ich hab euch schon mal gesagt, wie sehr ich dieses Zeug hasse. Und das ist auch genau der Grund, warum.“ Percy nahm das verkokelte Pergament von seinem Tisch. „Jetzt muss ich alles nochmal neu schreiben. Die ganze Rolle!“ „Hättest du lieber Trollpopel-Geschmack gehabt? Kein Problem, das ist in diesem Stück hier.“ Fred nahm einen der übrig gebliebenen Kuchen vom Tablett und hielt ihn Percy hin. „Nein! Kein Kuchen mehr! Und du gehst jetzt raus! Ich hab Wichtigeres zu tun, als mich mit dir zu beschäftigen. Was willst du überhaupt hier? Geh doch zu Bill oder Charlie. Die würden vermutlich liebend gern diese albernen Spiele spielen.“ Fred drehte sich auf den Bauch und stützte seinen Kopf auf beiden Händen ab. „Nö“, war die schlichte Antwort und es folgte ein Grinsen. Percy stöhnte. „Was kann ich machen, damit du verschwindest?“ Fred begann zu strahlen, was seine rosarote Mäusenase kurz aufleuchten ließ, bevor sie sich mitsamt den Ohren und Schnurrhaaren in Luft auflöste. „Lass uns Zauberschnippschnapp spielen. Die ganze Nacht!“ „Auf gar keinen Fall.“ „Na schön, dann bleib ich halt hier liegen“, flötete Fred. „Mach, was du willst.“ Percy hatte keinen Nerv mehr zu diskutieren. Und Dank Fred hatte er jetzt noch mehr Arbeit vor sich. Er nahm sich eine neue Rolle Pergament aus seiner Tischschublade und begann damit, seine gesamten Notizen erneut aufzuschreiben. Überraschenderweise hörte er währenddessen von Fred reichlich wenig. Erst als Percy nach geschlagenen zwei Stunden die Feder beiseitelegte, meldete sich Fred wieder zu Wort. „Bist du fertig?“ „Ja. Das war ich eigentlich schon vor zwei Stunden“, grummelte Percy. „Dann können wir ja jetzt Zauberschnippschnapp spielen!“, erwiderte Fred vergnügt. „Wir haben zehn Uhr abends. Ich werde gar nichts mehr machen außer ins Bett gehen. Du solltest doch auch schon längst schlafen.“ Fred streckte sich einmal und drehte sich dann auf den Rücken. „Keine Lust. Ich bleib solange hier, bis du mit mir Zauberschnippschnapp spielst.“ Dann eben anders. Percy ging um sein Bett herum und versuchte daraufhin seinen kleinen Bruder von der Matratze zu schieben, was sich jedoch als nahezu unmöglich erwies, da Fred sich in einer spontanen Aktion selbst mit überraschend starkem, zweiseitigem Zauberklebeband am Bettgestell festgeklebt hatte. Da konnte Percy ziehen und schieben so viel er wollte. Blieb also nur noch eines. „Muuuum!“, rief Percy so laut er konnte. „Petze“, murrte Fred vom Bett aus. Keine fünf Sekunden später hörten sie auch schon die schnellen Schritte Mrs. Weasleys näher kommen. „Was ist denn, mein Schatz?“, fragte Mrs. Weasley, als sie das Zimmer betrat und ihre beiden Söhne erblickte. „Fred! Was machst du schon wieder hier? Es ist zehn Uhr. Du musst ins Bett!“ „Ich bleib heute hier“, entgegnete Fred lediglich. Mrs. Weasley zückte ihren Zauberstab und ließ das Zauberklebeband zwischen Freds Händen und dem Bettgestell mit einem Schwung verschwinden. „Spatz, lass Percy in Ruhe schlafen. Er hat doch schon genug zu tun mit seinen Vorbereitungen für sein erstes Schuljahr. Und sieh dich an, du siehst müde aus.“ Widerwillig verschränkte Fred die Arme. „Na komm“, sagte Mrs. Weasley und hielt ihm ihre Hand entgegen. Es dauerte eine Weile, aber schließlich ließ Fred niedergeschlagen die Schultern sinken und griff nach Mrs. Weasleys Hand. „Na also. Ich bring dich noch ins Bett, mein Schatz. Gute Nacht, Percy.“ „Gute Nacht“, erwiderte Percy noch, bevor Mrs. Weasley die Tür hinter ihnen beiden zu machte. Endlich Ruhe. Nachdem sich Percy im Bad für die Nacht fertig gemacht hatte, nahm er den ersten Band von „Geschichte der Zauberei“ vom Tisch und legte sich damit in sein Bett, um das angefangene Kapitel noch zu Ende zu lesen. Er schnaubte missmutig, als er das Buch bis zur richtigen Stelle durchblätterte. Wäre Fred nicht gewesen, wäre er jetzt schon längst zwei Kapitel weiter. Was sollte das überhaupt? Normalerweise hielten sich die Zwillinge nach einem ihrer blöden Streiche keine Minute länger in seinem Zimmer auf. Er blätterte auf die nächste Seite. Das ging nun schon seit Tagen so. Er blätterte weiter. Sollte er doch Bill oder Charlie auf den Geist gehen. Er hatte keine Zeit und keine Nerven dafür. Noch eine Seite weiter. Es wurde wirklich Zeit, dass George wieder zurück kam. Nächste Seite. „Sieh dich an, du siehst müde aus“, hört er die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf zu Fred sagen. Langsam blätterte Percy noch eine Seite um, ohne bisher auch nur ein einziges Wort gelesen zu haben. Dann ließ er das Buch sinken. --------------------------------------------------------- Fred lag im Dunkeln, auf der Seite, die Decke bis unter die Nase gezogen. Sein Blick ruhte auf Georges leerem Bett gleich neben seinem. Er war hellwach. Wie jede Nacht, seitdem George weg war. Völlig in Gedanken versunken bemerkte er nicht einmal, wie sich plötzlich die Tür ihres Zimmers leise öffnete. Erst als etwas seine Matratze hinter ihm beschwerte, drehte er sich überrascht herum und erkannte Percys Umrisse. Er sah zu, wie sein Bruder seine Brille auf dem Nachttisch und sein Kissen neben Freds ablegte und schließlich zu ihm unter die Decke schlüpfte. Es dauerte eine Weile, bis Fred die Stille um sie herum brach. „Wird George wieder gesund?“, fragte er leise, Percy zugewandt. „Natürlich. Du kennst ihn doch am besten. Von so einer blöden Krankheit lässt sich George doch nicht klein kriegen.“ Fred dachte kurz nach und nickte daraufhin. Erleichtert. Und deutlich entspannter. „Percy?“ „Mhm?“ „Kann ich morgen bei dir schlafen?“ „Lässt du mich in Ruhe lernen?“ „Weiß ich noch nicht.“ Percy seufzte schwer, entgegnete aber nichts weiter. Fred lächelte gegen der weichen Stoff seiner Decke. Dann schloss er die Augen und schlief ein. Das erste Mal seit Tagen ohne Alpträume. Kapitel 4: Abschied ------------------- Fred wurde aus dem Schlaf gerissen, als ein jähes Scheppern die nächtliche Stille im Fuchsbau durchbrach. Verschlafen richtete er sich in seinem Bett auf und fuhr sich durch das in alle Richtung stehende rote Haar. Auch George regte sich neben ihm. „Was war‘n das?“, nuschelte er schlaftrunken. Fred lauschte angestrengt, aber vernahm außer dem Ruf einer weit entfernten Eule nichts weiter. Er ließ sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen wieder zurück auf sein Kissen fallen und gähnte herzhaft. „Bestimmt nur der Ghul. Oder Ron ist mal wieder aus dem Bett gefallen.“ George drehte sich ächzend auf die Seite. „Wer auch immer es war, er soll verflucht sein. Ich war gerade kurz davor Filch mit einer Rakete auf den Mond zu schießen. Bester Traum seit langem.“ „Was nicht ist, kann ja noch werden“, grinste Fred, bevor ein lauter Schrei ihn keine Sekunde später erneut, und dieses Mal kerzengerade, im Bett sitzen ließ. Beunruhigt sah er zu George hinüber, der nun ebenfalls aufrecht saß und den Blick seines Bruders mit demselben Unmut erwiderte. Eilig sprangen die Zwillinge aus ihren Betten, griffen nach ihren Zauberstäben und schlichen hinaus in den Flur. Oben schien soweit alles ruhig zu sein, aber in der Küche im Erdgeschoss brannte offenbar Licht. Mrs. Weasleys aufgeregte Stimme drang zu ihnen hinauf. Ohne zu zögern eilten Fred und George die Stufen hinunter in die Küche und lugten dort zunächst vorsichtig um die Ecke. Das erste was sie sahen, war Mrs. Weasley, die Tränen überströmt in ihrem Nachtgewand auf dem Boden kniete und laut in ein Taschentuch schniefte. Einige Meter von ihr entfernt stand Percy. Vollständig angezogen und in seiner linken Hand ein großer schwarzer Koffer. Den Zwillingen stockte der Atem. „Bitte, bitte geh nicht“, wimmerte ihre Mutter. „Bitte Percy! Ich weiß, dein Vater sagte gestern in seiner Wut Dinge, die er bestimmt nicht so meinte. Bitte, lass uns morgen früh einfach noch einmal über alles in Ruhe reden.“ Percy sah nur mit kühlem Blick auf Mrs. Weasley herab. „Er meinte diese Dinge, so wie er sie sagte. Ebenso wie ich die meinen. Es tut mir Leid, Mutter, aber es hat keinen Sinn. Ihr wollt mich einfach nicht verstehen. Unsere Ansichten gehen zu weit auseinander, als dass wir zusammen die glückliche Familie mimen könnten. Also werde ich gehen. Leb wohl.“ Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort von ihr ab und verschwand durch die Tür nach draußen in die Nacht. „Percy!“, schrie Mrs. Weasley und wollte aufstehen und ihm nachlaufen, doch stolperte sie in ihrer Hektik über den Saum ihres Nachthemdes und blieb daraufhin nur noch bitterlich weinend auf dem Boden liegen. Sofort lief George aus ihrem Versteck zu ihr hinüber, während Fred mit vor Wut geballten Fäusten Percy hinterher rannte. „Hey!“, rief er zornig, als er seinen Bruder vor dem großen Maisfeld einholte. „Bleib gefälligst stehen, Mister Ich-reiße-mitten-in-der-Nacht-aus-und-lasse-meine-Familie-im-Stich!“ Percy hielt inne. Fred bemerkte dessen leicht zitternde Hand, die den Henkel seines Koffers umschloss und er wusste ganz genau, dass Percy innerlich mit sich rang. Erst sah es so aus, als würde er einfach weitergehen wollen, doch dann drehte er sich zu Fred herum. Seine Hand zitterte nicht mehr. „Was soll der Mist, Perce!?“ konfrontierte Fred ihn direkt. „Willst du ernsthaft abhauen? Einfach so?“ Percys Miene war eisern. „Ich denke, du weißt, wieso ich das tue.“ Fred lachte bitter auf. „Ja, weil du ein Ministerium-verliebter Depp bist! Du würdest dich ja sogar noch mit Kusshand vor den Hogwarts Express werfen, wenn Fudge das von dir verlangen würde. Wie kannst du diesem Saftladen nur all diese Lügen über Harry und Dumbledore glauben? Ich raffs wirklich nicht!“ Percy schnaubte leise. „Wir wissen doch beide, wer hier die wahren Lügner sind.“ Fred schüttelte nur ungläubig den Kopf. „Was haben die nur mit dir gemacht…?“ „Was willst du, Fred?“, fragte Percy mit nachdrücklicher Ungeduld in der Stimme. „Falls du dich daran erinnerst, ich hatte diese Diskussion gestern mit deinem Vater schon einmal.“ „Spinnst du? MEIN Vater? UNSER Vater! Und falls du’s vergessen hast, George und ich sind immer noch deine Brüder, verflucht nochmal! Aber wenn du dich weiter wie ein Schwachkopf aufführst, hat sich das bald auch erledigt. Also lass es und verleugne nicht einfach von jetzt auf gleich deine eigene Familie. Was willst du hören, mhm? Meine Meinung zu dem Ganzen? Das Zaubereiministerium ist ein Verein voller blasierter Idioten, die der Wahrheit einfach nicht ins Gesicht sehen wollen und damit die gesamte Zaubererwelt, wenn nicht sogar die gesamte Menschheit in Gefahr bringen. Und wenn du zu ihnen gehst, bist du keinen Deut besser. Ach und nur damit du’s weißt: Ich will nicht, dass du gehst. Da. Zufrieden?“ „Dann komm mit mir mit.“ Perplex starrte Fred seinen Bruder an, der ihn weiter mit todernster Miene durch seine Brille hindurch fixierte. „Einen Teufel werd ich“, schnaubte Fred nur und zeigte Percy einen Vogel. Eine Spur von Schmerz spiegelte sich kaum merklich in den Augen des älteren Weasleys, bevor er seinen Zauberstab aus der Innentasche seiner Jacke hervorzog. Fred schüttelte langsam den Kopf. „Wag es nicht!“ Er trat einen Schritt zurück und hob instinktiv seinen Zauberstab, als Percy seinen eigenen gegen ihn richtete. „Leb wohl, Fred“, sagte Percy nur und schwang seinen Zauberstab mit dem Wort „Appario“ gen Himmel, ehe er mit einem lauten Knall spurlos verschwand und Fred allein zurückließ. Fred atmete schwer. Er ließ seinen Zauberstab sinken und griff stattdessen nach einem seiner Hausschuhe, um ihn mit Wucht genau in jene Richtung zu werfen, in der Percy bis gerade eben noch gestanden hatte. „Dann verschwinde halt, du toller Juniorassistent! Schönen Gruß an Fudge! Und glaub ja nicht, dass du je wieder angekrochen kommen kannst! Du bist für uns alle gestorben!“, rief Fred wütend, verletzt und mit einem Tränenschleier vor den Augen. Seine Worte verhallten in der Dunkelheit. Eine vertraute Hand legte sich auf seine Schulter. Fred biss sich auf die Unterlippe und ließ alle Anspannung von sich abfallen, als er in Georges resigniertes und müdes Gesicht sah. Schweigend gingen sie zurück ins Haus. Kapitel 5: Erkenntnis --------------------- Chaos. Nein. Mehr noch: Ein Desaster. Nichts anderes waren die vergangenen zwei Jahre gewesen. Dumbledores Tod, Voldemorts Rückkehr und zu allem Überfluss war da noch dieses unerträgliche Gefühl der Schande und der Blamage, das ihn Tag für Tag begleitete und ihn einfach nicht losließ. So sehr er sich auch dagegen wehrte. Wie sollte er seiner Familie je wieder vernünftig unter die Augen treten? Das Ministerium hatte Unrecht gehabt. ER hatte Unrecht gehabt. Harry Potter und Albus Dumbledore waren keine Lügner gewesen. Du-weißt-schon-wer war tatsächlich und leibhaftig zurück. Percy setzte seine Brille ab und fuhr sich mit den Händen über das müde Gesicht. Dennoch. Ihm blieb nichts anderes übrig, als nun einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren. Sein Vertrauen in das Ministerium war trotz aller Umstände unerschütterlich. Er hatte keine Zweifel: Die Regierung würde schon dafür sorgen, dass die Sicherheit der Zaubererwelt gewährleistet war. „Weasley!“ Percy schreckte von seinem Bürostuhl auf und stand nun kerzengerade vor seinem Vorgesetzten Pius Thicknesse, der ihn bedrohlich von oben herab taxierte. „Ja, Sir?“, entgegnete Percy überschwänglich. „Bearbeiten Sie diese Akten.“ Thicknesse deutete mit einer kleinen Bewegung seines Kopfes auf den Meter hohen Aktenstapel, der neben ihm her schwebte und nun unsanft und mit einem lauten Knall auf Percys Tisch landete. „Sie haben Zeit bis heute Abend.“ Dann wandte sich der Minister wieder ab und verschwand mit wehendem Umhang aus dem Büro. „Sie können sich auf mich verlassen, Mr. Thicknesse, Sir!“, rief Percy ihm noch salutierend nach, ehe er wieder auf seinem Stuhl Platz nahm und sich den Akten widmete. Es handelte sich um Papiere straffälliger Hexen und Zauberer, insbesondere derer, die derzeit mit allen Mitteln versuchten gegen das Ministerium arbeiteten, wobei es Percys Aufgabe als Juniorassistent des neuen Ministers war, den Aufenthaltsort der Betroffenen zu ermitteln und sie zum Prozess zu laden, wo er schließlich höchstpersönlich anwesend war, um Protokoll zu führen. Er hatte also einiges zu tun. Ohnehin war es ihm schleierhaft, wieso die Menschen gerade in Zeiten wie diesen verrücktspielten und sich gegen die Regierung richteten. Eine Zusammenarbeit würde die ganze Sache um einiges vereinfachen. Aber gut. Wer gegen das Gesetz verstieß, der musste nun mal mit den Konsequenzen rechnen. Nur so konnte ein Rechtssystem funktionieren. Mit geübten Fingern ging Percy die ihm vorliegenden Papiere durch. Als er nach ungefähr vier Stunden bei der vorletzten Akte angekommen war, ließ ihn diese jedoch stutzen. Er blätterte leicht verwirrt die Dokumente durch, auf der Suche nach einem Fehler. Als er nichts dergleichen fand, schnappte er sich die Akte und lief den Gang entlang hinüber in das Büro des Ministers. „Mr. Thicknesse, bitte entschuldigen Sie die Störung, aber ich fürchte, bei einer der Akten, die Sie mir zur Bearbeitung gegeben haben, liegt eine Verwechslung vor.“ „Und was für eine Verwechslung soll das sein?“, fragte der Minister mit deutlich genervtem, Unterton ohne von den Dokumenten in seiner Hand aufzusehen. „Es geht um die Akte von Magnus Dattlebold.“ Percy zeigte ihm die betroffene Akte. Thicknesse warf einen kurzen gleichgültigen Blick auf die Papiere. „Und?“ „Nun ja, der Junge ist 8 Jahre alt. Er ist minderjährig.“ „Und?“, fragte der Minister erneut. Percy zögerte einen Moment, da der Minister offensichtlich sein Problem nicht verstand. „Ein Prozess gegen Minderjährige ist nicht vorgesehen.“ „Sagen Sie mir, hat dieser Junge sich dem Widerstand angeschlossen? Hat er einem hochrangigen Ministeriumsmitarbeiter vor die Füße gespuckt? War er ungehorsam? „Schon, aber-“ „Na bitte. Und jetzt tun Sie Ihre Arbeit, Weasley, und lassen Sie mich in Ruhe.“ Percy ließ die Akte in seiner Hand sinken. „Ja, Sir...“, murmelte er leise und ging zurück in sein Büro, wo er Magnus Dattlebolds Akte zurück zu den anderen auf seinen Schreibtisch legte. Nachdenklich betrachtete er seine Arbeit. Dann wandte er sich um. Kaltes Wasser rann sein Gesicht hinunter und tropfte in das Waschbecken der Toilette in der obersten Etage des Ministeriums, die seines Wissens nach nur selten aufgesucht wurde. Percy drehte den Wasserhahn zu, sah auf und betrachtete sein Ebenbild in dem Spiegel ihm gegenüber. Was dachte sich der Minister dabei? Ein Kind als Beschuldigter vor dem Gericht? Seit wann verstieß das Ministerium gegen seine eigenen Gesetze? Er seufzte lautlos. Nun, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, hatte es in der letzten Zeit schon mehr als genug Fälle von Anklagen gegeben, die er insgeheim für doch recht zweifelhaft hielt. Aber er hatte immer stillschweigend seine Arbeit erledigt, weil es nun mal seine Aufgabe war. Denn das Ministerium würde schon seine Gründe gehabt haben. Das Ministerium, dem er immer vertraut hatte. Mehr als seiner eigenen Familie. Percy zuckte zusammen, als er plötzlich Stimmen auf dem Gang hörte, die sich näherten. Er wusste nicht wieso, aber er schritt rücklings zurück in eine der Kabinen und schloss die Tür hinter sich, als keine Sekunde später auch schon zwei Männer den Raum betraten, die sich angeregt und mit moderater Lautstärke unterhielten. „…eine Frage der Zeit.“ „Ganz deine Meinung. Harry Potter kann sich nicht ewig verstecken. Der dunkle Lord-“ „Pssh!“ „Was ist?“ „Was, wenn uns Jemand hört?“ „Hier kommt doch eh nie jemand her.“ „Woher willst du das wissen?“, fauchte einer der Männer, dessen Stimme Percy nicht identifizieren konnte. Es wurde still. Percy presste sich seine Hände auf den Mund, um ja keine Geräusche zu machen. Er hielt sich bereit für den Fall, dass im nächsten Moment die Tür seiner unabgeschlossenen Kabine aufgezogen wurde. „Jetzt sei doch nicht so paranoid.“ „Ich bin nicht paranoid, ich bin nur vorsichtig.“ „Von mir aus, aber was soll schon passieren? Ist ja nicht so, als wäre das Ministerium nicht inzwischen weitestgehen von den richtigen Personen besetzt, oder?“ Percy hörte ein dreckiges Lachen und Wasserrauschen. „Mag sein. Wie auch immer. Ich muss gleich noch zu Yaxley. Er plant Steckbriefe im gesamten Land zu verteilen. Mit Sicherheit gibt es genug Menschen mit Sinn und Verstand, die Harry Potter liebend gern verraten würden, nur um sich mit dem Ministerium gut zu stellen.“ Wieder ein Lachen. „Und mit Harry Potter auch seine kleinen dreckigen Freunde.“ „Wie die Weasleys.“ Ein verächtliches Schnauben. „Diese schmutzigen Verräter haben nichts anderes als den Tod verdient.“ Percys Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen. Das Wasserrauschen stoppte und er hörte Schritte. „Wir kriegen sie schon. Allesamt.“ Dann fiel die Tür ins Schluss und es wurde wieder still. Percy atmete unruhig, fuhr sich zitternd mit der Hand durch seine roten Haare und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Er war ein Idiot gewesen. Ein blöder Idiot! Das Ministerium war infiltriert mit Todessern und er war so dumm auch noch für sie zu arbeiten. Warum war er so blind gewesen? Sein Gesicht war leichenblass, als er die Toilette verließ. Was sollte er jetzt tun? Er konnte nicht so einfach zurück. Nicht zu seiner Familie. Einmal davon abgesehen, dass er bei ihnen höchstwahrscheinlich so willkommen war wie Voldemort selbst, würde er sie doch nur in Gefahr bringen. Warum sonst ließen sie ihn hier arbeiten? Unruhig lief Percy vor der Toilette auf und ab, als ihn eine scharfe Stimme aus seinen Gedanken riss. „Weasley! Was tun Sie da?“ Percy starrte in das finstere Gesicht des Ministers. „I-Ich…“, stammelte er und wollte am liebsten weglaufen. Doch je länger er dem Redefluss seines Vorgesetzten lauschte, desto mehr besann er sich zur Ruhe. „Sie wissen doch, was Sie zu tun haben, Weasley!“ Percy ballte unmerklich die Fäuste. Oh ja, das wusste er. Es vergingen Monate. Percy tat seine Arbeit, um nicht aufzufallen, aber er tat sie absichtlich nachlässig. So gut es ging. Er wusste, er wurde strengstens beobachtet. Umso mehr hoffte er, dass sein einziger Kontakt außerhalb des Ministeriums nicht aufflog. Es war der erste Mai 1998. Irgendetwas schien vor sich zu gehen. Thicknesse und all die anderen Marionetten Voldemorts waren an diesem Tag nicht ins Ministerium gekommen. Percy war ungeduldig. Er sah sich unauffällig um, nahm sich dann ein kleines Stück Pergament aus der Schublade seines Tisches heraus und seine Feder zur Hand und begann zu schreiben, doch noch bevor er den ersten Satz auch nur fertig geschrieben hatte, ließ ihn ein plötzliches lautes Knistern und ein darauffolgendes Husten zusammenfahren. Er fuhr auf seinem Stuhl herum und entdeckte in der Asche des Kamins an der Wand ein ihm bekanntes Gesicht. Percy sah sich ein weiteres Mal hastig um, bevor er zum Kamin eilte. „Aberforth! Was tun Sie da? Das ist zu gefährlich! Wenn Sie Jemand sieht-“ „Hogwarts. Der Kampf beginnt.“ Percy starrte auf die Stelle, an der Aberforths Gesicht für ungefähr fünf Sekunden zu sehen war. Dann stand er auf und griff entschlossen nach seinem Zauberstab. Es wurde Zeit. Kapitel 6: Rückkehr ------------------- Wichtig: Alle fettgedruckten Sätze und Abschnitte in diesem Kapitel sind direkte Zitate aus dem Buch „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“. ---------------------------------------------------------------------------- Der Raum der Wünsche platzte aus allen Nähten. Nachdem Fred und George die Mitglieder von Dumbledores Armee über den bevorstehenden Kampf gegen Voldemort benachrichtigt und diese wiederrum den Phönixorden informiert hatten, war der Raum nun bis in die letzten Ecken gefüllt mit kampfbereiten Hexen und Zauberern, jung und alt, die sich Voldemort und seinen Totessern mit eiserner Entschlossenheit entgegen stellen wollten. Als Harry zusammen mit Luna in den Raum der Wünschte platzte, war seine Überraschung über die Vielzahl der Leute offenkundig. „Du hast doch nicht im Ernst geglaubt, dass sich alle den Spaß entgehen lassen würden, Harry“, erklärte Fred ob Harrys verdutzter Miene und schulterte lässig seinen Zauberstab. „Was passiert jetzt als nächstes?“, rief George Harry aus der Menge heraus zu. „Was geht ab?“ Harry nickte ihm zu und teilte infolgedessen den Anwesenden das weitere Vorgehen mit, woraufhin die Menge mit einem lauten, energischen Gebrüll seinen Anweisungen Folge leisteten und sich in die Große Halle aufmachten. Nur eine kleine Gruppe von Leuten blieb übrig, darunter Mrs. Weasley und Ginny, die gerade dabei waren, sich hitzig über Ginnys Verbleiben in der Schule zu streiten. „Du bist minderjährig!“, schrie Mrs. Weasley ihre Tochter an. „Das erlaube ich nicht! Die Jungs ja, aber du, du gehst gefälligst nach Hause!“ „Kommt nicht in Frage! Ich bin in Dumbledores Armee -“ „- eine Teenagerbande!“ „Eine Teenagerbande, die ihm gleich einen Kampf liefern wird, was sich sonst niemand getraut hat!“, rief Fred dazwischen, wurde jedoch im nächsten Moment von seiner Mutter zum Schweigen gebracht. Nach einigem weiteren Hin und Her brachte sich Bill schließlich in die Diskussion ein und versuchte Ginny auf sanfte Art und Weise zu erklären, dass Mrs. Weasley Recht hatte. Ginny ließ den Kopf sinken. „Schön“, sagte sie und starrte auf den Eingang des Tunnels, der zurück zum Eberkopf führte. „Dann sag ich jetzt also Lebewohl und-“ Doch etwas ließ sie innehalten. Verblüffung machte sich jäh unter ihnen breit, als plötzlich eine weitere Person aus dem Tunnel stolperte. Eine Person, mit der wohl niemand gerechnet hatte. „Bin ich zu spät? Hat es schon angefangen? Ich hab eben erst davon erfahren, also ich- ich-“ Percy verstummte, als ihm bewusst wurde, dass nahezu seine gesamte Familie anwesend war und sie ihm einer wie der andere mit versteinerten Mienen und eisigen Blicken begegneten. Fleur und Lupin taten einen latent verzweifelten Versuch die angespannte Stimmung ein wenig zu lockern, doch half dies wenig. Percy ballte die Fäuste. „Ich war ein Idiot!“, brüllte er, so laut, dass Lupin Teddys Foto in seiner Hand beinahe fallen ließ. „Ich war ein Idiot, ich war ein aufgeblasener Trottel, ich war ein- ein-“ „Ministeriumsverliebter, familienverleugnender, machthungriger Schwachkopf“, sagte Fred. Percy schluckte. „Ja, das war ich!“ „Nun, netter kann man es beim besten Willen nicht ausdrücken“, sagte Fred und streckte Percy die Hand entgegen. Mrs. Weasley brach in Tränen aus. Sie schubste Fred beiseite und zog Percy in eine würgende Umarmung, während er ihr den Rücken tätschelte. Auch die anderen stürmten nach und nach an Fred vorbei hinüber zu Percy, um mit einem Handschlag oder einem versöhnlichen Schulterklopfer das Zerwürfnis zwischen ihnen ein für alle Mal zu beenden. George folgte Mr. Weasley und Ginny und warf Fred im Vorbeigehen ein breites Grinsen zu. Fred grinste zurück. Es war verrückt. Ein ganzes Jahr lang hatten sie beide insgeheim die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Percy schon noch zur Vernunft kommen und seinen verdammten Dickschädel wieder zurück in den Fuchsbau schaffen würde. Sie hatten sich sogar schon ausgemalt, was sie Percy für einen Denkzettel verpassen würden, sobald er zurück war. Aber er war nicht gekommen. Nicht nach einem Jahr und auch nicht nach dem zweiten. Allmählich war ihnen ihre Hoffnung sinnlos erschienen und übrig blieb nur noch Verachtung, die sie Percy in den paar Malen, in denen sie ihn zu Gesicht bekamen, auch deutlich zum Ausdruck gebracht hatten. Wer hätte gedacht, dass doch noch alles anders kam? Fred beobachte das Geschehen vor ihm mit einem angenehm warmen Gefühl und einem Schmunzeln auf den Lippen. Auch wenn Percy bekanntlich Opfer Nummer 1 ihrer Scherze und Streiche war - und es sicherlich zu seinem persönlichen Leidwesen auch immer bleiben würde - hatten sie trotzallem immer schon eine besondere Beziehung zu ihm gehabt. Auch wenn ihm das selbst vielleicht gar nicht so klar war. Möglicherweise lag es daran, dass sie den Großteil ihrer Kindheit oft allein mit Percy verbracht haben, da Bill und Charlie zu dieser Zeit bereits die Schule besuchten und daher nur selten Zuhause waren und Ron als kleiner Stöpsel schlichtweg noch zu klein war. Natürlich, sie sahen zu Bill auf. Mehr als zu keinem anderen. Er war der coole große Bruder, der ihnen so viel beigebracht hatte. Der sie nie verpetzt hatte. Mit dem sie immer Spaß hatten. Und obwohl sie Charlie früher oftmals wegen seiner Leidenschaft für Drachen aufgezogen hatten, erzählten sie nun jedes Mal voller Stolz von seinem aufregenden Leben in Rumänien. Percy dagegen war schon immer das komplette Gegenteil von George und ihm gewesen. Strebsam, regelbedacht und humorlos wie ein Stück Schnitzel. Aber vielleicht war es genau das, was sie so verband. Ihr Gegensatz. George holte Fred aus seinen Gedanken, als er ihm ein Zeichen gab, dass er draußen auf ihn wartete. Fred nickte und trat schließlich, nachdem sich die Traube um Percy gelichtet hatte, ein weiteres Mal auf ihn zu. „Ist das zu fassen? Unser verlorener Vertrauensschüler kehrt tatsächlich zurück.“ Percy sah ihn an und lächelte traurig. „Was kann ich tun, um es wieder gut zu machen?“ „Oh, da wird George und mir schon noch was einfallen, verlass dich drauf.“ Fred zwinkerte Percy zu und streckte ihm erneut seine Hand entgegen. „Aber fürs erste tut‘s das hier auch.“ Percy blickte hinab auf Freds Hand und ergriff sie, ehe er überrumpelt von seinem grinsenden Bruder in eine innige Umarmung gezogen wurde. „Nochmal so eine Aktion und wir schießen dich mit Filch zusammen auf den Mond, klar?“, vernahm er Freds Stimme an seinem Ohr und Percy musste lächeln. Er nickte leicht, fühlte, wie eine Welle der Dankbarkeit ihn durchströmte und genoss die Nähe, die ihn angenehm benebelte. „Wie sieht’s aus?“, begann Fred und löste sich langsam von Percy. „Treten wir Voldemort gehörig in den Hintern?“ Percy rückte seine Brille zurecht, zog seinen Zauberstab hervor und nickte erneut entschlossen. „Und wie wir das tun.“ Kapitel 7: Schmerz ------------------ Die Explosion riss Percy von den Füßen und schleuderte ihn rücklings gegen eine Mauer. Er stöhnte. Benommen sackte er zu Boden und blieb einen kurzen Moment mit dem Rücken gegen den kalten Stein gelehnt sitzen. Er musste gar nicht hinsehen. Er wusste, sein Körper war übersäht mit blutigen Schnittwunden. Und es schmerzte. Überall. Dieser verdammte Rookwood. Percy tastete nach seiner Brille und setzte sie sich wieder auf die Nase. Durch die Wucht der Explosion hatten sich tiefe Risse quer durch die Gläser gezogen. Aber Percy hatte jetzt keine Zeit sich darum zu kümmern. Mit aller Kraft richtete er sich wieder auf, seinen Zauberstab nach wie vor fest umschlossen. Er blickte sich um und sah nichts außer Staub und Geröll. Erst als er ein paar wackelige Schritte weg von der Mauer tat, konnte er schemenhaft etwas erkennen. Einen roten Schopf. „Fred!“, rief Percy hustend und näherte sich seinem Bruder. „Ist alles okay?“ Er vernahm ein dumpfes Stöhnen, konnte es aber nicht so recht orten. Ein stetig pfeifender Ton übermannte seinen Gehörsinn. Offenbar schien sich sein Trommelfell nur sehr langsam von der Explosion zu erholen. Percy bückte sich nach Fred und schüttelte ihn an der Schulter. „Komm! Wir müssen Rookwood in die Finger kriegen. Glaub mir, das hier kann ich nur ganz schwer auf mir sitzen lassen“, sagte er grimmig. „Fred?“ Erneut schüttelte er seinen Bruder und erwartete, dass dieser im nächsten Moment wieder zu sich kam, hustend den Dreck von sich klopfte, ihn ansah und ihm sagte, dass er ganz schön beschissen aussehen würde und dass Rookwood, dieser Vollidiot, sich jetzt auf Weasleys zauberhafte Rachezauber gefasst machen könne. Und dann würden sie gemeinsam, Seite an Seite weiterkämpfen. Doch nichts dergleichen geschah. Der Staub um sie herum verflog allmählich. Und Percys Miene versteinerte sich, als er in ein befremdlich leeres, ausdrucksloses Augenpaar blickte. Ein Augenpaar, das vorhin nur so gesprüht hatte vor Leben und Kampfeslust und Überraschung darüber, dass sein großer langweiliger Bruder ja doch irgendwie witzig sein konnte. Das einzige, was daran noch erinnerte, war ein sanftes, kaum erkennbares Lächeln auf dem Gesicht seines Bruders. Percys Eingeweide zogen sich zusammen. Er verstand nicht. Wollte nicht verstehen. „Fred! Hey, wach auf!“ Percy schrie, sank auf seine Knie und schüttelte den leblosen Körper immer stärker. „Komm schon! Wir müssen los!“ Nein. „Fred! Bitte!“ Das konnte nicht sein. „Fred, verdammt nochmal!“ Nein. Nein, nein, nein! Ein Tränenschleier legte sich vor Percys Augen. Seine Hände zitterten. Er bemerkte nicht, dass Ron inzwischen neben ihm stand. „Bitte…!“ Percy sackte auf Freds Brust zusammen. Weinte. Schlug mit der Faust weiter auf Freds Brustkorb ein, in der Hoffnung, dass es etwas nützte. Aber die Schläge verloren nach und nach immer mehr an Kraft, ebenso wie sein Hoffnungsschimmer. Es war, als würde etwas aus ihm herausgesogen. Sein ganzes Sein. Und es blieb nichts als Schmerz. Vergessen waren die Schnittwunden. Vergessen waren die letzten Jahre voller Verachtung und Streit. Percy krallte sich in Freds blutigen und zerrissenen Umhang, sah den Fetzen eines grünen T-Shirts darunter hervorscheinen, auf dem in großen geschwungenen Buchstaben „Weasleys Zauberhafte Zauberspäße“ geschrieben stand. Er kniff die Augen zu. Tränen strömten über sein dreckiges und blutverschmiertes Gesicht. Er drehte seinen Kopf zur Seite und legte ihn auf die Stelle, wo Freds Herz noch bis eben geschlagen hatte . Versuchte sich daran zu erinnern, wie es klang. Achtete auf das kleinste Geräusch. Aber da war nichts. Nichts außer einem pfeifenden Ton in seinem Ohr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)