Geschwisterbande von Lovienna ================================================================================ Kapitel 3: Zwei minus eins -------------------------- Percy,  versunken in „Geschichte der Zauberei -  Band I“, saß an seinem Schreibtisch Zuhause im Fuchsbau, als es dreimal energisch an seine Zimmertür klopfte. „Percy-Schatz, ich habe hier ein paar Stückchen Kesselkuchen für dich“, tönte Mrs. Weasleys Stimme dumpf aus dem Flur. „Du hast doch bestimmt noch Hunger.“ „Komme“, murmelte Percy geistesabwesend, nahm das Buch und ging weiterlesend Richtung Tür. Vorsorglich schloss er sein Zimmer immer von innen ab, damit ihn auch ja nichts und niemand in seinen Vorbereitungen auf sein erstes Schuljahr in Hogwarts stören konnte. Und damit meinte er insbesondere herumalbernde Zwillinge. Percy öffnete die Tür, sah von seinem Buch auf und sofort entgleisten seine Gesichtszüge. Von seiner Mutter war keine Spur zu sehen, stattdessen blickte er zu seinem Leidwesen in das breit grinsende Gesicht einer völlig anderen Person. „Vielen Dank, Percy-Schatz“, flötete Fred durch eine Art kleinen Trichter, der seine Stimme sogleich in die ihrer Mutter umwandelte, und stapfte an Percy vorbei in dessen Zimmer. Percy seufzte schwer. Er hätte es wissen müssen. Schwungvoll drehte Fred sich zu ihm herum und hielt den Stimmenverzerrer stolz in die Höhe. „Hat Bill uns letztes Jahr aus Hogsmeade mitgebracht. Cool, oder?“ „Ganz toll. Aber ich hab dafür jetzt wirklich keine Zeit, Fred“, sagte Percy bestimmt und klang trotz seiner kaum erst elf Jahren mehr denn je wie seine Mutter. „Geh draußen spielen oder mach dich nützlich und hilf Dad beim Entgnomen.“ „Pff, das macht alles keinen Spaß ohne George“, murmelte Fred und zog eine Schnute. In der Tat befand sich George derzeit nicht wie alle anderen Weasleys Zuhause im Fuchsbau, sondern vielmehr am anderen Ende des Landes. Ursache dafür war eine ziemlich hartnäckige Krankheit, die er sich offenbar bei ihrem letzten Besuch in der Winkelgasse eingefangen hatte und die noch dazu hochansteckend war. Dennoch nichts Bedrohliches, wie der Arzt meinte. Aber trotzdem hatte er George Quarantäne verordnet, was Fred natürlich ganz und gar nicht gefiel. Er hatte in der ganzen letzten Zeit jede noch so kleine Gelegenheit genutzt, um sich in Georges Krankenzimmer in der obersten Etage des Fuchsbaus zu schleichen, bis es Mrs. Weasley schließlich zu bunt wurde und sie George nun bis auf Weiteres bei ihrer Großtante Tessie unterbrachte, in der Hoffnung, dass er bald wieder auf die Beine kam. Percy verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann lies halt ein Buch. Das tät dir sowieso mal ganz gut.“ Fred rollte mit den Augen. „Ganz sicher nicht.“ „Tja, dann kann ich dir auch nicht helfen. Ich hab jedenfalls keine Zeit“, sagte Percy und deutete vielsagend zur Tür. „Aber ich dachte, du wolltest Kesselkuchen“, erwiderte Fred und hielt Percy das kleine silberne Tablett in seiner Hand entgegen. Skeptisch begutachtete Percy abwechselnd die vier kleinen Stücke Kesselkuchen auf dem Tablett und die unheilversprechende Miene seines kleinen Bruders. „Auf gar keinen Fall“, entschied Percy schließlich. „Man Percy, sei kein Angsthase. Ich würde doch niemals etwas in dein Essen mischen.“ „Und was war das gestern in meinem Müsli?“ Fred hob die Schultern. „Was kann ich dafür, wenn sich der Frosch in deinem Frühstück wohlgefühlt hat. Jetzt nimm schon eins.“ Doch Percy rührte keinen Finger. „Oh man“, stöhnte Fred, nahm eines der Stücke und biss herzhaft zu. Weiterhin äußerst skeptisch beobachtete Percy, wie Fred den Kuchen in Windeseile verspeiste. „Schiehscht du?“, sprach sein kleiner Bruder mit vollem Mund und hielt ihm das Tablett erneut unter die Nase. Verlockend roch der Kuchen ja schon. Nicht vollkommen überzeugt, aber dennoch ein bisschen beruhigter fasste sich Percy ein Herz und nahm das vordere Kuchenstück, überlegte es sich kurzfristig jedoch anders und langte  stattdessen nach dem Stück ganz hinten. Nach einer flüchtigen Kontrolle von allen Seiten biss er vorsichtig in den herrlich duftenden Kuchen. Zunächst schien auch alles in Ordnung zu sein, doch dann riss Percy die Augen auf und begann zu husten. Scharf! Viel zu scharf! Er spuckte den Kuchen aus und mit dem Kuchen entfleuchten seinem Mund mehrere kleine Stichflammen, wovon eine seine feinsäuberlich beschriebene Pergamentrolle in Brand setzte. Panisch schnappte sich Percy immer noch Stichflammen hustend das Wasserglas auf seinem Tisch und schüttete den Inhalt über das kokelnde Pergament, bis es mit einem Zischen erlosch. Den Rest des Wassers trank er hastig aus. Als endlich auch die Schärfe in seinem Mund allmählich nachließ, wischte er sich den Mund mit dem Ärmel seines Pullovers ab und drehte sich wütend und mit tränenden Augen zu Fred herum, der sich derweil lachend mit einem Paar Mauseohren auf dem Kopf, Schnurrhaaren im Gesicht und rosaroter Nase auf Percys Bett hin und her kugelte. „Ich wusste, du würdest das hintere Stück nehmen“, lachte Fred und quiekte zwischendurch. „Bertie Botts Bohnen: Norwegischer Stachelbuckel. Die beste Sorte überhaupt.“ „Nicht-witzig! Ganz-und-gar-nicht-witzig-Fred!“, knurrte Percy. Fred wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augen. „Sorry, das musste sein. Freiwillig hättest du es ja nicht mit mir ausprobiert. Wäre George da-“ „Ich hab euch schon mal gesagt, wie sehr ich dieses Zeug hasse. Und das ist auch genau der Grund, warum.“ Percy nahm das verkokelte Pergament von seinem Tisch. „Jetzt muss ich alles nochmal neu schreiben. Die ganze Rolle!“ „Hättest du lieber Trollpopel-Geschmack gehabt? Kein Problem, das ist in diesem Stück hier.“ Fred nahm einen der übrig gebliebenen Kuchen vom Tablett und hielt ihn Percy hin. „Nein! Kein Kuchen mehr! Und du gehst jetzt raus! Ich hab Wichtigeres zu tun, als mich mit dir zu beschäftigen. Was willst du überhaupt hier? Geh doch zu Bill oder Charlie. Die würden vermutlich liebend gern diese albernen Spiele spielen.“ Fred drehte sich auf den Bauch und stützte seinen Kopf auf beiden Händen ab. „Nö“, war die schlichte Antwort und es folgte ein Grinsen. Percy stöhnte. „Was kann ich machen, damit du verschwindest?“ Fred begann zu strahlen, was seine rosarote Mäusenase kurz aufleuchten ließ, bevor sie sich mitsamt den Ohren und Schnurrhaaren in Luft auflöste. „Lass uns Zauberschnippschnapp spielen. Die ganze Nacht!“ „Auf gar keinen Fall.“ „Na schön, dann bleib ich halt hier liegen“, flötete Fred. „Mach, was du willst.“ Percy hatte keinen Nerv mehr zu diskutieren. Und Dank Fred hatte er jetzt noch mehr Arbeit vor sich. Er nahm sich eine neue Rolle Pergament aus seiner Tischschublade und begann damit, seine gesamten Notizen erneut aufzuschreiben. Überraschenderweise hörte er währenddessen von Fred reichlich wenig. Erst als Percy nach geschlagenen zwei Stunden die Feder beiseitelegte, meldete sich Fred wieder zu Wort. „Bist du fertig?“ „Ja. Das war ich eigentlich schon vor zwei Stunden“, grummelte Percy. „Dann können wir ja jetzt Zauberschnippschnapp spielen!“, erwiderte Fred vergnügt. „Wir haben zehn Uhr abends. Ich werde gar nichts mehr machen außer ins Bett gehen. Du solltest doch auch schon längst schlafen.“ Fred streckte sich einmal und drehte sich dann auf den Rücken. „Keine Lust. Ich bleib solange hier, bis du mit mir Zauberschnippschnapp spielst.“ Dann eben anders. Percy ging um sein Bett herum und versuchte daraufhin seinen kleinen Bruder von der Matratze zu schieben, was sich jedoch als nahezu unmöglich erwies, da Fred sich in einer spontanen Aktion selbst mit überraschend starkem, zweiseitigem Zauberklebeband am Bettgestell festgeklebt hatte. Da konnte Percy ziehen und schieben so viel er wollte. Blieb also nur noch eines. „Muuuum!“, rief Percy so laut er konnte. „Petze“, murrte Fred vom Bett aus. Keine fünf Sekunden später hörten sie auch schon die schnellen Schritte Mrs. Weasleys näher kommen. „Was ist denn, mein Schatz?“, fragte Mrs. Weasley, als sie das Zimmer betrat und ihre beiden Söhne erblickte. „Fred! Was machst du schon wieder hier? Es ist zehn Uhr. Du musst ins Bett!“ „Ich bleib heute hier“, entgegnete Fred lediglich. Mrs. Weasley zückte ihren Zauberstab und ließ das Zauberklebeband zwischen Freds Händen und dem Bettgestell mit einem Schwung verschwinden. „Spatz, lass Percy in Ruhe schlafen. Er hat doch schon genug zu tun mit seinen Vorbereitungen für sein erstes Schuljahr. Und sieh dich an, du siehst müde aus.“ Widerwillig verschränkte Fred die Arme. „Na komm“, sagte Mrs. Weasley und hielt ihm ihre Hand entgegen. Es dauerte eine Weile, aber schließlich ließ Fred niedergeschlagen die Schultern sinken und griff nach Mrs. Weasleys Hand. „Na also. Ich bring dich noch ins Bett, mein Schatz. Gute Nacht, Percy.“ „Gute Nacht“, erwiderte Percy noch, bevor Mrs. Weasley die Tür hinter ihnen beiden zu machte. Endlich Ruhe. Nachdem sich Percy im Bad für die Nacht fertig gemacht hatte, nahm er den ersten Band von „Geschichte der Zauberei“ vom Tisch und legte sich damit in sein Bett, um das angefangene Kapitel noch zu Ende zu lesen. Er schnaubte missmutig, als er das Buch bis zur richtigen Stelle durchblätterte. Wäre Fred nicht gewesen, wäre er jetzt schon längst zwei Kapitel weiter. Was sollte das überhaupt? Normalerweise hielten sich die Zwillinge nach einem ihrer blöden Streiche keine Minute länger in seinem Zimmer auf. Er blätterte auf die nächste Seite. Das ging nun schon seit Tagen so. Er blätterte weiter. Sollte er doch Bill oder Charlie auf den Geist gehen. Er hatte keine Zeit und keine Nerven dafür. Noch eine Seite weiter. Es wurde wirklich Zeit, dass George wieder zurück kam. Nächste Seite. „Sieh dich an, du siehst müde aus“, hört er die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf zu Fred sagen. Langsam blätterte Percy noch eine Seite um, ohne bisher auch nur ein einziges Wort gelesen zu haben. Dann ließ er das Buch sinken. --------------------------------------------------------- Fred lag im Dunkeln, auf der Seite, die Decke bis unter die Nase gezogen. Sein Blick ruhte auf Georges leerem Bett gleich neben seinem. Er war hellwach. Wie jede Nacht, seitdem George weg war. Völlig in Gedanken versunken bemerkte er nicht einmal, wie sich plötzlich die Tür ihres Zimmers leise öffnete. Erst als etwas seine Matratze hinter ihm beschwerte, drehte er sich überrascht herum und erkannte Percys Umrisse. Er sah zu, wie sein Bruder seine Brille auf dem Nachttisch und sein Kissen neben Freds ablegte und schließlich zu ihm unter die Decke schlüpfte. Es dauerte eine Weile, bis Fred die Stille um sie herum brach. „Wird George wieder gesund?“, fragte er leise, Percy zugewandt. „Natürlich. Du kennst ihn doch am besten. Von so einer blöden Krankheit lässt sich George doch nicht klein kriegen.“ Fred dachte kurz nach und nickte daraufhin. Erleichtert. Und deutlich entspannter. „Percy?“ „Mhm?“ „Kann ich morgen bei dir schlafen?“ „Lässt du mich in Ruhe lernen?“ „Weiß ich noch nicht.“ Percy seufzte schwer, entgegnete aber nichts weiter. Fred lächelte gegen der weichen Stoff seiner Decke. Dann schloss er die Augen und schlief ein. Das erste Mal seit Tagen ohne Alpträume. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)