Last Desire 11 von Sky- ================================================================================ Kapitel 10: Samsaras Tod ------------------------ Beyond hatte wirklich mit dem Gedanken gespielt, den anderen heimlich zu folgen, weil er sich trotz allem Sorgen um L machte. Außerdem passte es ihm überhaupt nicht, dass er zuhause bleiben musste, während L den ganzen Spaß hatten. Doch dazu ließ es Nastasja nicht kommen. Als Beyond sich nämlich absetzen wollte, hatte Nastasja ihn auch schon erwischt und zerrte ihn am Ohr wieder ins Haus zurück. „Glaub mir mein Lieber, ich als Mutter kenne alle Tricks. Ich hab L damals wiedergefunden, wenn er sich abgesetzt hat, genauso wie ich heute Sheol zu fassen kriege, wenn er trotz Hausarrest ausbüchsen will, oder wenn Ezra vor seinem Termin beim Zahnarzt zu flüchten versucht. Du bleibst schön hier!“ „Sag bloß, L hat dich als meinen persönlichen Babysitter angeheuert…“ „Bist wohl ein echter Blitzmerker mein Lieber. Und jetzt komm wieder rein. Es gibt gleich Mittagessen und Sheol geht mir auch schon genug auf den Geist.“ Damit gingen sie wieder zurück ins Haus und Beyond musste wohl einsehen, dass er einer erfahrenen Mutter wohl nicht so leicht entkommen konnte. Dathan sah das Ganze sehr entspannt und deckte den Tisch, während Sheol auf der Couch saß und an seinem Nintendo spielte. Sogleich rief Nastasja auch „Hey, du könntest wenigstens mal helfen, junger Mann!“ „Es ist schon gut“, beruhigte Dathan sie. „Es ist doch eh nicht viel Arbeit und ihr seid Gäste.“ „Mag sein, aber er soll bloß nicht auf den Trichter kommen, dass er sich hier breit machen kann und nichts tun muss. Ich muss ihn sowieso bis zu fünf Mal dran erinnern, seine Aufgaben zu erledigen und sein Zimmer aufzuräumen. Aber in der Hinsicht ist er manchmal wirklich faul.“ Sheol tat gekonnt so, als hätte er nichts gehört und spielte seelenruhig weiter. Schließlich saßen sie alle zusammen am Tisch und es war eigentlich eine ganz entspannte Runde. Sheol spachtelte mal wieder für eine komplette Fußballmannschaft und machte mit seinem enormen Appetit selbst Dathan komplett sprachlos. „Wie kann ein Mensch nur so viel essen?“ „Er muss sehr viele Kohlenhydrate zu sich nehmen, da seine Hirnleistung mindestens drei Mal so hoch ist, wie bei einem normalen Menschen“, erklärte die Russin, die der Anblick schon längst nicht mehr erstaunte. „Elion und die anderen haben aufgrund ihrer Hirnmutationen einen ausgeglichenen Stoffwechsel, weshalb der Energieverbrauch deutlich reguliert werden kann. Aber Sheol hat diese Mutationen nicht mehr und dennoch arbeitet sein Hirn deutlich mehr als unseres. Das ist auch der Grund, warum er sehr sportlich ist.“ „Yo“, rief Sheol und hatte dabei noch nicht mal sein Essen runtergeschluckt. „Und wenn ich mit der Schule bin, werde ich auf jeden Fall Profisportler. Am besten Basketballspieler.“ „Dafür bist du nun etwas zu klein.“ „Größe wird doch eh überbewertet. Und wenn das nicht funktioniert, such ich mir eine andere Sportart. Hey, ich könnte MMA-Profi werden. Kampfsport beherrsche ich eh, ich brauch nur noch etwas Training. Hey Mum, würdest du mich trainieren? Du als zweimalige Weltmeisterin müsstest doch ein paar gute Tricks wissen.“ „Das schon, aber jetzt haben wir erst mal genug andere Sorgen. Und außerdem: schluck erst mal runter bevor du sprichst. Wie alt bist du? Drei?“ Tja, die beiden waren wirklich das perfekte Beispiel für Mutter und Sohn. Sheol als wahrer Rebell drückte sich vor seinen Aufgaben, machte sein eigenes Ding, überging Verbote einfach und ließ sich so gut wie gar nichts sagen. Und ständig heckte er irgendwelchen Blödsinn aus. Inzwischen überraschte Beyond bei dem gar nichts mehr. Kaum zu glauben, dass Sheol eventuell sogar noch älter war als er. Sie saßen noch eine Weile zusammen und unterhielten sich, bis plötzlich Dathan verstummte, ein ernstes Gesicht machte und sich dann von seinem Platz erhob. Fragend blickte Nastasja ihn an, ahnte aber nichts Gutes, als sie den ernsten Blick bei ihm sah. „Ist irgendetwas?“ „Ich habe irgendein ganz komisches Gefühl. Ich weiß auch nicht was es ist.“ „Fühlt es sich an, als wäre da eine Art unnatürliche Präsenz, die näher kommt?“ erkundigte sich Sheol sogleich, der offenbar schon irgendetwas zu ahnen schien. Unsicher zuckte der Unvergängliche mit den Achseln und murmelte „Ich weiß es nicht. Kann gut möglich sein.“ „Dann ist Ärger im Anmarsch. Mum, die Proxys kommen.“ Sofort waren alle in Alarmbereitschaft und erhoben sich. Beyond ging in die Küche und schnappte sich eines der Fleischermesser, Sheol blieb auf Nastasjas Anweisung hin bei Beyond. Sie selbst band sich ihre Haare zu einem Zopf und wickelte sich Bandagen um ihre Handgelenke. Sie sah aus wie eine Boxerin, die bereit war, jeden Augenblick zuzuschlagen. Schließlich fragte sie „Ist sie alleine?“ Unsicher zuckte Dathan mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Ich kann das nicht so genau erkennen.“ „Wahrscheinlich nur eine von beiden, sonst wären die anderen längst wieder hier. Vielleicht haben wir ja Glück und wir erwischen noch den Alpha-Proxy.“ „Darüber macht man keine Witze.“ Sheol wollte dazu etwas sagen, doch da zerbrach das Fenster des Wohnzimmers und ein schwarzer Schatten griff blitzschnell Sheol an, woraufhin Beyond im letzten Moment mit dem Küchenmesser den Schwertangriff blocken konnte. Doch die dabei freigesetzte Kraft war so gewaltig, dass er kaum gegenhalten konnte. Sofort war Nastasja zur Stelle und verpasste dem Proxy-Mädchen ein paar saftige Schläge und konnte sie somit von Beyond trennen. Es handelte sich um ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren. Ihre Augen waren genauso eisblau wie Jeremiel, nur was auffiel war, dass sie gar keine Pupillen zu haben schien. Das verlieh ihren Augen etwas sehr Unnatürliches. Sie hatte einen genauso nichts sagenden und emotionslosen Gesichtsausdruck wie Sam Leens und wirkte irgendwie, als wäre sie nicht ganz bei der Sache oder als wäre sie irgendwie apathisch. „Hey“, rief Beyond, als er sie wiedererkannte. „Du bist doch Samsara. Deine Schwester Simrah ist doch diese Alpha, oder?“ „Ja“, antwortete sie tonlos und stand wieder auf, wobei sie ihr Schwert wieder in die Hand nahm. „Sie befahl mir, euch zu töten und Nivkha mitzunehmen.“ „Eh?“ fragte Dathan verwundert, als er das hörte. „Wieso soll ich mitkommen?“ „Mensch, das erklärt sich doch von selbst“, kam es von Beyond. „Du bist Elohims Sohn, schon vergessen? Wahrscheinlich will dein werter Vater dich zu sich holen und dich dann genauso für irgendwelche Experimente benutzen, um dich hinterher zu seiner Trumpfkarte zu machen.“ „Dathan geht nirgendwohin, kapiert? Ich lasse ganz sicher nicht zu, dass ihr ihn mitnehmt und ihn für eure Zwecke benutzt. Nur über meine Leiche!“ Und damit schaffte es Nastasja, dem Proxy-Mädchen das Schwert aus der Hand zu drehen und wollte sie schon niederringen, doch da bekam sie einen Schlag gegen den Unterkiefer und einen Tritt in die Magengrube und daraufhin packte Samsara sie am Genick und stieß ihren Kopf gegen die Wand. Der Schlag setzte Nastasja kurz außer Gefecht und das nutzte das schwarzhaarige Mädchen und wollte sie mit einem Messer töten, da warf sich Sheol auf sie, um sie daran zu hindern. „Nimm deine verdammten Griffel von meiner Mum, oder ich mach Hackfleisch aus dir!“ Es gelang ihm auch tatsächlich, Samsara die Stirn zu bieten, denn obwohl er jetzt mehr Mensch als Proxy war, so beherrschte er immer noch die Kampftechniken, die er im Institut beigebracht bekommen hatte. Doch als es dem Mädchen gelang, ihm das Messer in den Bauch zu rammen und damit schwer zu verletzen, da war für die anderen endgültig Schluss. Nastasja sah komplett rot und attackierte ihre Gegnerin ohne zu zögern, während sich Dathan um den schwerverletzten Sheol kümmerte, dessen Verletzung ziemlich tief war und stark blutete. Der Rothaarige biss sich auf die Unterlippe und wurde blass im Gesicht. „Keine Sorge, ich… ich mach das schon.“ Doch er hegte insgeheim Zweifel, ob er das wirklich schaffen konnte. Immerhin hatte er schon bei Beyond absoluten Mist gebaut, als er seine Verletzungen zurücksetzen wollte. Was sollte er denn tun, wenn es dieses Mal nicht klappen würde. „Hey Mann“, sprach Sheol mit gedämpfter Stimme und ergriff seinen Arm. „Jetzt hör auf, dich verrückt zu machen, sondern atme tief durch und konzentrier dich. Das klappt schon. Wenn du selbst daran glaubst, dass du es schaffen kannst, dann wird es auch funktionieren.“ Dathan nickte und versuchte sich zu konzentrieren. Sheol hatte Recht. Es brachte rein gar nichts, wenn er sich jetzt verrückt machte und sich fragte, ob er das schaffen konnte. Er konnte das schaffen, immerhin besaß er die dazu notwendigen Fähigkeiten. Also sammelte er sich und erinnerte sich daran, was Frederica und Elion ihm beigebracht hatten. Und tatsächlich gelang es ihm, die tiefe Stichverletzung zurückzusetzen, ohne dass etwas schief ging. Beyond schnappte sich den angeschlagenen Rotschopf und brachte ihn erst einmal aus der Gefahrenzone, während Dathan Nastasja zur Hilfe eilte. „…ka…“ Was? Was war das gerade? Hatte er da gerade etwas gehört Merkwürdig… ihm war so, als würde da eine Stimme in seinem Kopf erklingen. „Ni… ka…“ War das etwa dieses Mädchen? Ja aber was wollte sie von ihm? Gerade wollte er sich an Beyond wenden und ihn fragen, doch dieser bekam ausgerechnet in diesem Moment einen Anruf und war nicht ansprechbar. Anscheinend war es Ezra. Tja, offenbar schien nur er diese Stimme zu hören. Und offenbar wollte Samsara ihn sprechen. Zögerlich stand er auf und ging zu den beiden Kämpfenden hin. Nastasja war wirklich eine gnadenlose Kämpferin und konnte Samsara ganz schön zusetzen. Doch dann gelang es dem Proxy-Mädchen, sich unter einem Schlag wegzuducken und ihr gegen die Beine zu treten, woraufhin Nastasja stürzte. In dem Moment kam Samsara direkt auf Dathan zugelaufen. Bevor dieser reagieren konnte, hatte sie ihre Stirn auf die seine gelegt und ihm wurde schwarz vor Augen. Ihm war, als würde irgendeine Kraft ihn unwiderstehlich fortziehen wie einen Sog. Dieses Gefühl hatte er schon mal gehabt, nämlich als er sich mit Fredericas Seele verbunden hatte. Kurz darauf fand er sich an einem fremdartigen Ort wieder. Der Himmel war pechschwarz, Schnee fiel herunter und überall ragten riesige Kristalle aus dem Boden. Es war eiskalt und so langsam dämmerte dem Unvergänglichen, dass diese Samsara offenbar wirklich eine mentale Verbindung zu ihm aufgebaut hatte. „Samsara?“ rief er und sah sich um. „Bist du hier irgendwo?“ „Hinter dir.“ Sofort drehte sich Dathan um und sah tatsächlich Samsara. Nur sah sie irgendwie verändert aus. Ihre Haut war schneeweiß, die bläulichen Adern traten regelrecht hervor und entstellten dieses ganze Bild. Sie sah wie eine Leiche aus, anders konnte Dathan es nicht beschreiben. Auch jetzt sah sie sehr teilnahmslos und apathisch aus. Er wich sicherheitshalber einen Schritt vor ihr zurück und fragte „Was willst du von mir und wieso bin ich hier?“ „Weil das der einzige Weg ist, um mit dir zu sprechen. Ich habe nicht viel Zeit und es wird nicht mehr lange dauern, bis der letzte Rest meines Willens für immer verschwindet. Hör also gut zu: um Mutter und Elohim aufzuhalten, müsst ihr zusammenfügen, was einst getrennt wurde. Und ihr müsst Lacie unbedingt beschützen, genauso wie Elion. Und bitte… tötet mich. Ihr müsst mich und meine Schwester töten, damit es endlich aufhört.“ „Was?“ Dathan wich noch einen Schritt zurück und konnte nicht fassen, was er da hörte. Samsara wollte tatsächlich, dass er sie tötete? „Das… das kann ich nicht tun“, stammelte er und hatte wirklich Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. „Ich will niemanden töten. Nicht einmal einen Proxy. Es muss einen anderen Weg geben.“ „Den gibt es nicht“, erklärte Samsara und senkte den Blick. „Meine Schwester ist bedingungslos loyal und bösartig. Sie terrorisiert mich und die Leute im Institut und sie tötet allein zum Vergnügen, weil es für sie ein Spiel ist. Und ich kann nichts ausrichten und bin im Grunde nur ein Kriegswerkzeug und sonst nichts. Was du hier siehst, ist ein letzter kläglicher Rest meiner Persönlichkeit, den ich mir bewahren konnte für den Tag, an dem irgendjemand kommen würde, der in der Lage ist, Mutter aufzuhalten. Schon erbärmlich, dass ich mir nicht mehr bewahren konnte als das hier… Aber leider wird auch dieser winzige Teil meiner verbliebenen Persönlichkeit gleich verschwinden und ich habe eigentlich nur so lange durchhalten können, weil ich daran glaube, dass ihr es schaffen könnt. Bitte, ihr müsst mich und Simrah töten und Elion und Lacie unbedingt beschützen. Ihr werdet schon bald verstehen wieso.“ Damit begann die Welt um ihn herum zu verschwinden und sich in tiefe Dunkelheit aufzulösen. Und dann fand er sich wieder im eigentlichen Geschehen wieder. Er sah, wie Nastasja gerade dabei war, Samsara auf den Boden zu drücken und sie festzuhalten. Doch das Mädchen konnte sich dennoch befreien und er hörte nur noch „töte… mich…“ in seinem Kopf, als er plötzlich etwas spürte. Eine merkwürdige Kraft ging von dem Mädchen aus und dann, aus heiterem Himmel, schrie Nastasja auf und brach zusammen. Blut lief ihr aus der Nase und den Ohren, sie zuckte in Krämpfen und Dathan wurde klar, dass dies auf den Einfluss dieses Mädchens zurückzuführen war. Sie verstärkte langsam die Eigenresonanz von Nastasjas Körper, um sie zu töten. Er war sofort bei ihr und grübelte, wie er denn helfen konnte. Wenn er nichts tat, dann würden Nastasjas Organe regelrecht zerrissen werden. Sheol, der sich wieder halbwegs berappelt hatte, schien nun selber eine Idee zu haben und hatte sich unbemerkt abgesetzt. Schließlich kam er mit dem Schwert wieder, welches Dathan von Lacie bekommen hatte und gab es ihm. „Vielleicht können wir damit den Proxy fertig machen.“ Samsara, die sich wie in Trance befand, griff ohne zu zögern an und wollte sich Sheol vorknöpfen, doch Beyond konnte ihr das Messer in die Seite stoßen und sie davon abhalten. „Hey, such dir gefälligst jemanden in deiner Größe.“ Doch den Schmerz nahm das Mädchen gar nicht mal wahr. Sie schlug mit dem Schwert nach ihm und riss eine tiefe Wunde über seinen Oberkörper. Nachdem sie das Messer aus ihrer Seite gezogen hatte, wollte sie Beyond erstechen. In dem Moment reagierte Dathan schneller. Ohne zu zögern stellte er sich dazwischen, hielt das Schwert bereit zum Angriff und wollte Samsaras Angriff abwehren. Doch es kam anders als beabsichtigt, denn da stürzte Samsara in das Schwert und tief bohrte sich die durchsichtige Klinge durch ihre Brust und durchbohrte ihr Herz. Fassungslos stand Dathan da und konnte nicht fassen, was da gerade passiert war. Er… er hatte sie doch nicht umbringen wollen. Er wollte doch nur Beyond und Nastasja beschützen, aber nie und nimmer wollte er jemanden töten! Ich… ich habe jemanden umgebracht. Dieser Gedanke grub sich tief in sein Innerstes und Fassungslosigkeit und Schuld überkamen ihn. In diesem Moment hätte er am liebsten die Zeit zurückgedreht und es ungeschehen gemacht. Und doch… als sich sein Blick mit Samsaras traf und er in ihre leeren und unmenschlichen Augen sah, da konnte er so etwas wie Dankbarkeit erkennen. Und tatsächlich zeichnete sich noch ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen ab, bevor sie starb. Dathan war wie erstarrt und er sah das Blut an der Klinge. Schließlich brach die tote Samsara zusammen und dem Unvergänglichen fiel das Schwert aus der Hand. Er stand da, als wäre er zur Salzsäule erstarrt und stand unter Schock. Doch dann fing er sich wieder soweit, dass er sich um die beiden Verletzten kümmern konnte. Und doch konnte er nicht verhindern, dass seine Hände zitterten und ihm die Tränen kamen. Der Gedanke, einen Menschen getötet zu haben, war für ihn unerträglich und auch wenn er wusste, dass es keine Absicht war und es nur passiert war, weil sonst Beyond getötet worden wäre, fühlte er sich schrecklich. Ja, er hatte eigentlich keine andere Wahl gehabt, weil die anderen sonst getötet worden wären. Und doch kam er sich wie ein dreckiger Mörder vor. Denn Samsara hatte das doch selbst nicht gewollt. Sie war dazu gezwungen worden und hatte keine Möglichkeit gehabt, sich zu wehren. Ob sie… ob sie vielleicht ihren Tod gewollt hatte und deshalb nicht stehen geblieben war? Hatte sie noch genügend Willenskraft besessen, sich in sein Schwert zu stürzen, um so zu sterben, damit sie niemandem mehr wehtun konnte? Tja, das würde er wohl nicht erfahren. Aber wieso sonst sollte sie dann gelächelt haben, wenn es ein Unfall war? Diese Gedanken kreisten immer und immer wieder in seinem Kopf, während er sein Bestes gab, um Nastasja und Beyond zu helfen. Nachdem sich die Russin einigermaßen erholt hatte, versuchte sie ihn zu beruhigen. „Hey, es ist alles gut.“ Sie nahm ihn in den Arm, als sie sah, wie sehr er noch zitterte und wie blass er im Gesicht war. „Ich wollte sie nicht umbringen“, beteuerte Dathan immer und immer wieder. „Es war ein Unfall, das müsst ihr mir glauben.“ Beyond glaubte ihm sofort denn so aufgewühlt, wie der Kerl war, schien er tatsächlich nicht vorgehabt zu haben, Samsara umzubringen. Er hatte ja gesehen gehabt, wie der Unvergängliche sich dazwischengestellt hatte, um ihn zu beschützen und da war das Mädchen einfach in die Klinge reingelaufen. Wahrscheinlich hatte sie einfach nicht schnell genug reagieren können, um abzubremsen. Oder aber, was zwar unwahrscheinlich war aber dennoch stark danach ausgesehen hatte: sie war mit Absicht in die Klinge reingelaufen, um sich umzubringen. Mit Mühe konnte er wieder aufstehen und ging zu Dathan hin, woraufhin er ihm auf die Schulter klopfte. „Danke. Wenn du nicht gewesen wärst, dann wären wir jetzt tot. Und mach dir keine Vorwürfe, ja? Sie ist mit Absicht in dein Schwert reingelaufen. Wir alle wissen, dass du sie nicht töten wolltest.“ Schließlich machte sich Beyond an die Arbeit, um das tote Mädchen wegzubringen, denn im Wohnzimmer konnte sie nicht bleiben. Fürs Erste wurde sie in den Keller gebracht und so begann der Serienmörder mit der Beseitigung der ganzen Blutspuren, was ja sowieso seine Spezialität war. Nastasja versuchte sich in der Zwischenzeit um Dathan zu kümmern, der immer noch durcheinander war und unter Schock stand. Er war gar nicht ansprechbar und so wollte die 30-jährige ihm erst mal etwas zur Beruhigung geben, da glaubte er, wieder eine Stimme zu hören. Sie klang ganz anders als Samsaras, aber dennoch sehr vertraut und sie schien wieder aus seinem Kopf zu kommen. Er kannte sie und ihm war, als würden in diesem Moment Erinnerungen wach werden. Erinnerungen an eine Zeit, die so lange zurücklag, dass kein Mensch sie in Worte zu fassen mochte und in einer Welt, die weit außerhalb des menschlichen Begreifens lag. Die Stimme einer Person, die er nur kurz gehört hatte, bevor sie aus seinem Leben verschwunden war. Und sie rief nun nach ihm. „Nivkha…“ Mit einem Male war der Schreck vergessen und ihm war, als würde eine seltsame Wärme sein Herz erfüllen. Eine gewaltige Kraft war auf einmal zu spüren, die selbst bis hierhin reichte und so deutlich zu spüren war, als würde sie wie eine Flut über ihn kommen. Und es fühlte sich so wunderbar an, dass er einen Moment lang alles um sich herum vergaß und sich so warm und geborgen fühlte, als bestünde diese immense Kraft, die er wahrnahm, aus reinem Licht. Nein, es war nicht einmal Licht. Wenn Dathan es mit Bildern hätte beschreiben sollen, dann hätte er es als einen Kristall beschrieben, in dessen Inneren sich das Licht in unzählige Strahlen brach und ein einzigartiges und unbeschreibliches Farbenspiel erzeugte. Es war so viel facettenreicher als das Licht selbst und viel reiner. „Nivkha…“ Dathan hob den Blick und sah zum Fenster hinaus. Draußen klärte sich langsam der Himmel und die Sonne schien wieder durch. Und langsam wich diese Kraft wieder, als würde sie sich auflösen. Tränen liefen Dathans Wangen hinunter, als er sich wieder erinnerte. „Dad…“, das war das Einzige, was über seine Lippen kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)