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No exit

[Bagfield]
von

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Kapitel 2

Nervös knetete Michael seine Hände, während er seinen Blick auf den grünen Rasen geheftet hatte. Solche Gefühle waren schlimm. Er spürte die Trauer und die Angst. „Frischling.“ Innerlich rollte Michael mit den Augen, als er schon wieder diese Stimme hörte. Er konnte es jetzt wirklich nicht hören, dass er sich etwas einfallen lassen musste und dass sie alle hier raus wollten. Mittlerweile wusste Michael es ganz genau und man brauchte es ihm nicht immer und immer wieder sagen. Dadurch wurde alles auch nicht besser. Das Holzbrett senkte sich, obwohl sich praktisch ein Fliegengewicht darauf setzte. „Was ist T-Bag? Passt es dir nicht, dass ich auf deiner Tribüne sitze?“ Michael hob leicht seine Brauen, als er auf den Brünetten rüber sah, der den Kopf schüttelte. „Nein, nein. Bleib ruhig sitzen.“ Irgendwie wusste man nie, ob T-Bag das, was er sagte, ironisch meinte oder wirklich ernst. Dieser Kerl war zwar in manchen Situationen so unglaublich leicht zu durchschauen, aber manchmal sprach er in Rätseln. „Ich liebe Gesellschaft.“, fügte der Dunkelhaarige anschließend hinzu und Michael wandte seinen Blick zu T-Bag, der sich nun über die Lippen leckte und ihn musterte. Wie auch immer T-Bag es schaffte, sah sein Blick entweder wütend oder hungrig aus. Etwas, das Michael noch weniger gefiel, einfach weil man nie richtig wusste, wo man es einordnen sollte. 

Michael antwortete darauf einfach gar nichts, sondern sah wieder nach vorne und versuchte sich von seiner Nervosität nichts anmerken zu lassen. Das war etwas, das vor allen an T-Bag nicht mitbekommen sollte. Es wirkte, als würde der Kerl Angst riechen können und es für sich ausnutzen. Immerhin schien er eine Schwäche für Schwächere, die sich nicht wehren konnten, zu haben. Michael sah aus dem Augenwinkel, wie sich Theodore rührte, es sich bequemer machte und tief, fast schon theatralisch, seufzte. „Es ist immer so eintönig hier.“, hörte er ihn sagen, während Michael automatisch seinen Blick durch die Gegend schweifen ließ. Tatsächlich hatte Theodore Recht. Das Leben hier war so eintönig, dass Michael fast, aber wirklich nur fast, Mitleid mit den Häftlingen empfand. Man vegetierte hier Tag ein Tag aus vor sich hin und mit etwas Glück bekam man etwas Abwechslung hier rein. Es war nicht verwunderlich, wenn man hier noch krimineller wurde, als man ohnehin schon war. Man sorgte selbst für ein wenig Abwechslung und Unterhaltung. So wohl auch der Krieg zwischen Schwarzen und Weißen, der hier geführt wurde, als Michael gerade einmal zwei oder drei Tage gesessen hatte. Das war der Tag, an dem Michael zugegebenerweise sogar Angst vor T-Bag gehabt hatte. Dieser Blick, als sein Zellengenosse tot am Boden gelegen hatte, wie er ihn angesehen hatte. Verdammt, ja. So ein Mann war unberechenbar, wenn ihm etwas genommen wurde und er sonst nichts mehr hatte. Es hatte Michael sogar für einen Moment leid getan, im Nächsten allerdings hatte er eher gedacht, dass es eine Erlösung für den Kerl war. Wer wollte schon gerne im Knast verrotten und dabei auch noch das Spielzeug eines Mehrfach-Vergewaltiger sein? Doch Michael hatte kein Recht irgendein Urteil zu fällen, was er doch tagtäglich hier machte. Etwas, das anderen wohl nie wirklich gefiel und doch lag er meistens richtig. 

„Ich muss zugeben, du hast hier ein wenig Wind in die Sache reingebracht.“ Michael runzelte leicht seine Stirn und sah rüber auf T-Bag, um zu erkennen, wie genau er das meinte. „Ich mach das aber nicht für dein Vergnügen.“, stellte er klar und behielt T-Bag dieses Mal auch im Auge. Er tat es wirklich nicht für den Kerl. Er hatte ihn nie in die Sache mit eingeplant, nie. Er hatte noch nicht einmal irgendwas von ihm gehört und somit hatte T-Bag für Michael keinerlei Bedeutung. Im Gegenteil. Wenn es nach Michael ging, würde er seine volle Strafe hier absitzen, so wie er es auch verdient hatte. Er sah zu, wie sich T-Bag dieses Mal über die Zähne leckte und anschließend nickte. „Ja, ich weiß.“ Dieses Mal war es T-Bag, der seinen Blick abwandte und nach vorne sah, seine Finger ineinander verschränkte, während seine Arme locker auf seine Oberschenkel lagen. „Mir ist völlig bewusst, warum du hier bist.“ Michael senkte seinen Blick ein wenig. Er erinnerte sich wieder an seinen Bruder, wobei er ihn doch für ein paar Sekunden vergessen hatte. „Leider ist es zu spät, zu schade.“ Ein keckes Schmunzeln lag auf den Lippen von T-Bag, als er wieder seinen Blick auf Michael richtete und diesen musterte. „Aber ich kann dir eines sagen, Frischling. Dein Bruder hätte es beinahe geschafft und er stirbt mit dem Gedanken, nicht alleine gewesen zu sein. Jemand hat sich um ihn bemüht.“ Das erste Mal in seiner kompletten Gefangenschaft war Michael von einem Häftling so dermaßen überrascht. Er hätte solche Worte niemals von T-Bag erwartet, niemals. Für einen Moment schwieg Michael und sah in die dunkelbraunen Augen des Häftlings. Er hatte Recht, so ungern er es auch zugab. Wenn sein Bruder jetzt starb, dann mit dem Gefühl, dass sich jemand um ihn bemüht hatte. Angedeutet nickte er und sah anschließend wieder schweigend nach vorne. „Kann schon sein...“, beantwortete er die Aussage trocken, wenn er es auch nicht so trocken meinte. Doch noch immer war er sich nicht sicher, wie er T-Bag entgegentreten sollte und entschloss sich dann doch lieber für die Gleichgültigkeit. Als Antwort bekam er nun ein Lachen. „Darüber hinaus könntest du selbst auch ein wenig frischen Wind...“, er spürte, wie sich T-Bag noch ein wenig mehr zu ihm lehnte, sodass sich sogar ihre Oberarme berührten, „... und Unterhaltung gebrauchen, Hübscher.“ Der letzte Satz bescherte Michael sogar eine Gänsehaut. Es waren nicht die Worte, sondern viel eher wie Theodore diese aussprach. Hungrig, anzüglich, als würde er genau wissen, welchen Ton man benutzen musste, um jemanden um den Verstand zu bringen. Michael verharrte und bewegte sich keinen Millimeter. Nicht einmal, als T-Bag aufstand und er noch dessen Hand auf seine Schulter spürte. Nur kurz und trotzdem entging es Michael nicht. „Überleg es dir.“ Michael hob seinen Blick nochmals kurz, als T-Bag gerade die Tribüne runter gestiegen war und sich noch einmal zu Michael umgedreht hatte. „Du weißt, wo du mich finden kannst.“, fügte T-Bag hinzu und strich mit seinen Fingern über sein Mundwinkel, funkelte Michael dabei hungrig an, bevor er verschwand. Für einen Moment sah Michael dem Brünetten hinterher und schüttelte anschließend seinen Kopf. Es war nicht das erste Mal, dass T-Bag etwas Anzügliches zu ihm gesagt hatte, nein im Gegenteil. Doch heute hatte Michael das erste Mal das Gefühl, dass T-Bag nicht ganz so unerwünscht war, wie er immer zu glauben schien. Die Worte, die der Kerl für Michael übrig hatte, hatten ihn doch tatsächlich etwas beruhigt. Während die anderen sich alle nur um den Ausbruch kümmerten, hatte ausgerechnet T-Bag ein paar nette Worte übrig gehabt. Und doch war es für Michael nicht genug. Damit gab er sich garantiert nicht zufrieden, nein! Er war hier, um seinen Bruder herauszuholen, doch er wurde trotzdem getötet. Abgeschlachtet wie ein Tier, dabei war er doch unschuldig! Michael presste seine Lippen aufeinander und ballte seine Hand zu einer Faust. „Lincoln...“ 
 

„Wir werden ihn gleich her bringen.“, sagte der Wärter streng, während er Michael die Handschellen abnahm, als er sich auf einen Stuhl im Wartezimmer gesetzt hatte. Seine Hände zitterten nicht, doch er spürte, dass er innerlich schrie und um sich schlug. Am liebsten hätte er den Todestrakt gestürmt, wäre Amok gelaufen, nur um seinen Bruder zu befreien. Und dann wären ihm die anderen Häftlinge auch egal. Doch er musste ruhig bleiben. Selbstbeherrschung war das A und O und die durfte er nicht verlieren. Leicht nickte er und sah dem Wärter schweigend hinterher, bevor er auf Veronica sah. Sie hatte ihm gegenüber gesessen, bevor sie aufsprang. Auch er stand auf und umarmte die Ex-Freundin von Lincoln. Victoria gehörte zur Familie, auch wenn sie lange nicht mehr mit seinem Bruder zusammen war. Sie war ein Mensch mit einem großen Herzen und dafür schätze er sie. Mittlerweile war er nicht mehr so froh darüber, dass die beiden sich getrennt hatten. Als er noch geglaubt hatte, dass sein eigener Bruder ein Nichtsnutz war, war er der Meinung gewesen, dass Lincoln diese wundervolle Frau nicht verdient hatte. Doch jetzt wünschte er sich nichts sehnsüchtiger, als dass die beiden wieder zusammen fanden. Lincoln brauchte jemanden wie Veronica. Er brauchte jemanden, der an ihn glaubte, jemanden, der sich um ihn sorgte. Und Veronica war die einzige Person, die die Todesstrafe verhindern konnte, Michael setzte viel darauf. „Oh mein Gott, Michael...“, schluchzte sie, wobei Michael die junge Frau noch fester an sich drückte. Die Trauer um Lincoln teilten sie beide und es stimmte wohl... Geteiltes Leid war halbes Leid. Doch war dieses Leid so unendlich groß, dass es noch immer schmerzte, obwohl sie zu zweit waren. Die Umstände waren noch schrecklicher, denn sie beide wussten, dass es sehr viele Menschen gab, die Lincoln lieber tot sahen. „Es tut mir so leid...“ Das waren Worte, die Michael Victoria wirklich glaubte, obwohl sie für diese Sache nichts konnte. „Du hast dein Bestes gegeben.“, murmelte er und löste sich langsam von ihr, musterte sie. Die Tränen standen in ihren Augen und warteten nur darauf, über ihre Wangen zu kullern. Sachte schüttelte er seinen Kopf. „Nicht, er soll es nicht sehen...“ 

Quietschend ging plötzlich die Tür auf, wobei sich Veronica sofort von Michael löste. Sie beide hatten nichts zu verbergen und doch hatten sie sich so plötzlich voneinander getrennt, dass man es denken könnte. Doch es war eher die Aufregung, dass sie beide Lincoln wieder sehen durften. Das letzte Mal. Dieser Gedanke schmerzte, ebenso, Lincoln komplett gefesselt hier eintreffen zu sehen, als wäre er der Schwerverbrecher schlechthin. Sowohl Veronica als auch Michael wussten es wohl besser... 

Sie unterhielten sich und trauerten, wenngleich stumm. Michael versuchte seinen Bruder mit einem Spiel abzulenken, doch es wurde von Minute zu Minute immer schwerer. Niemand konnte es glauben, dass heute der letzte Tag sein würde an dem er lebte und dieser bahnte sich den Weg zum Ende. Jeder Herzschlag, den er spürte, bedeutete, dass es immer weniger wurden, die er mit Lincoln teilen konnte. So war es auch schwer, seinem Bruder dabei zu zusehen, wie dieser den Weg zum Stuhl ging. Langsam und doch brachte alles nichts mehr. Je langsamer er lief, desto schlimmer wurde es wahrscheinlich, denn die wenigen Augenblicke, denen ihnen noch blieben, waren qualvoll. So schlecht hatte sich Michael noch nie in seinem Leben gefühlt und er spürte, dass auch ein Teil von ihm selbst langsam vor sich hin starb. Den Anblick seines Bruders auf dem Stuhl war der Schlimmste von allen. Während sie vor der Scheibe saßen und Lincoln bei der Vorbereitung zu sehen durften. Es war krank, nicht mehr und nicht weniger. Obwohl Michael doch ein Anhänger der Todesstrafe gewesen war - zumindest hatte er es damals irgendwie verstehen können - war das jetzt mit Sicherheit nicht mehr der Fall. Menschen wurden wie Tiere zur Show gestellt. Niemand durfte bei ihm sein, ihm seine Hand halten, ihm wirklich beistehen, so wie es jeder Mensch verdient hatte. Nein, sie durften nur zusehen. Michael sah seinem Bruder direkt in die Augen und das erste Mal sah er diese Angst in dessen Blick. Diese Angst, die er noch nie zu vor gesehen hatte, übte einen Druck in Michaels Herz aus. Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, sie brannten und wollten raus. Doch er durfte nicht weinen. Diesen Anblick sollte Lincoln nicht von ihm bekommen, so sollte er ihn nicht als letztes Mal sehen. Stattdessen hob Michael seine Mundwinkel und doch wollte ihm das Lächeln nicht gelingen. Seine Kehle war trocken, so auch das Lächeln. Tief holte er Luft, als er Lincoln etwas sagen sah. Er konnte ihn nicht hören und doch versuchte ihm sein Bruder noch etwas sagen zu wollen. Sofort begann Michael zu zittern an und wollte geradewegs aufspringen, doch der Wärter hinter ihm hielt ihn ab. „Was? Was hast du gesagt? Lincoln!“ Lincoln wurde eine ein Tuch über den Kopf gelegt und plötzlich ging der Vorhang zu.
 

Michael würde wohl nie erfahren, was sein Bruder ihm in der letzten Sekunde zu sagen versuchte...



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