☾ Mikadzuki-ko von Mimiteh (Fortsetzung zu "☾ Mikadzuki") ================================================================================ Kapitel 20: Ehemaligentreffen ----------------------------- „Sag mal, Kagome, sehe ich das richtig? Ist das etwa ein Bogen, den du da über der Schulter hast?“, fragte Yuka da plötzlich, sichtlich war das Thema ihrer Frage absichtlich völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Kagome ging nur zu gerne darauf ein und grinste. „Oh ja. Und ich kann mit dem guten Stück umgehen, glaub’s mir mal. Immerhin musste ich lernen, damit zu jagen.“ Yuka erwiderte ihre Geste. „Soll das etwa eine Herausforderung sein?“, wollte sie lauernd wissen. „Wer weiß…“, erwiderte Kagome nur gelassen und ließ den Bogen von ihrer Schulter gleiten. Mit einer kleinen Geste gebot sie Hotaru, von ihrem Schoß zu klettern. „Na das wollen wir doch mal sehen, meine Liebe. Die Zielscheiben gibt es noch“, deutete Yuka nur an und im nächsten Moment waren die drei alten Freundinnen unterwegs zum anderen Ende des Schulgeländes, wo die Sportanlagen waren. Ehe sie es sich versahen, schlossen sich weitere Neugierige an. „Aber nicht die ersten beiden. Das ist albern“, bestimmte Yuka schlicht, als sie ankamen und zeigte auf zwei der Zielscheiben, die keine zehn Meter entfernt standen. Kagome konnte ihr nur zustimmen, das wäre tatsächlich albern gewesen. Aber sie griff nur nach einem Pfeil und legte ihn wortlos an. Sie achtete weder sonderlich auf ihre Haltung, noch auf das, was um sie herum geschah. Nach all den Jahren, war so ein Schuss nicht wirklich erwähnenswert, das war ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Sie spannte die Sehne, konzentrierte sich darauf, ihre Mikokraft zurück zu halten, damit der Pfeil nicht etwa gleich aufleuchtete und ließ das Geschoss los. So unspektakulär wie zielsicher landete der Pfeil im Schwarzen einer Scheibe, die in dreißig Meter Entfernung stand. Yuka nickte beifällig. „Gar nicht einmal so schlecht. Aber deine Haltung ist katastrophal. Als ob du mitten aus der Bewegung schießt.“ „Tu‘ ich ja auch meistens“, gab Kagome salopp zurück, zog einen weiteren Pfeil aus dem Köcher und hielt beides Yuka hin. „Jetzt du.“ Bereitwillig nahm Yuka die Waffe an sich, prüfte kurz, wie sie bei dem eigenartig geformten Griffstück die Finger legen musste – täuschte sie sich, oder waren da Hundeköpfe eingeschnitzt? – und legte den Pfeil dann an. Im Gegensatz zu Kagome stand sie genau lehrbuchgerecht, spannte die Sehne, zielte noch einmal und schoss. Auch ihr Pfeil landete im Schwarzen. „Wie nicht anders zu erwarten“, kommentierte Kagome, ehe sie ihren Bogen wieder an sich nahm und diesmal auf eine Scheibe zielte, die eigentlich nur für Demonstrationszwecke dort stand. Normalerweise übte kein Schüler damit. Es erforderte doch sehr viel Übung, mit dem Han-Kyû auf fast fünfundfünfzig Meter zu treffen. Kagome verließ sich erneut auf ihren Instinkt – und traf ohne große Probleme erneut ins Schwarze. Diesmal pfiff Yuka ehrlich anerkennend durch die Zähne, ehe sie auffordernd die Hand ausstreckte. Bereitwillig überließ Kagome ihr erneut den Bogen. Normalerweise hätte sie das nicht einfach gemacht, aber erstens vertraute sie Yuka, zweitens konnte die mit einem Bogen umgehen und drittens stand sie ja einen halben Meter daneben. Yuka hatte derweil angelegt, zielte, die Zungenspitze konzentriert zwischen die Zähne geklemmt und schoss. Die Pfeilspitze bohrte sich an den äußersten Rand des schwarzen Bereiches. Um sie herum war ein gedämpftes aber vielstimmiges „Oooooh…“, zu vernehmen. Kagome konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, als sie auch Yukas missmutigen Laut hörte. „Das ist nur, weil ich so einen Bogen nicht gewohnt bin. Das ist schließlich kein Sportbogen“, rechtfertigte die sich hitzig, als sie den Bogen zurückgab. Kagome grinste von einem Ohr zum anderen, als sie ihre Waffe über die Schulter hängte und losstapfte um die Pfeile einzusammeln. Sonst würde man sich morgen bei Unterrichtsbeginn sicher wundern. „Alles Ausreden“, konterte sie aber noch und sofort rannte Yuka ihr hinterher. „Von wegen. So ein Primitivbogen schießt doch ganz anders, als ein richtiger Sportbogen.“ Kurz überlegte Kagome, was Sesshômaru wohl zu dem Attribut ‚primitiv‘ bezüglich einer der Waffe, die einmal zu seiner Waffenkammer gehört hatten, gesagt hätte. Vermutlich wäre Yuka schon nicht mehr in einem Stück gewesen, ehe sie ausgesprochen hatte. „Richtig, Yuka. Das ist eben ein Gebrauchsbogen, ein Jagdbogen. Und wenn man damit umgehen kann, dann tut er auch, was er soll“, stichelte sie stattdessen weiter. Und schon fanden sie sich in der schönsten Kebbelei wieder. ~*~ Nach beendetem Abendessen machte Sayuri sich in Kazuyas Begleitung auf in ihr Gästezimmer. Bei dem Weg über den Flur, bekam sie unversehens Gesellschaft von dem Jungen, der ihnen heute Gesellschaft geleistet hatte, ohne selbst etwas zu essen. Sein Gewand wirkte wie eine umgekehrte Chihaya, die Hakama waren weiß, das Kimonohemd dagegen rot. Letzteres überzog ein blasses Blättermuster und um die Hüfte war ein blutrotes Tuch geschlungen. „Wer bist du?“, stellte Sayuri jetzt die Frage, zu der sie während des Essens nicht gekommen war. Die katzenartigen Augen richtete sich auf sie, ehe der Junge antwortete: „Zankò. Jüngster Sohn des Fürsten.“ Die Worte klangen ein wenig hochnäsig, wobei Sayuri aber nicht ganz einschätzen konnte, ob er das ernst oder scherzhaft meinte. „Aber Rin ist doch die Hime“, sagte sie. Über die Lippen ihres Begleiters huschte ein kurzes Lächeln. „Rin ist ja auch meine Ziehschwester. Aber sie ist ein Mensch. Der Fürst ist ein Yôkai. Sie könnte gar nicht seine leibliche Tochter sein.“ Sayuri nickte ernsthaft, auch wenn die Logik, die der augenscheinlich dreizehnjährige Prinz an den Tag legte, für eine Fünfjährige noch ein wenig zu hoch war. Zankò schien das jetzt auch zu merken, also versuchte er zu erklären: „Wir sind drei Kinder. InuKin, ich und meine Schwester Naomi, die aber bei unserer Großmutter erzogen wird. Und da ist dann noch Rin. Mein Vater hat sie vor vielen Jahren adoptiert.“ Diesmal leuchtete in Sayuris Augen das Verstehen. Mit diesem Sachverhalt konnte sie etwas anfangen. „Adoti-…“, diesmal bemerkte sie ihren Fehler selbst und korrigierte schnell, „…äh, adoptiert also.“ Zankò nickte leicht. „Und Kagome?“, fragte Sayuri da weiter. Zankò überlegte einen Moment, wie er das am einfachsten ausdrücken konnte. InuKin und auch Naomi hätten hier vermutlich weniger Probleme gehabt, sich auszudrücken, waren sie es doch von mindestens einem jüngeren Geschwisterkind gewohnt, etwas für Kleinkinder verständlich zu erklären. „Kagome ist die Gefährtin…äh, die Ehefrau von InuYasha. Und InuYasha ist der Halbbruder meines Vaters. Mein Großvater ist auch InuYashas Vater, meine Großmutter aber nicht seine Mutter. Verstehst du?“ Nach kurzem Zögern nickte Sayuri tatsächlich, aber ihre zuckenden Öhrchen verrieten, dass sie noch eine Weile daran zu knacken haben würde, durch die Verwandtschaftsverhältnisse ihrer Gastfamilie durchzublicken. Bisher wusste sie schließlich noch nicht, dass die sie Umgebenden sogar teilweise blutsverwandt mit ihr waren. Draußen war inzwischen die Sonne untergegangen – und auf einmal hielt Sayuri inne. Sie stolperte beinahe, als sie auf einmal das Gefühl hatte, etwas in ihr würde verloren gehen. Eine seltsame Leere machte sich in ihr breit und für einen Moment verschwamm ihre Sicht. Diesmal fiel sie wirklich und landete auf den Knien, ein Zittern lief durch ihren schmächtigen Körper. Kazuya starrte sie erschrocken an, ehe er das leichte Pulsieren bemerkte, dass vom Körper seiner kindlichen Freundin ausging, dann wie sich die silberne Strähne in ihrem Nacken schubweise dunkel färbte. Ihre tierischen Öhrchen erschienen kurz wie ausgefranst, ehe sie ganz verschwanden. Sayuri krampfte sich zusammen, eine Hand tastete haltsuchend nach Kazuya, während sie die andere auf ihren Bauch gepresst hatte, als sei ihr übel. Vermutlich war es das auch. Der kleine Nekomata-Kater kam ihr ein paar Schritte näher, drückte die Seite seines Kopfes an ihre suchenden Finger, um ihr zu zeigen, dass er bei ihr war. Seine Mutter hatte Recht. Jetzt brauchte Sayuri keinen starken Partner, sondern ein Streichelkätzchen. Leise, dumpf, bemüht tröstend begann er zu schnurren, während er nun auch seine Schulter, dann seinen ganzen Körper an sie schmiegte. Sayuris Arm umfing seinen Hals und zog ihn näher. Kazuya ließ es geschehen, blickte aber flehend zu Zankò auf, der wie erstarrt schien. Bedeutsam schüttelte Kazuya den Kopf, ehe er mit Fängen vorsichtig nach der vormals silbernen Strähne von Sayuris Haaren griff und sie durch seine Zähne gleiten ließ. Da schien Zankò zu verstehen, was geschehen war. Augenblicklich wirbelte er herum und lief zurück zum Esszimmer. Hoffentlich fand er Rin noch vor. Die war immerhin Mutter zweier Hanyô! Sie würde doch helfen können? Oder? ~*~ „Hey, nicht schlecht, Higurashi.“ Kagome, die gerade den letzten Pfeil eingesammelt hatte und überprüfte, ob der noch zu gebrauchen war, ehe sie ihn in den Köcher zurücksteckte, sah sich um. Es dauerte einen kleinen Moment, ehe es ‚klick‘ machte und sie den jungen Mann im hellgrauen Anzug in der fortgeschrittenen Dämmerung erkannte, der als einziger der Zuschauer noch geblieben zu sein schien. „Hojo-kun. Du bist also auch hier“, erwiderte sie freundlich und drehte sich zu ihm um. „Warum sollte ich mir das entgehen lassen?“, fragte er nur zurück und lächelte sie in der altbekannt gewinnenden Weise an. Kagome war dafür aber schon immer recht unempfindlich gewesen. Aber sie trat auf ihn zu. „Bist du denn nirgends unterwegs?“, wollte wie wissen. Hojo lachte leise. „Nicht wirklich. Ich studiere noch, weiß du?“ „Jetzt ja“, konterte Kagome schlagfertig und erwiderte nebenbei unverfroren Yukas Blick, der halb forschend, halb lauernd auf ihr lag. Rasch sah die Freundin in eine andere Richtung. Kagome biss sich auf die Lippe um das unwillkürliche Lachen zu unterdrücken. Da konnte sie vorhin noch so deutlich gemacht haben, dass InuYasha zu ihr gehörte und sie zudem Familie hatte, so ganz würde Yuka ihr damaliges Vorhaben sie mit Hojo zu verkuppeln, sicher nie vergessen. Und Hojo lieferte in seiner bekannt charmanten Art auch gleich die passende Vorlage: „Darf ich dich zurückbegleiten?“ Und sei es nur um Yuka zu provozieren, Kagome nickte und hakte sich bei Hojo ein. Während sie gemeinsam zum vorderen Teil des Schulhofes zurück liefen, wo die Tische aufgestellt waren und inzwischen auch schon sehr viel mehr ehemalige Mitschüler versammelt waren, als noch vorhin, schwiegen sie allerdings, bis Hojo schließlich fragte: „Nachher soll getanzt werden. Würdest du mir die Ehre erweisen oder hält dich irgendeine Krankheit davon ab?“ Der Nachsatz kam so arglos, dass Kagome sich schon wieder ein Lachen verbeißen musste. Es war schon erstaunlich wie absurd und glaubhaft zugleich die Ausreden ihres Großvaters damals gewesen waren. „Oh, ich denke, die einzige ‚Behinderung‘ die mich davon abhalten könnte, wäre mein Mann“, erwiderte sie aber nur. „Huch, ich bin auch nicht alleine hier. Sua wird sich sicher jemanden zu suchen wissen. Kann dein Mann sich nicht auch anderweitig umsehen?“ „Das bezweifle ich stark, Hojo-kun. Wenn überhaupt wird sich mein Mann nur von mir zum Tanzen überreden lassen. Allerhöchstens vielleicht noch von unserer Tochter. Aber ich überlege es mir, einverstanden?“ Hojos Lächeln war Antwort genug. Zum Glück ist er eindeutig weniger aufdringlich als sein Sengoku-Vorfahre, dachte Kagome bei sich, als sie ihre Tochter schon auf sich zustürmen sah. „Okaa-san! Otou-san will dich sprechen!“, rief Hotaru und griff bereits nach der Hand ihrer Mutter um sie mit sich zu ziehen. Mit einem Schmunzeln löste Kagome sich von Hojo. „Du entschuldigst?“, sagte sie noch, ehe sie ihrer Tochter folgte. Bei InuYasha angekommen, der wieder an seinem Baum lehnte, schien Hotaru schon wieder auf dem Sprung. „Wohin des Weges, Musume?“, fragte Kagome, ehe Hotaru losrennen konnte. „Spielen!“, antwortete Hotaru und zeigte dabei auf zwei Jungen in ihrem angeblichen Alter und ein höchstens dreijähriges Mädchen, die anscheinend so etwas wie Fangen spielten. „Gut“, Kagome nickte ihrer Tochter zu und sofort sauste die davon. Kagome wandte sich unterdessen an InuYasha. „Du wolltest mich gar nicht sprechen, oder? Du wolltest mich bloß von Hojo weghaben“, konstatierte sie schmunzelnd. „Der Kerl ist ja schlimmer als Kôga“, kommentierte er nur. Kagome zog eine Augenbraue hoch. „Hört, hört. Und so etwas aus deinem Munde. Aber vergiss nicht, dass hier Neuzeit-Regeln herrschen. Im Übrigen bin ich da anderer Meinung. Ich meine, immerhin hat Hojo mir keinen Heiratsantrag gemacht.“ „Kôga auch nicht.“ „Stimmt. Der hat von vorneherein gesagt, ich sei bereits seine Frau“, konterte Kagome trocken. InuYasha stieß geschlagen die Luft aus: „Keh!“, ehe er nach einem Moment fortfuhr: „Halt dich trotzdem vom ihm fern.“ Kagome lachte. „Ach, du grüne Neune. Bist du etwa eifersüchtig? Wenn ich Hojo hätte haben wollen, hätte ich das damals sofort haben können. Dank meiner lieben Freundinnen, war er mir ja ständig auf den Fersen.“ InuYashas Antwort bestand in einem unterschwelligen Knurren. „Du gehörst zu mir“, stellte er bloß in einer Weise klar, die Sesshômaru zur Ehre gereicht hätte, und hatte sich im nächsten Augenblick herabgebeugt um ihre Lippen mit den seinen zu versiegeln. Kagome spielte mit, aber als er von ihr abließ, tippte sie ihm mit dem Finger auf die Nasenspitze. „Wie war das noch mit dem besitzergreifenden Getue?“ ~*~ Zankò hastete derweil den Gang entlang. Er wusste nicht ganz etwas mit der Situation anzufangen. Klar wusste er von der schwachen Nacht der Hanyô, schließlich gehörten genügend Hanyô zu seinem direkten Umfeld. Aber so ein Zusammenbruch wie eben bei Sayuri? Das kannte er höchstens von Shizuka und bei der hatte das eindeutig andere Gründe. Ohne zu klopfen riss er die Tür zum Esszimmer auf – fand zu seiner Erleichterung Rin noch vor. Alle Anwesenden starrten ihn erschrocken an. „Sayuri, sie-“, er schnappte nach Luft. „Sayuri!? Otouto-chan, was ist denn?“, antwortete Rin sogleich und war bereits aufgesprungen. „Sie ist zusammengebrochen. Ich glaube… ich glaube, es hat mit ihrer schwachen Nacht zu tun“, brachte der jüngste Prinz hervor. Rin reagierte sofort. „Teshi, Saika, bringt mir Shizuka zurück. Zankò, du holst Arata. Er wird bei seiner Enkelin sein. Ich gehe zu Sayuri. Wo ist sie?“ „Auf dem Flur zu den Gemächern. Mit Kazuya“, rief Zankò noch, ehe er schon wieder davonstürmte, seinen Auftrag auszuführen. Auch Rins eigene Kinder fragten nicht weiter. Sie ahnten beide, dass Rin selbst nicht viel mehr Ahnung hatte, als sie, aber auf das Schlimmste vorbereitet sein wollte. Tatsächlich war Rin besorgt. Sayuri war nach dem fast lebenslangen Bann ihrer dämonischen Hälfte etwas Besonderes, niemand konnte so recht einschätzen, was eine schwache Nacht, zumal diese erste für sie bedeutete. Wenn sie Pech hatten, lief das wieder auf ein mehrtägiges Fieber oder Ärgeres hinaus. Und wenn dem so war, dann mussten sie schnell handeln. Diesmal hatten sie keine plötzliche Geheimwaffe, die sich in letzter Instanz dazugesellte. Kazuya war zwar bei Sayuri, aber an ihn hatte sie sich inzwischen gewöhnt, so sehr sie den kleinen Nekomata-Kater zu mögen schien. Endlich erreichte Rin das zusammengebrochene Mädchen, das zusammengekrümmt und beinahe regungslos da lag, die Augen geschlossen, Kazuya so nah bei sich, wie es irgend ging. Der kleine Kater blickte bittend zu ihr auf und Rin bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln, ehe sie versuchte, Sayuris Arme, die sich um Kazuya geklammert hatten, etwas zu lösen, damit sie das Mädchen auf den Arm nehmen und zu ihrem Lager bringen konnte. Endlich gelang es ihr. Als sie die Kleine hochnahm, öffnete Sayuri flatternd die Augenlider. „Mir… ist schlecht…“, jammerte sie leise vor sich hin. Rin schluckte ein wenig, als sie das fiebrige Glitzern in ihren Augen sah. Aber sie bemühte sich um eine gelassene Stimme, als sie behutsam mit den Fingern über Sayuris Stirn und Wange strich. „Ich weiß, Sayuri-chan. Aber es wird gleich besser, glaub‘ mir…“, flüsterte sie sanft und beschleunigte ihre Schritte. Sayuri schien ihr tatsächlich zu glauben, denn sie schloss wieder die Augen und obgleich sie noch immer vollkommen verkrampft war, schien sie gleich darauf erschöpft eingeschlafen zu sein. ~*~ Kagome nutzte die Minuten, die sie ungestört bei InuYasha stand, um sich ein wenig umzublicken. Yuka und Ayumi waren nicht schwer zu erkennen gewesen, beide waren zwar deutlich erwachsener geworden, hatten aber weder ihr altbekanntes Verhalten, noch ihren Kleidergeschmack sonderlich geändert, selbst die Frisuren waren großteils gleich geblieben. Hojo war da schwerer zu erkennen gewesen und unter den anderen, die sich inzwischen in Grüppchen auf dem Schulhof tummelten, konnte sie nur selten ein vage bekanntes Gesicht ausmachen. Fünfhundert Jahre hatten eben dafür gesorgt, dass sie sich nur noch an diejenigen gut erinnerte, mit denen sie recht viel zu tun gehabt hatte. Eben machte sie Hojo wieder aus, der, Hand in Hand mit einer jungen Dame, die aus einem anderen Teil Asiens zu stammen schien, über den Hof spazierte, mal hier, mal da auf ein paar Worte stehen blieb. Die Augen seiner Begleiterin waren, für Kagome, die sich mit Yôkai auskannte, ein wenig raubtierhaft geschnitten. Unwillkürlich schloss Kagome die Augen, fühlte behutsam nach – und musste innerlich grinsen. „Ob Hojo weiß, wen oder was er sich da angelacht hat?“, murmelte sie leise vor sich hin. Die junge Frau war zwar keine Yôkai, aber sie besaß deren Blut, wenn auch sehr verwaschen. Kagome vermutete, dass noch etwa ein Viertel ihres Blutes dem eines Dämons entsprach, so wie bei ihren Kindern. Es war zwar selten, dass sich eine solche Blutlinie durchsetzte, aber wie man an ihren beiden mittleren Kindern sah, war es mit nur einem Viertel Dämonenblut möglich, ohne allzu großen Aufwand unerkannt unter Menschen zu leben. Akio und Itoe waren schließlich mehr in der Welt unterwegs, als dass sie mal unter den Bannkreis kamen. InuYasha war derweil ihrem Blick gefolgt, musterte das Pärchen skeptisch. Allerdings ahnte Kagome, dass er dabei sein Augenmerk eher auf den männlichen Teil des Pärchens legte. Eifersüchtiger Kerl…, dachte sie bei sich, während sie sich vielsagend rücklings an InuYashas Brust lehnte. Eine Geste, die demonstrativ genug war, ihn von Hojo abzulenken. Sofort umfingen sie seine Arme und Kagome genoss seine Nähe, während sie nach Hotaru Ausschau hielt, die unermüdlich mit den anderen Kindern spielte. Gerade ließ sie sich von dem etwa dreijährigen Mädchen fangen, das unter ihnen war, während sie den beiden Jungen gnadenlos davonrannte. Obwohl sie offensichtlich die Fäden des Spiels in Händen hielt, schien sie Spaß zu haben. Kagome war froh, ihr das Spiel erlaubt zu haben. Ohne die Toberei wäre der Abend vermutlich ziemlich langweilig geworden, für die Kleine, denn es gab kein großartiges Programm, die meisten hatten anscheinend genug damit zu tun, von den vergangenen sechs Jahren zu erzählen. Kagome hätte da um ein Vielfaches mehr zu erzählen gehabt, aber mindestens 98% davon wären ihr nicht geglaubt worden, also beließ sie es bei der abgespeckten Version von dem Forschungsprojekt. Dennoch wollte sie nicht mehr die ganze Zeit abseits stehen und so löste sie sich sacht aber bestimmt von InuYasha, um sich wieder unter die Leute zu mischen. InuYasha blieb, wo er war. Welchen Grund das jetzt genau hatte, wusste Kagome nicht, aber sie konnte sich einige Möglichkeiten denken. Kagome wusste später nicht mehr, wann Ayumi und Yuka sie wieder aufgespürt und in Beschlag genommen hatten, aber obgleich sie langsam ganz froh gewesen wäre, die beiden wieder für einen Moment loszuwerden, spürte sie dennoch, wie Ayumi sich plötzlich neben ihr anspannte. Es war inzwischen ganz dunkel und auch wenn Kerzen und Lampions bunt schimmerten, änderten die daran wenig. Da schon eher die Straßenlaternen, die wenigstens den Eingangsbereich erleuchteten. Dort war eben ein weiterer Neuankömmling aufgetaucht, reichlich verspätet offenbar. Allerdings hatte der junge Mann rotblondes Haar, etwas an das Kagome sich eindeutig erinnert hätte, da war sie sich sicher. Gefärbt war das auch nicht. Ihre Ahnung bestätigte sich, als sie hörte, wie der junge Mann den ersten, den er antraf, nach Ayumi fragte. Sein amerikanischer Slang war kaum zu überhören. Kagome sah zu Ayumi. „Luke?“, fragte sie nur. Die alte Schulfreundin nickte und schien ein wenig zu schlucken. Offensichtlich wusste sie nicht, wie sie mit dem Auftauchen ihres Ehemannes umzugehen hatte und Kagome wusste auch genau, auf welches Thema genau sich Ayumis Unsicherheit bezog. Aufmunternd legte Kagome ihr eine Hand auf die Schulter. „Du machst das schon. Denk‘ einfach immer an das Kleine. Du wirst den Kerl schon überzeugen.“ Damit schob sie Ayumi ein Stück in die Richtung ihres Mannes, gerade als der Gefragte am Eingang in ihre Richtung zeigte. Luke drehte sich um und Kagome konnte graue Augen erkennen, als er näher kam. Der Mann war durchaus eine ansehnliche Erscheinung, aber jetzt kam es darauf an, ob er mit der plötzlichen Nachricht auch umgehen konnte. Entschlossen packte Kagome nach Yukas Hand und zog sie mit sich. Sollte Ayumi das allein mit ihrem Mann regeln. Nach kurzem Widerstreben ließ Yuka sich dann auch mitziehen. Kagome schlug den Weg zum eben eröffneten Büffet ein, wohlwissend, dass sie InuYasha dort antreffen würde. Tatsächlich stand der Hanyô an den beiden langen Tischen, die sich vor mitgebrachten Kleinigkeiten aller möglichen Leute beinahe bog. Als sie neben ihn trat, sah sie aus dem Augenwinkel, dass er mit zwei Fingern Tessaigas Heft berührte. „Dämonisches Fischfilet war mir lieber…“, raunte er leise und Kagome musste sich zum wiederholten Male an diesem Abend das Lachen verkneifen. „Aber nur, wenn du es selbst filettiert hättest… ach nein, verzeih‘, das warst ja nicht du, das war Tessaiga“, konterte sie aber ebenso spitz, ehe sie sich selbst einen Überblick über das verschaffte, was dargeboten war. InuYasha grummelte ein wenig vor sich hin, was ihn aber nicht davon abhielt, sich von überall etwas herauszupicken und in seiner Schüssel Mengen zu sammeln, die buchstäblichen einem ganzen Regiment gereicht hätten. Kagome schmunzelte nur darüber, während sie wie zufällig eine Platte mit scharf gewürztem Sushi vor InuYashas Nase wegzog, augenscheinlich nur um sie Yuka zu empfehlen. In Wirklichkeit erinnerte sie sich noch sehr gut, was InuYashas feine Hanyô-Sinne zu scharfem Essen zu sagen hatten. Dann erst suchte sie sich selbst ein paar Sachen heraus und begab sich mit ihrem Gefährten an einen der Tische, augenblicklich gesellte sich Hotaru dazu, die bisher noch in ihr Spiel vertieft gewesen schien. Jetzt aber hatte sie offenbar Hunger, denn sie konnte gar nicht schnell genug auf die Bank kraxeln. Kagome hielt ihr helfend die Hand hin und schob ihr dann ihren Teller zu. Sollte Hotaru sich ruhig von da etwas aussuchen. Im Gedränge am Büffet hätte Hotaru sich eh‘ nicht behaupten können, ohne aufzufallen. Kagomes Blick suchte dagegen Ayumi, die mit ihrem Mann noch immer etwas abseits stand, mit ihm redete. Jetzt schien sie zur Sache zu kommen, denn sie zögerte sichtlich, suchte nach Worten, das erkannte Kagome trotz Entfernung und Dunkelheit. In diesem Moment aber lenkte Hotaru ihre Aufmerksamkeit auf sich, als das Mädchen zu husten begann. Die kleine Vierteldämonin hatte es nämlich genutzt, dass auch Yuka, die auf ihrer anderen Seite saß, ihre Konzentration gerade mehr auf Ayumi, denn auch ihren Teller richtete und von dort eines der kleinen Teilchen stibitzt, die mit diesem lustigen, gelben Pulver bestreut waren. Jene Sushi-Variation, die Kagome gerade noch vor InuYasha gerettet hatte. Auch für Hotaru war Currypulver eindeutig zu scharf und so war Kagome jetzt erst einmal damit beschäftigt, ihre Tochter zu beruhigen. Jemand reichte hilfreich ein Stück Weißbrot herüber und Kagome dankte das mit einem Lächeln. Als Hotaru sich wieder gefangen hatte und Kagome aufblicken konnte, kamen Ayumi und Luke gerade zu ihnen herüber. „Sie hat‘s ihm gesagt. Und unglücklich wirkte seine Reaktion nicht…“, murmelte InuYasha leise, der das gesamte Gespräch sicherlich mitbekommen hatte, Cappy hin oder her. „Das freut mich für sie…“, erwiderte Kagome nur ebenso leise, ehe sie Ayumi freundlich lächelnd entgegenblickte. Die alte Schulfreundin wirkte mehr als erleichtert, als sie ihren Ehemann vorstellte. Offenbar war Luke früher wiedergekommen als geplant und war auch für sie überraschend aufgekreuzt. Da erhob sich auf einmal Musik, anscheinend hatte jemand die Anlage eingeschaltet, und fast in der gleichen Sekunde fand sich ein dritter junger Mann in Kagomes unmittelbarer Nähe ein. Hojo. Er hatte also nicht vergessen, dass sie ihn nicht gänzlich abgewiesen hatte. Nun sah er sie fragend an. Kagome blickte seitwärts zu InuYasha, der noch in sein Essen vertieft schien, oder wenigstens so tat. Dann sah sie wieder zu Hojo auf. „Ein Tanz“, betonte sie, während sie sich erhob und den Kimono glattstrich. Eine Geste mit der Hand bedeutete Hotaru bei ihrem Vater zu bleiben, was die Kleine gut gelaunt hinnahm, denn so bekam sie die Möglichkeit, auf dessen Teller nach Leckerbissen zu suchen – ohne Gefahr zu laufen, wieder so eine Überraschung wie gerade eben zu erleben. Bereitwillig ließ Kagome sich von Hojo auf die improvisierte Tanzfläche inmitten des Schulhofes führen, wo sich inzwischen auch andere einfanden. Es war ein lockeres Lied, das erklang, gut für den Auftakt und so vergaß Kagome bald InuYashas wie auch immer geartete Reaktion und genoss den Tanz. Hojo jedenfalls schien glücklich und machte auch keine Anstalten, sie näher zu sich ziehen zu wollen. Da seine bisherige Begleitung sich tatsächlich sofort den Nächstbesten gekrallt hatte, brauchte sie sich um die auch keine Sorgen zu machen. Alles in Butter. Als das Lied ausklang, war sie beinahe enttäuscht. Das war wohl tatsächlich der einzige Tanz gewesen, für sie heute Abend. Aber sie wollte es InuYasha nicht zumuten, weiter bei Hojo zu bleiben. Dessen manchmal casanova-artiges Verhalten hatte InuYasha schließlich schon immer provoziert. Doch sie hatte die Rechnung wieder einmal ohne ihren Hanyô gemacht. Kaum lösten sich Hojos Hände von Kagomes, war InuYasha an ihrer Seite und hielt ihr den Unterarm in der traditionellen Tanzaufforderung hin. Überrascht blickte Kagome zu ihm auf, sah direkt in seine goldenen Augen, die durch die Nacht nur noch intensiver leuchteten. Als sie ihre Hand auf seine legte und auf das neue Lied horchte, lächelte sie etwas. Was Eifersucht nicht alles bewirken kann…, dachte sie amüsiert. InuYasha war kein schlechter Tänzer, im Gegenteil. Er mochte nur das Hofzeremoniell nicht, mochte die Tanzschritte nicht, die erstens nicht sonderlich abwechslungsreich und zweitens auch nicht sehr eng beieinander waren. Oft tanzten schließlich vollkommen unbeteiligte Personen nebeneinander und da wäre zu große Nähe frevelhaft gewesen. Mittelalter eben. Offenbar hatte er aber jetzt gerade gesehen, dass es hier anders zu ging und dass selbst Hojos wenig aufdringliche Art ihn näher an Kagome heran gebracht hatte, als ein zeremonieller Tanz Ehepartner beieinander tanzen ließ. Die Melodie erwies sich derweil als sanft und leise, fast romantisch. Genau richtig, wie sie fand. Als der Hanyô jetzt die herrschaftliche Haltung aufgab und kurzerhand die Hand auf ihren Rücken legte, kam Kagome bereitwillig näher und schmiegte sich während des Tanzes an ihn. Dass ihr das dann doch den einen oder anderen Seitenblick einbrachte, interessierte sie wenig. Sie war nur froh, dass der Abend so harmonisch verlaufen war, es hatte sie gefreut, ihre alten Schulfreundinnen wiederzusehen und auch zu wissen, dass ihr Weggang bei Hojo keinen bleibenden Schaden hinterlassen hatte. Wenn ich damals geahnt hätte, was mich dazu führen würde, sie alle wiederzusehen… wenn ich damals geahnt hätte, dass ich so lange an InuYashas Seite würde bleiben können… Gleichzeitig ahnte sie, dass es ihr schwer fallen würde, ihre Familie nach nur einem Tag schon wieder zu verlassen und sehr wahrscheinlich nie wieder zu sehen. So sehr ihre alten Schulfreundinnen an Bedeutung verloren hatten, so viel bedeutete ihr ihre Familie noch immer. Mutter, Großvater und Bruder wieder zurückzulassen würde nicht einfach werden. Da beugte InuYasha sich plötzlich leicht zu ihr hinab, um ihr ins Ohr flüstern zu können, ohne den Tanz zu unterbrechen: „Was würdest du davon halten, noch ein paar Tage zu bleiben?“ Kagome stockte kurz in der Bewegung. „Aber… Sayuri…“, setzte sie an, InuYasha schüttelte allerdings nur unauffällig den Kopf. „Die kann auch noch ein paar Tage auf uns warten. Im Schloss ist sie in Sicherheit und außerdem ist Kaori mindestens vorerst ausgeschaltet.“ Die Taubendämonin war aber nicht das einzige Problem, soviel wusste Kagome durchaus. InuYashas Vorschlag erschien ihr aber viel zu verlockend, um weiter Gedanken an die Feinde der Familie zu verschwenden. „Und Kôhei?“, wollte sie allerdings wissen. InuYasha blitzte sie verschmitzt an. „Der drückt ein Auge zu… dafür darf ich im nächsten Monat den Wachdienst im Kindergarten übernehmen.“ Dass damit der Schulunterricht gemeint war, sofern die Gruppe sich während des Unterrichts aus dem Schloss herausbewegte, war Kagome durchaus klar. Da meistens nichts passierte, war dieser Dienst relativ langweilig und die betroffenen Väter – Tián, Kôhei und InuYasha – schoben ihre eigenen Zuständigkeiten gerne von sich. Einzig Sesshômaru war fein raus. Durch seine Audienzzeiten und seinen Rang allgemein, kam er gar nicht in Frage. Aber so wirklich schien InuYasha das Opfer, das er da brachte, nicht zu jucken. Kagome lächelte strahlend. „Ich danke dir vielmals, ehrenwerter Herr Gefährte“, scherzte sie und beide lachten leise, ehe sie nahtlos ihre Schritte anpassten, weil das Lied wieder wechselte. Es war wohl doch nicht der einzige Tanz heute Abend… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)