Illyria von Sabakuno-Gaara (Weg einer Kriegerin) ================================================================================ Kapitel 1: Schatten ------------------- „Ihr werdet sie nicht retten können“, hörte er den schwarzhaarigen Ritter neben sich sagen, „gebt es auf. Macht euch nicht unglücklich Lance, alter Freund.“ Sanft strich er der jungen Frau, über der er bereits eine Weile nachdenklich kauerte und deren Verletzungen so zahlreich waren, dass er fürchten musste Sir Tristan könne Recht behalten, eine Strähne aus dem Gesicht. „ Ich war schon an so vielen Orten auf dieser Welt, so wie ihr“, brach Lancelot endlich sein Schweigen, „doch ein Wesen wie sie hat meinen Weg nie zuvor gekreuzt.“ Einen langen Augenblick sahen sich die beiden Ritter schweigend an, als würden sie sich der zahlreichen, gemeinsam bestrittenen Schlachten der Vergangenheit erinnern. „ Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass ihr Schicksal und das meine eng miteinander verwoben sind“, sprach Lancelot und setzte sich wieder zu Tristan und Gareth ans wärmende Feuer. „Schon erschreckend was Belliard, diese Ratte, und seine Horde ehrloser Huren und Eunuchen mit einem anstellen, wenn man des Weges daher kommt und unglücklicherweise ihren Weg kreuzt“, murmelte Gareth, der jüngste der drei und rührte weiter in eine Kessel mit herrlich duftender Suppe, die über dem offenen Feuer vor sich hin köchelte. „Noch grün hinter den Ohren und schon von Huren sprechen“, raunte Tristan mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen, „ das sieht euch ähnlich. Eines muss man euch jedoch lassen: kaum seid ihr zum Ritter geschlagen, machtet ihr euch sogleich einen Namen.“ „ Küchenritter“, knurrte Gareth leise vor sich hin und stocherte lieblos in der Suppe. Kaum ausgesprochen konnten die beiden anderen nicht mehr an sich halten und begannen lautstark zu lachen. Mit enttäuschter Mine erhob sich Gareth von dem Baumstamm am Feuer, auf dem er gesessen hatte und ging zu der jungen Frau, die Lancelot vor einigen Tagen nach einem Kampf gegen Belliards Schlächter wortwörtlich in die Arme gefallen ist. Seufzend ließ er sich neben ihr nieder und zog den Mantel zurecht, der ihr als wärmende Decke dienen sollte. „Warum hat er euch das nur angetan!?“, fragte der Jungritter leise, „ weshalb hat er euch die Gnade des erlösenden Todes verwehrt!?“ Ihr vom eigenen Blut verkrustetes Haar ließ nur vermuten welche Farbe es tatsächlich hatte. Bis auf eine blonde, eine grüne und eine rötlich-braune Strähne waren sie alle zu einem verklumpten Wirrwarr aus Schmutz und Blut verklebt. Gareth ließ es sich nicht nehmen und berührte sanft ihre ebenmäßige Haut, die Risse und Furchen hatte, wie die Rinde eines Baumes. Aller Erwartung zum Trotz war sie unglaublich weich und glatt, nicht wie die Rinde eines Baumes hart und uneben. Mit einem Lappen versuchte er Blut und Schmutz aus ihrem Gesicht zu waschen, doch immer wieder kamen ihm die blutgetränkten Haarsträhnen in den Weg, die in ihrem Gesicht klebten. Als er sich umdrehte und seinen Lappen in einer großen Schale klaren Wassers ausspülte, wehte ein kräftiger Windstoß den Mantel über der jungen Frau hinfort, beinahe als würde er von einem unsichtbaren und ferner dem Winde selbst hinfort geschleudert. Mit Mühe bekam er den letzten Zipfel des Saumes in die Finger und stieß dabei die Schale mit dem mittlerweile rot gefärbten Wasser um. „ Ihr seid so tollpatschig, dass ich mich manchmal fragen muss, wie ihr es geschafft habt zum Ritter geschlagen zu werden, mein Freund“, sagte Tristan mit einem leisen Seufzen und stand von seinem Platz am Feuer auf, um Gareth zu helfen das heillose Chaos, das er binnen eines Wimpernschlages angerichtet hatte, zu beseitigen. Mit einem freundlichen Tadeln im Blick nahm er dem Jungritter den Mantel ab und ging zu der- wie er fand- doch recht knapp bekleideten Frau. „ Unter all dem Blut und Dreck verbirgt sich gewiss eine makellos schöne Frau“, meinte er mehr zu sich selbst, doch Gareth pflichtete ihm mit einem Nicken bei, „ sie hat die Ohren einer Mondelfe und die Haut einer Dryade. Bemerkenswert.“ Langsam ließ er seinen Blick über ihren Körper gleiten, voller Bewunderung, hatte er ebenfalls ein Wesen, wie sie es war, noch nie zuvor zu Gesicht bekommen. Auch Tristan kam nicht umhin ihre Haut zu berühren und war ebenso erstaunt darüber wie weich sie doch im Gegensatz zu ihrem Erscheinungsbilde war, wie Gareth zuvor. Er beugte sich über sie und bedeckte ihren reglosen Körper behutsam mit dem Mantel aus schwerer Wolle, als ihm eine schwarz schimmernde Kontur um ihre Lippen herum ins Auge fiel. „Schattengift“, murmelte er und strich mit dem Zeigefinger sanft über ihre Unterlippe, als plötzlich aus dem Schimmern eine schwarze Flamme entstand und ihm beinahe die Hand verbrannte. Rasch legte er seine rechte Hand an ihre Seite und wandte sich mit todernster Mine an Lancelot, der noch immer am Feuer saß: „ Sie atmet nicht mehr!“ Lancelot sprang auf und war mit einem Satz bei ihm. Er schob Tristan beiseite, kniete sich auf den Boden und hob das Halbwesen in seine Arme. „ Ihr dürft nicht sterben, hört ihr!“, sagte er mehr flehend als befehlend zu ihr. „ Schattengift kann keiner heilen, Lance.“, sprach Tristan mit sanfter Stimme, „Nur die Götter wissen welch Leid ihr widerfahren ist. Eine Folter mit Schattengift wünsche ich nicht einmal Belliard, diesem Hund.“ Ein magisches Knistern erfüllte die Luft um sie herum, das keiner von ihnen bemerkte. Wie immer dichter werdende Nebelschwaden waberte die Magie um sie alle herum. „ Aber, Belliard ist doch Schattenmagier, oder nicht?“, fragte Gareth mit einem Ausdruck im Gesicht, wie der eines Jungen, der die Welt erklärt bekam und es noch nicht zu begreifen vermochte. Der magische Sturm, der sich zuvor leise angekündigt hatte, tobte los und riss den Mantel weit fort. Alles um Lancelot herum war dem heftig wütenden Sturm ausgesetzt. Das Feuer erlosch, Teller und Schüsseln wurden umhergewirbelt als wären sie leicht wie eine Feder, Lancelots Wappenrock tanzte im rhythmischen Spiel des Windes, doch ihm war es gleichgültig. Sanft, beinahe zärtlich, fuhr er mit seiner linken Hand über ihr Gesicht, ihren Hals hinab bis sie auf ihrem flachen, nackten Bauch ruhte. Alles Leben, alle Wärme schwand langsam aus ihr. Er presste seine Lippen auf die ihren und stieß seinen Atem langsam jedoch kraftvoll zwischen ihren Lippen hindurchgleiten, bis sich ihre Lungen spürbar mit seinem Atem gefüllt hatten. Augenblicklich stand die Luft still. Der tobende Sturm verharrte reglos als stünde die Zeit still und mit einem Mal entlud sich all die Magie, die er mit sich getragen hatte mit einem ohrenbetäubenden Knall, ausgehend von Lancelot, ringförmig und mit einer Druckwelle, die Tristan und Gareth von den Beinen riss und den umliegenden Wald erschütterte. Als sich die beiden Ritter wieder aufrichteten sahen sie, wie Lancelots Lippen sich von den ihren lösten und der dunkle Schatten von ihrem Mund wie Nebelschwaden in seinen Mund waberten. Langsam öffnete sie ihre Augen und blickte dem Ritter in die Augen, als könne sie bis auf den Grund seiner Seele blicken. Mit einem erstickten Schrei voller Qualen, ließ er sie fallen, stand auf und taumelte wie von Sinnen umher, als könne er sich nicht entscheiden wohin er gehen sollte, bis er einen Herzschlag später rücklinks zu Boden fiel und sich vor Schmerzen wand. „ Was ist mit euch, Lance?“, brach es aus Gareth voller Panik heraus. Flink rappelte sich die Dryade wieder auf, sprang mit einem anmutigen Satz zu Lancelot hinüber, drückte ihr Knie schmerzhaft fest in seine Rippen- ihn schien es nicht zu kümmern-, beugte sich über ihn und drückte seine Schultern fest in den Boden. „ Ihr müsst ihn festhalten“, rief sie den erschrockenen Recken zu, die wie zu Stein erstarrt da standen, „ er wird sterben, wenn ihn der Schatten übermannt, ihr Narren!“ Gareth warf sich sogleich auf Lancelots Schultern und presste sie kraftvoll zu Boden. Tristan blieb noch einen Moment reglos, bis er sich besann und sich auf seinen Beinen nieder ließ. „Hört mir genau zu, wie auch immer euer Name ist“, sagte sie eindringlich an Lancelot gewandt, der sich unter ihr vor Schmerzen krümmte wie ein Aal, „ ich kann euch helfen, doch es muss schnell gehen. Erreicht der Fluch des Schattenmagiers- oder wie ihr es nennt: das Schattengift- euer Herz, seid ihr des Todes und nicht einmal Königin Llianne könnte euch zurückholen, klar!?“ Ein kaum vernehmbares ‚ja‘ entrann seiner Kehle und sie fuhr fort: „ Ihr müsst den Schatten, der in euch wütet beherrschen lernen und ihn an einen unbedeutenden Ort, zum Beispiel in eure Haut befördern, bevor er euer schwaches, menschliches Herz zum Stillstand bringt.“ Gareth starrte sie an. Nie hatte er eine Frau so bestimmend erlebt, nicht einmal seine eigene Königin. Er hatte schon von der Elfenkönigin Llianne gehört, sie jedoch nie zu Gesicht bekommen. Er fragte sich, ob sie genauso schön war, wie alle erzählt hatten. Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als Lancelots markerschütternder Schmerzensschrei unter der Folter des Schattens den prachtvollen Vorhang seiner malerischen Gedanken zerfetzte. Er bäumte sich unter ihnen auf und Gareth konnte erkennen wie dunkles Blut aus Lancelots Mundwinkel sickerte. Die völlig verschmutzte Frau vor ihm stieß leise Flüche aus, in einer Sprache, die er nicht verstand. Mit dem Handballen stieß sie dem unter sich liegenden Lancelot auf die Brust direkt über seinem Herzen. „ Wagt es nicht jetzt zu sterben, hört ihr!“, schrie sie ihn an, „ selbst ich habe den Schatten soeben deutlich gespürt, eben so wie euren schwachen Herzschlag.“ Sie schlug noch einmal auf sein Herz. „ Spürt ihr wie euer Herz wie in ein Kissen gedrückt wird? Konzentriert euch auf dieses ‚Kissen‘ und fangt endlich an es zu beherrschen!“, fuhr sie ihn an und riss seine Tunika entzwei, „ Wenn ich spüre, dass ihr ihn kontrollieren könnt, werde ich euch mit meiner Magie leiten. “ Sie legte ihre rechte Hand auf seine entblößte Brust und konnte deutlich sein vor Aufregung hämmerndes Herz spüren. Sie wandte sich an Gareth und Tristan: „ Lasst sofort ab von ihm, er stirbt! Ich werde ihn mit der mir verbliebenen Kraft am Leben halten so lange ich kann und hoffen, dass er ein lernfähiges Kerlchen ist“, wies sie die beiden mit erstickter Stimme an, „ Mögen uns die Götter gnädig sein!“ Etwas magisches geschah, als sie ihre Lippen auf seinen blutverschmierten, zitternden Mund legte. Sie küsst ihn, dachte Gareth und sogleich nahm sein Gesicht die Farbe reifer Erdbeeren im Sommer an. Sie schloss die Augen und er konnte deutlich erkennen, dass mit jeder Bewegung ihrer Lippen mehr und mehr ihrer Lebenskraft auf Lancelot überging. Dann plötzlich erbebte die Luft, als die junge Dryade ihre Kraft wie einen Blitz in Lancelots Brust entlud und den Schatten mit ihrer Hilfe packen konnte. Langsam half sie ihm den Schatten an die Oberfläche in seine Haut zu führen, wo er sich als schwarze Rune in sein Fleisch brannte. Sie löste sich aus dem Kuss und nahm ihre Hände von seiner Brust, die beide durch die Entstehung der Rune schwer verbrannt worden waren und wollte sich gerade von ihm erheben, als sie ihre letzten Kräfte verließen und sie, das Bewusstsein verlierend, in Gareths Arme fiel, der sich nach vorn warf, um ihren Sturz zu mildern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)