Be my drug von minowari (and stun me) ================================================================================ Kapitel 16: Passion ------------------- Inzwischen war er kein Unbekannter mehr. Die letzten Tage wurde er noch seltsam gemustert, doch mittlerer Weile schien es bereits wieder Interessanteres zu geben, als einen blonden Mann in einem Bartender-Outfit. Shizuo konnte es ihnen nicht verübeln, eher war er sogar froh darüber. Noch hatte er es auch geschafft, seinen Zorn innerhalb von Shinjuku in Zaum zu halten. Wahrscheinlich hatte er deshalb Glück, dass er noch nicht wie ein Monster abgestoßen wurde. Lediglich innerhalb des Apartments des Flohs wurde er gewalttätig, und das nicht ohne triftigen Grund. Shizuos Handgriff festigte sich um den silbernen Schlüssel in seiner Hand, während er unruhig die Treppen hinauf lief. Es war ein seltsames Gefühl die Zeit über in Shinjuku zu „wohnen“ und dann noch unter dem Bastard höchstpersönlich. Shizuo schüttelte ungläubig den Kopf. Er war gerade dabei, den Schlüssel umzudrehen, als ihn der bekannte Klingelton seines Handys begrüßte. Innerlich fluchte Shizuo bereits, da er dachte, dass es Izaya war, der ihn anrief, doch zu seiner Überraschung war es jemand anderes. „Kasuka!“, rief Shizuo überrascht und schon fast übermütig zugleich in das Mobiltelefon, als er auf den grünen Hörer drückte und dabei seinem Bruder die Chance nahm, auch nur irgendwas zu sagen. „Geht es dir gut? Wo steckst du?“ Anscheinend war der andere sichtlich überrascht, solch extreme Besorgnis von Shizuo zu hören, dass er für einen Moment lang gar nichts sagte. Die Stille war erdrückend und fast hatte der Blondschopf gedacht, dass sein Bruder aufgelegt hatte. „Kasuka?“ „Mir geht es gut.“, kam dann die resignierte Antwort, die in Shizuos Ohren auch ein wenig überrascht klang. So als ob er sich wunderte, warum Shizuo ihn sowas fragte. „Warum bist du so aufgeregt, Bruderherz?“ Die Stimme des TV-Stars wurde für einen Moment leiser, als er sich anscheinend weiter vom Telefon weg lehnte. Shizuo knirschte kurz mit den Zähnen. War es nicht offensichtlich? Erst meldete er sich tagelang nicht und dann wurde er auch noch beinahe Opfer eines Attentates – und er fragte ihn, warum er sich so aufregte? „Du wurdest angegriffen, Kasuka!“ Shizuos Stimme wurde etwas lauter und wahrscheinlich konnten ihn selbst die Damen unten am Empfang hören, doch seine Aufmerksamkeit war weiterhin auf das Gespräch fokussiert. „Nur fast, Bruderherz.“ Als Kasuka die Worte aussprach, verkrampfte sich der Griff um die Türklinke, während er immer noch keinen Schritt in die Wohnung gegangen war. „Hayato hat sich um ihn gekümmert.“, fuhr sein Bruder fort und Shizuo konnte es dem Manager nicht verübeln, dass er seinen Bruder so tadellos vor dem Angreifer beschützt hatte, als er es nicht konnte. Der Blondschopf ließ ein erschöpftes Seufzen verlauten. „…Jedenfalls bin ich froh, dass es dir gut geht. Und bitte sag Hayato Danke von mir.“ Erstaunlicherweise war es sehr still im Hintergrund bei Kasuka und erst dann fiel ihm auf, dass er in seiner Wohnung oder im Hotel sein musste. „Bitte ruf nicht mehr an.“ Stille. Die Worte brauchten eine ganze Weile, bis sie in seinem Verstand Sinn machten. Für einen kurzen Moment spürte er einen Stich. Einen kleinen Stich, der sich dennoch kraftvoll in sein Herz bohrte. Normalerweise hielt Shizuo sich auch größtenteils aus seiner Arbeit heraus und rief ihn nur selten an. Doch durch die letzten Tage und Umstände war es unvermeidbar gewesen. Er machte sich halt Sorgen, wie es jeder andere Bruder auch getan hätte. „…Was ist passiert, Kasuka?“, hakte Shizuo schließlich hinterher, als er merkte, dass der TV-Star diesen Satz nicht ohne Grund gesagt hatte. Irgendwas wusste er, irgendwas musste vorgefallen sein. Denn Shizuo hatte es deutlich in seiner sonst so resignierten Stimme erkannt. Doch alles was er als Antwort bekam, war ein plötzliches Besetztzeichen. Mehrere Minuten verharrte er in seiner Position und bewegte sich nicht. Wie eine Statue stand er da, während das Handy immer noch an seinem Ohr klebte. Es dauerte eine Weile, bis Shizuo das Mobiltelefon zuklappte und seine steifen Muskeln sich begann zu regen. Schlurrend trat er in die Wohnung, ließ langsam die Tür zufallen, während er mitten im Flur stehen blieb. Etwas stimmte definitiv nicht und er würde herausfinden was es war. Koste es was es wolle. ♔ ♕ Mit einem leisen Piepen das durch den großen, stillen Raum schallte, legte er auf. Eine Weile blieb er auf dem schwarzen Schreibtischstuhl sitzen und konnte immer noch nicht ganz nachvollziehen, warum sie wirklich so mutig waren. Er drehte den USB-Stick in seiner Hand, spielte mit dem drehbaren Teil des Objektes. Es hatte sich definitiv gelohnt. Es hatte sich gelohnt, selbst an den Mann zu gehen. Das letzte Mal war sowieso schon viel zu lange her gewesen. Aber das wahre Ziel hinter dieser ganzen Aktion war verblüffend. Izaya hatte fast Lachtränen in den Augen gehabt, bei dem absurden Plan, der anscheinend über Monate ausgetüftelt worden war. Und das von solchen Gestalten. Dass sie so weit gehen würden… Er lachte. Nein, so hatten sie nicht gewettet. Rasch stand er auf, bewegte sich auf seine Couch zu, wo sein Laptop auf dem Glastisch verweilte. Er klappte ihn auf und sofort erwachte das Gerät aus seinem Schlafmodus. Mehrere Fenster öffneten sich und er klickte mehrmals durch die Reihen von Fenster, bis er bei dem Dokument war, dass er wollte. Er würde von ganz unten anfangen. Bei dem kleinsten Mann in der Reihe. Bei dem erstbesten Bauern. Izaya lehnte sich zurück während er den Bildschirm vor sich prüfend musterte. Ein Bild von einer Frau tauchte auf. Blondes Haar, blaue Augen. Die Lippen des Informanten verzogen sich wieder zu einem Grinsen. Sein Finger fuhr rasch über das Mousepad, klickte sich durch bis zu dem speziellen Programm auf seinem Laptop. Blitzschnell verglich er die Daten, tippte die Nummer ein und als nächstes erschien schon der rote Punkt auf der Karte. Verwundert runzelte er die Stirn, als er sah, wo sich die Agentin befand. Shinjuku. Er untersuchte die weiteren Mails und Daten, die sie betrafen und schnell stellte er fest, warum sie da sein könnte, wo sie gerade war. „Hmm, plötzlich habe ich Lust auf Italienisch…“, murmelte der Informant amüsiert zu sich selbst, als er kurzfristig einen Entschluss fasste. Der Laptop wurde zugeklappt, während er sich erhob und sich seine Jacke schnappte. Schnell prüfte er mit einem Griff in die Taschen, ob seine Waffen vorhanden waren und ob er genug Geld dabei hatte, bevor er pfeifend das Apartment verließ. ♔ ♕ Das nasse Handtuch flog in die Ecke, zusammen mit den dreckigen Klamotten. Er fuhr sich unruhig durch die halb trockenen Haare. Mit einem Ruck war der Kleiderschrank offen und mit zusammen gekniffenen Augen betrachtete der blonde Mann seine Auswahl. Irgendwas stimmte an der ganzen Sache nicht. Er wurde das Gefühl nicht los, dass der Floh irgendwas damit angestellt hatte. Nach ein paar weiteren Sekunden des Zweifelns, riss er sich zusammen und zog sich eines seiner üblichen Bartender Outfits aus dem Schrank. Der Blondschopf war gerade dabei den Gürtel der Hose zu schließen, als ein schlechtes Gefühl ihn überkam. Irgendwas störte ihn. Er hob den Kopf, als er ein leichtes Stampfen im Wohnzimmer spürte und als Bestätigung hörte er im nächsten Augenblick eine amüsierte Stimme im Wohnzimmer zirpen. „Es ist noch nicht Schlafenszeit, Shizu-chan...“ Und just in dem Moment öffnete sich die Tür und Izaya kam hinein spaziert. Der Informant blieb abrupt ein paar Meter vor ihm stehen, während er ihn belustigt von oben von unten musterte. Augenblicklich verkrampfte sich Shizuos Körper, während er bereits die übliche Wut in seinem Inneren spürte, und das Gefühl aufkam, auf den anderen losgehen zu wollen. Doch er schluckte es hinunter. „Shizu-chan, was machst du da?“, fragte der andere schließlich, während sein höhnendes Grinsen sich nur noch mehr vertiefte. „Mich umziehen, wonach sieht es denn aus?“, knurrte Shizuo und schnappte sich das weiße Hemd von seinem Bett, um es sich in einer lockeren Bewegung über den Kopf zu ziehen. Innerlich musste Shizuo sich weiterhin zusammen reißen, denn er merkte, wie seine Faust sich ballte, bis die Haut sich schon weiß färbte. Doch womit er nicht gerechnet hatte, war Izayas Hand. Sie war so plötzlich an seinem Arm, dass er reflexartig zurückwich, doch der Informant folgte ihm. Einen Moment war es ruhig in dem Schlafzimmer, bis Izaya schließlich mit einem Funkeln in den Augen hochblickte. „Warte.“ Stutzig blinzelte der ehemalige Bartender zu ihm hinunter, bevor ein seltsames Gefühl in ihm hochkam. Eine Mischung aus Misstrauen, Irritation und noch etwas anderem. Die Hand war immer noch an Shizuos linkem Arm, aber er tat nichts, um sie abzuwimmeln. Eher kämpfte er darum, die Fassung zu wahren, als sein Blick auf Izayas Lippen fiel. „Zieh dir was anderes an.“, kam dann der Befehl aus Izayas Munde und Shizuo wachte aus seiner Starre, als sich die Lippen des anderen bewegten. Es dauerte einen kurzen Moment, bevor die Worte in seinem Verstand ankamen. „Hah?“, zischte er und riss sich nun endgültig aus Izayas Griff, während er merkte, dass seine Wangen begannen zu glühen. Izaya lachte. „Zieh dir andere Sachen an.“ „Andere Sachen? Warum?“, fragte Shizuo weiterhin verwirrt. Der schwarzhaarige Mann grinste immer noch und hob die Hände in die Luft. „Wir gehen essen. In einem Restaurant.“ „...Was? Wieso?“ „Weil mir der Sinn danach steht, Shizu-chan…“, erwiderte Izaya mit schmeichelnder Stimme, die verriet, dass in Wahrheit noch was ganz anderes dahinter steckte. Schließlich tat der Informant sowas nicht ohne einen bestimmten Grund. Nach all den Jahren, musste man das ja wissen. Shizuo schnaubte. „Und warum muss ich mit?“, knurrte Shizuo und spannte unruhig seine Muskeln an. „Na weil wir das Experiment dort fortführen. Ein bisschen Abwechslung ist bestimmt auch nicht schlecht.“, erklärte Izaya, während er die Arme müde nach hinten streckte. Shizuo beäugte ihn weiterhin misstrauisch und versuchte einen Zusammenhang zu entdecken. Doch wie immer konnte er nicht ausmachen, was der Informant sich dabei dachte. „Zieh dir normale Klamotten an. Ich weiß, dass du auch andere Sachen hast, außer die Bartender-Outfits von deinem Bruder.“ Als Izaya seinen Bruder erwähnte, reagierte er aus Reflex und steppte direkt vor Izayas Nase. „Du scheinst wohl echt ein Problem mit meiner Kleidung zu haben...!“, zischte Shizuo, wobei er kaum einen Zentimeter von dem anderen entfernt war. Doch Izaya zuckte nicht zurück. „So gesehen nicht. Es steht dir sogar, irgendwie.“, sagte er und begann zu grinsen, als sich Shizuo Gesicht erneut vor Verwirrung runzelte und er für einen Moment seine Sprache verloren hatte. Er war es nicht gewohnt keine wirklichen Beleidigungen von Izaya zu hören, geschweige denn Komplimente… „Aber es wäre nicht so angebracht wenn du in deinem Bartender-Outfit in einem Restaurant auftauchen würdest, ne, Shizu-chan?“ Shizuo schnaubte. Als ob sich bisher jemand über seine Klamotten beschwert hätte. Entweder waren diese Leute lebensmüde oder waren einfach nur dreist, sodass diese Glück hatten, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. „Tch.“, schnaubte er widerwillig, während er auf seinen Kleiderschrank zulief und mit ein paar gezielten Handgriffen eine Jeans und ein blaues Shirt aus dem Wirrwarr hervor zog. In der Zwischenzeit fischte Izaya sein Handy hervor und tippte fix eine Nummer ein, ehe er das Gerät an sein Ohr hielt. Shizuo blickte ihm zweifelnd hinterher, als er ins Wohnzimmer abdackelte, bevor man im nächsten Moment seine gefakete Stimme säuseln hören konnte. Aber viel mehr, als das Wort Shinjuku verstand er nicht. „Das ist schon viel besser~“, kommentierte der Informant, als Shizuo nach kurzer Zeit ins das Wohnzimmer trat. Der Blondschopf wusste immer noch nicht recht, wie er auf die seltsame Art des anderen reagieren sollte, also schnaubte er nur. „Das Taxi ist gleich da. Wir müssen uns beeilen.“, klärte der schwarzhaarige Mann ihn auf und nun wusste er, mit wem der Floh am Telefon gesprochen hatte. Doch warum Izaya es plötzlich so eilig hatte und warum sie in ein italienisches Restaurant fuhren, war Shizuo immer noch ein Mysterium. Die ganze Fahrt über musste er sich zusammenreißen, nicht durchzudrehen. Erneut ballte er die Faust und durch den starken Druck, färbte sich die Haut schon fast weiß. Izaya saß direkt neben ihm und schien sich sichtlich darüber zu amüsieren, wie Shizuo versuchte, sich zusammenzureißen. Die quasselnde Stimme der Frau durchbrach weiterhin die Stille, die sonst immer in Taxen herrschte, und der Blondschopf war nahe dran, sich ihren Hals zu schnappen und ihn umzudrehen. Doch das war noch längst nicht alles. Ein bunt gefiederter Vogel, gefangen in einem großen, silbernen Käfig, hatte seinen Platz direkt neben der plappernden Taxifahrerin und belegte somit den Beifahrersitz. Was natürlich dazu führte, das Izaya und Shizuo sich wohl oder übel beide nach hinten setzten mussten, was eigentlich nicht geplant war. Der Blondschopf war schon so weit wie möglich an den Rand des Autos gerutscht, doch durch ein paar Kurven und der seltsamen Fahrweise der gesprächigen Fahrerin, war es quasi unmöglich zu verhindern, dass er immer wieder zurück in die Richtung des Flohs rutschte. Diesem schien das ganze wilde Theater nichts auszumachen, denn auf seinem Gesicht befand sich die ganze Fahrt über dieses schelmische Grinsen, während er Shizuo aus den Augenwinkeln interessiert beobachtete. In der einen Hand hatte der Floh sein Kinn abgestützt, während er die andere vorsichtshalber in seiner Jackentasche behielt. Wahrscheinlich als Vorsichtsmaßnahme, falls der Blondschopf auf dumme Ideen kam... Nur einmal durchbrach Izaya die Stille zwischen den beiden Erzfeinden und das auch nur um den Blondschopf zu ärgern. „Ich glaube sie mag dich.“ Shizuos gezischte Antwort ging in der Erzählgunst der Frau unter, die ab und zu einen gewagten Blick in den Rückspiegel warf, nur um den blonden Mann erneut zuzuzwinkern. Doch Shizuo ignorierte es. Diese Frau war der reinste Wahnsinn. Wer es schaffte sich länger mit ihr als fünf Minuten zu unterhalten, der musste mindestens genauso wahnsinnig sein, wie sie selbst. Als das Taxi anscheinend endlich bei seinem Ziel angekommen war, atmete Shizuo hörbar auf. Der Horrortrip war zu Ende. Endlich. Die beiden Männer stiegen aus, während der Informant der molligen Frau das Geld in die Hand drückte. Dabei hatte sie ihn fast wieder in ein längeres Gespräch verwickelt, wenn Shizuo nicht Izayas Arm geschnappt hätte. Überrascht wurde der Informant davon gezogen und er musste fast lachen. „Shizu-chan, nur weil du noch unerfahren bist, ist das kein Grund vor deiner Verehrerin wegzulaufen, ne?“, neckte Izaya, sobald sie ein Stück entfernt waren und er sich aus Shizuos Griff wandte. Der andere blieb ebenfalls stehen und musterte ihn mit einem wütenden Blick. „Sie ging mir auf die Nerven!“, wehrte sich Shizuo und wandte das Gesicht ab, als ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg, doch Izaya hatte seine Augen bereits wieder auf seinem Handy. Mit einem scharfen Blick musterte er den Bildschirm des Mobiltelefons, während er schließlich mit einem ernsten Gesichtsausdruck das Restaurant vor ihnen studierte. „Lass uns gehen.“, sagte der Informant plötzlich mit einer ernsthaften Stimme, sodass Shizuo skeptisch die Augen verengte. Dennoch folgte er dem anderen, als sie in den Eingangsbereich des Restaurants betraten. Für Shizuo war es das erste Mal, dass er ein solches Lokal betrat und es würde wahrscheinlich auch das letzte Mal sein. Er hielt nicht viel von dieser Atmosphäre und den Leuten, die sich dort aufhielten. Es wirkte reich, machtvoll und gleichzeitig so unecht, dass es für Shizuo nicht mehr als eine Traumwelt war. Sobald sie den ersten Fuß hineingesetzt hatten, wurden die beiden Männer von einem Kellner begrüßt. Izaya übernahm die Führung, indem er sich schmeichelhaft mit dem größeren Mann unterhielt und Shizuo auf Izayas gefakter Freundlichkeit das Gesicht verzog. Doch nach einigen Sekunden fiel der Blick des Kellners auf den Blondschopf und er musterte ihn prüfend. Shizuo erwiderte den Blick mit glühenden Augen, während er sich völlig fehl am Platze fühlte, zwischen diesen reich aussehenden Leuten. „Er gehört zu mir.“, sagte Izaya schließlich mit einem gezielten Unterton in der Stimme, während er mit seiner Kreditkarte vor der Nase des Kellners herum wedelte, um seine Aufmerksamkeit wieder zurückzulenken. Der skeptische Blick des Mannes wich nicht, dennoch verneigte er kurz den Kopf und streckte den Arm in Richtung der Tische. Izaya warf Shizuo einen amüsierten Blick zu, ehe sie beide dem größeren Mann folgten und an einem Tisch für zwei Personen geleitet wurden. Neugierig blickte Shizuo um sich und musste zugeben, dass er sich fühlte, als hätte er eine andere Welt betreten. Etwas unbehaglich fühlte er sich schon, zwischen diesen reichen und teilweise älteren Leuten, die mit ihren Weingläsern auf ihr Wohl anstießen. Er betrachte den Tisch, an dem sie saßen und bemerkte die ordentliche Faltweise der Servietten, wie er es nur aus dem Fernsehen kannte. In dem Fastfood Restaurant, wo er mit Tom öfters essen ging, hatte man Glück wenn man noch Servietten erwischte, denn die waren ganz schnell mal leer. Doch hier musste man sich darum keine Sorgen machen. In der Mitte des kleinen Tisches stand sogar eine rote, angezündete Kerze, welche in dem halbgedimmten Saal schon fast romantisch wirkte. Wäre es bloß nicht der Umstand, dass er hier mit dem Floh saß und nicht mit jemand anderem. Derweil blickte er zu dem schwarzhaarigen Mann, der sich mit dem Kellner auf Italienisch zu unterhalten schien, wobei Shizuo kein einziges Wort verstand. Bedächtig versuchte er die Worte zu verstehen, doch gab es langsam auf. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Izaya sich jemals für andere Sprachen interessiert hatte. Zumindest nicht in der High School. Als die beiden Männer wohl ihr kurzes Gespräch beendet hatten und der Kellner sie endlich verließ, wandte sich Shizuo genervt an den Floh. „Spuck es aus. Was genau planst du?“ Die Worte wurden langsam und bedrohlich ausgesprochen, wobei der blonde Mann darauf achtete, seine Stimme gesenkt zu halten. Der Floh konnte ihm nicht erzählen, dass er einfach mal in einem noblen Restaurant essen wollte. Dafür liebte er viel zu sehr sein fettiges Tuna, als dass er stattdessen plötzlich auf Italienisch umgestiegen war. „Was meinst du Shizu-chan? Natürlich werden wir hier unser Abendessen genieß-“ „Red keinen Schwachsinn, du Floh!“, unterbrach er den anderen barsch, wobei sich schon Gäste verwundert zu ihnen umdrehten, als sie die laute Stimme hörten. Sie waren zwar in Shinjuku und nicht in Ikebukuro, dennoch konnte man die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie jemand eventuell erkannte. Vor allem da der Floh selbst sich nicht einmal von seiner Plüschjacke trennen konnte, die ja fast wie ein Markenzeichen fungierte. Aber Shizuo musste sich ja umkleiden. Tch. „Ich würde ein wenig leiser sprechen, wenn ich du wäre. Zeig mal ein wenig Manieren, Monster.“ Da war es. Die alte Leier von dem Floh. Und er dachte schon, es würde die ganze Zeit so seltsam weiter gehen. „I-za-ya…“, zischte er leise, während sich seine Hände krampfhaft um den Tisch krallten. Würde er nicht langsam mit der Sprache rausrücken, wüsste er nicht, ob er sich beherrschen konnte. Italienisches Restaurant hin oder her. Doch statt zu antworten, holte der Informant erneut sein Handy hervor und durchlöcherte es mit einem prüfenden Blick. Ein Grinsen überzog sein Gesicht, so als ob er gerade den Hauptgewinn gezogen hatte. Und da platze ihm der Kragen. Ruckartig wurde der Informant in einer blitzschnellen Bewegung an seinem Shirt gegriffen und dabei halb über den Tisch gezogen. „Izaya du-!“ „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte plötzlich eine Stimme von der Seite, die dem Kellner von vorhin gehörte. In der einen Hand hielt er eine Flasche alten Wein, während die andere Hand zwei Gläser balancierte. Izaya reagierte schnell; wedelte mit der freien Hand und lächelte schmeichelhaft in seine Richtung. „Alles in Ordnung. Er ist immer so…wild.“ Sobald die Worte ausgesprochen waren, ließ Shizuo hektisch sein Shirt los und durchbohrte den Floh mit einen glühenden Blick. „Ah, ist das so?“, kommentierte der Kellner plötzlich amüsiert, was selbst Shizuo aus seiner nicht ganz akzentfreien Stimme heraus hören konnte. Und irgendwie schien er einen besonderen Abschnitt in dieser kleinen Konversation verpasst zu haben, denn der Kellner und Izaya tauschten für einen kurzen Moment wissende Blicke aus. „Ich möchte Sie trotzdem darum bitten, ihre Lautstärke im Zaun zu halten. Sie stören sonst die anderen Gäste.“ Shizuo wandte den Blick und sah tatsächlich, dass sich einige bereits in ihre Richtung gedreht hatten und sie beobachteten. Manche flüsterten sogar hinter vorgehaltener Hand. „Aber natürlich. Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten!“, flötete der Informant entschuldigend und brachte ein unschuldiges Lächeln auf sein Gesicht. Als Shizuo stumm blieb, trat Izaya unter dem Tisch gegen sein Schienenbein und der blonde Mann war nahe dran erneut zu zischen, doch stattdessen murmelte er ebenfalls eine Entschuldigung. „Danke für Ihr Verständnis. Nun, darf es etwas Wein sein?“, fragte der Kellner und hob demonstrativ die Weinflasche in die Höhe. Bevor Shizuo etwas dazu sagen konnte, hatte der Floh bereits für ihn geantwortet. „Sehr gerne.“ Mit einem kleinen Grinsen, dass nur für Shizuo bestimmt war, blickte Izaya ihn aus den Augenwinkeln an und Shizuo ging es so dermaßen auf den Senkel, dass er die Muskeln extrem anspannte, um nicht schon wieder auf ihn loszugehen. Er wollte es bei allen Mitteln vermeiden, nun wo er sowieso schon genug gedemütigt wurde. „Nero d‘ Avola, aus dem Jahre 2004, sorgfältig zubereitet, aus dem Süden Italiens.“, beschrieb der Kellner den Rotwein, den er nun in beide Gläser einschenkte, bevor er einen Schritt zurück trat. Shizuo blickte ungläubig auf das alkoholische Getränk, während er kurz davor war eine Grimasse zu ziehen. Er mochte keinen Wein, und es war ihm auch egal, wenn er noch so sorgfältig zubereitet war oder einen exzentrischen Namen trug, den Shizuo nie und nimmer nachsprechen könnte. „Möchten die Herren Ihre Mahlzeit bestellen?“ Izaya, der gerade sein Weinglas in der Hand balancierte, wusste darauf sehr fix eine Antwort. „Für mich wäre das einmal die 37 und für den blonden Herrn die 68.“ Er war so schnell beim Antworten, dass Shizuo der Protest quasi im Munde stecken blieb, als er geschlagen zusehen musste, wie der Kellner nickte und bereits wieder davon stiefelte. Sofort schenkte er ihm einen glühenden Blick. „Was zum Teufel hast du für mich bestellt?“ Der Floh musste schon mal hier gewesen sein, sonst hätte er nicht die Nummern des Menüs aus dem Kopf gewusst. Oder hatte er etwa vorher die Speisekarte auswendig gelernt? Shizuo knirschte mit den Zähnen. Man wusste es nie bei diesem Spinner. „Lass dich überraschen. Ich zahle sowieso, schon vergessen?“, erinnerte Izaya und gestikulierte mit den Händen in der Luft. „Das ist nicht das Problem!“ „Sondern?“, fragte Izaya, während er das Kinn in seinen Händen abstützte und ihn herausfordernd angrinste. Shizuos Hände verkrampften sich, während er an die vorherigen Situationen in der Wohnung denken musste. Der Floh hatte es aus irgendeinen Grund aufs Essen abgesehen. Erst sollte er ständig diese Milch trinken und nun schleppte er ihn in ein Restaurant, um ihn wahrscheinlich erneut vergiftetes Essen unterzujubeln. Dabei war das wahrscheinlich schon alles bereits im Voraus mit dem Kellner abgesprochen, natürlich. „Ich vertrau dir nicht, du Dreckskerl.“ „Natürlich tust du das nicht!“, lachte Izaya, als wäre es selbstverständlich. Shizuo zog eine Grimasse, während sich sein zorniger Blick in dunkelrote Augen bohrte. „Aber in einer Sache vertraust du mir.“, sagte der Informant schließlich mit einem siegessicheren Grinsen, das Shizuos Blut zum Kochen brachte. „Du vertraust darauf, dass ich Informationen über deinen Bruder habe.“ Der blonde Mann zischte. „Das hat nichts mit Vertrauen zu tun!“ „Kann sein. Aber es hat schon seinen Grund warum ich hier hin wollte...“ Der schwarzhaarige Mann spielte mit seiner Serviette herum, während er weiterhin doof grinste. Shizuo beobachtete ihn zornig, während er erst jetzt zu begreifen begann, dass diese ganze Sache doch etwas mit seinem Bruder zu tun hatte. „Spucks aus!“, knurrte Shizuo im nächsten Moment und wartete, bis der andere sein kleines Origami-Spielchen beendet hatte und den Kopf hob. „Shizu-chan, ich hab nichts im Mund…“, witzelte Izaya, der es auch noch wagte neben dem zornigen Monster auch noch schlechte Witze zu reißen, vor allem wenn seine Geduld sowieso aufs Äußerste gespannt war... „I-za-ya-kun…“ „Ahh, du verstehst einfach keinen Spaß, Shizu-chan…“, meckerte Izaya, während er theatralisch die Augen schloss und das Gesicht zu einer Art Schmollen verzog. Es war der Moment, als Shizuo eine ruckartige Bewegung nach vorne machte, um seine geballte Faust in sein Gesicht zu rammen, als Izaya blitzschnell ein Messer an seinem Hals hatte. Da der Tisch relativ klein war, und der Informant sich nach vorne gelehnt hatte, sah man nicht einmal die spitze Waffe, mit der der Mann den ehemaligen Bartender gerade bedrohte. „Setz dich. Die Italiener finden es äußerst unhöflich, wenn man ihren Wein nicht einmal probiert.“ Ein kalter Befehl. Izayas Stimme war plötzlich auf Minusgrade herunter gedreht und spitz wie Eis. Das kalte Messer war zwar nichts Neues, doch irgendwie wusste er, dass Izaya es nun ernst meinte. Einen Moment zögerte Shizuo noch, bevor er sich entschied zu kooperieren und sich zurück auf seinen Stuhl sinken ließ. Izayas Gesicht formte sich zu einem zufriedenen Lächeln und bewegte das Messer so geschmeidig zurück in seinen Ärmel, dass selbst Shizuo Probleme hatte, es zu sehen. Die neugierigen Blicke der Gäste waren abermals auf sie gerichtet und die meisten schienen sich zu wundern, was in aller Welt da gerade passiert war. Shizuo ignorierte sie, nahm stattdessen sein Weinglas in die Hand und probierte einen Schluck. Er verzog das Gesicht. „Nach meinen Angaben, sollte Miya Masami hier anwesend sein.“, begann Izaya leise und senkte so stark seine Stimme, dass Shizuo die Ohren spitzen musste, um die Worte zu verstehen. „Sie ist eine Agentin unter einer größeren Organisation, die hier vermutlich ihren Unterschlupf hat. Masami-san ist übrigens in deiner Wohnung sittlich, falls du es noch nicht wusstest.“ Shizuos Augen weiteten sich kurz. Sie kam ihm doch gleich verdächtig vor. Hatte ihn sein Instinkt also nicht getäuscht. „Was hat sie mit meinem Bruder zu tun?“ „Nun, ich habe herausgefunden, dass unser lieber Mr. Kirima nicht ganz unschuldig ist. Wegen ihm bist du obdachlos geworden, damit Miya Masami deine Wohnung beziehen konnte.“ Shizuo wollte etwas sagen, doch Izaya schnitt ihm dazwischen. „Warum genau, kann ich leider nicht sagen, aber das ist ja sowieso unwichtig, nicht wahr? Es geht ja schließlich um deinen geliebten Bruder…“ Izaya drückte die letzten Worte mit so viel Ironie aus, dass man quasi die Abneigung spüren konnte. „Red weiter…“, sagte Shizuo leise mit drohendem Unterton über den Rand seines Weinglases hinweg und durchbohrte ihn weiter mit seinen braunen Augen, während er einen weiteren Schluck nahm. „Nun, Kirima war einer der Leute, die den Angriff auf Kasuka bewerkstelligt haben.“ Izaya beobachtete, wie sich Shizuos rechte Hand anspannte, doch er sagte nichts, also fuhr der Informant fort. „Doch er ist nicht der wahre Täter hinter dem Attentat. Es ist weitaus komplizierter.“ Izaya schnappte sich sein Weinglas und schwenkte es in der Hand. „Hier in diesem italienischen Restaurant befindet sich vermutlich der Hauptsitz einer größeren Organisation, wo sich der wahre Täter aufhalten könnte, aber mir fehlen die Beweise. Deshalb sind wir hier. Um ein paar Recherchen durchzuführen.“ Er wedelte mit der Hand. „Du brauchst aber nichts zu tun, überlass das Reden lieber mir. Hat dein kleines Gehirn das soweit verstanden, Shizu-chan?“ Eine ganze Weile war es leise. Für Izaya musste es aussehen, als ob der Blondschopf seine Sprache verloren hatte, doch in Wahrheit musste er seine Wut unter Kontrolle halten. Seine Finger krallten sich noch einen Moment stärker in den Tisch und es würde nicht mehr lange dauern bis er das Objekt entzwei geteilt hätte, wenn Izaya so weiter machte. „Und glaubst du ernsthaft ich kauf dir den Dreck ab? Du bist zwar ein guter Lügner, doch mich kannst du nicht verarschen.“ Wenn der Floh dachte, er konnte ihn übers Ohr ziehen, dann musste er dringend an seinen Techniken arbeiten. „Wenn du mir sowieso nicht glaubst, warum wolltest du dann, dass ich es dir erzähle?“ Shizuo zögerte für einen kurzen Moment, bevor er antwortete. „Weil ich die Wahrheit hören will und nicht deine Lügen.“ „Ich lüge nicht, Shizu-chan.“ Shizuo schnaubte, während er beobachtete wie Izayas dunkler Blick keinen Moment von ihm ließ. Sein Gesichtsausdruck wirkte schon fast ernsthaft, wenn nicht dieses kleine Grinsen wäre, dass wohl nie sein Gesicht verlassen würde... Shizuo seufzte. „Was auch immer. Hauptsache Kasuka ist nicht in Gefahr.“ „Nein, das ist er nicht.“, bestätigte der Informant und lehnte sich gelangweilt in seinen Stuhl zurück. Es war nicht einfach Izayas Worte zu bewerten. Er sagte nie wirklich die Wahrheit, zumindest nicht, ohne irgendeine Lüge hinein zu pflanzen. Aber eine wirkliche Wahl als ihm zu glauben hatte er nicht. Shizuo starrte ihn mit verengten Augen an und sein glühender Blick wurde mit einem schiefen Grinsen erwidert. Es würde sich bald zeigen, ob der Floh ihn in eine Falle gelockt hatte, oder nicht… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)