Last Desire 8 von Sky- (L x BB) ================================================================================ Kapitel 3: Aufgeflogen ---------------------- Als Jeremiel am Abend wieder zurückkehrte, wirkte er ein klein wenig neben der Spur. Er war unkonzentriert und außerdem war seine Frisur zerzaust. Auf die Frage, wie denn der Ausflug mit Rumiko war, konnte er erst keine vernünftige Antwort geben, bis es ihm wieder einfiel und er sagte „Es war sehr schön. Wir waren im Zoo und haben viel Spaß gehabt.“ Damit ging er und L, Beyond, Oliver und Andrew sahen ihm nach. Der Hacker runzelte ein wenig die Stirn und war verwundert. „Also wenn ich es nicht besser wüsste würde ich glatt sagen, dass der Gute vorhin den besten Sex seines Lebens hatte.“ Sofort bekam er einen Seitenstoß von Andrew und L schüttelte entschieden den Kopf. „Mit wem denn bitteschön? Außer uns hat er sonst niemanden und er wird doch wohl kaum mit Rumiko was haben. Also langsam beginnst du genauso herumzuspinnen wie Beyond.“ „Ich meine ja nur!“ Sie gingen wieder zurück ins Arbeitszimmer, wo Andrew alles erzählte, was er von damals im Institut mitbekommen hatte und was diese Männer alles gesagt hatten. Nachdem Jeremiel seine Frisur wieder gerichtet hatte, kam auch er hinzu, um mitzuhören, was denn so erzählt wurde. Schließlich der Rothaarige auf ein ganz besonderes Detail zu sprechen, was insbesondere L hellhörig machte. „Jedenfalls sagte einer der Männer, dass Proxy-01 wohl umgänglicher sei als 02, allerdings sei er nicht mehr zu gebrauchen, seit Nastasja Kasakowa das gesamte Projekt sabotiert hat.“ „Unsere Mutter hat das Projekt sabotiert? Wieso sollte sie das getan haben?“ Unsicher zuckte Andrew mit den Achseln und erklärte „Das haben sie nicht gesagt. Ich weiß nur, dass sie von den Proxys sprachen, als wären es Killermaschinen und dass noch an einer Methode gefeilt werden würde, wie James sie besser unter Kontrolle bringen kann, weil Proxy-02 wohl so gefährlich sei, dass er schon Amok gelaufen sei und schon zehn Menschen getötet hatte. Womöglich wollte eure Mutter verhindern, dass diese Proxys zu einer Gefahr werden und hat irgendetwas gedreht, wodurch diese Proxys nicht mehr einsatzbereit waren. Elion sagte mir, er wäre es nicht, weil er zu menschlich sei. Und seit seine Mutter ihm ein Mittel gespritzt habe, könne er seine Fähigkeiten auch nicht mehr richtig einsetzen.“ „Mutter?“ fragte Oliver und blickte zu L und Jeremiel. „Habt ihr etwa noch einen Bruder?“ „Das glaube ich nicht. Woher denn auch bitteschön? Wir beide sind Zwillinge und wir wussten nur nichts voneinander, weil Jeremiel bereits vor seiner Geburt herausoperiert wurde. Aber unsere Mutter war nicht in der Lage, lebende Kinder zu gebären. Die einzige Möglichkeit wäre, dass man mit einer ihrer Fehlgeburten experimentiert hätte.“ „Aber wie passt das sonst zusammen? Nastasja hat das Proxy-Projekt sabotiert. Wahrscheinlich weil sie nicht zulassen wollte, dass diese Proxys zu einer Gefahr werden, weil sie Killermaschinen sind. Womöglich stand sie im Kontakt zu den Proxys und die haben sie als eine Art Mutter angesehen. Das wäre auch denkbar. Fragt sich nur, was diese Proxys eigentlich sind und wozu sie existieren. Und wieso werden nach und nach jene umgebracht, die im Institut gearbeitet haben? Das ist alles irgendwie merkwürdig.“ Darauf wusste Andrew leider auch keine Antwort, da er ja nicht viel mitbekommen hatte. Nachdem er Elions Leiche gefunden hatte, hatte er große Angst davor gehabt, dass James herausfinden könnte, dass er etwas wusste. „Das Dumme ist ja, dass weder Nastasja noch James leben. Elion ist damals auch umgebracht worden und so wüsste ich niemanden, von dem wir Informationen bekommen könnten.“ Doch Jeremiel hatte da schon eine Idee, nämlich Evas Bruder Liam. Vielleicht wusste der ja etwas bzw. hatte Möglichkeiten, sich irgendwie umzuhören. Nur dummerweise durfte er seine Identität nicht vor L preisgeben. Also was tun? Am besten verabredete er sich noch mal mit ihm und bat ihn um Unterstützung. Immerhin ging es auch um seine eigenen Interessen und da würde er sicher nicht nein sagen. Und dann konnte er ja L irgendwie darauf stoßen, wenn der die Antwort bis dahin nicht haben sollte. So konnte er ihm wenigstens ein bisschen helfen, den Killer zu schnappen. Da er aber nach den Strapazen des Tages (denn Oliver hatte mit seiner Vermutung genau ins Schwarze getroffen) völlig erledigt war, zog er sich erst mal ins Wohnzimmer zurück. Oliver und Andrew verabschiedeten sich schließlich, nachdem sie ihre Arbeit erledigt hatten und danach gingen auch Beyond und L ins Wohnzimmer. Sie sahen dort Jeremiel sitzen, wie er sich Cracker mit Dips auf den Tisch gestellt hatte, während er sich einen Krimi im TV ansah. Ohne großartig zu überlegen nahm sich auch Beyond einen der Cracker mit etwas Dip und aß ihn. Binnen kürzester Zeit standen ihm die Tränen in den Augen, als sich die Schärfe ausbreitete wie ein Feuer. „Heilige Scheiße“ rief er. Noch nie in seinem Leben hatte er etwas so Scharfes gegessen wie jetzt und Jeremiel verputzte das einfach, als wäre es Popcorn. „Wie zum Teufel kannst du das nur runterkriegen?“ Doch der ältere Lawliet-Zwilling schien diese Reaktion nicht ganz nachvollziehen zu können und erklärte mit einem Achselzucken „Ich mag Süßes und Scharfes eben sehr.“ „Das ist nicht bloß scharf, das brennt einem ja die Zunge weg!“ Beyond gelang es mit altbewährten Mitteln, etwas gegen das Brennen zu unternehmen und beschloss für sich, nie wieder Jeremiels Essen anzurühren. Himmel, der Kerl musste ja einen Gaumen aus Stahl haben um das so locker einzustecken. „L, sag mir bloß, dass du auch darauf stehst.“ „Nein, ich mag Scharfes nicht so wirklich. Aber soweit ich mich erinnere, hatte Vater eine große Schwäche dafür. Mutter war eher diejenige, die Süßes als Nervennahrung gegessen hat.“ Nachdem Jeremiel seinen Krimi zu Ende gesehen hatte, stand er auf und packte seine Sachen zusammen mit den Worten „Ihr beide wollt sicher etwas Zeit für euch haben. Aber seid so nett und zankt euch nicht allzu laut. Ich arbeite da gerade an etwas, das ich gerne lösen will und dazu brauche ich Konzentration.“ „Ach echt?“ fragte L überrascht und war neugierig. „Woran arbeitest du?“ „Ich habe die Aufzeichnungen unserer Mutter alle durchgelesen, um mehr über sie und ihre Arbeit zu erfahren. Und dabei bin ich auf eine Formel gestoßen, die unvollständig ist. Es fehlen einige Komponenten.“ Ach die Formel. L hatte sie sich auch schon angesehen, konnte aber nichts damit anfangen, weil er nicht einmal wusste, wozu sie dient und worauf sie basiert. Deshalb hatte er sie auch nicht weiter beachtet und es als eine der verrückten Ideen seiner Mutter abgetan. Aber so hatte Jeremiel zumindest eine gute Beschäftigung und er liebte ja Rätsel. „Na dann viel Spaß.“ So waren sie wieder alleine und machten sich einen gemütlichen Abend, wo sie auch mal die Ruhe genießen konnten. Sie beide hatten für heute die Schnauze voll, sich wieder wegen etwas zu zanken oder sich über irgendwelchen Blödsinn aufzuregen. Schließlich aber kam Beyond auf ein besonders ungewöhnliches Thema zu sprechen. „Weißt du L, ich hab nachgedacht. Rumiko hat Jamie und die Kinder, Andy hat Oliver und du hast mich. Aber dein Bruder ist so ziemlich einsam. Meinst du nicht, wir sollten ihn mal verkuppeln?“ Sofort löste sich der Detektiv von ihm und sah ihn entgeistert an. „Hast du einen Zuckerschock gekriegt? Wieso willst du Jeremiel verkuppeln?“ „Na weil er auf die Weise am besten etwas über Beziehungen lernt. Wir könnten ihn doch mal mit ins Lovely Evening mitnehmen und mal dort nach einem geeigneten Partner für ihn su…“ „Spinnst du jetzt völlig? Nur weil ich mit dir zusammen bin heißt das doch nicht, dass mein Bruder vom anderen Ufer ist.“ „Okay, dann suchen wir eben nach einer netten und hübschen Frau für ihn. Vielleicht ist eine von Rumikos Kolleginnen single. Eine hübsche und gebildete Lehrerin hat sicher was, findest du nicht auch?“ „Schlag dir das mal aus dem Kopf. Ich verkuppel doch nicht meinen Bruder mit irgendjemand Wildfremden!“ „Irgendwie klingst du gerade mehr nach einer Glucken-Mutter. Hey! Wir könnten ihn doch mit Hester verkuppeln, was hältst du davon? Die ist doch auch Single und kennt ihn schon. Und sie ist deine Vertraute. Was hältst du davon?“ Zur Strafe haute L ihm eines der Sofakissen ins Gesicht und funkelte ihn böse an. „Vergiss es. Lass meinen Bruder mit dieser Schnapsidee bloß in Ruhe. Das Letzte was er braucht ist, irgendwelche Wildfremden, die mit ihm noch in die Kiste steigen wollen. Nachdem er von Evas Bruder vergewaltigt wurde, muss er das nicht noch mal durchmachen. Und das Erlebnis mit den Menschenhändlern war sicherlich auch schon traumatisch genug. Ich erinnere dich nur mal daran wie sehr du damals gelitten hast, als dir das passiert ist!“ „L, du kannst ihn doch nicht vor allem beschützen und er hat doch ein Recht darauf, auch jemanden zu lieben. Und so schlecht ist der Gedanke doch nicht. So lernt er mehr über zwischenmenschliche Beziehungen als von jedem anderen sonst.“ „Ja und er lernt wie es ist, verletzt zu werden.“ „Verletzt zu werden gehört doch auch dazu und wenn es nicht hinhauen sollte, dann sind wir doch für ihn da. Aber lass uns jetzt nicht deswegen schon wieder streiten. Es war nur so eine Idee gewesen. Und ich will ihn ja auch nicht an irgendeinen schmierigen Typen vermitteln. Vielleicht kennt Rumiko ja einen ganz Netten und dann wird sich doch schnell herausstellen, ob Jeremiel vom anderen Ufer ist oder nicht.“ Doch L lehnte das Ganze strikt ab. Er wollte seinem Bruder so etwas einfach nicht zumuten und damit schlimmstenfalls alte Wunden bei ihm aufreißen. Und außerdem passte ihm der Gedanke einfach nicht, dass da jemand seinem Bruder dermaßen nahe kam. Beyond betrachtete ihn eine Weile schweigend und kicherte amüsiert. „Ich glaub’s ja nicht. Du hast ja einen regelrechten Beschützerinstinkt bei deinem älteren Bruder. Wie niedlich.“ Wieder bekam Beyond das Kissen ins Gesicht geklatscht, doch das Grinsen wich nicht für eine Sekunde. Er hatte sichtlich Spaß und konnte einfach nicht aufhören, L dafür zu ärgern. Auch wenn er immer noch ein kleines bisschen eifersüchtig war, so fand er es doch ganz rührend, dass L sich so um seinen Bruder kümmerte. Obwohl sie beide sich erst seit wenigen Wochen kannten, hatten sie sehr schnell ein recht enges Verhältnis zueinander entwickelt und harmonierten auch gut miteinander. Jeremiel wollte L vor Diffamierungen schützen und sah es überhaupt nicht gerne, wenn man ihn zu sehr provozierte und L seinerseits wollte seinen älteren Zwillingsbruder vor Gefahren schützen. Unglaublich, dass sie so gut miteinander auskommen. Aber es sind eben eineiige Zwillinge, auch wenn sie sich rein äußerlich überhaupt nicht ähnlich sahen. Gleich am nächsten Tag suchte Jeremiel Rumiko auf. Diese war gerade dabei, die kleine Eden zu beruhigen, die am Schreien war und sich einfach nicht beruhigen lassen wollte. Sie wirkte etwas gestresst, ließ ihn aber dennoch herein und fragte direkt „Was kann ich für dich tun?“ „Könntest du mir noch mal ein Alibi für heute geben?“ „Oh, das wird etwas schwierig. Beyond wollte heute irgendetwas mit mir besprechen. Aber… ich kann ihnen sagen, dass du bei Jamie bist. Er wird sowieso erst heute Abend zurück sein, da müsste es gehen.“ „Danke Rumiko, du bist mir wirklich eine große Hilfe. Darf ich… darf ich dich umarmen?“ „Klar doch!“ Und damit gab Jeremiel ihr eine Umarmung zum Dank für ihre Hilfe. Er war wirklich froh, dass sie so hilfsbereit war und ihm diesen Gefallen erwies. „Aber beim nächsten Mal bitte nicht ganz so spontan, dann kann ich wenigstens das Alibi besser planen. Ich werde einfach behaupten, du würdest ihn in der Behindertenwerkstatt besuchen gehen, um dort auch ein paar Erfahrungen zu sammeln.“ Das klang ganz gut, insbesondere weil L und Beyond eh selten vor die Tür gingen. Da Rumiko im Stress war, wollte er sie nicht noch weiter stören und verabschiedete sich von ihr. Gleich schon als er aus dem Haus war, rief er Liam an und gab ihm Bescheid, dass sein Alibi stand und er sich mit ihm treffen konnte. Nachdem die zweifache Mutter ihre Tochter beruhigen konnte und auch alles weitere erledigt hatte, schnappte sie sich ihre beiden Kinder und ging gleich nach nebenan zu Beyond und L. Und gleich schon am Ton ließ sich schnell erkennen, dass die beiden sich wieder wegen irgendetwas am anzicken waren. „Also was habt ihr schon wieder verbockt? Soll ich euch gleich mit der Zeitung eins überbraten oder soll ich euer Taschengeld kürzen und euch euer Spielzeug wegnehmen?“ „Nein, dieses Mal ist es was anderes“, versicherte Beyond und sie setzten sich erst mal ins Wohnzimmer und Rumiko bekam eine Tasse Kaffee. Sogleich fragte L „Wo ist eigentlich mein Bruder? Ich dachte, er wäre zu dir gegangen.“ „Wir haben ein wenig geredet. Er besucht Jamie in der Werkstatt, weil er auch mal sehen wollte, wie es dort zugeht. Und die Erfahrung tut ihm ja auch ganz gut. Also erzählt schon: was ist es denn dieses Mal?“ Beyond begann von seiner Idee zu erzählen, Jeremiel zu verkuppeln und beinahe hätte sich Rumiko an ihrem Kaffee verschluckt. Erstaunt und perplex sah sie ihn an und wusste erst nicht, was sie dazu sagen sollte. Ach du Scheiße. Und ich kann denen nicht sagen, dass er bereits mit jemandem zusammen ist. Ganz cool bleiben, Rumiko. Du weißt, was du zu tun hast. Sie sah zu L und bemerkte sofort, dass der nicht gerade mit Freudensprüngen reagierte. „Du scheinst nicht gerade begeistert über Beyonds Pläne zu sein, L.“ „Natürlich nicht. Jeremiel hat schon genug durchgemacht, als er an diese Menschenhändler geraten ist und von Evas Bruder vergewaltigt wurde. Er braucht Ruhe und nicht irgendeinen, der ihn ins Bett zerrt.“ „Hallo, das soll kein Sextreff, sondern ein Datetreff werden! Meine Fresse, du überdramatisierst alles total. Dein Bruder soll doch nur jemanden kennen lernen, mit dem es vielleicht etwas werden könnte. Deshalb bist du hier, Rumiko. Vielleicht kennst du ja einen aus der Bar, der Single ist.“ „Ich sagte doch, dass mein Bruder so was nicht braucht! Er soll das alles erst mal verarbeiten.“ Diese beiden verdammten sturen Kindsköpfe. So, jetzt reicht’s mir aber, jetzt ist Schluss! „Könnt ihr beiden mit dem Kindergarten endlich mal aufhören? Selbst meine Kinder verhalten sich nicht so und die sind gerade erst einen Monat alt! Also reißt euch zusammen oder ich versohle euch eigenhändig den Hintern!“ „Ja, Mama Ruby“, kam es einstimmig zurück und jetzt war endlich Ruhe. Nun war sie an der Reihe, ein paar Takte zu sagen. „L, ich kann dich verstehen, dass du Jeremiel beschützen willst. Aber er ist ein erwachsener Mann und kann seine eigenen Entscheidungen treffen. Er ist kein kleiner Junge, sondern dein älterer Zwillingsbruder. Dasselbe gilt auch für dich, Bruderherz: der Gedanke, ihn zu verkuppeln ist zwar lieb gemeint wobei ich aber ehrlich gesagt auch glaube, dass du das tust, damit du mehr Zeit mit L verbringen kannst. Aber lasst doch verdammt noch mal Jeremiel selber entscheiden, ob er das überhaupt will. Echt, ihr beiden zankt euch die ganze Zeit darüber, was das Beste für ihn ist und er ist der Letzte, der gefragt wird. Allmählich komm ich mir bei euch beiden vor wie bei der versteckten Kamera.“ So, damit wäre das auch geklärt. Und so hab ich mich auch ganz fein herauswinden können, ohne etwas zu verraten. Rumiko, du bist echt ein Genie. „Ihr beiden seid solche Genies und denkt dennoch nie bis zum Schluss nach, weil ihr so darauf versessen seid, dem anderen bloß zu widersprechen und genügend Argumente zu liefern, um euren eigenen Sturschädel durchzusetzen. Echt, ich glaube dass eure Dickköpfe so massiv sind, dass ihr damit eine Betonwand einschlagen könnt. Bevor ihr so eine Aktion plant, solltet ihr erst mal denjenigen mit einbeziehen, der davon betroffen ist. Ansonsten wird das nichts und damit versaut ihr alles nur.“ Rumiko trank ihren Kaffee aus und versuchte erst einmal, wieder etwas runterzukommen und sich zu beruhigen. Aber so einfach war es nicht, denn manchmal ging ihr der ganze Zirkus schon gewaltig auf den Keks. Natürlich half sie gerne, aber manchmal hatte sie echt das Gefühl, als müsste sie zusätzlich zu ihren Zwillingen noch zwei weitere Kinder betreuen. Manchmal stand sie wirklich kurz davor zu sagen „Ich bin zu alt für diesen Scheiß!“ Und dabei war sie erst 26 Jahre alt und Grundschullehrerin. „Jetzt mal ernsthaft ihr beiden: ich hab zwei kleine Kinder und hab vorher schon Kinder unterrichtet, die allerhöchstens zehn Jahre alt waren. Ihr benehmt euch manchmal genauso und ich kann echt nicht begreifen, wie man sich manchmal so anstellen kann. Ihr seid doch so schlau, also denkt doch gefälligst mal zu Ende, bevor ihr wieder zu streiten anfangt. Echt, ihr seid manchmal wirklich anstrengend. Nehmt euch mal ein Beispiel an Jeremiel, der denkt wenigstens richtig nach, bevor er irgendetwas tut. Da sieht man deutlich, wer von euch beiden der ältere ist!“ L sah ein wenig missmutig drein, denn er mochte es überhaupt nicht, wenn er so dermaßen zur Schnecke gemacht wurde, aber den Schuh musste er sich jetzt anziehen. Ob er jetzt wollte oder nicht. „Ich verstehe ja, dass ihr ehrliche Absichten hattet und ihm nur helfen wollt, aber ich…“ Die Tür klingelte und als Watari öffnen ging, kam Jamie fröhlich winkend herein und rief „Hallo Ruby, hallo Beyond und L!“ Rumikos Gesichtszüge entgleisten fast als sie ihn sah und sie war entsetzt. Großer Gott, das war jetzt die absolute Totalkatastrophe! „Schatz, was machst du denn schon hier?“ „Der Strom ist ausgefallen und wir haben die Maschinen nicht mehr zum Laufen gekriegt. Deshalb durfte ich heute früher gehen.“ „Und wo hast du Jeremiel gelassen?“ „Wie? Der war doch gar nicht in der Werkstatt.“ Nun wanderten alle Blicke zu Rumiko, die sich jetzt natürlich in Erklärungsnot befand. Und an L’s Gesichtsausdruck ließ sich sehr gut erkennen, dass er nicht viel Geduld hatte, was seinen Bruder betraf. Er verschränkte die Arme und funkelte sie misstrauisch an. „Ich glaube, du schuldest mir eine Erklärung. Wo ist mein Bruder?“ „Er ist… er ist… ähm…“ Sie ratterte alle möglichen Ausreden runter, nur erschien ihr keine sehr plausibel zu sein. Dann aber erklärte sie „Er ist ins Rotlichtmilieu… er wollte… Erfahrungen sammeln. Im… Puff…“ L’s Blick wurde finster und dass er das nicht glaubte, war mehr als offensichtlich. „Ernsthaft, wo ist er?“ Klein beigeben ist wohl nicht so angebracht. Einfach weiterbeharren, dann glaubt er es vielleicht irgendwann… hoffentlich… „Was denn? Er ist auch nur ein Mann mit Bedürfnissen. Wieso darf er da nicht in den Puff oder in ein Striplokal?“ Doch L blieb bei seiner Überzeugung und fragte mit deutlich bedrohlichem Unterton in der Stimme „Ich wiederhole mich noch mal: wo ist er?“ Okay, das hat keinen Sinn. Also schnell eine andere Ausrede. Am besten eine, mit der sich wenigstens die erste Ausrede halbwegs erklären lässt. „Er ist beim Urologen!“ Nun runzelte L ungläubig die Stirn, denn diese Antwort war nun doch etwas unerwartet für ihn. „Wozu das denn?“ „Na zur Vorsorgeuntersuchung“, erklärte Rumiko und bemühte sich, die Ruhe zu bewahren und alles vernünftig zu erklären und vor allem überzeugend rüberzukommen. „Es war ihm peinlich und deshalb hab ich ihn gedeckt.“ Doch auch das kaufte ihr der Detektiv nicht eine Sekunde lang ab und sagte „So ein Blödsinn.“ „Ach ja?“ rief Rumiko, die immer noch versuchte, an ihrer Version festzuhalten. Aber leider brach das gerade wie ein Kartenhaus in sich zusammen. „Was weißt du denn bitteschön? Würdest du einfach so rumerzählen, dass du zur Prostatauntersuchung gehst? Mit Sicherheit nicht. Da würdest du doch auch lieber behaupten, du würdest in den Puff gehen!“ Ach Mensch, warum musste mir ausgerechnet so eine Ausrede einfallen? Wieso habe ich nicht gleich gesagt, dass er zur Darmspiegelung geht? Himmel, meine Ausreden waren auch schon mal besser. Das Dumme an der ganzen Sache war ja, dass L ihr kein Wort glaubte und sie ihm auch nichts vormachen konnte. Er war zwar ein kindischer Sturkopf wie Beyond, aber er war nicht blöd. Schließlich nahm der Detektiv seine gewohnte Sitzhaltung ein und starrte Rumiko mit dem gleichen Blick an, mit dem er seine üblichen Verdächtigen ansah. „Wir können es auf die sanfte oder auf die harte Tour machen. Also sag schon: wo ist mein Bruder?“ Er war ziemlich angefressen und dass Jeremiel verschwunden war und er nicht wusste wohin, das war etwas, was er ganz und gar nicht mochte. Das würde noch Ärger geben. Also gab sie doch klein bei und seufzte geschlagen. „Jeremiel trifft sich mit jemanden. Er… er hat ein Date und er bat mich, dass ich ihn decke, damit niemand davon erfährt, weil er es geheim halten will.“ „WIE BITTE?“ riefen L und Beyond zusammen und hatten den gleichen sprachlosen Gesichtsausdruck. „ER HAT EIN DATE???“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)