Last Desire 7 von Sky- (L x BB) ================================================================================ Kapitel 1: Alles wieder beim Alten? ----------------------------------- Schwer keuchend hielt sich L an Beyond fest und zitterte am ganzen Körper. Auf seiner Haut glänzten Schweißperlen und sein Gesicht glühte. Langsam hob und senkte er seine Hüften, während der Serienmörder seine Arme um ihn geschlungen hatte und nach Luft rang. Der Detektiv sah in seine von Hitze erfüllten Augen und küsste ihn leidenschaftlich, während seine Bewegungen schneller wurden. Doch ihm entging nicht, dass Beyond ein wenig benommen wirkte und fragte „Alles in Ordnung bei dir?“ „Ja, ja… das sind nur die Schmerzmittel.“ „Bist du sicher?“ Zugegeben, die Wunde an seiner Seite, die vernäht und inzwischen auch ganz gut verheilt war, tat schon etwas weh, aber er wollte nicht sagen, was los war, denn dann würde L die ganze Sache sofort wieder abbrechen. Nachdem er schon die letzte Zeit genug Schonfrist hatte und fast schon wie ein rohes Ei behandelt wurde, wollte er L nicht schon wieder einen Beweis liefern, dass er noch nicht ganz fit war. Er hatte auch keine Lust, die ganze Zeit den Kranken und Verletzten zu mimen, da wollte er wenigstens diese intimen Momente genießen. Und L ging es ja auch nicht anders. Immerhin hatten sie sich knapp drei Wochen nicht mehr so nah sein können wie jetzt. Beyond hatte nach der Konfrontation mit Clear und Sam sein Leben verloren und konnte schließlich wiederbelebt werden, hatte aber seine Erinnerungen an die letzten Monate an L’s Seite verloren und ihn sogar angegriffen und fast erwürgt. Schließlich hatte Sam Leens ihn entführt und zu diesem Albinomädchen Frederica gebracht, die schon Andrew zur Flucht verholfen hatte. Sie und Jeremiel, den er in Evas Welt kennen gelernt hatte, hatten ihm geholfen, seine Erinnerungen zurückzubekommen und mit seiner dunklen Seite endlich Frieden zu schließen. Und er hatte es lebend aus dem Institut herausgeschafft, während Frederica selbst ihr Leben lassen musste. Für L, Watari und Andrew war das ein besonders schwerer Schlag, da das Mädchen, welches sie alle zusammengebracht hatte, zur Familie dazugehörte. Für L war sie eine große Schwester gewesen, für Andrew eine gute Freundin und für Watari wie eine Enkelin. Nachdem sich die Aufregung einigermaßen gelegt und Beyonds Adoptivschwester Rumiko die Zwillinge gesund zur Welt gebracht hatte, war auch ein Stück weit wieder Ruhe eingekehrt. Und Beyond, der wohl die meisten Spuren davongetragen hatte, brauchte auch erst einmal Ruhe und Erholung, da die Verletzung, an der er verstorben war, schmerzte und nicht sonderlich schnell verheilte. Inzwischen hatte Hester die Fäden gezogen und auch gesagt, dass alles ganz gut aussah, aber dennoch riet sie ihm, kürzer zu treten und sich noch zu schonen. L, der immer noch ein wenig mit diesen schrecklichen Bildern zu kämpfen hatte, als Beyond gestorben war, passte dabei besonders auf ihn auf und ließ auch nicht mit sich reden. Zu groß war seine Sorge, dass dem Serienmörder wieder etwas passieren könnte. Und er hatte sich hierzu auch nur unter der Bedingung überreden lassen, wenn Beyond sich gefälligst schonte und ihm die Arbeit überließ. Zugegeben, für den BB-Mörder war das ja auch kein Problem gewesen und er fand es auch mal schön, wenn L die Initiative ergriff, aber dennoch kam er sich irgendwie wie ein Pflegefall vor. Und das ging ihm tierisch auf die Nerven und deswegen hielt er lieber die Klappe und biss die Zähne zusammen. „Du solltest echt mal aufhören, mich hier wie ein rohes Ei zu behandeln, L. Hester hat doch selbst gesagt, dass alles gut verheilt und keine Gefahr mehr besteht. Also krieg dich wieder ein.“ „Du hast gut reden. Du hast ja nicht den Schock deines Lebens gekriegt und den Menschen in deinen Armen sterben sehen, mit dem du für immer zusammen bleiben wolltest.“ Nun, da konnte Beyond nicht viel entgegensetzen und küsste L. Dieser Kuss wurde sofort erwidert und L drückte den Serienmörder fest an sich. „Du bist auch echt ein Idiot, dass du dich ständig in Lebensgefahr begeben musst.“ „Als ob ich mit Absicht den Löffel abgegeben hätte…“ Sein Atem wurde schwerer und auch L fiel es schwer, seine Stimme zu unterdrücken. Seine Bewegungen wurden immer schneller und ihm war anzusehen, dass er bald an seine Grenzen stieß. Eine intensive Welle der Lust durchströmte seinen Körper und er bekam eine Gänsehaut. Er verlor das letzte bisschen Kontrolle über sich und wurde von seinem eigenen Verlangen und seinen sehnlichsten Gefühlen beherrscht. Es fiel ihm schwer, seine Stimme zurückzuhalten und ein atemberaubendes, elektrisierendes Kribbeln ging durch seinen Körper. „Versprich mir einfach, dass du ein wenig mehr auf dich Acht gibst.“ „Ich versuch’s.“ L’s Hände verkrallten sich in Beyonds Rücken und hinterließen kleine Kratzer. In einem allerletzten Kraftakt bäumte er sich auf, schien fast die Besinnung zu verlieren und musste sich keuchend an Beyond festhalten, als er seinen Höhepunkt erreichte und erschöpft zusammensank. In diesem Moment kam auch Beyond und drückte L fest an sich. Schwer atmend lagen sie im Bett und hielten sich immer noch im Arm. L betrachtete Beyond mit einem nachdenklichen Blick und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der BB-Mörder merkte sofort, dass dem Detektiv irgendetwas durch den Kopf ging und fragte direkt „Sag schon L, was ist los? Machst du dir immer noch Sorgen um mich, oder ist es Fredericas Beerdigung, die dir zu schaffen macht?“ Vor knapp zwei Tagen hatten sie die verstorbene Frederica beerdigt und insbesondere L hatte darunter gelitten, auch wenn er es nicht gezeigt hatte. Immerhin war Frederica für ihn wie eine große Schwester gewesen. Sie hatte zwanzig Jahre schmerzhafte Experimente über sich ergehen lassen müssen und hatte 58 Mal die Zeit um 26 Jahre zurückgedreht, um L und die anderen zu retten und ihnen eine glückliche Zukunft zu ermöglichen. Und nun war sie tot und nichts hätte sie retten können. Ihr Körper war durch die Operationen lebensunfähig geworden und niemand hätte ihr zumuten können, in so einem Zustand weiterzuleben und dahinzuvegetieren. Deshalb hatten sie alle von ihr Abschied nehmen müssen und L, der viele Kindheitserinnerungen mit ihr verband, hatte das letzte Familienmitglied verloren. Seine Eltern waren von Dr. Joseph Brown ermordet worden und dieser hatte Frederica entführt und nach dessen Tod hatte sein Sohn James die Experimente fortgeführt. Jahrelang hatte er sich nicht an sie erinnern können und dann war es auch schon zu spät für sie gewesen. „Ich habe mich manchmal schon gefragt, ob ich sie nicht vielleicht hätte retten können, wenn ich gewusst hätte, was sie alles durchmachen musste. Irgendwie habe ich das Gefühl, als hätte ich sie im Stich gelassen.“ Beyond schloss ihn in den Arm und strich ihm sanft durchs Haar. „So etwas darfst du nicht denken, L. Frederica wusste von Anfang an, worauf sie sich eingelassen hat und sie hat sich geopfert, um dich und uns zu retten. Sie hätte mich und Andy nicht retten können, wenn man sie schon viel früher befreit hätte. Es ist schon schlimm, aber… sie ist zumindest in der Gewissheit gestorben, dass es uns allen gut geht und dich glaube, das war das Wichtigste für sie.“ „Kann schon sein… aber dennoch habe ich da so meine Zweifel. Und außerdem frage ich mich, was eigentlich mit Sam’s Leiche passiert ist. Auf den Aufnahmen hast du ja eindeutig feststellen können, dass er tot ist, aber wir haben aus dem Kontrollraum keinerlei Videomaterial, sodass wir nicht sehen konnten, was mit ihm passiert ist und wer seine Leiche mitgenommen hat. Überhaupt frage ich mich, wieso man ihn mitgenommen hat. Zwar war er ein Teil der Eva-Experimente und ein Hybrid, aber er verfügt nicht über die nötigen Fähigkeiten und darum macht es auch keinen Sinn, seinen Körper für weitere Forschungszwecke zu benutzen. Überhaupt würde sich dann auch die Frage stellen, wer die Experimente fortführen sollte, nachdem du James Brown getötet hast.“ „Höre ich da eine leise Spur von Vorwurf bei dir raus?“ „Teilweise schon. Immerhin hast du mir versprochen, dass du keine Menschen mehr tötest! Aber andererseits… es war eine Extremsituation und ich kann auch verstehen, wieso du das getan hast.“ Beyond seufzte und stand auf. War ja klar, dass so eine Antwort von L kommen musste. Der war ja der Verfechter der Gerechtigkeit und machte deshalb auch keine Ausnahmen. Natürlich verurteilte er Beyonds Tat, aber tief in seinem Herzen empfand auch er eine gewisse Genugtuung. Immerhin hatten James und sein Vater genug Leid angerichtet. Sie hatten Frederica auf dem Gewissen, seine Eltern und sie hatten seinen Zwillingsbruder zu einem emotionslosen mordenden Monster gemacht. Deswegen verurteilte er Beyond nicht allzu sehr, betonte aber dennoch, dass er alles andere als begeistert war. Als der BB-Mörder sich bücken wollte, um seine Sachen aufzuheben, da spürte er wieder einen schmerzhaften Stich in der Seite und biss die Zähne zusammen. Er presste eine Hand auf die genähte Wunde und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber L blieb natürlich nichts verborgen. „Also doch“, sagte er und nahm einen etwas strengeren Ton an. „Es waren nicht die Schmerzmittel.“ „Ach halt die Schnauze“, gab er gereizt zurück und ging in Richtung Bad, um sich eine heiße Dusche zu gönnen. „Es ist nichts Weltbewegendes und dass es noch ein wenig wehtut, ist ja ganz normal, oder? Hör einfach auf damit, mich ständig wie einen Pflegefall behandeln zu wollen. Ich steck so einiges weg und das weißt du auch. Es geht mir gut!“ „Wir hätten doch besser warten sollen. Du solltest dich…“ „Jetzt mach dir mal nicht gleich ins Höschen, nur weil mir die Seite wehtut. Ernsthaft: seit ich meine Erinnerungen wiederhabe, drehst du komplett am Rad und steigerst dich immer mehr in deine Ängste rein. L, ich werde so schnell nicht sterben, kapiert? Sonst wäre Fredericas Zeitschleife doch nicht beendet worden, oder?“ Dem konnte L eigentlich nicht viel entgegensetzen, aber dennoch machte er sich Sorgen. Immerhin war Beyond gestorben, weil er nicht rechtzeitig da gewesen war, um ihn zu retten und er hatte zugelassen, dass er sich in solche Gefahr begab. Und das schien auch Beyond zu merken. „Du machst dir doch nicht etwa Vorwürfe, oder? Jetzt hör mal gut zu, mein Lieber: ich bin aus eigener Initiative hingegangen und keiner konnte wissen, dass meine Lebenszeit abgelaufen war. Du weißt doch, was Rumiko immer sagt: wenn die Lebenszeit eines Menschen abgelaufen ist, dann kann man nichts dagegen tun und dann hat niemand Schuld daran. Wir sollten froh sein, dass Frederica alles so gut geplant hatte. Ich lebe und mir geht es gut. Also krieg dich wieder ein und werde gefälligst wieder der Alte! So überängstlich und vorsichtig mag ich dich nicht so sehr wie als kindischer und eigensinniger Sturkopf.“ Damit ging Beyond ins Bad und L blieb noch ein wenig im Bett liegen. Er fühlte sich ein wenig müde und erschöpft und wollte sich noch etwas ausruhen. Knapp eine Viertelstunde später kam Beyond aus dem Bad und so ging L als nächstes. Die heiße Dusche tat ihm wirklich gut und er dachte darüber nach, was der BB-Mörder ihm gesagt hatte. Eigentlich hat er ja Recht und mein derzeitiges Verhalten ist absolut untypisch für mich. Aber… er ist schon ein Mal gestorben und konnte nur dank Eva, Frederica und Jeremiel zurückgeholt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass er noch mal ein solches Glück haben wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Ich muss mich langsam wirklich zusammenreißen und versuchen, mit dieser Sache endlich abzuschließen. Das Thema Eva-Experimente ist abgeschlossen. Das Institut ist zerstört und Dr. Brown und Frederica sind tot. Es ist vorbei und damit kann ich die Sache doch ein für alle Mal abhaken. Und außerdem gibt doch erfreulichere Dinge. Rumiko ist jetzt Mutter und Andrew und Oliver werden in Kürze heiraten. Ich sollte echt aufhören, mir die ganze Zeit den Kopf zu zerbrechen. Nach der Dusche ging er ins Wohnzimmer, wo Watari einen Tee vorbereitet hatte. Seit der Engländer von Fredericas Tod erfahren hatte, wirkte er noch älter als sonst und er sah auch blass und müde aus. Zwar hatte L ihn noch nicht näher darauf angesprochen, aber so langsam erkannte er, dass Watari langsam in die Jahre kam und bald nicht mehr die nötige Kraft haben würde, um weiterhin seine Tätigkeit als L’s Assistent auszuführen. Er war schon 73 Jahre alt und auch wenn er noch recht vital war, aber Fredericas Tod hatte bei ihm deutlich Spuren hinterlassen und er hatte seitdem einiges an seiner Vitalität eingebüßt. „Hey, da bin ich, Pandabärchen!“ rief der Serienmörder, als er ins Wohnzimmer kam und kassierte sogleich einen strafenden Blick von L. Natürlich wusste er, dass dieser verdammte Mistkerl das nur in Wataris Gegenwart getan hatte, um sich ein wenig zu rächen. Für gewöhnlich rief er ihn nur bei Kosenamen, wenn sie alleine waren, aber dass er das jetzt direkt vor Watari machte, war eindeutig eine Racheaktion gewesen für die Bevormundung. Gerade wollte L etwas sagen, aber da klingelte es an der Tür und kurz darauf kam Rumiko herein. Sie sah ein wenig blass aus und hatte leichte Ränder unter den Augen, was wohl von den schlaflosen Nächten herrührte, seit sie die Zwillinge auf die Welt gebracht hatte. Sie hatte einen der beiden bei sich und begrüßte L und Beyond gleich mit einer Umarmung. „Hey Rumi, wo hast du denn Jamie und Eden gelassen?“ „Jamie ist mit der Kleinen spazieren gegangen. Ich war heute morgen schon mit Faith und ich dachte mal, dass ich eben kurz bei euch vorbeischaue. Es gibt nämlich was zu feiern!“ „Sag an.“ „Der Verlag hat auch noch eingewilligt, meine zweite Serie zu drucken. Und gleich schon der erste Band hat sich super verkauft. Meine Mangas sind noch gefragter als ein Dildo in einer Nymphomanensiedlung!“ War ja klar, dass sie wieder mit dem Blödsinn kommen musste. Echt, Rumiko war zwar eine ganz Liebe und man konnte sich immer auf sie verlassen, aber sie war einfach durchgeknallt, anders konnte man es nicht nennen. Sie war vollkommen verrückt was schwule Beziehungen betraf und war eine leidenschaftliche Yaoi-Leserin. Und durch die Tatsache, dass sie durch ihren Mutterschaftsurlaub drei Jahre von der Arbeit freigestellt war, hatte sie genug Zeit und war daraufhin auf die Idee gekommen, selber solche Mangas zu zeichnen. Und was bot denn bitte eine bessere Vorlage als die Beziehungen in ihrem direkten Umfeld? Sie hatte inzwischen schon Beyonds und L’s Liebesgeschichte (wenn auch ein klein wenig abgeändert) unter dem Titel My Enemy, My Master als SM-Yaoi veröffentlicht und nun hatte sie mit Fragile Heart Andrews und Olivers persönliche Beziehungsgeschichte herausgebracht. Und sie schien als Yaoi-Zeichnerin wohl sehr gefragt zu sein, insbesondere weil sie eben genau wusste, was die Leser sehen wollten. Beyond nahm die Leidenschaft seiner Schwester locker und mit Humor, nur L konnte sich nicht wirklich damit anfreunden. Insbesondere deshalb, weil die Gute seine persönliche Liebesgeschichte veröffentlicht hatte. Nun gut, sie hatte die Charaktere so gezeichnet, dass sie keine Ähnlichkeiten mit ihren Originalen hatten, aber mit der Namensgebung hatte es Rumiko nicht ganz so genau genommen. Und so hatte sie den Detektiv in der Geschichte Lawrence und seinen Erzfeind Ryuzaki genannt. Jeder, der L und Beyond kannte, wusste doch sofort, dass sie beide damit gemeint waren und genau das schlug ihm so sauer auf den Magen. Stolz präsentierte Rumiko ihnen den ersten Manga ihrer zweiten Serie und sogleich blätterte Beyond die Seiten durch. „Hm, vom Charakter her hast du sie ja gleich gelassen und auch die Story ist nicht ganz so abgeändert. Aber… wieso haben sie japanische Namen? Ich meine, du hast Andy jetzt Akio und Oliver Shingo genannt.“ „Nun, der Verleger meinte, dass die Leser oder besser gesagt Leserinnen lieber japanische Namen lesen. Und da ich ja meinen japanischen Familiennamen benutze, passt das auch besser. Deshalb werde ich ab jetzt hauptsächlich japanische Namen für meine Mangas verwenden. Und außerdem ist es mit euren Charakteren ja so, dass Ryuzaki aus Japan kommt und Lawrence hinterher dorthin bringt, um noch richtig Spaß mit ihm zu haben.“ Dieses anzügliche perverse Grinsen ließ erahnen, was der Halbjapanerin so vorschwebte und L fragte sich wirklich ernsthaft, wie sie nur Musiklehrerin an einer Grundschule werden konnte. Und vor allem fragte er sich, ob das noch mal irgendwann auf ihre Kinder abfärben würde. „Und was machst du, wenn dir die Ideen ausgehen sollten?“ „Dann zock ich einfach am Computer Spiele. Togainu no Chi und Absolute Obedience hab ich schon komplett durchgespielt und ich hab mir auch schon DRAMAtical Murder und Enzai gekauft.“ „Bei dir wächst das ja mal langsam zu einer regelrechten Manie heran. Hinterher wird Eden genauso wie du und Faith wechselt sicher auch aufs andere Ufer.“ „Fände ich nicht so schlimm. All meine männlichen Freunde sind ja auch schwul, genauso wie mein kleiner Bruder.“ Damit kniff sie Beyond scherzhaft in die Wange und kicherte. Der kleine Faith, der noch gar nicht seine Augen offen hatte, schlief tief und fest und gähnte leise. Müde streckte er sein kleines Ärmchen aus, woraufhin Rumiko ihm leise zusprach und sein kleines Köpfchen streichelte. Schließlich seufzte sie und fuhr sich müde durch ihr Haar. „Echt unfassbar, dass sie die ganze Nacht nur am Schreien sind und tagsüber schlafen, als gäbe es keinen Morgen mehr. Aber es ist ja leider so, dass Babys eine Zeit lang brauchen, um einen richtigen Schlafrhythmus zu finden. Trotzdem ist es echt anstrengend. Faith ist ja eigentlich recht still, aber Eden ist immer am Schreien und weckt ihn automatisch mit auf und dann sind sie beide am Schreien.“ „Und wie regelt ihr das?“ „Jamie und ich stehen gemeinsam auf. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Mal nimmt er Eden, mal Faith. Wir wechseln uns da immer ab, damit keiner zu kurz kommt. Aber trotzdem ist es nicht einfach, Eltern zu sein.“ Rumiko gähnte erneut und rieb sich müde die Augen. „Aber die beiden entschädigen die schlaflosen Nächte und den Stress. Die beiden sind auch wirklich süß. Und guckt mal, das Bild habe ich erst gestern gemacht.“ Damit holte sie ein Foto hervor und zeigte es Beyond und L. Darauf war Jamie zu sehen, der auf der Couch schlief und offenbar einen Mittagsschlaf hielt. Und bei sich im Arm hatte er die beiden Zwillinge. Selbst L musste bei diesem Anblick schmunzeln. „Die haben so tief und fest geschlafen, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Jamie und ich haben auch schon angefangen, ein Fotoalbum für unsere Kleinen anzulegen. Aber ich hab ja noch gar nicht nachgefragt, wie es eigentlich euch beiden so geht.“ Als sie die Gesichter der beiden las, ahnte sie schon, dass da wohl irgendetwas im Busch war und dass es offenbar wieder einen kleinen Zickenkrieg gegeben hatte. Aber bei den beiden Knallköpfen verwunderte sie gar nichts mehr. Sie hatte die beiden schon oft genug auf die richtige Spur bringen müssen. „Raus mit der Sprache. Was ist los?“ „L übertreibt es langsam mit seiner Angst um mich.“ „Und Beyond hält es für witzig, mich ständig zu ärgern.“ „Okay. Ich sehe schon, dass ich mal wieder ran muss. Ich glaube echt, ich hätte besser Kindergärtnerin werden sollen statt Musiklehrerin.“ Gerade wollte Rumiko was sagen und dieses kleine Problem klären, doch da klingelte es wieder an der Haustür. Davon wachte der kleine Faith auf und begann daraufhin zu schreien, woraufhin die Halbjapanerin ihn erst mal wieder beruhigen musste. Als Watari die Tür öffnen ging, kam auch schon Andrew hereingestürmt. Er war totenbleich im Gesicht und sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Sofort lief er zu Beyond hin und dieser sah schon, dass wohl irgendetwas passiert sein musste, so wie er aussah. „Andy, was ist los? Ist etwas mit Oliver?“ Der Rothaarige zitterte am ganzen Körper und die Todesangst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Schließlich kam auch Oliver herein, der sehr ernst aussah, was irgendwie nicht zu ihm passen wollte. Schließlich aber schaffte Andrew es, sich so weit zusammenzureißen, um endlich zu sagen, was los war. „Beyond… Je-Jeremiel ist wieder da. Er war vorhin im Park und hat mich gesehen! Er weiß, dass ich noch am Leben bin und jetzt will er mich auch umbringen.“ Doch so wirklich wollte Beyond das nicht glauben und schüttelte den Kopf. „Jetzt beruhige dich doch mal wieder. Sam ist tot und Tote kommen nicht zurück. Zumindest nicht unter normalen Umständen. Wahrscheinlich hast du ihn bloß verwechselt und…“ „Nein Beyond“, unterbrach Oliver ihn und sein Blick verdüsterte sich. „Ich hab ihn ebenfalls gesehen. Es war eindeutig Sam. Er ist noch am Leben und er hält sich immer noch in Boston auf.“ Kapitel 2: Die Suche nach Sam Leens ----------------------------------- Da der kleine Faith sich nicht mehr beruhigen ließ und die Situation doch sehr ernst war, verabschiedete sich Rumiko und sogleich gingen die anderen ins Wohnzimmer, um dort alles näher zu besprechen. Andrew, der kaum in der Lage war, vernünftig zu sprechen, klammerte sich an Oliver, der für ihn das Reden übernahm. L hatte seine gewohnte Sitzhaltung angenommen und ließ sich von Watari einen Kaffee bringen, in welchen er einen Zuckerwürfel nach den anderen eintauchte. „Also was genau ist passiert?“ „Andy hat im Park auf mich gewartet, weil wir einen Spaziergang machen wollten. Und da ist Sam Leens auf ihn zugegangen. Ich hab daraufhin meine Pistole gezogen, weil man ja damit rechnen muss, dass dieser Typ irgendetwas vorhat und da ist er weggelaufen.“ „War er bewaffnet?“ „Nein. Und irgendwie wirkte er ein wenig seltsam. Ich meine, er hat mich völlig verwundert gefragt, wieso ich ihn Sam nenne und er sagte auch, dass er keinen Sam kenne und Jeremiel Lawliet heiße. Zwar kenne ich ihn nicht so gut und weiß auch nicht, wie er so normalerweise ist, aber er wirkte nicht auf mich, als hatte er Andy unbedingt umbringen wollen. Er wirkte eher verwirrt.“ Als Beyond das hörte, war er der festen Überzeugung, dass es sich um eine Verwechslung handeln musste. Nie und nimmer war Sam Leens „verwirrt“. Dazu fehlten ihm einfach die Gefühle. Aber wenn Oliver ihn doch eindeutig identifiziert hatte, konnte es sich unmöglich um eine Verwechslung handeln, oder? Auch L war irritiert und dachte darüber nach. „Und er hat dich gefragt, wieso du ihn Sam nennst?“ „Ja.“ Er und Beyond tauschten kurze Blicke aus. Sogleich kam der Serienmörder mit einer Theorie und fragte „Kann es vielleicht möglich sein, dass Sam irgendwie eine Amnesie hat?“ „Aber dann hätte er doch keinen verwirrten Eindruck gemacht. Sams Emotionslosigkeit wäre immer noch geblieben, weil er durch diesen Gehirnschaden nicht dazu imstande ist. Irgendetwas ist da merkwürdig, insbesondere, weil er eigentlich tot sein sollte. Und dennoch lebt er wieder. Dies lässt nur zwei mögliche Schlussfolgerungen zu: 1. Eva hat ihre Finger im Spiel und ihn zuerst wiederbelebt und dann manipuliert. 2. ihm wurde ein künstlicher Gedankenschaltkreis eingesetzt, durch welchen auch dieser Defekt im Limbischen System ausgeglichen wurde. Dies würde erklären, warum er wieder am Leben ist und wieso er so verändert war. Zugegeben, es klingt im ersten Moment auch eher nach einer Verwechslung, aber wenn selbst Oliver ihn identifizieren konnte, ist es eigentlich unwahrscheinlich. Nun stellt sich aber die Frage, was Sam von Andrew wollte, wenn er nicht vorgehabt hatte, ihn zu töten. Das alles ist mehr als rätselhaft… wir werden ihn suchen müssen, um herauszufinden, was mit ihm passiert ist. Es ist nicht auszuschließen, dass er immer noch gefährlich sein könnte. Wir werden ihn suchen und dann sichergehen, dass er keine Gefahr darstellen wird.“ „Also wirst du ihn an einer Fußkette gefesselt im Keller einsperren so wie mich, ne?“ „In seinem Fall werden es eher Handschellen werden. Denselben Fehler mache ich nicht noch mal. Du hättest mich immerhin fast erwürgt.“ „Du reitest auch immer auf den alten Sachen rum…“ „Könnt ihr beiden mal endlich ernst werden? Jeremiel ist am Leben und er wird mich noch umbringen, weil er weiß, dass ich lebe! Und ich bin der einzige überlebende Zeuge, der seine wahre Identität kennt. Wir müssen dieses Monster endlich stoppen und wegsperren!“ Andrew war völlig hysterisch und ließ sich einfach nicht beruhigen. Kurzerhand brachte Beyond ihn ins Arbeitszimmer, während Oliver sich mit L besprechen wollte, wie sie vorgehen sollten. „Also ich könnte die öffentlichen Kameras und die Satelliten anzapfen. Vielleicht können wir Sam so am schnellsten aufspüren.“ „Das ist eine gute Idee. Okay, du kümmerst dich darum und wir beide werden dann die Monitore überwachen. Nur müssen wir irgendwie noch dafür sorgen, dass Beyond nicht schon wieder auf den Gedanken kommt, den Lockvogel zu spielen. Er würde sich nur wieder in Gefahr bringen und das möchte ich lieber verhindern. Insbesondere, da er ohnehin noch nicht ganz auf der Höhe ist und noch Schmerzen hat. Aber er ist eben ein uneinsichtiger Dickkopf.“ „Ebenso wie du“, ergänzte Oliver und faltete die Hände. „Weißt du L, du bist eigentlich genauso wie er und wahrscheinlich hörst du nichts Neues, wenn ich dir sage, dass du dich überhaupt nicht wie der normale L verhältst. Mag ja sein, dass du dir Sorgen um Beyond machst, aber du musst ihm auch mehr vertrauen, ja? Er weiß doch selbst, dass er sich ein wenig zurücknehmen muss und er will dir doch auch keine Sorgen bereiten.“ „Du verstehst das nicht. Es liegt einfach in seiner Natur, mich und euch mit allen Mitteln beschützen zu wollen. In seinem letzten Leben war er Evas Mann und hat die Familie beschützt. Deshalb hat er sich doch erst in Lebensgefahr begeben und ist dann gestorben. Ich will einfach verhindern, dass das wieder passiert.“ „Mach dich doch mal locker! Ernsthaft: wenn du dich so verrückt machst, dann wird doch irgendwann etwas passieren. Was willst du denn machen? Alles im Haus mit Luftpolsterfolie auspolstern und ihn in Schaumstoff einpacken? Das kann doch auch nicht die Lösung sein. Hör mal: bevor Andy Fredericas Seele bekam, hätte er doch auch jede Sekunde sterben können, wenn der GSK kaputt gegangen wäre. Wir alle können jeden Moment sterben, aber das ist doch kein Grund, die ganze Zeit in Angst zu leben. Glaub mir, ich spreche da aus Erfahrung. Immerhin hatte ich schon im Alter von 12 Jahren meinen ersten Herzinfarkt und kurz darauf meinen zweiten. Ich lebe mit einem Spenderherz und dennoch kann es sein, dass auch dieses versagt oder irgendetwas anderes passiert. Aber ich denke einfach: das Leben ist zu kurz, um immer nur Angst zu haben. Sollte Beyond wieder irgendetwas zustoßen, so hat er doch immer noch den GSK. Dieser ist zwar inaktiv geworden, weil er von Eva eine neue Seele bekommen hat, aber wir können ihn wieder aktivieren. Also entspann dich etwas und krieg deinen Kopf wieder frei. Mensch bist du unentspannt. Seid ihr zwei immer noch so enthaltsam wie Klosterbrüder?“ Als L die Frage hörte, entglitten ihm fast die Gesichtszüge und er starrte Oliver entgeistert an. Warum nur musste er so etwas fragen? Das ging ihn einen feuchten Kehricht an! Doch er brauchte nicht zu antworten, denn der Hacker schien die Antwort schon in seinem Gesicht ablesen zu können. „Ah, ich sehe du hast die Schonfrist beendet. Nun, dann lass dir von Onkel Olli mal eines sagen: hab etwas mehr Vertrauen und mach was gegen deine Verlustangst. Weißt du L, es ist echt ungesund, einen Menschen so sehr zu lieben, dass man ständig in Angst um ihn lebt. Denn damit gehst du nur selbst vor die Hunde und Beyond wird sich dadurch auch nicht besser fühlen. Im Gegenteil, der wird sich dann nur eingeengt fühlen und du weißt, wie er dann reagiert. Dann ist der nächste Streit wieder komplett vorprogrammiert. Und du weißt doch, dass du auf uns zählen kannst. Wenn Rumiko ihn nicht wieder auf die Spur bringt, sind Andy und ich auch noch da. Vergiss nicht: wir sind alle eine Familie und wir sind füreinander da. So und jetzt beenden wir dieses leidige Thema und kümmern uns um das Wesentliche, nämlich darum, Sam Leens zu finden.“ Damit klopfte Oliver ihn auf dem Rücken und borgte sich sogleich den Laptop von L aus, um mit seiner Arbeit zu beginnen. „Was mich ja mal interessieren würde wäre, wer Sam wiederbelebt hat. Von alleine wird er das ja wohl kaum geschafft haben. Möglich wäre es ja wirklich, dass es Eva war. Immerhin ist Sam ja auch ein Wiedergeborener so wie wir, wenn ich das noch richtig auf’m Schirm habe. Was, wenn es tatsächlich wie in diesem Märchen von Frederica ist?“ „Du meinst das Märchen, als Eva ihr Herz mit der Leere teilte?“ „Wäre doch möglich. Ich meine, Fredericas Geschichten waren ja dafür bestimmt, dich auf deine Aufgabe vorzubereiten, weil du Evas menschliche Wiedergeburt bist und du deshalb quasi das Herzstück unserer Familie bist. Sam ist dein Zwillingsbruder und war die Leere. Also was ist, wenn Eva auch ihm helfen wollte und er jetzt deshalb wieder lebt?“ Schön und gut, aber wenn er wirklich noch der Alte war, dann wäre es eigentlich besser gewesen, wenn Sam tot geblieben wäre. Das klang zwar hart, aber der Kerl hatte schon genug Blut an seinen Händen kleben und was er Beyond angetan hatte, war unverzeihlich. Für L stand jedenfalls fest, dass er nicht zulassen würde, dass er Beyond auch nur ein Haar krümmte. Ebenso wenig wie Andrew oder den anderen. Da Oliver noch eine Weile brauchte, um alles soweit einzurichten, ging L nach Beyond und Andrew schauen. Der Serienmörder hatte seinen besten Freund wieder beruhigen können und versicherte ihm immer wieder, dass sie nicht zulassen würden, dass ihm etwas passierte. „Mach dir keine Sorgen, Andy. Oliver, L und ich werden dich beschützen und Sam finden, bevor er uns finden kann. Der Kerl wird kein Bein mehr auf den Boden kriegen und wenn er es wagen sollte dich anzurühren, dann bringe ich ihn um.“ „Hier wird niemand umgebracht“, warf L in einem strengen Ton ein und funkelte Beyond warnend an. „Wir werden ihn in Gewahrsam nehmen und verhören und ihn nicht umbringen. Schlag dir das aus dem Kopf, mein Lieber.“ „L, der Kerl wäre besser dran, wenn er tot wäre! Hast du vergessen, was das für ein Monster ist und was er Andrews Familie, den Waisenkindern und auch mir angetan hat? Ist dir das etwa vollkommen egal?“ „Natürlich habe ich es nicht vergessen und es ist mir auch nicht egal. Aber ich werde keine Lynchjustiz befürworten. Also schlag dir deine Mordgedanken aus dem Kopf oder ich regle das ohne dich.“ „Wie bitte?“ Beyond funkelte ihn finster an und war sichtlich gereizt. Wieder einmal sah er sich in seinem Verdacht bestätigt, dass L ihn mal wieder nur bevormunden wollte. Er packte den Detektiv am Kragen und musste sich wirklich bemühen, um nicht laut zu werden. „Du schließt mich hier nicht einfach so aus, klar? Sam Leens geht mich genauso an wie Andy. Er hat mich fast umgebracht und mir den Arsch aufgerissen. Also ist es doch wohl verständlich, dass ich den Dreckskerl lieber tot sehen will!“ „Das verstehe ich auch. Aber ich werde trotzdem nicht dulden, dass du anfängst, wieder in deine alten Muster zurückzufallen und Leute umbringst. Du vergisst, dass du auch bei mir lebst, weil ich ein Auge auf dich haben will.“ „Hältst du mich etwa für irgendeinen dahergelaufenen Psychopathen, der wahllos Menschen umbringt so wie Sam? Jetzt lass mich ein für alle Male was klarstellen: ich hab diesen Hurensohn Brown umgebracht, weil er Andy zehn Jahre lang misshandelt und vergewaltigt hat. Seine Familie hat deine Eltern getötet und Watari hat dich all die Jahre verstecken müssen, weil sie dich sonst auch umgebracht hätten. Sie haben dieses Monster Sam Leens erst erschaffen und Frederica hat wegen ihnen sterben müssen. Hätte ich den Kerl nicht getötet, dann hätte es nie aufgehört. Ich gebe zu, dass ich vielleicht dennoch einen Fehler gemacht habe, aber dieser Bastard hat es beim besten Willen nicht anders verdient. Und ich will auch nicht zulassen, dass Sam Andy und euch etwas antut.“ „Das weiß ich doch“, sagte L beschwichtigend und hielt Beyonds Blick stand. „Eben das bereitet mir Sorgen. Dein Beschützerinstinkt für unsere Familie ist löblich, aber ich will nicht, dass du dich wieder in Gefahr begibst. Stattdessen könntest du mir auch mal vertrauen und mir die Sache überlassen.“ „Du vertraust mir doch auch nicht!“ Es war allzu offensichtlich, dass die Fronten ziemlich verhärtet waren. Also gingen die beiden vorerst getrennte Wege und während sich L lieber um die Überwachung kümmern wollte, ging Beyond ein wenig spazieren, um den Kopf frei zu bekommen. Andrew, der sich wieder beruhigt hatte, begann zu überlegen, was sie tun konnten, um den emotionslosen Killer zu finden. Er beschloss, Oliver zu unterstützen und auch noch mal mit L wegen Beyond zu sprechen. Dass die beiden sich die ganze Zeit nur stritten, konnte ja auch nicht die Lösung sein. Besonders nicht, wenn sich das irgendwann noch auf ihre Arbeit niederschlug. Zwar hatte L eine Zeit lang Misstrauen gegen ihn gehegt und in ihn auch eine Bedrohung für seine Beziehung gesehen, aber seit er wusste, dass Andrew mit Oliver verlobt war und dieser auch Beyonds Leben gerettet hatte, hatte er sein Misstrauen endgültig begraben und die beiden verband nun eine sehr gute Freundschaft. Und natürlich wollte Andrew auch gerne helfen, eben weil er wusste, dass L und Beyond etwas schwierig vom Charakter her waren. Sie beide waren absolute Dickschädel, die immer ihren Willen durchzusetzen versuchten und da blieb es nicht aus, dass sie sich oft am Zanken waren. Nun gut, es waren eigentlich recht harmlose Neckereien, aber dieses Mal sah es nach etwas Ernstem aus. „Was ist denn jetzt schon wieder euer Problem? Seit Beyond wieder der Alte ist, dachte ich echt, bei euch wäre jetzt endlich alles im Lot, aber stattdessen seid ihr ständig nur am Streiten. Euch soll mal einer verstehen. Glaubst du etwa wirklich, Beyond würde wieder einfach so zum Mörder werden wie damals?“ „Das habe ich nicht damit gemeint“, erklärte L und kratzte sich mit einem geschlagenen Seufzer am Hinterkopf. „Aber ich mache mir halt Sorgen, dass er sich wieder zu sehr von seinen Gefühlen beherrschen lässt und dann irgendeine Dummheit macht. Du weißt doch selbst wie er ist. Er ist ein Menschenhasser und ist auch sonst nicht sehr zugänglich. Ich will nur verhindern, dass er schon wieder in so eine lebensbedrohliche Situation gerät, nur weil er mich und euch beschützen will. Das hat er ja schon gemacht und was ist passiert? Bei seinem ersten Alleingang haben Clear und Sam ihn gefoltert und vergewaltigt und beim zweiten Mal ist er sogar gestorben. Was soll denn noch passieren, bis er endlich kapiert, dass er nicht immer alles im Alleingang regeln sollte?“ „Ach L, Beyond hat es eben nie anders gelernt. Außer seiner Adoptivschwester hatte er damals niemanden und deshalb versucht er auch immer alles alleine zu lösen. Und es lag ja auch ein Stück weit daran, weil er Angst davor hatte, wieder in seine andere Seite zu verfallen. Aber das ist ja jetzt vorbei, seit er Anja begegnet ist und mit ihr Frieden geschlossen hat. Ich glaube aber, dass er selber noch eine Zeit braucht, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er keine Angst mehr vor einem weiteren Rückfall haben muss. Ihr zwei müsst echt mal eine Paartherapie machen… Echt, ihr seid das einzige Paar hier, das so viele Probleme hat. Rumiko und Jamie sind ein Herz und eine Seele und die würden sich wahrscheinlich nie streiten. Und was Oliver und mich betrifft, so haben wir auch mal unsere kleinen Neckereien, aber das war es auch schon. Naja, die Liebe ist eben nicht immer einfach.“ L verzog ein wenig mürrisch die Miene und sagte nichts dazu. Schließlich wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu und unterstützten Oliver bei der Überwachung der Monitore. Und tatsächlich sahen sie auf einigen alten Aufnahmen Sam Leens die Straße entlanggehen. L zog die Augenbrauen zusammen und vergrößerte die Aufnahme. Tatsächlich, es war eindeutig Sam Leens. Unglaublich, dass er wirklich noch lebte. Aber wie konnte sich Beyond denn geirrt haben? Er hatte doch eindeutig gesehen gehabt, dass Sam auch keine Lebenszeit mehr hatte. Sein Name war ja sowieso nie erkennbar gewesen, aus welchen Gründen auch immer. „Merkwürdig“, murmelte L und begann auf seiner Daumenkuppe zu kauen. „Irgendetwas muss passiert sein, als seine Leiche verschwunden ist. Von selbst wird er wohl kaum wieder aufgestanden sein. Das Beste ist, wir fragen gleich Beyond, was sein Shinigami-Augenlicht erkennt und ob irgendetwas anders ist.“ „Vielleicht war er ja doch nicht tot und Beyond hat sich geirrt“, vermutete der 26-jährige Ire, aber sogleich verwarf L diese Theorie wieder. „Das ist unmöglich. Das Shinigami-Augenlicht funktioniert immer zuverlässig und zeigt immer Name und Lebenszeit eines Menschen an. Wenn Menschen tot sind, dann sind weder Name noch Lebenszeit zu erkennen und bei Menschen wie Beyond und Rumiko, die eine Verbindung mit den Shinigami haben, von denen ist nur der Name zu erkennen. Das heißt, sie müssen entweder Besitzer eines Death Notes oder des Shinigami-Augenlichts sein. Einzig Sam bildete eine Ausnahme, weil von ihm die Lebenszeit, aber nicht der Name erkennbar war. Aus welchen Gründen auch immer. Vermutlich, weil seine Gene mit Evas gekreuzt wurden und er als Hybrid kein vollwertiger Mensch ist.“ „Hm, wenn er wirklich tot war, dann muss er tatsächlich einen künstlichen Gedankenschaltkreis haben.“ Doch da schaltete sich Andrew ein. „Das ist unmöglich. Ich habe mit James jahrelang zusammengearbeitet und mein Schaltkreis war der einzige Prototyp und er selbst hat es nicht geschafft, einen funktionstüchtigen GSK zu bauen. Und da er das Projekt geheim gehalten hat, wusste sonst niemand außer Vention davon und die hatten die Pläne nicht. Diese sind so verschlüsselt, dass keiner etwas damit anfangen kann. Nur mir ist es damals gelungen, die Pläne von L’s Mutter zu entschlüsseln und sie zu ergänzen. Ich halte es eher für unwahrscheinlich, dass es irgendjemandem gelungen ist, einen funktionstüchtigen GSK zu bauen und dann auch noch erfolgreich bei einem Menschen einzusetzen. Da Jeremiel ja eigentlich auch ein Wiedergeborener ist, denke ich eher, dass Eva ihn wiederbelebt hat. Nur frage ich mich warum. Ich meine, Jeremiel würde mich sofort töten, weil ich Zeuge des Norington Massakers war. Und mit Beyond hätte er garantiert auch nichts Gutes vor. Er tötet jeden, der ihm im Weg ist, ganz egal wer es ist. Evas Ziel ist es doch, uns alle zusammenzubringen und uns zu beschützen. Warum also holt sie dieses Monster zurück?“ „Wir müssen auch bedenken, dass Sam zum Ende hin mit Eva zusammengearbeitet hat. Immerhin hat er von seinem Plan abgelassen, Beyond zu entführen und hat stattdessen Clear erschossen und Beyond später ins Institut zu Frederica gebracht, damit sie ihm helfen konnte. Und er hat sämtliche Spuren zu den Eva-Experimenten vernichtet und mir die Kopien hinterlassen. Es kann gut möglich sein, dass Eva mit ihm einen Deal gemacht hat, damit er ihr hilft. Diese Theorie hatte ich ja bereits in Erwägung gezogen. Also kann es sein, dass sie ihn wiederbelebt hat und nun ihren Teil der Abmachung erfüllt. Fragt sich nur, was Sam von dir wollte, Andrew. Wenn er schon nicht bewaffnet gewesen war, dann schien er gar nicht die Absicht gehabt zu haben, dir etwas anzutun.“ „Darauf können wir uns auch nicht verlassen. Jeremiel ist extrem gefährlich und das weißt du auch!“ „Das schon, aber er ist nicht in der Lage, seine Mitmenschen so auszutricksen. Dazu fehlt ihm die nötige Empathie.“ Sie diskutierten noch die ganze Zeit weiter, dann kam Beyond schließlich von seinem Spaziergang zurück und sah sich sogleich die Aufnahmen an. Verwundert runzelte er die Stirn und murmelte „Das kapier ich nicht.“ „Wieso, was ist?“ „Seine Lebenszeit ist wieder sichtbar und… ich kann sogar einen Namen lesen. Und da steht eindeutig Jeremiel Lawliet. Also langsam blick ich nicht mehr so wirklich durch.“ Und auch L war da ziemlich verwundert, genauso wie der Rest. Sie rätselten noch den ganzen Tag, tauschten Theorien und Vermutungen aus und kamen auf keinen richtigen Nenner. Fast eine Woche waren sie damit beschäftigt, ganz Boston nach dem emotionslosen Serienmörder abzusuchen. Doch es schien so, als wäre er wie vom Erdboden verschluckt und es war selbst L ein Rätsel, wie sich Sam Leens nur so gut verstecken konnte. Aber dann, nachdem sich auch nach dem siebten Tag nichts ergeben hatte, klingelte es an der Haustür. Watari ging um zu öffnen, während die anderen noch im Wohnzimmer saßen und sich beratschlagten, was sie noch tun könnten. Dass jemand klingelte, störte sie nicht sonderlich und sie gingen davon aus, dass es bloß Rumiko oder Jamie war, die ja regelmäßig vorbeischauten. Aber als sie keinen der beiden grüßen hörten, da wurden L und Beyond misstrauisch und gingen hin um nachzusehen. Und den Serienmörder traf fast der Schlag, als er Sam Leens in der Tür stehen sah. Kapitel 3: Sam Leens oder Jeremiel Lawliet? ------------------------------------------- L hätte ja mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Sam Leens direkt vor der Tür stehen würde. Und anstatt, dass er mit einer Pistole auf sie zielte, hob er zum Gruß die Hand und sagte „Guten Tag. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.“ Einen Moment brauchten sie, um zu realisieren, dass da wirklich Sam Leens vor ihnen stand und einfach Guten Tag sagte, als wäre nichts. L sagte nichts und versuchte die Situation zu analysieren, doch da war auch schon Beyond da, packte wutentbrannt den Blondhaarigen am Kragen und stieß ihn gegen die Wand. „Du verdammter Mistkerl“, rief er und hob ihn schon fast von den Füßen, obwohl der emotionslose Killer genauso groß war wie er. Beyond sah wirklich danach aus, als würde er gleich in seine wahnsinnige Seite verfallen, aber glücklicherweise konnte das ja nicht mehr passieren. Trotzdem änderte es nichts daran, dass er Sam am liebsten den Hals umgedreht hätte. „Was suchst du hier? Wenn du Andy und die anderen töten willst, dann musst du erst mal an mir vorbei und ich sag dir eines: dieses Mal wirst du mir nicht so leicht davonkommen.“ Sam sah ihn mit einem nichts sagenden Blick an und hob die Augenbrauen, wodurch er einen etwas verwunderten und auch fragenden Gesichtsausdruck bekam. Aber Emotionen waren nicht wirklich darin zu lesen. Dennoch blieb es L nicht verborgen, dass etwas an den Augen anders war. Sie wirkten nicht mehr so leer wie sonst, sondern viel lebhafter. „Ich bin hier, weil ich meinen Bruder kennen lernen wollte“, erklärte er und machte keine Anstalten, sich aus Beyonds Griff zu befreien. „Und du bist Beyond, richtig?“ „Verarsch mich nicht, Sam. Auf deine Tricks fall ich ganz gewiss nicht rein, also hör auf, dich so dumm anzustellen.“ „Aber mein Name ist doch nicht Sam. Mein Name ist Jeremiel. Ich bin…“ Doch Beyond ließ ihn nicht ausreden und stieß ihn noch mal gegen die Wand, woraufhin sich der emotionslose Killer hart mit dem Hinterkopf schlug und zu Boden stürzte. Der BB-Mörder wollte gerade noch einen nachsetzen, doch da zerrte L ihn weg und rief „Hör auf damit! Das bringt uns jetzt auch nicht weiter.“ „Spinnst du jetzt völlig, L? Er hat es bis zu uns geschafft und wenn wir ihn nicht sofort einsperren, dann wird er uns alle abknallen.“ „Entschuldigung, ich wollte hier niemanden erschrecken“, kam es vom Boden her und der verhasste Killer machte nicht einmal Anstalten, sich großartig zu wehren oder seinen Angreifer zu überwältigen. Zum Zeichen, dass er unbewaffnet war, hob er die Hände und erklärte „Ich bin wirklich nur hier, weil ich meinen Bruder kennen lernen wollte. Und um es noch mal zu sagen: ich bin nicht Sam Leens. Ich hab keine Waffen bei mir und ich will auch niemandem etwas tun. Das ist die Wahrheit.“ „Sei still!“ Beyond packte ihn erneut und legte seine Hände um den Hals des Menschen, den er so sehr hasste und fürchtete, als wolle er ihn erwürgen. Blanker Hass loderte in seinen Augen und er drückte zu. „Ich werde dir niemals vergeben, was du mir angetan hast. Das zahl ich dir alles hier und jetzt zurück!“ Als L das hörte, wollte er Beyond von ihm herunterzerren, da sah er etwas Merkwürdiges, das ihn stutzig machte. Und auch der BB-Mörder war mehr als verwirrt und vergaß für einen Augenblick seine Wut, als er die Angst in diesen eisblauen Augen sah. Und das war etwas, das eigentlich vollkommen unmöglich war. Sam Leens, der emotionslose und namenlose Schrecken von Amerika hatte Angst? Zuerst dachte er, er hätte sich vielleicht geirrt, aber es war eindeutig Angst zu sehen. Und um der ganzen Verwirrung noch die Krone aufzusetzen, rief der am Boden Liegende „Nein bitte, es tut mir Leid! Ich wollte doch nichts Böses.“ Nun beruhigte sich auch Beyond wieder ein Stück weit, als er sah, wie sein verhasster wie gefürchteter Todfeind ihn angsterfüllt ansah. Wohl wissend, dass er hier vielleicht wirklich sterben könnte. Ein wenig ließ er von ihm ab, schüttelte verwirrt den Kopf und verstand die Welt nicht mehr. Was war nur mit Sam passiert? Es war doch eindeutig er, das sah man allein schon an diesen eisblauen Augen, die unverkennbar waren. Er sah genauso aus wie Sam Leens, aber dennoch verhielt er sich überhaupt nicht wie er. Und das war unbegreiflich. „Wieso?“ fragte Beyond und schüttelte wieder den Kopf. „Wieso siehst du mich so an, als hättest du Angst? Erklär mir das.“ „Na weil…“, doch der Killer mit den eisblauen Augen schien mit der Antwort zu hadern oder er schaffte es nicht, die richtigen Worte zu finden. Aber dann platzten förmlich die Worte „Na weil ich eben Angst habe!“ aus ihm heraus. „Bitte… lasst mich wenigstens alles erklären, bevor ihr mich umbringt. Ich will niemandem etwas tun und ich habe auch nicht vor, euch zu töten. Alles was ich will ist, meinen Bruder L kennen zu lernen.“ Der Detektiv beobachtete ihn genau und blieb recht neutral im Gegensatz zu Beyond. Die Bewegungen, dieser Ausdruck in den Augen, die Stimme und die Art zu sprechen. Das war einfach nicht Sam Leens. Das da war ein vollkommen anderer Mensch. Aber wie konnte das sein? Es war das Beste, wenn dies näher untersucht wurde und dass auch dafür gesorgt wurde, dass Beyond nicht vollkommen Amok lief. Also ordnete L an, dass der vermeintliche Sam Leens in den Keller gesperrt werden sollte. Ihm wurden Handschellen angelegt und der ganze Raum wurde mit Kameras überwacht. Natürlich wurde er vorher untersucht, aber außer einem Handy, wo drei anonyme Nummern eingespeichert waren, trug er nichts bei sich. Er war vollkommen unbewaffnet hergekommen und das entsprach auch nicht wirklich Sam Leens’ Art. Andrew, der nicht eine Sekunde länger in dem Haus bleiben wollte, fuhr mit Oliver nach Hause. Für ihn war es wahrscheinlich besser so, ansonsten hätte er nicht eine ruhige Minute gehabt. Zugegeben, L hätte die ganze Sache etwas anders angefangen, aber da Beyond am liebsten ein Blutbad angerichtet hätte um sich an Sam zu rächen, war ihm quasi keine andere Wahl geblieben. Während Beyond erst mal etwas von seinen Beruhigungsmitteln einnahm um wieder runterzukommen, wies der Detektiv Watari an, die Monitore im Auge zu behalten, während er sich mit seinem „Gefangenen“ unterhalten wollte. Dieser saß seelenruhig auf dem Bett und wirkte nicht sonderlich danach, als würde diese Maßnahme ihn sonderlich schocken. Er schien es eher gelassen hinzunehmen, aber es konnte auch ganz anders sein, da dieses Gesicht vollkommen unbewegt und ausdruckslos blieb. Als L in den Keller ging, hatte es der Gefesselte schon längst geschafft, seine Handschellen zu öffnen und anstatt einen Fluchtversuch zu unternehmen, hockte er einfach auf dem Bett und wartete geduldig. Als L hereinkam, machte er immer noch keine Anstalten zu fliehen oder ihn anzugreifen. Er wartete einfach, bis sich auch L gesetzt hatte, dann sagte er „Danke.“ „Wofür bedankst du dich?“ „Dafür, dass du nicht zugelassen hast, dass Beyond mich noch erwürgt. Ich wollte wirklich nicht für so viel Aufregung sorgen. Das tut mir aufrichtig Leid.“ L beobachtete ihn genau und war erstaunt, wie sehr sich Sam Leens verändert hatte. Er war nicht nur redseliger geworden, er hatte auch eine ganz andere Haltung. Irgendwie wirkt dieser Kerl wie eine Mischung aus Sam Leens und… ich. So verrückt das auch klang, aber das sah doch selbst ein Blinder. „Du sagst, du heißt Jeremiel Lawliet und du bist mein Bruder.“ „Ja, ich bin dein älterer Zwillingsbruder.“ „Und du kennst keinen Sam Leens?“ „Nun, ich weiß, dass ich mal er war oder dass er zumindest in diesem Körper gelebt hat. Das Ganze ist etwas kompliziert und schwer zu glauben. Sam ist erschossen worden und danach wachte ich gänzlich ohne Erinnerungen in diesem Körper auf. Alles was ich wusste war, dass du mein Bruder bist und wie mein Name lautet.“ „Du erinnerst dich an nichts?“ Der Blondhaarige schüttelte den Kopf und knöpfte sein Hemd auf, dann zeigte er L eine noch nicht vollständig verheilte Wunde auf seiner Brust, die von einer Kugel stammte. Zwar war der Detektiv kein Mediziner, aber dieser Schuss hätte definitiv tödlich sein müssen. „Eva hat mich wiederbelebt und mich bei ihrem Bruder gelassen. Er hat sich um mich gekümmert und mir geholfen, dich zu finden. Entschuldige, dass ich einfach so unangemeldet vor der Tür stand. Mir ist erst eingefallen, dass ich mich vielleicht hätte telefonisch ankündigen sollen, als ich schon die Türklingel betätigt hatte.“ Nun, ich glaube, das hätte auch nichts geändert, dachte sich L und begann wieder auf seiner Daumenkuppe herumzukauen. Also hat Eva ihn wiederbelebt und ihn dann quasi zu mir geschickt, damit wir uns näher kennen lernen? Nun, streng genommen ist er ja tatsächlich ein wiedergeborener Teil ihrer Familie. Und… er ist mein Zwillingsbruder. „Gibt es sonst irgendetwas, woran du dich vielleicht erinnerst?“ „Leider nein. Ich weiß nur von Eva, dass ich ein fehlgeschlagenes Experiment von Dr. Joseph Brown war und dass meine… unsere Eltern auch von ihm getötet worden sind. Evas Bruder brachte mich schließlich ins Waisenhaus, um mich zu retten, da ich als missglücktes Experiment eigentlich getötet werden sollte. Und Sam Leens hat furchtbare Verbrechen begangen, das weiß ich auch. Und ehrlich gesagt hat mir das auch ziemlich zu schaffen gemacht. Ich dachte, ich wäre ein Mörder, der besser dran wäre, wenn er tot geblieben wäre. Und zu erfahren, dass ich nichts Weiteres als ein Laborprodukt bin, war auch sehr hart für mich. Deshalb kann ich auch verstehen, wenn ihr mich hasst und mir nicht vertraut. Aber dennoch wollte ich dich unbedingt kennen lernen.“ Wenn das alles wirklich nur Fassade sein sollte so wie Beyond behauptet, dann spielt er seine Rolle verdammt gut. Eigentlich schon zu gut. Das ist eindeutig nicht Sam Leens, aber wer ist dieser Mensch vor mir wirklich? Ist es etwa der wahre Jeremiel und damit mein richtiger Zwillingsbruder, so wie er unter normalen Umständen geboren worden wäre? „Wieso wolltest du mich kennen lernen?“ „Nun, zuerst hatte ich gehofft, du könntest mir sagen, wer ich bin. Aber… dann dachte ich, dass ich dich kennen lernen könnte, weil ich so vielleicht etwas mehr über das Zusammenleben mit Menschen erfahren kann. Ich verstehe leider nicht viel davon und es fällt mir auch sehr schwer, Gefühle richtig zu erkennen.“ Als L das hörte, runzelte er die Stirn. Sam… nein, Jeremiel konnte mit Gefühlen nicht viel anfangen? Das klang doch eher nach Sam Leens. Was hat das bloß zu beuten und wieso kann er sich an rein gar nichts erinnern, nicht einmal an seine Begegnung mit Beyond in Evas Welt? Das ist doch merkwürdig. L begann nachzudenken und auch Jeremiel war anzusehen, dass diese Situation nicht einfach für ihn war. Nachdenklich legte er sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, während er weiterhin in dieser hockenden Position blieb. Offenbar war das wohl seine angewohnte Haltung. „Wieso sitzt du eigentlich so?“ „Na weil ich mich so besser konzentrieren kann. Du etwa nicht?“ Er ist tatsächlich wie eine Mischung aus Sam und meiner Wenigkeit. Wieso nur ist das so? L musste sich an Fredericas Märchen erinnern. Eva hatte ihr Herz mit der Leere geteilt, um ihr Gefühle zu geben. Ich bin ihre menschliche Wiedergeburt und das heißt, dass Jeremiel deshalb eine Mischung aus mir und Sam Leens ist, weil er einen Teil von mir angenommen hat. Aber kann ich da wirklich so sicher sein? Und wie hat Eva es geschafft, ihn so zu verändern? Nun, es war vielleicht besser, wenn er einen Spezialisten bzw. eine Spezialistin hinzuzog. Hester war ja nicht nur Ärztin, sondern auch Psychologin. L erhob sich schließlich und sofort fragte Jeremiel „Was hast du jetzt eigentlich mit mir vor?“ „Ich werde eine Ärztin bitten, dich näher zu untersuchen. Versteh mich nicht falsch, aber ich kann kein Risiko eingehen. Du wirst fürs Erste im Keller bleiben. Dies geschieht unter anderem auch zu deiner eigenen Sicherheit. Du hast Beyond ja erlebt und ich kann nicht riskieren, dass die Situation zwischen euch beiden eskaliert.“ Jeremiel nickte und sagte einfach „Ich verstehe. Wenn du es für das Beste hältst, werde ich hier bleiben und deine Anweisungen befolgen. Aber… dürfte ich ein Telefonat führen?“ „Wozu?“ „Evas Bruder hat von mir verlangt, dass ich mich bei ihm melde. Und er kann etwas unangenehm werden, wenn ich ihn nicht anrufe.“ „Was heißt „unangenehm“ genau?“ „Er ist Evas böser Zwilling.“ Nun, das beantwortete L’s Frage. Er erlaubte Jeremiel einen Anruf, allerdings nur unter der Bedingung, dass der Hörer auf laut gestellt wurde. Also wählte Jeremiel die erste Nummer, doch da keiner ranging, wählte er die zweite. Es dauerte ein wenig, aber dann meldete sich eine gut gelaunte Stimme, die in L’s Ohren ein wenig tuntig klang und sofort rief der Angerufene „Hey Engelchen! Was gibt es denn, steckst du gerade in Schwierigkeiten?“ Jeremiel blickte kurz zu L herüber, dessen Blick ihn zu durchbohren schien und antwortete „Nein, es ist alles bestens. Könntest du Bescheid sagen, dass ich mich die nächsten Tage nicht melden kann? Ihr braucht euch auch keine Sorgen zu machen. Es ist alles bestens und ich werde wieder anrufen, wenn es möglich sein sollte.“ „Okay, dann sag ich Herzchen Bescheid, dass er sich mal keine Sorgen machen sollte und du mit deinem Telefonat noch etwas warten willst. Viel Glück noch mit deinem Bruder. Wir drücken dir alle die Daumen!“ Damit war das Telefonat beendet und Jeremiel gab L das Handy zurück. „Wer war das?“ „Ein Abkömmling von Evas Bruder. Er fungiert als rechte Hand und Berater und hat sich auch um mich gekümmert, als ich noch nicht ganz auf der Höhe war. Da ich schon mal Bescheid gesagt habe, dass ich die nächste Zeit nicht anrufen werde, wird er zumindest nicht in Betracht ziehen, persönlich herzukommen. Das könnte sonst eventuell für Komplikationen sorgen, die ich lieber vermeiden will.“ „Und wieso versuchst du nicht einmal abzuhauen?“ „Na weil ich dich näher kennen lernen will. Du bist mein Bruder und ich weiß selbst, dass ich in meinem alten Leben als Sam Leens unverzeihliche Dinge getan habe. Deshalb bin ich auch bereit, dafür grade zu stehen. Und ich will es nicht noch schlimmer machen, als es schon ist.“ L betrachtete ihn noch eine Weile nachdenklich und ließ sich das alles durch den Kopf gehen. Schon merkwürdig, dachte er sich. Er macht keinerlei Anstalten abzuhauen, obwohl er die Chance dazu hätte. Stattdessen bleibt er sogar freiwillig hier unten im Keller und sorgt sogar noch dafür, dass Evas Bruder keinen Ärger macht. Konnte es wirklich sein, dass er jetzt der Jeremiel war, der er eigentlich sein sollte? „Kannst du dich auch nicht daran erinnern, wie du Beyond in Evas Welt geholfen hast?“ Mit einem immer noch ausdruckslosen Gesicht schüttelte der Blondhaarige den Kopf und erklärte „Leider nein. Ich weiß zwar, was alles passiert ist, aber persönliche Erinnerungen habe ich keine.“ Soso, dann erinnerte er sich also wirklich an überhaupt nichts. Nun, es war besser, wenn er das Ganze näher untersuchen ließ. Er ließ Jeremiel daraufhin erst mal alleine und kehrte zurück. Beyond, dessen Beruhigungsmittel inzwischen schon Wirkung zeigten, fragte direkt nach, was das „Verhör“ denn ergeben habe. „Er erinnert sich an überhaupt nichts, nicht einmal an eure Begegnung in Evas Welt. Zudem weist er einige Verhaltensmuster auf, die noch an Sam erinnern, aber manche ähneln auch meinen. Er sagte, dass Eva ihn wiederbelebt habe und dass er bei ihr und ihrem Bruder gelebt hat.“ „Und Sam Leens?“ „Nun, Jeremiel weiß zwar, dass er mal Sam Leens war, aber er gibt an, dass er sich an nichts erinnern kann. Ich werde Hester bitten, ihn näher zu untersuchen. Entweder sagt er die Wahrheit, oder aber er ist ein guter Lügner. So oder so will ich wissen, was genau dahintersteckt. Hester soll ihn komplett durchchecken und auch sein Hirn unter die Lupe nehmen. Wenn er wirklich imstande ist, Angst vor dir zu haben, dann muss auch etwas an seinem Gehirn passiert sein. Auf jeden Fall ist es immer noch derselbe Körper, darin besteht keinerlei Zweifel. Ich habe auch die Schusswunde gesehen, die Sam getötet hat. Aber so wie es aussieht, hat Eva Jeremiel seinen Körper überlassen und dieser hat keine Erinnerungen.“ Beyond sagte nichts, sondern wandte den Blick ab und sein Gesicht ließ erahnen, dass er unzufrieden war. Gerade wollte er gehen, da legte L eine Hand auf seine Schulter. „Was ist los?“ „Das fragst du noch? Du glaubst diesem Monstrum doch wohl nicht im Ernst, oder? Ich meine, es ist verdammt noch mal Sam Leens!“ „Jetzt sei mal vernünftig, Beyond. Das ist nicht mehr Sam, sondern Jeremiel. Er verhält sich völlig anders und das dürfte doch selbst dir nicht entgangen sein. Du hast doch die Angst in seinen Augen gesehen.“ „Mag ja vielleicht sein, aber allein wenn ich ihn sehe kommt alles wieder hoch! Die Angst und die Erinnerungen an diese verdammten Horrorstunden mit ihm und Clear. Selbst wenn er seine Erinnerungen verloren haben sollte, so ist er immer noch Sam Leens. Und das werde ich dir beweisen damit du endlich kapierst, dass man ihm nicht trauen kann.“ Damit verschwand Beyond und L fragte sich, was der Kerl denn nun wieder vorhatte. Seine Frage wurde schnell beantwortet, als Beyond mit einer Pistole zurückkam. Als er das sah, weiteten sich seine Augen und sofort ergriff er den Arm des Serienmörders. „Das kann doch wohl jetzt nicht dein Ernst sein, oder? Willst du ihn etwa erschießen?“ „Keine Sorge, da sind nur rote Farbpatronen drin. Die hab ich von Oliver. Ich will ihn auf die Probe stellen. Sam ist ein Meisterschütze und wenn dieser Kerl da genauso gut schießen kann und mich sofort abzuknallen versucht, dann hast du den endgültigen Beweis. L, er ist ein Monster und wird auch immer eines bleiben. Du willst es nur einfach nicht wahrhaben, das ist alles.“ Damit wollte Beyond gehen, doch L spürte, wie sich die Wut in seinem Inneren aufstaute und er hätte ihm am allerliebsten so richtig den Kopf gewaschen. „Ich bin eben vorsichtig mit meinem Urteil, wann Menschen Monster sind und wann nicht. Dich haben sie doch auch immer ein Monster genannt, obwohl du nichts dafür konntest. Habe ich dich deswegen je verstoßen? Nein, ich habe dir eine Chance gegeben, weil ich wusste, dass du einen guten Kern in dir hast und nichts dafür kannst, dass du dieses andere Ich in dir hattest. Und ebenso wenig konnte Jeremiel je etwas dafür, dass er zu Sam Leens wurde. Mag sein, dass er grausame Verbrechen begangen hat und dass er dafür die Todesstrafe verdient, aber du vergisst dabei eines: er hat es sich genauso wenig ausgesucht wie du. Wenn Joseph Brown ihn nicht für Forschungszwecke benutzt hätte, dann hätte er diesen Hirnschaden nicht gehabt und hätte normal aufwachsen können. Genauso wie du normal hättest leben können, wenn du die Shinigami-Augen und diese dunkle Seite in dir drin nicht hättest.“ „Willst du ihn jetzt etwa in Schutz nehmen?“ „Nein, aber ich berücksichtige nun mal auch die Möglichkeit, dass der Mann, den wir im Keller eingesperrt haben, wahrscheinlich gar nicht Sam Leens ist, sondern eine ganz andere Person. Und in dem Fall dürfen wir ihn nicht für Sams Taten verurteilen.“ „Wieso willst du ihm denn eine Chance geben?“ „Weil er mein Bruder ist!“ Nun war auch L laut geworden und so etwas war ihm bis dato fast nie passiert. Er hatte immer seinen ruhigen Ton bewahren können, aber diese Auseinandersetzung mit Beyond war endgültig zu viel gewesen. Und es war nun mal Tatsache, dass ihm das alles schon zu schaffen machte. Natürlich hasste er Sam Leens für das, was er Beyond und Andrew angetan hatte, aber er konnte doch nicht Jeremiel für das verurteilen, was er nicht begangen hatte. Streng genommen war das ja nicht seine Schuld, dass er so gewesen war. Beyond sah ihn mit einem schwer definierbaren Blick an. Es zeigte Enttäuschung, Wut und Fassungslosigkeit. „Ich kann das echt nicht glauben. Wir beide sind seit Monaten zusammen und haben schon so viel gemeinsam durchgestanden. Und jetzt auf einmal ziehst du dieses Monster mir vor und ignorierst einfach, was er mir angetan hat? Weißt du was, L? DU KANNST MICH MAL!“ Und damit stieß Beyond ihn von sich, woraufhin L stürzte und zu Boden fiel. Der Serienmörder würdigte ihn nicht eines Blickes und ging davon. Kapitel 4: Verhärtete Fronten ----------------------------- Jeremiel saß schweigend auf seinem Bett, hatte die Beine angezogen und sie umschlungen, um sich klein zu machen. Sein Gesichtsausdruck war immer noch so starr und nichts sagend, wohingegen seine Augen eine Spur von Kummer zeigten. Als die Tür sich öffnete, hob er den Kopf und hoffte insgeheim, dass es vielleicht L sein könnte, doch es war Beyond und als er die Pistole sah, da wurde er etwas blasser. Der Serienmörder drückte ihm die Pistole in die Hand und zerrte ihn mit sich. „Was… was hast du…“ „Mitkommen!“ Sie standen nun in dem langen Kellergang und Beyond ging mit ihm zum einen Ende hin und deutete dann auf die Wand mehrere Meter weiter weg, wo kleine Kreise mit weißer Kreide eingezeichnet worden waren. „Schieß und triff die Ringe.“ Doch Jeremiel tat es nicht, sondern wirkte vollkommen verwirrt und schien nicht zu verstehen, was das bedeuten sollte. „Und wieso soll ich…“ „Mach schon oder ich nehme gleich die Pistole und ich schieße dir ein Loch zwischen die Augen!“ „Aber die Ringe kann man unmöglich so präzise treffen!“ Jeremiel verstand das alles nicht und vor allem was das mit dieser Schießübung sollte. Was sollte das denn bringen? Doch dann packte Beyond ihn am Kragen und funkelte ihn mordlustig an. „Oder noch besser: du kannst ja auch mich abknallen, wenn du willst. Dann hast du endlich das, was du immer wolltest. Na los doch, schieß mir direkt in die Brust.“ „Nein“, protestierte Jeremiel und versuchte sich aus dem Griff zu befreien, was ihm aber nicht wirklich gelang. „Ich will niemanden töten!“ „Das kaufe ich dir aber nicht ab. Ich sehe doch, dass du schon mit dem Gedanken spielst, mich eiskalt abzuknallen. Du hast es ja schon mal gemacht und du kannst und wirst es wieder tun. Denn du bist und bleibst dasselbe Monster wie eh und je.“ Als der Blondhaarige das hörte, stieß er Beyond von sich und warf ihm die Pistole vor die Füße. „Ich bin kein Monster“, erklärte er und sah den BB-Mörder nun mit einem entschlossenen und festen Blick an. „Monster sind genau jene Menschen, die allein zu ihrem eigenen perversen Vergnügen andere Menschen töten, ohne einen ersichtlichen Grund zu haben. Wenn ich ein Monster bin, dann müsstest du auch eines sein, denn du hast drei Menschen nur deshalb umgebracht, um dich an L zu rächen.“ Hier aber loderte wieder der Zorn in Beyond und dieser nahm die Pistole und drückte sie Jeremiel gegen die Schläfe. „So, dann bin ich also ein Monster? Nun, dann werde ich auch gerne das Monster für dich spielen. Ich kann nämlich auch ganz anders und dann ist es mir herzlich egal was L dazu sagt.“ Jeremiel sagte erst nichts und sah ihn mit seinen eisblauen Augen an, die so hell waren, dass sie schon fast leuchteten. Er schien über irgendetwas nachzudenken und sagte und tat rein gar nichts. Aber dann machte er einen Schritt auf Beyond zu und… er umarmte ihn. Damit hätte der BB-Mörder jetzt überhaupt nicht gerechnet und er war so überrumpelt, dass er erst gar nicht realisierte, was dieser Kerl da mit ihm machte. Umarmt der mich jetzt gerade wirklich? Der hat sie doch nicht mehr alle! „Was zum Teufel soll das?“ „In meinem Beziehungsratgeber stand, dass eine versöhnliche Umarmung oft hilfreich ist, um Streitigkeiten beizulegen und die Gemüter zu beruhigen.“ Sofort stieß Beyond ihn wieder von sich und war so dermaßen irritiert, weil er überhaupt nicht verstand, was das jetzt sollte, dass er völlig den Faden verlor. „Fass mich ja nicht an, hörst du? Du spinnst ja wohl völlig!“ „Aber es hat doch geholfen, oder?“ „NATÜRLICH NICHT, DU SELTEN DÄMLICHER VOLLIDIOT!!! So und jetzt nimmst du diese Pistole und schießt endlich auf die verdammten Ringe, bevor ich dir die Finger einzeln abschneide und sie dir anschließend in den Hals stopfe.“ Mit unbewegter Miene nahm Jeremiel die Pistole in die Hand und begann zu zielen. Zwar verstand er noch nicht so ganz, was das für einen Sinn und Zweck haben sollte, aber es war wohl besser, Beyond nicht unnötig zu provozieren. Schließlich feuerte er mehrere Schüsse ab und Beyond sah sich in seinem Verdacht bestätigt. Jeremiel hatte alle Ringe perfekt getroffen, was für einen normalen ungeübten Menschen unmöglich gewesen wäre. Er war also immer noch Sam Leens. War ja zu erwarten gewesen. „Und? Habe ich einen getroffen?“ „Du hast sie alle erwischt. Meinen herzlichen Glückwunsch, Sam.“ Nun wandte sich Beyond ihm wieder zu und sein Gesicht hatte sich merklich verdüstert. Er wirkte schon fast bedrohlich und es hing eine unheimliche Spannung in der Luft. Nun holte der Serienmörder ein Messer aus seiner Tasche und ging damit langsam auf Jeremiel zu, der immer noch die Pistole in der Hand hielt. Dieser wich zurück und ahnte, dass es noch gleich richtig gefährlich werden könnte. So wie Beyond aussah, hatte der garantiert vor, ihn umzubringen. „Ich hab es gewusst. So leicht täuschst du mich nicht. Du magst zwar ein guter Schauspieler geworden sein, aber deine unübertrefflichen Schießkünste verraten dich dennoch, Sam. Und jetzt ist Schluss mit lustig. Bringen wir die Sache zu Ende. Einer von uns beiden wird diesen Keller nur noch als Leiche verlassen und wenn du mich nicht umbringst, dann werde ich garantiert dich umbringen. Das ist ein Versprechen.“ Damit kam Beyond mit dem Messer auf ihn zu und zuerst zielte Jeremiel mit der Pistole auf ihn, um ihn auf Abstand zu halten, doch als sich der Serienmörder davon auch nicht beeindrucken ließ, da ließ er die Pistole kurzerhand fallen und flüchtete wieder in den Raum, in den er eingesperrt worden war und schloss die Tür, dann stemmte er sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Kurz darauf versuchte Beyond, sie irgendwie zu öffnen, was ihm aber nicht so wirklich gelingen wollte. Stattdessen schlug er mit der Faust dagegen und rief „Komm raus und stell dich gefälligst. Regeln wir das ein für alle Male: du oder ich! Na los, beenden wir es endlich.“ „Nein!“ rief Jeremiel und stemmte sich weiterhin gegen die Tür. „Ich will niemandem was tun.“ „Was hält dich davon ab? Du hast doch auch nicht großartig gezögert, mich niederzuschießen, als du die Chance dazu hattest.“ „Aber ich will doch niemandem wehtun. Ich will doch nur meinen Bruder kennen lernen und wissen was es heißt, normal unter Menschen zu leben.“ Und damit hörten die Schläge gegen die Tür auf. Als Beyond diese Worte hörte, die ihn so sehr an Anjas eigene Worte erinnerten, da verlor er irgendwie seine gesamte Wut und musste einsehen, dass diese Versuche allesamt nichts mehr brachten. Selbst wenn er ihm die Pistole direkt an den Kopf halten würde, er würde nicht mehr diesen leeren und leblosen Blick vorfinden, den er so sehr an Sam gefürchtet hatte. Er würde Augen sehen, die von Furcht gezeichnet waren, während das Gesicht unbewegt blieb. Egal was er auch tat, dieser Jeremiel ließ sich einfach nicht aus der Reserve locken. Beyond wusste, dass Menschen erst dann ihr wahres Gesicht zeigten, wenn sie sich in einer lebensbedrohlichen Lage befanden und den Tod vor Augen hatten. Dann konnte man in ihren Augen erkennen, wie sie wirklich waren. Doch was hatte er in Sams oder besser gesagt Jeremiels Augen gesehen? Angst, Verwunderung und… Schuldgefühle. Alles Dinge, die nicht Sam gehörten. Aber wieso nur? Wieso war Sam einfach so fort? Beyond verstand es einfach nicht und sank neben der Tür nieder. Was war nur während dieser drei Wochen passiert, in denen sie nichts von Sams Leiche gehört hatten? Wieso nur war er mit einem Male so anders? Vorher wäre es für Beyond überhaupt kein Problem gewesen, Sam umzubringen und ihm Dinge anzutun, die für andere Menschen unvorstellbar krank und bestialisch sein mussten. Aber jetzt auf einmal war Sam menschlich geworden. Er hatte jetzt plötzlich Gefühle und hatte Angst vor ihm. Das war einfach nicht fair… Jetzt, wo er endlich die Chance hätte, Rache an Sam zu nehmen, konnte er es nicht, weil da jetzt jemand anderes in seinem Körper lebte. Was sollte er dann da bitteschön tun? Das war nicht fair. Wieso ist Sam einfach verschwunden, ohne dass ich mich für das rächen konnte, was er mir und Andy angetan hat? In diesem Moment wünschte er sich wirklich, dass er noch seine wahnsinnige Seite hätte. Dann wäre es kein Problem gewesen, ihn einfach zu töten. Aber er konnte es nicht, selbst wenn er es gewollt hätte. Er konnte nicht mehr in diese zerstörerische und monströse Seite verfallen, weil diese nicht mehr existierte. Anja hatte ihren Frieden gefunden und hatte nun keinen Grund mehr, anderen wehzutun. Warum nur musste das alles passieren? Es wäre besser gewesen, wenn dieser Mistkerl tot geblieben wäre. Ja, das wäre das Beste für alle Beteiligten gewesen. Als er Schritte hörte, schaute er auf und sah L. Na super, der hatte gerade noch gefehlt. „Was willst du L, ich…“ Doch er kam nicht dazu, weiterzusprechen, denn da packte L ihn am Kragen und zerrte ihn hoch. „Beyond, was sollte das?“ Der BB-Mörder schnaubte genervt und stieß L weg und wandte sich ab. „Lass mich in Ruhe.“ „Nein, du bleibst jetzt hier und erklärst mir, was das sollte.“ „Jetzt reg dich mal ab. Ich hab ihn ja nicht umgebracht. Ich wollte ihn nur provozieren um zu sehen, wie er reagiert. Und ich kann nur sagen: herzlichen Glückwunsch! Du hast einen echt tollen Bruder, der sich lieber freiwillig abknallen lassen würde, als mich umzubringen.“ Sein verbitterter Ton war unüberhörbar und dass er ziemlich gereizt war, ließ sich auch nur schwer übersehen. L ergriff seinen Arm und hielt ihn fest und so schnell wollte er sich dieses Mal nicht abwimmeln lassen. „Was ist nur in dich gefahren? Ich kann ja verstehen, dass du einen Groll gegen Sam hegst, aber das ist doch kein Grund, so dermaßen überzureagieren.“ „Wieso nimmst du ihn auf einmal in Schutz? Du hasst ihn doch auch für das, was er getan hat.“ „Das stimmt. Ich hasse Sam, aber Jeremiel ist nicht er. Wir müssen differenzieren!“ „Ich differenzier hier gleich mal was ganz anderes. Ich kapier echt nicht, wieso du dich auf seine Seite stellst und nicht auf meine.“ Beyond war stinkwütend aber man hörte auch, wie verletzt er war. Zwar versuchte L das irgendwie zu klären, aber so langsam beschlich ihn das Gefühl, als würde Beyond nicht mit sich reden lassen. Er war vollkommen festgefahren in seinen Ansichten und diskutieren würde da auch nicht viel bringen so wie es aussah. Dennoch blieb er ruhig und versuchte noch irgendwie was zu klären. „Ich stell mich nicht auf Sams Seite, da verstehst du was völlig falsch. Ich will ihn genauso zur Rechenschaft ziehen, aber ich will Jeremiel nicht dafür zur Verantwortung ziehen, wenn er doch unschuldig ist.“ „Er ist nicht Jeremiel, kapier das endlich. Ich hab ihn in Evas Welt kennen gelernt und da war er vollkommen anders und dieser Kerl da schießt genauso präzise wie Sam. Kaum ein Mensch bekommt das so hin. Du kannst mir keinen Hasen für einen Elefanten vormachen, L. Das da ist immer noch Sam Leens, er hat nur eine Amnesie und Gefühle, aber er ist immer noch der Alte!“ „Jetzt machst du dich langsam lächerlich. Du willst es doch nur nicht wahrhaben, oder?“ „Warum nimmst du ihn überhaupt in Schutz und verteidigst ihn auch noch?“ „Weil er mein Bruder ist und ich ihm eine Chance geben will.“ „Jetzt hör mir damit auf. 25 Jahre lang habt ihr nichts voneinander gewusst und euch nie als Brüder kennen gelernt. Und jetzt auf einmal, wo er vor deiner Tür steht und einen auf heile Welt macht, bist du so naiv und lässt dich auch noch von ihm einlullen. Das ist einfach nicht fair, L. Du stellst dich einfach so auf seine Seite obwohl du ihn überhaupt nicht kennst und mich übergehst du einfach, obwohl wir beide uns lieben und seit Monaten zusammen sind. Weißt du was? Mach doch was du willst, ich verschwinde erst mal für eine Weile. Sieh doch zu, wie du alleine klar kommst. Entscheide dich echt mal gefälligst: entweder er oder ich.“ Und damit ging Beyond und ließ L zurück. Dieser stand wie vom Donner gerührt da und konnte nicht fassen, was er da gerade gehört hatte. Hatte Beyond ihn gerade wirklich vor die Wahl gestellt? Das konnte er doch nicht wirklich ernst meinen. Also langsam wurde das echt zu viel. Irgendwie drehte der jetzt komplett durch. Vielleicht war es wirklich besser, wenn er erst einmal Abstand nahm, um sich wieder zu beruhigen. Oh Mann, manchmal konnte Beyond echt anstrengend sein. L verstand irgendwie nicht, wieso Beyond nicht einsehen wollte, dass Jeremiel eine ganz andere Person war. Aber man musste ihm auch wirklich nachsehen, dass er wirklich schlimme Dinge erlebt hatte und dass diese Traumata von dieser Zeit bei Clear und Sam noch nicht gänzlich überwunden waren. Es waren ja auch erst knapp sieben Monate her und dass er so aggressiv reagierte, war ja auch ein Stück weit verständlich. Dennoch wollte er unbedingt verhindern, dass Jeremiel etwas passierte und Beyond nicht noch irgendeine Dummheit beging. Erst einmal war es wichtig, Hester anzurufen und sie darum zu bitten, sich ein Bild von der Sache zu machen. Sie konnte mit Sicherheit Licht ins Dunkel bringen. Also wählte er gleich ihre Nummer und rief sie an. Beyond war derweil zu seiner Adoptivschwester gegangen, die es endlich geschafft hatte, dass der kleine Faith wieder seelenruhig schlief. Sie sah gleich schon, dass irgendetwas vorgefallen sein musste und wollte natürlich auch sofort wissen, was denn los war. „Sag schon Bruderherz, wo drückt der Schuh?“ „Kann ich die Nacht bei euch auf der Couch schlafen? Ich brauch gerade ein wenig Abstand von L und in Olivers Chaotenbude krieg ich sowieso die Krise. Und ich hab auch keine Lust mir anzuhören, wie der sich mit Andy vergnügt.“ „Klar doch. Wenn dich das Geschrei in der Nacht nicht stört. Aber jetzt setz dich erst mal hin. Ich bring dir gleich ein Glas Marmelade und dann erzählst du mir, was zwischen euch schon wieder vorgefallen ist.“ Damit verschwand die zweifache Mutter kurz in die Küche und kam mit einer Tasse Kaffee für sich und einem Glas Erdbeermarmelade für Beyond zurück. Kurz darauf wurde auch schon die Haustür geöffnet und Jamie kam mit der kleinen Eden zurück. „Hallo Ruby, ich bin wieder da!“ Gleich schon als der Lernbehinderte Beyond sah, war er überrascht, aber dennoch sehr erfreut und grüßte ihn mit einer Umarmung, nachdem er die schlafende Eden vorsichtig abgesetzt hatte. „Beyond, was machst du denn hier? Hast du wieder Ärger mit L?“ „Ist das so offensichtlich?“ „Nun, wenn einer von euch bei uns vorbeischaut, dann doch nur, wenn wieder die Hütte am Brennen ist.“ Auch wieder wahr. Da brauchte man auch kein Genie zu sein, um zu durchschauen, was los war. Nachdem die kleine Eden ins Kinderzimmer gebracht worden war, gesellte sich auch Jamie dazu. Zwar war er nicht immer in der Lage, hilfreiche Tipps zu geben, aber er hörte dennoch gerne zu, da es ihm ja auch sehr am Herzen lag, dass sein alter Sandkastenfreund glücklich war. Nun, da sie alle zusammen saßen, klärte Beyond sie über die momentane Situation auf und was es mit Sam Leens’ merkwürdigem Verhalten auf sich hatte. Auch wie sich L verhielt und wie er die ganze Sache sah. Die beiden Verheirateten hörten ihm aufmerksam zu und als er fertig mit erzählen war, da fragte Rumiko direkt „Also damit ich das richtig verstehe: Sam Leens ist Jeremiel Lawliet und damit L’s älterer Zwillingsbruder. Er wurde als Embryo während einer Operation heimlich seiner Mutter herausgenommen und für die Experimente benutzt. Und obwohl er eigentlich tot sein sollte, steht er jetzt wieder lebendig auf der Matte und nennt sich ganz anders und nicht nur das: er verhält sich ganz anders und L will ihm helfen, trotz der Vorgeschichte und du bist sauer deswegen.“ „Ja und dazu habe ich doch wohl allen Grund, nach dem, was dieser Dreckskerl mir angetan hat, oder?“ „Einen Grund hast du schon, aber das rechtfertigt noch lange nicht, was du getan hast, mein Lieber.“ Beyond sah seine Adoptivschwester mit einem Blick an, der schon fast ein „Wie bitte?!“ herausschrie. Doch die Musiklehrerin blieb bei ihrer Meinung und wollte schon gerade etwas sagen, doch da funkte ganz überraschend Jamie dazwischen, was man von ihm gar nicht erwartet hätte. „Beyond, du bist nicht sehr gerecht, weißt du? Stell dir doch mal vor, du wärst ein ganz böser Mensch gewesen und hättest dann dein Gedächtnis verloren, woraufhin du zu einem guten Menschen werden würdest. Wie würdest du dich fühlen, wenn man dich genauso mies behandelt? Und außerdem ist es doch ganz normal, dass L Jeremiel eine Chance geben will. Immerhin ist das doch sein Bruder. L hat doch keine Familie mehr. Seine Eltern sind tot und Frederica auch. Deshalb verstehe ich auch, warum er seinen Bruder kennen lernen will. Er macht das ja nicht, weil er dir was Böses will. Du musst ihn auch verstehen, dass er Jeremiel eine Chance geben will. Immerhin hat er dir doch auch eine Chance gegeben, obwohl du ihn eigentlich erst töten wolltest.“ Es war relativ selten, dass Jamie die Worte fand, um so schlagfertige Argumente mit recht einfach gewählten Worten auf den Tisch zu bringen. Er verstand ja auch nicht immer alles, weil er aufgrund seiner Lernbehinderung recht langsam war und sich mit komplizierten Dingen sehr schwer tat. Aber bei solchen Sachen hatte er es doch geschafft und selbst Rumiko war erstaunt. „Mensch Schatz, da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Nun Beyond, da hast du deine Antwort. Ich sag es dir auch noch mal mit meinen Worten: versuch doch auch mal an L zu denken und nicht immer nur an dich. Und wie Jamie schon sagte: es wäre auch nicht sonderlich fair, dich lynchen zu wollen, wenn du so wie Sam gewesen wärst und dann ohne Gedächtnis aufwachst und ein völlig anderer Mensch bist. Ich meine, L hat doch auch versucht, dir Verständnis entgegenzubringen und dir zu helfen, obwohl du versucht hast, ihn zu töten. Also wärst du eigentlich der Letzte, der ihm verbieten dürfte, seinem Bruder zu helfen. Das heißt aber nicht, dass du nicht das Recht haben darfst, wütend zu sein. Das ist vollkommen verständlich und wenn es nach mir ginge, dann würde ich diesem Sam auch die Flötentöne beibringen. Aber wenn es nun mal nicht er, sondern Jeremiel ist, dann dürfen wir ihn nicht verurteilen. Eva wird sich schon was dabei gedacht haben, als sie Jeremiel und nicht Sam zurückgeholt hat. Ich mach dir einen Vorschlag: schlaf erst mal eine Nacht darüber und komm zur Ruhe. Dann sprichst du morgen mit L vernünftig darüber und versuchst auch, ihm etwas mehr Verständnis entgegenzubringen.“ Beyond aß ein wenig von der Marmelade und ließ sich Jamies und Rumikos Worte durch den Kopf gehen. Nun, jetzt da er sich wieder etwas beruhigt hatte, musste er ja zugeben, dass er vielleicht überreagiert hatte. Wenn man es aus L’s Sicht betrachtete, stimmte das ja. Er wollte seinem Bruder helfen und das konnte man ihm ja nicht verübeln. Und sie hat ja auch Recht. Ich bin der Letzte hier, der L Vorwürfe machen sollte. Immerhin habe ich ja auch Menschen umgebracht und er ist dennoch mit mir zusammen, weil er mich als Beyond Birthday liebt und auch nicht den BB-Mörder in mir sieht. Und wahrscheinlich verhält es sich mit seinem Bruder ja auch nicht anders. Er sieht ihn als Jeremiel und nicht als Sam Leens an. „Ich hätte ihn echt nicht vor die Wahl stellen dürfen.“ „Wie bitte?“ rief Rumiko als sie das hörte. „Du hast ihm gesagt, er soll sich zwischen dir und seinem Bruder entscheiden?“ Beyond wandte den Blick ab und murmelte kleinlaut „Ja…“ Und da sprang die Halbjapanerin auf, ging zu ihm hin, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn so kräftig durch, dass Beyond beinahe noch den Halt verlor. „Du verdammter Hornochse!!! Wie kann jemand mit einem so hohen IQ sich nur so dermaßen blöd anstellen? Menschenskinder du Blödmöhre! Wie kannst du nur so etwas von L verlangen? Ich sag dir eines: schwing deinen Arsch gefälligst nach drüben hin und entschuldige dich sofort bei ihm oder ich werde dir die Ohren so lang ziehen, dass du in Australien eine Fliege pupsen hören kannst!“ Rumiko war so laut geworden, dass kurz darauf Geschrei im Kinderzimmer zu hören war. Jamie erhob sich und ging hin, um sich um die Zwillinge zu kümmern, während seine Frau noch dabei war, Beyond die Leviten zu lesen. Und die blies ihm noch richtig heftig den Marsch, dass er gar nicht mehr wusste wie ihm geschah. Kapitel 5: Ein Gespräch unter Brüdern ------------------------------------- Da sich die Untersuchung bei L zuhause etwas schwierig gestaltet hätte, wurde Jeremiel ins Krankenhaus gebracht, wo Hester ihn gründlich untersuchte. Angefangen von psychologischen Gesprächen bis hin zur medizinischen Untersuchung. Sie prüfte ihn auf Herz und Nieren und schickte ihn schließlich ins CT. Nachdem sie die Auswertungen hatte, setzte sie sich mit L ins Büro, um mit ihm über die Ergebnisse zu sprechen. Sogleich fragte er „Wo ist Jeremiel?“ „In Dr. Creeds Büro. Dort ist er gerade dabei, eine 14-fach kodierte Himitsu Bako zu knacken. Und wenn er damit fertig ist, kriegt er von mir ein Kryptex mit. Der wird erst mal eine Weile beschäftigt sein. Also, ich hab mir die CT-Auswertungen mal genauer angesehen, da du mir gesagt hast, er leide unter einem Defekt im Limbischen System.“ „Und hast du was finden können?“ „Nein und genau das ist ja das Verrückte: ich habe keinerlei Anormalitäten gefunden. Sein Gehirn unterscheidet sich nicht großartig von dem eines gesunden Menschen und sein IQ ist genauso hoch wie deiner. Er weist eine sehr hohe Auffassungsgabe auf und lernt auch ziemlich schnell. Ich hab ihn intensiv gesprochen und was ich feststellen konnte war, dass er zwar eine sehr hohe Intelligenz und ein erstaunliches Allgemeinwissen besitzt, allerdings ist er vollkommen unerfahren im sozialen Umgang mit anderen Menschen und hat enorme Schwierigkeiten im Verstehen, Erkennen und Ausdrücken von Gefühlen. Und er versteht auch sonst nicht viel von Sarkasmus und Ironie und Redewendungen kann er auch nicht nachvollziehen, wenn man es ihm nicht erklärt. Im Grunde ist er sogar noch schlimmer als du. Auf mich wirkte er offen, sehr kooperativ, ruhig und eher friedfertig. Er gibt an, unter Amnesie zu leiden und tatsächlich weisen einige Symptome darauf hin, weil er keinerlei persönliche Erinnerungen hat. Aber wenn man jetzt diese Eva-Geschichte hinzuzieht, könnte ich von folgendem Sachverhalt ausgehen: als Sam gestorben ist, verlor er seine Seele. Eva setzte daraufhin eine neue in seinen Körper, die aber keine Erinnerungen hat. Ganz einfach aus dem Grund, weil Jeremiel Lawliet selbst nie gelebt hat. Was wir da also haben ist der echte Jeremiel. Was mich aber verwundert ist, dass der angebliche Schaden im Limbischen System gar nicht vorhanden ist. Und rein medizinisch könnte so etwas unmöglich behoben werden. Ganz einfach aus dem Grund, weil es keine Möglichkeiten gibt. So etwas wäre weder durch chirurgische Eingriffe, noch mithilfe von Medikamenten behandelbar. Er weist auch keine Spuren einer Operation auf, lediglich an seiner Brust, wo die Kugel ihn getroffen hat. Und selbst diese Wunde ist viel zu schnell verheilt.“ Dann steckt also tatsächlich Eva dahinter. Sie hatte den Hirnschaden behoben, seine Wunde schneller heilen lassen und dann eine neue Seele in den Körper gepflanzt, nämlich die von Jeremiel. „Und wie schätzt du ihn ein? Könnte er eine Gefahr darstellen?“ Als die Ärztin das hörte, musste sie schmunzeln, als hätte L gerade einen Witz erzählt. „Glaub mir, der würde keiner Fliege was zuleide tun. Viel eher würde er sofort klein bei geben und sich schnellstmöglich darum bemühen, einen Weg zu finden, um es friedlich zu klären. Zwar hat er eine Amnesie, aber er scheint dennoch zu wissen, wer er vorher war bzw. wer vorher in seinem Körper gelebt hat. Und so wie er auf mich wirkt, scheint er deswegen auch Schuldgefühle zu haben. Meiner Ansicht nach strebt er sehr danach, dich näher kennen zu lernen und sich auch mit Beyond und Andrew zu versöhnen und mit ihnen gut auszukommen. Von ihm hast du also keine Gefahr zu erwarten.“ Das genügte L und er bedankte sich bei Hester für die Hilfe. Er ging ins Büro, wo sie Jeremiel gelassen hatten und dieser war mit der Himitsu Bako und dem Kryptex auch schon längst fertig. Er wartete geduldig und als Hester und Beyond hereinkamen, erhob er sich und sah sie mit diesem nichts sagenden Gesicht an. „Sind noch weitere Untersuchungen vorgesehen?“ „Nein“, antwortete Hester. „Wir sind soweit fertig. Du kannst mit L wieder gehen.“ „Dann möchte ich mich für die Hilfe bedanken, Dr. Holloway.“ Damit reichte er ihr die Hand zum Abschied, wobei ihm aber anzumerken war, dass er sich noch nicht ganz hundertprozentig sicher war, ob das auch wirklich richtig war. Ein sehr deutliches Anzeichen dafür, dass er keine Erfahrung im Umgang mit anderen Menschen hatte. Sie verabschiedeten sich von Hester und verließen das Krankenhaus. Doch anstatt direkt nach Hause zu fahren, gingen sie in ein Cafe, wo L sich direkt einen großen Eisbecher bestellte, Jeremiel hingegen brauchte eine Weile, um sich ebenfalls für einen Eisbecher zu entscheiden. Dabei bemerkte der Detektiv sofort am Gesichtsausdruck seines Zwillingsbruders, dass dieser wohl nicht genau wusste, was Eis war. Und als er es dann probierte und dann ganz verwundert bemerkte „Das ist ja kalt“, da wurde L bestätigt. „Hast du noch nie Eis gegessen?“ Unsicher zuckte der Blondhaarige mit den Achseln. „Keine Ahnung. Aber da ich in meinem Leben als Sam Leens auch kein Schmerzempfinden hatte und deshalb weder Hitze noch Kälte wahrnehmen konnte, ist vieles noch sehr neu für mich. Auch wusste ich nicht, wie Zucker oder Salz schmeckt. Ich vermute, dass die Hirnschäden sich nicht bloß auf das Limbische System beschränkt haben, sondern auch andere Areale betroffen waren. Und das hat Eva ebenfalls ausgeglichen.“ Jeremiel begann nun sein Eis zu essen, wobei er aber ein wenig zu schnell aß und dann ein Auge zukniff und eine Hand dagegen presste. „Au, das tut weh.“ „Da sollte man schon aufpassen. Wenn man zu schnell zu viel Eis isst, kann man Kältekopfschmerzen oder umgangssprachlich Hirnfrost bekommen. Das lässt aber schnell wieder nach.“ „Und warum essen die Leute das dann, wenn sie davon Kopfschmerzen bekommen können?“ „Weil es eben schmeckt und besonders im Sommer gut tut, wenn es heiß ist.“ L beobachtete ihn die ganze Zeit über genau und erkannte recht schnell, dass Hesters Diagnose den Nagel wirklich auf den Kopf traf. Jeremiel hätte jetzt eigentlich die besten Fluchtmöglichkeiten, doch er blieb. Selbst auf das Risiko hin, wieder zu Beyond zurückkehren zu müssen. Und auch sonst machte er einen ganz friedfertigen Eindruck. „Hast du sonst irgendwelche Fragen?“ „Ja. Ich möchte gerne mehr über dich wissen. Was waren unsere Eltern denn für Menschen und was hast du gemacht, als sie gestorben sind?“ „Nun, unsere Mutter Nastasja kam ursprünglich aus Russland. Sie war Humanbiologin und hat an dem künstlichen Gedankenschaltkreis geforscht. An viel kann ich mich leider selber nicht erinnern, weil sie gestorben ist, als ich erst fünf war. Sie war zwar viel beschäftigt, aber sie war auch eine sehr liebevolle Mutter. Aber sie konnte auch ein wenig eigen sein, wenn sie wollte. Watari meinte, dass meine Sitzhaltung und mein Charakter eher von ihr kommen. Also kommst auch du nach ihr. Mein Aussehen habe ich aber von meinem Vater Henry. Er war Physiker und war ein etwas ruhiger Mensch. Während unsere Mutter manchmal sehr temperamentvoll sein konnte, war er eher der ruhigere Pol. Und dann gab es noch Frederica.“ „Ah! Von ihr habe ich schon gehört. Sie hat Evas Familie zusammengeführt und ist gestorben.“ L nickte und wieder musste er an den Anblick ihrer Leiche denken. Wie abgemagert und elend sie ausgesehen hatte… „Ja, sie war für mich wie eine große Schwester. Wenn ich Kummer hatte, weil unsere Eltern arbeiten waren, da hat sie mich oft getröstet und mir Geschichten von Evas Familie erzählt. Als Mutter und Vater getötet wurden, brachte Dr. Joseph Brown Frederica ins Institut und unterzog sie unzähligen Experimenten. Bevor Mutter starb, gab sie mich in Wataris Obhut und er verließ zusammen mit mir England. Sie wollte, dass er mich versteckt, damit ich vor Dr. Brown in Sicherheit bin und er keine Möglichkeit hat, auch mich zu töten. Von da an hat Watari meine Ausbildung übernommen und ich löse schon schwierige und anspruchsvolle Kriminalfälle seit ich acht Jahre alt bin.“ Jeremiel betrachtete ihn und nickte zwischendurch. Und wenn man genau hinsah, da sah man auch die Bewunderung und Anerkennung für seinen Bruder. „Und den Kira-Fall hast du auch gelöst.“ „Ja ganz Recht. Daran erinnerst du dich?“ „Es ist keine persönliche Erinnerung, deshalb weiß ich das auch. Ich weiß auch, dass du und Beyond ein Paar seid.“ Als L das hörte, blickte er ihn mit geweiteten Augen an und war erstaunt, dass Jeremiel das wusste. Dieser legte sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und beobachtete seinen jüngeren Zwillingsbruder genau, als versuche er genau zu erkennen, was dieser wohl gerade fühlte. „Ach echt?“ fragte L schließlich, wobei er nicht verhindern konnte, dass er ein wenig rot im Gesicht wurde. Sein Bruder nickte und erklärte „Ja. Ehrlich gesagt fand ich es zuerst ein wenig seltsam, dass zwei Männer zusammen sind, da ich immer der Ansicht war, dass Sex allein zu Fortpflanzungszwecken dient. Aber seit ich mich mehr mit zwischenmenschlicher Beziehung auseinandergesetzt habe, verstehe ich auch, dass es ebenfalls ganz normal ist, wenn sich zwei Menschen lieben, auch wenn sie beide das gleiche Geschlecht haben. Deshalb finde ich es nicht schlimm. Solange du mit ihm glücklich bist, freut es mich natürlich.“ Jeremiel lächelte, nur wirkte es ein wenig unbeholfen, als hätte er noch nicht sonderlich viel Erfahrung darin. Aber dennoch wirkte es sehr ehrlich und man musste ihm einfach glauben, dass er sich für seinen jüngeren Zwillingsbruder freute. Aber dann schwand dieses Lächeln wieder und Jeremiels eisblaue Augen wirkten ein wenig traurig. „Ich weiß, dass ich als Sam Leens Dinge getan habe, die wirklich unverzeihlich sind und es tut mir auch aufrichtig Leid, was ich Beyond und Andrew und all den anderen Menschen angetan habe. Hätte ich die Macht dazu, dann würde ich das alles rückgängig machen und manchmal habe ich mir einfach gedacht, dass es besser gewesen wäre, wenn ich niemals existiert hätte. Ich meine, es wusste doch sowieso kaum ein Mensch von mir. Weder du, noch unsere Eltern. Lediglich Eva und ihr Bruder sowie Dr. Joseph Brown und sein Sohn wussten von mir, aber… in meinem letzten Leben habe ich nichts als Leid verursacht. Deshalb mache ich Beyond keinen Vorwurf, dass er mich umbringen wollte. Aber dennoch hoffe ich, dass sich eines Tages vielleicht ein Weg findet, dass er mir verzeihen kann.“ „Das warst doch nicht du, sondern Sam Leens. Ihr zwei seid vollkommen verschiedene Personen und du kannst nichts dafür, was er getan hat. Zumindest ist das meine Ansicht. Auch Hester sagte, dass du nicht Sam bist und von dir keine Gefahr zu befürchten ist. Deshalb besteht für mich auch kein Grund, dich für Sams Taten zur Verantwortung zu ziehen. Das würde ich tun, wenn er zurückkehren würde. Aber das ist so gut wie ausgeschlossen, weil er tot ist und du jetzt in diesem Körper lebst. Ich bedaure auch sehr, dass das mit Beyond beinahe eskaliert wäre.“ „Und was ist mit dir? Was hast du mit mir jetzt vor?“ „Nun, ich würde dich gerne noch eine Zeit lang im Auge behalten. Allerdings muss ich da noch so einiges mit Beyond klären. Er war nämlich alles andere als begeistert und wir haben uns auch ziemlich gestritten.“ Nun regte sich eindeutig etwas in Jeremiels Gesicht. Er sah seinen Bruder schon fast mit einem mitleidigen Blick an und dass er ein schlechtes Gewissen hatte, ließ sich nur schwer übersehen. „Das ist allein meine Schuld, dass du dich mit ihm gestritten hast. Vielleicht sollte ich mit ihm reden und die Dinge richtig stellen.“ Diese Idee redete L ihm schnell wieder aus. Zwar war das wirklich nett gemeint, aber er fürchtete wirklich noch, dass Beyond noch kurzen Prozess machen würde. Und solch eine Eskalation wollte er lieber verhindern. „Lass das lieber, das wäre keine sonderlich gute Idee. Er ist ja sowieso erst mal bei seiner Adoptivschwester, die wird ihm auch noch mal ein paar Takte sagen.“ „Aber kann ich denn nichts tun? Immerhin ist es doch erst wegen mir zu diesem Streit gekommen und ich möchte auch nicht, dass wegen mir die Beziehung zerbricht.“ „Ach glaub mir, wir haben schon Schlimmeres erlebt. Ich hab zum Beispiel gedacht gehabt, Beyond hätte eine Affäre weil ich bis zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass er eine Adoptivschwester hatte. Und schließlich dachte ich sogar, Rumiko wäre schwanger von ihm, bis sich dann der wahre Sachverhalt aufgeklärt hat. Aber da hat Beyond auch schon angedroht gehabt, die Beziehung zu beenden, weil ich ihm nachspioniert habe. Und auch mit Andrew war das nicht einfach gewesen, weil Beyond und er damals zusammen waren und ich Sorge hatte, Beyond könnte sich wieder für ihn entscheiden. Aber auch das haben wir geschafft und Andrew ist ein guter Freund geworden. Ich denke, wenn wir dem Ganzen etwas Zeit geben, wird sich das auch mit dir regeln.“ „Da habt ihr ja schon einiges erlebt“, bemerkte Jeremiel und war erstaunt, dass die Beziehung seines Bruders so turbulent war. L konnte dem nur zustimmen und erklärte „So einfache Zankereien sind bei uns alltäglich, weil Beyond und ich eben in mancher Hinsicht sehr verschieden sind. Und wir neigen beide dazu, immer unseren Willen durchsetzen zu wollen und da sind Streitereien eben vorprogrammiert. Aber daran kann eine Beziehung auch wachsen.“ „Oder aber auch zerbrechen.“ Ach Mensch, Jeremiel verstand es aber auch wirklich, mit solchen Kommentaren die Stimmung wieder komplett zu senken und seinen jüngeren Zwillingsbruder zu entmutigen. Wieder musste der Detektiv daran denken, wie Beyond ihn vor die Wahl gestellt hatte. Das war wirklich hart gewesen und natürlich hatte er wirklich Sorge, dass Beyond dieses Mal seine Drohung wahr machte. „Vielen Dank, du machst mir echt Mut…“ „Ach echt?“ Der Blondhaarige sah ihn überrascht an, dann aber begann er langsam zu schalten und fragte „War das jetzt ironisch gemeint?“ „Ja.“ „Oh ach so. Nun, ich kann so was nicht sofort erkennen. Tut mir Leid, wenn ich dich entmutigt habe. Ich hätte wohl besser den Mund halten sollen.“ Nachdem sie ihr Eis aufgegessen hatten, verließen sie das Cafe. Draußen schien die Sonne gnadenlos auf sie herab und es war ziemlich heiß. L entging nicht, dass dies besonders Jeremiel zu schaffen machte. Er wandte sich ihm zu und fragte „Geht es dir nicht gut?“ „Ich vertrage heiße Temperaturen in Kombination mit der prallen Sonne nicht. Da bekomme ich schnell Kopfschmerzen und ich fühl mich auch nicht sonderlich gut.“ Tja, jeder hatte eben seinen persönlichen Schwachpunkt. Und bei Jeremiel schien es offenbar das heiße Sommerwetter zu sein. Also gingen sie zurück zum Wagen, der ja zum Glück eine Klimaanlage hatte. Sie fuhren zurück zum Haus und L fragte sich, ob Beyond wohl immer noch bei Rumiko war. Nun, so wie der sich aufgeregt hatte, würde er sich so schnell nicht mehr blicken lassen. Umso überraschter war er, als er den Serienmörder im Wohnzimmer bei einem Glas Marmelade auf der Couch sitzen sah und wie der sich die Hannibal Lecter Filme anschaute. „Schon wieder zurück?“ fragte der Detektiv erstaunt, als er ihn sah. Beyond wollte schon direkt etwas sagen, doch als er Jeremiel sah, da verfinsterte sich sein Blick ein wenig. Er war immer noch sauer, das sah man ihm direkt an. „Rumiko hat mich hochkant vor die Tür gesetzt und mir den Marsch geblasen. Können wir zwei reden und zwar ohne den da?“ Die letzten Worte klangen recht abfällig, aber das störte Jeremiel nicht weiter. Er entschied sich, Watari ein wenig Gesellschaft zu leisten, damit L und Beyond in Ruhe reden konnten. Der Detektiv mit den Pandaaugen setzte sich zu Beyond hin und nahm seine übliche Sitzhaltung dabei ein. „Und?“ fragte L schließlich, da dieses Schweigen zwischen ihnen beiden langsam unangenehm wurde. „Was hat das Gespräch mit Rumiko ergeben?“ „Nun, es war eher Jamie, der mir ein paar Takte gesagt hat. Also ich gebe zu, dass ich überreagiert habe und dass ich sagte, du sollst dich zwischen mir und deinem Bruder entscheiden, war auch nicht sonderlich fair von mir. Immerhin ist er dein letzter lebender Verwandter und da ist es nun mal verständlich, dass du ihn kennen lernen willst. Wahrscheinlich würde ich auch das Gleiche tun, wenn er mein Bruder wäre. Und es mag ja sein, dass es auch nicht fair ist, ihn für Sam Leens’ Verbrechen zu verurteilen, wenn er nicht Sam ist. Aber das ändert einfach nichts daran, dass mir jedes Mal die Galle hochkommt, wenn ich ihn sehe und ihn am liebsten umbringen würde. Ich hasse ihn nach wie vor und wenn ich in sein verdammtes Gesicht blicke, dann sehe ich einfach niemand anderen als Sam Leens.“ L nickte und sah, dass Beyond immer noch voller Aggressionen war. Nur wusste er leider selber gerade nicht, was er am besten dagegen tun konnte, um Beyonds Gemüt zu beruhigen. Schließlich aber fragte Beyond „Und wo warst du jetzt mit ihm?“ „Ich habe ihn von Hester gründlich untersuchen lassen. Und dabei hat die CT-Auswertung ergeben, dass er gar keinen Hirnschaden hat.“ Als Beyond das hörte, runzelte er verwundert die Stirn und fragte „Wie jetzt? Aber er hatte doch einen Schaden im Limbischen System. Das wissen wir doch alle. Da muss Hester irgendetwas übersehen haben.“ „Nein, er ist vollkommen gesund und es war auch nichts auf den Aufnahmen zu erkennen. Eva hat den Hirnschaden vollständig behoben und als Sam gestorben ist, hat sie eine neue Seele in seinen Körper eingepflanzt, nämlich die des wahren Jeremiel. Sie sagt, dass wir von ihm keine Gefahr zu befürchten hätten.“ Der BB-Mörder sagte nichts dazu und er hatte immer noch einen düsteren Blick. Dann aber seufzte er und stellte seine Marmelade beiseite. „Und was hast du jetzt mit ihm vor? Willst du ihn hier behalten?“ „Fürs Erste. Aber ob es eine dauerhafte Sache sein wird, kann ich noch nicht sagen.“ Beyond sah aus, als würde er gleich an die Decke gehen, aber er riss sich zusammen und verschränkte die Arme. „Na gut. Wenn du das so entschieden hast, nützt es ja eh nichts, wenn ich protestiere.“ „Gib ihm zumindest eine Chance. Er will sich ja bemühen, mit dir gut auszukommen.“ „Ich werde es mir überlegen.“ Nun, mehr konnte man von Beyond auch nicht wirklich erwarten. Es war ja schon ein enormer Fortschritt, dass er zumindest bereit war, Jeremiel eine Chance zu geben. „Aber wenn er es wagen sollte, Rumiko und den anderen zu nahe zu kommen und ihnen etwas anzutun, dann wird der noch wissen was es heißt, sich mit mir anzulegen. Nur damit das klar ist. Selbst wenn er einen von ihnen auch nur schief anguckt, dann ist hier wirklich Schluss mit lustig.“ Die Warnung war mehr als deutlich, aber L machte sich da keine großartigen Sorgen, dass von Jeremiels Seite aus irgendetwas zu befürchten war. Er vertraute Hesters Diagnose und auch er glaubte nicht wirklich, dass sein älterer Zwillingsbruder wirklich etwas Böses wollte. „Danke Beyond, das bedeutet mir sehr viel.“ Damit beugte sich der Detektiv zu ihm herüber und gab ihm einen Kuss. Sogleich aber ergriff der Serienmörder seine Hand und drückte ihn auf die Couch nieder. „Gern geschehen. Aber dennoch kommst du mir nicht ungeschoren davon. Ich glaube, da ist eine kleine „Entschädigung“ fällig.“ „Jetzt hier?“ „Natürlich, was hast du denn gedacht?“ „Aber was ist, wenn Jeremiel gleich hier reinkommt?“ „Na und? Ist mir doch egal. Aus der Nummer kommst du jetzt nicht mehr raus, mein Lieber. Und fang mir erst gar nicht damit an, ich sei nicht fit genug dafür. Glaub mir, ich bin fit wie ein Turnschuh und so schnell wirst du dich hier jetzt nicht aus der Affäre ziehen.“ Und so langsam dämmerte auch L, dass es keinen Sinn hatte zu protestieren. Blieb nur zu hoffen, dass Jeremiel jetzt bloß nicht einfach so ins Wohnzimmer kam und sie beide noch sah. Schön und gut, dass er über die Beziehung Bescheid wusste, aber dennoch wollte L es auch nicht unbedingt darauf anlegen, von ihm so gesehen zu werden. Kapitel 6: Fesselndes Verlangen ------------------------------- Kurzerhand hatte Beyond L den Gürtel ausgezogen und ihm damit die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, nachdem er ihm zuvor den Pullover ausgezogen hatte. Ein teuflisches Grinsen zog sich über seine Lippen und sogleich hatte er den Detektiv auf der Couch festgenagelt. „Dass du in der letzten Zeit immer die Arbeit übernommen hast, war ja ganz heiß gewesen, aber so allmählich fehlen mir unsere kleinen Fesselspielchen. Dir nicht auch?“ L schwieg, verzog aber die Miene und sah ein wenig danach aus, als würde er schmollen. Seine Wangen erröteten und er wich Beyonds Blick aus. Doch das störte den Serienmörder nicht im Geringsten. Stattdessen beugte er sich zu ihm herunter und küsste ihn. Es war ein sehr leidenschaftlicher Kuss und sogleich strich er mit seiner Hand über L’s Brust. Schließlich aber löste er sich von ihm und sah ihn nachdenklich an. „Hm… da fehlt ja noch was, oder?“ Und sogleich schnappte sich Beyond ein Tuch und verband damit L die Augen. Zufrieden grinsend betrachtete er sein „Opfer“ und nickte. „Jepp, jetzt ist es perfekt.“ „Ernsthaft Beyond, so langsam hab ich das Gefühl, du machst das mit Absicht weil du genau weißt, wie empfindlich ich dann reagiere.“ „Ach echt?“ „Jetzt versuch bloß nicht, mich zu verarschen. Das funktioniert schon längst nicht mehr. Ich kenn dich schon lange genug dafür!“ Auch wenn L rein gar nichts sehen konnte, so wusste er ganz genau, dass Beyond wieder dieses verdammte Grinsen hatte, welches ihn jedes Mal fuchsteufelswild machte. Doch sogleich verflog sein anfänglicher Ärger auch wieder, als Beyond seinen Hals zu liebkosen begann und ihn an seinen sensibelsten Punkten traf. Und durch die Tatsache, dass er rein gar nichts sehen konnte, nahm er alles viel intensiver wahr und sogleich spürte er, wie Beyonds Zunge seine Brustwarzen umspielte. L presste die Zähne zusammen, um irgendwie seine Stimme zurückzuhalten, doch so einfach war das leider nicht. Insbesondere weil Beyond nur noch direkter vorging und es regelrecht darauf anlegte, vom Meisterdetektiv ein paar süße Töne zu hören. Eine Weile ging das ja noch ganz gut, bis Beyond dann sanft seine Zähne in eine besonders sensible Stelle vergrub und damit begann, L’s hart gewordene Brustwarzen zu kneten. Er bäumte sich laut stöhnend auf, als er ein elektrisierendes Kribbeln in seinem Körper spürte. Sein Herz schlug immer schneller und ihm wurde unbeschreiblich heiß zumute, während sich seine Erregung immer weiter steigerte. Wie lange war es her, dass Beyond ihn so berührt hatte? Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor. Nun, streng genommen war es schon knapp einen Monat oder vielleicht auch schon zwei her. Das letzte Mal, als Beyond ihn gefesselt hatte war, als Andrew wieder zurückgekehrt war und sich dieser Schwerenöter den Schwachsinn mit der Weinflasche hatte einfallen lassen. Danach hatten sie es ohne Fesseln gemacht. Dafür aber an den unmöglichsten Orten. Wieder musste L an den Flug nach Boston denken, die Waschmaschine und an die Küche. Großer Gott, war ihm das peinlich gewesen. Aber natürlich hatte dieser Blödmann seinen eigenen Sturschädel und nahm auch nicht sonderlich viel Rücksicht in der Hinsicht. „Ich sehe schon, dass du die Fesseln ziemlich vermisst hast. So wie du abgehst, hab ich ja echt die Sorge, dass du schon kommst, wenn ich dir nur zwischen die Beine greife.“ „Hör bloß auf damit, dir in deinem perversen Hirn irgendetwas zusammenzuspinnen.“ „Nein, mir machst du nichts vor. Die letzten Wochen hattest du ja das Ruder in die Hand genommen, jetzt wird es Zeit, dich dafür angemessen zu belohnen.“ Dieses perverse Aas macht aber auch wirklich nur sein eigenes Ding und ich muss das natürlich wie immer ausbaden. Es ist wirklich so, als wäre es nie anders gewesen… Als hätte es seinen Tod niemals gegeben. Wieder musste L an den Anblick von Beyond denken, der in seinen Armen gestorben war. Seine leeren und leblosen Augen, das viele Blut… Doch er konnte dieses Bild nicht lange aufrechterhalten, als er spürte, wie Beyond damit begann, seine Hose aufzuknöpfen und sie ihm auszuziehen. „Mein lieber Scholli, du gehst ja wirklich ziemlich ab, wenn du nichts siehst. Oder liegt es an den Fesseln? Und du schimpfst mich pervers…“ „Sei bloß still, sonst schlag ich gleich einen anderen Ton a…“ Doch da ließ sich der Serienmörder noch eine weitere Gemeinheit einfallen. Bevor L zu Ende sprechen konnte, wurde ihm auch schon ein Knebel in den Mund geschoben. „Jetzt kannst du gerne so laut stöhnen wie du willst, mein Lieber. Protestieren kannst du jedenfalls nicht mehr. Das hast du jetzt davon.“ So ein mieser… L fand nicht mal die richtigen Worte dafür, die Beyond am besten beschreiben würden. Kaum, dass der eine Gelegenheit sah, machte er auch nur das, was er wollte und schlug mal wieder gehörig über die Stränge. Am liebsten hätte L ihm eins auf seinen Dickschädel gegeben, wenn dieser Mitkerl ihm die Hände nicht auf den Rücken gefesselt hätte. So blieb ihm auch nichts anderes übrig, als klein bei zu geben und Beyond einfach sein Ding machen zu lassen. Kurzerhand hatte der BB-Mörder ihm die Hose ausgezogen und dummerweise konnte L überhaupt nichts sehen. Alles was er spürte war, wie irgendetwas um seinen Penis geschnürt wurde. Dann aber realisierte er, was Beyond gemacht hatte und versuchte zu protestieren. Er wehrte sich nach Leibeskräften, doch der Serienmörder hielt ihn fest und drückte ihn zurück auf die Couch. „Na, na Pandabärchen. Wir wollen doch lieber brav sein, oder? Du weißt, was diese kleine Maßnahme bedeutet. Ein klein wenig sollst du schon leiden, findest du nicht auch?“ Wie bitte? Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, oder? Ich glaub ich spinne, der dreht jetzt völlig durch. Hey, nimm mir sofort das verdammte Ding wieder ab! Als L genau das sagen wollte, brachte er nur ein unverständliches Genuschel heraus, da der Knebel ihm nicht viele Möglichkeiten ließ. Doch Beyond verstand ihn dennoch ganz gut, machte aber trotzdem keine Anstalten, seinen Anweisungen Folge zu leisten und kicherte nur schelmisch. „Du kannst mir nichts vormachen. Ich weiß doch, dass dich das total anmacht.“ Leg mir ja keine Worte in den Mund! „Da spricht doch nur der Stolz aus dir, das ist alles. Aber dagegen werde ich auch schon was unternehmen.“ Beyond fuhr mit seiner Zunge über L’s bestes Stück und genoss es regelrecht, ihn so zu sehen. Der Detektiv war nicht imstande, seine fast schon schmerzhafte Erregung vor Beyond zu verbergen und durch den Knebel bekam er nicht gerade viel Luft. Er legte den Kopf auf die Lehne und sogleich spürte er etwas Warmes und Flüssiges auf seiner Haut, das irgendwie etwas seltsam roch… so süßlich. Was zum Teufel hatte Beyond denn jetzt wieder mit ihm vor und was war das für ein Zeug? Irgendwie war ihm so, als würde ihm immer heißer werden, je mehr er von dem Geruch einatmete. Das Blut rauschte nun kräftiger durch seine Adern und ihm war schon fast schwindelig. „Bevor du fragst: das ist ein kleines Geschenk von Rumiko.“ Ach so, dann hat sie ihm schon wieder irgendwas in die Hand gedrückt, damit er seine Spielchen mit mir spielen kann. War ja mal wieder typisch für sie. Ständig drehte sie ihm irgendetwas an. Als ob es nicht schon genug war, dass sie jetzt selbst Yaoi-Mangas zeichnete, sie kam noch mit irgendwelchen Mitteln und Sexbüchern an, um ihrem Bruder noch mehr Flausen in den Kopf zu setzen. Warum nur konnte Rumiko nicht halbwegs vernünftig sein? Streng genommen war der einzig Normale in dieser Familie Watari… Oliver war der Chaot und Sonnenschein vom Dienst, Andrew war nach wie vor noch in manchen Sachen ein Angsthase, Jamie war die Realversion von Forrest Gump und Jeremiel war als Neuzuwachs auch nicht das, was man als normal bezeichnen konnte. Manchmal habe ich echt das Gefühl, von Durchgeknallten umgeben zu sein… Als Beyond einen Finger einführte und L mit einem Male eine atemberaubende Hitze in seinem Körper spürte, die ihn völlig benebelte, da bäumte er sich laut stöhnend auf und bebte am ganzen Körper. Es war so unbeschreiblich intensiv und auch dieser seltsame Duft machte ihn ganz verrückt. Ihm war schwindelig und er war wie von Sinnen. Sein Kopf war mit einem Male vollkommen leer und es existierte nur noch dieses atemberaubende Gefühl. Er wurde vollständig davon beherrscht und wollte mehr. Sein ganzer Körper hungerte nach mehr und das blieb Beyond natürlich nicht verborgen. Dieser nahm noch einen zweiten Finger hinzu und berührte sogleich eine besonders sensible Stelle. Nach mehreren Monaten Beziehung kannte er L’s Körper sehr genau und wusste, wo er seine empfindlichsten Punkte hatte. Und mit Genugtuung beobachtete er, wie sein „Opfer“ es kaum noch aushalten konnte. Doch so einfach wollte er es L nicht machen. Der sollte schön darum betteln. Also nahm Beyond ihm den Knebel aus dem Mund und fragte „Na? Willst du mehr?“ L presste die Lippen und sagte nichts. Ein kleiner Rest Stolz war ihm noch geblieben und weigerte sich hartnäckig, sich ihm einfach so unterzuordnen und bedingungslos nach seiner Pfeife zu tanzen. Doch er spürte selber, dass sein Körper ihm nicht gehorchte. Es war nicht mehr zum Aushalten und ihm war, als wäre er in diesem Moment auf einem kalten Entzug und wenn er nicht schnell seine Droge bekam, würde er noch durchdrehen. Und so kam dieses „Ja… bitte…“ einfach so über seine Lippen, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Und anstatt, dass sich Beyond damit zufrieden gab, fragte er noch weiter „Was genau willst du?“ Oh wie gerne hätte L ihm dafür eine reingehauen… Das war alles so peinlich für ihn und er wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als seinen Stolz runterzuschlucken und Beyond das zu sagen, was er hören wollte. „Ich… ich will dich spüren… in… in mir…“ Am liebsten hätte er sich die Zunge durchgebissen. Doch da küsste Beyond ihn zärtlich und sagte „So ist es brav. Und zur Belohnung werde ich dir jetzt genau das geben, was du willst.“ Und damit zog er seine Finger wieder vorsichtig heraus und kurz darauf spürte L ein erneutes Eindringen. Dieses Mal aber viel stärker und eine unbeschreibliche Hitze erfüllte sein Innerstes. Er vergaß völlig, dass er keinen Knebel mehr im Mund hatte und schaffte es nicht, seine Stimme zu unterdrücken, wodurch er so laut stöhnte, dass er einen Moment später fürchtete, es könnte im ganzen Haus zu hören sein. Und sogleich begann sich der Serienmörder in Bewegung zu setzen. Obwohl ihr letztes Mal erst ein paar Tage zurücklag, fühlte es sich dennoch ganz anders an. Es war viel intensiver, wilder und leidenschaftlicher. Womöglich weil Beyond wieder die vollständige Kontrolle über ihn hatte und L geschickt dazu brachte, sich seinem Willen unterzuordnen? Nun, ausgeschlossen war es nicht. Bei ihren letzten Malen, seit Beyond wieder fit genug war, hatte er die ganze Arbeit übernommen um zu verhindern, dass sich Beyond zu sehr überanstrengte und schlimmstenfalls seine Verletzungen wieder aufreißen könnten. Und jetzt spürte er umso mehr, wie sehr es ihm gefehlt hatte, dass er Beyond die volle Kontrolle geben konnte. Eine unbeschreibliche Welle der Lust durchströmte seinen Körper und er spürte, wie Beyonds Stöße stärker und schneller wurden und er immer tiefer eindrang. Der Serienmörder beugte sich zu ihm herunter und küsste ihn leidenschaftlich und begann mit seiner Zunge zu spielen. Völlig willenlos erwiderte L diesen Kuss und verspürte dieses brennende Verlangen, Beyond in den Arm zu schließen, ihn fest an sich zu drücken und seinen Herzschlag zu spüren. Aber das war der Nachteil, wenn man gefesselt war. Doch dafür hörte er Beyonds schweren Atem und wie auch er von seinem eigenen wilden und ungezügelten Verlangen beherrscht wurde und von einer unbändigen Leidenschaft erfüllt war. Sie beide näherten sich langsam ihrem Limit und L spürte, wie es schon fast schmerzhaft wurde. Und das Schlimme war, dass er mit diesem verdammten Ding, was Beyond ihn umgeschnürt hatte, einfach nicht kommen konnte. „Beyond, bitte nimm es ab…“ Doch der BB-Mörder machte keinerlei Anstalten. Stattdessen beugte er sich zu L herunter und fuhr mit seiner Zunge über dessen Ohr. „Nein, ein klein wenig sollst du noch schon zappeln.“ „Da… dafür bring ich dich…“ Doch Beyond nahm diese Worte nicht sonderlich ernst und vergrub sanft seine Zähne in L’s Ohrläppchen. Für den gefesselten Detektiv wurde es langsam unerträglich. Es fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren und es steigerte sich immer weiter. Auch Beyond kam langsam an seine Grenzen und jetzt endlich nahm er das Band ab und in einem letzten Kraftakt bäumte er sich keuchend auf und auch L’s Körper wurde von einer atemberaubenden heißen Flut durchströmt, als sie gemeinsam ihren Höhepunkt erreichten. Keuchend legte L seinen Kopf auf die Sofalehne ab. Er war schweißgebadet und noch immer raste sein Herz wie verrückt. Nun endlich nahm Beyond ihm die Fesseln und die Augenbinde ab. Einen Moment lang blieb der Detektiv noch liegen, um Kräfte zu sammeln, dann aber stieß er Beyond von der Couch runter, woraufhin dieser auf den Boden fiel. „Hey!“ rief dieser protestierend. „Wofür war das denn?“ „Frag dich das doch selber, du Knalltüte. Dass du mal wieder mit der Fesselungsnummer ankommen musstest, war ja noch schön und gut, aber das danach war eindeutig zu viel des Guten.“ Beyond zuckte nur gleichgültig mit den Achseln und zog seine Sachen wieder an. Zumindest war er wieder guter Laune und das war doch zumindest ein Lichtblick. Nun wollte auch L wieder aufstehen, doch seine Beine fühlten sich wie Gummi an und er konnte kaum aufstehen. Sogleich fiel er wieder aufs Sofa zurück und merkte, dass ihm sämtliche Energie genommen worden war. „L, ist irgendetwas?“ „Deinetwegen kann ich jetzt nicht aufstehen. Ich bin völlig am Ende und das nur, weil du es so übertreiben musstest.“ „Wieso übertreiben? Wir hatten gerade mal nur eine Runde gehabt und normalerweise schaffst du ja auch schon deutlich mehr. Nun, es kann ja auch daran liegen, weil es dieses Mal viel intensiver war als sonst. Bleib doch erst mal liegen, bis du wieder laufen kannst.“ „Sehr witzig. Zufällig ist mein Bruder noch bei Watari…“ „Ist mir doch egal.“ L warf ihm einen giftigen Blick zu und so langsam sah auch Beyond ein, dass das vielleicht doch nicht so gut war, dass er das gesagt hatte. Also half er L hoch, nachdem dieser sich wieder angezogen hatte und brachte ihn ins Bad. Als er wieder zurückkam, traf er auf Jeremiel, der ein Tablett ins Wohnzimmer trug. „Was willst du denn?“ fragte er, woraufhin der Blondhaarige so zusammenzuckte, dass er beinahe das Tablett fallen ließ. „Watari hat Tee und Gebäck vorbereitet und ich wollte ihm ein wenig zur Hand gehen.“ Beyond beäugte ihn misstrauisch und als er wieder in dieses Gesicht sah… Sams Gesicht…, da brodelte es noch in ihm. Aber als er dann sah, wie Jeremiel lächelte und sagte „Ich hoffe du magst Orangentee“, da schwand dieses Bild von Sam Leens sofort wieder. Er folgte ihm und sogleich goss Jeremiel ihm und auch sich selbst eine Tasse Tee ein. „Ich wollte mich noch mal bei dir für die ganze Aufregung entschuldigen. Ich weiß, dass du sehr schlechte Erfahrungen mit Sam Leens gemacht hast und es tut mir auch sehr Leid, was dir angetan wurde.“ „Als ob du mich verstehen könntest…“, gab er mit verächtlicher Stimme zurück und nahm sich einen von den Keksen. Er verstand einfach nicht, wieso dieser Kerl unbedingt mit ihm reden wollte. Was sollte das denn bitteschön bringen und wieso konnte der ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Hat der nach der Sache im Keller etwa immer noch nicht gemerkt, dass ich stinksauer bin? Entweder ist er tatsächlich so blöd, oder aber er ist ziemlich leichtsinnig. „Doch“, sagte Jeremiel mit ruhiger Stimme und gab etwas Zucker in seinem Tee. „Ich weiß wie es ist, wenn man so etwas durchlebt. Mir ist das leider auch passiert.“ Hier runzelte Beyond ungläubig die Stirn und sah ihn an. Wollte der Kerl ihn etwa verarschen? Nein, der sah verdammt danach aus, als meine er es tatsächlich ernst. In dem Moment vergaß er seine Wut auf Sam und fragte mit nun nicht mehr ganz so herablassender Stimme „Was willst du damit sagen?“ Der ältere Lawliet-Zwilling atmete leise aus und erklärte „Als ich in Boston unterwegs war und nicht wusste wohin, da bin ich Andrew im Park begegnet. Und als ich von ihm erfuhr, dass ich ein Mörder sein sollte, war ich völlig durcheinander und bin ziellos umhergeirrt. Dabei bin ich einem Mann begegnet, der mich angesprochen hat. Sein Name war Norman Hayes.“ „NORMAN HAYES?“ rief Beyond entgeistert, als er das hörte. Dieser Name kam ihm mehr als nur bekannt vor. Er kannte diesen Mistkerl. Dieser hatte L angesprochen, als sie Rumikos und Jamies Jungesellenabschied in der Schwulenbar gefeiert hatten und danach hatte der Dreckskerl versucht, L in der Gasse zu vergewaltigen. Zusammen mit Rumiko hatte er ihm so dermaßen die Flötentöne beigebracht, dass der nach San Diego abgehauen war. Und nun war er wieder zurück? Nun, wenn Jeremiel diesem Typen tatsächlich begegnet war, dann war die Geschichte wohl kaum erfunden. „Wie sah er aus?“ „Groß, braun gebrannt und dunkelhaarig, außerdem trug er Goldschmuck. Er hat mich auf einen Drink eingeladen und mir heimlich Schlafmittel verabreicht. Dann hat er mich an einen Geschäftsmann verkauft und in ein Hotel gebracht. Die beiden haben mich unter Drogen gesetzt und mich fast vergewaltigt. Glücklicherweise kam Evas Bruder noch rechtzeitig und hat mich gerettet. Aber dann hat er mich schließlich dazu genötigt und es war auch ziemlich schmerzhaft. Ich kann mir leider nicht vorstellen, was du sonst noch alles erleiden musstest, aber ich verstehe, wie schlimm das für dich gewesen sein muss.“ Jeremiels ganze Körperhaltung schrumpfte ein wenig in sich zusammen und ihm war anzusehen, dass auch er schlimme Erfahrungen hatte machen müssen. Und in dem Moment erinnerte er sehr stark an Andrew, bevor dieser zu Oliver kam und selbst sehr viel hatte durchmachen müssen. Beyond sah ihn schweigend an und war auch ein Stück weit sprachlos. Das also war in den Tagen passiert, wo sie die ganze Zeit nach „Sam Leens“ gesucht hatten? Jeremiel war von diesem Dreckskerl Norman entführt und dann an irgendeinen perversen Zuhälter als Sexsklave verkauft worden? Oh Mann, das war wirklich harter Tobak. Und da musste sich Beyond unfreiwillig an das Kapitel mit Andrew erinnern, als der noch von diesem Dr. Brown verprügelt und vergewaltigt worden war. Schließlich aber sagte Jeremiel „Es mag echt hart gewesen sein für mich, aber dadurch habe ich auch an Stärke dazu gewonnen. Ich habe gelernt, dass es nicht darauf ankommt, welche Fähigkeiten man hat und unter welchen Umständen man geboren wurde. Auch die Herkunft spielt keine Rolle. Es sind einzig und allein unsere Entscheidungen, die uns zu dem machen, wer wir wirklich sind. Und solange ich niemandem wehtun will weiß ich auch, dass ich nicht Sam bin und dass ich niemals den gleichen Fehler machen werde wie er. Natürlich weiß ich, dass es nicht einfach sein wird. Für alle bin ich immer noch Sam Leens und sie werden mich entweder hassen oder fürchten. Ich habe keine Erinnerungen und 25 Jahre meines Lebens verpasst. Ich habe meine Eltern nie kennen lernen dürfen und sie wussten auch nie etwas von meiner Existenz. Und ich bin nun mal das Ergebnis eines missglückten Laborexperiments, da kann man auch nicht viel schönreden. Ich bin kein vollwertiger Mensch, sondern ein Hybrid und obwohl ich Evas Gene habe, verfüge ich nicht über irgendwelche besonderen Fähigkeiten. Das Einzige, was sich bei mir merklich verändert hat, war nur mein Aussehen. Rein optisch habe ich mit L gar nichts gemeinsam, obwohl wir eineiige Zwillinge sind. Aber das ist auch nicht schlimm. Ich lebe jetzt und ich bin ich. Eva und ihr Bruder haben mir ein neues Leben geschenkt, damit ich die Chance habe, endlich zu leben, meinen Bruder kennen zu lernen und eine Familie zu haben. L ist der einzige Verwandte, der mir geblieben ist und deshalb möchte ich wenigstens ihm etwas näher sein und gut mit euch auskommen.“ Beyond sah ihn eine Weile schweigend an und nahm etwas von seinem Tee. Es fiel ihm nach diesem Gespräch immer schwerer zu glauben, dass es bloß Sam mit einer Amnesie und Emotionen war. Das war ganz eindeutig ein anderer Mensch. Sollte er da wirklich weiterhin bei seinen Ansichten bleiben und Jeremiel für etwas verurteilen, was er nicht getan hatte? Kapitel 7: Beyonds Engagement ----------------------------- Da Jeremiel aufgrund des drückenden Wetters sehr unter Kopfschmerzen litt und auch die ganze Aufregung nicht spurlos an ihm vorbeigegangen war, musste er sich hinlegen. Watari gab ihm noch etwas gegen die Kopfschmerzen und da man ihm nicht zumuten konnte, im Keller zu schlafen, wurde er solange in L’s Zimmer einquartiert. Nach einer Weile kam der Detektiv mit den Pandaaugen ins Wohnzimmer, nachdem er fertig geduscht hatte. „Was ist mit ihm?“ „Das Wetter macht ihm zu schaffen. Ist auch wirklich ziemlich drückend da draußen.“ L nahm sich auch eine Tasse Tee und bemerkte, dass Beyond gar nicht mehr so aggressiv war, als er über Jeremiel sprach. Und das war schon ziemlich ungewöhnlich, besonders da er sogar ein wenig bedrückt klang. „Was habt ihr denn besprochen, während ich im Bad war?“ Beyond senkte den Blick und aß noch einen Keks. Er dachte noch einen Augenblick nach und erklärte dann „Er hat auch so einiges durchgemacht in der Zeit, wo wir nach Sam gesucht haben. Erinnerst du dich an Norman Hayes, der dich in der Gasse angegrapscht und dich mit dem Messer bedroht hat?“ „Du meinst den Kerl, den ihr so eingeschüchtert habt, dass er nach San Diego abgehauen ist?“ Beyond nickte und fuhr fort. „Als Rumiko und ich ihn in die Mangel genommen haben, da hat er zugegeben, dass er für eine Mafiagruppe arbeitet, die junge Männer und Frauen als Sexsklaven bei illegalen Auktionen versteigert. Dabei gibt es auch echt üble Typen, die ziemlich krank im Kopf sind. Ein solches Beispiel ist ein gewisser Gerald Fincher. Er hat sich drei Sklaven gehalten, denen er die Augen ausgestochen, die Stimmbänder und die Achillessehnen durchgetrennt hat. Fincher selbst ist später genauso übel zugerichtet von einem Typen versteigert worden, der sich Mr. R nennt. Jeremiel ist ebenfalls an Norman geraten und hatte wohl nicht so viel Glück wie du, L. Er hat mir erzählt, dass der Bastard ihn mit Schlafmitteln betäubt und dann verkauft hat. Und bevor er gegangen ist, sagte er mir, dass der Mann, an den er verkauft worden war, dieser Gerald Fincher war.“ L sah ihn mit einem Blick an, der ein Stück weit Entsetzen zeigte. Er konnte es nicht fassen und fragte „Und was ist dann passiert?“ „Evas Bruder hat ihn da rausgeholt. Allerdings hat der sich dann an ihn vergriffen.“ L schüttelte den Kopf und konnte nicht glauben, was Jeremiel zugestoßen war. Warum hatte er denn nichts gesagt? „Und als wir im Keller miteinander gesprochen hatten, da hat er noch extra diesen Bruder angerufen, damit er nicht herkommt.“ „Offenbar scheint er in einer ähnlichen Klemme zu stecken wie Andy, als der noch unter der Fuchtel dieses Dr. Browns war. Und… da ich sowieso erkannt habe, dass er nicht Sam ist, denke ich wirklich, dass wir ihm helfen sollten.“ Das kam nun doch sehr überraschend für L und so ganz wusste er gar nicht, was er dazu sagen sollte. Hatte Beyond etwa wirklich gerade gesagt, dass er nichts dagegen hatte, wenn Jeremiel vorerst bei ihnen blieb? Was ist denn mit ihm passiert? „Wow“, murmelte L und warf noch ein paar Stück Würfelzucker in seine Tasse. „Damit hätte ich ja jetzt nicht gerechnet. Vor allem nicht, weil du so aggressiv warst.“ „Er ist eben halt dein Bruder und wenn Rumiko auch so etwas passieren würde, dann würde ich ihr natürlich auch sofort helfen. Und da wir beide nun mal zusammen sind, da ist es doch wichtig, dass wir an einem Strang ziehen, anstatt immer nur zu streiten. Ich gebe zu, dass ich mich immer noch sehr schwer damit tue, ihn als Jeremiel und nicht als Sam zu sehen. Und ich werde auch nie aufhören, Sam für das zu hassen, was er getan hat. Aber das alles an Jeremiel auszulassen ist auch keine Lösung. Wenn du sagst, dass du ihn hier aufnehmen willst, um ihn vor diesem Kerl zu beschützen, dann unterstütze ich dich natürlich und werde mein Bestes geben, um gut mit ihm auszukommen.“ L war immer noch sprachlos und wusste nicht, was er sagen sollte. Aber er war zugleich auch sehr erleichtert, dass sich dieses Problem endlich geregelt hatte und sogleich beugte er sich zu ihm herüber und gab ihm einen Kuss. „Das bedeutet mir wirklich viel, Beyond.“ „Ja schön und gut“, sagte der Serienmörder schließlich. „Nur gibt es da noch ein dickes Problem: was ist mit den anderen? Willst du ihn vor Andrew, Oliver und Rumiko verstecken oder was hast du vor? Die wissen doch, wer er ist und was Sam Leens getan hat. Und du weißt, wie Andy reagiert: der wird die totale Panikattacke kriegen, wenn er ihn sieht.“ Ja stimmt, das müsste auch irgendwie geregelt werden. Und man hatte ja schon gemerkt, wie heftig Andrew jedes Mal reagierte, wenn er den Menschen sah, der ihm seine Familie und sein Zuhause genommen hatte. „Tja, Rumiko wird da wahrscheinlich entspannter reagieren. Sie ist ja eine von der Sorte, die niemanden vorschnell verurteilt und da sie den Sachverhalt schon kennt, wird sie ihm sicherlich eine Chance geben wollen. Und Jamie ist zu gutmütig, um schlecht über ihn zu denken. Was Oliver sagen wird, kann ich leider noch nicht sagen aber mit Andy wird das eindeutig eine Schwerstgeburt werden. Ich denke, ich geh nachher mal alleine zu ihm hin und rede mit ihm. Ich glaube es ist das Beste, wenn ich mit ihm rede.“ „Das denke ich auch. Ihr seid immerhin sehr enge Freunde und auf dich wird er da wohl eher hören. Insbesondere, weil du ja auch deine Erfahrungen mit Sam Leens hast.“ Nachdem sie eine Weile miteinander geredet hatten, machte sich Beyond auf den Weg. Da er keine Probleme mit der Hitze hatte, entschied er sich, zu Fuß zu gehen. Draußen war wirklich viel los und es herrschte überall ziemlich viel Gedränge. Zugegeben, der kleine Spaziergang tat auch ganz gut, um die Gedanken zu sortieren. Zwar hatte er auch so langsam eingesehen, dass Jeremiel nicht Sam Leens war und er auch keine bösen Absichten verfolgte, aber dennoch musste er das alles erst einmal sacken lassen. Das war ja auch ziemlich viel gewesen. Und wenn er so daran dachte, dass L sich auf die Seite seines Bruders gestellt hatte… war das wirklich nur Hass auf Sam gewesen, oder sprach da nicht vielleicht auch ein Stück weit die Eifersucht aus ihm heraus? Ja gut, er war vielleicht eifersüchtig gewesen und er war es auch jetzt noch. Warum denn auch nicht? Er hatte L vorher mit niemandem teilen müssen und hatte ihn ganz allein für sich gehabt. Und jetzt hatte er einen Bruder. Einen älteren Zwillingsbruder, dem er jetzt helfen und in die Familie integrieren wollte. L war jetzt nicht nur allein für ihn da und daran musste er sich jetzt wohl oder übel gewöhnen. Ach Mensch, ich bin auch wirklich ein Esel. Immerzu habe ich L Vorwürfe gemacht, wenn er eifersüchtig war und ich hatte immer gedacht, dass mir so etwas nie passieren würde. Aber so wie es scheint, ist es jetzt so. Ich bin eifersüchtig auf Jeremiel, weil er sich jetzt in L’s Leben hineindrängt und ihn jetzt braucht. Die beiden sind nun mal Brüder und es ist verständlich, dass sie einander näher kennen lernen wollen. 25 Jahre haben sie keine Gelegenheit dazu gehabt und nichts voneinander gewusst. Jeremiel hatte all die Jahre kein richtiges Leben und will das jetzt nachholen. Und da ist es ebenso verständlich, dass er mehr über seine Familie wissen will. Dafür ist L nun mal der einzig richtige Ansprechpartner. Ich hab da eigentlich kein Recht, mich da großartig einzumischen und ihm das zu verbieten. Wahrscheinlich ist es für mich deshalb so schwer nachzuvollziehen, weil ich keine leiblichen Geschwister habe. Rumiko ist damals von meinen Eltern adoptiert worden und auch wenn sie all die Jahre eine große Schwester und auch eine Art Mutterersatz für mich war, so sind wir dennoch keine Blutsverwandten. Das sieht selbst ein Blinder. Vielleicht gibt es ja tatsächlich so etwas wie eine unsichtbare Bindung zwischen Zwillingen. So was hört man ja auch. Kann ja sein, dass Jeremiel deshalb so sehr bestrebt ist, L kennen zu lernen. Und was L betrifft, der ist ja sowieso jemand, der alles immer aus einer neutralen Sicht sieht und immer unvoreingenommen an die Dinge herangeht. Das hat bei mir ja schon immer gefehlt. Ich bin da eben jemand, der da auch emotionaler rangeht, deshalb war ich auch als sein potentieller Nachfolger ungeeignet. Ein mal deshalb und weil ich mit meinem anderen Problem zu kämpfen hatte. Während Beyond so nachdachte und die Straßen entlang ging, bemerkte er nicht, wie da jemand aus einer Gasse kam und so stießen sie zusammen. Während der Serienmörder sich noch fangen konnte, stürzte der andere hin und rief „Scheiße Mann, hast du keine Augen im Kopf oder was?“ Auf dem Boden lag ein zierliches Mädchen mit sehr langen brünetten Haaren, welche zu einem Zopf zusammengebunden waren. Sie trug einen graublauen Kapuzenpullover und eine zerschlissene Jeans. Groß war sie nicht, allerhöchstens 1,55m. „Entschuldigung, ich war mit den Gedanken ganz woanders.“ Beyond half ihr hoch und sah dann mit seinem Shinigami-Augenlicht, dass das Mädchen Ezra hieß. Moment mal… das war doch ein Jungenname, oder etwa nicht? Ach herrje, dann war das also kein Mädchen, sondern ein Junge… ein sehr mädchenhafter Junge, bei den langen Haaren. „Dann pass halt besser auf, sonst haust du gleich den nächsten um, verdammt.“ Nun, da der Kerl ja offenbar nicht verletzt war, ging Beyond weiter. Meine Güte, was für ein Kotzbrocken. Er schüttelte den Kopf und bog schließlich um eine Straßenecke. Also wo war er stehen geblieben? Tja, beim Thema Blutsverwandtschaft und Zwillingen. Nun, was das Thema betraf, so musste er wohl oder übel akzeptieren, dass es jetzt noch jemanden in L’s Leben gab, der eine wichtige Rolle spielte. Immerhin musste L das doch auch, als Rumiko und Jamie dazugekommen waren. Na hoffentlich ging das mit Andrew gut, denn sonderlich rosig sah das nicht aus. Das würde noch seine Zeit brauchen, bis er den Mut aufbrachte, Jeremiel eine Chance zu geben. Aber sicherlich würde Oliver da auch noch mithelfen. „Hey!“ Beyond blieb stehen, und wandte sich um, da sah er wieder diesen Jungen auf ihn zurennen, mit dem er zusammengestoßen war. Was wollte der denn jetzt schon wieder? Er blieb direkt vor ihm stehen und aufgrund seiner geringen Größe wirkte er irgendwie ziemlich mickrig auf Beyond. Trotzdem sah er ihn mit einem mürrischen und sehr entschlossenen und auch furchtlosen Blick an. „Was willst du?“ Wortlos holte der Junge aus der Bauchtasche seines Kapuzenpullovers etwas hervor, was ganz deutlich nach einem Handy aussah. Moment, das war doch sein Handy. „Das ist bei dem Zusammenstoß runtergefallen.“ „Oh, danke.“ Beyond nahm es entgegen und stellte fest, dass das Handy glücklicherweise keinen Sprung im Display hatte. Er holte schon einen Zehndollarschein hervor, da verfinsterte sich der Blick des Jungen und er rief schon regelrecht vorwurfsvoll „Ich brauch keine verdammten Almosen“ und damit haute er wieder ab. Beyond zuckte gleichgültig mit den Achseln und steckte sein Handy wieder ein. Na wer nicht will, der hat schon… Wenigstens hatte er sein Handy wieder. Wäre ziemlich ärgerlich gewesen, wenn das noch verloren gegangen wäre. Nach knapp einer halben Stunde erreichte er die Chester Avenue, wo Andrew und Oliver wohnten und klingelte an der Haustür. Da aber niemand aufmachte (es war sowieso Musik im Garten zu hören), ging er ums Haus herum in den Hinterhof, um von dort aus auf die Terrasse zu gelangen, wo sich Oliver und Andrew wahrscheinlich aufhielten. Doch kaum, dass er den Hinterhof betrat, traf ihn fast der Schreck, als er einen Panzer sah. Und nicht nur irgendeinen Panzer. Als er das Zeichen darauf erkannte wurde ihm klar, dass da ein verdammter Nazi-Panzer im Hinterhof stand. „Heilige Scheiße“ rief er, als er das Ungetüm sah und sogleich kam Oliver um die Ecke. Er hatte sein Shirt ausgezogen, weshalb man auch seine Tattoos sehen konnte und fröhlich grinsend winkte er Beyond zu. „Hey altes Haus. Wie ich sehe, hast du schon mein Baby bewundert.“ Der Serienmörder schüttelte den Kopf als er das hörte. Das war ja mal wieder so typisch für Oliver. Der mit seinen bescheuerten Hobbys. „Du hast echt ein Rad ab. Wo zum Teufel hast du denn den Nazi-Panzer her und was willst du mit dem Ding?“ „Ich hab ihn in Deutschland bei Ebay ersteigert. Ein Bauer hatte das olle Ding in seiner Scheune, als die Nazis das Ding im Graben zurückgelassen haben. Ich will ihn reparieren und dann einem Geschichtsmuseum stiften. Bin eigentlich fast fertig mit der Arbeit, danach will ich meinen Pilotenschein machen. Aber komm doch erst mal mit. Andy hat sich in die Sonne gelegt und tut aktiv was gegen seine Blässe. Steht ihm auch mal ganz gut zu Gesicht.“ Sie gingen zur Terrasse, wo Andrew auf einer Liege saß und ein Buch las. Es war ein deutscher Roman mit dem Titel „Effie Briest“ und er schien ziemlich vertieft in seine Lektüre zu sein. „Hey Andy, schau mal wer uns besuchen kommt!“ Der Rothaarige schaute von seiner Lektüre auf und war erstaunt und legte sogleich das Buch beiseite. „Beyond, was verschlägt dich denn zu uns?“ Der Serienmörder setzte sich zu ihm und an seinem Gesichtsausdruck ließ sich schnell erkennen, dass es um ernste Dinge ging. Also holte Oliver erst mal kalte Getränke. Sie setzten sich alle zusammen und sogleich kam Beyond zum Punkt. „L hat Jeremiel im Krankenhaus von Hester untersuchen lassen. Und auch ich habe mit ihm gesprochen. Ich war mir sicher gewesen, dass es immer noch Sam Leens ist, der sich nur verstellt und uns täuschen wollte. Und ich hab ihm sogar deine Farbpistole in die Hand gedrückt, Oliver. Aber egal was ich auch gemacht habe, es war zwecklos. Sam Leens existiert einfach nicht mehr. Und auch die Untersuchungen haben ergeben, dass der Schaden im Limbischen System nicht mehr vorhanden ist.“ Sofort wich das Lächeln aus Andrews Gesicht und er sah ihn schon deutlich blasser aus als vorher. Das Thema Sam Leens war ein extrem wunder Punkt bei ihm, was man ihm auch nicht verübeln konnte nach alledem, was er durchgemacht hatte. Diese Nacht im Norington Waisenhaus war das wohl schwerste Trauma, was er davongetragen hatte. „Was soll das heißen?“ „Dass er nicht mehr der Mensch ist, den wir gekannt haben. Sam ist eindeutig tot. Er ist von Dr. Brown erschossen worden und Eva hat eine neue Seele in seinen Körper eingepflanzt. Ich hab ihn erlebt und ihm die Pistole in die Hand gedrückt und ihm gesagt, er solle auf mich schießen. Er hat mir die Pistole vor die Füße geschmissen und ist vor mir weggelaufen, weil er Angst um sein Leben hatte.“ Doch Andrew sah ihn immer noch mit gemischten Gefühlen an und die Angst war nur schwer zu übersehen. „Was macht dich so sicher, dass er wirklich nicht mehr „Sam Leens“ ist? Ich meine, er war doch immer Jeremiel!“ „Nicht direkt“, erklärte Beyond. „Erinnerst du dich daran, als L uns von den Märchen berichtet hat, die Frederica ihm damals immer erzählt hat? Eva teilte ihr Herz mit der Leere, um sie zu einem Teil der Familie zu machen. Und außerdem ist mir noch etwas aufgefallen: all die Jahre war ich nie in der Lage, den Namen von ihm zu erkennen. Stattdessen ist für mich lediglich seine Lebenszeit sichtbar gewesen. Aber ich konnte seinen Namen einfach nicht erkennen, weil er eben „leer“ war. Und ich habe auch eindeutig feststellen können, dass Sam gestorben ist. Doch bei Jeremiel kann ich sowohl seinen Namen als auch seine Lebenszeit sehen. Und seine Lebenszeit unterscheidet sich auch deutlich von seiner alten.“ „Und was verlangst du jetzt von mir?“ fragte Andrew und stand auf, als wolle er gleich die Flucht ergreifen, doch da legte Oliver auch schon einen Arm um ihn. „Soll ich etwa einfach vergessen, was er getan hat? Er hat meine Eltern erschossen und all die anderen Kinder. Er hätte auch mich getötet und das Waisenhaus hat er auch niedergebrannt.“ „Andy, jetzt beruhige dich doch und setz dich.“ Oliver konnte ihm gut zureden und so setzte sich Andrew wieder. Dennoch war er extrem angespannt. Beyond wusste, dass es noch ein enormes Stück Arbeit mit ihm werden würde. „Ich weiß. Er hat mich ja auch mehrfach angeschossen und mich auch vergewaltigt und gefoltert. Ich hätte ihn am liebsten umgebracht, ganz egal was L dazu gesagt hätte. Aber ich konnte es nicht. Ich habe gesehen, dass er Angst vor mir hatte und ich habe ihm auch geglaubt, dass er niemandem etwas tun will. Andy, bitte glaub jetzt nicht, dass ich Sam in Schutz nehme. Wenn der Kerl noch einmal wieder auf der Bildfläche erscheinen sollte, dann ist er ein toter Mann und seinen Kopf präsentiere ich dann gerne auf dem Silbertablett mit Beilage! Aber… es ist nun mal Tatsache, dass er tot ist und dass jetzt ein anderer Mensch in seinem Körper weiterlebt. Nämlich L’s wahrer Bruder.“ Doch Andrew schüttelte nur den Kopf und verkrallte seine Hände in die Lehnen seines Stuhls. „Ich… ich kann das nicht fassen. Beyond, dieser Kerl ist kein Mensch, sondern ein Monster und das hast du doch selbst gesagt.“ „Über Sam habe ich das gesagt. Aber ich hab seine Augen gesehen. Das sind nicht mehr Sams Augen, Andy. Das ist nicht mehr der Mensch, den wir beide hassen und fürchten. Sam ist tot und er wird nie wieder zurückkommen. Sogar ich hab einsehen müssen, dass ich mich geirrt habe.“ Andrew schwieg und war immer noch sichtlich angespannt. Natürlich fiel ihm das schwer zu glauben und er hatte immer noch furchtbare Angst. Schließlich aber war es Oliver, der endlich das Schweigen brach und eine Frage stellte. „Und was genau hat L jetzt mit ihm vor?“ „Jeremiel wird fürs Erste bei uns bleiben. So wie wir erfahren haben, hat auch er in den letzten Tagen viel durchmachen müssen. Ich hab euch ja von diesem Drecksack Norman erzählt, der so bescheuert war, L anzugrapschen. Direkt, nachdem Jeremiel vor euch weggelaufen ist, wurde er von Norman betäubt und als Sexsklave von Menschenhändlern versteigert. Und Evas Bruder, bei dem er gelebt hat, scheint ihn auch ziemlich mies zu behandeln und ihn auch vergewaltigt zu haben.“ „Geschieht ihm ganz Recht“, sagte Andrew und stand wieder auf. Er ballte die Hände zu Fäusten und immer noch zitterte er, doch in seinen Augen war der Hass zu sehen. „Er hat mir mein Leben genauso zerstört wie James. Er hätte besser dort bleiben sollen.“ „Jetzt mach aber mal halblang“, wandte Oliver ein und drückte ihn dieses Mal entschiedener auf seinen Platz zurück, wobei er auch ein klein wenig strenger wurde, was ja eigentlich nicht zu ihm passte. „Jetzt bedenk doch mal, dass auch Beyond kein Unschuldslamm ist. Nichts gegen dich mein Lieber, aber du bist eben gerade das beste Beispiel. Obwohl er drei Menschen umgebracht hat, bist du dennoch mit ihm befreundet und warum? Weil du seine gute Seite kennst. Und du hast dich auch nie von seiner wahnsinnigen Seite abschrecken lassen und ihm geholfen. Wenn es wirklich stimmt und Sam Leens ist tot und der Mann, den wir im Park gesehen haben, war ein ganz anderer Mensch, dann sollten wir ihm doch eine Chance geben. Versuch es doch wenigstens ein Mal. Warum machen wir uns denn nicht nachher ein eigenes Bild? Wenn er wirklich so harmlos ist wie Beyond sagt, dann können wir es doch wenigstens mal versuchen. Immerhin ist Jeremiel L’s Bruder und gehört ja eigentlich auch zur Familie dazu. Und wenn er tatsächlich genauso in Schwierigkeiten steckt so wie du damals, dann können wir doch auch nicht wegsehen. Vergiss nicht was mit dir war und du hast ja sogar noch behauptet, es wäre alles bestens und du bräuchtest keine Hilfe.“ Diesen Argumenten konnte Andrew nicht sonderlich viel entgegensetzen. Er senkte den Blick und kämpfte immer noch mit sich selbst. „Und L meint auch, er ist ungefährlich?“ „Er hat ihn von Hester untersuchen lassen. Und die meint, er würde keiner Fliege was zuleide tun. Viel eher kriegt er einen Heidenschreck, wenn er mich sieht, nachdem ich ihn so dermaßen eingeschüchtert habe…“ Andrew dachte nach und wandte sich an Oliver, den er schweigend ansah. Er schien sich immer noch sehr unsicher zu sein und sagte schließlich „Ich muss erst mal eine Nacht darüber schlafen.“ Und mehr konnte man von ihm auch wirklich nicht erwarten. Beyond war ja schon froh, dass er wenigstens darüber nachdenken wollte. Er blieb noch eine ganze Weile bei ihnen, bis er schließlich zum Abend wieder zurückkehrte. Kapitel 8: Am nächsten Morgen ----------------------------- Am nächsten Morgen ging es Jeremiel deutlich besser und auch seine Kopfschmerzen waren gewichen. Als er hörte, dass Beyond mit Andrew und Oliver gesprochen hatte, da weiteten sich seine Augen vor Erstaunen und er wusste gar nicht, was er sagen sollte. Dann aber fiel er ihm um den Hals und sagte „Danke“. Sofort drückte Beyond ihn weg und rief „Ja, ja schon gut. Du musst mir aber jetzt nicht ständig um den Hals fallen oder so.“ „Aber in meinen Büchern stand, dass man seine Dankbarkeit sehr oft durch eine Umarmung oder durch eine ähnliche Geste zum Ausdruck bringt.“ „Aber nicht bei jedem, du Genie.“ „Danke.“ „Beyond, er versteht keinen Sarkasmus… und Ironie und Redewendungen auch nicht so wirklich.“ Ach herrje, das konnte ja noch gut mit ihm werden. Wenn er nicht mal so was erkannte, dann hatte er ja noch erheblichen Nachholbedarf. Aber andererseits war das ja auch nicht verwunderlich. Immerhin hatte Sam aufgrund seiner Einschränkungen auch erhebliche Schwierigkeiten mit der Sprache gehabt und konnte nicht viel mit so etwas anfangen. Insbesondere nicht mit Begriffen, die keine festen Gegenstände beschrieben. Schön und gut, dass Jeremiel aus den Büchern lernen wollte, wie man vernünftig mit anderen Menschen umging, aber das half auch nicht gerade weiter. Und das hatte sich ja gerade mehr als deutlich gezeigt. Zwar meinte er es gut, aber dennoch musste er mehr darüber lernen, wann welche Gesten in welchen Situationen angebracht waren und welche nicht. Er war in der Hinsicht irgendwie genauso unschuldig und unwissend wie Jamie, aber bei dem konnte man ja so etwas sofort verzeihen, weil er eine geistige Behinderung hatte. „Schreib dir was hinter die Ohren, ich…“ Als er den fragenden Blick sah merkte er, dass Jeremiel auch diese Redewendung nicht ganz verstand und erklärte „Das heißt: merke dir was für die Zukunft! Also, aus Dankbarkeit jemanden umarmen tut man nur, wenn man denjenigen gut kennt und ihn auch mag. Mach das aber bloß nicht bei Andy, der kriegt noch vor Schreck einen Herzinfarkt, wenn du ihm um den Hals fällst. Sicherheitshalber fragst du einfach nach, ob du denjenigen umarmen darfst.“ Jeremiel nickte und gab sich damit zufrieden. Beyond atmete laut aus und wandte sich schließlich an L. „Ich ahne schon, das wird noch echt lustig mit ihm.“ „Ah, das war jetzt ironisch gemeint, oder?“ Na zumindest lernt er schnell dazu. Das war doch wenigstens ein kleiner Lichtblick. Beyond verschwand ins Bad, L folgte ihm und Jeremiel, der recht früh auf den Beinen war und wie schon in seinem Leben als Sam akkurat gekleidet war, unterstützte Watari. Und dabei kamen sie ein wenig ins Gespräch. „Kannten Sie meine Mutter wirklich?“ Der alte Mann lächelte und nickte. „Ja. Nastasja war für mich so etwas wie meine zweite Tochter. Meine Tochter Alice ist leider bei einem Autounfall ums Leben gekommen und da Nastasja selber auch keine Eltern hatte, da wurden wir zu einer kleinen Familie.“ „Und wie war sie so?“ „Nun, ich kann schon sagen, dass du und dein Bruder einiges von ihr habt. Nastasja hatte auch immer die Angewohnheit, so ungewöhnlich zu sitzen, um besser nachdenken zu können. Sie war sehr dickköpfig und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann hat sie sich von nichts und niemandem davon abbringen lassen. Sie war ein sehr gutherziger Mensch, konnte aber auch sehr temperamentvoll werden wenn sie wollte. Ihre Mutter war Italienerin, da konnte Nastasja schon mal etwas heißblütig werden. Aber sie hatte einen unbestechlichen Gerechtigkeitssinn. Sie wollte immer nur das Beste für ihre Familie und hat auch jeden Abend gebetet.“ „Gebetet?“ „Ja, sie war sehr religiös, auch wenn sie eigentlich Atheistin war. Sie war der Meinung, dass keine Religion passend für sie wäre, weil immer irgendwelche Randgruppen ausgegrenzt werden und sie sich auch nicht zum Glauben verpflichten wollte. Für jemanden, der sich auf die Wissenschaft konzentriert hat, ist das schon sehr ungewöhnlich. Denn Glauben und Wissenschaft haben noch nie sonderlich gut im Einklang miteinander existieren können. Und was ich noch bemerkenswert an ihr fand war, dass sie sich nicht scheute, Fragen zu stellen, die manche Leute niemals stellen würden. Zum Beispiel fragte sie eines Tages während der Mittagspause „Wenn Wolle zusammenschrumpft, wenn sie nass wird, müssten dann nicht auch die Schafe schrumpfen?“ Und ein Mal fragte sie mich „Wenn alles, was existiert, seinen Namen von jemand anderem bekommt und sich nicht selbst benennt, wie sieht es dann mit dem Gehirn aus? Im Grunde entscheidet unser Hirn, welche Dinge wie benannt werden. Also muss sich das Gehirn doch selbst Gehirn genannt haben. Oder etwa nicht?“ Sie hat die Welt aus einer ganz anderen Sicht gesehen als so viele andere Menschen. Sie ist immer unvoreingenommen an die Dinge herangegangen und hat so vieles hinterfragt. Aber sie hatte auch was im Kopf. Immerhin ist es ihr gelungen, einen künstlichen Gedankenschaltkreis zu entwerfen, um Menschen zu retten. Und sie konnte die Pläne so gut verschlüsseln, dass niemand auf der Welt sie entziffern konnte. Nicht einmal ich. Nur Andrew ist es nach langer Arbeit gelungen. Nastasja war ein unglaublich genialer Kopf. Im Schach habe ich sie nie schlagen können. Und auch L hätte niemals eine Chance gegen sie.“ Als Jeremiel das hörte, spürte er einen schmerzhaften Stich in der Brust und niedergeschlagen senkte er den Kopf. Seine Mutter war offenbar eine wunderbare Frau gewesen. Und er hatte sie niemals kennen lernen dürfen. Sie hatte nie etwas von ihm gewusst und nicht einmal für ihn beten können. Wie sehr wünschte er sich, ihr wenigstens ein Mal begegnen zu können… einfach nur um wenigstens zu sehen, wer seine Mutter war. Er hatte ja nicht einmal ein Bild von ihr und wusste nicht mal, wie sie aussah. Watari holte schließlich etwas aus seiner Tasche und gab es Jeremiel. Es war etwas, das wie ein Rosenkranz aussah. „Dieser Rosenkranz hat eurer Mutter gehört. Er war ihr wichtigster Besitz und vielleicht hätte sie auch gewollt, dass du ihn nimmst.“ Jeremiel nahm den Rosenkranz und betrachtete ihn. Es war ein recht schlichter Rosenkranz mit Rosenquarzperlen und einem silbernen Kreuz. Das war also ein Erbstück seiner Mutter Nastasja Kasakowa… Watari zeigte ihm noch ein Foto, wo eine blonde Frau zu sehen war, die zwischen 27 und 30 Jahre alt war und die eine Brille mit schwarzem Rahmen trug. Neben ihr stand ein Mann, dem L wirklich aus dem Gesicht geschnitten war. Bei ihnen war ein weißhaariges Mädchen, das knapp 14 Jahre alt war und rote Augen hatte. Was Jeremiel aber auffiel war der goldene Ring in der linken Iris. Sie hatte einen kleinen Jungen an der Hand, der nicht älter als 4 oder 5 Jahre war und sich schüchtern an das Mädchen klammerte. „Das Foto wurde an L’s fünften Geburtstag aufgenommen. Der Mann neben deiner Mutter ist dein Vater Henry. Das Mädchen bei ihnen ist Frederica. Sie war keine Verwandte, sondern…“ „Ja ich weiß. Ich kenne die Geschichte. Sie war es, die dafür gesorgt hat, dass L und ich leben konnten. Sie war wie eine große Schwester für L und hat Evas Familie zusammengeführt. Und sie ist vor kurzem gestorben.“ Watari nickte und wieder wirkte er in diesem Moment viel älter und gebrechlicher. Man sah ihm auch so langsam sein Alter an. Er setzte sich und wirkte ziemlich unglücklich in dem Moment. Jeremiel schenkte ihm eine Tasse Tee ein und setzte sich zu ihm. „Sie scheinen einiges durchgemacht zu haben, oder?“ „Ich weiß nicht, ob es so etwas wie ein Fluch oder eine Strafe ist. Als ich meine Frau Teresa damals heiratete und sie schwanger wurde, da dachten wir noch, wir könnten die Welt verändern. Ach, wir waren ziemlich naiv damals. So voller Tatendrang und voller Optimismus. Sie starb, als sie unsere Tochter zur Welt brachte und Alice kam Jahre später bei einem Autounfall ums Leben. Henry und Nastasja wurden getötet, Frederica wurde zwanzig Jahre in einem Institut festgehalten und gequält und ist jetzt auch tot. Alle, die mir etwas bedeutet haben, sind fort. L ist das Einzige, was mir im Grunde geblieben ist. Nastasjas letztes Vermächtnis an mich. Ich habe mich immer bemüht, ihm so gut es ging zur Seite zu stehen und ihm immer das zu geben was er brauchte. Und ich wollte, dass er sich die gleichen Ziele vornimmt wie seine Mutter. Nämlich die Welt ein Stück weit besser zu machen. Aber leider habe ich auch viele Fehler in meinem Leben gemacht. Andrew hat damals Selbstmord begangen, weil ich zu viel von ihm erwartet und nicht erkannt habe, wie schlimm es um ihn wirklich steht. Und ich habe Beyond nicht helfen können und auch nicht gesehen, was wirklich mit ihm los war.“ „Jeder Mensch macht Fehler. Selbst Eva hat welche gemacht und auch ich mache viele Fehler. Aber aus Fehlern lernt man und man darf auch nie vergessen, was man richtig gemacht hat. Ich meine, Sie haben L doch all die Jahre beschützt und sind immer für ihn da gewesen. Und ich glaube dass er Ihnen auch sehr dankbar dafür ist. Also ich möchte mich auch persönlich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich all die Jahre um meinen Bruder gekümmert haben. Wahrscheinlich wäre er auch gestorben, wenn Sie ihn nicht gerettet hätten.“ Watari lächelte als er das hörte. „Du und dein Bruder, ihr seid euch wirklich sehr ähnlich.“ „Anscheinend. Nur vom Aussehen her haben wir überhaupt keine Gemeinsamkeiten.“ „Nun, zumindest hast du dasselbe blonde Haar wie Nastasja.“ Als es an der Tür klingelte, erhob sich Watari und ging hin um zu öffnen. Rumiko stand vor der Tür und hatte die Zwillinge bei sich. „Guten Morgen Watari, sind Dideldei und Dideldum schon auf den Beinen?“ „Sie müssten gleich kommen.“ Watari wollte sie ins Wohnzimmer führen, da kam Jeremiel herbei, da er sehen wollte, wer denn da war und sogleich standen sie sich gegenüber. Ihre Blicke trafen sich und der 25-jährige bemerkte, dass auch die Halbjapanerin diese unmenschlichen roten Augen hatte. Sie hatte auch das Shinigami-Augenlicht. Jeremiel musste schon zugeben, dass sie eine umwerfende Schönheit war. Er hatte sie, als er das erste Mal hier vor der Tür stand, nur kurz gesehen und nicht gewusst, wer sie eigentlich war. Aber jetzt fiel es ihm wieder ein. Das war Rumiko, Beyonds Adoptivschwester und die Tochter einer steinreichen japanischen Geschäftsfamilie, deren letzte lebende Angehörige sie war. Sie sah ihn mit einem etwas zögerlichen und skeptischen Blick an, als wüsste sie nicht genau, wen sie da jetzt vor sich hatte. Also ging er auf sie zu und reichte ihr mit einem freundlichen Lächeln die Hand zum Gruß. „Guten Tag, Mrs. Miller. Mein Name ist Jeremiel Lawliet. Ich bin L’s älterer Zwillingsbruder.“ Nachdem sie ihre anfängliche Skepsis überwunden hatte, lächelte sie herzlich und gab ihm eine kurze freundschaftliche Umarmung. „Nur nicht so förmlich, nenn mich ruhig Rumiko. Schön dich kennen zu lernen, Jeremiel. Das hier sind meine beiden Kinder Faith und Eden.“ Jeremiel sah die beiden Babys fasziniert an und betrachtete sie. Sie sahen wirklich niedlich aus. Und so hatte er mal auch ausgesehen, als er noch ein Baby war? „Wie alt sind sie?“ „Einen Monat. Faith ist der ältere Zwilling. Dafür ist Eden der größere Schreihals von beiden.“ Sie gingen ins Wohnzimmer und setzten sich. „Wie geht es dir eigentlich? Ich hoffe, Beyond hat sich nicht allzu sehr daneben benommen.“ „Wir haben ein klärendes Gespräch gehabt. Und er ist bereit, mir eine Chance zu geben.“ „Aber es ist doch auch nicht wirklich leicht für dich, oder? So wie ich erfahren habe, hast du keine Erinnerungen und nichts und niemanden sonst.“ „Nun, ich hatte Evas Bruder und seine Familie. Und L hat mich ja auch vor Beyond in Schutz genommen und will mich in die Familie integrieren. Natürlich weiß ich, dass das nicht einfach sein wird. Ich bin den Umgang mit Menschen nicht gewöhnt und weiß nicht immer, wie ich mich zu verhalten habe. Alles was ich bisher weiß, habe ich aus Büchern oder von anderen, die es mir extra erklären müssen. Und es ist leider so, dass mich alle immer noch als Sam Leens ansehen und es deshalb auch nicht einfach ist, sie davon zu überzeugen, dass ich nicht er bin.“ Rumiko nahm Eden auf den Arm, als diese langsam unruhig wurde und wiegte sie sanft im Arm. Sie sah Jeremiel mit einem prüfenden Blick an, so als versuche sie ihn zu durchschauen. Dabei neigte sie ein klein wenig den Kopf zur Seite. „Weißt du, ich bin nicht nur Musiklehrerin, sondern auch studierte Psychologin. Ich hab L und meinen Knallkopf von Bruder schon oft genug zurechtweisen müssen und ich besitze eine ziemlich gute Menschenkenntnis. Bislang hab ich immer richtig gelegen, wenn mir irgendein Kerl nicht ganz koscher war. Und von Männern halte ich ohnehin nicht viel, zumindest nicht von Heteros, weil die mir ständig an die Wäsche wollen. Aber bei dir hab ich zumindest kein ungutes Gefühl und ich glaube dir auch wenn du sagst, dass du es ehrlich mit deinem Vorhaben meinst. Weißt du, das Problem mit Beyond ist, dass er ein verdammter Dickkopf ist. Wenn er sich in irgendetwas festgefahren hat, dann kann man einfach nicht vernünftig mit ihm reden. Zumindest nicht normal. Dann muss immer Mama Ruby ran und ich hab ihm auch klar gesagt, dass er sich mal zusammenreißen soll.“ „Mama Ruby?“ „Ein Spitzname, den mir Jamie und Beyond gegeben haben. Ich musste schon sehr früh erwachsen werden und mich um Beyond kümmern, als meine Adoptiveltern sich nicht mehr um uns gekümmert haben. Sein Vater war ein Säufer und seine Mutter schwer depressiv. Also habe ich früh gelernt, auch Ersatzmutter zu sein. Und ich neige nun mal auch dazu, ganz klar zu sagen was ich denke und ich habe auch einen ziemlich strengen Ton, wenn ich Ansagen mache. Deshalb nennen mich alle dann Mama Ruby. Und Ruby kommt daher, weil Jamie mein Mann Stotterer ist und als Kind meinen Namen nicht richtig aussprechen konnte. Also nannte er mich Ruby.“ Soso, dann hatte sie Beyond also gesagt gehabt, er solle nicht mehr so gemein sein. Irgendwie… irgendwie erinnert sich mich da ein bisschen an Delta, dachte er sich, sagte aber nichts weiter dazu. Schließlich aber fragte Rumiko „Wie hast du L eigentlich finden können, wenn du dich doch an gar nichts erinnern kannst?“ „Evas Bruder hat mir geholfen. Alleine hätte ich mich eh in Boston verlaufen. Ich kann mich auch nicht erinnern, wo ich was in der Stadt finde. Vermutlich ist es wegen meiner Amnesie, oder aber ich habe als Sam Leens noch nie hier gelebt. Manchmal ist es schon frustrierend, dass ich mich weder an mein Leben als Sam Leens erinnern kann, noch als ich in Evas Welt existiert haben soll.“ Als er das ansprach, da sah Rumiko ihn nun mit ganz anderen Augen an. Dieser Blick hatte etwas emotionales, doch leider war Jeremiel nicht in der Lage zu erkennen, was sie wohl gerade fühlte. Sie konnte traurig oder auch einfach nur tief bewegt sein. Er wusste es nicht. „Was das betrifft, so wollte ich mich ohnehin bei dir bedanken. Ohne dich wäre Beyond vielleicht nicht mehr derselbe. Dank dir, Eva und Frederica hat er seine Erinnerungen wieder und er muss auch nicht mehr in der Angst leben, er könnte eine Gefahr für uns werden, weil er seine andere Seite nicht vollständig unter Kontrolle hatte. Du hast ihm sehr geholfen.“ „Hab ich gerne gemacht“, antwortete Jeremiel ein wenig unsicher. „Wahrscheinlich könnte ich diesen Dank leichter annehmen, wenn ich mich wenigstens daran erinnern könnte.“ „Ist doch nicht schlimm. Aber du weißt: Wenn etwas sein sollte, dann kannst du auch mich gerne um Rat fragen. Ich bin hier der Ansprechpartner für alle in der Familie. Und insbesondere mit schwulen Beziehungen kennt sich keiner besser aus als ich.“ Dies sagte sie mit einem scherzhaften Zwinkern und sie kicherte amüsiert. Schließlich kamen Beyond und L hinzu und waren überrascht, dass Rumiko sich so locker mit Jeremiel unterhielt und dann auch noch so lachte. „Bei euch beiden scheint ja alles wunderbar zu laufen.“ „Er ist eben ein Süßer“, erklärte die Halbjapanerin und stieß dem älteren Zwilling scherzhaft in die Seite. „So ehrlich wie der ist, erinnert er mich ein kleines bisschen an Jamie.“ „Dann… dann hast du kein Problem mit ihm?“ fragte Beyond überrascht und gesellte sich mit L dazu. Eigentlich hätte er erwartet, dass Rumiko vielleicht noch ein wenig zurückhaltend reagieren würde, da sie ja wusste, was Sam in der Vergangenheit alles getan hatte. Aber anscheinend hatte er da wohl falsch gelegen. „Nö, wieso denn? Er ist doch immerhin L’s Bruder und wenn der sagt, dass alles in Ordnung ist, dann muss es ja so stimmen. Und meine Menschenkenntnis sagt mir ohnehin, dass wir von ihm nichts Schlimmes zu erwarten haben. Oh Mann Beyond, und du hast dich wegen ihm so heftig aufgeregt? Kann ich mir ja eigentlich nicht vorstellen. Nun wobei… bei deinem Temperament und deinem Sturschädel…“ Der Serienmörder grummelte missmutig darüber und wich ihrem Blick beleidigt aus. Aber die Halbjapanerin kümmerte sich nicht großartig darum und lächelte darüber nur. „Wo hast du eigentlich Jamie gelassen?“ „Er muss noch in der Werkstatt arbeiten und kommt heute später zurück. Und da ich mir ein klein wenig Sorgen um euch beide gemacht habe dachte ich, ich schau bei euch vorbei. Nach dem heftigen Streit, den ihr hattet, dachte ich echt, jetzt brennt die Hütte.“ „So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht gewesen“, versuchte Beyond herunterzuspielen, doch das ließ Rumiko nicht zu. „Natürlich war es das. Immerhin hast du L vor die Wahl gestellt, dass er sich zwischen dir und seinem Bruder entscheiden soll und das war ja wohl unmöglich!“ „Ich hab mich ja auch schon dafür entschuldigt.“ „Das will ich aber auch für dich hoffen. L ist so ein lieber Mensch und einen wie ihn findest du so schnell nicht wieder. Du solltest echt mal aufhören, immer nur deinen Dickkopf durchsetzen zu wollen und könntest auch mal anfangen, L zu vertrauen.“ Jeremiel beobachtete die Gesprächsrunde schweigend und immer noch war sein Gesicht ausdruckslos und starr. Aber in seinem Inneren spürte er, wie sich seine Brust zusammenschnürte. Beyond hat L vor die Wahl gestellt, sich zu entscheiden? Und wenn er sich für mich entscheidet, dann macht er mit meinem Bruder Schluss? Ich hab es doch geahnt. Es wird nur Ärger bedeuten. Jeremiel erhob sich und verließ das Wohnzimmer. Beyond und Rumiko waren immer noch am Diskutieren, sodass niemand bemerkte, dass er gegangen war. Er ging zur Haustür und nur Watari fragte „Wo willst du hin?“ „Es war vielleicht doch ein Fehler, herzukommen. Ich möchte nicht, dass sich Beyond und L meinetwegen trennen und sich nur streiten. Sagen Sie ihnen bitte, dass es mir Leid tut. Ich werde lieber gehen, bevor ich nur noch mehr Probleme verursache.“ Damit ging er und schloss die Tür hinter sich. Draußen war es zwar recht warm, aber für seine Verhältnisse noch erträglich. Er ging die Straße entlang und dachte nach. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, herzukommen. Er wollte L so gerne kennen lernen, dass er nicht daran gedacht hatte, was es für die Beziehung seines Bruders bedeutete. Nun, er hätte es ja schlecht vorhersehen können, wenn er noch nicht die nötige Erfahrung in Sachen Gefühlen hatte. Zwar hatte L gesagt, dass sich alles wieder einrenken würde, aber dass es so schlimm stand, das hatte er nicht gewollt. Vielleicht war es ja besser, wenn er jetzt schon zu Liam zurückkehrte, wenn er doch sowieso ein Problem für L war. Ja, das war wahrscheinlich besser so für alle Beteiligten. Aber bevor er zurückkehrte, wollte er lieber noch einen Spaziergang machen, um den Kopf freizukriegen. So streifte er den ganzen Tag ziellos durch die Gegend, bis es schließlich Abend wurde und er sich dann in eine Bar begab. Kapitel 9: Die Entscheidung --------------------------- Sie hatten die ganze Zeit diskutiert, bis es an der Tür klingelte und schließlich Andrew und Oliver hinzukamen. Der 26-jährige Hacker war wie immer guter Laune, die seines Begleiters war hingegen sehr gedämpft und jeder wusste wieso. Rumiko begrüßte die beiden herzlich und sogleich wollte der gebürtige Ire unbedingt nach ihrem Nachwuchs sehen, da er ja sowieso sehr kinderlieb war. „Die beiden werden ja auch von Tag zu Tag immer niedlicher. Da wünscht man sich doch selbst, Papa zu sein.“ „Beinahe wärst du es auch geworden, wenn der Schwindel deiner ehemaligen Kollegin nicht aufgeflogen wäre, als sich herausgestellt hat, dass sie nicht von dir, sondern von einem anderen Kerl schwanger war. Beinahe wäre dir noch ein Kuckuckskind untergeschoben worden, wenn du nicht einen Vaterschaftstest angefordert hättest. Und außerdem stelle ich dich mir nicht direkt als Vater vor. So wie du drauf bist… Du brauchst ja deine ganzen Freiheiten und hältst nichts von Verpflichtungen. Vielleicht wärst du ein guter Vater, aber ich zweifle da ganz arg an deinem Durchhaltevermögen.“ Der Seitenhieb hatte gesessen und da Andrew den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, konnte er schlecht dagegen argumentieren. Schließlich aber fragte L „Wieso seid ihr eigentlich auch da?“ „Na wir sind wegen Jeremiel hier. Beyond hat uns ja den Sachverhalt erklärt und ich hab Andrew schließlich überreden können, hierher zu kommen, damit wir ihn kennen lernen können. Nicht wahr, Andy?“ Der Rothaarige sagte nichts, sondern wandte nur schweigend den Blick ab und wirkte bedrückt. Natürlich hatte er immer noch Angst und man sah auch, dass er sich schutzsuchend an Oliver festhielt. Aber zumindest hatte er sich überwinden können, herzukommen und es wenigstens zu versuchen und das war auch schon bemerkenswert. „Keine Sorge, Andy“, sagte Beyond und klopfte ihm auf die Schulter. „Wir sind ja da und wenn er irgendetwas versuchen sollte, werde ich mich schon um ihn kümmern.“ Nun, das war zumindest ein Lichtblick für Andrew, dass er wenigstens die anderen hatte, die ihn beschützen konnten, sollte es sich tatsächlich um Sam Leens handeln, der ihm nach dem Leben trachtete. L ging nun seinen Bruder suchen und dachte zuerst, er hätte sich zurückgezogen, da er vielleicht wieder Kopfschmerzen haben könnte. Aber er war nicht im Zimmer und bei Watari war er auch nicht. Seltsam, wo könnte er denn sein? Im Keller würde er sich sicher nicht herumtreiben. Also ging er zu Watari hin und fragte ihn „Haben Sie meinen Bruder gesehen?“ „Nun“, murmelte der alte Mann und räusperte sich. „Jeremiel schien der Ansicht zu sein, dass seine Anwesenheit in diesem Haus eine Bedrohung für Ihre Beziehung mit Beyond wäre und hat sich dazu entschlossen zu gehen.“ „Wie bitte?“ fragte L als er das hörte und konnte das nicht verstehen. „Wieso denkt er so einen Unsinn? Wir hatten doch alles geklärt.“ „Na das liegt doch auf der Hand“, erklärte Rumiko, die das alles sofort durchschaut hatte. „Er hat ja unser Gespräch mitgehört und auch, dass Beyond dich vor die Wahl gestellt hat. Und da muss er doch davon ausgegangen sein, dass seine Existenz ein Problem ist und da er dir keine Probleme machen will, hat er freiwillig das Feld geräumt.“ Dieser Idiot, dachte L und konnte nicht fassen, dass Jeremiel tatsächlich einfach so abgehauen war. Mensch, der kannte sich in Boston doch überhaupt nicht aus und würde sich doch nur verlaufen. Wo sollte er denn hin? Die einzige Adresse wäre Evas Bruder, von dem er aber bislang nicht so viel Gutes gehört hatte. Immerhin sollte dieser ihn ja sogar schon vergewaltigt haben. Und nun ging er einfach wieder zu ihm zurück, weil er sonst niemanden hatte. Große Klasse… Sie mussten ihn schnell wieder finden und ihm diesen Quatsch ausreden. Beyond wandte sich an seine Adoptivschwester. „Das hast du ja toll hingekriegt, Rumi. Jetzt ist er auf und davon.“ „Hey, hätte ich denn wissen können, dass er gleich deswegen abhaut? Und überhaupt: wieso bin ich hier die Schuldige? Keiner von euch beiden Blitzmerkern hat bemerkt, dass er abgehauen ist und keiner hat sich gewundert, wieso er nicht mehr zurückgekommen ist. Und was jetzt?“ „Wir können nicht zulassen, dass er zu Evas Bruder zurückkehrt und dann wieder von ihm misshandelt wird. Und das Problematische ist, dass er quasi überall sein kann. Wir haben doch keine Ahnung, wo er hingegangen sein könnte.“ Doch da hatte Oliver schon eine Lösung parat und setzte sich sogleich an L’s Computer. „Ist doch ganz easy: ich werde einfach sein Handy orten. L, kannst du mir vielleicht seine Nummer geben? Dann hab ich ihn im Null Komma Nichts aufgespürt.“ „Ist immer wieder von Vorteil, einen Spezialisten im Team zu haben“, stellte Rumiko fest und war erleichtert, dass es zumindest eine einfache Lösung für das Problem gab. Und auch Andrew, der sich in dieser Situation irgendwie an sein eigenes Kapitel mit Dr. Brown erinnern musste, half mit und schließlich hatten sie Jeremiels Handy gefunden. Oliver sah sich das genauer an und stellte erstaunt fest „Der hält sich in dieser „Stain“-Bar auf.“ „Ach du Scheiße“, rief die Musiklehrerin, als sie das hörte. „Das ist ein ziemlich fieses Loch. Dort treiben sich so allerhand Gestalten herum. Wir sollten besser gehen und ihn da rausholen, bevor da noch was passiert. Teilweise halten sich echt üble Typen dort auf.“ „Wir gehen und du bleibst mit den Zwillingen da und wartest. Wenn es wirklich dort so ist wie du sagst, dann solltest du besser hier bleiben.“ „Hey, nur weil ich eine Frau bin heißt das noch lange nicht, dass ich den Typen nicht den Arsch versohlen kann, wenn sie mir dumm kommen.“ „Das glauben wir dir aufs Wort. Aber du kannst doch nicht die Kinder dorthin mitnehmen.“ Damit gab sich Rumiko geschlagen, war aber dennoch nicht sonderlich begeistert und blieb also mit Watari und ihren Kindern da, um auf die anderen zu warten. L, Beyond, Andrew und Oliver machten sich schließlich auf den Weg zu dieser Bar, von der die Rede war. Noch während sie dorthin fuhren, fragte Andrew „Wer ist denn überhaupt so verrückt, dort freiwillig hinzugehen? Er hätte doch genauso gut in jede andere Bar gehen können.“ „Er hat keine Erfahrungen mit Menschen, deshalb empfindet er offenbar so etwas wie Misstrauen noch nicht so wirklich und weiß wahrscheinlich nicht, wie gefährlich es dort sein kann. Immerhin ist er ja auch schon an Menschenhändler geraten und mit denen ist ja auch nicht zu spaßen.“ Nach knapp zwanzig Minuten erreichten sie Bar, die schon außen nicht sonderlich einladend aussah. Beyond ging vor und betrat als sie als erster und gleich schon nach kurzem Umschauen sah er Jeremiel am Tresen sitzen. Er hatte seinen Kopf abgelegt und schien sich wohl ziemlich abgeschossen zu haben. „Na da haben wir ihn doch…“ Sie gingen zu ihm hin und sahen schon, dass er wohl einiges getrunken hatte. Und er schien eingeschlafen zu sein. In der Hand hielt er noch eine fast leere Wodkaflasche. L schüttelte den Kopf und versuchte ihn wachzurütteln. „Jeremiel, wach auf. Hey, hast du die ganze Flasche leer getrunken?“ Nur langsam wachte der Betrunkene auf und grummelte leise. Nun versuchte der Detektiv ihm die Flasche wegzunehmen, doch Jeremiel hielt sie fest und nuschelte „Lass mich… ich bin noch nicht fertig. Ich kann noch…“ „Red keinen Unsinn. Du bist betrunken und solltest dich besser ausnüchtern. Komm mit, wir gehen nach Hause.“ „Ich bin nicht betrunken“, rief der Blondhaarige und sah L mit einem schmollenden Blick an. Aber allein schon an seiner lallenden Stimme ließ sich mehr als deutlich erkennen, dass er nicht mehr bloß angeheitert war. Er hatte sich eindeutig abgeschossen. „Ich sollte besser nach Hause gehen. Liam wird sicher ziemlich sauer werden… er kann nämlich seeeehr bööööse werden wenn ich nicht komme. Gaaaaaanz böse!!“ Schließlich wanderte sein Blick zu den anderen und dass er Schwierigkeiten hatte, überhaupt noch klar zu sehen, war auch ganz gut zu erkennen. Er sah sie mit einem missmutigen Blick an, erhob die Hand um mit dem Zeigefinger auf sie zu deuten, doch in dem Moment kippte er zur Seite und fiel vom Hocker. Sofort waren Beyond und L zur Stelle, um ihm hochzuhelfen und ihn wenigstens aufrecht hinzusetzen. „Jeremiel, lass den Blödsinn doch. Komm mit uns zurück, dann kannst du deinen Rausch ausschlafen.“ „Nein, ich will hier nicht weg“, protestierte dieser und klammerte sich am Barhocker fest wie ein störrisches kleines Kind. „Ich bleibe hier. Ihr wollt mich doch sowieso nicht haben. Beyond hasst mich und alle haben Angst vor mir, dabei will ich doch nichts Böses. Ich bin auch ganz brav.“ „L, es hat keinen Sinn, mit ihm kann man nicht reden.“ „Du hast das sprechende Streichholz gehört“, lallte Jeremiel und zeigte auf Andrew oder zumindest versuchte er es. Denn mit dem Zielen funktionierte es auch nicht mehr, seit er alles doppelt und dreifach sah. „Ich geh hier nicht weg. Es mag mich doch sowieso niemand von euch. Ihr alle seid gemein zu mir und deshalb bleib ich hier.“ „Da redet nur der Alkohol aus dir.“ „Ich sagte doch ich bin nicht betrunken. Wieso sollte mich denn einer von euch denn bei sich haben wollen? Beyond wollte mich töten, für meinen Bruder bin ich ein Fremder, Andrew hat Angst vor mir und Oliver ist doch sowieso auf seiner Seite. Keiner hat mich lieb!“ Wenn das, was er sagte, nicht so ernst und ehrlich gemeint wäre, dann hätte Beyond darüber gelacht, dass sich der Mensch, den er so lange als Sam Leens gekannt und gefürchtet hatte, sich im betrunkenen Zustand wie ein Kleinkind aufführte. Andrew seufzte und ging auf ihn zu. „Es tut mir Leid, dass ich so voreingenommen war. Ich bin doch extra hergekommen um dich kennen zu lernen. Und ich…“ Bevor er weiterreden konnte, hatte Jeremiel ihm in die Nase gekniffen und schmollte immer noch. „Ihr drei könnt mich nicht an der Nase herumführen. Ich hab sie nämlich!“ Andrew konnte sich von ihm befreien und erklärte mit Nachdruck in der Stimme „Ich meine es ernst. Wir wollen dir helfen, wenn du in Schwierigkeiten bist. Es tut mir Leid, dass ich dich ungerecht behandelt habe. Es war nicht gegen dich persönlich, ich hatte nur Angst.“ „Dann bist du also nicht böse auf mich?“ Als Andrew den Kopf schüttelte, gab sich Jeremiel zufrieden und wollte aufstehen, was sich in seinem Zustand aber als ziemlich schwierig gestaltete. Er konnte einfach nicht das Gleichgewicht halten und kippte immer wieder um. Oliver wollte schon helfen, doch Jeremiel schaltete wieder auf stur und rief „Ich kann das alleine, ich bin doch nicht betrunken.“ Mit Mühe und Not gelang es ihm, sich hochzuziehen und sich am Tresen abzustützen. Doch kaum, dass er ein paar Schritte gehen wollte, geriet er ins Wanken und wäre wieder umgekippt, wenn Beyond und L ihn nicht festgehalten hätten. Sofort sank der ältere Zwilling zusammen und bot kein sonderlich gutes Bild. „Hey, alles okay bei dir?“ erkundigte sich L besorgt als er sah, wie sein Bruder immer blasser wurde. Dieser stöhnte leise und murmelte „Nein…“ „Was hast du?“ „Na was wohl? Ich bin betrunken.“ „Aber du hast doch gerade….“ „Lass es gut sein, L“, unterbrach ihn Oliver. „Mit Besoffenen kann man nicht vernünftig reden. Lass uns lieber gehen.“ „Da hat die Lady gaaaanz Recht“, rief Jeremiel und wollte alleine weitergehen, aber L und Beyond hielten ihn fest. Sie brachten ihn nach draußen an die frische Luft und sogleich stiegen sie in den Wagen ein. Und als sie den Betrunkenen auch schon auf den Rücksitz setzten und ihn anschnallen wollten, da rief er in einer fürchterlichen Gesangsstimme „Ich singe ein trauriges, trauriges Lied… jawohl ein trauriges, trauriges Lied.“ Und hier konnte sich Beyond nicht mehr beherrschen und musste lachen. Zu schade, dass sie keine Kamera dabei hatten. Das war einfach zu lustig. Nun, er lachte zumindest so lange, bis L ihm einen warnenden Blick zuwarf, denn der fand es nicht lustig, dass sich sein Bruder so dermaßen betrunken hatte, weil er sich abgelehnt fühlte. Das war für ihn einen ernste Sache. Sie stiegen nun ebenfalls ein und damit fuhren sie zurück. Schließlich aber wandte sich Jeremiel seinem Bruder zu, machte ein ernstes Gesicht (oder zumindest wollte er eines machen, denn es gelang ihm einfach nicht) und fragte „Darf ich dich was fragen?“ „Klar, was willst du wissen?“ „248 dividiert durch eine Kartoffel = x, was ergibt x?“ Beyond konnte sich beim besten Willen nicht mehr bei dieser Frage zusammenreißen und brach in ein schallendes Gelächter aus und selbst Oliver schmunzelte amüsiert darüber. L seufzte und schüttelte den Kopf. Es brachte nichts. Mit seinem Bruder konnte er einfach nicht vernünftig reden, wenn dieser sowieso sturzbetrunken war. Da dieser keine Antwort bekam, erklärte er „Ich hab es nachgerechnet: x ist gleich 2!“ L schwieg und gab keine sonderliche Reaktion darauf. Er hatte längst eingesehen, dass es absolut sinnlos war, mit Jeremiel halbwegs vernünftig reden zu wollen, wenn der eh hackevoll war. Während der Fahrt schlief dieser kurz ein und begann laut zu schnarchen. Andrew, der auf dem Beifahrersitz saß, schaute zu ihnen nach hinten auf die Rückbank und musste selbst schmunzeln, als er Jeremiel so sah. „Du hattest Recht, Beyond“, sagte er schließlich und lachte. „Das ist wirklich nicht mehr der Jeremiel, den ich vorher gekannt habe. Das ist ein ganz anderer Mensch.“ Nun war L überrascht, als er das hörte, denn er hätte jetzt nicht gedacht, dass Andrew seine Skepsis überwinden würde und sich so schnell überzeugen ließ. Aber offenbar war es wohl doch auf eine bescheuerte Art und Weise doch zu was gut gewesen, dass Jeremiel sich die Kante gegeben hatte. Sam Leens hätte sich nie und nimmer so aufgeführt. Als sie wieder zurück waren, halfen sie dem betrunkenen Zwilling beim Aussteigen, da warf sich dieser L plötzlich um den Hals und küsste ihn direkt auf den Mund. Der Detektiv wusste erst nicht wie ihm geschah, dann aber drückte er seinen Bruder weg, der eine ordentliche Fahne hatte. Dieser schmollte wieder bei der Zurückweisung und rief mit der Stimme eines Kleinkindes „Warum hast du mich nicht lieb, Bruderherz? Ich dachte du hast mich liiiiieeeb…“ Beyond musste sich am Wagen abstützen und kam aus dem Lachen nicht mehr raus. Oliver hingegen lächelte amüsiert und beobachtete die Szene mit Interesse. „Anscheinend wird er richtig emotional, wenn er betrunken ist. Wahrscheinlich, weil da sein logisches Denkvermögen komplett ausgeschaltet ist. Würde mich ja mal interessieren, wie L sich so benimmt, wenn wir ihn abfüllen würden.“ „Den Teufel werdet ihr tun! Und jetzt helft mir mal gefälligst, diese Klette hier loszuwerden!“ So langsam platzte L der Kragen, denn Jeremiel klammerte sich regelrecht an ihm fest und machte auch keine Anstalten, ihn loszulassen. In dem Zustand erinnerte er ein wenig an Beyond, als der mal zu viele Beruhigungsmittel genommen hatte und dann auch so zu klammern anfing und peinliches Zeug faselte. Und nun hatten sie mit Jeremiel dasselbe Problem. „Du bist so gemeeeeeeeein, L. Ich bin doch dein älterer Bruder!“ Sie schafften es schließlich, ihn von L wegzuziehen und brachten ihn rein. Rumiko kam ihnen schon direkt entgegen und sah die Bescherung. „Ach herrje, was ist denn mit ihm passiert?“ „Er hat zu tief ins Glas geschaut.“ „Hab ich nicht. Das Glas war doch so klein! Und ich bin nicht betrunken.“ „Und wieso kannst du nicht mal alleine laufen?“ „Na weil ich nun mal betrunken bin.“ Sie brachten Jeremiel in L’s Zimmer, wo er erst einmal seinen Rausch ausschlafen konnte. Als sie zurückkamen, musste Beyond natürlich wieder lachen und seiner Adoptivschwester brühwarm erzählen, wie sich Jeremiel in der Bar aufgeführt hatte. Und auch die Musiklehrerin war sichtlich amüsiert darüber, dann aber wurde sie wieder etwas ernster. „Was glaubst du wohl, warum er sich erst so betrunken hat? Er fühlt sich doch total ausgeschlossen und ungeliebt. Im Grunde war das doch ein Zeichen dafür, dass er völlig hilflos ist.“ „Das weiß ich ja, trotzdem fand ich das lustig.“ Beyond grinste noch ein wenig vor sich hin und hatte sichtlich Spaß. Dann aber setzten sie sich ins Wohnzimmer, um sich zu beratschlagen. Inzwischen war auch Jamie von der Arbeit zurück und damit war die ganze Familie komplett. Damit konnten sie nun alle zusammen endlich beratschlagen, was sie jetzt tun sollten. Das war die große Frage. Sollten sie Jeremiel weiterhin mit Vorsicht behandeln oder als vollwertiges Mitglied in die Familie integrieren? Da L die Entscheidung nicht alleine treffen konnte, war es nur selbstverständlich, wenn er auch die anderen fragte, was sie darüber dachten. Jamie sagte sofort „Also wenn er auch zur Familie dazugehört, dann soll er doch bei uns bleiben. Und außerdem ist er doch L’s Bruder!“ Er hatte seine Entscheidung recht einfach und schnell getroffen und dachte auch nicht großartig über das ganze Wenn und Aber nach. Nun war Rumiko an der Reihe, ihre Entscheidung zu fällen. „Also so wie ich ihn kennen gelernt habe, scheint er keine ernste Bedrohung darzustellen. Er wirkte auf mich vertrauenswürdig und auch sympathisch, da finde ich, dass wir ihm eine Chance geben sollten. Und wenn er tatsächlich von Evas Bruder so furchtbar behandelt wird, dann sollten wir ihn auch ein Stück weit vor ihm schützen. Nachdem wir schon Andrew geholfen haben als er in Schwierigkeiten steckte, ist es doch selbstverständlich, wenn wir auch Jeremiel zur Seite stehen und ihm die Hilfe geben, die er braucht. Fakt ist: alleine kommt er momentan nicht zurecht und da er im Umgang mit anderen Menschen absolut unerfahren ist, braucht er jemanden, der ihm hilft. Also ich bin gerne bereit euch alle dabei zu unterstützen, wenn ihr Unterstützung braucht. Als Hobby-Paartherapeutin helfe ich auch gerne bei solchen Sachen. Ihr wisst ja: unsere Tür steht immer offen.“ Damit hatte auch Mama Ruby ihre Entscheidung gefällt und so waren nur noch L, Beyond, Andrew und Oliver übrig. L hatte auch schon seinen Entschluss gefasst und wollte seinem Bruder helfen und für ihn da sein. Wenn es ihm bei Evas Bruder wirklich schlecht gehen sollte, dann durfte er nicht zulassen, dass er dorthin zurückkehrte. Er wollte ihn beschützen und ihm helfen, sich in die Familie zu integrieren und nach 25 Jahren auch endlich mal eine richtige Familie zu haben. Schließlich waren nur noch Oliver und Andrew übrig. Oliver überkreuzte die Beine, lehnte sich lässig zurück und erklärte „Nun, also ich bin überzeugt, dass der Gute tatsächlich nicht Sam Leens ist. Ich meine die Szene in der Bar sprach doch deutlich Bände. Ich finde ihn auch irgendwie ganz niedlich und könnte mir gut vorstellen, ihn in die Familie aufzunehmen. Streng genommen gehört er ja sowieso schon dazu. Nicht nur weil er L’s Bruder ist, sondern weil er ja auch genauso wie wir ein Wiedergeborener aus Evas Familie ist. Außerdem hat er Beyond geholfen, seine Erinnerungen zurückzubekommen und mit seiner wahnsinnigen Seite fertig zu werden. Das sollten wir doch auch nicht vergessen. Und wenn er auf unsere Hilfe angewiesen ist, dann bin ich sowieso dafür, dass wir ihm helfen. Deshalb schließe ich mich euch an. Nun zu dir Andy, was sagst du dazu?“ Ja, nun war Andrew der Einzige, der noch übrig geblieben war. Bei seiner Situation war das ja ohnehin problematisch, weil er derjenige war, der am meisten unter der Angst vor Sam Leens zu leiden hatte. Dieser Kerl hatte seine Familie und seine Freunde getötet und sein Zuhause niedergebrannt. Er hatte schwere Traumata davongetragen, an denen er bis heute noch zu arbeiten hatte. Was man von ihm verlangte, war wirklich viel und das wussten sie alle. Deshalb war auch niemand böse, wenn er sich dagegen entschied. Sie alle hatten ja nicht durch Sam all das verloren, was sie besessen hatten. Eine Weile schwieg der Rothaarige und atmete tief durch. Dann hatte er seinen Entschluss gefasst und wurde ernst. „Nun, ich werde dem Jeremiel von damals niemals vergeben, was er mir angetan hat. Ich hasse ihn und ich habe immer noch Angst vor ihm. Aber… der jetzige Jeremiel, den ich heute kennen gelernt habe, ist nicht mehr der alte. Der alte, also „Sam Leens“ war kein Mensch, sondern ein Monster. Aber jetzt haben wir es mit einem Menschen zu tun und er wirkt auch nicht bösartig auf mich. Im Grunde ist er doch genauso hilflos, so wie ich es damals gewesen bin. Es fällt mir ehrlich gesagt noch schwer, ihn jetzt als eine andere Person zu sehen, weil ich in seinem Gesicht immer noch den alten Jeremiel sehen werde. Aber… ich will ihm eine Chance geben. L hat mir auch geholfen, obwohl er wusste, was zwischen mir und Beyond gewesen ist und er mir deswegen misstraut hat. Deshalb wäre es nur fair, wenn ich Jeremiel helfe und ihn als Teil der Familie akzeptiere. Zwar wird es noch eine Weile dauern, bis ich gänzlich daran gewöhnt habe, aber ich will mich bemühen, ihn als Mitglied der Familie zu behandeln und auch zu lernen, ihn nicht mehr als das Monster von damals zu sehen. Und… wenn er wirklich von Evas Bruder vergewaltigt wurde, dann… dann müssen wir ihn vor diesem Kerl beschützen! Immerhin habt ihr mich ja auch vor James gerettet, nachdem er mich jahrelang geschlagen und vergewaltigt hat.“ Damit hatten sie ihre Entscheidung gefällt und somit fiel auch das Ergebnis einstimmig aus, sehr zu L’s Zufriedenheit. Jeremiel war jetzt offiziell ein Teil ihrer Familie. Kapitel 10: Der Kater danach ---------------------------- Es war mitten in der Nacht, als L kurz aufwachte, da Beyond gerade so laut schnarchte. Zugegeben, es war zwar wirklich angenehm, sich beim Schlafen an ihn zu kuscheln aber manchmal war dieses Geschnarche echt nervig. Und Beyond seinerseits schlief so tief und fest, dass ihn nicht einmal Kanonenschüsse aufgeweckt hätten. Meist half da nur eines: L hielt ihm kurz die Nase zu und danach hatte sich das Schnarchen von selbst wieder erledigt. Na Gott sei Dank, jetzt war endlich wieder Ruhe. Also legte L wieder seinen Kopf auf Beyonds Brust ab und schloss die Augen um wieder zu schlafen, da hörte er plötzlich schlurfende Schritte auf dem Flur. War das Watari? Nein, die Schritte klangen ein wenig torkelnd. Offenbar Jeremiel, der wohl durchs Haus irrte. Ob ich nicht vielleicht mal nachschauen sollte, bevor er schlimmstenfalls noch die Treppe hinunterstürzt und sich was bricht? L wollte schon gerade aufstehen, da wurde die Tür geöffnet und Jeremiel kam wankend hereingeschlurft. „Hey was…“ Bevor der Detektiv mit den Pandaaugen weiterreden konnte, kam sein älterer Bruder zum Bett und ließ sich dann einfach fallen. L schaffte es nicht mehr rechtzeitig, seinem Zwillingsbruder Platz zu machen und so fiel dieser direkt auf ihn drauf und einen Augenblick später begann er zu schnarchen. Nun versuchte L irgendwie den Schlafenden wegzudrücken, doch leider befand er sich jetzt in einer mehr als blöden Situation. Er lag bäuchlings auf dem Bett und lag halbwegs auf Beyond drauf und nun lag sein Bruder, der dieselbe Größe und knapp das gleiche Gewicht hatte, auf ihm drauf und schnarchte genau in sein Ohr rein. Und jeglicher Versuch, irgendwie aufzustehen oder sich herauszuwinden war auch vergebens. Er saß fest… „Jeremiel… Hey!“ Zwecklos, der schlief tief und fest. Nun versuchte er es damit, Beyond aufzuwecken, aber leider pennte der auch so tief und fest, dass es ihn nicht einmal aufweckte, als L laut zu rufen begann. Und als Beyond am nächsten Morgen aufwachte, sah er Jeremiel eingerollt neben dem Bett liegen. Natürlich wunderte sich der Serienmörder schon, warum der Kerl da neben dem Bett lag aber er dachte sich einfach: er wird wohl in der Nacht aufgestanden sein und so betrunken wie er war, hat er das Zimmer nicht mehr gefunden und ist auf dem Fußboden eingepennt. Na was soll’s. Also stand er auf und brachte Jeremiel zurück in L’s Zimmer, damit er vernünftig schlafen konnte. Danach ging er zurück, um sich noch mal eine Weile hinzulegen, da hatte sich L schon aufrecht im Bett hingesetzt. „Na, ausgeschlafen?“ Der verschlafene Detektiv sah ihn mit einem todbringenden Blick an. „Wie denn, wenn du mir in das eine Ohr hineinschnarchst und Jeremiel mir ins andere? Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugekriegt und weil er die ganze Zeit auf mir drauf lag, konnte ich auch nicht aufstehen. Also frag mich nicht, ob ich ausgeschlafen hätte!“ Meine Güte ist der stinkig heute, dachte sich der Serienmörder und beschloss, L erst mal in Ruhe zu lassen. Also ging er alleine ins Wohnzimmer, sah sich die Nachrichten an und aß ein wenig Erdbeermarmelade. L kam knapp drei Stunden später, nachdem er wieder kurz eingeschlafen war. Allerdings war er immer noch deutlich verstimmt und man hätte echt meinen können, er wäre von einer dunklen Aura umgeben, so schlecht gelaunt war er. Deshalb verkniff sich Beyond seine Späße lieber, da er sonst echt Angst um sein Leben haben musste. Selten kam es vor, dass er überhaupt mal Angst hatte und noch seltener vor Menschen. Aber direkt nach Sam Leens war L seiner Meinung nach echt zum Fürchten, wenn er schlecht gelaunt war. Schließlich kam aber gegen Nachmittag Jeremiel zu ihnen, der ganz schön angeschlagen aussah und einen fürchterlichen Kater hatte. Sogleich bekam er Aspirintabletten von Watari und konnte sich überhaupt nicht erinnern, was eigentlich passiert war, nachdem er in die Bar gegangen war. Nun, er konnte sich zumindest sehr verschwommen erinnern, dass irgendein Typ ihn angesprochen hatte. Ein ziemlich fieser Zeitgenosse, der wohl nichts Gutes im Schilde geführt hatte. Und er wusste nur noch, dass da auf einmal Johnny aufgetaucht war, um ihm den Typen vom Leib zu halten. Sie hatten dann eine Weile geredet und dann war er wohl eingeschlafen. Und dann wachte er auf einmal in L’s Bett wieder auf. Seltsam das Ganze. Tja und jetzt hatte er den totalen Hangover. Und auch L schien irgendwie schlecht gelaunt zu sein, das sah er sofort. Auch entging ihm nicht, dass Beyond sich ein Lachen verkneifen musste, aber so wirklich einen Reim darauf machen konnte er sich auch nicht. „Wie bin ich denn eigentlich wieder hierher gekommen?“ fragte er, nachdem er das Aspirin eingenommen hatte. Dennoch brummte ihm gewaltig der Schädel und ihm war schlecht. Großer Gott, wieso nur war er auf die bescheuerte Idee gekommen, Alkohol zu trinken wenn er doch nicht mal gewusst hatte, was das Zeug eigentlich bei ihm anrichtete? Dabei hatte er doch gesagt gehabt er wollte einen Drink. Und das Zeug hatte zwar wie Wasser ausgesehen, aber total komisch geschmeckt. Und da er so viel getrunken hatte, ließ das nur einen Schluss zu: er hatte sich total abgeschossen! „Wir haben gestern dein Handy orten lassen, als du abgehauen bist. Wir haben dich in dieser Bar aufgesammelt und dann wieder zurückgebracht. Du warst so hackendicht, dass du nicht mal mehr alleine laufen konntest.“ „Und es war niemand bei mir?“ „Nein. Wieso fragst du?“ „Nicht so wichtig.“ Dann ist Johnny also schon gegangen, bevor L und die anderen in die Bar gekommen sind. Oder aber er ist im Hintergrund geblieben, um auf mich aufzupassen. Mit Sicherheit hat Liam ihn und Delta darum gebeten, ein Auge auf mich zu haben, damit mir nichts passiert. Jeremiel musste bei dem Gedanken schmunzeln. Liam ist aber auch wirklich etwas überängstlich… Na wenigstens ist nichts passiert und ich bin nicht schon wieder in so eine fürchterliche Situation geraten wie bei diesem Norman Hayes und Mr. Fincher. Noch einmal muss ich das wirklich nicht haben. Wieso bin ich überhaupt noch mal gegangen? Jeremiel versuchte nachzudenken, aber in seiner Verfassung war das mehr als schwer und er konnte kaum die Konzentration aufbringen. Aber dann erinnerte er sich wieder. Ja richtig. Rumiko hatte erzählt gehabt, dass Beyond L vor die Wahl gestellt hatte und er hatte sich daraufhin entschieden, freiwillig zu gehen. Er hatte den Gedanken nicht ertragen können, dass sein Bruder wegen ihm seine große Liebe verlieren würde. Eigentlich wollte er zu Liam zurück, war dann aber in die Bar gegangen, nachdem er den ganzen Tag spazieren gewesen war, um den Kopf freizukriegen. Und dann hatte er sich versehentlich betrunken. Wie hatte er nur so spät merken können, dass das kein Wasser war? Nun, vielleicht war es ja auch ein Stück weit absichtlich gewesen als er gemerkt hatte, dass er mit dem ganzen Alkohol seine Sorgen wegen L und Beyond vergessen konnte. Naja, zumindest vorübergehend, denn jetzt waren diese Probleme zusätzlich zum Hangover auch noch da. „Tut mir Leid, dass ich solche Schwierigkeiten mache“, murmelte er und trank einen Schluck Wasser. „Ich platze einfach so in euer Leben rein und habe nicht darüber nachgedacht, was das für euch und eure Beziehung bedeutet. Ich war egoistisch und hätte vielleicht gar nicht herkommen sollen. Ich möchte nicht, dass du dich für jemanden entscheiden musst, L. Du und Beyond seid schon so lange zusammen und ihr seid glücklich miteinander. Das merkt sogar jemand wie ich, der kaum Ahnung von solchen Dingen hat. Ich bin doch eh nur ein Fremder und gehöre nicht hierher. Deshalb dachte ich, es wäre das Beste für alle, wenn ich wieder gehe.“ „Bist du deshalb in diese Bar gegangen?“ fragte L und unsicher zuckte sein älterer Zwillingsbruder mit den Achseln. „Ich bin den ganzen Tag unterwegs gewesen, weil ich nachdenken wollte. Und dann war ich total erschöpft und wollte was trinken gehen. Und dabei habe ich den Wodka wohl mit Wasser verwechselt und erst zu spät gemerkt, dass ich schon total angetrunken war. Aber da ich gemerkt habe, dass ich somit wenigstens diese ganzen negativen Gefühle vergessen konnte, da hab ich weitergemacht, bis ich am Tresen eingeschlafen bin.“ Beyond musste fast lachen als er hörte, dass es tatsächlich Menschen gab, die so blöd waren und Wodka für Wasser hielten. Mensch, der Idiot hätte doch merken müssen, dass das Alkohol war und kein Wasser! Aber na ja, da Sam Leens wohl nie Alkohol angerührt hatte, konnte Jeremiel ja eigentlich nichts dafür, dass er nicht wusste, dass er da Wodka bekommen hatte. Irgendwie war er in der Hinsicht wirklich wie ein Kind, das nicht viel Ahnung von der Welt hatte. Ein Stück weit war das ja auch gestern Abend ziemlich witzig gewesen, als er sich im betrunkenen Zustand wie ein trotziger kleiner Junge aufgeführt hatte. Oh Mann, bei der nächsten Party müssen wir L mal abfüllen um zu sehen, wie der sich dann aufführt. Bei dem Gedanken musste er wieder in sich hineinlachen. Die beiden Lawliet-Brüder ignorierten dies und widmeten sich einfach wieder ihrem Gespräch zu. L schüttelte den Kopf und legte eine Hand auf Jeremiels Schulter. „Das ist doch Unsinn. Natürlich hat es ziemlichen Krach zwischen mir und Beyond gegeben, aber ich hab doch gesagt, dass es öfter mal zwischen uns schwierig wird, weil wir beide nun mal echte Dickköpfe sind. Aber eben weil wir uns lieben, versuchen wir auch immer eine Lösung zu finden und uns vernünftig auszusprechen, um einander besser zu verstehen. Nicht umsonst ist Rumiko hier Dauergast bei uns. Sie ist hier sozusagen die Paartherapeutin für uns alle und hilft auch Andrew und Oliver, wenn die beiden sich mal am Streiten sind. Streitereien passieren immer wieder, aber man darf das nicht jedes Mal auf die Goldwaage legen. Besonders nicht bei Beyond. Manchmal redet er schneller als er nachdenkt und sagt auch vieles im Affekt, was er später bereut. Deshalb solltest du dir nicht allzu viele Gedanken deswegen machen. Als du gestern Abend deinen Rausch ausgeschlafen hast, da haben wir uns alle zusammengesetzt und beschlossen, dich in die Familie aufzunehmen und dir zu helfen.“ Jeremiels Augen weiteten sich, als er das hörte und er war nun vollkommen sprachlos. Und so ganz konnte er das auch nicht glauben. Alle waren einverstanden, dass er zu einem Teil ihrer Familie wurde? Selbst Andrew und Beyond? „Wirklich alle?“ Beyond nickte und erklärte „Als wir dich in der Bar aufgesammelt haben, da hast du dich so bescheuert aufgeführt, dass du Andy vollends überzeugt hast, dass du nicht Sam bist. Selbst er musste lachen, als du angefangen hast zu singen. Wie ging das noch mal? „Ich singe ein trauriges, trauriges Lied. Jawohl ein trauriges, trauriges Lied…“ Das war der absolute Lacher gewesen! Zu schade, dass ich keine Kamera dabei hatte.“ Wieder musste er sich kugeln vor Lachen, Jeremiel hingegen war überhaupt nicht nach Lachen zumute. Er konnte nicht glauben, dass er das tatsächlich getan hatte. Unfassbar, wozu Alkohol denn so alles imstande war. Kaum vorzustellen, wie er sich noch aufgeführt hatte. „War das alles?“ „Nee, du hast dich noch am Barhocker festgeklammert und wolltest unbedingt in der Bar bleiben, dann hast du noch 248 durch eine Kartoffel dividiert, Andrew als sprechendes Streichholz bezeichnet und Oliver für eine Frau gehalten. Ach ja, du hast L noch auf den Mund geküsst, als er dir aus dem Wagen helfen wollte.“ Als Jeremiel das hörte, wurde er hochrot im Gesicht und schämte sich in Grund und Boden, dass er sich derart furchtbar und kindisch aufgeführt hatte. Warum nur musste er sich so betrinken? Am liebsten würde er das alles sofort rückgängig machen. „Tut mir Leid. Das wollte ich nicht.“ Doch Beyond wollte ihn noch ein bisschen weiterärgern und begann ihn auch noch nachzuahmen, als er betrunken gewesen war. Und so klammerte er sich an L und rief „Du bist gemeeeeeein, L. Warum hast du mich denn nicht liiiieeeeb? Ich bin doch dein großer Bruder…“ Und nun platzte dem Detektiv der Kragen. Er schnappte sich die Fernsehzeitung, rollte sie zusammen und gab dem BB-Mörder damit einen gepfefferten Schlag auf den Kopf. „Jetzt reicht es aber endgültig! Ich hab gestern schon genug Ärger gehabt, da musst du nicht noch einen draufsetzen. Und wenn du meinst, du müsstest dich hier auch noch so dämlich aufführen, dann kannst du die nächsten Tage auf der Couch schlafen!“ „Ja, ja“, murmelte Beyond und rieb sich die Stelle, wo L ihn mit der Zeitschrift getroffen hatte. „Musst ja nicht gleich so zickig werden, Pandabärchen.“ Und sofort gab es noch einen Klaps hinterher. Jeremiel runzelte die Stirn als er das hörte. Pandabärchen? Wieso nannte Beyond ihn so? Nun, die beiden liebten sich, also mussten es wohl so einer dieser merkwürdigen Kosenamen sein, die sich Verliebte gaben. Oder eben wie Delta, der mich ja auch immer Engelchen nennt. „Warum reagierst du so, wenn er dich so nennt?“ „Warum? Na weil ich so etwas nicht haben muss. Es ist einfach nur peinlich und Beyond macht so etwas eh nur, um mich zu ärgern.“ „Aber Kosenamen sind doch ein Ausdruck von Liebe, oder?“ „Da hast du es gehört, Zuckerschnütchen! Jeremiel stört es rein gar nicht, wenn ich dich so nenne.“ „Sei bloß still, bevor ich dir endgültig das Maul stopfe!“ Und da L sowieso in einer extrem miesen Stimmung war, ergriff Beyond vorsichtshalber die Flucht. Da er ohnehin noch völlig verkatert war, legte sich Jeremiel wieder hin und ruhte sich für den Rest des Tages aus. Bevor er das aber tat, holte er sein Handy hervor und wählte Liams Nummer. Er hatte sich schon eine Weile nicht mehr gemeldet und wahrscheinlich hatte er auch schon Wind bekommen, was in der Bar passiert war. Und bevor er noch aufkreuzte und Ärger machte war es besser, ihm Bescheid zu sagen, dass alles in Ordnung war. Und tatsächlich ging er endlich ran. „Jeremiel, was gibt es? Wie geht es dir?“ „Ich bin ziemlich verkatert. Nachdem es mit Beyond einigen Stress gab, bin ich von dort abgehauen und den ganzen Tag in Boston unterwegs gewesen und dann in eine Bar gegangen.“ „Ja ich weiß. Johnny hat erzählt, dass du dich betrunken hast.“ Sein Ton klang ziemlich streng und auch ein klein wenig vorwurfsvoll. Nun, er ist sicherlich sauer, weil ich schon wieder so unvorsichtig war. „Kann es sein, dass du ihn geschickt hast?“ „Natürlich. Ich habe ihn und Delta gebeten, auf dich aufzupassen und einzuschreiten, wenn du in Gefahr geraten solltest. Und das war ja wohl auch mehr als nötig gewesen. Du musst echt mal etwas vorsichtiger werden. Wenn er nicht da gewesen wäre, hätte wer weiß was passieren können. Und in dieser Bar treiben sich ohnehin viele gefährliche Kriminelle herum. Zum Glück wussten die, wer Johnny ist, dann hatten sie dich wenigstens in Ruhe lassen. Du solltest insbesondere dieser Bar lieber fern bleiben und mehr auf dich Acht geben.“ „Ja ich weiß“, murmelte Jeremiel und spürte, wie das Dröhnen in seinem Kopf immer schlimmer wurde, je lauter Liam sprach. Dieser verdammte Kater… „Ich hab den Wodka irrtümlich mit Wasser verwechselt und erst zu spät gemerkt, dass ich schon betrunken war. Aber zumindest hat sich hier alles geklärt.“ „Inwiefern geklärt?“ „Sie haben mich als Teil der Familie akzeptiert und auch eingesehen, dass ich nicht Sam Leens bin. Du hör mal, wäre es in Ordnung, wenn ich noch eine Weile hier bleibe, bevor ich wieder zurückkehre? Ich würde sie alle noch gerne etwas näher kennen lernen.“ Liam schwieg und Jeremiel ahnte schon, was ihm durch den Kopf ging. Er hatte wohl doch noch Sorgen, dass er nicht mehr zu ihm zurückkehren würde. „Hey, jetzt mach dir nicht so viele Gedanken. Ich bleib ja nicht für immer hier. Ich will nur etwas Zeit mit ihnen verbringen und sie näher kennen lernen. Aber das heißt nicht, dass ich nie mehr zurückkomme. Ich mach dir einen Vorschlag: du rufst mich einfach an, wenn du Zeit hast und dann können wir uns mal treffen.“ „Und was willst du L sagen?“ „Ich werde mir schon etwas einfallen lassen. Ich weiß ja, dass du nicht willst, dass er erfährt, dass du bei der Mafia bist.“ „Du solltest besser aufpassen, dass du nicht zu laut sprichst. Er könnte vielleicht etwas mitbekommen.“ „Er ist eh gerade nicht da. Wahrscheinlich ist er wieder irgendwo mit Beyond am zanken. Wie schaut es bei dir soweit aus?“ „Das Übliche. Viel Arbeit und Ärger mit einem Lieferanten, der die Ware unterschlagen hat. Wir sind gerade dabei, ihm die Daumenschrauben anzulegen und aus ihm rauszuquetschen, wo er die Ware versteckt hat. Und Delta führt sich wie ein sterbender Schwan auf, seit du weg bist. Er vermisst dich jetzt schon. Und… ich vermisse dich auch.“ Der 25-jährige spürte, wie sein Herz schneller schlug und er rot im Gesicht wurde. Ach Gottchen, was sollte er denn darauf jetzt erwidern? Zugegeben, er hatte oft an Liam denken müssen seit er hier war. Und auch wenn er L und die anderen hier gern hatte und sie näher kennen lernen wollte, so wollte er auch wieder zu Liam zurück und wieder bei ihm sein. „Ich vermisse dich auch“, sagte er schließlich und lehnte sich mit dem Rücken zur Wand. „Und es tut mir Leid, wenn ich dir Sorgen bereitet habe wegen gestern Abend. Ich hab dem Barkeeper gesagt, ich will einen Drink aber ich konnte nicht wissen, dass er mir deshalb gleich was Alkoholisches gibt.“ „Ach Mensch! Wenn man von einem Drink spricht, dann ist damit immer etwas Alkoholisches gemeint.“ „Und wenn ich etwas ohne Alkohol will?“ „Dann sagst du, du willst einen alkoholfreien Drink. Lass dir den Vorfall gestern Abend einfach eine Lektion sein und damit haken wir das Ganze ab. Hauptsache, du passt in Zukunft besser auf.“ Jeremiel versicherte ihm dies und war froh, dass sich Liam nicht allzu sehr aufregte. Er hatte schon insgeheim befürchtet, dass der noch ziemlich sauer sein oder ihn sogar abholen würde. Ob Liam entspannter geworden ist? Oder hat Delta ihm vernünftig zugeredet? „Sei ehrlich: wieso regst du dich nicht auf?“ Ein leises Seufzen kam vom anderen Ende der Leitung, dann gestand der Unvergängliche, was bei ihm zuhause los gewesen war. „Als Johnny mir erzählte, dass du dich in dieser Spelunke betrunken hast, da stand ich wirklich davor, dich eigenhändig zurückzubringen und auf den Tisch zu hauen. Aber dazu hat es Delta gar nicht erst kommen lassen und mir das alles schnell wieder ausgeredet. Immerhin ist ja nichts Schlimmes passiert und Johnny hat ja dafür gesorgt, dass diese Kerle in der Bar dich in Ruhe lassen. Und ich will dir ja auch nicht die Chance vermasseln, deine Familie kennen zu lernen. Auch wenn ich schon eine sehr lange Zeit lebe, muss ich echt noch lernen, etwas entspannter zu sein.“ „Mach dir keine Sorgen, es geht mir gut und ich bin auch zuversichtlich, dass es mit dem Zusammenleben in der Familie gut laufen wird. Und ich schau mal, dass ich auch mal zum Wochenende zurückkomme, wenn mir eine passende Ausrede für L eingefallen ist. Das Dumme ist nur, dass ich momentan noch niemanden habe, der mir vielleicht ein Alibi liefern könnte. Diese Hester Holloway ist zwar eine sehr hilfsbereite Person, aber sie hält treu zu L und würde mir sicherlich nicht helfen. Die einzige Möglichkeit die ich kennen würde wäre, Rumiko um Hilfe zu bitten. Immerhin sagte sie ja, dass sie sozusagen die Paartherapeutin in der Familie wäre und vielleicht kann ich sie überreden, mich für eine Weile zu decken.“ „Jetzt mach dir keinen Stress deswegen. Ich habe über 400 Jahre gewartet, da sind ein paar Tage auch nicht dramatisch für mich. Für mich verläuft die Zeit anders als für die Menschen, weil ihr ja eine so kurze Lebensspanne habt.“ „Das weiß ich ja. Aber ich würde dich trotzdem gerne wieder sehen. Wir telefonieren demnächst wieder, okay? Ich muss mich ein wenig hinlegen. Der Kater macht mir echt zu schaffen.“ „Ist gut. Dann erhol dich mal schön.“ Damit beendeten sie das Gespräch und Jeremiel ließ sich aufs Bett fallen. Irgendwie fiel es ihm immer noch schwer zu glauben, dass er es tatsächlich geschafft hatte, ihnen allen zu beweisen, dass er nicht Sam Leens war. Sie hatten ihn bereitwillig in die Familie aufgenommen und akzeptierten ihn als einen der ihren. Zufrieden lächelte er und obwohl der Kater ihm echt zu schaffen machte, fühlte er sich wirklich glücklich. Er hatte einen Bruder und echt nette Menschen, die bereit waren, ihn in ihr Leben zu lassen. Und er hatte auch noch Liam und die anderen. Zum ersten Mal fand er es nicht schlimm, dass er keine Erinnerungen an seine Vergangenheit hatte. Vielleicht hatte das ja alles auch sein Gutes. Denn so konnte er komplett von Null auf anfangen und versuchen, das Beste aus seinem Leben zu machen. Epilog: Die Party ----------------- Nachdem sich Jeremiel von seinem Kater erholt hatte und alle es zeitlich einrichten konnten, trafen sie sich zu einer Party zusammen, um den Neuzugang angemessen in der Familie aufzunehmen. Da sie schlecht alle zusammen ins Lovely Evening gehen konnten, da es sonst ein wenig zu chaotisch geworden wäre, entschieden sie sich für eine schöne Gartenparty. Und da der Garten bei Andrew und Oliver eh groß genug war, gingen sie dorthin. Rumiko hatte einen ihrer Freunde aus der Schwulenbar gebeten, auf die Babys aufzupassen, was die natürlich gerne machten. So trafen sich alle zusammen, drehten die Musik auf und Oliver hatte sogar eine Karaokeanlage aufgestellt. Für Rumiko, die ohnehin ein Gesangstalent war, war das natürlich der absolute Hit und so sang sie zusammen mit ihrem Mann ein Duett nach dem anderen und die beiden wirkten so verliebt wie am ersten Tag. Und als sie dann schließlich ein besonders kitschiges Lied sangen und sich dann küssten, da konnte sich Beyond den Kommentar „Nehmt euch ein Zimmer ihr beiden!“ einfach nicht verkneifen. Und nachdem sie genug gesungen hatten, waren die anderen an der Reihe. Andrew und Oliver sangen auch ein Duett und hatten sichtlich Spaß dabei, dann nahm Beyond das Mikro an sich, woraufhin er „Get Away With Murder“ und dann noch „Flesh“ sang. Das zweite Lied trieb dem armen L fast die Schamesröte ins Gesicht, weil er genau wusste, dass dieser Mistkerl das Lied nur deshalb sang, um ihn gehörig zu ärgern. Und Rumiko machte das Ganze nur noch schlimmer, als sie L dazu nötigte, mitzusingen. Nun, zuerst schafften sie es nicht, L dazu zu bewegen, überhaupt zu singen. Er wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, bis Beyond sagte „Bleib doch locker, L. Das ist immerhin eine Party“ und ihm daraufhin sein Getränk reichte. Nur wusste da niemand, dass er heimlich etwas beigemischt hatte, um L ein wenig mehr in Partystimmung zu bringen und so dauerte es nicht lange, bis er ihn so weit heimlich abgefüllt hatte, dass der arme Kerl nicht mehr imstande war, seinen Verstand beisammen zu halten. Er schnappte sich das Mikro und grölte regelrecht „I’m In Love With A Killer“ und selber noch mal „Flesh“ hinein. Oliver nahm das alles noch auf Kamera auf und sie lachten allesamt. Nur Jeremiel sah ungläubig, wie sich sein Bruder aufführte und schüttelte fassungslos den Kopf. „Und so habe ich mich auch aufgeführt, als ich betrunken war?“ „Nicht ganz so. Du warst eher wie ein sechsjähriger Trotzkopf.“ So ging das noch eine Weile weiter, bis L die letzten Hemmungen fallen ließ und dann anfing, sinnlosen Blödsinn zu reden, der ihnen allen die Tränen in die Augen trieb. Mit einem sehr ernsten Blick starrte er Rumiko an und fragte sie „Wie viele Gläser Mayonnaise braucht man, um zum Mond zu fliegen?“ Und da die Halbjapanerin keine Antwort darauf wusste, holte L demonstrativ tief Luft und sagte mit einem noch viel ernsteren Blick „Ich sag’s dir: Füüüüüüüüüüüünf!!!“ Und da er erhebliche Schwierigkeiten bekam, das Gleichgewicht zu halten, kippte er um und fiel hin. Schnell halfen Rumiko und Jamie ihm hoch, dabei rutschte L’s Shirt hoch und er rief, als er seinen Bauchnabel sah „Oh verdammt ich bin angeschossen worden! Ruft den Notarzt, ich hab da ein Loch!“ „Du bist nicht angeschossen worden“, erklärte Jeremiel und half mit, L wieder hinzusetzen. Aber da sein logisches Denkvermögen komplett lahm gelegt war, konnte man nicht vernünftig mit ihm reden und so sagte er „Ach echt? Hey, dann bin ich ja ein einbahniger Golfplatz!“ Beyond kamen die Tränen und selbst Oliver hatte erhebliche Schwierigkeiten, wenigstens die Kamera still zu halten. „Oh Mann, ich hätte nicht gedacht, dass er so abgehen würde, wenn man ihn abfüllt.“ „Scheint so, als wäre das bei den Lawliets eine genetische Sache, dass sie keinen Alkohol vertragen“, vermutete Andrew, der ja selbst auch nicht ganz so trinkfest war. Aber im Gegensatz zu L und Jeremiel wurde er da allerhöchstens schläfrig und wurde ziemlich verschmust, das war aber auch alles. Und Oliver war als gebürtiger Ire verdammt trinkfest. Jamie trank keinen Alkohol und Rumiko konnte selbst als Halbjapanerin einiges vertragen. Aber was die Lawliet-Zwillinge betraf, so war es vielleicht besser, sie vom Alkohol fernzuhalten. Sonst lief noch alles drunter und drüber. L verbrachte noch den ganzen Abend damit, die anderen mit völlig sinnfreien Fragen und Tatsachen zu bespaßen. So zum Beispiel erklärte er, dass Ponys deshalb so klein sind, weil man Pferde nicht in den Trockner stecken sollte und er war der festen Überzeugen, dass man einen Laternenfisch nicht als Glühbirnenersatz nehmen konnte. Und zu guter Letzt versuchte er seinen Bruder beizubringen „Wenn du Dosenpfirsiche haben willst, dann musst du auch Samen eindosen!“ Schließlich aber, als es sehr spät wurde und sie den betrunkenen Detektiv zurück nach Hause brachten, da sollte es mit den peinlichen Aktionen noch nicht vorbei sein. Denn als Watari die Tür öffnete, da fiel L ihm direkt um den Hals und jammerte ihm die Ohren voll. „Watari, Sie waren all die Jahre wie ein Vater für mich. Ich liebe Sie!“ Der alte Mann ging souverän damit um und wollte ihn zu Bett bringen, doch da bestand der Betrunkene vehement darauf, auf der Couch zu schlafen. „Nein ich will nicht ins Bett. Wenn ich ins Bett gehe, dann wird Beyond mich schon wieder rannehmen. Er ist ziemlich versaut, wissen Sie das? Jawohl versaut! Der Mistkerl hat erst letztens wieder die Frechheit besessen, mir wieder diesen blöden Vi…“ „Ich bringe meinen Bruder besser zu Bett“, unterbrach Jeremiel und brachte L in Beyonds Zimmer, dann half er ihm dabei, sich umzuziehen. Immer noch hatte der Serienmörder sichtlich Spaß dabei, dass L sich so aufgeführt hatte, da schaltete sich überraschend Jeremiel ein. Bisher hatte er sich ja sehr zurückgehalten, doch diese Aktion bewegte ihn nun doch dazu, Beyond mal ein paar Takte zu sagen. „Der heutige Tag war sehr lustig und ich fand es auch sehr schön, dass ihr alle eine Party für mich organisiert habt. Aber ich finde es nicht sehr witzig, dass ihr L abfüllt, damit er sich zum Affen macht. Er hat auch seinen Stolz und ich finde, man sollte ihm diesen lassen.“ „Ach komm, als ob du nicht auch deinen Spaß hattest, als er sich so aufgeführt hat und damit begann, mit seinem Steak zu reden.“ Doch Jeremiel schüttelte entschieden den Kopf und erklärte „Ich habe nichts dagegen, wenn er sich so benimmt, wenn er bei Verstand ist und weiß, was er da eigentlich tut. Aber ich möchte nicht, dass er sich lächerlich macht, weil er nicht bei Sinnen ist und Fakt ist nun mal, dass du ihn ohne seine Erlaubnis abgefüllt hast. Und das finde ich nicht in Ordnung.“ „Hey, jetzt sei mal nicht so engstirnig. Es war nur dieses eine Mal und überhaupt: seit wann ist denn aus dem stillen und zurückhaltenden Kerl vor ein paar Tagen jetzt der große Ansager geworden?“ „Ich bin sein älterer Bruder und als solcher möchte ich ihn auch ein Stück weit beschützen. Mag sein, dass ich vom Zusammenleben mit Menschen nicht viel Ahnung habe und auch von Gefühlen nicht viel verstehe. Aber ich kann auch anders wenn ich will. Und was ich nicht mag ist, wenn L lächerlich gemacht wird. Deshalb möchte ich dich bitten, auf solche Streiche in Zukunft zu verzichten, wenn du schon deine Sticheleien gegen ihn nicht sein lassen kannst.“ Wow, das waren ja mal ganz andere Töne. Noch vor kurzem war Jeremiel noch so zurückhaltend gewesen und wollte bloß niemandem eine Last sein, was ihn sehr an Andrew erinnerte. Und ständig war er sich am Entschuldigen. Aber jetzt auf einmal machte er mal eine ganz klare Ansage. Es mochte Einbildung sein, aber irgendwie entwickelte er sich immer mehr zu einem normalen Menschen und wurde seinem jüngeren Bruder immer ähnlicher. Und auch sein Gesicht, welches vorher immer so starr und nichts sagend (und auch ein Stück weit fragend und ratlos) ausgesehen hatte, wirkte nun deutlich lebendiger. Man sah ihm an, wenn er verstimmt war oder wenn er sich freute. Er machte unglaubliche Fortschritte und das beeindruckte sogar Beyond. Dennoch fragte er ihn (auch um ihn ein bisschen auf die Probe zu stellen) „Und was willst du tun, wenn ich nicht will?“ Hier verschränkte Jeremiel die Arme, lächelte und sah zum ersten Mal wirklich hinterlistig aus. „Wart’s ab.“ Und was er damit meinte, sollte der BB-Mörder am eigenen Leib zu spüren bekommen. Denn als L erfuhr, dass Beyond ihn heimlich abgefüllt hatte und dass Oliver diese ganzen Peinlichkeiten, die er vom Stapel gelassen hatte, sogar noch gefilmt hatte, da sah er endgültig rot und machte den Serienmörder richtig zur Schnecke. Und auch der Rest der Familie durfte sich ein paar Takte anhören. Nun, Rumiko war zuerst ein wenig verwirrt über L’s Reaktion aber als sie hörte, dass Beyond ihn heimlich abgefüllt hatte nur um zu sehen, ob er sich genauso bescheuert benahm wie Jeremiel, da war auch sie ziemlich empört und las Beyond ebenfalls die Leviten. Von da an unterließ er jegliche Versuche, L wieder abzufüllen, nur um seine lustige Seite wieder zum Vorschein zu bringen. Und von da an wusste er auch, dass auch Jeremiel seine Grenzen hatte und auch nicht zu unterschätzen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)