PJO/HoO Kurzgeschichten von Jason ================================================================================ Kapitel 2: Wiedersehen ---------------------- Leo saß unter einem der großen Bäume im Wald. Er schob seine Finger unter das Laub, drehte die Handfläche nach oben und entzündete eine Flamme, welche die veralteten Blätter in Brand setzten. Den Blick behielt er gesenkt, sein Ausdruck war nicht zu deuten. Festus schob seinen Kopf näher zu ihm und strich mit der Schnauze über seine Wange. Er knurrte leise. Es war diese Art von Knurren, mit der er sein Mitgefühl zum Ausdruck brachte. Leo zuckte kurz mit den Mundwinkeln. Er streckte die Hand nach seinem metallischen Freund aus und strich ihm über die Schnauze. „Ich weiß ja“, murmelte er. „Den Kopf nicht hängen lassen.“ Ein zustimmendes Surren war von dem Drachen zu vernehmen, als er sich erhob.   Leo ließ die Asche in seiner Hand zu Boden fallen und rappelte sich auf. Er hatte nun bereits genug Trübsal geblasen. Das Leben ging weiter, ironischerweise. Er hätte tot sein müssen. Er dachte, er wäre tot gewesen. Und dann hatte er vielleicht eine falsche Entscheidung getroffen? Leo hatte sich jedoch mit einem Versprechen verpflichtet und obwohl er jetzt ohne sie war, bereute er es nicht. Er hatte sein Wort gehalten. Er hatte kein leeres Versprechen gegeben. Und er nahm ihr ihre Entscheidung nicht übel. „Es wird Zeit, die anderen wieder zu treffen“, er hob den Blick und schaute seinem treuen Begleiter in die roten Augen. „Was sagst du?“ Festus reckte den Hals und spie brüllend einen Feuerstrahl in die Luft. Das war als eindeutige Zustimmung zu verstehen.   „Ruhig Blut, mein Großer!“, bat Leo ihn und legte ihm die Hände an den Bauch. Er schmunzelte. „Nicht, dass du mir hier noch den Wald anzündest und man uns noch für den Feind hält.“ Er klopfte freundschaftlich auf die harte Oberfläche des Drachen, begab sich auf dessen linke Seite und stieg auf seinen Rücken. Leo hielt sich an seinem übergroßen Freund fest und gab ihm die Starterlaubnis. Mit kräftigen Flügelschlägen erhob sich der Drache in die Luft. Ein paar einzelne Bäume nahmen dabei einen kleinen Kollateralschaden. Dafür entschuldigte sich der Sohn des Hephaistos still bei den Naturgeistern in der nahen Umgebung.   Der Drache ließ die Bäume weit unter sich und folgte Leos Anweisungen, der ihn geradewegs inmitten des Amphitheaters. Kaum war der Junge an der Seite des Drachen zu Boden gerutscht, wurde sein großer Freund von Percys Höllenhund freudig begrüßt. Leo ließ den beiden übergroßen Tiergefährten die Freude des Wiedersehens. „Bis später, mein Freund. Reißt hier bitte nicht das Gemäuer ein.“ Mit einem kurzen Schmunzeln wandte er sich ab und verließ das Theater. Eine unglaubliche Nervosität fraß sich durch seine Magengegend. Seit er wieder unter den Lebenden weilte hatte er sich nicht bei seinen Freunden gemeldet. Er bereute es. Calypso hin oder her, es hätte eigentlich eine Selbstverständlichkeit für ihn sein müssen, sich bei ihnen zu melden.   Seine Schritte waren schwer und seine Beine fühlten sich bleiern an. Wie würden sie reagieren? Vor Piper fürchtete er sich mehr als vor Jason. Es war allgemein leichter Piper zu verärgern, diese Angelegenheit würden ihm jedoch wohl beide übel nehmen. Leo konnte es ihnen nicht einmal verdenken.   Bis zum nächsten Morgen würde er sich vielleicht einen guten Einstieg für das Wiedersehen eingefallen lassen haben. Es gelang ihm, unbemerkt bis zur Hütte 9 vorzudringen und er öffnete vorsichtig die Tür. Seine Halbgeschwister schliefen. Die Anwesenden zumindest. Der Rest war höchstwahrscheinlich arbeiten, auch zu dieser Zeit. Leo kam nicht drum herum, ein Gefühl des Stolzes in sich aufsteigen zu spüren. Die Arbeit ruhte nie.   Vorsichtig und leise zog er sich um und kroch unter die Bettdecke seines Bettes. Er war den anderen sehr dankbar, dass sie dieses Bett bisweilen nicht neu vergeben hatte. Vor ihm hatte hier Charles Beckendorf gelegen, ehemaliger Hüttenältester, und ihm war die Ehre zuteil geworden diese Schlafstätte in Anspruch nehmen zu dürfen.   Mit Sicherheit hatte die Hephaistos-Hütte mittlerweile einen neuen Ältesten, denn sie konnte nicht ohne einen bleiben. Wahrscheinlich hatte Jake Mason diese Rolle wieder angenommen. Jake war immerhin derjenige, der vor Leo diese Position inne hatte. Aber man hatte Leo den Respekt erwiesen und sein Bett nicht anderweitig zugeteilt.   Er drehte sich auf die Seite und zog sich die Bettdecke hoch, bis zu den Ohren. Nachdem er die Augen geschlossen hatte, fiel es ihm nicht schwer schlussendlich auch einzuschlafen obwohl ihm so viele Gedanken im Kopf herumspukten.     -          -      Als Leo am nächsten Morgen verschlafen die Augen öffnete, blieb ihm keinerlei Zeit um erst einmal in Ruhe wach zu werden. Er riss die Augen auf, schreckte nach oben und saß kerzengerade im Bett. Um ihm herum standen Jake, einige seiner anderen Halbgeschwister, Jason, Piper und Chiron. Sie alle starrten ihn mehr oder minder fassungslos an. Verdammt! Er hatte sich ein wenig mehr Diskretion seitens seiner Geschwister erhofft. Doch scheinbar hatten sie nicht so recht damit umgehen können, plötzlich ihren totgeglaubten Halbbruder in ihrer Mitte zu haben. Im Nachhinein betrachtet war er wohl selbst Schuld, dass seine Rückkehr nun auf diese Art und Weise bekannt geworden war. Leo kratzte sich am Hinterkopf und grinste schief. „Guten Morgen“, er lachte kurz. „Ist das Frühstück schon angerichtet?“ Niemand schien das lustig zu finden. Die Gesichter der Anwesenden hatten verschiedene Ausdrücke. Das ging von Verwunderung über Ernsthaftigkeit bis zu einem nahen Nervenzusammenbruch. Sie alle mochten vertraut sein mit Mythen, Übernatürlichem und Monstern. Aber auch in ihrer Welt war es nicht üblich, dass Tote plötzlich wieder lebten. Das letzte Mal, als dies der Fall war, hatte man den Tod an Ketten gefesselt und Gaia hatte vor die Macht auf dieser Welt zu übernehmen. Tote, die wieder Lebten, bedeuteten prinzipiell also nichts Gutes.   „Leo Valdez!“ Chiron klang sehr streng. Er hatte das Gefühl, wenn dieser nicht zufrieden mit seiner Antwort war, dann würde er ihn persönlich in den Hades bringen. Leo grinste schief. „Ich freue mich auch euch alle wieder zu sehen.“ Er schluckte einmal. „Wie lange ist das nun schon her? Ein Jahr?“ Er lachte kurz auf und versuchte damit die Situation ein wenig zu lockern. „Ich glaube, ich habe mich ein wenig verlaufen. Der Weg hierher hat länger gedauert als ich dachte.“ Er schnalzte mit der Zunge.   Chiron blieb ernst. „Wo kommst du her? Was machst du hier?“   „Wir dachten, dass du tot bist!“, warf Piper ein. Leo glaubte einen Moment sich versehen zu haben. Er blinzelte, doch seine Augen hatten ihn nicht getäuscht… Sie hatte tatsächlich Tränen in den Augen. Er biss sich auf die Unterlippe.   „Ich war nicht tot. Nicht wirklich… oder nicht lange“, er senkte den Blick. Er spürte die Schuld deutlich auf seinen Schultern. „Ich war auf Ogygia. Ich war bei Calypso. Ich habe mein Versprechen gehalten. Ich bin zu ihr zurückgekehrt und gemeinsam haben wir die Insel verlassen.“   Chiron zog die Augenbrauen zusammen.   Jason trat näher an das Bett und sein Blick richtete sich auf den Zentaur. „Dürfen Piper und ich mit ihm reden?“ Der ‚Prinz des Himmels‘ schien sehr gefasst zu sein. Offenkundig fiel es ihm am einfachsten diese Situation zu akzeptieren. Entweder das oder er wahrte ein geniales Pokerface.   Chiron nickte langsam. „Ich werde auf den Olymp gehen. Solange wird Valdez keinen Fuß aus dem Camp setzen.“ Vertrauen war gut, aber Kontrolle war wohl stets besser. Leo verübelte es ihm nicht und nickte. „Ich bleibe brav hier. Ich war in letzter Zeit ohnehin genug unterwegs.“ Er zuckte möglichst lässig mit den Schultern.   Der Zentaur wandte sich ab, sein Schweif peitschte in der Luft und er verließ die Hütte. Jason wandte sich an Jake und atmete einmal tief durch. „Ich will euch nicht aus eurer Hütte vertreiben, aber…“ Der amtierende Hüttenälteste nickte ihm zu. „Ich verstehe schon, keine Sorge.“ Er winkte seinen Halbgeschwistern zu und bedeutete ihnen, ihm aus dem Gebäude zu folgen. Einige von ihnen zögerten kurz, aber schlussendlich wurden Jason, Piper und Leo unter sich gelassen.   Die Tür fiel ins Schloss und du kurzweilig anhaltende Stille war sehr erdrückend. Als Jason jedoch das Wort ergriff, wünschte Leo sich das Schweigen zurück.   „Wo bist du gewesen?“ Die eisblauen Augen seines besten Freundes zwangen ihn regelrecht dazu, den Blickkontakt aufrecht zu erhalten. Es gab für Leo keine Chance, den Blickkontakt abzubrechen. Wohlmöglich wäre sein Gegenüber ihm dann an die Kehle gegangen.   „Ich war unterwegs, mit Calypso und Festus“, seine Stimme klang für seine Verhältnisse sehr kleinlaut.   Piper stellte sich neben ihren festen Freund. Sie weinte leise und das brach Leo das Herz. Er war ein Idiot gewesen. „Wieso hast du dich nicht bei uns gemeldet?“, fragte sie leise. „Wir sind deine Freunde und du lässt uns in dem Glauben tot zu sein und plötzlich tauchst du einfach wieder auf und liegst seelenruhig in deinem Bett?“ Ihre Stimme klang schwerer und hektischer, je mehr sie sprach. Leo stand aus dem Bett auf. „Es tut mir Leid“, das meinte er ernst. Er bezweifelte jedoch, dass es das besser machte. Zumindest nicht in diesem Augenblick. „Ich war ein Idiot, das weiß ich nun. Ich war ein riesiger Idiot.“ „Ja“, stimmte Piper ihm ohne zu zögern zu. „Du bist der allergrößte Idiot!“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Leo wurde das Gefühl nicht los, dass Piper ihm eine reinhauen wollte. Scheinbar teilte Jason diese Wahrnehmung mit ihm, denn er legte einen Arm um seine Freundin und drückte sie etwas an sich, um sie zurückzuhalten. Er war sich nicht sicher, ob er ‚Superman‘ dankbar dafür sein sollte. Vielleicht hätte er es einfach verdient gehabt, einen ordentlichen Schlag ins Gesicht zu bekommen.   „Ich war so vernarrt in sie“, Leo senkte nun den Blick. Er schämte sich. „Calypso und ich, ich dachte wir wären füreinander bestimmt… Ich dachte, sie wäre meine einzig wahre Liebe.“ Piper schnaubte abfällig. Obwohl sie eine Tochter der Aphrodite war, schien sie diese Erklärung nicht zufriedenstellen zu können. Das genügte ihr nicht. Sie war seine beste Freundin und Jason sein bester Freund. Welcher Idiot stellte eine solche Beziehung zurück?   „Und wieso bist du jetzt hier?“ Jason klang sehr streng. Aber er weckte nicht den Eindruck, als würde es keine Hoffnung mehr für diese Freundschaft geben.   Leo senkte beschämt den Blick. „Weil ich jetzt wieder klar im Kopf bin.“ „Hat sie dich verlassen?“, fragte Piper und ihre Stimme klang sehr hart.   Jason bemühte sich seine Freundin zu beschwichtigen, Leo hielt ihn jedoch zurück. „Nein, lass sie“, er runzelte die Stirn und betrachtete die beiden. „Sie hat ja Recht…“ Er atmete schwer durch. „Es macht wohl einen großen Unterschied, wenn man auf einer Insel eingesperrt ist und die Auswahl an Männern sehr begrenzt ist oder wenn man in Freiheit lebt und die Wahl hat eine freie Entscheidung zu treffen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe sie befreit, aber ich bin nicht der Richtige für sie.“   Leo nahm es Calypso nicht übel, dass ihre Entscheidung auf einen anderen gefallen war. Sie hatte sich in Odysseus, in Percy und letztendlich auch in ihn verliebt. Aber sie hatte nie die große Auswahl. Welches Mädchen sehnte sich nicht nach Liebe? Und welches Mädchen, das einsam auf einer Insel verbannt worden war, würde sich nicht früher oder später in denjenigen verlieben, mit dem sie ihre Welt als einzigen teilte? Nun war sie jedoch frei. Frei von ihrer Insel und frei in ihrer Auswahl. Es war doch bloß natürlich, dass sie sich an jemanden wandte, der besser zu ihr passte als Leo. Er war anfangs sehr traurig gewesen und es hatte ihm das Herz gebrochen. Doch er hasste sie nicht dafür. Er hatte sogar Verständnis für sie und hoffte, dass sie ihr Glück fand.   „Und jetzt, nachdem sie weg ist, kehrst du hierher zurück?“ Piper ging sehr hart mit ihm ins Gericht. „Jetzt sind wir dir wieder gut genug?“ „Piper…“, sprach Jason ruhig zu ihr, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein!“, widersprach sie ihrem Partner. „Er soll antworten! Wir haben um ihn getrauert, wir haben ihn vermisst! Wir hätten es verdient gehabt zu erfahren, ihn wieder zu sehen!“ Jason widersprach ihr nicht mehr. Leo war also an der Reihe.   „Ihr seid nicht jetzt wieder gut genug…“, murmelte er. Leo fühlte sich erdrückt und niedergeschlagen. Das hatte er jedoch verdient. Er konnte sehr gut verstehen, weshalb Piper wütend auf ihn war. „Ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich hätte mich sofort bei euch melden sollen, ihr hättet es verdient gehabt. Ich war blind und das tut mir Leid.“ Er presste die Lippen aufeinander. „Ich habe jedoch die Hoffnung, dass ich hier noch ein zuhause habe. Dass ihr noch meine Freunde seid und mir verzeihen könnt oder… dass ihr mir zumindest die Chance gebt, wieder euer Freund sein zu dürfen und ich das alles wieder gut machen darf.“   In der Hütte herrschte wieder Stille. Als Leo schluckte hatte er das Gefühl, dass dieses Geräusch laut durch den ganzen Raum hallte. Jason atmete schwer durch. Er klopfte Leo auf die Schulter und sah ihm in die dunklen Augen. Der Hephaistos-Sohn war noch immer unglaublich angespannt und zwar so sehr, dass es schmerzte. Plötzlich zog der blonde Junge ihn in seine Arme und die absolute Erlösung kam, als Piper ebenfalls die Arme um ihn schlang. Er hörte sie weinen. Er spürte ihre nassen Tränen an seiner Wange und jedes schwere Gefühl löste sich von ihm. Er legte die Arme um seine beiden besten Freunde und behielt sie dicht bei sich. Leo war sich darüber bewusst, dass die Angelegenheit damit noch nicht komplett abgeschlossen war. Er hatte nun eine Menge Arbeit vor sich um diese Freundschaft wieder zu ihrer alten Stärke zu verhelfen, ein ganzes Jahr war ihnen gemeinsam verloren gegangen. Jason und Piper wollten ihn jedoch beide zurück haben und das war etwas, wofür es sich zu arbeiten lohnte. „Danke…“, flüsterte er. „Hier bei euch bin ich zuhause. Hier gehöre ich her.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)