Schicksalswogen von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Fesseln der Würde ---------------------------- Sabin lag wach in seinem Bett, draußen war es bereits stockdunkel, doch er konnte einfach nicht einschlafen. Etwas schlich sich immer wieder in seine Gedanken, es war ein Gefühl von tiefem Schmerz, so als würde etwas furchtbares geschehen, doch als er aufstand und im Schloss umherstreifte fand er keine Menschenseele. Nur die wache schiebenden Soldaten sahen ihn hin und wieder verwundert an, nahmen aber dann doch Haltung an, als sie begriffen wer dieser zerzauste junge Mann war. Ohne groß davon Notiz zu nehmen ging er weiter durch die großen, im Dunklen unheimlich wirkenden Säle und Flure und immer weiter durch das totenstille Gemäuer. Aber auch nach stundenlanger Suche fand er nichts verdächtiges, er blieb stehen und starrte von den Zinnen des höchsten Turmes hinaus in die finstere Nacht. Bringt der Vollmond meine Sinne so durcheinander? Ich verstehe das nicht, ich hätte schwören können das es eine Warnung für etwas war. Etwas großes und unvorstellbar- . Nein, er wollte diese Gedanken nicht denken, zuviel Angst war damit verbunden. Er wollte den Teufel nicht an die Wand malen. Die Angst raubte ihm fast den Verstand, er war allein und genau so fühlte er sich auch: Alleine und verlassen. Claudes Residenz lag einen halben Tagesritt von hier entfernt und so sehr er es auch bereute, sie sahen sich nur sehr selten. Zwar gaben sich die Dienstmädchen und Bediensteten große Mühe ihm das Gefühl von Nähe und Freundschaft zu geben, aber er war letztendlich für sie doch ihr Prinz und kein Freund. Es machte ihn traurig und er wollte am liebsten nur weg, weit weg von hier. Er starrte immer noch regungslos in die Nacht und hatte er bisher vielleicht seine Blicke auf ganz andere, weit entfernte Orte seiner Erinnerung gesenkt, so wurde die Wirklichkeit nun wieder klarer und er erkannte den düster wirkenden Talgrund. Das Schloss, ganz aus Marmor und hochwertigem Stein erbaut stand auf einem Hügel von kaum 100 Metern Höhe. Sein Vater hatte es errichtet, wohl aus strategischen Gründen und soweit er wusste hatte Kelvin, der damals noch ein recht junger Knabe gewesen sein musste, beim Aufbau geholfen. Sabin erschrak bis aufs Mark als ihn plötzlich eine Hand berührte, er wirbelte herum, in Gedanken den vermeintlichen Feind der nach seinem Leben dürstet, sah er Kelvin der ihn mit skeptischem Blicken musterte. "Hey, alles OK bei dir?" fragte er schließlich und nahm den Blick keine Sekunde von dem Jungen. Er sah den Schweiß auf dessen Stirn und die kreidebleiche Haut im Licht der kleinen Kerze, die er mitgebracht hatte, aber nur so wenig licht gab, dass sie Sabin wohl nicht bemerkt hatte. "Wo kommst du denn so plötzlich her?" entgegnete Sabin immer noch etwas konfus. "Ich stehe mindestens schon geschlagene zehn Minuten hier, hast du das etwa nicht bemerkt?" ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit als er die Verwirrung des Jungen sah. "Aber sag mal, was machst du um diese Zeit hier oben auf dem Turm, nicht nur das du mutterseelenallein bist. Nein, da wäre ja auch noch deine durchnässte Kleidung, wenn man das so nennen kann. Der Kronprinz läuft also mitten in der Nacht im Schlafanzug durchs Schloss?" Er begann herzhaft zu lachen und legte Sabin abermals die Hand auf die Schulter. Sabin sagte nichts dazu, er hielt es für das Beste einfach zu schweigen, aber er hätte wissen müssen das man einem Strategen, der einen noch dazu von Geburt an kennt nichts vormachen kann. Kelvin runzelte die Stirn, als sein Gegenüber nichts sagte, begann er nach einiger Zeit von sich aus weiter zu reden: "Soll ich dich auf dein Zimmer geleiten?". Sein Lächeln war verschwunden und einem besorgten Ausdruck gewichen. Auch jetzt sagte Sabin nichts, aber er nickte, nicht noch einmal wollte er allein durch die Dunkelheit waten. Viel zu groß war die Angst davor etwas zu finden, denn er war aufgestanden um etwas zu suchen, aber... er hatte nicht daran gedacht was geschehen würde, wenn er es fände. Gemeinsam gingen sie nun zurück zu seinem Zimmer und er war froh Kelvins Angebot angenommen zu haben. Dort angekommen setzte sich Kelvin auf den Stuhl und sah Sabin erwartungsvoll an. "Du hattest einen Alptraum, oder?" fragte er mit erregter Stimme. Sabin wusste schon lange das Kelvin begeistert von Mythologie, Traumdeutung und dergleichen war. Ein Wort darüber genügte, um ihn in eine Art Wahn zu treiben und auch jetzt glänzten seine amethystfarbenen Augen auf. "Ja, ich hatte einen Alptraum." sagte Sabin kurz und fuhr schnell fort, damit Kelvin ihm nicht zuvor kam "Aber glaub bloß nicht das ich dir den jetzt erzähle! Ich bin müde musst du wissen. "er sagte es in einem derart gereizten Ton, dass sein Lehrer ihn einige Sekunden perplex musterte und erst dann zu einer Antwort ansetzte: "Warum fährst du mich so an, was habe ich dir denn jetzt schon wieder getan?" sagte er in einem monotonen Geflüster, das darauf schlissen ließ, daß es ihn wohl verletzt habe. Das war Sabin nicht von ihm gewohnt, normalerweise ließen ihn verbale Attacken total kalt. Was also war anders als sonst? Schließlich gab er sich einen Ruck und begann zu erzählen. " Ich habe geträumt, dass... ich weiß nicht, eigentlich war es weniger träumen, vielmehr ein "fühlen". "Du hast gefühlt, dass etwas passieren wird? Das bedeutet nichts gutes!" entgegnete Kelvin. "Das weiß ich selber, aber vielleicht ist es einfach nur Einbildung gewesen." Er zuckte mit den Schultern und sah Kel an. "Nein, das glaube ich nicht. Ich bin dafür, dass wir bei Sonnenaufgang gemeinsam das Schloss verlassen und nach Feel aufbrechen." Sabin sah ihn einfach nur fassungslos an, wegen einem Traum gleich das Schloss verlassen, was soll das? Aber er wusste auch das Kelvin niemand war, der wegen einer bloßen Vermutung in Panik geriet und genau so wirkte er. Kel war sehr nervös und bestand darauf die Nacht in des Prinzen Zimmer verbringen zu dürfen. Da halfen auch nicht die heftigen Proteste Sabins. Was Kel sich in den Kopf gesetzt hatte, das blieb auch drin und würde so schnell niemand da raus kriegen! Eigentlich war er ja froh, dass er nicht alleine in dem Zimmer schlafen musste, aber das gab er natürlich nicht zu. Kelvin war noch lange wach und blickte auf den schlafenden Prinzen. Nach langem hin und her ging er schließlich an sein Bett und streichelte ihm über die Haare. Keine Angst. Ich werde nicht zulassen, dass dir jemand etwas zu leide tut und so wenig ich Claude auch leiden kann, er wird es auch nicht zulassen. Und genau deswegen gehen wir nach Feel, zur Residenz des werten Yangto Claude. Dein Vater nahm mich auf, ohne zu wissen wer ich bin und woher ich komme. Ich schulde ihm Dank, aber auch du warst da und nahmst mir ein Stück meiner Last. Außerdem bist du sehr wichtig für meine Pläne. Ohja,.. ich habe ein Menge mit dir vor. Er erschrak als er sah, dass Sabin wach war und ihn anblinzelte, schnell nahm er die Hand von seinem Kopf, vielleicht etwas zu heftig, denn durch den Schwung purzelte er rückwärts vom Bett und blieb benommen liegen. "Na so hässlich bin ich auch wieder nicht." grinste Sabin ihn an. Er konnte sich des schadenfrohen Grinsens einfach nicht entwähren, denn der Anblick, wie der sonst immer würdevolle Mann am Boden lag, war zu komisch. "Wie lange bist du schon wach?" begann Kelvin, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. "Nicht lange, aber sag mal was sollte das denn werden?" Sabin hatte sich aufgerichtet und schaute ihn mit verschlafenen Augen an. Er sah wie Kel versuchte die richtigen Worte zu finden und wie schwer es ihm fiel, sie zu finden: " Naja ist ja auch egal. Du sagtest wir reiten zur Burgstadt Feel. Das ist doch Claudes Residenz, nicht wahr? Und ausgerechnet du willst auch nur in seine Nähe?" Sabin spürte wie die Versuchung zu grinsen immer größer wurde, doch er hielt ihr stand und wartete Kelvins Antwort ab. "Es geht hier weder um Ehre noch um mein Verhältnis zu Claude- sama. Es geht hier lediglich um deine Sicherheit und ich habe deinem Vater versprochen auf dich acht zu geben!" "Du redest von mir, als würde ich noch in den Windeln stecken, ist dir eigentlich klar das ich schon siebzehn Jahre bin? Ich gebe ja zu das ich nicht der beste Schwertkämpfer bin, aber im Umgang mit der Magie bin ich einer der Besten. Ich kann durchaus auf mich alleine acht geben, Kelvin." Sabin blickte seinen Lehrmeister ernst an. "Ich weiß, euer Hoheit, aber ihr überschätzt euch. Es gibt Kräfte im Universum von denen ihr nicht einmal wisst das es sie gibt und diese Kräfte wollen sich an eurer Sippe rechen. Vergesst nicht das euer Vater sie verbannt hat! Ihr wart noch ein Kind, aber ich war alt genug, um zu begreifen, was für eine Gefahr sie darstellen und mit Verlaub: Im Gegensatz zu eurem Vater seit ihr eine Schande, die magischen Kräfte denen ihr euch momentan bedient sind nur ein geringer Prozentsatz von dem, was ihr erreichen könntet, wenn ihr euch nur einmal bemühen würdet." Er hielt diese Predigt nicht zum ersten mal und Sabin konnte sie schon auswendig, trotzdem hörte er bis zum Ende zu. "Das ist wohl wahr, doch:"Wer Macht besitzt, der missbraucht sie auch!" ,dass habe ich von meinem Vater. Er hat viele Fehler aus Machtgier begangen und das Volk musste oft leiden und nur weil er mit dieser ach so tollen Macht ein paar Dämonen vertrieben hat, heißt das noch lange nicht, dass ich so werden will wie er. Ich liebte meinen Vater, aber ich sah auch die Last die ihn fast erdrückte. Ich verstehe ihn, denn auch mein Herz schreit nach Freiheit! Am liebsten möchte ich weg, weit weg von hier und ein einfacher Junge sein, aber Ihr habt mich gelehrt die Last zu tragen und damit zu leben. Kelvin, warum bist du so aufgebracht? Ich vermute du weißt mehr als du zugibst! " Mist, ich höre mich an wie einer dieser Aristokraten, aber warum verbirgt er etwas vor mir...? Da fällt mir wieder ein, was Claude sagte. Ob Kelvin vielleicht wirklich nicht der ist, für den ich ihn halte? Ach Unsinn! Allein schon seine Art zu reden, so reden nur Politiker. Sabin rechnete eigentlich nicht mit einer Antwort, doch er bekam eine: " Trotz eures jungen Alters seit ihr sehr weise, jedoch... du musst es selbst herraus finden, Sabin. Ich kann es dir nicht sagen, lediglich meinen wahren Namen kann ich dir verraten, wenn du es möchtest. " "Immerhin ein Anfang." Sabin sagte es, als ob er damit gerechnet hatte, aber innerlich überschlugen sich seine Gedanken fast. "Mein Name lautet Lynn de Higeé." Mit diesen Worten verließ er das Gemach des Prinzen. Sabin stand einfach nur da, in seinem Kopf wiederholte sich immer und immer wieder dieser Name. "Aber das kann nicht sein! Das ist unmöglich... oder doch? " Er flüsterte es nur, denn die Verwirrung über diesen längst in Vergessenheit geratenen Namen nahm ihm förmlich die Stimme. Das ist unmöglich! Lynn de Higeé, dass war der Name meines Vaters Bruder, der als er 2 Jahre alt war auf mysteriöse weise verschwand. Wenn er wirklich dieser Lynn ist, warum hat er es Vater dann nicht gesagt? ... Außerdem hätte er dann Ansprüche auf den Thron, schließlich bin ich noch nicht volljährig. Ich verstehe das alles nicht. Die Sonne brach schon durch die Schwärze der Nacht und kündigte somit einen neuen Morgen an. Am frühen Vormittag brachen er und Kelvin, den er immer noch so und nicht anders nannte, auf. In Feel herrschte zur selben Zeit bereits hektiges Treiben. Auf den Straßen und im Burghof bereiteten sich die Bürger und natürlich auch Claude auf die Ankunft Sabins vor. Als Er und Kelvin dann am Abend durch das weit geöffnete Burgtor ritten, war alles geschmückt und es herrschte feierliche Stimmung. Ein ausgelassenes Klima, die Menschen und Sylphen tanzten auf den Straßen und von überall war fröhliche Musik zu hören. "Was ist denn hier los?" fragte Sabin voller Begeisterung für das bunte Treiben. "Das gebührt alles dir, oder dachtest du wir reiten hierher, ohne dass ich Claude davon in Kenntnis setze?" sagte er grinsend. Sabin zog es vor auf diese Frage besser nicht zu antworten, denn er hatte in der Tat nicht daran gedacht, das man Claude informiert hatte und insgeheim hatte er sogar gehofft seinen langjährigen Freund überraschen zu können. Er seufzte kurz auf und dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg zur Residenz, was sich als gar nicht so einfach erwies. Überall waren Leute unterwegs in bunten Kostümen und prachtvollen Kleidern. Magier führten Kunststücke für die Kinder vor und junge Sylphenmädchen begeisterten die Menge mit ihren anmutigen Tänzen. Sabin verfolgte alles sehr genau und es störte ihn nicht, das sie nur langsam in dem Gewirr aus Farben und Lichterspielen vorwärts kamen. Die beiden Reiter bahnten sich weiter ihren Weg durch die Menge und nach knapp 20 Minuten standen sie endlich vor dem mit uralten Schriften verzierten Eingangstor der Residenz. Kelvin unterhielt sich kurz mit den Wachposten, die dafür sorgten, dass keine Unbefugten dieses Gebäude betreten konnten. Sie öffneten die große Doppeltür mit den seltsamen Zeichen und einer der beiden schwarz gekleideten Wachen führte sie zu Claudes Zimmer. Erfreut sah dieser auf, als sie durch die geöffnete Zimmertür eintraten. "Sabin!" Claude stand auf und kam mit schnellen Schritten auf sie zu, doch bevor er auch nur in die nähe seines Freundes kam stellte sich Kelvin dazwischen. "Wir haben keine Zeit für lange Begrüßungen." sagte er kalt. Claude maß ihn dafür mit einem Blick, den ihn sicher auf der stelle enthauptet hätte, wenn er die Macht dazu gehabt hätte. Sie standen sich gegenüber und starrten sich an, drei, vier, fünf Sekunden lang herrschte knisternde Anspannung zwischen ihnen. Wie zwei wilde, die jeden Moment darauf gefasst waren einander zu attackieren. Sabin seufzte hörbar auf und maß die Beiden mit einem kurzen mahnenden Blick. Claude schien nicht wirklich auf den Blick zu reagieren, denn er wich nicht von der Stelle, anders aber Kelvin, er nickte nur kurz und trat dann missmutig zur Seite um seinem Herrn Platz zu machen. Nach dem auch dieses Hindernis überwunden war, setzten die beiden Jungen sich an den Tisch und begannen über allerlei Sachen zu reden, darunter zum Beispiel auch wie nervend Lehrer, Strategen und dergleichen doch sind. Kelvin stand in der Ecke und kämpfte mit sich selbst darum die Fassung zu bewahren um nicht auf Claude loszugehen. Claude, dem dies nicht entgangen war, grinste so breit er nur konnte genau in Kelvin's Richtung. Schließlich, nachdem sie auch das letzte noch so unwichtige Thema besprochen hatten, und das hatte weiß Gott lange gedauert, begannen sie über den eigentlichen Grund ihres kurzfristigen Besuches zu sprechen. Nun ja, das heißt Claude fragte danach aber Sabin zuckte nur verlegen mit den Schultern und Claude hütete sich davor Kelvin anzusprechen, über dessen Kopf kleine, gezackte Zornesblitze zuckten, anders könnte man dies wirklich nicht beschreiben. "Ist er sehr sauer?" flüsterte Claude zu Sabin. "Oh, nein, nein. Ich würde ihn jetzt nur nicht unbedingt ansprechen, dann könnte es nämlich sein, das er explodiert wie ein Kamikaze der sich selbst mit Sprengstoff in die Luft jagt." Sabin sagte es so monoton er nur konnte und als er Claudes verdattertes Gesicht sah, prustete er los vor lachen. "Haha, sehr witzig." entgegnete Claude etwas beleidigt. Er drehte sich zu Kelvin um, der immer noch in der Ecke des kleinen Zimmers stand und schmollte. "Sir Kelvin?" sagte er leicht gedämpft "Was führt euch und Sabin hierher? Ich kenne euch zwar nicht gut, aber ich weiß das ihr nicht ohne Gründe zu mir kommen würdet." Dabei betonte er das "mir" besonders stark. Kelvin drehte den Kopf in ihre Richtung und musterte Claude mit einem verächtlichen Blick. " Da könntet ihr Recht haben. Es sind in der Tat triftige Gründe, die mich und den jungen Prinzen," dabei zeigte er mit einer kurzen Handbewegung auf Sabin " zu euch führten." "So? Dann werdet ihr mir und Sabin diese bestimmt auch verraten, nicht wahr?" entgegnete Claude. "Sicher." bestätigte Kelvin kurz und knapp, aber anstatt weiter zu reden schwieg er. "Ja?" sagte Claude genauso kurz, denn mittlerweile hatte auch er keine Lust mehr auf das ständige hin und her. "... wenn die Zeit gekommen ist, werdet ihr alles erfahren." fuhr Kelvin seinen Satz schließlich fort. Sabin und Claude fühlten sich in diesem Moment als hätte ihnen jemand einen Gummihammer übergeschlagen, was hatten sie auch erwartet? Etwa, das Kelvin ihnen nun alles erklärte? Und überhaupt was "alles" ? Die Beiden sahen sich kurz an, dann zuckten sie mit den Schultern und beschlossen für heute erst einmal schlafen zu gehen. Gesagt, getan, Kelvin begleitete Sabin noch auf sein Zimmer und sagte ihm bestimmt dreimal, dass er unter gar keinen Umständen das Zimmer alleine verlassen sollte. Er war froh, als Kelvin sich verabschiedete, eine gute Nacht wünschte und ging. Müde legte er sich in das große Bett, das in der Mitte des Zimmers stand, zwar war er erschöpft, aber er zwang sich noch einmal die Geschehnisse des Tages durch den Kopf gehen zu lassen. So kam es, dass er erst viel später einschlief. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück besichtigte er Feel, Kelvins Anordnung hatte er zwar deutlich in Erinnerung, aber die Verlockung einmal allein zu sein war zu groß, als dass er hätte widerstehen können. Schon als Kind begeisterte ihn diese Stadt, sie war nicht allzu prachtvoll und im Gegensatz zu Higeé befand sich auch kein Schloss hier, aber es war eine riesige Burg, die so gigantisch war, das die ganze Stadt in ihrem inneren Platz hatte. Es schien Sabin schier unmöglich, dass dieses Meisterwerk architektischen Könnens je eingenommen werden könne. Er ging durch die Straßen und fand abgelegen von allen anderen Geschäften eine Schmiede. Sie war sehr alt, das konnte Sabin deutlich erkennen, denn die einst weißen Wände schimmerten in gelbem Glanz und Spinnweben verzierten das Gebäude. Er ging näher, seine Neugier war fast noch schlimmer als seine große Klappe, da musste man Kelvin Recht geben ... Ohne an mögliche Folgen zu denken betrat er die Schmiede und sah sich um. Von innen sah es überhaupt nicht mehr verlassen aus, im Gegenteil: Feuer brannte im Kamin und es roch verlockend nach Suppe. "Oh, ein Gast, oder gar ein Dieb?" sagte eine männliche Stimme hinter ihm. Sabin drehte sich um und blickte verlegen in das Gesicht eines älteren Mannes, um nicht zu sagen uralt! "Ich bin kein Dieb! Ich, ... ich wollte mich nur einmal umsehen." sagte der Junge mit zögernder Stimme. "Soso, dann ist ja gut. Du interessierst dich also für magische Artefakte?" der Alte hatte ein gutmütiges, von Falten durchzogenes Gesicht. Er sprach langsam und betont. "Wieso magische Artefakte, ich dachte das hier wäre eine Schmiede?" "Das stimmt, aber ich schmiede mit der Kraft des Feuers und der Erde mit Hilfe des Orihalcums Gegenstände, die die magischen Kräfte des Trägers verstärken." Der Mann lächelte ihm entgegen. "Aha, so ist das also. Ich wusste gar nicht, das so etwas möglich ist! Und was ist Orihalcum?" "Orihalcum ist ein legendäres Metall. Es gibt viele Theorien darüber, die einfachste ist, das es nur ein Märchen ist, aber das hier ist Orihalcum, also ist diese Erklärung schon einmal Humbug. Was meinst du? Er hielt Sabin ein Stück schneeweiß schimmerndes Metall entgegen und Sabin griff danach, aber als er es berührte, leuchtete es rot auf und der Alte trat erschrocken einen Schritt zurück. "Wer um Himmels Willen bist du!?" fragte er zögernd. Und auch Sabin zögerte einen Moment seinen Namen zu nennen, aber dann sagte er entschlossen, "Sabin de Higeé." Die Augen des Alten weiteten sich und er schien sichtlich nervös. "Es... es tut mir leid, euer Hoheit, ich hatte ja keine Ahnung, bitte verzeiht mir mein-" "Schon gut." viel ihm Sabin ins Wort. "Könntet ihr mir wohl auch sowas schmieden, das heißt natürlich, wenn es nicht zu viele Umstände macht." "Natürlich! Bei euch wird es auf jeden Fall funktionieren, ihr habt die nötigen Kräfte dazu!" Verlegen über diese Worte wurden erst seine Wangen und dann Sabins ganzer Kopf rot wie eine überreife Tomate. Während der Mann sich also an die Arbeit machte, schaute sich Sabin noch etwas in der Schmiede um. Keika, so hieß der Alte, hatte ihm gesagt, das es etwa 3 Stunden dauerte, ein solches Schmuckstück anzufertigen. In dieser Zeit erkundete er noch ein wenig die Stadt und sah sich in allerlei Läden nach nützlichen Dingen um, darunter war auch ein merkwürdig wirkendes Schwert, dessen Anblick seine Nackenhaare zu stellen vermochte und trotzdem konnte er es nicht aus seinen Gedanken vertreiben. Er überlegte hin und her und schließlich kaufte er es. Es war nicht gerade teuer, was ihn ein wenig wunderte, denn es war eine leicht zu führende, dennoch sehr effektive Nahkampfwaffe mit vielen Verzierungen und den gleichen Zeichen, die er schon einmal in dieser Stadt gesehen hatte. Er nahm sein altes, schon etwas abgetragenes Schwert aus der Scheide und steckte das neue hinein. Der Händler bot ihm einen guten Preis für das mitgenommene Schwert in seiner Hand, aber Sabin lehnte freundlich, aber bedacht ab. Es war ein Geschenk seines Vaters gewesen und er wollte es auf keinen Fall verkaufen. Nachdem er sich davon überzeugte, das ihm nichts von den Sehenswürdigkeiten entgangen war, machte er sich nun wieder auf den weg zu Keika. Orihalcum... ein legendäres Metal? Ob es wirklich in der Lage ist, die magischen Kräfte einer Person zu verstärken? Als ich es berührte, diese unglaubliche Kraft, die meinen Körper durchfuhr. Ob das die Macht der vergessenen Zeit ist? Es dauerte seine Zeit, bis er die alte Schmiede endlich wiedergefunden hatte, denn die Straßen und Häuser dieser Stadt glichen sich wie ein Ei dem anderen. Diesmal zog Sabin es vor, anzuklopfen bevor er das Gebäude betrat. "Herein." hörte er Keika sagen und so öffnete er die Tür. Erfreut stellte er fest, das dieser bereits auf ihn wartete und das Artefakt auch schon so weit zu sein schien. "Ist es das?" fragte er mit der Hand auf einen kristallenen Ohrring zeigend. "Oh nein wo denkst du hin!" antwortete ihm Keika mit beschwörerischer Stimme. Verdutzt schaute Sabin ihn an, doch bevor er eine weitere Frage stellen konnte sprach Keika weiter, " Oder hast du vor mit einem Ohrring herum zulaufen? Nein, Spaß bei Seite." Er hielt ihm einen elegant verzierten Dolch entgegen, in dessen Griff mehrere Kristalle und Edelsteine eingebettet waren und von dem eine solche Kraft ausging, das Sabin eine Gänsehaut überkam. "Das ...?" flüsterte er. Keikas Augen blitzten als er die Bewunderung in Sabins Gesicht wahrnahm. "Du kannst es also fühlen." fing er an zu reden, "Nun, etwas anderes habe ich von unserem zukünftigen König auch nicht erwartet. Ihr werdet ein großer Herrscher, nicht wie euer Vater. Er war ein Tyrann, aber ich bin sicher du wirst es besser machen!" Sabin sah ihn völlig verständnislos an und hätte am liebsten etwas wie : ''Ach echt?'' gesagt, verkniff es sich aber im letzten Moment. Er wußte von Kelvins ständigen Predigten, dass sich etwas derartiges einfach nicht gehörte und auch wenn es ihm schwer fiel es sich einzugestehen, fand er das Kelvin ausnahmsweise recht damit hatte. Keika trat unruhig auf der Stelle, irgend etwas schien ihn nervös zu machen, aber als Sabin sich umsah konnte er keinen Grund dafür erkennen. Aber als er dann an Kelvins Worte dachte und an die Geschehnisse in Higeé wurde auch er nervös. "Und ich kann ihn einfach so behalten?" erkundigte er sich. "Ja, aber natürlich. Es ist mir eine Ehre und ich würde auch kein Geld wollen. Meine Schmiede geht gut. Ich habe genug Einkommen." bestätigte Keika. Schnell griff der Junge nach dem wertvollen Gegenstand und verstaute ihn unter seinem Umhang, schließlich sollte Kelvin ja nichts davon wissen. Er bedankte sich noch einmal recht herzlich und machte sich dann schnellen Schrittes auf den Weg zur Residenz. Sein Herz machte einen gewaltigen Sprung, als er in die Straße einbog, in welcher sich die Residenz befan d. Vor dem Eingangstor stand jemand, der ihm wohl bekannt war und dieser Jemand sah nicht sehr freundlich aus. Er beschleunigte und hoffte, dass Kelvin ihn nicht bemerken würde, was er natürlich tat. " Wo kommst du her! ?" fuhr er ihn an. "Ich wollte nur schnell was essen und habe mich wohl veraufen." improvisierte Sabin. "Ja, klar und ich bin der Graf von Käsekuchen, was?" Sabin war total überrascht, hatte er sich das eingebildet oder war Kelvin wirklich guter Laune? Kelvin lachte nur als er das verwirrte Gesicht seines Schützlings sah. "Nun ja... man könnte ja sagen du hast Ferien oder so," begann er schließlich weiter zu reden, "deswegen werde ich ausnahmsweise nicht ausflippen und dir keine Predigt halten!" grinste er Sabin an. "Wie jetzt?" fragte Sabin noch verblüffter als er eh schon war. Kelvin trat vor ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter, "Bitte sag mir in Zukunft Bescheid wenn du mal wieder vorhast einfach so zu verschwinden. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht." Sabin's Augen weiteten sich und hinter seiner Stirn schlugen seine Gedanken Purzelbäume. Um Himmels Willen! Was hat Claude nur mit Kelvin gemacht? Hat er ihm etwa Drogen eingeflößt, oder hat er ihm einfach solange auf die Birne gehauen, bis er total übergeschnappt ist? So kenne ich ihn nun wirklich nicht!, dachte Sabin besorgt. In diesem Moment kam Claude aus der Residenz gestürmt und rief schon von weitem: "Gott sei Dank, dir ist nichts geschehen!" anscheinend hatte auch er sich Sorgen gemacht, aber warum bloß? Er war doch nur in die Stadt gegangen und da er hier noch nie gewesen war, kannte doch keiner seine wahre Identität, oder etwa doch? Claudes Blick kreuzte den von Kelvin und sofort war die Luft angespannt, als stände alles in ihrem Umfeld unter Strom. Nein, dachte Sabin, Claude hat wohl doch nichts mit Kelvins guter Laune zu tun... und ohnehin scheint die jetzt auch flöten gegangen zu sein, er seufzte und beobachtete den auf mentaler Ebene stattfindenden Kampf. Die Beiden standen sich wie wilde Stiere gegenüber, die jeden Moment damit rechneten angegriffen zu werden oder es selbst zu tun. Verdammt? Hab ich was verpaßt? Ich weiß zwar, das die Beiden sich vom ersten Moment an nicht leiden konnten und wahrscheinlich nie leiden werden, aber heute Morgen war die Anspannung nur halb so groß wie jetzt! Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, das die Beiden einander kennen, aber wieso? Das ist doch unmöglich, er versuchte, den Gedanken abzustreifen und beobachtete was weiter geschah. In Claudes Blick war etwas, was er noch nie in seinen wunderbar klaren Augen gesehen hatte, es war... wie unglaublicher Haß auf diese Person. Wie Haß, der tief aus seinem Herzen hervorkam, wenn er ihn nur sah. "Lynn, bist wohl wieder damit beschäftigt Lehren zu erteilen, obwohl du selber nichts weißt, was?" sagte Claude spöttisch, doch im selben Moment erkannte er den Fehler, den er begannen hatte und sah nervös zu Sabin. In Kelvins Augen wuchs die Wut und hätte ihn Sabin nicht festgehalten, wäre er auf Claude losgegangen. "Lynn.." wiederholte Sabin. "Das hat nichts zu bedeuten!" versuchte sich Claude aus der Affäre zu ziehen. Kelvin sah ihn aus haßerfüllten Augen an, "er weiss es bereits." knurrte er ihn an. Claudes Anspannung verflog im selben Moment, in dem er verstand, was diese Worte bedeuteten. "Warum regst du dich dann so darüber auf?" "Ganz einfach weil du nicht das Recht hast, mich bei diesem Namen zu nennen, du... du Stück-" er brach den Satz ab, als er Sabins verwirrten Blick sah. Der Junge schaute abwechselnd ihn und Claude an. " Es tut mir leid", sagte er an den Prinzen gewandt..." auch Claude schaute ihn demütig an, aber er wagte es nicht, etwas zu sagen. "Was geht hier eigentlich vor?" begann Sabin, "Jeder weiß hier mehr als ich! Sogar die Zofen und Kammerdiener scheinen mehr Ahnung zu haben als ich! Was soll das?" schrie er die Beiden verzweifelt an. Claude senkte nur den Kopf, weil er nicht wußte, was er ihm hätte sagen sollen. Die Wahrheit? Nein, das durfte er nicht. Kelvin drückte Sabin mit einem Ruck an sich und sah ihn an. " Ich ... Ich kann es dir nicht sagen Sabin. Ich darf nicht..." flüsterte er. Sabin hatte nun ein für alle mal die Nase voll, er riss sich los und lief so schnell er konnte in sein Zimmer und warf sich übers Bett. Er war den Tränen nahe und wußte nicht einmal warum. Sie bahnten sich einfach ihren Weg und füllten ohne sein zu tun seine Augen und im nächsten Augenblick liefen sie seine Wangen hinunter. Er war verzweifelt. Er hatte bisher immer gedacht, er könne Kelvin vertrauen und auch Claude, aber beide verschwiegen ihm etwas. Was sollte er jetzt tun? Warum kam das jetzt alles auf einmal? Er verstand nichts, er lag einfach nur da, hatte den Kopf unter dem Kissen vergraben und weinte. Er musste wohl eingeschlafen sein, denn als er das nächste mal seine Augen öffnete, war es bereits dunkel geworden. Er schaute sich um und sah ein Tablett mit Essen, dass ihm die Zofe wahrscheinlich hereingebracht hatte, ohne ihn zu wecken, aber er hatte keinen Hunger, seine Gedanken kreisten immer noch. Das Nächste was er sah war ein Zettel. Er nahm ihn vom Nachtschrank und laß: Komm zu meinem Zimmer, ich warte auf dich. Paß bitte auf, dass dich keiner sieht, Kelvin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)