Dunkelstes Reich von Flordelis ================================================================================ Epilog: Außenwelt: 19.12.2023 – Das habe ich gern getan. -------------------------------------------------------- Faren grüßte die Krankenschwester im Vorbeigehen lächelnd, als er die Station betrat und sie diese gerade verließ. „Dein Haar sieht schon wieder viel besser aus“, sagte sie noch, als sie sich bereits wieder halb nach vorn gedreht hatte. „Danke, finde ich auch~.“ Als er aus der Zuflucht wieder in die Außenwelt zurückgekehrt war, hatte er sich beim Blick in den Spiegel sehr erschrocken. Sein Haar war schneeweiß gewesen, eine der Nebenwirkungen, vor denen Jii ihm gewarnt hatte. Aber in den letzten fünf Tagen war bereits ein großer Teil seiner eigentlich braunen Farbe wieder zurückgekehrt, worüber er sich ziemlich freute. Seine Gelenke schmerzten nun auch endlich nicht mehr, es war fast so, als hätte er niemals Dreamdust genommen. Glücklicherweise hatte sich die Zuflucht nach Kierans Befreiung wieder aufgelöst. Es war schwer genug gewesen, den leblosen Körper durch den U-Bahn-Tunnel zu transportieren, bis zu jener Stelle, an der Cathan und Jii auf ihn gewartet hatten. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, ihn auch noch durch alle Welten der Zuflucht zu tragen. Entgegen seiner Befürchtung war Kieran nicht gestorben. Er war in eine tiefe Bewusstlosigkeit versunken und erst am nächsten Tag wieder im Krankenhaus aufgewacht – scheinbar ohne jede Erinnerung an das, was in der Zuflucht geschehen war. Faren schwankte deswegen immer noch zwischen Erleichterung – immerhin musste das eine Jahr furchtbar gewesen sein – und Enttäuschung, denn so wusste Kieran selbstverständlich auch nicht mehr, was Faren für ihn getan, wie erbittert er gekämpft hatte, um ihn zurückzubekommen. Aber es war okay, sagte er sich immer wieder. Die Hauptsache war doch, dass es Kieran gut ging und er sich endlich in Freiheit und Sicherheit befand. Er war auch kein Dämon mehr. Offenbar war der Kern der Zuflucht der Mensch und befreite man diesen ... nun, dann schwand der Dämonen-Status anscheinend. Jii konnte es sich auch noch nicht so ganz erklären, Faren daher auch nicht. An Kierans Zimmertür angekommen, klopfte er kurz, ehe er eintrat. Wie üblich saß der Patient auf seinem Bett und sah aus dem Fenster hinaus. Gestern hatte es zu schneien begonnen und noch immer fielen große Flocken vom Himmel herab, die von Kieran aufmerksam gemustert zu werden schienen. Es war schwer zu sagen, da er so dasaß, dass Faren nur sein linkes, vom schwarzen Haar verdecktes Auge sehen konnte. Oder eben auch nicht. Er setzte sich ungefragt auf den Stuhl neben dem Bett. „Hey, Kieran.“ Im ersten Moment ignorierte dieser ihn, als wäre ihm gar nicht bewusst, dass er gar nicht mehr allein war. Normalerweise dauerte es einige Sekunden, bis er ihm den Blick zuwandte, doch heute blieben Kierans Augen auf das Fenster gerichtet und kein Laut kam über seine Lippen. „Alles okay?“, fragte Faren direkt besorgt. „Ja.“ Dass Kieran endlich reagierte, erleichterte ihn ein wenig. „Faren ...“ „Hm?“ Zu seinem eigenen Erstaunen bemerkte er, dass Kieran seine Finger in seine weiße Bettdecke gekrallt hatte. Das Sprechen schien ihm schwerzufallen, aber dennoch fuhr er fort: „Ich erinnere mich. Ich habe es erst vergessen, aber jetzt erinnere ich mich wieder.“ „Woran?“ Eigentlich kam ihm die Frage selbst überflüssig vor, denn eine große Wahl blieb gar nicht. „Ich weiß wieder, was du alles für mich getan hast“, antwortete Kieran. „Wie sehr du um mich gekämpft hast, als ich allein in der Zuflucht war. In welcher Gefahr du dabei warst ...“ Faren musste sich davon abhalten, erfreut zu lächeln. Er wollte immerhin nicht auf Kosten des anderen sein Heldentum ausnutzen – erst recht nicht, wenn Kieran eigentlich der wesentlich größere Held von ihnen beiden war. Endlich wandte er Faren den Blick zu, wobei dieser verwundert feststellte, dass Tränen über Kierans Gesicht liefen. In all der Zeit, in der er den anderen nun kannte, hatte Faren ihn erst einmal weinen gesehen – dies war nun das zweite Mal. „Ich dachte, es wäre okay, mit der Reue zu leben, aber als du gekommen bist, um mich zu retten, war ich so unendlich, unbeschreiblich glücklich …“ Ohne etwas zu sagen, setzte Faren sich auf das Bett und schloss Kieran vorsichtig in die Arme, worauf sich dieser an ihn schmiegte. Wärme strömte durch Farens Körper und versicherte ihm endgültig, dass er alles überlebt und sein Ziel erreicht hatte, gegen alle Wahrscheinlichkeiten, die er dafür herausgefordert hatte. „Ich danke dir so sehr, Faren. Für alles.“ „Das habe ich gern getan, Kieran. Ich bin nur froh, dass es dir gut geht.“ Und sie nun beide für ein Leben bereit sein könnten, das weit abseits jeder Zuflucht spielte, selbst wenn diese sie mehr zusammengeschweißt hatte, als alles andere, was sie je gemeinsam erlebt hatten. Fortan, da war sich Faren sicher, gäbe es nichts mehr, was sie trennen könnte. Keine Dämonen, keine Flüche, keinen Hexen. Nichts. Niemals. Nicht so lange er lebte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)