Dunkelstes Reich von Flordelis ================================================================================ Vierte Welt der Zuflucht – Es ist schon gut. -------------------------------------------- Es war als explodiere der Leuchtturm. Das reine, weiße Licht, das aus seinem Inneren nach draußen strömte, war derart wundervoll, dass Faren direkt hineinstarren musste – und er wurde dabei nicht einmal geblendet. Anders als Kieran, der seine Augen mit den Armen zu schützen versuchte und dabei einen lauten, frustrierten Laut ausstieß, der nicht menschlichen Ursprungs war. Faren musste schon sehr genau hinhören, dass er schließlich noch etwas anderes in seinem Schrei hörte, etwas durchaus menschliches: „Das kann nicht sein! Das darf nicht …!“ Seine restlichen Worte gingen in einem lauten Knurren unter, dessen Ursprung Kieran selbst zu sein schien. Sein Körper verformte sich, verlor alles menschliche, wurde zu einer Masse ohne jeden festen Umriss – und nur einen Augenblick später dehnte sie sich aus, gewann rapide an Größe, gewann immer mehr eigene Form. Faren wurde in diesem Moment überdeutlich klar, dass er gerade vor einem finalen Bosskampf stand – und er in seinem derzeitigen Zustand nur unterlegen sein konnte. Doch in seinen Überlegungen, was er nun tun könnte, hörte er plötzlich ein Ticken, das sich dem Lärm zu widersetzen schien, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Er blickte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und entdeckte, dass sich etwas von dem schwarzen Wasser zurückgezogen hatte, als fürchtete es sich, diesem Licht ausgesetzt zu sein. Und dort, auf dem freigelegten Stück Strand, lag seine Uhr. Faren hastete hinüber und griff danach, ohne innezuhalten. Mit einer geübten Handbewegung brachte er das Band wieder an seinem Arm an, ein kurzer Blick sagte ihm, dass die Zeit bereits abgelaufen war, das erklärte, weswegen er sich so schwach fühlte. In angemessener Entfernung blieb er wieder stehen und sah zu Kieran zurück. Inzwischen war schon wesentlich mehr zu erkennen, die Masse hatte die Form eines schlangenförmigen Drachen angenommen, der sich wie von Schmerzen geschüttelt wand. „Armer Kerl“, kommentierte Faren. „Ich werde dir helfen.“ Ohne zu zögern, betätigte er die roten Krone an der Uhr. Er spürte den Einstich, aber der kurze Schmerz war sofort vergessen, als die hochkonzentrierte Menge an Dreamdust in seine Blutbahn schoss und direkt zu wirken begann. Es war nicht wie zuvor, als er glaubte, den Herzschlag der Welt wahrnehmen zu können, ein Sandkorn zu sein – nein, er spürte eine enorme Welle von geradezu überwältigender Macht, die ihn derart erfüllte, dass selbst seine Haarspitzen zu knistern schienen. Er war bereit, etwas zu zerstören, um gleichzeitig zu erschaffen, selbst wenn ihm dafür nur 15 Minuten blieben. Inzwischen hatte das Wesen auch seine endgültige Form erreicht, es war nicht mehr schwarz, sondern besaß eine gut definierbare Masse, die mit dunkelblauen und grauen Schuppen bedeckt war. Das Maul war gespickt mit rasiermesserscharfen Zähnen, die allerdings derart willkürlich angeordnet waren, dass es ihm nicht möglich war, den Mund zu schließen, ohne sich dabei nicht gleichzeitig zu verletzen. Ketten waren an seinem langgezogenen Körper befestigt und klirrten bei jeder seiner Bewegungen als wäre er ein Schreckgespenst. Faren schmunzelte ein wenig über diesen Vergleich, dann sprintete er bereits auf das Wesen zu. Mit einem wütenden Knurren schnappte es nach ihm, Faren nutzte die Gelegenheit des Ausweichens und sprang direkt auf den Kopf des Ungetüms. Ein roter Schimmer breitete sich unter seinen Füßen aus, der Faren verriet, dass eine Art Magnetismus dafür sorgte, dass er erst einmal vollkommen sicher auf dem Körper seines Feindes war. Ohne innezuhalten lief er weiter, kopfüber an dem Schlangendrachen hinunter, der versuchte, ihn zu schnappen, kaum kam er in die Nähe der ersten Kette. Faren beendete den Magnetismus, sprang von dem Körper ab, um dem Angriff auszuweichen und bekam eine der Ketten zu fassen. Es gelang ihm, genug Kraft in seine Arme zu legen, um derart heftig daran zu ziehen, dass sie sich vom Körper des Drachen löste. Dieser stieß ein lautes, schmerzerfülltes Kreischen aus und stürzte zu Boden. Auf seiner Stirn löste sich dabei eine Schuppe, darunter kam ein rotes Glühen zum Vorschein, das geradezu danach schrie, sein Schwachpunkt zu sein. Faren wollte sich dem Kopf nähern, um kurzen Prozess zu machen, doch der Schwanz des Wesens zuckte bereits wie in einem Fiebertraum, zerwühlte den Boden und sorgte dafür, dass er ausweichen musste, statt angreifen zu können. Mit jedem Sprung entfernte er sich weiter von dem Kopf, aber der Schwanz ließ ihm auch nicht einmal den Hauch einer Chance, ihn zu erreichen. „Du nervst!“, stieß Faren frustriert aus. Er ließ eine rot-glühende Axt in seiner Hand erscheinen und teilte den Schwanz kurzentschlossen vom Rest des Körpers ab, worauf er sich in schwarzen Sand auflöste. Der Drache stieß einen Schrei aus und richtete sich ruckartig wieder auf, das rote Glühen verschwand dabei. Diesmal machte der Drache nicht denselben Fehler wie zuvor, er schnappte nicht mehr nach ihm, starrte ihn nur mit seinen golden glühenden Augen an. Als Reaktion darauf, begann der Boden unter Faren zu erbeben, im Sand zeigten sich erste Risse, die es wirken ließen, als sei es eine einzige Masse, die jeden Moment auseinanderzubrechen drohte. Mittels eines spontan erscheinenden Enterhakens schaffte er es, sich nicht nur in Sicherheit zu bringen, sondern auch wieder auf den Körper des Drachen zu springen. Das geschah derart schnell, dass sein Feind es nicht einmal schaffen konnte, ihn im Flug zu schnappen. Kaum stand er sicher auf dem Ungetüm, griff er bereits nach einer weiteren Kette, schnellte davon und riss mit einem heftigen Ruck auch diese aus dem Drachen, der mit einem erneuten Schrei wieder auf dem Boden landete. Auch diesmal verschob sich wieder eine Schuppe und gab das rote Glühen auf der Stirn frei. Doch ein leises Quietschen lenkte Farens Aufmerksamkeit davon ab. Im nächsten Moment wurde er bereits zu Boden geschleudert und – nur einen Atemzug später – prallte er mit dem Rücken gegen die Klippen. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb ihm die Luft weg, durch die Tränen hindurch erkannte er die schattenhafte Umrisse von Cathan und den kleinen Granya-Puppen. Sie waren nicht wirklich da, nur schwarze Schemen, aber sie genügten offenbar, um ihm zu schaden. Das leise Lachen des kleinen Kierans erklang, was Faren endlich dazu brachte, sich aufzurichten und wegzuspringen. Keinen Moment zu früh, denn da explodierte der Bereich gerade und der Sand, auf dem er soeben noch gelegen hatte, wurde von zahlreichen Felsen unter sich begraben. Der Schatten der beiden Kierans, denen er in der zweiten und der dritten Welt begegnet war, gesellten sich zu Cathans und den Puppen, und schnitten ihn effektiv von dem Kopf ab. „Ernsthaft?“, fragte Faren. Kein Wunder, dass es noch nie jemandem gelungen war, einen zum Dämon gewordenen Jäger zurückzuholen. Nicht jeder würde in einer solchen Situation einfach weitermachen. Auch Faren hätte sich gern zurückgezogen, aber ihm blieben weniger als zehn Minuten. „Augen zu und durch.“ Faren sprintete vor, direkt auf die Reihe seiner Feinde zu. Eine blaue Sense erschien dabei, die ohne sein Zutun um ihn herumwirbelte und die Schatten zerteilte, die lediglich ein letztes, nervöses Lachen von sich geben konnten. Selbst Cathan und die Puppen hielten der blauen Schneide nicht stand, die durch alles schnitten, als wäre es Schnee. So kam er an ihnen vorbei, im selben Moment, in dem der Drache sich bereits wieder aufrichten wollte. Ehe ihm das gelang, schnappte Faren sich die letzte Kette, trieb ein Schwert durch eines der Glieder und nagelte sie damit im Boden fest, da der Sand immer noch eine einzige Masse war. Der Drache schrie wütend, während er immer wieder versuchte, sich loszureißen und doch noch zu entkommen. Aber das Schwert, das blau glühte, hielt jeder Bewegung stand, egal wie kraftvoll sie geschah. Faren ignorierte diese Bemühungen und begab sich auf den Kopf des Wesens, das zu beschäftigt war, um sich um ihn zu kümmern. Das gab ihm die Gelegenheit, die Schuppe zu entfernen und das rote Glühen zu betrachten. Inmitten eines leuchtenden Edelsteins sah er nicht Kieran, nicht einmal den falschen, sondern eine junge Frau, deren langes schwarzes Haar sich so um ihren Körper schmiegte, dass ihm, trotz ihrer fehlenden Kleidung, jeder Blick auf ihre Haut verwehrt wurde. Sie hatte die Hände vor der Brust gefaltet, als wäre sie in ein Gebet vertieft, aber ihr Gesicht war derart gelöst, dass er direkt sehen konnte, dass sie tot war. Auch wenn er die Hexe, die Kieran zu seinem Schritt, ein Dämon zu werden, bewogen hatte, nur einmal kurz gesehen hatte, wusste er sofort, dass es sich bei dieser Frau um sie handelte. Und damit war ihm auch klar, dass es sich hierbei um den Kern der Bosheit handelte. Ein kurzer Blick zu dem Schwert hinunter, verriet ihm, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Die Klinge wackelte bereits ein wenig, für immer konnte sie sich dem Zerren nicht widersetzen. Außerdem blieben ihm noch weniger als fünf Minuten. Er legte eine Hand auf den Kristall, ehe er sanft sagte: „Es ist schon gut. Ich werde dich jetzt erlösen. Dann musst du nicht mehr derart viel Bosheit verbreiten.“ Mit einem Sprung schwang er sich wieder in die Luft, ein blaues Glühen um seinen Körper half ihm dabei, die Schwerkraft zu überwinden, so dass er schweben konnte. In seiner ausgestreckten Hand erschien ein Raketenwerfer, den er sich auf die Schulter schwang, um ruhiger zielen zu können. „Schlaf gut, Hexe – und gib Kieran endlich wieder frei.“ Er verkniff sich jedes Tiro Finale, das ihm gerade auf der Zunge lag und schoss. Im selben Moment zersprang die Klinge, der Drache riss sich los und brüllte der auf ihn zurasenden Rakete entgegen. Letztendlich wusste er aber wohl ebenfalls nicht, was er nun tun sollte oder vielleicht wollte er auch gar nichts mehr tun – denn einen Atemzug später traf das Geschoss auf den Kristall auf und explodierte in einem gleißenden Licht. Diesmal war es Faren, der sich schützend einen Arm vor die Augen hielt, so dass er lediglich das Kreischen des Drachen hören konnte, während dieser von den Flammen verzehrt wurde. Gerade als das Schreien endlich verebbte, wurde Faren von der Druckwelle der Explosion erfasst und direkt gegen eine der Klippen geschleudert. Er hörte ein unangenehmes Splittern, spürte aber keinen Schmerz und landete dann auf dem Sand, wo er sich sofort auf den Rücken rollte. Hastig tastete er seinen Körper ab, konnte aber keinerlei Verletzung feststellen, was ihn erleichtert aufatmen ließ. Die Frage nach dem Ursprung des Splitterns wurde ihm auch sofort beantwortet, als sein Blick auf die Uhr fiel – oder jedenfalls das, was davon übrig geblieben war. Das Ziffernblatt war komplett zerstört und zur Unkenntlichkeit verbrannt, sogar das Band war tiefschwarz geworden und zerfiel unter seiner Berührung zu Asche. Schade, ich mochte die Uhr … sie hätte ein hübsches Andenken gemacht. Ein gleichmäßig über den dunklen Himmel wanderndes Licht, erinnerte ihn dann daran, dass er hier noch etwas zu tun hatte. Er richtete sich auf, überprüfte sich dabei noch einmal selbst auf Verletzungen, die immer noch ausblieben und ließ dann den Blick schweifen. Der Drache war verschwunden, lediglich einige rote Kristallbrocken, die im Sand verstreut lagen, erinnerten noch daran, dass es hier zu einem Kampf gekommen war. Der Himmel hatte sich aufgeklärt, vereinzelt waren Sterne zu sehen – aber am wichtigsten war immer noch der Leuchtturm, den er auf der Klippe sehen konnte und der immer noch sein strahlendes Licht verbreitete. „Kieran ...“ Mit diesem voller Sehnsucht ausgestoßenen Wort, setzte Faren sich in Bewegung, um den Leuchtturm – und damit sein Ziel – zu erreichen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)