Dunkelstes Reich von Flordelis ================================================================================ Dritte Welt der Zuflucht – Eine Sackgasse. ------------------------------------------ Als Faren wieder erwachte, befand er sich immer noch in diesem Gang, umgeben von unzähligen Splittern der Spiegel, von denen nur noch die Rahmen standen. Kierans Lachen schien immer noch von den Gängen widerzuhallen, aber sonst war niemand mehr hier. Es erfüllte Faren mit einiges an Genugtuung, diese Scherben zu sehen. Es schien ihm gleichbedeutend mit einem Sieg über seinen Vater, den er niemals erringen könnte. Immerhin war Timothy schon vor einigen Jahren gestorben – und einen Toten konnte man nicht besiegen. Um sich nicht zu schneiden, wischte Faren die in seiner Nähe liegenden Scherben weg, ehe er sich aufrichtete. Von der Tür, durch die er gekommen war, gab es keinerlei Spuren mehr, lediglich jene, durch die er hatte gehen wollen, ehe er von diesem Flashback getriggert worden war. Zumindest war das Gefühl gebrochener Knochen verschwunden, so dass er sich wieder uneingeschränkt bewegen konnte – was er direkt dafür nutzte, einen Blick auf seine Uhr zu werfen. „Nur noch zwei Stunden.“ Das könnte knapp werden, er konnte es sich nicht mehr leisten, noch öfter bewusstlos zu werden oder einfach nur in der Gegend herumzustehen. Also setzte er sich lieber wieder in Bewegung, ignorierte das knirschende Glas unter seinen Schuhen und durchquerte die Tür. Auf der anderen Seite fand er sich in einem Raum wieder, der nicht so wirklich in eine Schule passen wollte – wenn er sich überhaupt noch in einer solchen befand. Vielleicht passte er aber in eine Tanzschule, jedenfalls wenn er die Größe bedachte, so wie den Spiegel, der sich an einer Wand entlangzog. In Horrorspielen, so wusste er, geschahen immer eigenartige Dinge, wenn man in derartige Spiegel sah oder man entdeckte, dass etwas in der Reflektion anders war, als in der Realität, aber hier traf das nicht zu. Die Stühle waren fein säuberlich an der anderen Wand aufgereiht, direkt vor den Tischen, auch befand sich außer ihm sonst niemand im Raum, weder hier noch im Spiegel. Auch der schwarze Flügel zeigte keinerlei Auffälligkeiten. Faren stellte sich vor die schwarzen und weißen Tasten und spielte probehalber ein paar Akkorde, die er einmal aufgeschnappt hatte. Die Saiten waren alle gestimmt, die Töne kamen klar hervor, weswegen er es bedauerte, dass er selbst kein Klavier spielen konnte – und eine Geige fand er spontan nicht. Er blickte durch die Fenster nach draußen, aber dort sah er nur Schwärze, die ihm nicht sonderlich willkommend aussah. Doch die Fenster ließen sich ohnehin nicht öffnen, also war es unerheblich. Es gab auch keine weitere Tür. Alles in allem sah es aus wie- „Eine Sackgasse“, stellte er fest, während er ein wenig ratlos im Kreis lief. Sollte er wieder durch jene Tür gehen, durch die er hereingekommen war? Hatte Kieran ihn vielleicht nur an der Nase herumgeführt? Er wandte sich gerade ab, um wirklich zurückzugehen – als er eine Bewegung im Spiegel bemerkte, die nicht zu seiner passen wollte. Misstrauisch ging er näher, bis er direkt vor seinem Spiegelbild stand und dieses genauer betrachten konnte. Auf den ersten Blick wirkte alles, wie es sein sollte. Wenn man keine Horrorspiele oder derartige Filme konsumierte, schöpfte man wohl auch keinen Verdacht, aber Faren fiel durchaus auf, dass sein Spiegelbild all seine Bewegungen nur verzögert imitierte, als müsste es erst einmal darauf warten, was er tat, um entsprechend reagieren zu können. Faren wich einige Schritte zurück und ließ eine Pistole in seiner Hand erscheinen. Nicht jene, die Traumbrecher einsetzten, sondern eine richtige Waffe, mit der er auch direkt auf den Spiegel schoss. Doch statt splitterndem Glas war lediglich ein helles Blitzen zu sehen, wonach die Kugeln zu Boden fielen, ohne Schaden zu verursachen. „Also ist es kein normaler Spiegel.“ Was nur noch einmal dadurch bestätigt wurde, dass sein Spiegelbild zwar ebenfalls mit einer Waffe dastand, aber nicht geschossen hatte und ihn stattdessen lediglich mit einem überheblichen Grinsen ansah, das, so fand er, gar nicht zu ihm passen wollte. Farens Blick traf sich mit dem seines Spiegelbildes, es schmunzelte – und betätigte dann ebenfalls den Abzug seiner Waffe. Die Kugeln schlugen auf das Glas und zerbrachen es diesmal tatsächlich. Die Splitter flogen Faren entgegen, der sich schützend einen Arm vor die Augen hielt. Doch bevor sie ihn erreichen konnten, fielen sie wie glitzernde Juwelen zu Boden und blieben dort liegen. Hinter dem Spiegel befand sich ein Hohlraum und dort befand sich eine schattenhafte Gestalt, die selbst in ihrem jetzigen, detaillosen Zustand noch immer Ähnlichkeit zu Faren aufwies. Sie trat aus diesem Hohlraum heraus in das große Zimmer und wirkte dabei alles andere als friedlich. „Ich habe mal ein Videospiel gespielt, in dem das so ähnlich passiert“, meinte Faren schmunzelnd. „Aber diesmal habe ich nicht das Glück, einen Gefährten mit einer heilenden Kette zu haben.“ Doch das sollte ihn nicht aufhalten, nicht wenn es um Kieran ging. Der Platz reichte nicht für seine Sense, also beschwor er einen Speer – und stürmte dann direkt auf das fremdartige Wesen zu. Dieses wich mühelos zur Seite aus, hinterließ aber eine Spur aus Feuer, die Faren mit einem einzigen Drehen seiner Waffe direkt ersticken konnte. Dann setzte er dem Wesen nach, das ein amüsiertes Lachen von sich gab. Es klang erschreckend nach seinem eigenen, das von dem Lachen seines Vaters überlagert wurde, aber er konnte sich auch davon nicht beeindrucken lassen. Nicht in diesem Moment. Er stieß den Speer direkt in den Oberkörper seines Feindes – doch dort, wo die Klinge in ihn eindrang, teilte sich einfach die Masse wie zähflüssiger Teer und schloss sich dann sofort wieder, so dass die Waffe feststeckte. Egal wie stark Faren zog oder schob, sie gab nicht mehr nach. Die Situation ließ seinen Feind in hysterisches Gelächter ausbrechen, Teer tropfte scheinbar von ihm herunter, bewegte sich über den Boden und versuchte nun auch, Faren an Ort und Stelle zu fixieren. Um dem zu entgehen, ließ er die Waffe los und sprang rückwärts, um sich in Sicherheit zu bringen. Im selben Moment, in dem seine Hände den Griff verließen, zerbrach dieser auch schon bereits in mehrere Glieder, die von einer Kette zusammengehalten wurden. Ohne sein Zutun schlangen die Teile sich um den Körper des Wesens, und das Ende verkantete sich im Boden, um es an Ort und Stelle zu halten. Dennoch breitete sich ein siegessicheres Grinsen auf dem Gesicht seines Feindes aus. Die Masse öffnete sich direkt im Gesicht, was es zu einem furchterregenden Anblick machte – besonders als in diesem Mund ein Licht erstrahlte, was auf einen weiteren Angriff hindeutete. Statt auszuweichen, zog Faren an einem imaginären Umhang, der im nächsten Moment tatsächlich erschien und ein Schutzschild vor seinem Körper bildete. Und das keinen Augenblick zu früh. Der Lichtstrahl schoss aus dem Mund des Wesens und prallte direkt gegen den Schild, der ein leises Knacken von sich gab. Faren fokussierte mehr Energie in die Erhaltung seines Schutzes – und atmete erleichtert durch, als der Strahl endlich wieder erlosch. Sofort ließ er den Schild verschwinden und lenkte seine Energie dafür in den Boden um. Eine dünne Eisschicht breitete sich rasch auf diesem aus, kroch an dem Wesen empor, erstickte sogar die Flammen, die dieses aufbrachte, um sich davor zu schützen. Innerhalb kürzester Zeit war sein kompletter Feind in einen Eisblock eingehüllt, derart kalt, dass es in der ansonsten warmen Umgebungsluft dampfte. Faren ließ wieder eine Pistole in seiner Hand erscheinen und deutete damit direkt auf den bizarr geformten Eisklotz, in dem sich auch irgendwo sein Speer befinden müsste. „Jackpot~.“ Ein einzelner Schuss genügte, die Skulptur zerfiel in unzählige zarte Splitter, die sich nie mehr zusammenfügen und nichts mehr von dem einstmals starken Feind erahnen ließen. Faren löste seine Waffe wieder auf, ehe er sich mit einem zufriedenen Lächeln dem Hohlraum zuwandte, aus dem dieses Wesen herausgekommen war. Wenn er sich nicht vollends täuschte, müsste er dort einen weiteren Weg finden, um Kieran folgen zu können. Dabei trat er mit besonders viel Genugtuung auf die einzelnen Eisbrocken, die ihm noch so unterkamen, nur um nochmal ganz sicher zu gehen. Der Hohlraum war nicht beleuchtet, aber undeutlich konnte er die Metallschnur einer Lampe erkennen. Also zog er daran, worauf eine nackte Glühbirne aufflammte. Faren blinzelte in die ungewohnte Helligkeit, dann ließ er den Blick schweifen. Dieser Hohlraum sah aus … wie ein Schrank. Eine Stange war hier angebracht auf der sogar einige Kleidungsstücke aufgereiht waren. In der Ecke standen einige Kartons, deren Inhalt ihn aber nicht interessierte, schon allein deswegen weil er versuchte, der Enttäuschung in seinem Inneren Herr zu werden. Es gab keine Tür, keinen geheimen Gang, nichts. Es war eine weitere Sackgasse. Seufzend lehnte Faren sich mit dem Rücken gegen die Wand des Schranks und blickte zurück in den großen Raum. Das Eis begann bereits zu schmelzen, aber von der schwarzen Masse war nichts mehr zu sehen. „Was soll ich jetzt tun?“, fragte er leise. Kieran wäre bestimmt eingefallen, wie er weiterkommen könnte. Egal in welcher Situation er gewesen war, Kieran hatte immer einen Ausweg gefunden – selbst aus seiner letzten Notlage, auch wenn das Ergebnis Faren nun hierher geführt hatte. Aber ein Ausweg ist ein Ausweg. Ich habe im Moment nicht einmal das. Er verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte zu verhindern, dass er gerade jetzt wieder in einer gedanklichen Situation versank, die ihn dazu zwingen könnte, sich frustriert in eine Ecke zu setzen und seinen Gedanken nachzuhängen. Stattdessen ließ er seine Überlegungen wieder zu dem eben besiegten Feind wandern – und die Stirn runzeln. Bei den vorigen beiden Feinden hatte es einen Gegenstand gegeben, der ihm weitergeholfen hatte, aber hier war er leer ausgegangen. Bedeutete das etwas? War der Feind dieser Ebene vielleicht noch gar nicht wirklich besiegt? „Zu spät“, zischte eine Stimme hinter ihm. Noch ehe er sich umdrehen oder sich auch nur von der Wand entfernen konnte, wurde er plötzlich gepackt und mit einem heftigen Ruck geradewegs zurückgezogen. Davon bekam er aber nicht mehr sonderlich viel mit, denn gemeinsam mit der Berührung floss eine eisige Kälte direkt in seinen Körper hinein, die auch rasch sein Innerstes erfüllte – und ihm das Bewusstsein rauben wollte. Doch ehe er vollkommen in die Schwärze versank, sah er noch einmal Kieran vor sich, seinen Kieran, der ihn leicht genervt ansah, wie immer eben. Plötzlich lächelte er aber tatsächlich, wenn auch nur ganz leicht. „Es ist schon gut, Faren. Ich bekomme das hin, vertrau mir.“ Dann verschwand er hinter einem schwarzen Schleier – und Farens Bewusstsein versank in einem tiefen Meer, auf dessen Grund ihn nichts mehr erreichen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)