Dunkelstes Reich von Flordelis ================================================================================ Prolog: Innerste Zuflucht – ... ------------------------------- Er existierte. Das nahm er jedenfalls an. Es war ihm nicht möglich, sich zu bewegen, selbst die geschlossenen Augen zu öffnen, erschien ihm wie ein Akt, der viel zu viel Kraft erforderte. Er war unfähig, etwas anderes außer sich selbst wahrzunehmen. Zeit war hier vollkommen ohne Bedeutung, genau wie ein Bewusstsein, deswegen wäre es für ihn nicht überraschend gewesen, würde es sich bei diesem Ort um das Jenseits handeln. Aber er existierte. Er lebte. Er hörte seinen Herzschlag, der aus allen Richtungen gleichzeitig zu erklingen schien, spürte das Wasser um sich herum, das sein Haar um seinen Kopf schweben ließ. Doch er ertrank in dieser Flüssigkeit nicht, er fühlte sich geborgen, zu Hause. Sicher. Das einzige, das seine heile Welt mit unschönen, rostigen Nägeln, anzukratzen versuchte, waren die kurzen Erinnerungen von Reue, die ihn manchmal durchzuckten, ihn mit einem heißen, gleißenden Feuer erfüllten, das genauso schnell wieder erstarb und eine geradezu schockierende Kälte zurückließ, bis er sich wieder in Sicherheit fühlte. Jedes Mal, wenn diese Flamme ihn heimsuchte, wollte er sich zusammenkrümmen, wollte schreien, wollte irgendjemanden auf seinen Schmerz, der ihm so vollkommen fremd erschien, aufmerksam machen. Er wollte nicht allein sein. Aber er konnte sich nicht bewegen. Er existierte, doch er war gezwungen, für immer in derselben Position zu verharren, als wäre er eine Marionette, deren Fäden sich vor langer Zeit einst verfangen hatten und die derart unwichtig war, dass sich niemand je die Mühe gemacht hätte, sie wieder zu befreien. Er war verdammt, seine Existenz an diesem Ort, der gleichzeitig fremd und doch eine Heimat war, zu verbringen. Allein. Bewegungslos. Immer wieder von den grausamen Schmerzen heimgesucht, die ihn von innen heraus zu verbrennen drohten, bis er bereits auf Gnade hoffte, die nie eintrat. Er existierte. Und doch wünschte er sich, in seinen fast schon wachen Momenten, dieses Dasein würde enden. Würde alles mit sich reißen, was ihn eins ausgemacht hatte und woran er sich ohnehin nicht mehr erinnerte, abgesehen von dieser furchtbaren Reue, dem Gefühl, einen großen, unverzeihlichen Fehler begangen zu haben. Manchmal glaubte er, sich zu erinnern, glaubte, ein Gesicht zu sehen, einen Namen, glaubte, dass etwas in seinem Inneren darauf reagierte und Saiten seines Gefühls erklingen ließ. Aber da war nur sein Herzschlag, nur das Feuer der Reue, nur die Kälte des Vergessens. Er existierte. Aber das war auch schon alles. Nur manchmal, da wurde das Gefühl der Reue von einer Trauer begleitet, die so groß war, dass sie sich in Tränen ausdrückte, obwohl er nicht einmal wusste, dass es ihm noch möglich war zu weinen. Diese Tränen widersetzten sich jeder Logik, vermischten sich nicht mit der ihn umgebenden Flüssigkeit und schwebten stattdessen nach oben, bis sie die Wasseroberfläche durchbrachen. Dort wandelten sie sich in Töne, ein schweres Seufzen einerseits, eine Stimme andererseits. Diese Stimme war voller Bedauern, voller Reue, voller Trauer, voller Erinnerungen an gute Zeiten, die niemals zurückkommen würden, Erinnerungen an verpasste Chancen, die einfach verstrichen waren. Und diese Stimme sagte nur einen einzigen Namen, schaffte es damit aber, das gesamte, strahlendweiße Refugium einzunehmen: „Faren ...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)