Doors of my Mind 2.0 von Karo_del_Green (Ihr Freund. Mein Geheimnis) ================================================================================ Kapitel 17: Schachmatt! Uno! Nein…Bingo! ---------------------------------------- Kapitel 17 Schachmatt! Uno! Nein…Bingo! Ich bleibe unschlüssig stehen. Noch hat er mich nicht bemerkt, doch dann ruft Danny nach mir und lenkt somit die volle Aufmerksamkeit direkt auf mich. Jakes braune Augen erfassen mich. Diesmal ist es kein fürsorglicher und liebevoller Ausdruck, sondern er ist gespickt mit Verärgerung und Enttäuschung. Heute bleibt mir auch nichts erspart. Ich schellte mich innerlich, weil ich hätte wissen müssen, dass Jake auf Marikas Feier sein wird. Auch wenn er nichts davon gesagt hat. Jake mustert mich eingehend. Ich spüre förmlich, wie sein Blick über meinen Körper wandert und bekomme unweigerlich Erpelpelle von hier bis zum Mond. Ich verdränge die Erinnerungen, die durch seine Blicke hochkommen und auch das seltsame Ziehen in meiner Lendengegend. Eine richtige Erklärung für Raphaels Auftauchen hatte er von mir nicht bekommen, also bin ich ihm diese noch schuldig. Vielleicht wäre der Flug zum Pluto doch die bessere Wahl gewesen. Gut, Planet hin oder her. Hauptsache weit weg. Plötzlich sehe ich Rot. Im wahrsten Sinne des Wortes. Marikas üppige Locken wippen rhythmisch hin und her und ich sehe ihr breites Lächeln. Wo sie gerade hergekommen ist, ist mir ein Rätsel. Sie nimmt mich an die Hand und zieht mich zurück zur Gruppe. Unterwegs sammelt sie Jake ein, nimmt diesen an die andere Hand und zieht uns gemeinsam hinter sich her. Ich starre wie gebannt auf ihren Rücken. Nur um Jake nicht ansehen zu müssen. „Ihr kennt euch noch?", übernimmt Marika sofort die Konversation. Ihre Frage finde ich irgendwie eigenartig. Obwohl ich es nicht genau weiß, bin ich immer davon ausgegangen, dass Marika über unsere mehr oder weniger Beziehung Bescheid weiß. Anscheinend ist dem nicht so. Ich sehe verwundert zu Jake, der einen Moment lang sogar mit den Schultern zuckt. „Sicher kennt er mich noch, nicht wahr, Mark?", sagt er übertrieben freundlich. „Wie könnte ich dieses Gesicht vergessen", kontere ich ebenso überspitzt. Ich nehme demonstrativ einen Schluck aus der Bierflasche und versuche mich von Jake nicht provozieren zu lasse. Allerdings schafft er scheinbar trotzdem mühelos. „Wo hast du denn Raphael gelassen?", stichelt er mich leise weiter und ich habe mit einem Mal Schwierigkeiten den Schluck Bier runter zu würgen. „Bespaßt meine Schwester", presse ich hervor und merke, wie mir langsam aber sicher heiß wird. Es ist Danny, der sich neben mir räuspert und anscheinend versteht, was diese seltsame, bruchstückhafte Konversation zu bedeuten hat. Jeder halbwegs vernünftig denkende Mensch nimmt uns nicht mehr ab, dass wir uns fast gar nicht kennen. „Ach, wirklich? Das ist ja schade.", spottet er fast schon böse. Obwohl ich seine Verärgerung verstehe, verletzen mich seine Worte extrem. Ich empfinde seine Reaktion als unfair und unangebracht. Das zwischen mir und Jake war nie wirklich offiziell. Weder er noch ich haben jemals davon gesprochen ein Paar zu sein. Wir haben uns getroffen, hatte Sex und mochte uns. Nicht mehr und auch nicht weniger. Auch Jake hat keine Anstalten gemacht, das zu ändern. Marika sieht auf, schaut zuerst zu Jake und dann zu mir. „Toll, dass ihr es beide geschafft habt. Ich freue mich." Ihr Ausruf passt nicht zu der angespannten Stimmung, aber dennoch klatscht sie in die Hände. Sie schnappt sich selbst eine der Bierflasche, welche ein anderer Freund hält und hebt es in die Höhe. Ein paar Worte werden gesprochen. Ich vernehme sie nur dumpf, weil ich damit beschäftigt bin, Jake säuerlich anzublicken. Marika dankt allen und lobt. Sie spricht von weiteren guten Feten und freudigem Kennenlernen. Sie ist eine gute Rednerin. Animierend und einnehmend. Dann schreit sie Laut Party und schafft es sogar die Musik zu übertönen. Das ist eine echte Leistung. Wir trinken einen Schluck zu ihren Ehren und mit einem Mal steht Jake dicht neben mir. „Und, wie gut hast du Raphael schon kennen gelernt?", raunt er mir entgegen. Ich spüre seine Lippen an meinem Ohr und ein erschrockenes Kribbeln in meinen Fingerspitzen. Die eindeutige Zweideutigkeit erschreckt mich. Ich greife Jake sauer am Hemdkragen und ziehe ihn vor versammelter Mannschaft und demonstrativ mit mir mit. „Mark? Jake? Hey, wir wollen doch noch, ...", ruft uns Marika hinterher. „Entschuldige Rotschopf, aber Jake und ich gehe uns jetzt besser kennenlernen", brülle ich nur kurz, aber definitiv wütend in die Menge und schleife Jake aus dem lauten Getümmel heraus. Er wehrt sich nicht, wirklich willig ist er trotzdem nicht. „Verdammt Jake, muss das sein?", zische ich ihm entgegen, nachdem ich eine ruhige Ecke gefunden habe und blicke den älteren Mann verärgert an. „Ja, also was verdammt noch mal soll das mit Raphael?", fragt er retour und ich seufze genervt. Ich wusste, dass eine Aussprache unausweichlich ist und doch schwanke ich zwischen einer ehrlichen Antwort und sinnfreien Herausreden. Aber was würde eine Ausrede bringen? Wahrscheinlich nur eine weitere Runde chaotisches Schisshasen-Punshing auf Kosten von Menschen, die mir viel bedeuten. In diesem Moment flammt der Wunsch nach einem Gespräch mit Shari in mir auf. Meine liebste und beste Freundin. Der stille Halt, den sie mir gibt, auch wenn wir nicht in allem konform gehen. Ihre Meinung wäre mir in diesem Moment so wichtig. „Rede mit mir, Mark!" Eine deutliche Aufforderung, weil ich abwesend auf meine Hände starre. „Was, bitte willst du von mir hören?", frage ich. Mir graut es jedes Mal wieder vor derartigen Gesprächen. „Zur Abwechslung wäre die Wahrheit mal ganz schön!" „Ich habe dich nicht belogen", knalle ich ihm sofort verteidigend entgegen. Ich habe ihm nicht alle meine Beweggründe genannt, aber ich habe ihn nie belogen. „Du hast mir nur nicht erzählt, dass du den Freund deiner Schwester fickst." Ich zucke bei seinen deutlichen Worten zusammen. Seine Wortwahl ist aggressiv und obwohl ich nicht zimperlich bin, erschreckt es mich, weil es mir unangenehm ist. Trotzdem hat Jake Unrecht. „Weil es auch nicht stimmt!" „Hör auf, Mark. Ich bin nicht so blind und begriffsstutzig, wie du denkst. Zwischen euch beiden läuft etwas. Wie lange keine Ahnung, aber ich bin mir sicher, dass das der Grund ist, wieso du mich nie vollkommen an dich rangelassen hast. Also lass diesen haarspaltenden Scheiß." Jake ist wirklich aufgebracht. „Ich hatte keinen Sex mit ihm." Die Tatsache, dass ich ihn mehrere Mal oral befriedigt habe, fällt gerade gekonnt über die Klippe meiner Unzulänglichkeiten. Jakes mustert mich und mit einem Mal wandelt sich sein wütender Gesichtsausdruck. „Klar..." Jake verschränkt seine Arme vor der Brust. „Was bin ich dein verdammter Lückenbüßer?" Das Wort, welches ich jedes Mal denke, wenn ich ihn treffe. Es erwischt mich eiskalt. Nein, Jake ist nicht nur ein Lückenbüßer. Ich mag ihn wirklich, aber dennoch lässt sich nicht abstreiten, dass ich ihn ausgenutzt habe, weil der, den ich wirklich wollte, lange nicht in meiner Reichweite war. „Wow,...", entflieht ihm bestürzt, weil ich nicht sofort antworte. „Ich war nichts weiter als dein Behelf zum Abreagieren." „Nein, Jake, so ist es nicht..." Er unterbricht mich und macht einen Schritt auf mich zu. Unbewusst weiche ich seinem Blick aus. Ein leises Knurren perlt von meinen Lippen, welches Jake garantiert gehört hat. „Ihn kannst du nicht ficken, also suchst du dir einen anderen Doofen. Da hast du mit mir ja auch den vollen Glücksgriff gemacht, weil ich nichts mitbekomme, wenn ich unterwegs bin." Nun, sehe ich ihn verärgert an. „So ist das nicht!", sage ich und klinge erbärmlich unglaubwürdig. Jake hat Recht. Ich bin ein schrecklicher Mensch. Egal, wie sehr ich ihn insgeheim mag, es ist keine Entschuldigung dafür, dass ich nicht ehrlich zu ihm gewesen bin. Ich streiche mir fahrig über einen kleinen Knoten im Stoff meiner Jeans. Mein Fingernagel kratzt darüber. Mehrere Male. Daneben ist ein kleiner Fleck, der wahrscheinlich während des Essens entstanden. Der Stoff an dieser Stelle ist steif. Auch darüber kratzt mein Finger. „Wie dann, Mark?", hakt Jake nach. Seine energische Stimme reißt mich aus den Gedanken. Ich fahre mir mit der Hand über das Gesicht und dann durch die Haare „Was willst du von mir hören? Es tut mir leid, okay? Ich... ich bin seit der Schulzeit in ihn verknallt und ich habe nicht geglaubt, dass das je irgendwas werden würde. Wie den auch", sage ich ehrlich und muss nicht wiederkäuen, warum es so unwahrscheinlich gewesen ist. Meine Fingerkuppen streichen ein letztes Mal über den Schmutzfleck auf meiner Hose. Jake macht einen Schritt zurück, dreht sich kurz um und streicht sich durch die Haare. Er seufzt. „Ich bin also wirklich der Volldepp in dieser Geschichte", kommentiert Jake. Nicht wütend. Nicht sauer. Sondern enttäuscht. Obwohl ich mir eine solche Reaktion immer vorgestellt habe, ernüchtert sie mich mehr als ich dachte. Seine Finger gleiten erneut durch seine Haare und zerstören damit die vorher so gut gelegte Frisur. „Ich fasse es nicht!" „Jake, ich haben wirklich gehofft, dass das mit uns vielleicht etwas werden kann, aber..." „Aber plötzlich kam Raphael?", stößt er sarkastisch aus. Ich seufze, denn es klingt wie der Titel eines schlechten Films. Ich fühle mich ja auch so. Wie in einem schlechten Film. Halt, eigentlich ist es eine schlechte Seifenoper. „Wie aus Zauberhand entdeckt er seine homosexuelle Neigung, oder was?" Für Jake muss es wirklich verdammt seltsam wirken, aber im Grunde war es so gewesen. Ich kann es bisher auch nicht verstehen. Ich habe selbst nie damit gerechnet, dass Raphael in irgendeiner Form meine Gefühle erwidern könnte. Hätte er Jake und mich nicht vor dem Haus meiner Eltern gesehen, dann wären seine Gefühle vielleicht nie herausgekommen und er würde weiterhin munter meine Schwester bespaßen. So, wie er es gerade sowieso macht. Ein Brennen in meiner Brust. „Ja, irgendwie schon", flüstere ich leise. Jakes wohlgeformte Augenbraue wandert nach oben. „Ach komm schon, verarschen kann ich mich allein." „Er hat uns zusammen gesehen!", erkläre ich und bin mir sicher, dass Jake weiß, von welchem Moment ich spreche. Jake schüttelt seinen Kopf. Ich breche jeglichen weiteren Erklärungsversuch zu Raphaels plötzlichem Sinneswandel ab. Selbst in meinem Kopf klingt es eigenartig. Ich kann Jake seine Reaktion nicht verübeln. Er hat mich schier mattgesetzt. „Du hast ein Talent zum Geschichtenerzählen, Mark!" Ja, ich bin der Dritte der Gebrüder Grimm. „Jake, verdammt! Raphael schien ganz weit weg zu sein und ich wollte das mit uns wirklich versuchen. Ich meine es ernst", sage ich aufgebracht und habe keine Lust, mich weiter dieser Scharade auszusetzen. Er kann mir glauben oder er lässt es sein. „Ja, wie ernst es dir war, habe ich seit unserer ersten gemeinsamen Nacht gemerkt. Du bist die ganze Zeit in ihn verliebt gewesen. Trotzdem bist du Monate lang mit mir ins Bett gegangen und hast mir etwas vorgemacht." „Ich bitte dich. Jake, es tut mir leid. Wirklich. Ich habe immer wieder versucht mich dir anzuvertrauen, aber ich habe es einfach nicht mit solchen Gesprächen und es war in dem Moment auch nicht von belangen." War es wirklich nicht. Erst seit kurzem. Schließlich war Raphael der Freund meiner Schwester und hatte sich von seinem Auslandsaufenthalt gegen mich entschieden. Auch nach unserer ersten gemeinsamen Nacht musste er miterleben, dass ich mich mit derartigen Gesprächen schwertue. Die Krawatte, die ich ihm bei unserem Gespräch vom Hals gezogen habe, liegt noch immer in meinem Schrank. Die Knitter meines Krawattenstresstests inbegriffen. Ich besitze so gesehen doch einen Schlips. „Jetzt weiß ich, warum du dich nicht festlegen wolltest und warum du mich auf Abstand gehalten hast. Wegen dem Freund deiner Schwester! Mark, verdammt noch mal..." „Ich, dich auf Abstand gehalten?" „Ja. Sag jetzt nicht, dass es nicht wahr ist." Ich beiße die Zähne zusammen. Ich habe Jake gebraucht. Das ist die Wahrheit. Allerdings habe ich ihn auch dafür missbraucht, mich begehrenswert und gewollt zu fühlen. Unbewusst wandern meine Finger zu meiner Brust. Ich spüre die feingliedrige Kette um meinen Hals. Jake folgt meinen Bewegungen und senkt sein Haupt. "Nicht von Belangen. Von wegen", sagt er bedrückt. „Hör zu, ich..." „Warum?", unterbricht er mich und ich sehe auf, weil sich seine Hand nach meiner greift. Seine Stimme ist kühl, aber die Berührung seltsam sanft und liebevoll. In meiner Brust beginnt es heftig zu brennen. Der seit Monaten andauernde Zwiespalt lodert förmlich in mir. Jake hat es verdient, dass man ihn aufrichtig und mit voller Kraft liebt. Mein Gewissen schreit mir entgegen, dass es von vornherein gesagt hat, dass ich das nicht schaffe werde. Egal, wie sehr ich es versuche und ich habe es versucht. Doch Raphael ist einfach immer präsent. Die Tür zu ihm stand immer eine Handbreit offen. Im Moment sogar sperrangelweit und so lange das der Fall ist, wird nie jemand anderes mein Herz ganz ausfüllen können. Unsere beiden Namen dringen leise zu uns durch. Marika schiebt ihren Feuerkopf durch den Türrahmen und scheint explizit nach uns zu suchen. Ich sehe sie nur durch Zufall und ziehe meine Hand zurück. Ich verschränke meine Arme vor meinem Bauch. Ihr Blick ändert sich trotzdem von suchend in verwundert. Ihren blauen Augen blitzen. „Kommt ihr zwei wieder zurück?", fragt sie vorsichtig. „Gleich", bellt Jake ihr entgegen, der seinen Blick nur kurz von mir gelöst hat um sie anzusehen. Marika macht keine Anstalten zu gehen. Nein, im Gegenteil. Sie scheint uns zu mustern, liest unsere Körpersprache und Mimik, wie einem offenen Buch. „Nein!", entfährt es ihr dann erschrocken, „Ihr habt miteinander geschlafen!" Der Klang dieser Feststellung macht deutlich, dass sie keine andere Möglichkeit duldet. Mir fallen die Augen zu und ich schirme mir mit der Hand das Gesicht ab. Dann seufze ich schwer. Großartig. Noch ein Outing. Noch eins und dann habe ich ein Bingo zusammen. Sie schreitet langen Schrittes auf uns zu, während sich Jake genervt auf der Lippe herumkaut. Als sie bei uns ist, beginnt sie mit der flachen Hand gegen Jakes Arm zu hauen. „Du hast mich angelogen!" Nach jedem Wort schlägt sie einmal zu. Es dauert einen Moment, bis er sie stoppen kann. Auch ich möchte sie davon abhalten, doch sie funkelt mich nur einmal an und ich weiche zurück. Ich wage es nicht mehr dazwischen zu gehen. Falls ich ein Eingreifen überleben würde, dann hätte ich ein paar Gliedmaßen weniger. Also lieber nicht. Ich lasse sie diskutieren und stehle mich davon. Als ich zur Gruppe zurückkomme, scheinen es noch mehr Leute geworden zu sein. Viele bekannte Gesichter aus meiner alten Klassenstufe. Maria. Marnie und Steffen. Sie sind Geschwister und sehen sich erschreckend ähnlich. Außerdem ist Marnie eine Freundin von Shari und Steffen ein ehemaliges Mitglied des Leichtathletikteams, welches von Raphael trainiert wurde. Sie beginnt zu lächeln, als sie mich sieht. Ich erwidere es und sehe, wie sie direkt auf mich zukommt. „Hi Mark, tanzt du mit mir? Die andere weigern sich." Bereits beim Sprechen greift sie nach meiner Hand. Ihre Stimme ist liebreizend und die großen braunen Kulleraugen, die mir entgegenblicken, dulden im Grunde keine Widerrede. Ich nicke perplex und merke, wie sie mich direkt zur Tanzfläche zieht. Vorbei an Jake und Marika. Jakes Hand stoppt mich kurz an der Schulter. „Unser Gespräch ist noch nicht vorbei" Ich spüre seine Lippen an meinem Ohr, während sich Marnie verwundert zu mir umdreht, weil es auch sie am Weitergehen hindert. Ein kleiner Schauer jagt durch meinen Körper. Jake geht weiter und Marnie zieht mich endlich unter die bunten Scheinwerfer. Ich brauche eine Weile um mich auf das Tanzen konzentrieren zu können. Ich bin sowieso nicht der großartige Tänzer. Eher ein verhältnismäßig passabler Zappler. In meinem Kopf gleichen meine Bewegungen denen eines hüpfenden Affen. Marnie scheint es nicht zu stören. Sie strahlt. Immer wieder greift sie nach meiner Hand und kommt mir näher. Garantiert hat sie getrunken und ist nicht Herrin ihrer Sinne, denn normalerweise gehört sie eher zu der schüchternen Sorte. Irgendwann tanzt sich Danny zu uns durch. Ich stelle mit erschrecken fest, dass seine Bewegungen von außergewöhnlich ästhetischer Substanz sind. Er packt mich kurz an der Hüfte und zieht mich an sich heran. Noch immer hält Marnie meine Hand fest und scheint nichts von Danny zu bemerken. Sie tanzt selig vor sich hin. „Hast du mit deinen Kerlen noch nicht genug zu tun?", fragt mich Danny und ich sehe ihn perplex an. Ich verstehe die Bemerkung nicht. „Wie bitte?", entfährt es mir wenig inhaltlich. „Betrunkenen Frauen derartig Hoffnungen machen, ist nicht die feine englische Art! Sagte man mir jedenfalls", merkt der Blonde an. Schon wieder eine mehr als kryptische Aussage. Danny grinst. Hoffnungen? Ich sehe zu Marnie. „Was?" Diesmal quietsche ich dieses inhaltslose Wort fast. Die Palette meiner Vokabel scheint heute sowieso seltsam begrenzt. Danny neigt mich an der Schulter zurück. „Alter, Mark! Hat dir Shari nie gesagt, das Marnie in dich verknallt ist?" Ich schüttele energisch meinen Kopf. Mein Blick wandert zu der sonst stillen, kleinen Frau, die sich aufreizend im Takt der Musik bewegt und wieder zurück zu Danny. „Ich bin mal verkehrter Gentleman und nehme sie dir ab." Danny löst ihre Hand von meiner und schmiegt sich augenblicklich an den tanzenden Leib, der eigentlich sehr hübschen, jungen Frau. Ihre Körper harmonieren sofort. Beeindruckend. Ich habe nur nicht gedacht, dass sie Dannys Typ ist. Sie ist nicht blond und nicht dumm. Ich nutze die Gelegenheit und stehle mich davon. Sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Shari hat mir zwar gesagt, dass ich bei einigen ganz beliebt gewesen bin, aber sie hat mir nie verraten, wer damit gemeint war. Marnie, also. Es überrascht mich. Seltsamer Weise komme ich in diesem Moment an ihrem Bruder vorbei. Steffen lächelt mir zu und nimmt einen großen Schluck aus seiner Bierflasche. Ein weiteres Mal blicke ich zurück. Ob ich sie wirklich einfach so bei Danny lassen sollte? Seine Geschichten sind nicht ohne. Shari filetiert mich, wenn sie rausbekommt, dass ich daran schuld bin, wenn Marnie mit Danny ins Bett geht. Andererseits sind beide erwachsene Leute. Ich blicke zu Steffen. Er scheint genau zu beobachten, was auf der Tanzfläche geschieht. Meine Unruhe schrumpft. Er passt sicher auf. So verhält sich ein guter großer Bruder. Bin ich nie gewesen. Der Gedanke an meine eigene kleine Schwester verursacht mir ein schweres Unwohlsein. Ich biege zur Toilette ab. Ich benetze meine Lippen mit Wasser und blicke dann meinem Spiegelbild entgegen. Meine braunen Augen blicken mir müde entgegen. Ich habe schon wieder zu viel getrunken. Zwar spüre ich noch keinen deutlichen Schwindel, aber so langsam schaffe ich es nicht mehr, etwas zu fixieren. Vielleicht sollte ich einfach gehen. Es war keine gute Entscheidung herzukommen. Ich versprach mir Ablenkung und ein wenig Spaß, doch das Ganze artet in Stress und schlechten Gefühlen aus. Mit Jake habe ich es mir so oder so verbockt. Egal, wie sehr ich versuche ihm zu erklären, was meine Beweggründe für das Verschweigen meiner Raphaelphilie sind, wird er mir niemals verzeihen. Es ist zum Verrücktwerden. Ein weiteres Mal beuge ich mich über das Waschbecken. Mit kühlem Wasser benetze ich meine Lippen und lecke danach die Flüssigkeit davon. Ich höre, wie die Tür aufgeht. Zweimal. Nur einmal, wie eine Kabinentür aufschwingt. Ich schließe meine Augen. Als ich mich aufrichte, steht Jake an der Wand gelehnt hinter mir. Seine intensiven Augen beobachten mich. Ich kann mir ein feines Seufzen nicht verkneifen, welches er definitiv mitbekommt. Ich streiche mir mit der Hand die Feuchtigkeit von den Lippen und verlasse das Klo. Jake folgt mir und ich warte vor der Tür auf ihn. „Wie ernst war es dir? Wahrscheinlich nicht mal annährend so ernst, wie mir." „Ach höre doch auf! Du hast genauso wenig Nägel mit Köpfen gemacht, wie ich", knalle ich ihm an den Kopf. „Du hast ganz am Anfang davon gesprochen, aber auch nur in einem Nebensatz. Du bist zu mir gekommen und wieder gegangen. Nichts anderes. So ernst konnte es dir mit mir, also nicht gewesen sein. Dir war es doch auch ganz Recht, einfach jemand zum Ficken zu haben ohne weitere Verpflichtungen", lege ich nach. Ich sehe, wie sich Jakes Haltung leicht versteift und wie er dann ein fassungsloses Geräusch macht. „Also war das für dich auch nur Sex zwischen uns beiden?", fasst er zusammen. Ich würde lügen, wenn ich dem beipflichte. Jake hat mir Halt gegeben und ich habe mich mit ihm gut gefühlt. Aber es ist nicht dasselbe, wie mit Raphael, ungeachtet der Schwierigkeiten und der Ungewissheiten. Allein der Gedanke an ihn lässt meine Glieder pulsieren. Meine Fingerspitzen kribbeln. Meine Zehen sind elektrisiert. Jede noch so winzige Zelle meines Körpers bebt, wenn ich an die wunderschönen grünen Augen des anderen Mannes denke. Ich gestehe mir selbst ein, dass das nicht mehr normal sein kann. Doch, was soll ich tun? Ich bin ein hoffnungsloser Fall und wahrscheinlich werde ich auf ewig für meine absurde Verliebtheit bestraft sein. „Mark, alles in Ordnung?" Dannys Stimme durchbricht die angespannte Atmosphäre und lässt mich aufschauen. Er steht im Türbogen. Die Hälfte seines Gesichts wird durch die verschiedenfarbigen Lichter des Innenraumes des Clubs beleuchtet. Rot. Orange. Blau. Er wirkt wie ein plastisches Gemälde. Anscheinend werden wir heute kein zusammenhängendes Gespräch mehr führen können. Es ist zum Verrücktwerden, auch wenn ich mich durch die Unterbrechungen einen Moment des Nachdenkens habe. Ich schiele kurz zu Jake, der mich noch immer abwartend ansieht und den Störenfried gnadenlos ignoriert. Er will eine Antwort. „Ja, Danny. Es ist alles gut." Der Sportler verschwindet nur widerwillig. Wenn ich Jake sage, dass es für mich nur Sex gewesen ist, dann wäre er enttäuscht und wahrscheinlich werden wir uns nie wiedersehen. Ich würde lügen. Wenn ich es jedoch verneine... Ein unschönes Gefühl in meiner Brust, weil ich nicht einschätzen kann, was dann passieren wird. Wird er sich Hoffnung machen, obwohl ich ihn derartig enttäuscht habe? Jake ist kein dummer Junge. Ich habe ihn zu Beginn aus ganz bestimmten Gründen abgewiesen und das waren die Angst vor dem Outing und Raphael. Beides gilt auch jetzt noch. Auch wenn der eine Grund reichlich dumm ist. „Ja", sage ich letztendlich. Im Grunde eine stille Entscheidung für Raphael und gegen Jake. Er weiß es. Er versteht es. Ich möchte das mit Raphael in die richtigen Bahnen lenken und das wird nur passieren, wenn Jake kein weiterer Faktor ist. „Du willst also ihn", kommentiert Jake. Das will ich schon seit 5 verdammt langen Jahren und ich werde jetzt nicht mehr so schnell aufgeben. Jake greift zu der Kette um meinen Hals. Er dreht den Anhänger, so dass er die Gravur lesen kann. Ich sehe deutlich, wie sein Kiefer arbeitet und wie seine Hand den Anhänger gegen meine Brust drückt. Ich spüre es nur leicht durch den Pullover hin durch und doch fühle ich, wie die Stelle heiß wird. Danach wendet er sich von mir ab und verschwindet zurück in den Tanzbereich. Ich lehne mich ermattet gegen die Wand. Mein Puls rast und trotz meiner augenscheinlichen Sicherheit schmerzt mein Herz. Mir geht es nicht gut. In diesem Moment ziehe ich meine Wochenbilanz. Ich habe Shari enttäuscht, bei meinen und auch Raphaels Eltern einen grandios schlechten Eindruck hinterlassen und habe das wahre Gesicht meiner Schwester kennengelernt. Außerdem habe ich mehrere mehr oder weniger beabsichtigte Outings hinter mich gebracht, wobei das Schlimmste noch fehlt. Ich bekomme Magenschmerzen, wenn ich nur daran denke. Zum Abschluss der Woche habe ich Jake gekränkt und enttäuscht und zu dem noch einen bösen Streit zwischen ihm und seiner Cousine provoziert. Niemand kann behaupten, dass ich nicht produktiv war. Ich sollte verschwinden, bevor ich noch weiteren Leuten die Stimmung vermiese. Es sind immerhin noch ein paar Menschen übrig, die mich mögen und noch das ganze Wochenende. Ich blicke auf das Handy. Es ist bereits halb zwei Uhr. Mitten in der Nacht. Raphael hat noch immer nicht auf meine Nachricht geantwortet und ich spüre ein enttäuschtes Kribbeln in meiner Brust. Will er nicht! Kann er nicht! Ich seufze, weil ich weiß, dass ich mich damit nur verrückt mache. Wenn ich Glück habe, bekomme ich jetzt noch einen Bus und liege in knapp einer Stunde in meinem wohlig warmen Bett. Ich schiebe mich durch die wildtanzende Menschenmenge und suche nach dem auffälligen Rotschopf. Wenigstens verabschieden möchte ich mich. Statt auf Marika treffe ich auf Maria. Sie kichert lauthals, wie eine Verrückte. „Oh Mark, deine Schwester ist echt krass", kommt es plötzlich von ihr. Sie hat sich fast verschluckt, was mir die feuchte Spur an ihrem Kinn zeigt, die von dem vorbeigelaufenen Getränk zeugt. Ich kann nicht verhindern, dass ich etwas irritiert schaue. Ich verdränge regelmäßig, dass meine Schwester und Maria miteinander in Kontakt stehen. „Wenn du mit krass dumm und blond meinst, gehe ich mit deiner Aussage konform." Sie blickt auf ihr Handy. Ich kann sehen, wie sie ihren Daumen über das glatte Display streicht. Maria lacht leicht auf und schüttelt dann den Kopf. „Blond ja, aber zu dem Rest sage ich nichts. Nein, sie hat gerade im Netzwerk gepostet, dass sie endlich entjungfert wurde. Nettes Geburtstagsgeschenk." Ein seltsames Raunen verlässt ihre Lippen. Ich vergesse augenblicklich zu atmen. Die Gruppe um sie herum lacht und ich werde kreidebleich. Unbewusst ziehe ich mein Handy hervor. Ein Zittern durchfährt mich, als ich das Display betätige. Noch immer nichts von Raphael. Ich kann nicht verhindern, dass sich bestimmte Bilder in meinem Kopf bilden. „Das wurde, aber auch Zeit!", kommt es von Marika, die ebenfalls lacht. Raphael fährt seine Eltern nach Hause, sage ich mir. Das würde er nicht tun! Die Bilder tauchen wieder auf. Maya mit geöffneten langen Haaren über Raphael. Sie kitzeln über ihre schmalen Schultern, während seine Hände ihre Seite hinauf streichen. Ein Stich, der direkt durch meine Herzkammern fährt. „An Raphaels Stelle wäre ich längst auf die Barrikaden gegangen." Eine unbekannte männliche Stimme. Das Getuschel der anderen wird in meinen Ohren immer leiser. Ich blende es unbewusst aus. Ich lasse meine Bierflasche sinken, nachdem ich auf ex den Rest geleert habe und wende mich dann von der Gruppe ab. Eine warme Hand greift nach meinem Arm und ich schaue in Dannys blaue Augen. Ich weiß nicht, wie viel er von den Kommentaren mitbekommen hat. Einiges, denn sein Blick ist voller Mitleid. Ich kann nicht mehr atmen. Ich löse mich schweigend aus seinem Griff und verschwinde hinter einem tanzenden Mädchenpulk. An der Bar bestelle ich mir ein neues Bier und einen weiteren Shot. Ich leere den Wodka sofort und das Bier mit nur drei Zügen. Mein Brustkorb krampft sich immer weiter zusammen und ich habe das Gefühl innerlich zu vertrocknen. Ich bestelle gleich ein weiteres Bier, welches ich aber langsamer trinke. Es ist bereits das Fünfte an diesem Abend und mir wird immer schummriger. Habe ich eben noch festgestellt, dass es besser für mich wäre aufzuhören. Doch der Gedanke ist vollständig verschwunden und trotzdem scheint mein Kopf Achterbahn zu fahren. Das kann doch alles nicht wahr sein. Maya. Sie hat sich das bestimmt ausgedacht. Sicher ist es wieder eine ihrer Intrigen. Sie weiß, dass Maria auch hier ist. Doch woher weiß sie, dass ich hier bin? Der Zweifel bleibt. Nagt und bohrt. Ich ziehe erneut mein Telefon hervor und beginne eine Nachricht zu tippen. -Wo bist du?- 01:37 Uhr. Ich starre auf das Display. Wartend. Zitternd. 01:38 Uhr. Noch immer nichts. Wieder schleichen sich tausende Bilder in meinem Kopf, warum er nicht schnell antworten kann. Die vernünftigen Gründe, dass er fährt oder in diesem Moment seinen Eltern die Wohnungstür aufhält, werden von den quälenden überschattet. Er liegt mit ihr im Bett. In Leidenschaft weggeworfene Kleidungsstücke, die achtlos im Zimmer herumliegen. Die Vorstellung von Raphaels angenehmen Lauten hallt wie Hohn durch meine Gehörgänge. Ich tippe die Nachricht erneut. Dasselbe Spiel. 01:40 Uhr. Als die Uhr eine weitere vergangene Minute anzeigt, fasse ich das Telefon fester. Ein nächster Schluck. Das Bier schmeckt nur noch bitter. Ich trinke es dennoch weiter. In meinem Kopf beginnt es zu schwimmen. Ich schließe meine Augen und versuche die stärker werdenden Gefühle in meiner Brust zu unterdrücken. Der Alkohol macht es mir nicht leichter. Ich schiebe das Bier zur Seite und mit einem Mal tauchen zwei Tequila vor mir auf. Ich wende mich zur Seite und sehe direkt in Jakes vertraute braune Augen. Seinen Blick ist wieder sanft und fürsorglich, so wie immer. Seine Finger lösen das Handy aus meiner Hand. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, wie er das Telefon zur Seite schiebt. Er lehnt sich mit dem Rücken gegen die Bar und nimmt eines der Gläser zur Hand. Mein Verstand warnt mich. Er warnt mich vor dieser Situation. Doch meine Brust schmerzt derartig, dass ich zögerlich nach dem Glas greife. Ich verspreche mir Betäubung. Der Inhalt des Glases schwankt aus kleinen Wellen, die gegen den Rand schwappen. Ich zittere. Jake nimmt meine andere Hand in seine. Ich lasse ihn gewähren. Er haucht einen Kuss auf meine Fingerknöchel. Jeden Finger einzeln und leckt dann kurz über die Stelle zwischen Zeigefinger und Daumen. Ein feuchter Kuss und er lässt etwas Salz darauf rieseln. 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