Last Desire 6 von Sky- (L x BB) ================================================================================ Epilog: Eine weitere Kindheitserinnerung ---------------------------------------- Nun kam es eines Tages, dass Nastasja und Henry den ganzen Tag im Labor beschäftigt waren und keine Zeit hatten, zuhause zu übernachten. Deshalb blieb Frederica bei L und verbrachte die Zeit mit ihm. Trotzdem war er unglücklich und vermisste seine Eltern schrecklich und saß dann meist am Fenster und schaute auf die Straße in der Hoffnung, dass seine Eltern bald zurückkommen würden. Aber egal wie lange er auch wartete, sie kamen und kamen einfach nicht und er hatte Angst, dass sie vielleicht gar nicht mehr zurückkommen würden. Was, wenn er dann ganz alleine war? Dieser Gedanke war einfach zu traurig und er wollte nicht daran denken. Er war unglücklich und fragte sich, wie lange seine Eltern wohl wegbleiben würden. Den ganzen Tag? Tagelang? Wochen? Irgendwie kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, dass seine Eltern zum Institut gefahren waren. Die Tür öffnete sich und Frederica kam mit einer Tasse heißen Kakao herein und setzte sich zu ihm. Sie trug heute ihr Lieblingskleid. Das fliederfarbene mit den Schleifen, aber ihr Haar trug sie wie immer offen. Sie mochte es nicht, wenn man ihr Haar berührte. Liebevoll strich sie über seinen Kopf und sah, dass ihn etwas bedrückte. „Warum sitzt du denn am Fenster?“ Er senkte unglücklich den Blick und antwortete „Na weil ich warten will, bis Mama und Papa zurück sind.“ Frederica wusste, dass er oft am Fenster auf seine Eltern wartete. Es war auch wirklich hart für ihn und seine Eltern, dass sie so oft weg waren und manchmal nicht viel Zeit hatten, sich um ihn zu kümmern. Aber da ließ sich leider nicht viel ändern, denn die Gedankenschaltkreisforschung war sehr zeitaufwendig und vor allem äußerst wichtig. Aber das konnte sie ihm nicht sagen. Zumindest noch nicht. „Ach L, du weißt doch, dass sie viel zu tun haben. Aber sie kommen wieder, mach dir da keine Sorgen. Und solange bin ich doch als deine große Schwester da! Wenn du willst, können wir zusammen spielen.“ Doch er hatte keine Lust dazu und wollte lieber warten. „Es ist so einsam ohne sie.“ „Das kommt, weil du dich ohne sie leer fühlst, nicht wahr?“ Er dachte kurz nach und nickte. Frederica reichte dem 4-jährigen seine Tasse und streichelte ihm liebevoll durchs Haar. „Die Leere ist wirklich kein schönes Gefühl, das stimmt. Aber weißt du, da fällt mir eine Geschichte ein, als Eva die Leere erschuf und wie diese Leere fortging, um einen Inhalt für sich selbst zu finden.“ Als L das hörte, wurde er neugierig und mit großen Augen sah er das Albinomädchen an. „Erzählst du mir die Geschichte?“ „Klar doch.“ Und so setzte sich Frederica wie schon so oft auf den Stuhl und L auf ihren Schoß, so wie sie es immer tat, wenn sie ihm eine Geschichte erzählte. Und dann hörte L zum ersten Mal die Geschichte davon, wie Eva die Leere erschuf und ihr einen Inhalt gab. „Eines kam es, dass ein neues Mitglied zu Evas Familie dazu kam. Es war etwas, das sie noch nie zuvor gesehen hatten und was sie nicht einzuordnen wussten. Sie war so anders als der Zorn, die Liebe und Gutmütigkeit und hatte auch nichts mit der Furcht oder mit der Gelassenheit gemeinsam. Es war niemand anderes als die Leere. Die Leere war ihnen fremd und niemand konnte mit ihr etwas anfangen. Weder der Beschützer, noch die Furcht, geschweige denn die Liebe oder der Zorn. Die Leere besaß nichts, weder Angst noch Liebe, oder irgendein anderes Gefühl. Sie war präsent und doch war sie nichts. Die Liebe versuchte zwar, die Leere mit ihrer Liebe zu füllen, doch es änderte sich nichts. Die Leere hatte immer noch nichts, denn sie konnte mit der Liebe nichts anfangen und somit auch keine Liebe zurückgeben. Und die Gutmütigkeit verstand nicht, was die Leere brauchte und ihre Hilfsbereitschaft blieb unerwidert, da die Leere die Gutmütigkeit nicht verstehen konnte. Hierauf versuchte die Furcht nach einigem Zögern, sich mit der Leere anzufreunden und herauszufinden, wonach die Leere denn strebte. Doch die Leere sagte nur „Ich will etwas, das mich ausfüllt!“ Also suchten sie nach etwas, was diese Leere füllen konnte. Doch weder Furcht, noch Gelassenheit, Gutmütigkeit oder Liebe vermochten der Leere einen Inhalt zu geben. So versuchte der Zorn sein Glück und wollte die Leere herausfordern und in ihr Wut und Hass wecken. Er dachte nämlich, dass vielleicht negative Gefühle etwas bewirken können, wenn es die guten schon nicht vermögen. Aber auch hier blieb die Leere unberührt und konnte keine angemessene Reaktion auf den Zorn geben. Denn sie verstand den Zorn einfach nicht und der Zorn wurde ratlos. Weder gute noch schlechte Gefühle vermochten der Leere irgendetwas zu entlocken oder ihr einen Inhalt zu geben. Und der Beschützer traute der Leere nicht. Sie war ihm unheimlich und er wusste sie nicht einzuordnen. Denn sie war weder gut noch böse. Auch zeigte sie niemals Freude oder Trauer und fühlte auch nichts, außer der Leere. Keiner vermochte der Leere einen Inhalt zu geben und da auch niemand die Leere verstehen konnte, distanzierten sie sich von ihr. So war die Leere einsam und unverstanden. Sie war nicht glücklich darüber, aber traurig war sie auch nicht. Da sie keinen Inhalt hatte, verstand sie auch nicht, warum die anderen sich von ihr abwandten und doch begann sie zu erkennen, dass etwas an ihr anders war. Doch was war es denn, was sie von den anderen unterschied? Was machte die Leere denn so anders, dass niemand mit ihr etwas anfangen konnte und wollte? Die guten Gefühle hatten ihr Bestes gegeben und waren genauso gescheitert wie der Zorn, der ja selber anders war und seine Schwierigkeiten haben konnte. Insgeheim hatte die Leere sogar gehofft, der Zorn könnte stark genug sein, um ihr einen Inhalt zu geben. Aber selbst er vermochte rein gar nichts auszurichten. Aber wie nur konnte die Leere gefüllt werden, damit sie nicht mehr so leer war? Sie wollte es herausfinden und ging daraufhin fort. Die Leere ging weit weg, ohne ein Wort zu sagen und wollte herausfinden, warum sie anders war und wie sie denn gefüllt werden konnte. Zwar war sie nicht traurig darüber, dass sie leer war, aber glücklich war sie auch nicht und von dem Wunsch angetrieben, nach einem Inhalt für ihr Innerstes zu suchen, wollte sie nichts unversucht lassen. Sie war sich sicher, dass es eine Möglichkeit geben musste, um nicht mehr leer zu sein. Und wenn sie an die entferntesten Winkel der Welt reisen musste, um die Antwort zu finden. Also ging sie an ferne Orte, entdeckte und erlebte vieles und traf auf unzählige Menschen und Tiere. Von ihnen erhoffte sich die Leere, dass diese ihr eine Antwort geben könnten auf die Frage, was ihr leeres Innerstes zu füllen vermochte. Nichts wollte die Leere mehr, als nicht mehr leer zu sein. Es war unerträglich und sie wollte nicht eher ruhen, bis sie sich ihren Wunsch erfüllt hatte. Doch egal wohin sie auch ging, welche Menschen und Tiere sie auch traf, sie blieb dennoch leer und wusste nicht weiter. Sie war noch nicht mal fähig dazu, Verzweiflung zu empfinden und sie wünschte sich so sehr, sie könnte es. Denn dann könnte dieses leere Herz wenigstens etwas fühlen. Schließlich, als sie eine sehr lange Zeit umhergewandert war und vieles gesehen und erlebt hatte, ließ sie sich an einen Ort nieder, wo sie ganz alleine war. Sie war ratlos und wusste nicht, warum sie existierte. „Warum“, fragte sie sich und verstand es nicht. „Warum existiere ich denn überhaupt? Keiner kann etwas mit mir anfangen und niemand will mich haben. Sie alle haben etwas und deshalb bin ich nicht erwünscht. Ich gehöre nicht in diese Welt, ich gehöre nirgendwo dazu und keiner versteht mich. Und ich verstehe die anderen nicht, weil sie etwas haben, was ich nicht besitze. Also dürfte ich doch eigentlich nicht existieren. Ich bin nichts, rein gar nichts. Darum bin ich auch nichts wert für die anderen. Niemand will leer sein, nicht mal ich selber. Also wäre es das einzig Sinnvolle, wenn ich verschwinde.“ Die Leere blieb lange alleine, sehr lange Zeit und wurde von der ganzen Welt vergessen. Zumindest glaubte sie das. Denn eines Tages, als sie dachte, es würde sich niemand mehr an sie erinnern, da erschien ihr plötzlich Eva. Die Leere verstand das nicht und fragte „Warum bist du hier?“ „Ich habe überall nach dir gesucht“, antwortete sie und gesellte sich zu der Leere dazu. Doch diese verstand es immer noch nicht, denn sie konnte ja keine Gefühle verstehen und deshalb fragte sie „Wieso bist du nicht bei deiner Familie?“ „Na weil du auch meine Familie bist.“ Sie schloss die Leere in ihre Arme und war so froh, sie gefunden zu haben. Doch die Leere konnte diese Geste nicht erwidern, weil sie nichts fühlte. Sie wollte es gerne, aber sie konnte es nicht. Und das verschlimmerte ihre Misere nur. „Wieso existiere ich überhaupt?“ fragte die Leere schließlich. „Ich bin nichts, war nichts und werde auch nie etwas sein. Nichts vermag mein Herz zu füllen, weil ich keines besitze. Die Menschen und Tiere gehen mir aus dem Weg, weil sie mich nicht leiden können und Angst vor mir haben. Sie wollen nichts mit mir zu tun haben, weil ich ihnen fremd bin. Und was ihnen fremd ist, stoßen sie von sich. Ebenso stoße ich alles von mir, weil mir alles hier so fremd ist und ich es nicht verstehen kann. Wieso existiere ich überhaupt, wenn ich doch nichts bin?“ „Weil alles ein Gegengewicht hat. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und wo Inhalt ist, da wird es auch immer Leere geben. Und so wie die Furcht, die Liebe und die Gutmütigkeit, die Gelassenheit, der Zorn und der Beschützer ein Teil von mir sind, so bist auch du ein Teil davon. Und deshalb liebe ich dich nicht weniger als die anderen.“ Damit brachte Eva die Leere wieder nach Hause, doch die anderen waren nicht sehr erfreut darüber. Immer noch war die Leere ihnen unheimlich und sie konnten sie nicht verstehen. Auch die Leere konnte nicht erkennen, was es denn ändern sollte, wenn sie wieder zu ihrer Familie zurückkehrte, wenn es doch immer noch so bleiben würde wie zuvor. Schließlich sagte der Beschützer „Die Leere gehört nirgends dazu und wird immer einsam sein. Sie wird niemals einen Freund haben, weil niemand auf der Welt leer sein will. Und wer sie hat, der wird ins Unglück stürzen und dieses Dasein wieder aufgeben wollen. Eben weil niemand diese Leere will, wird auch niemand sie lieben können.“ Doch Eva lächelte nur und erklärte „Eben weil die Leere niemanden hat und nichts besitzt, werde ich ihr meine größte Liebe zuteil werden lassen. Es stimmt schon, dass die Leere niemals gänzlich schwinden wird. Genauso wie auch niemals der Zorn oder die Furcht, geschweige denn die Gelassenheit, die Gutmütigkeit und die Liebe für immer aus dieser Welt verschwinden werden. Aber Kummer kann gelindert werden, wenn man ihn teilt. Glück kann man teilen, genauso wie Liebe. Und wenn man sein Herz teilt, dann kann man auch die Leere damit füllen. Deshalb werde mein Herz mit der Leere teilen und ihr damit einen Inhalt geben.“ der Beschützer wollte sie davon abhalten. „Wenn du das tust, wirst du nicht mehr dieselbe sein. Du wirst die Hälfte deines Herzens verlieren, das kannst du nicht wollen.“ Aber Eva hatte ihre Entscheidung getroffen und sagte „Doch, ich will das. Die Leere wird niemals gefüllt werden, wenn niemand bereit ist, sein Herz mit ihr zu teilen. Und da die Leere ein Teil von mir ist, will ich ihr helfen und ihr einen Teil meines Herzens geben. Denn nur so wird die Leere nicht mehr ganz so leer sein und fähig sein, andere zu verstehen und selbst verstanden zu werden. Ich möchte der Leere ihren größten Wunsch erfüllen und ihr Gefühle geben. Sie soll Freude und Leid empfinden, genauso wie ich und alle anderen Lebewesen auf dieser Welt. Mein Wunsch ist es, dass die Leere nicht mehr einsam ist und dass sie genauso glücklich werden kann wie ich und der Rest meiner Familie. Und wenn ich mein Herz teile, wird es dadurch nicht kleiner, sondern nur größer und stärker. Denn nichts ist wunderbarer, als sein Herz mit jemandem zu teilen.“ Und so teilte Eva ihr Herz mit der Leere. Dadurch nahm auch sie einen Teil dieser Leere an, doch da sowohl sie als auch die Leere dennoch etwas besaßen, spürten sie diese Leere gar nicht mehr. Denn das Glück darüber, dass sie gemeinsam ein Herz teilten, war viel zu stark dafür. Und als Eva einen Teil ihres Herzens verschenkte, da empfand die Leere, die nun keine ganze mehr war, unendliches Glück und brach vor Freude in Tränen aus. Und auch Eva weinte, als sie die Leere so glücklich sah und schloss sie in den Arm. „Du warst immer ein Teil dieser Familie, aber nun gehörst du von ganzem Herzen mit dazu. Nun wirst du auch nie wieder einsam sein müssen oder dich unverstanden fühlen. Denn da du jetzt ein Herz hast, wird dich niemand mehr meiden, weil du ihm fremd bist. Jetzt besitzt du einen Teil davon und brauchst dich nie wieder unerwünscht und wertlos fühlen. Denn das bist du nicht und du warst es auch nie. Alles in dieser Welt ist wichtig und wertvoll. Auch der Zorn und die Leere. Man muss nur wissen, wie man den Zorn besänftigen und die Leere füllen kann.“ Und so wurde die Leere zu einem festen Teil der Familie. Und alle akzeptierten sie, weil sie sie endlich verstehen konnten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)