Last Desire 5 von Sky- (L x BB) ================================================================================ Kapitel 11: Schock, Hoffnung, Erleichterung ------------------------------------------- L sah hilflos mit an, wie das Leben aus Beyonds Körper wich und sein Blick leer wurde. In diesem Moment war auch der letzte Rest seiner Fassung endgültig gewichen. Er ließ seinen Tränen freien Lauf und rief immer wieder Beyonds Namen. Irgendwie hoffte er noch, dass vielleicht ein Wunder geschehen und Beyond wieder aufwachen würde. Das durfte doch einfach nicht sein. Er konnte nicht wirklich tot sein! Dieser verdammte Mistkerl hatte drei Schusswunden überlebt und starb jetzt einfach so an einer einzigen Verletzung? Warum nur kam nicht endlich der Notarzt? „Beyond! Verdammt noch mal mach die Augen auf! Du hast doch versprochen, für immer bei mir zu bleiben, also hör endlich auf damit!“ Nichts tat sich… er öffnete seine Augen nicht mehr. L begann daraufhin mit Wiederbelebungsversuchen. Kampflos wollte er nicht aufgeben, aber da riss Oliver ihn weg. „L, es hat keinen Sinn“, rief er und kämpfte selbst mit den Gefühlen. „Er ist tot.“ „Nein, lass mich los!“ Oliver hatte es oft genug miterlebt, wie Eltern die schreckliche Nachricht verarbeiten mussten, dass ihr Kind tot war. Immerhin hatte er diese immer getröstet, wenn einer seiner Freunde den Kampf gegen den Krebs verlor und starb, deshalb konnte er eine emotionale Distanz wahren. Aber L so zu sehen, wie dieser so sehr unter dem Verlust litt, obwohl er immer gefasst und ruhig war, wurde selbst ihm zu viel. Er kannte Beyond nicht so gut und selbst im Waisenhaus hatte er immer eine deutliche Distanz zu ihm bewahrt. Und doch wurde er selbst von einer unendlichen Traurigkeit ergriffen, als er sah, wie er starb. Als würde er in diesem Moment einen Teil seiner Familie verlieren. Immer noch versuchte L es mit Reanimation, aber sie beide wussten, dass es sinnlos war, ganz egal wie sehr sie es auch versuchten. Beyond hatte einfach zu viel Blut verloren. Schließlich schaffte er es, L endlich davon abzuhalten und als dieser endgültig einen Zusammenbruch erlitt, nahm er ihn tröstend in den Arm und konnte selbst die Tränen kaum zurückhalten. „Es ist alles meine Schuld…“, brachte L hervor und vergrub sein Gesicht in Olivers Schulter. „Ich hätte ihn niemals gehen lassen dürfen. Ich bin schuld, dass er tot ist!“ „Nein L, du kannst nichts dafür. Es ist… es ist einfach völlig außer Kontrolle geraten.“ Schritte kamen näher und als Oliver aufblickte, sah er Andrew auf sie zurennen. Er war völlig außer Atem und brauchte einen Moment, um zu erkennen, was hier los war. Doch so ganz begriff er es noch nicht. „Olli, was… was ist denn los?“ Der Hacker senkte den Blick und sagte nach kurzem Zögern „Beyond ist tot.“ Jegliche Farbe wich aus Andrews Gesicht als er das hörte und er ließ seine Tasche fallen. „Wie bitte?“ brachte er fassungslos hervor und wich einen Schritt zurück. „Das… das kann nicht…“ „Doch. Er ist gerade gestorben…“ Stille kehrte ein, nur L’s leise Schluchzer waren zu hören, während er sein Gesicht in Olivers Schulter vergrub und am ganzen Körper zitterte. Sie alle waren geschockt darüber, dass der Plan so dermaßen aus dem Ruder gelaufen war und letztendlich Beyond das Leben gekostet hatte. Es kam ihnen so unwirklich vor, als wäre das gar nicht real. Beyond Birthday galt doch immer als nicht totzukriegen. Er hatte drei Kugeln überlebt, die er sich beim Kampf gegen Sam zugezogen hatte. Selbst die Tortur mit Clear hatte er durchgestanden und nicht einmal das Feuer beim BB-Mordfall vermochte ihn umzubringen. Warum nur war er denn jetzt tot? Einen Moment lang blieb Andrew stehen, doch dann hörte er tief in seinem Unterbewusstsein eine Stimme, die ihm zuflüsterte „Du weißt, was du tun musst…“ Und dann hob er seine Tasche wieder auf, eilte direkt auf Beyond zu, holte eine kleine Ampulle und eine Spritze heraus, bereitete eine Injektion vor und spritzte sie ihm. Stimmt ja, dachte er sich, als er die Nadel setzte. Es gibt ja etwas, was ich tun kann. Jetzt habe ich endlich die Chance, meinen Fehler von damals wieder auszubügeln und Beyond zu retten, wenn es wirklich klappen sollte. L sah ihn verwirrt an und fragte verständnislos „Was hast du denn jetzt vor?“ „In der Ampulle befinden sich kleine Sonden, die in den Blutkreislauf eindringen und das Gehirn mit genügend Energie speisen, um ein Absterben der grauen Zellen hinauszuzögern. Davon wird er zwar nicht wieder lebendig, aber so gewinnen wir genügend Zeit. L, du reißt dich jetzt zusammen und rufst Hester an, damit sie sich nachher um die Operation kümmert. Ich werde zum Konzern fahren und den GSK holen, den ich fertig gestellt habe. Es handelt sich zwar noch um einen Prototypen, aber wenn man bedenkt, dass ich auch einen solchen trage, könnte es vielleicht funktionieren. Wenn wir seinen Körper wieder zusammenflicken und einen verdammt guten Neurochirurgen finden, dann können wir Beyond retten, indem wir ihn mit einem elektrischen Gedankenschaltkreis wiederbeleben.“ L’s Augen weiteten sich, als er das hörte und so ganz konnte er es noch nicht fassen. Gab es etwa tatsächlich eine Chance, Beyond zu retten und ihn wieder ins Leben zurückzuholen? Für ihn klang das einfach unfassbar, wenn nicht zu sagen unmöglich. Aber es hatte doch schon ein Mal funktioniert. Andrew war doch damals vom Dach des Waisenhauses gesprungen und in den Tod gestürzt. Und doch stand er quicklebendig vor ihnen, weil er damals mit dem ersten elektrischen Gedankenschaltkreis zurückgeholt werden konnte. Und es gab tatsächlich noch einen, den sie Beyond einsetzen konnten? „Es existiert noch ein Gedankenschaltkreis?“ Andrew nickte und setzte die zweite Injektion. „Ich habe zwischendurch während meiner Weltreise mit Oliver mit der Entwicklung eines neuen und technisch weiter ausgefeilten GSK begonnen und wollte noch einen weiteren bauen, um ihn endgültig zu perfektionieren. Ich kann nicht zu hundert Prozent garantieren, dass es funktionieren wird, weil ich ihn bislang noch nicht an Menschen getestet habe. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei knapp 74,98% und selbst wenn es funktionierten sollte, kann es sein, dass Beyond danach erst noch im Koma liegt und ich kann nicht abschätzen, wie lange wir brauchen werden, um ihn wiederzubeleben.“ Doch L war zu überwältigt von der Nachricht, dass es eine Chance gab, Beyond zurückzuholen. Es gab tatsächlich noch einen Hoffnungsschimmer! Sofort holte er sein Handy hervor und rief Hester an. Da diese ohnehin in Boston arbeitete, traf sich das ganz gut und so versprach sie, dass sie alles vorbereiten würde. Oliver und Andrew brachten Beyond zum Wagen und während Oliver mit L und Beyond zum Krankenhaus fuhr, machte sich Andrew auf den Weg, um den Prototypen zu holen. Noch immer kämpfte L mit den Emotionen und hatte alle Mühe, sich irgendwie zu beruhigen. Oliver hingegen schien da weitaus gefasster zu sein. „Glaubst du wirklich, es gibt noch Hoffnung für Beyond?“ Der Hacker dachte nach und schob sich ein Nikotinkaugummi in den Mund. „Mit Sicherheit. Andy hat wirklich unglaubliche Arbeit in den letzten Monaten geleistet. Der GSK, den er gebaut hat, ist bei weitem besser als sein eigener und da Beyonds Körper nicht so schwere Schäden davongetragen hat wie damals Andy selbst nach seinem Selbstmord, stehen die Chancen gut. Wichtig ist erst einmal, dass seine Verletzungen verarztet werden und er braucht zudem noch dringend Blut, sonst wird das nichts. Die größte Herausforderung von allen ist, überhaupt jemanden zu finden, der dazu in der Lage ist, den Schaltkreis vernünftig einzusetzen. Das schafft auch nicht jeder, insbesondere nicht, wenn er sich noch nie damit beschäftigt hat. Deshalb wird Andy Hester auch nachher zur Hand gehen und ihr helfen. Keiner kennt sich besser mit dem Schaltkreis aus als er, darin ist er ein Genie. Gemeinsam sollten sie es hinkriegen, Beyond zu retten.“ Es musste einfach funktionieren! Für L stand fest, dass er nichts unversucht lassen wollte, um ihn zu retten und wenn er dafür das Unmögliche möglich machen musste. So schnell wollte er Beyond nicht aufgeben. Wie zum Gebet faltete der Detektiv die Hände und bebte innerlich immer noch. Oliver sah dies und sagte nach einer Weile „Ich kann schon verstehen, wie du dich fühlst, L. Ich habe damals auch genauso gelitten, als Elijah an seinem Spannungspneumothorax qualvoll erstickt ist, oder als ich Andy damals tot da liegen sah. Ich selbst habe auch schon Kinder und Jugendliche auf dem Sterbebett gesehen. Es ist immer schlimm und schmerzhaft. Aber… wenn es nicht funktionieren sollte, dann musst du es akzeptieren, L. Der Tod ist unumgänglich und wir können nicht Gott spielen. Selbst der Schaltkreis hat seine Grenzen.“ „Es wird klappen“, sagte L und fand so langsam seine Fassung wieder. „Es wird definitiv klappen.“ „Und was macht dich da so sicher?“ Doch darauf konnte L keine Antwort geben. Es war eine Art innere Gewissheit, dass es klappen würde. Als würde irgendeine Stimme in ihm sagen „Niemand aus meiner Familie wird sterben!“ Aber wieso denn „Familie“? Seit wann dachte er über Rumiko und die anderen als Familie? Nun ja, wenn er ehrlich war, hatte er Rumiko, Beyond und Jamie tatsächlich als eine Art Familie angesehen. Rumiko und Jamie waren immer für ihn da gewesen und hatten immer geholfen, wenn es zwischen ihm und Beyond Schwierigkeiten gab. Und nun waren jetzt auch noch Oliver und Andrew dazugekommen, die jetzt vielleicht die einzige Hoffnung für Beyond waren. „Ich habe da einfach nur ein Gefühl“, antwortete er nach einer Weile und sah zurück auf die Rückbank, wo sie Beyond hingelegt hatten. „Ich kann es nicht genau beschreiben.“ „Hm, geht mir irgendwie genauso. Weißt du, seit Andys Leiche damals verschwunden ist, habe ich das seltsame Gefühl, als wäre hier etwas am Werk… wie ein altes Getriebe, das sich nach langer Zeit von alleine wieder in Gang setzt. Ich hab schon immer eine relativ offene Einstellung zum Übernatürlichen und Unerklärlichen gehabt. Auch wenn du das vielleicht für bescheuert hältst, aber ich glaube, dass es so etwas wie göttliche Präsenzen gibt. Nicht unbedingt die Shinigami, sondern etwas anderes. Was, wenn die ganze Welt nichts anderes ist wie eine Art riesiger Bienenschwarm und dieses Wesen, das wir Gott nennen, in Wahrheit die Königin ist? Dann müsste diese Königin womöglich Eva sein. Immerhin stellt sie den Schnittpunkt zwischen Leben und Tod dar. Sie kann beides beherrschen und ist dadurch unvergänglich geworden. Aber was macht sie unvergänglich? Vielleicht ein niemals alternder Körper, der sich immer wieder regeneriert? Dann würde sie doch die unsterbliche Eva heißen. Aber Unvergänglichkeit bedeutet nicht Unsterblichkeit. Es bedeutet lediglich, dass etwas nicht vergehen wird. Womöglich ist es nicht ihr Körper, sondern ihr Bewusstsein… ihre Seele. Wenn es stimmt und Eva ist mit allen Lebewesen verbunden, dann kann es doch sein, dass Eva die Königin ist und wir nichts Weiteres als die Arbeiterbienen.“ „Wie kommst du jetzt darauf?“ „Erinnerst du dich noch an Beyonds letzte Worte? Er sagte, er würde zu Evas Zorn werden. Was, wenn zwischen uns allen und Eva eine Verbindung existiert? Was, wenn sie tatsächlich der Ursprung der Seele ist? Fakt ist, dass hier irgendetwas Seltsames vor sich geht, das müsste dir doch auch aufgefallen sein. Beyond hält sich für Evas Zorn, ein geheimnisvolles Mädchen mit besonderen Fähigkeiten traf vor 26 Jahren rein zufällig auf deine Mutter und schenkte dir das Leben. Sie ließ sich gefangen nehmen und verhalf Andy zur Flucht und half auch noch Dr. Brown dabei, vor V’s Leuten zu fliehen und unterzutauchen. Und dann stellt sich heraus, dass dieser Sam Leens in Wahrheit Jeremiel Lawliet heißt und mit dir verwandt ist. Und obwohl dieser die ganze Zeit hinter Beyond her war, jagt er erst wie ein Verrückter ihm und C-4 hinterher, erschießt den Sprengmeister und lässt Beyond einfach zurück und haut wieder ab. Das alles wird immer seltsamer und ich hab langsam das Gefühl, als würde diese Eva ihre Finger im Spiel haben und irgendetwas vorhaben. Was, wenn diese Frederica in Wahrheit Eva ist und sie einen Plan verfolgt, bei dem wir alle nur Figuren auf einem Spielbrett sind, die sie in eine bestimmte Richtung lenkt? Demnach wäre es sogar wahrscheinlich, dass Beyonds Tod ebenfalls geplant war. Ich meine, Frederica schien bei Andy gewusst zu haben, dass er gerettet werden würde, wenn er ein allerletztes Mal weglaufen würde. Und sie sagte, dass sie auf jemanden warten will, der ebenfalls ihre Hilfe brauchen wird. Das klingt jetzt vielleicht etwas weit hergeholt, aber was ist, wenn diese ganze Sache mit den Gedankenschaltkreisen ebenfalls zu Evas Plan gehörte?“ Zugegeben, einige von Olivers Theorien waren wirklich interessant und auch L hatte längst bemerkt, dass hier so einiges merkwürdig ablief und dass das Thema „Eva und der Gedankenschaltkreis“ immer weiter in den Vordergrund rückte und offenbar eine wichtigere Rolle zu spielen schien, als zunächst gedacht. Und es war auch nicht ganz abwegig, dass Frederica und Eva ein und dieselbe Person waren und dass Eva ein bestimmtes Ziel verfolgte und sie alle nur die Schachfiguren waren, die sie übers Feld bewegte. Und wenn Watari Recht hatte und Frederica irgendwie vorhersehen konnte, was passieren würde, dann schien sie genau zu wissen, wie sie vorgehen musste. Doch worauf würde dieses Spiel hinauslaufen und was würde passieren, wenn Eva oder Frederica ihr Ziel erreicht hatte? Das waren Fragen, die es zu klären galt. Aber gleich davon ausgehen, dass die Gedankenschaltkreisforschung von Eva geplant war? Das schien ein wenig weit hergeholt. „Zugegeben, es gibt viele Ungereimtheiten und offene Fragen, aber wir sollten uns nicht in irgendwelche Verschwörungstheorien reinsteigern. Es fällt mir ehrlich gesagt schwer zu glauben, dass wirklich jeder einzelne Schritt, den wir machen, von Eva geplant wurde. Ich meine: warum wird sie ausgerechnet jetzt aktiv und wieso nicht schon viel früher? Warum zeigt sie sich nicht selbst und wozu der ganze Aufwand? Und so ganz durchschaue ich noch nicht wirklich, was Eva mit Beyond vorhat und was sie sich davon verspricht, dass es jetzt elektrische Gedankenschaltkreise und damit künstliche Seelen gibt. Aber was Sam betrifft, so war sein Verhalten wirklich sehr widersprüchlich und merkwürdig. Das stimmt. Wir müssen das auf jeden Fall im Auge behalten. Aber jetzt gilt es erst einmal, Beyond ins Krankenhaus zu bringen und zu hoffen, dass Andrew und Hester in der Lage sind, ihn zu retten.“ Sie erreichten nach einiger Zeit das Krankenhaus und wurden direkt von Hester in Empfang genommen. Diese brachte zusammen mit den Sanitätern Beyond in den OP-Saal und begann damit, die Verletzungen zu versorgen. Andrew traf knapp zwanzig Minuten später ein und hatte einen Koffer bei sich, in welchem sich die gesamte Ausrüstung befand, die es brauchte, um den Prototypen einzusetzen. Als er erfuhr, dass Hester bereits im OP-Saal war, verlor er keine Zeit und machte sich auf den Weg, Oliver blieb hingegen bei L, damit er nicht alleine war. Sie warteten und warteten. Schließlich klingelte L’s Handy und er sah, dass es Rumiko war. Als er ihren Namen sah, schnürte sich seine Brust zusammen. Sie hatte noch keine Ahnung davon, was passiert war. Und wenn sie es erfuhr, das würde zu viel für sie werden. Zu hören, dass ihr Bruder tot war, den sie quasi aufgezogen hatte, würde ihr das Herz brechen. Am liebsten hätte L den Anruf weggedrückt, einfach nur damit er sie weder anlügen, noch ihr die grausame Wahrheit sagen musste. Er wollte sie nicht belügen, aber er wollte ihr diese Schocknachricht auch nicht antun, welche sie wahrscheinlich zu sehr aufregen und dann noch ihre ungeborenen Kinder in Gefahr bringen konnte. Dennoch nahm er den Anruf an und als er ihre Stimme hörte, spürte er wieder diesen schmerzhaften Stich in seiner Brust. „Rumiko, was gibt es?“ „L, könnte ich bitte Beyond sprechen? Es ist wichtig!“ „Das geht gerade nicht. Aber… ich richte es ihm aus, wenn es in Ordnung ist. Oder ist es wegen der Babys?“ Irgendwie klang Rumiko unruhig und nervös. Als würde sie spüren, dass etwas nicht stimmte. Aber das konnte doch nicht sein. Sie war weit genug weg und bekam auch nichts mit, weil sie und Jamie in V’s Militärbasis versteckt waren. „Nein, mir geht es soweit gut und ich hab jetzt auch keine Wehen oder so. Aber… ich würde gerne seine Stimme hören, wenn es okay ist.“ „Das ist leider sehr ungünstig. Er ist nämlich gerade nicht hier.“ Ein nachdenkliches Schweigen. Dann fragte Rumiko nach einer Weile „Ist ihm etwas passiert?“ „Wie kommst du darauf?“ „Ich weiß es nicht. Aber ich habe da so ein ungutes Gefühl. Nenn mich ruhig paranoid, aber ich hatte da einfach ein verdammt mieses Gefühl, dass Beyond etwas passiert sein könnte und ich mache mir eben halt große Sorgen. Hat sich mit Clear und Sam schon irgendetwas ergeben?“ „Sam ist auf der Flucht und Clear ist erschossen worden. Beyond geht es soweit gut, er hat sich ein paar Schrammen geholt und wird noch untersucht, damit wir auch sichergehen können, dass ihm nichts fehlt.“ Ob Rumiko ihm auch glaubte? Nein, sie wusste instinktiv, dass das, was L gesagt hatte, nicht stimmen konnte. Sie schien zu spüren, dass er nicht mehr lebte, aus welchem Grund auch immer. Aber L konnte ihr einfach nicht die Wahrheit sagen. Er hatte doch versprochen gehabt, dass er nicht zulassen würde, dass Beyond etwas passierte. Er hatte ihr versprochen, ihn zu beschützen. Und selbst das hatte er nicht geschafft. Die Wahrheit war einfach zu grausam, als dass er sie ihr in diesem Zustand hätte antun können. Rumiko war hochschwanger und sie erwartete Zwillinge! Er wollte nicht auch noch das Leben dieser zwei Ungeborenen in Gefahr bringen, nur weil er unfähig gewesen war, Beyond rechtzeitig da rauszuholen und ihn zu retten. „L, bitte sag mir die Wahrheit. Ich weiß genau, wann du lügst. Also sag es mir. Was ist mit Beyond?“ „Er ist in einen Unfall verwickelt und dabei schwer verletzt worden. Er… er ist tot.“ Stille kehrte ein. Es war unmöglich herauszuhören, ob Rumiko weinte, oder ob sie einfach nur unter Schock stand und unfähig war, überhaupt etwas zu empfinden. Und L wusste einfach nicht, was er in diesem Moment zu ihr sagen sollte. Dann aber brach Rumiko ihr Schweigen und ihre Stimme zitterte heftig dabei. „Er ist gestorben? Wie… wie konnte das passieren?“ „Wir wollten Clear und Sam hervorlocken und Beyond wollte den Köder spielen. Dabei kam es bei der Flucht auf dem Highway zu einer Explosion und das Fahrzeug, in welchem Beyond sich befand, überschlug sich mehrmals und er wurde herausgeschleudert. Er hat sich dabei schwer verletzt und ist schließlich verblutet.“ Immer noch weinte Rumiko nicht, sie versuchte irgendwie die Fassung zu wahren aber sie beide wussten, dass sie es nicht schaffen konnte. Beyond war alles in ihrem Leben gewesen, neben Jamie. Sie hatte sich all die Jahre liebevoll um ihn gekümmert, weil er sonst niemanden hatte und er war ihr Bruder, wenn auch nicht ihr leiblicher. „Es besteht aber noch Hoffnung“, sagte L und versuchte, ruhig und gefasst zu sprechen, um Rumiko wieder zu beruhigen, bevor sie sich zu sehr aufregte und damit noch ihre Gesundheit und die ihrer Kinder aufs Spiel setzte. „Andrew und Hester operieren ihn gerade, um ihm einen elektrischen Gedankenschaltkreis einzusetzen. Es besteht noch Hoffnung, dass wir ihn retten können.“ „Wie hoch?“ „Fast 75%, je nachdem wie schwer die körperlichen Schäden sind und ob die Blutspende funktioniert. Rumiko, bitte versprich mir, dass du dich nicht zu sehr aufregst, ja? Du darfst dich in deinem Zustand nicht aufregen und es wird alles wieder gut werden. Dass Beyond gestorben ist, das war allein meine Schuld und…“ „Nein“, sagte sie und schluchzte heftig. „Niemand hat Schuld. Wenn er gestorben ist, dann war seine Lebenszeit einfach abgelaufen. Und dagegen hätte niemand von uns etwas tun können.“ „Rumiko, wir werden Beyond zurückholen und es wird auch funktionieren. Andrew hat es auch geschafft und er hat einen Schaltkreis gebaut, der sogar noch viel besser ist. Ich werde nichts unversucht lassen, um ihn zu retten. Versprich mir, dass du dich nicht zu sehr aufregen wirst, ja? Ich rufe dich an, wenn ich was Neues weiß.“ „Tut mir leid, L. Aber ich denke es ist besser, wenn ich zurückkomme.“ Da L ihr schlecht diesen Wunsch abschlagen konnte, gab er sein Einverständnis und regelte alles mit V, dass er sie und Jamie zurückbringen würde. Niedergeschlagen saß er da und hatte das Gefühl, als wäre ihm sämtliche Energie genommen worden. Er fühlte sich erschöpft und kraftlos und hätte am liebsten nur geweint und nichts anderes mehr getan. Er wollte nichts mehr wissen und auch mit niemandem mehr reden… Oliver betrachtet ihn besorgt und fragte „Wie hat sie es aufgefasst?“ „Sie hat versucht, sich zusammenzureißen, aber sie ist völlig am Boden zerstört.“ Der Hacker nickte und stand schließlich auf. „Ich gehe mal nachfragen, ob es inzwischen Neuigkeiten gibt.“ Damit verschwand er und es verging einige Zeit, bis er zurückkam und nichts Neues melden konnte. Fast 12 Stunden verstrichen, in denen sie rein gar nichts hörten. Die Zeit verging quälend langsam und es war für alle Beteiligten eine enorme Belastung. Schließlich trafen Jamie und Rumiko ein, die von V direkt hergeflogen worden waren. Die 26-jährige Halbjapanerin sah furchtbar aus. Ihr Gesicht wirkte eingefallen und blass, ihre Augen waren von Tränen gerötet und als sie L sah, da lief sie direkt auf ihn zu und fiel ihm schluchzend in die Arme. Sie konnte sich kaum noch beruhigen und schließlich war es Oliver, der sie tröstete, denn Jamie stand selbst unter Schock und konnte noch nicht wirklich glauben, dass sein Sandkastenfreund und Schwager wirklich tot war. Das Warten wurde schließlich zu einer unerträglichen Tortur, in der sie nichts tun konnten, als zu beten und das Beste zu hoffen. Und als schließlich sechs weitere Stunden vergangen waren, in denen sich nichts Neues ergab und L vor lauter Erschöpfung kurz eingenickt war, da regte sich plötzlich etwas. Hester kam auf sie zu und hatte noch ihre Chirurgenkleidung an und nahm gerade den Mundschutz ab. Ihr Gesichtsausdruck ließ erst nichts Gutes erahnen und sogleich befürchteten sie alle, dass etwas schief gelaufen sei, aber dann lächelte sie und sagte „Wir haben wieder einen Puls.“ Sofort sprang L auf, als er das hörte und auch die anderen konnten es kaum glauben und dachten zunächst, sie hätten sich verhört. „Soll das etwa heißen…“ Hester nickte und wies sie mit einem Wink, ihr zu folgen. Sie führte sie zur Intensivstation in ein Zimmer, wo Beyond lag. Sein Kopf und sein linker Arm waren bandagiert und ein EKG gab ein langsames aber dennoch rhythmisches Piepsen von sich. Andrew stand neben dem Bett und tippte etwas auf einem Laptop ein. Dann wandte er sich zu den Ankömmlingen um und sofort sah man ihm die Müdigkeit und Erschöpfung an und wie anstrengend diese Operation eigentlich gewesen war. Trotzdem lächelte er und verkündete überglücklich „Es funktioniert alles! Wir haben ihn wieder!“ Rumiko trat vor, denn sie war mit ihren Shinigami-Augen die Einzige, die wirklich feststellen konnte, ob das auch stimmte. Mit langsamen Schritten ging sie näher ans Bett heran, brach in Tränen aus und die unendliche Erleichterung war nicht zu übersehen. Sie konnte sich kaum beruhigen und musste von Jamie in den Arm genommen werden, weil sie einfach so überglücklich war, dass die Gefühle endgültig mit ihr durchgingen. L blieb einen Moment stehen, dann aber ging er auf Andrew zu, dem er immer mit Distanz und einem unterschwelligen Misstrauen begegnet war und umarmte ihn. Er drückte ihn fest an sich und bebte am ganzen Körper. „Danke“, brachte er mit zitternder Stimme hervor, als auch er vor grenzenloser Erleichterung nicht anders konnte, als Tränen zu vergießen. „Ich weiß nicht, wie ich dir dafür danken soll, Andrew…“ „Schon gut. Ich bin einfach nur froh, dass Beyond wieder lebt und das ist die Hauptsache.“ Schließlich lösten sie sich wieder und Andrew ging zu Oliver und legte seinen Kopf auf seiner Schulter ab, dann nahm er seine Hand. „Ohne Hester hätte ich das alleine niemals bewerkstelligen können. Die Wunde an seiner Seite zu nähen war nicht sonderlich schwer, aber er hatte einige Verletzungen am Kopf und das hat das Einsetzen des GSK etwas erschwert. Aber letztendlich haben wir es doch noch geschafft und sein Zustand ist einigermaßen stabil. Ich werde aber noch ein paar Einstellungen vornehmen müssen, da ich den Schaltkreis noch an die Gehirnimpulswellen anpassen muss. Es kann also sein, dass er vielleicht noch ein paar Beschwerden haben wird, wenn er aufwachen sollte. Er liegt aber vorerst noch im künstlichen Koma, da der Schaltkreis eine Weile braucht, um die Einstellungen zu sichern und auf volle Leistung zu gehen. Das dauert seine Zeit, sonst würde es zu schweren Hirnschäden führen. Zur Sicherheit werde ich noch hier bleiben und…“ „Nein Andy“, unterbrach Oliver und klopfte ihm auf den Rücken. „Ich mach hier weiter. Du brauchst erst mal dringend Ruhe nach der ganzen Aufregung. Ihr geht jetzt erst mal nach Hause und ruht euch aus. Wenn sich irgendetwas ergibt, werde ich mich bei euch melden.“ Da sie nicht viel ausrichten konnten, gingen sie auf Olivers Vorschlag ein und nachdem sie auch Hester für Beyonds Rettung gedankt hatten, kehrten sie nach Hause zurück. Da Andrew nicht gerne alleine war und Rumiko sowieso durch den ganzen Stress bedingt Gesellschaft gut gebrauchen konnte, quartierten sich die drei vorerst bei L ein. Diesen störte es überhaupt nicht, im Gegenteil. Er war froh darüber und genoss auch die Gesellschaft der drei. Jamie und Rumiko waren sehr enge Freunde geworden und schon fast wie eine richtige Familie für ihn. Und Andrew, der dank des Gedankenschaltkreises Beyond das Leben zurückgeben konnte, wollte er auch ein Teil dieser Familie werden lassen. Genauso wie Oliver. Nachdem sich Rumiko wieder beruhigt hatte und von Watari einen Kamillentee bekam, unterhielt sie sich angeregt mit Andrew und hörte sich aufmerksam an, was er über seine Reisen mit Oliver zu erzählen hatte. Und als er von seinen Hochzeitsplänen erzählte, da kreischte sie regelrecht vor Begeisterung und freute sich, als hätte nicht er, sondern Beyond ihr gesagt, dass er heiraten wollte. Aber was war von einer Frau denn anderes zu erwarten, die eine Schwäche für schwule Beziehungen hatte und sogar Yaoi-Mangas zeichnete? „Mensch, das ist ja toll, Andrew. Wenn Beyond wieder auf den Beinen ist, müssen wir das alle zusammen auf jeden Fall feiern. Und ich hab eines beschlossen: ich werde die beiden erst zur Welt bringen, wenn mein kleiner Bruder aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Vorher nicht!“ Als Andrew das hörte, sah er sie skeptisch an und fragte „Und was machst du, wenn die Wehen einsetzen, bevor er wieder aufwacht?“ „Dann stopf ich mir notfalls einen Korken rein.“ Bei dieser frechen Antwort konnten sie nicht anders, als zu schmunzeln und die Köpfe zu schütteln. „Rumiko, du bist echt unglaublich.“ „Ich weiß. So bin ich eben immer.“ Als L diese Gesprächsrunde mitverfolgte, musste er sich an etwas erinnern. Es war eine verschwommene Erinnerung und sehr unklar, da er damals allerhöchstens vier Jahre alt gewesen war. Aber er erinnerte sich daran, wie er an einem verregneten Herbsttag aus dem Fenster geschaut hatte, während er auf jemandes Schoß gesessen hatte, welcher ihm eine Geschichte erzählte. Er erinnerte sich an schneeweiße Haare und an ebenso weiße, aber dennoch sehr schöne und zarte Hände, die ihn festgehalten hatten. Ja richtig, das war Frederica gewesen. Und sie hatte ihm sehr oft Geschichten erzählt. Es waren immer Märchen, die über ein Mädchen namens Eva und ihrer Familie handelten. Er hatte diese Geschichten damals sehr geliebt, denn diese waren immer sehr einfach erzählt worden, immerhin war er damals noch ein Kleinkind. Immer und immer wieder hatte sie ihm das Märchen erzählt, wie Eva den Zorn besänftigt oder der Leere einen Inhalt gegeben hatte. Er hatte sich immer gewünscht, dass sie auch alle ein Teil von Evas Familie sein konnten und hatte nie genug von diesen Geschichten bekommen. Aber dann hatte Frederica ihm eines Tages eine Geschichte erzählt, welche ihn sehr traurig gemacht hatte und von der er furchtbar weinen musste. Sie handelte davon, wie Eva ihre Familie verlor und sie daraufhin in ihrer tiefen Trauer sich selbst „zerbrach“ und daraufhin verschwand. Er hatte so heftig geweint, weil er diese Geschichte so traurig fand, da hatte Frederica ihn getröstet und ihm die Geschichte weitererzählt. An alles konnte er sich nicht erinnern, aber er wusste noch ganz deutlich, dass sie gesagt hatte „Eva war sehr traurig, dass ihre Familie fort war und hatte große Angst davor, wieder einsam zu sein. Deshalb sagte sie auch: Ich werde wieder zurückkommen, wenn meine Familie zurückgekehrt ist und wieder zueinander gefunden hat. So wartete Eva bis heute noch, bis alle wieder zueinanderfinden und wieder das alte Band von damals schließen würden. Denn vorher wollte Eva nicht zurückkommen.“ War es vielleicht möglich, dass die Familie aus Fredericas Geschichten etwa tatsächlich im Begriff war, wieder zurückzukehren und dass dies der Grund war, wieso sie wieder aktiv wurde? Tja, dachte L und sah aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinaus. Das werden wir noch früh genug herausfinden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)