Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 28: ------------ Das Motorrad von Fritz stand neben dem Eingang als ich am nächsten Tag das Revier erreichte. Mich durchzog ein flaues Gefühl und ich wäre am liebsten wieder umgedreht und nach Hause gefahren. Es war das erste mal in meinem Leben, dass ich mich krankmelden wollte obwohl ich gesund war. Aber was sollte das bringen? Früher oder später musste ich ihm gegenübertreten. Vor allem wenn ich wollte, dass sich das Verhältnis zu ihm wieder normalisierte. Heute Morgen war ich wieder bei Lisa im Krankenhaus gewesen und kam dadurch später ins Büro. Vielleicht hatte ich die erste Begegnung mit Fritz auch einfach nur heraus zögern wollen. Ich betrat das Büro. Fritz stand am Schreibtisch von Waldi. Ich hatte böse Blicke erwartet oder dass er mich ignorierte, aber das er mich ansah und lächelte warf mich völlig aus der Bahn. „Morgen Bielefeld“, sagte er. „Bist spät dran.“ Ich stand nur da und starrte ihn an. In diesem Moment kam mir der gestrige Abend wie ein Traum vor oder träumte ich jetzt? Das hier konnte doch nicht echt sein. Warum lächelte er mich an und begrüßte mich wie jeden anderen Morgen. Ich erinnerte mich, dass ich ihn genau darum gebeten hatte, dass wir einfach nur Kollegen sein sollten. Er hatte irgendwas über Nacht beschlossen und ich musste jetzt damit leben. Ich räusperte mich und senkte meinen Blick, als ich ein `Morgen´ murmelte und auf meinen Platz ging. Den Vormittag über arbeitete ich an einigen Berichten, konnte mich aber nicht konzentrieren. Jedes Mal wenn Fritz ins Büro kam oder ich seine Stimme hörte, zog sich mein Magen zusammen. Genau das hatte ich vermeiden wollen. Genau deshalb wollte ich, dass wir einfach nur Partner blieben. Ich wollte nicht die Präsenz von jemandem so dauerhaft spüren oder suchen, doch genau das löste er in mir aus. Ich schnappte mir schließlich meine Akten, einen netzfähigen Laptop und ging in einen der kleinen Besprechungsräume. Dort hatte ich Ruhe. Dort konnte mir Fritz nicht ständig über den Weg laufen und mich wahnsinnig machen. Tat er das nicht mit Absicht? Ich hatte das Gefühl, dass er regelrecht nach Gründen suchte, um mir zu bewiesen, dass wir nicht einfach nur Partner sein konnten oder bemerkte er gar nicht sein Verhalten? Ich brauchte bestimmt nur ein paar Tage Abstand. Der Abend gestern hatte mich einfach durcheinander gebracht. Aber wie sollte ich bei so einem Fall ohne meine Kollegen arbeiten? Wenn Herr Altenburg zu unserem Team stoßen würde, konnte ich unabhängig von meinen Kollegen arbeiten und es würde mir vielleicht den nötigen Freiraum geben, den ich jetzt brauchte. Ich hatte schon mit unserem Chef gesprochen. Es hatte eine Weile gedauert bis ich ihn überzeugen konnte. Außerdem musste ich ihm erklären, woher ich von Christin´s Fall wusste. Er konnte sich denken, dass ich seinen Anweisungen nicht gefolgt war und den Fall heimlich unter die Lupe genommen hatte. Aber er ging darauf nicht weiter ein, wofür ich ihm dankbar war: Er stimmte zu Herrn Altenburg für den Fall anzufordern. Er half uns bei unseren Fall und anschließend sollte ich dann mit ihm zusammen den Fall von Christin aufarbeiten. Ich hatte nichts vom Korruptionsverdacht erwähnt. Herr Altenburg sollte entscheiden wie weit er den Chef einbinden wollte. Er hatte mich angerufen, nachdem er die Anforderung von meinem Chef erhielt. Am frühen Nachmittag war ein Termin zur genaueren Abstimmung vereinbart worden. „Wenn wir Partner werden, Frau Klick”, hatte er am Telefon gesagt. “Dann können Sie mich Falk nennen. Partner sollten sich vertrauen und siezen ist da wohl Fehl am Platz.” Ich stimmte ihm zu, auch wenn der Gedanke ihn Falk zu nennen gewöhnungsbedürftig war. Am Nachmittag sollten wir uns im Büro vom Chef einfinden. Ich ahnte schon den Grund dafür. Im Büro stand Herr Altenburg zusammen mit dem Chef hinter dem Schreibtisch. Herr Altenburg drehte sich zu mir und lächelte mich an. “Josephine”, begrüßte er mich freundlich mit einem vielsagenden Blick. Das Gespräch war also erfolgreich verlaufen, dachte ich. Wir wären jetzt Partner, zumindest für die Dauer der Ermittlungen. “Falk”, antwortete ich ebenfalls zur Begrüßung. Der Chef informierte uns über die Verstärkung. Die Kollegen waren überrascht, als Ihnen Herr Altenburg als neues Teammitglied vorgestellt wurde – auch Fritz. Er hatte also wirklich nichts vom gestrigen Gespräch mitbekommen - nur die Umarmung. Und die hatte ihn anscheinend rasend gemacht. Bei dem Gedanken spürte ich meinen erhöhten Herzschlag und das Kribbeln in der Bauchgegend. „Herr Altenburg wird mit Josephine zusammen arbeiten. Bleibt trotzdem transparent und haltet euch gegenseitig auf dem Laufenden. Das sollte doch im Interesse aller sein”, sagte der Chef abschließend. Mir war klar, dass er seine Bedenken bezüglich der Zusammenarbeit von Fritz und Falk hatte. In den nächsten Tagen kam es aber kaum zu Schnittstellen und ich war dankbar darum. Während Alex und Fritz weiteren Hinweisen nachgingen, versuchten Falk und ich Kontakte zur Liquid Ecstasy Szene zu knüpfen ohne dabei auf das Drogendezernat zuzugehen. Das war zwar nicht das normale Vorgehen, aber wenn der Fall wirklich mit Korruption zu tun hatte, dann konnten wir uns auf die Aussagen der Kollegen nicht verlassen. Vielleicht auf die von Christopher. Aber selbst da konnten wir uns nicht sicher sein. Wir arbeiteten die ersten Tage die Akten aus dem Archiv durch, versuchten Zusammenhänge zu finden. Der Chef sagte zwar, dass der Fall von Rebecca zuerst bearbeitet werden sollte, aber da die beiden aus unserer Sicht zusammenhingen, war eine Trennung einfach nicht möglich. Die erste Teambesprechung hatten wir nach drei Tagen. Ich hatte dadurch etwas an Raum gewonnen um mich wieder auf die Arbeit konzentrieren zu können. Aber sobald ich mit Fritz in einem Raum war, spürte ich die Anspannung in mir. Ich fühlte seinen Kuss auf meinen Lippen und sein Atem an meinem Hals. Ich konnte mich an die Wärme erinnern. Ich vermisste es und das machte mir Angst. Aber was ich noch viel mehr vermisste war Fritz - sein Lachen, seine Scherze und auch seine Stänkereien, obwohl er oft nur ein Büro weiter saß. An seinem Verhalten mir gegenüber hatte sich nichts geändert und das verwirrte mich. Mich machte diese gespielte Höflichkeit von ihm krank. Sein benehmen wirkte nach außen wie immer, aber ich spürte die Distanz zwischen uns. Ich war Falk dankbar, dass er mich mit Arbeit ablenkte. Die ersten Erfolge verzeichneten wir nach etwa einer Woche. Falk hatte durch alte Kontakte jemanden gefunden, der uns vielleicht weiterhelfen konnte. Und wir wollten uns mit ihm treffen. Als wir Fritz und Alex darüber informieren, bestand Fritz darauf mitzukommen. Falk stimmte nur sehr widerwillig zu. Das Thema war durch den Korruptionsverdacht sehr heikel und je weniger Beamte an diesem Fall beteiligt waren, umso sauberer konnte alles aufgedeckt werden. Aber es wurde immer schwerer die beiden da raus zu halten. Falk war jedoch noch nicht bereit jemanden in diesem Fall zu vertrauen. Ich war es. Ich vertraute Fritz und Alex. *** „Wir sind nicht zum Babysitten hier“, sagte Fritz, als wir aus dem Auto stiegen und auf die Bar zugingen, in der wir uns mit dem Informanten treffen wollten. „Wir sind zum Ermitteln hier.“ Fritz blieb stur und bestand darauf, dass er mit in die Bar kam. Ich konnte sehen, dass Falk ungeduldig wurde. „Sie können nicht erwarten, dass sich EIN Informant mit uns trifft, wenn ihm VIER Ermittler gegenübersitzen und ihn befragen. Wir müssen vorsichtig sein”, sagte Falk. Er versuchte noch immer zu verhindern, dass die beiden beim Gespräch dabei waren. Fritz verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir alle“, sagte er. „Wir alle oder das Ganze wird abgesagt!“ „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass das nicht ratsam ist“, entgegnete Falk. „Und warum schleifen Sie Josephine dann als Einzige mit rein? Wenn Sie den Informanten nicht verunsichern wollen mit zu viel Polizeipräsenz, dann gehen sie doch allein.“ „Josephine ist meine Partnerin“, sagte Falk und legte seinen Arm um meine Schulter als er sich mit mir repräsentativ vor Fritz aufbaute. Fritz war die letzten Tage erstaunlich ruhig geblieben, wann immer er mit Falk in Kontakt kam. Aber jetzt stand er kurz vor einem Wutausbruch. Er ballte seine Fäuste und spannte seinen Oberkörper an. „Für diesen Fall vielleicht“, sagte Fritz in einem warnenden Ton. Ich merkte, dass er am Limit seiner Geduld angekommen war. „Vergessen Sie aber nie, dass Josephine UNSERE Partnerin ist in UNSEREM Revier. Das ist hier kein Spiel, Herr Altenburg. Wann haben Sie das letzte Mal einen echten Einsatz gehabt? Machen Sie überhaupt noch irgendetwas anderes außer Bürokram und Präsentationen?“ „Durchaus mache ich noch andere Sachen“, entgegnete Falk trocken, bevor er Fritz mit dieser dienstlichen Arroganz ansah. „Vielleicht können Sie sich noch an die Befragung nach Ihrer Verhaftung erinnern?“" Ich stöhnte als ich seine Worte hörte. Das war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für einen Machtkampf. Ich konnte sehen, wie es in Fritz brodelte. Wenn jetzt niemand dazwischen ging, würde es wohl knallen. Warum provozierte Falk ihn so sehr? „Falk“, sagte ich ermahnend und löste mich aus seiner `Umarmung´ um ihn strafend anzusehen. Ich stellte mich an die Seite von Fritz. „Wir können uns wohl alle an diesen Tag erinnern. Ich hätte dich da am liebsten gewürgt für deine Arroganz. Also fang gar nicht erst wieder damit an. Dann geh ICH nämlich alleine in diese Bar und IHR könnt alle nach Hause gehen.“ Er verstand meine Warnung, sah aber ein wenig unzufrieden aus. Diese eine wirklich unangenehme Charaktereigenschaft von ihm fiel mir nur auf, wenn er dabei war, Fritz zur Weißglut zu bringen. Ich musste dringend mit Falk darüber reden. Aber dafür wäre später gewiss noch Zeit genug. Ich wandte mich an Fritz. „Und DU“, sagte ich und boxte ihm leicht in den Oberarm. „Solltest endlich gelernt haben, dich nicht so leicht provozieren zu lassen. Es wäre schön, wenn wir ausnahmsweise mal ALLE konstruktiv miteinander arbeiten. Kriegen wir das hin?“ Alex beipflichtete mir bei und sehr langsam stimmten mir dann auch Fritz und Falk zu. Wir diskutierten noch eine Weile über das Vorgehen, konnten uns dann aber einigen. Falk würde mit mir zusammen das Gespräch führen und Fritz setzte sich mit Alex zusammen an einen Tisch in unserer Nähe. Sie würden sich natürlich nicht am Gespräch beteiligen, aber in der Nähe bleiben. Falk kam dieser Kompromiss eindeutig entgegen. Vielleicht konnten wir heikle Themen leise genug besprechen, dass unsere Kollegen nichts mitbekommen würden. Der Informant ließ Falk und mich eine Weile warten bis er an unseren Tisch kam. Er hatte uns von der Bar aus beobachtet und gab sich erst nach einigen Minuten zu erkennen. Zum Glück hatten wir Alex und Fritz vorgeschickt und waren selber erst zehn Minuten später in die Bar gekommen. „Er will da unbedingt raus“, sagte der Informant mit dem wir jetzt schon eine Weile sprachen. Er wirkte etwas entspannter, als zu Anfang, sah sich aber trotzdem immer wieder um. Auch Alex und Fritz beäugte er. Benahmen sich die beiden zu auffällig? Ich hoffte nicht, konnte mich aber schlecht zu ihnen umdrehen, um mich zu vergewissern. „Mein Kumpel weiß aber nicht wie er da aussteigen kann. Das sollen andere schon vor ihm probiert haben. Ist wohl keinem von denen gut bekommen.” „Wie ist er in diese Szene geraten?“, fragte ich ihn. Er selber hatte keinen Kontakt zur Szene, nahm laut eigener Aussagen auch keine Drogen, aber sein bester Kumpel war irgendwie in die Sache reingeschlittert und kam offensichtlich nicht wieder raus. „Sie wissen doch wie das ist. Man kennt jemanden, der jemanden kennt. Tom war auf der Suche nach einem Job, wo man möglichst wenig Zeit investieren muss und schnell zu Geld kommt. Er hat alle Hände voll zu tun mit seinem Studium und konnte es sich zeitlich nicht leisten ´nen normalen Nebenjob bei McDonald´s oder Rossmann zu machen, wie die meisten Studenten. Er dachte es wäre schnell gemachtes Geld mit einer harmlosen Droge. Aber das ist irgendwie alles eskaliert.“ „Warum ist er bisher nicht zur Polizei gegangen?“, fragte ich ihn. Er lehnte sich etwas zu mir rüber und sprach im Flüsterton. „Tom ist sich sicher, dass die Leute Kontakte zur Polizei haben und er dort niemanden vertrauen kann.“ „Er glaubt also, dass Polizisten mit der Szene zusammenarbeiten?“, fragte Falk als sein Körper sich anspannte. Er hatte gehofft, dass wir auf dieses Thema kommen würden. Der junge Mann bejahte die Frage und lehnte sich wieder ein Stück zurück. „Warum waren Sie dann bereit mit uns zu sprechen? Wir sind immerhin auch von der Polizei.“ Er sah Falk bei seiner Frage erstaunt an als wenn die Antwort offensichtlicher nicht sein könnte. „Sie sind Sophias Bruder! Ich vertraue ihr. Wenn Sophia sagt, dass Sie sauber sind, dann sind Sie das auch.“ Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass Sophia solche Leute kannte. Wobei er selber ja auch nur indirekt mit der Drogenszene was zu tun hatte. Aber das war schon schlimm genug. Falk sollte mir ihr darüber reden. War er nicht besorgt? Wenn er mit ihr nicht sprach, dann würde ich das tun! „Hat ihr Kumpel Kontakte in der Szene, die mit diesen Polizisten schon zu tun hatten?”, fragte Falk als er sich dichter zu den jungen Mann beugte und leiser sprach. Er sah Falk nachdenklich an bevor er antwortete. “Er kennt Leute die aussteigen wollen und wohl mehr darüber wissen als er.” Wir sammelten noch weitere Fakten und baten den jungen Mann mit uns in Kontakt zu bleiben. Er versichert uns, dass er mit seinem Kumpel noch einmal reden würde. Wir hatten also gute Chancen an weitere Informationen zu gelangen. Er ging als erstes und wir warteten noch eine gute viertel Stunde bis wir die Bar verließen. Fritz und Alex trafen wir einige Blöcke weiter an einer anderen Bar, wo wir unser Auto geparkt hatten. Es war Freitag und die Straßen von Kreuzberg waren voll mit Leuten. „Und?“, fragte Alex. „Was haben wir rausgefunden?“ Die Bar war sehr laut und die beiden hatten nichts mitbekommen. Ich konnte die Erleichterung in den Augen von Falk sehen. Ob er es wollte oder nicht, wir mussten früher oder später mit den beiden darüber reden. Falk nannte zusammenfassend die Erkenntnisse, die wir erlangt hatten. Das wir nach Angaben des Informanten Kontakt zu einer Person aufbauen konnten, die in der Szene steckte und raus wollte. Er ließ den Part weg, dass vermutlich Polizisten in der Szene aktiv waren. „Das ist doch krass“, sagte Alex. „Dann ist das dieses Mal wirklich so eine Gangsache?“ Fritz verschränkte die Arme vor der Brust als er Alex angrinste. „Dann musst du dieses Mal Caroline wenigstens nicht anlügen was den Mord angeht. Das ist bei den Römers ja auch schief gegangen.“ Alex sah ihn an. „Das ist Caroline egal. Das hier ist Kreuzberg. Da erwartet sie Mord und Totschlag an allen Ecken. Das mit den Römers war nur drei Straßenblöcke von uns entfernt.“ Ich sah die beiden kopfschüttelnd an. Worüber die Jungs sich Gedanken machten. Caroline war eine erwachsene Frau. Sie würde schon mit den Tatsachen klar kommen. Ich drehte mich zu Falk, der gerade mit Sophia telefonierte. Anscheinend hatte ihn das Ganze doch nicht so kalt gelassen. Würde er ihr verbieten den Typen wieder zu sehen? Es klang zumindest danach. Dabei hatte er uns einen großen Schritt weitergebracht. Und er hatte ja eigentlich nichts damit zu tun. Mein Blick ging an Falk vorbei als ich in einiger Entfernung einen Mann beobachtete, der gerade eine Frau belästigte. Sie schüttelte mit ihrem Kopf und versuchte Abstand zu ihm zu gewinnen, während er weiter auf sie einredete. Ich verengte meine Augen als er begann sie am Oberarm zu packen, um sie am Weitergehen zu hindern. Wenn er damit nicht aufhörte, musste ich wohl dazwischen gehen. Meine drei Kollegen schienen hier nichts mitzukriegen und waren nur mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Ich schob mich gerade an Falk vorbei um auf die beiden zuzugehen als der Typ sich die Tasche der Frau schnappte und losrannte. Das durfte ja wohl nicht war sein, dachte ich und rannte ihm hinterher. Ich hörte hinter mir ein fluchendes `Bielefeld´, aber ich hatte wirklich gerade andere Sorgen als auf Fritz oder einen der anderen zu warten. Ich folgte dem Typen in eine Seitenstraße. „Polizei“, rief ich ihm hinterher. „Bleiben Sie stehen!“ Warum hörten diese Typen eigentlich nie? Wir bekamen Sie ja am Ende doch. Er rannte weiter. “Bleiben Sie stehen oder ich schießen”, rief ich ihm hinterher als ich an der Halterung meiner Dienstwaffe zerrte, aber irgendwas hakte und ich bekam sie nicht auf Anhieb gezogen. Er sah kurz über seine Schulter zu mir, lief aber weiter. Er kam ins Straucheln und musste sich mit seiner Hand am Asphalt abdrücken um nicht zu fallen. Das gab mir genug Zeit um die Distanz zwischen uns zu verkürzen und ich bekam seine Jacke gepackt. Ich war aber nicht dicht genug dran und verlor sie aus meinem Griff. „Bleiben Sie stehen!“, brüllte ich und griff erneut nach ihm. Dieses Mal bekam ich seinen Oberarm zu packen und ich riss ihn rum. Ich versuchte ihn gegen die Mauer zu drücken, aber er wehrte sich mit aller Kraft. Die geklaute Tasche fiel beim Handgemenge zu Boden. Ich hörte schnelle Schritte und ich war mir sicher, dass meine Kollegen uns gleich erreichten. Ich musste ihn nur noch ein wenig festhalten, dann würde- Im nächsten Moment spürte ich einen kräftigen Hieb mitten ins Gesicht und war wie benommen, als sich der Schmerz durch meinen ganzen Körper zog. Der Typ hatte mich voll mit seinem Ellenbogen erwischt. Er drückte mich von sich weg und ich landete unsanft an der rauen Fassade. Er riss sich los und wollte wegrennen. Ich versuchte ihn mit aller Kraft festzuhalten, aber verlor den Halt und landete auf dem Boden. In dem Moment, wo ich den Asphalt berührte, zog sich ein stechender Schmerz durch mein rechtes Handgelenk. In meinem benommenen Zustand hatte ich noch versucht nicht mit meinem Kopf auf dem Boden zu schlagen, war dadurch aber unglücklich mit meiner Hand aufgekommen. Ich stöhnte bei dem Schmerz auf und mein Körper krümmte sich auf dem Asphalt als ich auf der Seite liegen blieb und meine verletzte Hand hielt. Ich hörte wie die Kollegen an mir vorbei rannten. Sie würden ihn kriegen, da war ich mir sicher. Ich brauchte einen Moment um meine Augen wieder öffnen zu können. Mein Handgelenk tat verflucht weh und einige Gesichtspartien brannten. „Josephine“, hörte ich eine Stimme neben mir. Als ich meine Augen öffnete sah mich Fritz schwer atmend mit besorgtem und gleichzeitig wütendem Gesichtsausdruck an. Er kniete neben mir während er mit einer Hand über mein Haar strich und versuchte mögliche Verletzungen zu erkennen. „Hey“, sagte ich und lächelte Fritz etwas verzerrt an als ich meine Zähne zusammen biss, um den Schmerz zu unterdrücken. Ich setzte mich langsam auf und er half mir indem er meine Schultern stützend festhielt. „Alles klar?“, fragte er und sah auf meine verletzte Hand. Ich legte meinen Kopf schief und betrachtete das Handgelenk. „Ja, bin nur mit der Hand etwas dumm aufgekommen.“ Er atmete schwer und sah mich wütend an. „Lass diese scheiß Alleingänge, Bielefeld! War es so schwer uns Bescheid zu geben?“ Ich rollte mit den Augen als er mich langsam aufrichtete. Mit meinem Fuß war ich auch leicht umgeknickt, aber nachdem ich ihn einige Male aufsetzte ging es wieder. „Geht´s?“, fragte mich Fritz als wir langsam wieder zurückgingen. „Hatte schon Schlimmeres.“ In dem Moment fiel mir die Handtasche der Frau wieder ein. „Holst du noch die Handtasche?“, bat ich ihn und deutete in Richtung der Wand, wo der Typ sie hatte fallen lassen. Fritz ging zur Hauswand und hob die Tasche auf. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an als er wieder auf mich zukam. „Wegen ´ner Handtasche hast du den Typen verfolgt?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Du weißt gar nicht wie wichtig für manche Frauen ihre Handtaschen sind“, sagte ich und lächelte ihn unschuldig an. Er stöhnte frustriert auf und stützt mich. Wir gingen zurück zu unserem Ausgangspunkt. „Du bist echt nen Fulltime Job“, knurrte er neben mir. Trotz der Schmerzen musste ich mir ein Grinsen verkneifen. Ein Fulltime Job? Ja, damit hatte er wohl Recht. Falk und Alex hatten den Taschendieb erwischt und die Kollegen von der Streife verständig, damit er abgeführt werden konnte. Die Frau stand immer noch ganz verdattert da. Wir gaben ihr die Handtasche zurück und sie bedankte sich bei uns tausend Mal. Falk und Alex hatten gerade noch mit dem Typen zu tun als mich Fritz zum Auto zerrte. Er öffnete den Kofferraum vom Kombi. „Setzt dich hin“, sagte er. Ich sah ihn fragend an, folgte aber seinen Aufforderungen. Im nächsten Moment zog er den Verbandskasten neben mir raus und riss die Folie ab. „Was machst du denn da, jetzt ist der doch ungültig. Ich bin doch überhaupt nicht verletzt.“ „Bist du wohl“, unterbrach er mich barsch. „Und jetzt sei still“, forderte er mich auf und griff vorsichtig mit seiner Hand nach meinem Kinn um mein Gesicht zu begutachten. Er öffnete eine Tube und schmierte davon ein wenig in ein desinfiziertes Verbandstuch. Als er damit über meine Stirn fuhr, zuckte ich bei dem brennenden Schmerz zusammen. „Tut mir leid“, sagte er sanft. „Aber das muss gesäubert werden. Du hast dir deine Haut ganz schon aufgeschrammt.“ Ich musste schlucken als er mir durchs Haar fuhr und mich sanft anlächelte. Das war der echte Fritz, dachte ich. Keine gespielt freundliche Fassade oder übertrieben korrektes Verhalten. Ich spürte wieder ein Brennen als er erneut mit dem Tuch über mein Wange tupfte. Er ging so behutsam mit mir um und berührte mich so zärtlich, dass mein Pulsschlag sich erhöhte und ich mich konzentrieren musste nicht zittrig ein- oder auszuatmen. Er stopfte das Verbandstuch in eine Tüte und beugte sich zum Kasten um sich ein Neues zu holen. Dabei lag mein Gesicht fast in seiner Halsbeuge und ich senkte meine Augen, als ich seinen Geruch wahrnahm. Er roch so gut. Ich spürte die Wärme seiner Haut und mein Brustkorb zog sich zusammen. Ich biss mir auf die Lippen als ich mir sagte, dass ich mich endlich zusammenreißen musste. „Tut´s sehr weh?“, fragte mich Fritz vorsichtig und ich sah wieder hoch. Sein Gesicht war so dicht an meinem. Und seine Nähe ließ mich nicht mehr klar denken. Als er mich mit diesem sanften, schiefen Lächeln ansah, wollte ich mich nach vorne beugen und ihn küssen. „Josephine“, hörte ich die Stimme von Falk und ich erstarrte im selben Moment. Ich blinzelte und räusperte mich als mir bewusst wurde, was ich beinahe getan hätte. Ich schüttelte meinen Kopf um wieder etwas klarer zu denken und senkte meinen Blick bevor ich Falk dann endlich ansehen konnte. „Wie geht´s dir?“, kam er auf mich zu und sah mich besorgt an. Ich rang mir ein Lächeln ab. „Bestens!“, entgegnete ich. „Man wird ja von seinen Kollegen gehegt und gepflegt.“ Ich hörte Fritz neben mir schnauben. Ich sah ihn an, muss aber meinen Blick wieder senken als er mich mit diesem sanften aber traurigen Ausdruck ansah. „Du solltest deine Hand röntgen lassen“, sagte Fritz. Ich nickte, ohne ihn anzusehen. „Hier in der Nähe ist gleich ein Krankenhaus“, fuhr er fort. „Ich kann dich hinfahren.“ Hinfahren? Bei dem Gedanken wurde ich nervös. Jetzt noch einmal mit Fritz alleine sein? Das konnte ich nicht zulassen. „Nicht nötig”, sagte ich. “Ich muss erst zurück ins Revier und meine Krankenkarte holen. Danach kann mich Falk fahren. Wir wollten eh noch was besprechen.” Ich sah den fragenden Ausdruck im Gesicht von Falk und befürchtete schon, dass er mich fragen würde, was wir noch zu besprechen hatten. Aber er nickte nach einigen Augenblicken. “Klar, kann ich machen.” Ich atmete erleichtert aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)