Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 19: ------------ Ich tastete schlaftrunken mit der Hand nach meinem Handy. Das Klingeln hatte mich aus dem Schlaf gerissen. Es war noch dunkel und demnach mitten in der Nacht. Wer um Himmelswillen rief um so eine unmenschliche Uhrzeit an? Ich drehte mich auf den Rücken und hielt mir das Handy ans Ohr. „Ja?“, murmelte ich ins Telefon. „Taxiservice ist auf dem Weg“, hallte eine männliche Stimme in den Apparat. Was war auf dem Weg? Hatte sich da jemand verwählt? Ich sah mit halb geöffneten Augen auf das Handydisplay und stöhnte innerlich, als ich den Namen las. „Alex? Was ist denn los? Es ist Sonntag!“ „Ich denke, das Wort `Bereitschaft´ sagt dir etwas, oder? Zufällig sind wir beide dieses Wochenende damit dran. Wir haben einen Fall in Schöneberg.“ „Wir haben einen Fall?“ Jetzt war ich wach und saß kerzengerade in meinem Bett. „Ja, haben wir. Bin schon auf dem Weg zu dir. Kannst mir später für den Service danken. Mach dich fertig, Josephine. Ich bin in ´ner viertel Stunde bei dir.“ Alex war nach guten zwanzig Minuten am Gestüt angekommen und sammelte mich ein. Einen Vorteil hatten solche Einsätze in der Nacht. Man kam schnell durch Berlin ohne sich viel durchkämpfen zu müssen. Wir gingen in den Innenhof, als wir den Tatort erreichten. Die Spurensicherung arbeitete bereits. Auch Tereza war vor Ort, was mich verwunderte. Gerade die Gerichtsmedizin, traf eher später ein als wir. „Hallo ihr beiden“, begrüßte uns Tereza. Ich sah sie überrascht an. „Was machst du denn schon hier?“ „Kreuzberg ist doch nur einen Katzensprung von hier entfernt“, entgegnete sie schulterzuckend. Ein junger Mann war vom Balkon gestürzt. Offensichtlich konnte nicht von einem Selbstmordversuch ausgegangen werden, sonst wären wir jetzt nicht hier. Die Kollegen von der Streife kamen auf uns zu und reichten uns die Unterlagen. Es war eine ungewöhnlich umfangreiche Mappe. „Es handelt sich um den 27-jährigen Studenten Andreas Richter. Um 1:30 Uhr wurde er das letzte Mal gesehen. Gegen 2:45 Uhr haben wir ihn hier gefunden. Wir wurden von den Nachbarn wegen Ruhestörung gerufen. Es gab hier öfter Probleme, wenn er seine Studentenpartys gefeiert hat.“ „Wer hat das Opfer zuletzt gesehen?“, fragte Alex. „Einige Gäste haben beobachtet, dass er auf den Balkon gegangen ist“, entgegnete uns der Kollege. „War er allein?“ „Das konnte niemand bestätigen. Bei dem Alkoholpegel der Gäste war es generell schwierig Antworten zu kriegen. Aber die Nachbarin hat auf dem Balkon gegen zwei Uhr einen Streit zwischen dem Opfer und einer anderen Person mitbekommen.“ „Hat sie jemanden erkannt oder einen Kampf gehört?“ „Nein, sie konnte niemanden erkennen. Die Balkone sind mit Sichtschutz versehen. Sie hat sich dann später Kopfhörer aufgesetzt, weil sie noch an Grafiken arbeiten und sich konzentrieren musste.“ „Wie viel Gäste waren es?“, fragte Alex. „Das ist schwer zu sagen. War so eine typische Facebook-Party. Eingeladen waren wohl um die Dreißig. Aber wir haben von 52 Personen die Personalien aufgenommen.“ 52 Personen? Ich stöhnte innerlich. Wir würden alleine schon für die ganzen Vernehmungen und die Protokolle zwei, vielleicht auch drei Wochen brauchen. Und vermutlich würde es nicht bei diesen 52 Gästen bleiben. Wie viele hatten vorher schon die Party verlassen? Und welcher Student konnte sich eine Wohnung leisten wo 52 Personen reinpassten? Das Gebäude sah gepflegt aus und war in einer teuren Gegend. „Sind noch Gäste für eine Befragung da?“, fragte ich den Kollegen. Der Streifenpolizist informierte uns darüber, dass die Nachbarin noch wach sei und für eine Befragung zur Verfügung stehe. Es wären außerdem auch noch zwei Gäste in der Wohnung, Nummer 402. Von den restlichen Zeugen seien die Personalien aufgenommen worden. Die Kollegen verabschiedeten sich und wir gingen zu Tereza. „Kannst du uns schon was zur Todesursache sagen?“ „Bei einem Fall aus dem vierten Obergeschoss kann man wohl von Genickbruch ausgehen.“ Ich blickte hoch. Bei einem Altbau hatte das vierte Obergeschoss eine beachtliche Höhe. „Etliche Knochen sind gebrochen und der Schädel wurde massiv beschädigt. Kampfspuren konnte ich erst mal nicht erkennen, aber vielleicht ergeben die genaueren Untersuchungen mehr. Die Details habe ich morgen für euch.“ Alex und ich gingen nach oben in die Wohnung. Im Wohnzimmer fanden wir zwei junge Leute, die auf einer Couch warteten. Die beiden mussten in etwa das Alter des Opfers haben. Die Frau hatte geschwollene und gerötete Augen - vermutlich vom Weinen. Der junge Mann hielt ihre Hand fest, streichelte sie und redete beruhigend auf sie ein. Alex ging auf die beiden zu. Als sie unsere Anwesenheit bemerkten, standen sie von der Couch auf. „Hallo“, begrüßte Alex die beiden. „Mein Name ist Alexander Mahler, das ist meine Kollegin Josephine Klick. Wir sind von der Kripo und ermitteln in diesem Fall.“ Der junge Mann, nahm die Hand von Alex an und schüttelte sie. „Mein Name ist Jonathan Weber. Das hier ist meine Frau Melanie.“ „Wir würden Ihnen gerne einige Fragen stellen. Wäre das in Ordnung für Sie?“, fragte ich. Beide nickten und setzten sich mit Alex wieder hin. Ich blieb stehen und versuchte mir einen Eindruck von der Wohnung zu machen. Sie war riesig. Das Wohnzimmer allein musste schon mindestens 80 qm haben. Der Raum war groß und offen gestaltet mit modernen Möbeln und hohen, hellen Wänden die zur Decke hin mit edlem Stuck abschlossen. Acht Türen ließen darauf schließen, dass die Wohnung noch etliche Quadratmeter mehr umfassen musste. Welcher Student konnte sich so eine hohe Miete leisten? „Woher kannten Sie Herrn Richter?“, fragte Alex. Herr Weber stockte einen Moment, als er seine Frau betrachtete. Ich konnte sehen, dass sie um Fassung rang. Eine einzelne Träne lief ihr über die Wangen. Ihr Mann wandte sich wieder an Alex. „Wir sind ehemalige Schulkameraden von Andreas. Die Einzigen zu denen er überhaupt noch Kontakt pflegte.“ Sie erzählten, dass sie noch hier waren, weil ihr Zug erst in zwei Stunden ging. Das junge Ehepaar und Herr Richter stammten nicht aus Berlin, kamen aber aus der näheren Umgebung. Ich sah mich weiter im Zimmer um, als ich mich in das Gespräch einmischte. „Wissen Sie ob er hier alleine gewohnt hat?“ „Soweit wir wissen, ist das die Wohnung von seinem Vater“, antwortete Frau Weber mit schwacher Stimme. „Er arbeitet im Ausland und hat Andreas hier wohnen lassen.“ „Können Sie uns sagen, wie wir den Vater erreichen können? Oder hatte Herr Richter noch andere Verwandte?“ „Ich kenn keine weiteren Verwandten. Seine Mutter ist vor zwei Jahren gestorben und sein Vater arbeitet irgendwo in Asien als Expat. Die beiden haben aber nicht sonderlich viel Kontakt.“ „Hatte Herr Richter vielleicht Probleme mit jemandem?“, übernahm Alex wieder das Gespräch. „Nicht das wir wüssten“, setzte Herr Weber an. „Wir hatten uns schon etwas länger nicht gesehen. Aber ihm war wichtig, dass wir heute hier waren. Wir kannten hier niemanden und haben uns eine Weile zurückgezogen, als die Feier zu heftig wurde.“ Mit heftig meinte Herr Weber wohl der Alkoholkonsum. Zumindest sah es hier danach aus. „Wann haben Sie ihn auf der Feier das letzte Mal gesehen?“, fragte Alex weiter. „Es wird wohl so gegen 1:30 Uhr gewesen sein. Danach sind wir rausgegangen um ein wenig frische Luft zu schnappen. Wir haben nicht auf die Uhr gesehen. Aber als wir die Wohnung wieder erreichten, stand plötzlich die Polizei hinter uns und wollte Andreas sprechen.“ Alex stellte noch einige Fragen, während ich mich weiter in der Wohnung umsah. Ich stand vor einem großen Bücherregal mit identisch aussehenden Ordnern. Nur die Beschriftung auf den Ordnerrücken unterschied sie voneinander. Ich zog eines heraus. Es war ein Fotoalbum - mit sehr guten Fotographien aus dem Jahre 2013. Alle Fotos waren beschriftet mit Datum und Namen der Personen, die auf den Fotos waren. Ich sah mich weiter um und stellte fest, dass an den Wänden die verschiedensten Fotos platziert waren. „Sind das alles Fotografien von Herrn Richter?“, fragte ich in die Runde. Frau Weber auf das Fotoalbum in meinen Händen. Sie nickte und lächelte sanft während sie mich traurig ansah. „Ja. Wir haben Andreas immer gesagt, dass er nach seinem Studium sich unbedingt auf das Fotografieren spezialisieren sollte. Er hatte großes Talent. Auch unsere Hochzeit hat er damals fotografiert.“ „Wurden vielleicht auch gestern Abend Fotos gemacht?“ Frau Weber dachte kurz nach bevor sie antwortete. „Andreas hat keine Fotos gemacht, aber die Gäste haben den ganzen Abend über Selfies geknipst. Ich glaube teilweise sogar auf Facebook gepostet. Ich habe auch ein paar Fotos auf meinem Handy.“ Ich nickte ihr zu und sah zu Alex. Er sah mich fragend an. Ich deutete ihm an, dass er mit seiner Befragung ruhig fortführen konnte. Wir sollten die Fotos von den Gästen anfordern. Ich war mir sicher, dass wir dort weitere Hinweise finden konnten. Ich wandte mich wieder den Fotoalben im Regal zu, die chronologisch geordnet waren. Schnell hatte ich die zuletzt einsortierten Aufnahmen gefunden. Sie waren gerade einmal zwei Wochen alt. Es konnte sicherlich nicht schaden, wenn wir auch die Person befragten, die Herr Richter zuletzt fotografiert hatte. *** „Morgen“, sagte Alex und begrüßte Ewald und Fitz als wir das Büro betraten. Die Mittagszeit war bereits rum. Die Gespräche hatten länger gedauert als gedacht. Wir hatten auch noch mit der Nachbarin gesprochen. „Wo ist Karin?“, fragte ich in die Runde. „Die ist erst mal krankgeschrieben. Sie hat sich ´ne Grippe eingefangen.“, informierte mich Ewald. „Wird wohl länger dauern.“ Ich stöhnte innerlich. Gerade bei so einem Fall, brauchten wir jeden Kollegen. Es gab soviel Leute, die wir befragen mussten. Aber krank war krank. Da konnte man nichts machen. „Ihr seid spät dran“, mischte sich Fritz ein. Er stand an den Schreibtisch von Waldi gelehnt und sah uns an. Ich war froh das Alex darauf einging und ich mich zurücknehmen konnte. Fritz und ich hatten seit dem Gespräch am Donnerstag kaum miteinander gesprochen. Wir hatten uns am Freitag weitestgehend gemieden. Aber was mich noch viel mehr irritierte war, dass er ganz normal mit mir umging, wenn wir miteinander redeten. Zumindest kam es mir so vor. War für ihn wirklich alles geklärt? Das war doch genau das was ich wollte. Aber warum bekam ich meinen Kopf nicht frei? Ich versuchte das ungute Gefühl abzuschütteln und mich auf den Fall zu konzentrieren. „Denkt ihr, dass es ein Gast war?“, fragte Ewald. „Kann aber auch genauso gut ein Nachbar gewesen sein, der den Lärm nicht mehr ausgehalten hat“, warf Fritz ein. „Reicht das als Mordmotiv aus?“, fragte ich skeptisch. Er sah mich nur stirnrunzelnd an. „Wir hatten schon Mörder mit schwächeren Motiven“, antwortete er sachlich. „Wir sollten es zumindest nicht ausschließen.“ Ich sah ihn einen Augenblick an, senkte aber dann meinen Blick auf die Akten vor mir, als er seine Augen nicht von mir abwandte. Hatte er schon immer so einen intensiven Blick oder fiel mir das jetzt erst auf? Egal was es war. Es machte mich nervös. Ich wandte mich an Waldi um mich endlich wieder auf den Fall zu konzentrieren. „Waldi, kannst du dich irgendwie in seinen Account auf Facebook einloggen und dir ne Gästeliste ziehen? Ich würde das gerne mit den Personalien der Leute abgleichen. Vielleicht waren ja noch mehr da.“ Ewald nickte. „Ich werde mal gucken, was sich da machen lässt.“ „Kannst du bitte auch noch recherchieren, welcher Nachbar wegen Ruhestörung bei der Polizei angerufen hat?“, fügte Alex hinzu. „Wäre vielleicht hilfreich, wenn wir uns mit der Person unterhalten.“ Wieder nickte Ewald und drehte sich zu seinem Rechner. „Läuft“, sagte er und begann seine Recherche. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Fritz. Er stand etwas verloren im Raum. Ich war mir sicher, dass er im Außendienst diese Frage nicht gestellt hätte. Alex und ich hatten uns schon vorher geeinigt, dass wir versuchen würden die Gespräche ins Revier zu verlagern damit wir Fritz so gut wie möglich einbinden konnten. Ich drückte Fritz einen Stapel mit Formularen in die Hand. „Was wir jetzt machen? Die Leute anrufen und Termine für eine Befragung vereinbaren.“ Er sah mich unglücklich an und ich verdrehte die Augen. „Sei froh, dass wir die Befragungen hier machen“, sagte ich in einem ernsten Ton. „So kannst du wenigstens bei den Vernehmungen dabei sein. Also guck nicht so und nimm die Zettel. Alex und ich müssen da auch durch. Karin ist nicht da. Wir müssen das also aufteilen.“ Er blickte noch immer die Blätter wiederwillig an, nahm sie mir aber ab. Alex gab ich ebenfalls einen Stapel. Ich wollte mich schon umdrehen, als mir noch etwas einfiel. „Waldi? Kannst du bitte als erstes die Kontaktdaten von Herrn Richters Vater raussuchen? Er wurde noch nicht benachrichtigt.“ „Geht klar“, sagte Ewald ohne sich von seinem Rechner abzuwenden. Alex und Fritz waren in ihr Büro verschwunden und ich ging an meinen Schreibtisch. Frau Weber hatte mir wie besprochen die Bilder vom Abend per E-Mail zugeschickt. Vielleicht konnten wir mit den Bildern den Abend rekonstruieren. Wenn wir das mit den Aussagen der Leute abglichen, hatten wir eine Chance den möglichen Täter heraus zu kristallisieren. Ich ordnete gerade noch die Bilder in einen neuen Ordner als Fritz an mir vorbei ging. Mein Blick folgte ihm ganz automatisch. Er blieb vor dem Schreibtisch von Ewald stehen. „Kannst du bitte mal diese Person raussuchen? Die Handynummer ist leider nicht vergeben. Vielleicht findest du ja irgendwie eine Festnetznummer oder so.“ „Na klar. Mach ich, wenn ich mit den anderen Sachen durch bin“, erwiderte Ewald. Dann wandte Ewald sich mir zu. „Josephine, komm doch mal her. Ich habe den Vater von Herrn Richter gefunden.“ Ich stand von meinem Stuhl auf und ging zu Ewald. „Kann es sein, dass er in Korea lebt?“, fragte mich Ewald. „Ja, er arbeitet wohl dort als Expat“, ließ ich Ewald wissen. „Ist Seoul nicht die Hauptstadt?“, fragte ich als ich die Adresse auf dem Monitor sah. „Bielefeld“, hörte ich Fritz neben mir entnervt ausatmen. „Das heißt S-eo-ul. Wie das englische Wort für Seele.“ Ich rollte mit meinen Augen. Seine großkotzige Art ging mir manchmal wirklich auf die Nerven. „Ach, können wir jetzt auch noch koreanisch? Kannst dich ja fürs Supertalent beim Bohlen anmelden!“ „Das hat einfach mit Allgemeinbildung zu tun“, gab er zurück und sah mich herausfordernd an. Nein! Ich starte jetzt keinen Streit. Ich hatte mich oft genug von ihm provozieren lassen. Warum konnte er seine Allgemeinbildung nicht für sich behalten oder es mit Leuten teilen, die es interessierte? Ich wollte gerade etwas erwidern als mein Handy klingelte. Mich überraschte der Name auf dem Display. Warum rief mich Herr Altenburg an einem Sonntag an? Aber eigentlich war der Grund doch auch egal. Ich dachte wieder an die arrogante Äußerung von Fritz. Er prahlte so gerne mit seinem Allgemeinwissen und dass er sich mit Kulturen auskannte. Aber kaum hörte er den Namen von Herrn Altenburg, vergaß er sämtliches Benehmen. Ich sah ihn herausfordernd an, während ich den Anruf annahm. „Herr Altenburg“, sagte ich übertrieben freundlich. Ich wusste, dass Fritz ihn nicht leiden konnte. Sollten die beiden diesen Disput unter sich ausmachen. Ich hatte keine Lust mehr auf diesen Kindergarten. Ich genoss im Moment die Entgleisung im Gesicht von Fritz viel zu sehr. Ich deutete kurz an, dass ich privat telefonieren wollte und verließ den Raum. „Frau Klick?“, fragte Herr Altenburg etwas irritiert. Hatte ich ein wenig zu viel Vertrautheit in meine Stimme gelegt? Als ich auf dem Flur war räusperte ich mich und sprach wieder in einem normalen Ton. „Ja, mit der sprechen Sie. Was kann ich für Sie tun?“, fragte ich ihn. „Es geht um die Akte“, informierte er mich. „Ich sagte ja, dass ich mich melden würde, wenn ich die Unterlagen hätte.“ „Es ist Sonntag, Herr Altenburg. Wie sind Sie so schnell an die Akten gekommen?“ Hatte er das Archiv persönlich durchwühlt oder wie hatte er das geschafft? „Für mich ging es auch schneller als erwartet. Und es tut mir leid, dass ich Sie an einem freien Tag störe. Aber hätten Sie Zeit, dass ich Ihnen heute eine Kopie vorbei bringe?“ Ich stockte für einen Moment. „Bei uns ist heute Morgen ein Fall reingekommen.“ „Sie sind auf dem Revier?“, fragte er erstaunt. „Sozusagen. Mordfall auf einer Feier.“ Am anderen Ende war für einen Augenblick nichts zu hören. „Viele Gäste?“, wollte er wissen. „Ausreichend“, bestätigte ich ihm. „Das wird dann wohl eine Weile dauern“, stöhnte er unzufrieden. „Gut geschlussfolgert“, gab ich trocken zurück. Ich schwieg einen Moment, fügte dann aber noch ein `Tut mir leid´ hinzu. Der Fall schien ihm wirklich wichtig zu sein. Aber die Arbeit ging vor. Das wusste er. „Kann man nicht ändern“, gab er nach einer Weile zurück. „Sie melden sich, wenn der Fall abgeschlossen ist?“ „Ja, ich melde mich dann bei Ihnen.“ Wir beendeten das Gespräch danach. Ich stärkte mich mit einem Kaffee, bevor ich wieder ins Büro ging. Bevor ich die erste Nummer auf meiner Liste wählen konnte, kam Fritz durch die Bürotür auf meinen Schreibtisch zu. War er immer noch streitsüchtig oder konnte man sich schon wieder mit ihm unterhalten? Ich war mir nicht sicher. Daher drehte ich mich etwas widerwillig zu ihm. „Was ist?“, fragte ich und fand selber, dass ich etwas barsch klang. „Ich konnte ein paar Leute schon erreichen. Willst du die Zettel wiederhaben? Dann kannst du die später besser mit der Gästeliste von Facebook abgleichen.“ „Ja, danke. Leg sie einfach auf den Tisch. Ich kümmere mich dann später darum“, sagte ich, als ich mich wieder zu meinem Rechner drehte. Fritz legte die Unterlagen auf meinen Schreibtisch, blieb aber weiterhin direkt neben mir stehen. Ich runzelte meine Stirn, als ich mich wieder zu ihm umdrehte. „Ist noch was?“ Er schwieg ohne mich anzusehen. Dann verschränkte er die Hände vor der Brust. „Warum ruft er dich an einem Sonntag an?“, fragte er schließlich. Ich sah ihn einen Moment schweigend an bevor ich antwortete. „Ich sehe keinen Grund, warum dich das interessieren sollte.“ Ich konnte sehen wie es in seinem arbeitete. Er beugte sich zu mir vor. Seine Augen waren ein wenig zusammengekniffen, was seinen Blick noch ernster erscheinen ließ. Es sah so aus, als ob er etwas sagen wollte, tat es aber nicht, sondern schüttelt nur den Kopf und nahm wieder Abstand. „Warum frag ich eigentlich...“, knurrte er und verließ das Zimmer. Die Tür zu seinem Büro knallte zu. Ich zuckte bei dem Geräusch zusammen. Warum hatte ich auch so bissig antworten müssen? Würde es jetzt immer zwischen uns so weitergehen? Würden wir uns wegen jeder Kleinigkeit streiten? Genau das hatte ich vermeiden wollen. Ich fluchte innerlich, als ich mich wieder zu meinem Schreibtisch umdrehte. „Ist alles ok?“, hörte ich die Stimme von Ewald. Ich blinzelte und räusperte mich als ich meinen Kopf wieder zum Monitor wandte. „Keine Ahnung“, antwortete ich ohne ihn anzusehen. Meine Stimme klang irgendwie schal. „Er scheint schon wieder Stimmungsschwankungen zu haben.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)