Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 14: ------------ Für den Rest des Trainings blieb ich Zuschauer. Alex arbeitete mit dem Coach zusammen. Ich rieb mir die unteren linken Rippen, als ich ihn bei den Übungen beobachtete. Im Augenwinkel konnte ich erkennen, dass auch Sebastian mich immer wieder entschuldigend ansah. Ich war unglücklich seitlich aufgeprallt und es tat länger weh, als ich erwartet hatte. Ob sich ein Hämatom bilden würde, konnte ich gewiss erst in den nächsten Tagen feststellen. Aber ich hatte schon andere Verletzungen überstanden. Nachdem das Training beendet war und wir uns wieder umgezogen hatten, ging ich ins Büro um meine Tasche und Jacke zu holen. Ich hoffte, dass Fritz mir zumindest den Zettel auf meinen Tisch gelegt hatte. Er wusste, dass ich mein Handy brauchte. Aber als ich ins Büro kam, war dort nicht nur der Zettel. Fritz hatte sich auf meinem Stuhl zurückgelehnt und schaute aus dem Fenster. Er schien in Gedanken zu sein, denn er hatte mich bis jetzt nicht bemerkt. Ich ging in den Raum und stellte mich etwas seitlich von ihm, lehnte mich an den Tisch, während ich mich mit den Händen abstützte. Noch immer sah er aus dem Fenster, obwohl er mich sicherlich schon bemerkt hatte. War er sauer auf mich? Bisher hatte er mich wenigstens immer angeschrien oder zumindest angeschnauzt, aber dieses Schweigen verunsicherte mich mehr als alles andere. „Fritz“, sagte ich vorsichtig. Erst jetzt schien er mich wahrzunehmen. Er drehte seinen Kopf zu mir. Kein Lächeln, kein wütendes Gesicht. Einfach nichts. Er stand auf und zog sich seine Jacke an. „Dann können wir ja los“, sagte er neutral. Ich folgte ihm einige Schritte. Da mir seine Stimmung aber unheimlich war, stoppte ich ihn. Ich hielt ihn am Arm fest und er sah mich an. „Du musst mich nicht fahren. Wenn du nach Hause willst, dann gib mir einfach den Zettel. Ich nehme ein Taxi.“ Er schüttelte den Kopf und löste meine Hand von seinem Arm. „Das geht schon klar. Ich habe gesagt ich fahre dich, also fahre ich dich auch.“ Dann setzte er seinen Weg fort und ich folgte ihm wortlos. Auch auf der Fahrt zu Herrn Altenburg sprach er nicht mit mir. Schnell und gekonnt parkte er in der erstbesten Lücke ein. Als er sich abschnallte und gerade seine Tür öffnen wollte, hielt ich ihn wieder am Arm fest. „Jetzt warte mal“, sagte ich. In dieser Stimmung konnte ich nicht zulassen, dass er Herrn Altenburg gegenüber trat. Er durfte nicht vergessen, dass in seinem Fall noch nichts entschieden war. Wenn er so geladen war wie im Trainingsraum, würde das schwerwiegende Folgen haben können. „Vielleicht solltest du besser hier warten.“ „Auf keinen Fall“, entgegnete er knapp und sah mich fest an. Ich schloss kurz meine Augen und atmete durch. „Dann musst du, was auch immer dir über die Leber gelaufen ist, für den Moment erst mal runterschlucken. Wenn du sauer auf mich bist...“ „Ich bin nicht sauer auf dich...“, sagte er wieder knapp. Ich war etwas erleichtert. Aber im gleichen Moment fragte ich mich, warum er sich dann so komisch benahm. „Was ist denn mit dir los?" Er rollte die Augen. „Mit mir ist gar nichts los.“ „Fritz“, ermahnte ich ihn. „Das sehe ich aber anders. Herr Altenburg kann noch immer über deinen Fall neue Berichte abliefern. Benimm dich also, wenn wir gleich zu ihm gehen. Es wird eh nicht lange dauern. Ich will doch nur mein Handy holen.“ „Ich glaube nicht, dass er das noch kann“, sagte er etwas leiser. „Wie meinst du das denn jetzt schon wieder?“, fragte ich verwundert. Er schüttelte aber nur den Kopf. „Ach komm, ist egal. Lass uns gehen.“ „Mir ist es aber nicht egal, Fritz.“ „Ist ja gut. Hab verstanden. Werde mich benehmen.“ Ich schnaubte. „Das will ich dir auch geraten haben.“ Dann ließ ich ihn aussteigen und folgte ihm. Herr Altenburg wohnte in einem schönen Altbaugebäude. Zumindest sah die Fassade vielversprechend aus. Die Tür stand offen und wir konnten in den Flur treten. Keiner der Klingeln im Erdgeschoss trug den Namen Altenburg. Wir gingen also zur Treppe als hinter uns eine junge Frau auf uns zutrat. Sie trug etliche schwere Einkaufsbeutel. Fritz bat ihr Hilfe beim Tragen an. Ich zog meine Augenbrauen hoch. Manchmal konnte er ein richtiger Gentleman sein, dachte ich schmunzelnd. Ich nahm ihr auch einen Beutel ab. „Das ist wirklich sehr freundlich“, lächelte sie mich und Fritz an. „Das ist doch selbstverständlich“, antwortete ich, als wir ihr folgten. „Wo müssen Sie denn hin?“, fragte ich sie, nachdem wir das erste Obergeschoss erreicht hatten. „Ich muss ins zweite Obergeschoss. Wo müssen Sie hin?“ „Wir suchen Herrn Altenburg“, informierte ich sie. „Falk?“, sagte sie verwundert, drehte sich dann aber zu mir um. Plötzlich strahlte sie mich an. „Sind Sie Josephine Klick?“, fragte sie mich. Verwundert blieb ich kurz stehen, so dass Fritz, der nicht damit rechnete, mich anrempelte. Ich drehte mich entschuldigend um, bevor ich wieder die junge Frau vor mir ansah und mich in Bewegung setzte. Woher wusste sie... „Ja“, antwortete ich etwas unsicher. „Falk hat mir schon so viel von dir erzählt. Freut mich dich kennen zu lernen“, plauderte sie vor sich her. Sie hatte anscheinend das „Sie“ hinter sich gelassen und duzte mich jetzt fröhlich. Als ich die junge Frau immer noch erstaunt ansah, schlug sie sich mit ihrer freien Hand auf die Stirn. „Wie unhöflich von mir. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Sophia . Sophia Altenburg.“ „Seine Frau?“, fragte Fritz und blickte hinter mir vor. Erstaunt sah ich von Fritz zu Sophia. War sie wirklich seine Frau? Sie sah noch so jung aus. Sie kicherte bei der Frage von Fritz. Wir waren im zweiten Obergeschoss angekommen. Gerade als sie antworten wollte, öffnete sich die Wohnungstür. Sophia drehte sich zur Tür. Falk Altenburg stand im Türrahmen ohne Anzug, in schlichten modischen Freizeitklamotten. Und es stand ihm! Es machte ihn menschlicher. „Falk“, begrüßte Sophia Herrn Altenburg und ging auf ihn zu, ergriff seinen Arm und harkte sich ein. „Guck mal, wen ich dir mitgebracht habe“, sagte sie in einem stolzen Ton. Er lächelte sie an und tätschelte ihren Rücken. Dann wandte er seinen Blick zu uns. „Ich sehe, dass du schon wieder Leute gefunden hast, die dir die Tüten nach oben tragen, die du in deinem Shoppingrausch ergattert hast. Wie machst du das nur immer wieder?“ Sie zog einen Schmollmund, bevor sie ihm in den Oberarm piekte. „Immerhin sind die Einkäufe dieses Mal allein für dich gewesen. Du kümmerst dich ja nicht um solche Sachen. Immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit...“, meckerte sie gespielt beleidigt. Er lachte. Dann löste er sich von ihr und nahm ihr den Beutel ab. Er ging auf mich zu und nahm auch mir den Beutel ab. „Schön, dass Sie hergefunden haben“, begrüßte er mich und lächelte mich freundlich an. Ich erwiderte sein Lächeln. Auch als er Fritz ansah verhärtete sich sein Blick nicht so, wie bei den anderen Malen. Er wirkte ungewöhnlich entspannt. „Auch wenn ich SIE hier nicht erwartet habe, Herr Munro. Soll ich Ihnen die Beutel abnehmen?“ „Sagen Sie mir einfach, wo die hin sollen“, entgegnete Fritz, ohne sich sein Gemütszustand von vorhin anmerken zu lassen. Wir folgten Sophia und Herrn Altenburg in den Flur, wo ich mit Sophia stehen blieb. Fritz ging an mir vorbei und folgte Herrn Altenburg in die Küche. Beide kamen nach wenigen Augenblicken wieder in den Flur. „Schön ist es hier“, ließ ich Sophia wissen. „Stimmt schon, wenn es nach mir gehen würde, würde es hier noch viel besser aussehen. Aber Falk hält immer alles gerne so schlicht und einfach.“ Klingt doch gut, dachte ich. Aber viele Frauen hatten gerne viele Dekoartikel in der Wohnung. Fritz hatte sich neben mich gestellt und die Hände in seine Hosentaschen gesteckt, sah sich ebenfalls ein wenig um. Ich blickte ihn an. Er wirkte deutlich entspannter als noch vor wenigen Momenten. Das beruhigte mich. Herr Altenburg ging auf Sophia zu. „Hast du das Handy woanders hingelegt? Ich hatte es doch auf den Küchentisch gelegt.“ „Ja, habe ich. Ich hol es schnell“, lächelte sie ihn an und tätschelte seinen Arm, bevor sie ins nächste Zimmer eilte. Wir standen uns drei einen Moment schweigend gegenüber. „Sie haben eine nette Frau“, sagte Fritz. Herr Altenburg sah Fritz einen Moment erstaunt an, bevor er kurz in die Richtung sah, in die Sophia verschwunden war. „Nein, nein“, sagte er amüsiert. „Da verstehen Sie was falsch. Das ist meine jüngere Schwester.“ Also doch seine Schwester. Ich hatte mir schon so was ähnliches gedacht. Die beiden sahen sich einfach zu ähnlich. „Josephine?“, rief mich Sophia. Ich ging zur Tür und steckte meinen Kopf ins Zimmer. Ich trug noch Schuhe und wollte nicht einfach so durch die Wohnung gehen. „Ja?“, fragte ich durch die Tür. „Gehört dir auch das Ladegerät? Falk hatte es in der Küche in die Steckdose zum Aufladen gesteckt.“ „Nein, nur das Handy.“ Sie brachte es mir. „Danke“, lächelte ich sie an. Als ich mich umdrehte, musste ich feststellen, dass die entspannte Stimmung gekippt war. Beide Männer schwiegen sich an. Fritz stand mit verschränkten Armen im Flur und sah mich genervt an. Hatte ich was verpasst? „Danke fürs Aufladen“, sagte ich und sah Herrn Altenburg an. „Selbstverständlich“, gab er zurück und schenkte mir ein schiefes Lächeln. „Ich gehe zwar nicht davon aus, dass sie so versessen auf Ihr Handy sind wie meine Schwester, aber ich dachte für den Rückweg wäre es bestimmt sicherer, wenn es geladen wäre.“ Das war sehr aufmerksam von ihm, dachte ich. Fritz räusperte sich, sah mich noch immer an. „Können wir dann jetzt los?“ Auf einmal hatte er es eilig wieder zu verschwinden. Immerhin war der Zweck erfüll. „Dann vielen Dank noch mal, dass Sie auf dem Revier angerufen haben.“ Wir drehten uns zur Tür. „Ich nehme an, Sie brauchen niemanden, der Sie nach Hause fährt?“ Ich sah Fritz nach der Frage von Herrn Altenburg an. Darüber hatten wir gar nicht gesprochen. Fritz hatte nur gesagt, dass er mich hinfahren würde. Er sah mich mit diesem Ist-das-sein-Ernst-Blick an, wandte sich dann an Herrn Altenburg. „Darüber müssen Sie sich keine Gedanken machen. Ich war heute eh auf dem Revier, da war ich so frei Frau Klick die Fahrt zu Ihnen und nach Hause anzubieten“, Fritz sagte es etwas gepresst. Zeit zu gehen, dachte ich. Aber Herr Altenburg hatte anscheinend noch was anderes zu sagen. Er wandte sich an mich. „Ich gehe davon aus, dass Herr Munro Sie informiert hat, dass ich heute meinen Abschlussbericht mit allen weiteren Informationen an die Staatsanwaltschaft übergeben habe?“ Ich war erstaunt über die Nachricht und es machte mich ebenfalls nervös. Das war also die letzte Phase der Ermittlungen? Als nächstes würden wir die Entscheidung mitgeteilt bekommen? Ich sah zu Fritz. Warum hatte er mir nicht davon erzählt? War er deswegen nach dem Gespräch mit dem Chef so seltsam gewesen? „Herr Altenburg, ich verstehe nicht, warum Sie mit meiner Kollegin über meinen Fall reden und nicht mit mir“, sagte Fritz jetzt sichtlich genervt. Herr Altenburg zuckte mit den Schultern. „Sie scheinen so wenig Interesse daran zu zeigen, Herr Munro - ganz im Gegensatz zu Ihrer Kollegin. Ich dachte mir, dass sie bestimmt wissen wollte, dass der Fall jetzt nicht mehr in meinen Händen liegt.“ Damit hatte er recht. Natürlich wollte ich das wissen. Wann hatte Fritz vor mir davon zu erzählen? „Dann haben Sie ja jetzt keinen Grund mehr meine Kollegin weiter zu behelligen“, entgegnete Fritz ihm. Ich konnte sehen, wie seine Kieferknochen wieder arbeiteten. Jetzt war es wirklich höchste Zeit zu gehen. Warum er mir nichts gesagt hatte, dass konnte ich immer noch später mit ihm klären. „Danke für die Info, Herr Altenburg“, mischte ich mich ein. „Wenn Sie uns jetzt entschuldigen, Herr Munro hat heute bestimmt noch andere Pläne. Ich will ihn nicht länger aufhalten und Sie auch nicht.“ Ich wandte mich von ihm ab und schob Fritz aus der Tür. „Frau Klick“, rief mir Herr Altenburg noch einmal hinterher. Ich drehte mich etwas widerwillig noch einmal zu ihm um. „Wenn der Fall vorbei ist“, begann er, stockte dann aber kurz. „Ich würde dann gerne mit Ihnen über etwas reden.“ Ich sah ihn erstaunt an. Er wollte mit mir nach dem Fall über etwas reden? Was konnte das wohl sein? Als ich Fritz neben mir schnauben hörte, schüttelte ich die Gedanken ab. Zu Herrn Altenburg gewandt antwortete ich: „Alles klar. Sie kennen ja meine Handynummer.“ Ich drehte mich zu Sophia, die anscheinend die Anspannung spüren musste. Sie schaute etwas entschuldigend. „Schönen Abend noch“, sagte ich. „Ja, danke. Euch auch“, erwiderte sie. Dann schob ich Fritz die Treppe vor mir runter. Als wir im Auto saßen atmete ich durch. Das war ja noch einigermaßen gut gegangen, dachte ich. Ich schnallte mich langsam an, als ich Fritz ansah. Er rasterte seinen Sicherheitsgurt grob in die Verankerung und umfasste das Lenkrad für einige Momente mit einem festen Griff. Ich konnte die Anspannung in ihm noch immer spüren. Was war der Auslöser? Wollte er nicht, dass ich wusste, dass der Bericht jetzt der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde? Er sagte nichts. Nachdem er sich einigermaßen wieder beruhigt hatte, ließ er den Motor an und fuhr los. Hoffentlich waren heute Abend nirgendwo Blitzer aufgestellt. Er fuhr zügig. „Fritz“, begann ich „Fahr doch nicht so schnell.“ Er antwortete nicht, drosselte aber ein wenig die Geschwindigkeit. Trotzdem war er für die Straßenverhältnisse immer noch zu schnell unterwegs. Wir waren halbwegs aus der Innenstadt raus. Es regnete nicht mehr, aber die Straßen waren immer noch nass. Für Kommunikation war er anscheinend im Moment nicht zu haben. Ich lehnte mich in meinen Sitz zurück und sah ihn eine Weile an. Ich fragte mich wirklich, was in seinem Kopf vor sich ging. Das Lenkrad hielt er noch immer fest umschlossen. „Was?“, fragte er genervt, als er kurz zu mir rüber sah. Ich blinzelte und blickte wieder nach vorne. Die Frage, die mir schon seit dem Geständnis von Herrn Dr. Schneider auf der Zunge lag, schlich sich wieder in meinen Kopf. „Wenn du was fragen willst, dann mach es und starr mich nicht die ganze Zeit so an“, schnauzte er erneut. Bei dieser Stimmung wäre es gewiss nicht der richtige Zeitpunkt ihm die Frage zu stellen. Aber wann wäre schon der richtige Augenblick dafür? Nach kurzem Zögern sah ich ihn wieder an. „Warum hast du mir nicht erzählt, dass deine Akte jetzt bei der Staatsanwaltschaft liegt? Wolltest du nicht, dass ich das wusste?“, fragte ich ihn. „Das ist doch quatsch“, sagte er abwehrend. „Ich hätte dir das schon noch erzählt.“ Ich schüttelte meinen Kopf. Ich verstand ihn einfach nicht. „Wenn du mich mehr einbeziehen würdest, müsste ich vielleicht nicht ständig darauf warten, dass Herr Altenburg mir Informationen zukommen lässt.“ Er schnaubte bei diesem Name. „Und wenn du aufhören würdest dich ständig in diesen Fall einzumischen, würde dieser Typ vielleicht auch endlich aufhören dir ständig hinterher zu laufen. Als wenn das dem Fall helfen würde, wenn du ihn triffst.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Was hat das denn jetzt damit wieder zu tun? Du kannst froh sein, dass er sich um deinen Fall gekümmert hat. Es hätte dich auch schlimmer erwischen können.“ Er antwortete nicht darauf, schwieg mich an. „Warum hast du mich gerettet?“ Da. Jetzt hatte ich die Frage doch gestellt. Ich hatte es nicht geplant, aber sie war einfach so aus meinem Mund gekommen. Wieder sah er mich von der Seite an, bevor er seinen Blick wieder auf die Straße richtete. Sein Blick drückte Verständnislosigkeit aus. „Wärst du lieber tot?“, fauchte er mich an. Die Haut über seinen Handknöcheln färbte sich weiß, so fest umklammerte er das Lenkrad. „Warum, Fritz?“, fragte ich erneut. Ich konnte sehen, dass er die Augenbrauen verzog, seine Augen verengte und seine Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie. Eine Weile blickte er stur nach vorne bevor er antwortete. „Ich bin Polizist, ok Bielefeld?“, schnaubte er. „Das ist mein JOB!“ „Das ist alles?“, fragte ich. „Was willst du denn hören?“, fragte er frustriert. Ich schwieg als er mich ansah, dann wandte ich meinen Blick von ihm ab. Ich wusste die Antwort selber nicht. Ich war erstaunt wie enttäuscht ich war, dass er das Thema so kurz abgebügelt hatte. Was konnte ich auch von ihm erwarten? Er war nicht der Typ, der zeigte was in ihm vorging. Da waren wir uns wohl ähnlicher als uns lieb war. Wir fuhren eine Weile durch die schummrigen Straßen, ohne dass einer von uns was sagte. Es wurde langsam dunkel. Ich schaute aus dem Fenster und hoffte, dass wir bald am Hof von Viktor ankommen würden. Ich wollte jetzt alleine sein. Der Tag war anstrengend genug. Ich hatte wenig geschlafen und war müde. „Warum hast du dich gestern mit ihm getroffen?“, fragte mich Fritz ruhig. Ich schwieg eine Weile, schluckte meinen Ärger runter. Hatte er überhaupt verdient, dass ich auf seine Frage einging. Immerhin hatte auch er auf meine Frage ausweichend geantwortet. „Wegen DIR“, entgegnete ich jedoch ehrlich. „Warum sollte ich mich sonst mit ihm treffen...“, murmelte ich. Er blickte mich fragend von der Seite an. „Frau Bremer wollte mit mir reden“, erklärte ich weiter und sah wieder wie die Anspannung in Fritz wuchs. „Und Herr Altenburg hat mich deswegen abgeholt und später nach Hause gefahren.“ „Warum hast du das gemacht?“, fragte er mich. Ich verdrehte meine Augen. „Was willst du denn hören?“, fragte ich und äffte ihn nach. Er biss sich auf die Lippen und blickte auf die Straße vor sich, bevor er mich dann wieder ansah. Ich wollte keinen Streit mehr, also gab ich nach. „Ich dachte, dass ich mit dem Gespräch helfen kann, OK?“, sagte ich schließlich und sah wieder auf die Straße. Mir blickten reflektierende Augen von einem großen Wild entgegen. „Fritz, brems!“, schrie ich aus Reflex. Das Adrenalin schoss durch meine Adern und mein Puls schnellte hoch. Fritz reagierte schnell und trat auf die Bremse. Durch die Nässe verloren die Räder aber ihre Haftung auf der Straße und wir gerieten ins Schleudern. „Scheiße“, hörte ich Fritz fluchen, als er versuchte den Wagen unter Kontrolle zu bekommen. Wir drehten uns auf der Straße. Ich schloss meine Augen fest und erwartete, dass wir von der Fahrbahn abkommen würden. Aber wir kamen nach einigen Momenten zum Stehen. Mein Atem ging schnell und mein Herz hämmerte in meiner Brust. Ich hatte keinen Aufprall gespürt. Das Wild musste entkommen sein. „Geht’s dir gut?“, fragte mich Fritz etwas atemlos. Ich öffnete langsam meine Augen und sah ihn an. „Und dir?“, wollte ich wissen. Er nickte, während er die Straße wieder betrachtete. Vom Wild war nichts mehr zu sehen. „Das war knapp.“ Ich erwiderte nichts. Auch ihm musste die Pumpe gehen. Wir hatten Glück, dass uns kein Auto entgegen gekommen war. Wir standen quer auf der Straße und Fritz musste das Auto wieder drehen. Man sollte sich diese Art von Diskussion während einer Autofahrt sparen. Das konnte nicht gut enden. Ich sparte mir also einen Kommentar und schwieg auch für den Rest der Fahrt. Es waren nur noch wenige Minuten bis zum Gehöft. Als wir ankamen, schnallte ich mich ab und öffnete die Beifahrertür. „Egal was dich gerade beschäftigt, fahre vorsichtig zurück, ok?“, sagte ich und sah ihn besorgt an. Irgendwas ging in seinem Kopf vor sich und offensichtlich brauchte das noch Zeit. Vielleicht war Alex auch einfach der bessere Ansprechpartner als ich. Es tat weh, aber ich würde es akzeptieren. „Josephine“, begann er. „Nein, Fritz“, unterbrach ich ihn und schüttelte meinen Kopf. „Ich habe schon verstanden. Du willst nicht mit mir darüber reden. Das ist ok. Belassen wir es dabei.“ Ich stieg aus dem Auto, blickte aber noch einmal zu Fritz. Er biss sich auf seine Lippen und starrte nachdenklich geradeaus. „Gute Nacht, Fritz.“ Etwas widerwillig wandte er sich zu mir, sah mich einen Moment lang an. „Nacht.“ Im Haus angekommen traf ich auf Viktor, der mich überrascht ansah. „Du bist aber früh hier. Ging es dir wieder nicht gut? Du siehst blass aus.“ “Alles Bestens”, entgegnete ich, bemüht ihn sorglos anzulächeln. Ich ging ins Bad und nahm eine heiße Dusche. Ich wollte diesen Tag von mir abspülen. Wie musste es Frau Krämer gehen? Hatte sie jemanden an den sie sich wenden konnte? Ich hoffte es. Das war wirklich der beschissenste Freitag der Dreizehnte, den ich seit langem erlebt hatte. Erst die Sache mit Frau Krämer, die wirklich noch an mir nagte, dann das Kampftraining mit Sebastian, dass mich immer noch meine Rippen spüren lies und schließlich der Streit mit Fritz, den schon wieder alle Kollegen mitbekommen hatten. Auch die unnötige Spannung zwischen Herrn Altenburg und Fritz war nervenaufreibend. Ganz zu schweigen von der Diskussion mit ihm im Auto und dem Beinahe-Wildunfall. Ich war enttäuschst, das Fritz und ich anscheinend immer noch nicht normal miteinander reden konnten. Dabei hatte es sich doch in den letzten Wochen so verbessert. War es vielleicht die Anspannung durch die bevorstehende Entscheidung der Staatsanwaltschaft? Ich machte mir wirklich Sorgen und es machte mich nervös nicht zu wissen, wem die Unterlagen von Fritz auf den Tisch gelegt worden waren. Wie lange konnte es dauern bis eine Entscheidung getroffen wurde? Wie lange mussten wir warten bis wir wussten, wie es mit Fritz weiter geht? Ich spürte, dass dieses Thema am gesamten Team nagte und alle angespannt waren. Keiner wollte Fritz verlieren. Ich stieg aus der Dusche und ging in mein Zimmer. Als ich mich ins Bett legte, war es nicht mal neun Uhr. Aber ich war erschöpft vom Tag, wollte einfach meine Augen schließen und schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)