Fehlende Erinnerung von Yosephia (Wenn das Leben falsch ist) ================================================================================ Kapitel 6: Spurensuche ---------------------- „Das ist ein Scherz, oder?“ Ungläubig starrte Gray auf den Kommunikationslacrima in Erzas Hand hinunter, welcher ihnen Mirajanes Gesicht und Oberkörper zeigte. Die Weißhaarige schüttelte mit steinerner Miene den Kopf. „Ich wünschte, es wäre so.“ Weiter, weiter, weiter! Er kannte jetzt den Weg! So würde er sie finden und befreien! „Wir müssen Natsu folgen!“, beharrte Wendy und blickte geradezu flehend zu Cana und Mirajane auf. „Noch kann ich seinem Geruch folgen, aber wenn wir zu lange warten, verfliegt er!“ Die beiden Magierinnen standen noch vor dem Kommunikationslacrima. Sie sahen einander unsicher an, dann seufzte Mirajane bedrückt. „Was ist, wenn wir damit Zeit verlieren?“ Seine Instinkte! Darauf musste er vertrauen! Diese Instinkte hatten ihm schon einmal geholfen, Lucy zu retten. Damals, als sie von Phantom Lord entführt worden war, ohne dass einer von ihnen es gewusst hatte. Er hatte nach ihr gesucht und sie hatte sich im Vertrauen auf ihn vom Turm gestürzt. Irgendwo dort draußen wartete und vertraute sie auf ihn. Er durfte dieses Vertrauen nicht enttäuschen! Gray und Erza blickten einander an. Was sollten sie jetzt tun? Wenn Natsu einfach blindlings losgestürmt war, würden sie kostbare Zeit verlieren. Zeit, in der Lucy weiterhin in Gefangenschaft ausharren und wer-weiß-was erdulden musste. Aber was war, wenn Natsu das gelungen war, was sie alle bisher nicht geschafft hatten? Was war, wenn er eine richtige Spur hatte? „Natsu!“ Die Stimme hallte in seinem Kopf wider, während er immer weiter rannte. Vor seinen Augen hatte er die Szene von damals, wie sie den Turm hinunter gestürzt war. Es waren nur Sekunden gewesen. Herzschläge. Wäre er damals zu spät gewesen, wäre sie vor seinen Augen gestorben. Er hätte sie damals verlieren können. Um eben das zu verhindern, hatte er seinem Körper alles abverlangt. Auch heute würde er ihm alles abverlangen, denn er durfte auch heute auf gar keinem Fall zu spät kommen – und er hatte schon zu viel Zeit verschwendet. Angespannt saß Happy auf einem der Barhocker und beobachtete, wie Wendy eine hitzige Diskussion mit Cana führte, während Mirajane den Kommunikationslacrima nutzte, um Meister Makarov zu verständigen. Eine weiße Pfote legte sich auf seine Schulter und Charlys Stimme drang ungewohnt sanft an seine Ohren. „Happy, tu’ nichts Unüberlegtes.“ Happy presste die Lippen aufeinander und kämpfte gegen die Tränen an. Das abgebrannte Haus kam ihm in den Sinn. Und das Gefühl, das er letztes Mal bei dessen Anblick gehabt hatte. Das war sein Zuhause gewesen… Gazilles Kopf ruckte hoch. Tief sog der Drachentöter die Luft ein. Verwirrt blickte Pantherlilly zu seinem Partner auf. Bislang hatte er nicht einschätzen können, was Gazille über die Sache mit Lucy dachte. Zumindest hatte Gazille nicht lange gezögert, sich an der Suche zu beteiligen, aber Bestürzung oder Sorge waren ihm nicht anzumerken. „Worüber denkst du nach?“, fragte Pantherlilly. „Über Salamander“, knurrte Gazille ungewohnt nachdenklich. „Er hat sich zuerst an sie erinnert. Sie steht ihm nahe. Wahrscheinlich kennt er sie ziemlich gut.“ „Und?“ Abrupt drehte Gazille sich um und machte sich auf den Rückweg. Pantherlilly musste rennen, um mit seinen wesentlich kürzeren Beinen hinterher kommen zu können. „Er kennt sie ziemlich gut“, wiederholte Gazille simpel und beschleunigte seine Schritte. Die Luft schien in seinen Lungen zu brennen. Er konnte sich nicht erinnern, sich jemals zuvor körperlich derartig verausgabt zu haben. Ihm schwindelte vor Erschöpfung. Doch er rannte weiter. Er weigerte sich, der Schwäche seines Körpers nachzugeben. Das kam nicht in Frage! Nicht hier und nicht jetzt! „Du sollst nur warten, bis der Meister sich mit Vater beraten hat“, beschwor Cana die Jüngere. „Vater kennt Natsu von uns allen am besten. Er wird uns sagen können, was mit Natsu ist.“ „Ich weiß das auch so“, erwiderte Wendy stur. „Er hat eine Spur! Wir müssen ihm folgen!“ „Es gibt keine Garantie dafür“, widersprach Mirajane besorgt. „Er hat sich in den letzten Tagen so seltsam verhalten. Es kann genauso gut sein, dass er einfach kopflos losgerannt ist.“ „Nein, niemals! Natsu würde das Leben eines Kameraden niemals riskieren!“ Erschrocken drehten sich alle zu Happy um. Bislang hatte der blaue Ekceed eisern geschwiegen, aber auch er schien an seine Grenzen gestoßen zu sein. Er stand aufrecht auf dem Barhocker und hatte die Flügel ausgebreitet. Angestrengt blickte Gildartz auf den kleinen Kommunikationslacrima hinunter. Die Tatsache, dass man ausgerechnet von ihm eine so schwer wiegende Entscheidung verlangte, drückte stärker auf seine Schultern als jedes Untier, das er jemals zuvor erledigt hatte. Gewiss, Natsu war wie ein Sohn für ihn, aber er hatte ihn in den letzten Wochen nicht erlebt. Wie sollte er entscheiden, ob sie Natsu vertrauen konnten oder nicht? „Gildartz, wir brauchen deine Entscheidung“, drang Makarovs leicht verzerrt klingende Stimme aus dem Kristall. „Sollen wir alles auf eine Karte setzen und Natsu folgen?“ „Ich war nicht dabei, Meister Makarov. Weder habe ich gesehen, wie er war, als er noch unter dieser Magie stand, noch habe ich erlebt, wie er sich in den letzten Tagen verhalten hat. Ihr verlangt eine gefährliche Ferndiagnose von mir.“ „Aber du bist der Einzige, dessen Urteil ich in dieser Sache vertrauen kann, selbst wenn er nicht alles aus erster Hand kennt“, erwiderte Makarov unerbittlich. Wieder verfiel Gildartz in Schweigen, während er sich alle Erlebnisse mit Natsu in Erinnerung rief. Wie sollte er entscheiden? „Sollen wir ihnen wirklich nicht folgen?“ Zutiefst verunsichert blickte Mirajane zum Horizont, vor dem die Silhouetten der beiden Ekceed und der Drachentöterin schon längst nicht mehr auszumachen waren. „Wir müssen die Kommunikation aufrecht erhalten. Charly hat einen Lacrima mitgenommen, sie wird Happy sicher einholen, immerhin muss er Wendy tragen“, argumentierte Cana, aber auch sie klang verunsichert. „Aber wir wissen noch nicht, wie Meister Makarov und Gildartz entschieden haben.“ „Nein, aber ich ahne es…“ Stöhnend wuchtete Natsu sich in die Höhe und hob den Blick. Er hatte sich vollkommen verausgabt und letztendlich hatte die Erschöpfung ihren Tribut gefordert. Der Aufprall mit dem Erdboden war dank der weichen Erde kaum der Rede wert, doch er hatte Natsu dennoch für einige Sekunden oder vielleicht auch Minuten außer Gefecht gesetzt. Er schob sich in eine sitzende Position und blickte sich um. Wo war er hier und wie lange war er überhaupt schon unterwegs? Als er aufgebrochen war, hatte die Sonne im Zenit gestanden, jetzt war es dunkelste Nacht. Benommen rieb Natsu sich den Kopf. Nach wie vor war er sich sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, aber ihm wurde jetzt auch bewusst, dass er sich über Stunden hinweg wie in einem Rausch befunden hatte. Die Angst davor, Lucy zu spät zu erreichen, hatte ihn schneller vorangetrieben, als zehn wütende Erzas es jemals vermocht hätten. Im Nachhinein war es dennoch unvernünftig gewesen. Wie sollte er Lucy ganz alleine retten, wenn er sich derartig verausgabte? Ließ er sie auf diese Weise nicht auch irgendwie im Stich? Einige Minuten wartete er noch, bis er sich wieder etwas kräftiger fühlte, dann stemmte er sich mühsam in die Höhe. Sein ganzer Körper war bleischwer und obendrein von zahlreichen Kratzern und Prellungen übersäht. Die musste er sich zugezogen haben, während er durch die Wildnis gestürmt war. Vorsichtig versuchte er sich an einem Schritt. Er schwankte, sein Fuß knickte um… Und dann war auf einmal jemand neben ihm und legte sich seinen rechten Arm um die Schultern, um ihn zu stützen. „Du bist ein echter Vollidiot, Natsu.“ „Gray… was-?“ „Glaubst du wirklich, wir würden dich alleine losstürmen lassen?“ Hinter Gray tauchte Erza auf, die Arme grimmig vor der gepanzerten Brust verschränkt. „Sie ist auch unsere Kameradin.“ „Genau!“, erklang es zweistimmig von oben und im nächsten Moment landete Wendy vor ihnen. Happy und Charly trudelten gerade so noch zu Boden, ehe ihre Flügel sich auflösten. Wild entschlossen trat Wendy auf sie zu. „Ich kümmere mich um deine Verletzungen und um deine Erschöpfung, Natsu, und dann machen wir uns gemeinsam auf die Suche!“ „Wie habt ihr mich gefunden?“, fragte Natsu belämmert. „Du bist nicht der Einzige mit einer guten Nase, Salamander.“ Überrascht drehte Natsu sich nach links, wo Gazille und Pantherlilly aus dem Unterholz brachen, letzterer in seiner großen Form, wohl um mit Gazille Schritt halten zu können. „Du auch?“ Natsu war überwältigt. „Die gesamte Gilde ist auf dem Weg hierher, Natsu“, erklärte Charly, die einen Kommunikationslacrima in Händen hielt. „Meister Makarov und Gildartz haben entschieden, dir zu vertrauen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)