Echsilithsage von Eirien ================================================================================ Kapitel 1: Anfang ----------------- ->eigendlich ist diese FF nur für Miluiel, aber irgendwie doch zu schade, um sie irgendwo in meinen Ordnern vergammeln zu lassen. Oder? schreibt Kommis. und Miluiel: BITTE NICHT BÖSE SEIN^^°<- ANFANG Einst lebte in Gondor ein großer Kämpfer, Echsilith mit Namen. Mächtig und weise war er wie ein König. Er vollbrachte viele Heldentaten, die noch heute in vielen Liedern und Gedichten gerühmt werden. "Sein Geist war klar und stark die Hand, Schnell sein Lauf und auch sein Speer. Feurig die Augen wie Wüstensand Sein Herz war weise wie das uralte Meer." So lautet ein Teil eines der Gedichte über ihn. Von diesem edlen Krieger will ich nun erzählen. Meine Geschichte führt mich in die Zeit der Ringkriege im dritten Zeitalter von Mittelerde. Dort, im Lande Gondor, am Fluss Morthond, ward einst der Junge Damrod geboren. Seine Mutter war Lothiel, die Blühende, und sein Vater war Marung. Er wurde in eine Zeit des Friedens hineingeboren, doch der Frieden war trügerisch und nicht von Dauer. Damrod wuchs heran, und als er das zehnte Lebensjahr erreicht hatte, war er ein besonnener, wissbegieriger Knabe geworden und er war schön von Angesicht. Schwarze Locken hatte er und eine vornehm bleiche Haut. Seine Augen waren schwarz, doch in ihnen schien ein Feuer zu lodern. Er liebte das Wasser und war ein guter Schwimmer. Zusammen mit seinem Vater und seiner Mutter lebte er glücklich in einem kleinen Ort am Fluss. In diesem Ort gab es kleine Straßen und Gässchen und viele Steinhäuser mit Strohdächern. Die Fensterläden der Häuser waren bunt bemalt und an den Türen glänzten Messingschilder mit den Namen der Familien. Das Dorf hatte ein gemütliches Gasthaus und einen Hufschmied. Außerdem gab es einen Bäcker, den Damrod sehr mochte, weil der ihm immer Kuchenreste schenkte. Die Menschen dieses Dorfes lebten im Einklang miteinander und Streit gab es nur selten. Doch dieser Friede sollte sehr bald ein Ende haben. Die Sonne war schon hinter dem Horizont verschwunden. Ein kühler Wind wehte, der Mond jedoch war noch nicht in den Himmel emporgestiegen. Es war schöner, sternenklarer Abend und im Gasthaus "Zum lustigen Fliegenpilz" war reger Betrieb. Plötzlich wurde die Stille durch wilde Schreie zerrissen und schreckliche Stimmen erfüllten die Luft. Die Orks kamen, Diener Saurons, des dunklen Herrschers. Mit lautem Kampfgeschrei drangen sie ins Dorf ein, zertrampelten die Gärten und Beete und raubten die Häuser aus. Dann steckten sie die Strohdächer in Brand. Die Menschen im Dorf versuchten verzweifelt, sich zu wehren, doch vergebens. Sie hatten zu wenig Kampferfahrung und die Orks waren schreckliche Gegner. Sie erschlugen die Alten und Kinder und tränkten die Erde mit Blut. Die kräftigeren Männer und Frauen trieben sie jedoch auf dem Marktplatz zusammen, um sie später als Sklaven in ihren Bergwerken arbeiten zu lassen. Nun traf es sich, dass das Haus von Damrods Familie am Rande des Dorfes und nah am Wald stand. Sie hörten die Schreie aus dem Dorf, doch hatten sie keine Zeit mehr, sich zu verstecken. Das hätte auch nichts genützt, denn Orks haben feine Nasen und scharfe Augen, selbst im Dunkeln. Also rief Marung: "Flieh! Damrod, flieh! In den Wald, beeil dich!" "Aber Vater, was ist mit dir?" fragte Damrod. "Deine Mutter und ich sind alt und nicht mehr so schnell wie du. Selbst wenn wir versuchten zu fliehen, die Orks würden uns einholen. Wir werden sie aufhalten, damit wenigstens du überlebst!" Und mit diesen Worten schob er ihn zur Gartentür hinaus. Damrod preschte auf den Waldrand zu und Marung und seine Frau verteidigten sich tapfer mit Schwertern gegen die angreifenden Orks. Der Waldrand kam immer näher und schon hatte Damrod die ersten Bäume erreicht. Er hielt an und sah noch einmal zurück. Was er da erblickte, ließ ihm den Atem stocken. Sein Vater lag regungslos am Boden und seine Mutter wurde schreiend und wild um sich schlagend weggeschleppt. Tränen schossen ihm in die Augen und er fühlte in der Magengegend einen stechenden Schmerz. Doch dann wurden plötzlich einige Orks auf ihn aufmerksam und stürmten auf ihn zu. Er drehte sich blitzschnell um und rannte direkt in den Wald. Erst folgte er einem kleinen Pfad, aber die Orks kamen näher und näher. Da verließ er den Pfad und rannte ins dichte Unterholz. Er war kein und wendig im Gegenteil zu den Orks, die in diesem unwegsamen Dickicht nur schwer vorankamen und so wurde sein Vorsprung größer und größer. Das merkte er jedoch nicht. Er rannte weiter und weiter, Zweige und Dornranken klatschten an seinen ganzen Körper und zerrissen seine Kleider. Tränen liefen über seine glühenden Wangen und er hatte ein Brausen in den Ohren. Die Fußgelenke taten ihm weh, denn er knickte manchmal um oder stolperte im Dunkeln über einen Stein oder eine Wurzel. Die Bäume standen immer dichter und schienen ihm den Weg versperren zu wollen. Er verlor jegliches Zeitgefühl, stundenlang schien er so zu laufen. Aber schließlich gelangte er an einen kleinen See, in dem sich die Sterne und der Mond wie in einem großen Spiegel wiederspiegelten. Er hielt an. Das Brausen in seinen Ohren ließ langsam nach, doch sein Herz raste. Er weinte immer noch und sein Atem ging schnell. Er schaute auf den See hinaus, wie er ruhig dalag, als träumte er. Irgendwo schrie eine Eule. Und dann fiel Damrod in Ohnmacht. Kapitel 2: ----------- Wie lange er da gelegen hatte, wusste er nicht. Er wurde von einer kleinen Meise geweckt, die in sein Ohr zwitscherte. Die Sonne blendete ihn. Er blinzelte, dann drehte er sich auf den Bauch. Danach schaute er sich um; er lag immer noch am See. Die Bäume rauschten, sie hatten ein saftiges Grün und es duftete überall nach Wald. Die Vögel flöteten ihre süßesten Lieder und irgendwo rauschte leise ein Bach. Er fragte sich, wo er jetzt war. Da erinnerte er sich an die Geschehnisse im Dorf und das Schicksal seiner Eltern und ein Schatten legte sich ihm auf das Herz. Er setzte sich auf und stellte daraufhin erstaunt fest, dass er auf einer Decke gelegen hatte. Ganz in der Nähe seines Liegeplatzes hatte jemand ein Lagerfeuer gemacht, das nun fast erloschen war. Es glühte nur noch ein wenig. Nach dem Stand der Sonne zu urteilen, war es in etwa Mittagszeit und er verspürte großen Hunger. Ihm war, als hätte er eine ganze Woche lang nichts gegessen. Er versuchte sich aufzurichten, aber ein plötzlicher und durchdringender Schmerz ließ ihn wieder zu Boden gleiten. Er sah an sich herab, auf seine zerlumpten Kleider und seine Wunden. Er hatte viele blaue Flecke und Blutergüsse, auch tiefe, schmerzende Wunden an den Oberschenkeln und aufgeschlagene Knie. Doch die offenen Wunden waren gewaschen und verarztet und taten fast gar nicht mehr weh. "Sieh an, du bist endlich aufgewacht." sagte plötzlich eine fremde Stimme hinter ihm. Erschrocken fuhr er herum. Da stand ein großer, schlanker Elb vor ihm und blickte ihn von oben herab an. "Du hast dir aber recht viel Zeit damit gelassen, will ich meinen. Ganze zwei Tage hast du hier gelegen und dich nicht gerührt." Der Elb ging zum Lagerfeuerplatz und stocherte in der Glut, sodass glühende Funken stoben. Dann rupfte er trockenes Gras aus und entfachte es. Zuletzt legte er das Holz, das er wohl gerade im Wald gesammelt hatte, auf das Feuer. Eine Weile war es still, denn Damrod blickte den Elben an und vermochte kein Wort zu sagen. "Und nebenbei", wandte sich der Elb plötzlich wieder an ihn, "du solltest vorerst nicht mehr versuchen aufzustehen, das könnte deinen Fußknöchel wieder verschlimmern." "Was ist damit?" Damrod fand seine Stimme wieder. "Hast du es noch nicht bemerkt? Du hast ihn dir verstaucht! " antwortete der Elb. Dann war es wieder still, man hörte nur das Rauschen des Baches und das Singen der Vögel. Der Elb blickte gedankenverloren ins Feuer und Damrod schaute den Elben an. Der junge Knabe hatte noch nicht viele Elben gesehen und dieser hier war anders als die wenigen, die er kannte. Er wirkte weniger königlich auf ihn, aber sehr respekteinflößend. Er schien schon sehr lange in der Wildnis zu leben. Seine Gesichtszüge wirkten streng, doch die Augen blinkten fröhlich. Seine Arme und Beine waren kraftvoll und die Finger sehr geschickt. Seine Schuhe und sein Mantel sahen ein wenig mitgenommen aus, doch sonst war er ordentlich gekleidet. "Wie heißt du?" fragte der Elb wieder. "Damrod ist mein Name, ich bin Marungs Sohn." antwortete der Junge. "Und wie ist euer Name?" fragte Damrod seinerseits. "Ich bin Eglenn." sagte der Elb. "Es kommen nicht oft Elben in diese Gegend. Sagt, was führt euch her?" wollte Damrod nun wissen. "Ich komme aus dem Norden." sagte Eglenn. "Ich verfolge eine große Gruppe Orks, die hier neuerdings ihr Unwesen treibt. Doch allein kann ich nichts gegen sie ausrichten, deshalb eile ich voraus und warne die Dörfer und Städte vor ihnen. Bisher konnte ich größeres Übel auf diese Weise abwenden, doch im letzten Dorf" er zeigte nach Südosten, " kam ich leider zu spät. Ich nehme an, dass du von dort stammst?" Fragend und auch ein wenig mitleidig blickte er Damrod an. Dieser nickte langsam mit dem Kopf und sah zu Boden. Eine Zeit lang schwiegen sie beide. "Wart ihr im Dorf?" fragte Damrod schließlich. Eglenn nickte. Der Junge fragte weiter: "Habt ihr mit jemandem gesprochen?" "Nein, niemand war mehr da. Als ich ankam, war das Blut schon lange geronnen." antwortete der Elb. "Hat jemand überlebt?" wollte Damrod nun wissen. Eglenn sah traurig zu Boden. "Die Stadt war wie ausgestorben. Ich habe die Gefallenen auf einem Hügel begraben, doch die Orks haben wohl auch viele verschleppt. Sie brauchen sie als Sklaven." Dem armen Jungen wurde das Herz schwer bei diesen Worten. "Ich will so bald wie möglich zurück" erklärte er. "Ich glaube," sagte Eglenn, "du solltest das noch nicht tun. Noch nicht. Lass dir Zeit." "Aber wo soll ich denn hin? Ich habe keine Verwandte, wo soll ich also leben?" fragte Damrod verzweifelt. "Wenn du willst, kannst du mit mir kommen. Ich lebe in den Ered Nimrais, den Bergen nordwestlich von hier. Ich werde dir das Kämpfen und das Überleben beibringen, doch es wird für uns beide nicht leicht. Bist du einverstanden?" Fragend sah er Damrod an. Der Junge überlegte kurz, dann nickte er. "So sei es denn" sagte der Elb. "Aber nun lass und etwas essen." Er lächelte Damrod an. Der Knabe hatte gar nicht bemerkt, dass Eglenn während sie redeten Wasser aufgesetzt und eine Suppe bereitet hatte. Damrod hatte über das Gespräch auch seinen Hunger vergessen, der sich jetzt schlagartig wieder bemerkbar machte. Um so gieriger machte er sich nun über die leckere Suppe her. Sie war schmackhaft und sättigend, es hatte ein weinig von Bauernkost an sich. Damrod leerte seine kleine Schüssel einmal und noch einmal. Eglenn sah ihm schmunzelnd dabei zu. Nach der vierten Schüssel war Damrod satt und lehnte sich befriedigt zurück. Eglenn stand auf und holte Wasser zum Trinken. Der Junge war nun vollkommen zufrieden und legte sich hin. "Hoffentlich war das hier alles kein Traum und ich liege in Wirklichkeit in einem dunklen Orkkerker..." dachte er bei sich, dann schlief er ein. So vergingen einige Tage. Eglenn war viel im Wald unterwegs, so war Damrod oft allein. Der Elb hatte ihm sein Messer geliehen, sodass er sich die Zeit mit Schnitzen vertreiben konnte. Wenn sich Eglenn doch einmal zu ihm gesellte, sprachen sie viel über Damrods Vergangenheit. Über den Elben erfuhr Damrod nicht viel. Nach etwa einer Woche konnte Damrod schon einige wenige Schritte tun, jeden Tag ging es etwas besser. "Du machst gute Fortschritte." sagte Eglenn eines Tages. "Du bist hart im Nehmen!" Damrod lächelte, dann fragte er: "Wo gehen wir hin, wenn ich gesund bin? Verfolgen wir die Orks?" "Nein," der Elb schüttelte den Kopf, "dafür ist es zu spät. Ihre Spuren sind schon lange nicht mehr frisch. Es ist unmöglich, sie jetzt noch einzuholen, geschweige denn, sie zu überholen um die Dörfer vorzuwarnen. Wir werden in meine Heimat wandern." Damrod nickte zustimmend, obwohl er lieber die Orks gejagt hätte. Er schaute den vollen Mond an. Die Nacht war schon fortgeschritten und er saß zusammengekauert neben dem Elben am Lagerfeuer. Es knackte und prasselte lustig, die Flammen zuckten nach allen Seiten. Kleine, glühende Funken fielen wie Feuerregen herab und verglühten kurz bevor sie auf dem Boden landeten. Das Licht und die Wärme taten gut in der dunklen Nacht, obwohl es Sommer und nicht kalt war. Sie ließen den Jungen die vielen Schatten, die bedrohlich zwischen den Bäumen zuckten, und das düstere Rauschen der Bäume vergessen. Von morgens bis abends und von abends bis morgens rauschte der kleine Bach, und Damrod hatte dieses Rauschen liebgewonnen. Der Junge gähnte noch einmal herzlich, dann wickelte er sich in seine Decke und schlief ein. Eglenn war noch lange wach und schaute dem Spiel der Flammen zu. So vergingen wieder einige Tage, Damrod konnte nun schon mit Eglenn im Wald spazieren gehen. Mit der Zeit wurden ihre Spaziergänge ausgedehnter, und der Junge kletterte auch hin und wieder auf einen Baum, um sich umzusehen. Bald war Damrod vollständig genesen und sie konnten ihre Wanderung beginnen. Eglenn hatte nur das wichtigste mit, zwei kleine Töpfe und eine Pfanne, Feuerzeug, Decken, Wasserschläuche und einige nützliche Gegenstände wie ein Seil, zwei Schüsseln und sein Messer. Dieses hatte er Damrod wieder abgenommen, denn der Junge trug nun ein Kurzschwert. Der Knabe musste den Proviantrucksack tragen. Eglenn hatte Lebensmittel aus dem Dorf geholt, denn sie brauchten einiges auf ihrem Weg. "Sonst nehme ich nicht so viel Proviant mit, ich jage und sammle es auf meinem Weg. Aber das kann ich mit dir nicht tun, wir würden uns wohl verlieren und außerdem würdest du mit deinen Schritten alles Wild vertreiben." erklärte er dem Jungen. Sie füllten die Wasserschläuche am Bach auf und dann gingen sie los. Da das Unterholz sehr dicht war, gingen sie erst am Bach entlang nach Norden, bis sie auf einen Weg stießen, der nach Westen führte. Einige Stunden gingen sie dahin, sie lauschten den Waldvögeln. Damrod pfiff ein kleines Liedchen. Doch dann wandte sich Eglenn vom Weg ab und ging in nordwestlicher Richtung in den Wald. Es gab kaum Unterholz, doch Damrod fiel es auf dem weichen Boden schwer, mit dem Elben Schritt zu halten. Er sank tief ein oder rutschte auf den glitschigen Wurzeln aus. Einmal wäre er fast gestürzt, aber er konnte sich noch rechtzeitig fangen. Der Elb nahm von alldem nur wenig Notiz, er sah aufmerksam in den Wald und lauschte. Doch nirgends war etwas Verdächtiges zu sehen oder zu hören. Sie rasteten ein paar mal, doch Damrod wurde immer müder und langsamer. Der Elb hingegen drängte zur Eile, er war sichtlich unruhig. Weiter und weiter trieb er den armen Jungen durch den Wald, es wurde Nachmittag. Sie hatten seit zwei Stunden nicht mehr gerastet. Da kamen sie an ein kleines Bächlein das munter dahinfloss. Erfreut setzte Damrod sich nieder und erfrischte sich. Eglenn wurde nervös und zog den Jungen nach oben. Er sagte: "Dieser Teil des Waldes ist sehr gefährlich, wir sollten nicht so lange hier verweilen! Los, steh auf, wir müssen schnellstens weiter." Murrend und ein wenig widerwillig stand Damrod wieder auf und sie gingen weiter. Das Rieseln des Baches wurde leiser und leiser und schließlich war es gar nicht mehr zu hören. Da fragte Damrod den Elben: "Warum müssen wir uns so beeilen, es ist doch so friedlich hier. Ich bin müde, könnten wir nicht wenigstens etwas langsamer gehen? Ich würde mich gern ein wenig ausruhen, da drüben scheint ein guter Lagerplatz zu sein." Er zeigte auf eine Gruppe Bäume, deren Astwerk sich fast bis zum Boden herabbeugte. "Der Schein trügt. Hier gibt es so schreckliche Kreaturen, wie du sie dir nicht einmal in deinen schlimmsten Alpträumen vorstellen kannst. Namenlose Monster, die nur darauf warten, dich zu zerreißen!" doch schließlich musste Eglenn einsehen, dass der Junge zu müde war, um noch weiterzugehen. Also schlugen sie unter dem Schutz der Bäume ihr Lager auf. Eglenn machte ein kleines Feuer, Damrod legte sich sogleich hin und schlief ein. Der Elb blieb wach, misstrauisch sah er zwischen den Bäumen hindurch. Doch es war nichts zu sehen und nichts zu hören, nicht einmal das Fallen eines Blattes. Kein Lüftchen regte sich, es herrschte eine erdrückende Stille. Nur Damrod atmete leise und das Feuer knisterte, und es erschien dem Elben unglaublich laut. Nichts regte sich, es wurde Abend und Nacht. Der Mond ging auf und beschrieb seine Bahn am Himmel. Es war gegen Mitternacht, als plötzlich ein schauriges Geheul ganz in der Nähe die Stille zerriss. Damrod fuhr schlagartig aus dem Schlaf auf. "Was ist los?" fragte er Eglenn verwirrt. "Da hast du es, sie kommen. Sie haben uns gewittert!" Eglenn zog einen brennenden Ast aus dem Feuer und machte sich bereit. Der Junge tat es ihm gleich. So standen sie Seite an Seite, jeder einen brennenden Ast in der einen und ein Schwert in der anderen Hand. Es war still, nichts regte sich, und doch schien sich die Dunkelheit um sie herum zu bewegen. Immer im Kreis, herum und herum. Es war, als warte sie auf die richtige Gelegenheit um anzugreifen. Dann brach plötzlich der Angriff los. Zwei Wolfslöwen, Tiere mit den Beinen eines Löwen und Hundekopf und -Körper, sprangen aus dem Wald hervor, gefolgt von einem Rudel Wölfe. Der erste bekam von Eglenn einen Schlag auf den Kopf, dem Zweiten schlug er im Sprung eine Wunde in den Hinterlauf. Damrod hielt währenddessen die Wölfe mit seiner Fackel auf Abstand. Diese fürchteten das Feuer und auf so erbitterten Widerstand waren sie nicht gefasst gewesen. Und nachdem der größte von ihnen, ein massiges, schwarzes Tier mit nur einem Auge, Feuer fing und jaulend in den Wald rannte, ergriffen auch die anderen die Flucht und wurden nie mehr gesehen. Doch der Kampf war noch nicht gewonnen. Damrod drehte sich um und eilte Eglenn zu Hilfe. Der erste Wolfslöwe war wieder aufgestanden, doch stand er noch etwas benommen da. Damrod stürzte sich von hinten auf ihn und bohrte sein Schwert in den Körper. Blut spritzte nach allen Seiten. Der Löwe jaulte auf, sein Brüllen und seine Todesschreie waren im ganzen Wald zu hören. Wieder und wieder stach der Junge zu, bis das Tier regungslos am Boden lag. Nun war nur noch der letzte Wolfslöwe übriggeblieben, doch das war der mit Abstand mächtigste Gegner. Das Tier war rasend vor Schmerz und Angst und seine Augen funkelten wütend im Dunkeln. Es wich immer wieder Damrods Schwert und Eglenns Fackel aus, verschwand im Dunkel der Bäume und sprang dann wieder überraschend hervor. "Damrod, pass auf!" rief Eglenn und der Knabe konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Er drehte sich um und stach mit dem Schwert zu, doch er stach ins Leere. Der Löwe schien nur Damrod anzugreifen, vielleicht, weil er der leichtere Gegner war oder weil Eglenn die Fackel hatte. Plötzlich spürte der Junge riesige Pranken auf seiner Schulter, einen Schlag und er brach zusammen. Der Löwe war über ihm, seine Tatzen drückten sich tief in seinen Rücken und seine Krallen zerkratzten ihm die Haut. Das Tier setzte eine seiner mächtigen Vorderpfoten auf seinen Hals, es wollte ihn ersticken. "Nun ist es aus!" dachte Damrod bei sich. Er spürte den heißen Atem im Nacken, verzweifelt rang er nach Luft. Doch dann wurde er von Eglenn errettet. Der Elb bohrte einen brennenden Ast in die Seite des Löwen, der daraufhin Damrod losließ und zur Seite sprang. Eglenn kniete sich zu Damrod herunter, doch der Löwe war nun noch wütender. Er schleuderte herum und dann sprang er mit aller Kraft auf die beiden zu. Ein gewaltiger Satz war es, Damrod konnte sich nicht mehr rechtzeitig aufrappeln. Der Elb riss ihm blitzartig sein Schwert aus der Hand und streckte es dem Löwen entgegen. Dieser sprang direkt in die offene Schneide. Der schwere Körper drückte auf Eglenn nieder, und von der Wucht des Aufschlages wurde er regelrecht zu Boden geschleudert. Der Löwe war sofort tot, das Schwert hatte genau ins Herz getroffen. Eglenn gab einen erstickten Laut von sich, denn das Heft seines Schwertes hatte sich ihm in den Bauch gebohrt. Schnell sprang Damrod ihm zu Hilfe und rollte den riesigen Körper von dem Elben herunter. Dann half er ihm auf. "Entschuldigung." Sagte er. "Wofür?" fragte Eglenn. "Ich hätte auf dich hören sollen," meinte Damrod, "denn wäre ich weitergelaufen, wäre das alles wohl nicht passiert. Es tut mir leid. Bitte vergib mir!" "Dir sei vergeben. Du hast tapfer gekämpft und obendrein noch einen Wolfslöwen erlegt." "Nein, nein," stritt der Knabe ab, "der war noch ganz benommen von deinem Schlag, er konnte sich gar nicht wehren!" Darauf erwiderte der Elb: "Trotzdem ist es eine Tat, die nicht jeder Zehnjährige begeht. Auch ich sollte mich entschuldigen. Ich habe dich wohl zu sehr gedrängt. Aber du musst wissen, auch Elben sind nicht frei von Angst. Ich war schon einmal in diesem Teil des Waldes und wurde angegriffen. Nicht von Wölfen oder Löwen aber..." er schwieg einen Moment, "Lass uns nicht davon reden. Die Wölfe sind uns schon den ganzen Tag auf den Fersen gewesen, doch sie warteten die Dunkelheit ab. Ich konnte sie nicht sehen, doch ich spürte ihre Anwesenheit. Wärest du weitergelaufen, hätten sie uns auch angegriffen." Dann gingen sie beide zu ihrem Lagerplatz. Eglenn brachte das Feuer wieder in Gang, der Knabe aber legte sich hin. "Ich werde Wache halten." Sagte der Elb. "Ich rate dir, dich gut auszuschlafen. Morgen liegt ein langer Weg vor dir, wir brechen in der Morgendämmerung auf." "Mmhhh..." brummte Damrod. Er lag mit dem Rücken zu dem Elben und schien fast eingeschlafen zu sein. Eglenn seufzte und setzte sich ans Feuer. Doch Damrod war noch nicht eingeschlafen. Er lag mit offenen Augen da und dachte nach. Die Bemerkung des Elben, dass er schon einmal hier gewesen war, verwirrte ihn. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der tapfere Elb Angst gehabt haben sollte. Sicher, er war viel unterwegs und hatte schon viel erlebt, dass sah man ihm an. Wohl auch schreckliche Dinge, von denen man selbst am helllichten Tage nicht sprechen sollte, aber Angst? Nein, ängstlich war Eglenn nicht. Ganz und gar nicht. Der Knabe hatte schon oft Angst gehabt, doch Eglenn war für ihn unglaublich mutig und tapfer und unfehlbar. Er war ganz so wie die Helden in den Geschichten, die die Mütter ihren Kindern abends vor dem Einschlafen erzählen. Angst passte nicht zu diesem Elben. Das war ganz unmöglich. Und mit diesem Gedanken schlief der Junge endlich ein. Eglenn saß schweigend am Feuer und sah den Flammen zu. Doch er lauschte aufmerksam in alle Richtungen. Was der Knabe gerade über ihn dachte, wusste er natürlich nicht, denn er war weder hellsichtig noch allwissend, was der Junge offensichtlich dachte. Auch was seine Angst anging, täuschte sich der Knabe. Denn gerade in diesem Moment spürte Eglenn wieder Angst und sie schnürte ihm die Kehle zu. Er dachte an seine Erlebnisse hier in einer Nacht vor langer Zeit. Im Dunkeln war er umhergerannt, verzweifelt den richtigen Weg suchend. Er hatte Schritte hinter sich herkommen gehört, aber wenn er sich umdrehte, war nie etwas zu sehen gewesen. Noch schneller war er gerannt, Hals über Kopf vor etwas Unbekanntem flüchtend. Und dann hatte er es zwischen den Bäumen erspäht. Riesig wie ein Berg war es und hatte kalte, blutunterlaufene Augen, die ihn aus dem Dunkel heraus voller Hass ansahen. Klauen an jeder Zehe so groß wie Säbel wollten ihn zerreißen und aus seinem riesigen Maul, das ihn mit einem Mal hätte verschlucken können, ragten ellenlange Stoßzähne. Lang und scharf wie Dolche waren seine Zähne. Und weiter hinten im Dunkel hatte er noch mehr von diesen Wesen sehen können. Langsam, ganz langsam hatten sie sich alle zu ihm umgewandt... Er schüttelte sich, dann verdrängte er den Gedanken. Damals, dachte er, da ist lang her und kommt nicht wieder. Ich war noch jung. Er vergrub die Erinnerung so tief wie möglich in seinem Gedächtnis. Damrod hatte nicht viele Stunden geschlafen, da wurde er schon von dem Elben geweckt. Sie aßen nicht viel, denn beide waren nicht hungrig. Die beiden Körper der Wolfslöwen lagen noch herum. Eglenn schnitt beiden die Vorderpfoten und ein Stück des Nackenfells ab. "Dafür bekommt man gutes Geld" erklärte er dem Jungen. ->oooops, ein ziehmlich langes Kapitel! aber keine Sorge, es wird noch länger!!! auf jeden Fall 30 Seiten, das ist klar. viel Spaß und schreibt Kommis!<- Kapitel 3: ----------- Sie suchten ihr Gepäck zusammen, das auf dem Boden verstreut lag. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, da machten sie sich auf den Weg. Beide wollten schnellstmöglich von diesem Ort weg. So marschierten sie weiter nordwestlich durch den Wald. Die Bäume standen hier nicht dicht und der Boden war nicht allzu nass, sodass sie gut vorankamen. Eglenn bemühte sich sehr, nicht zu schnell zu laufen und Damrod gab sich die größte Mühe, ein gutes Marschtempo vorzulegen. Er mochte den Elben sehr und wollte ihn nicht noch einmal enttäuschen. Der Junge nahm sich fest vor, von nun an immer auf ihn zu hören und stets sein Bestes zu geben. So schritt er erhobenen Hauptes und den Blick gerade nach vorn gerichtet voran. Eglenn wunderte sich sehr darüber. Ein Erlebnis wie das der letzten Nacht hätte die meisten Jungen seines Alters gebrochen, nicht aber ihn. Er klagte nicht einmal, im Gegenteil, er schien stolz darauf zu sein. Eglenn wollte den Jungen fragen, aber er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Er fühlte sich unsicher, doch gab er das nach außen hin mit keiner Miene oder Bewegung zu erkennen. Das ist eben die Art der Elben, die ihnen in den Augen der Menschen einen kleinen Hauch von Übernatürlichkeit verleiht. Noch nie im Leben hatte Eglenn sich so unsicher gefühlt. Er wusste nicht, wie er mit dem Jungen umgehen sollte. Sein Leben hatte er größtenteils allein oder unter Erwachsenen verbracht. Er hatte weder Frau noch Kind, wahrscheinlich hatte er deshalb Damrod zu sich genommen. Aus dem Augenwinkel sah er den Knaben an. Dieser versuchte gerade, so große Schritte wie Eglenn zu machen, aber gleichzeitig auch so lautlos wie der Elb zu gehen. Er sah sehr komisch aus, denn er musste fast springen, um mit dem Elben gleichzuziehen. Eglenn war viel größer als er und hatte längere Beine. Außerdem verursachte Damrod bei jedem Schritt nicht weniger Lärm als ein kleiner Waldelefant, so leid es ihm auch tat. Auf diese Weise verging eine Stunde, Eglenn war tief in Gedanken versunken und Damrod eifrig bei seiner Sache, sodass beide nicht merkten, dass das Gelände langsam bergiger wurde. Bei einer Rast sah Eglenn auf seine Karte und sah, wie weit sie gekommen waren. "Alle Achtung" sagte er, "du machst dich gut. Wir liegen besser in der Zeit, als ich gedacht hatte." "Du redest, als hätten wir es eilig, irgendwohin zu kommen!" stellte Damrod fest. "Um ehrlich zu sein, ich habe eine wichtige Botschaft an jemanden aus meiner Heimat zu überbringen. Deshalb hoffe ich, dass wir am Berg nicht allzu viel Zeit verlieren." Meinte der Elb. "Welcher Berg?" fragte der Knabe. "und warum gehen wir nicht auf den Wegen, das wäre doch bestimmt schneller und einfacher." "Wir müssen einen Berg überqueren, dessen Wände sehr steil sind. Doch er ist nicht hoch, wir werden in etwa einem halben Tag oben angelangt sein. Dort ist ein riesiges Plateau und viele Wiesen, die wir durchschreiten müssen um uns schließlich wieder an den Abstieg zu machen. Alle Wege in dieser Gegend führen am Fuß dieses Berges entlang, aber für uns hieße das meilenweite Umwege machen." Erklärte Eglenn. "Wann werden wir diesen Berg erreichen?" wollte Damrod wissen. "In spätestens zwei Tagen." Sie wanderten weiter. Der Wald lichtete sich und hörte schließlich ganz auf. Sie gingen über die sonnenbeschienen Wiesen, am Himmel zogen die weißen Wolken. Damrod gefiel es, so zu wandern. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Auf diese Weise legten sie viele Meilen zurück, ehe sie wieder eine längere Rast einlegten. Sie genossen die frische Luft, den Duft der Blumen und die Sonnenstrahlen auf der Haut. Die Nacht war mild und Damrod schlief tief und fest. Die Grillen zirpten überall in der Wiese ihre Melodien, jede für sich und doch schien es ein einziges großes Musikstück zu ergeben. Eglenn hatte jedoch darauf bestanden, eine Wache aufzustellen, so musste der Junge in der zweiten Nachthälfte munter bleiben. Aber alles war ruhig und Damrod weckte den Elben bei Sonnenaufgang. In kürzester Zeit waren sie abmarschbereit. Der Tag war wie der letzte, die Bienen summten und hoch oben konnte man Vögel erkennen, die wie winzige Punkte dahinflogen. Der Himmel war wolkenlos, doch auch etwas dunstig. Die Landschaft war hügelig und von vielen kleinen Straßen durchzogen. Gegen Mittag sah Damrod dann den Berg, von dem Eglenn gesprochen hatte. Er leuchtete blutrot in der Sonne und seine Ränder wirkten durch den Dunst verwischt. "Da ist er." Sagte Eglenn. "Der Blutberg, wie er manchmal bei den Menschen in dieser Gegend heißt. Viele grausige Geschichten ranken sich um ihn." "Die möchte ich lieber erst hören, wenn wir ihn hinter uns gelassen haben!" meinte der Junge. Am späten Nachmittag waren sie schon an der steilen Felswand des Berges angelangt. Dem Knaben war etwas Bang beim Anblick der Wand, die vor ihnen aufragte, doch da sich Eglenn hier gut auszukennen schien, sagte er nichts. Zunächst wanderten sie in südwestlicher Richtung an der Felswand entlang, bis sie auf einen kleinen Bach stießen. Sie legten eine kurze Rast ein, aßen eine Kleinigkeit und füllten ihre Wasserschläuche auf. Dann machten sie sich auf den Weg. Sie folgten dem Bach entgegen des Laufs den Berg hinauf. Dieser hatte ein tiefes Tal im Gestein geschaffen, sodass es Eglenn und Damrod nicht allzu schwer hatten, weiter nach oben zu gelangen. Aber die Steine waren glitschig und lose, deshalb rutschte der Knabe oft aus. Es wurde Abend und Nacht, der Mond ging auf. Eglenn stimmte ein elbisches Lied an. Als er geendet hatte, fragte Damrod: "Eglenn, ich bin müde. Wann machen wir endlich Halt?" der Elb lächelte. "Gedulde dich noch ein wenig. Wir dürften bald zu dem Lagerplatz kommen, den ich zu erreichen gedenke. Oder möchtest du lieber hier unter freiem Himmel auf spitzen Steinen schlafen?" Sie mussten noch fast eine Stunde gehen, ehe sie den Platz erreichten, den Eglenn gemeint hatte. Es war eine kleine Höhle, Holz für ein Feuer lag bereit. Damrod war so müde, dass er gerade einmal seinen Rucksack ablegen konnte und dann sofort auf dem Höhlenboden einschlief. Eglenn zündete ein Feuer an. Am nächsten Morgen brieten sie sich zum Frühstück ein paar Würste, dazu aßen sie Brot. Als die ersten Sonnenstrahlen durch den Eingang fielen, brachen sie wieder auf. Damrod war gut ausgeschlafen, so machte ihm der Aufstieg heute weniger Probleme. Aber nach einiger Zeit, als die Sonne höher stieg, fing er dennoch zu schwitzen an. Er hatte das dringende Bedürfnis ein Bad zu nehmen, denn er war über und über rot. Der Höhlenboden war wie alles andere hier mit rotem Staub bedeckt gewesen, jetzt klebte alles an seinem Körper. Staub im Gesicht, an seiner Kleidung, in seinen Haaren... einmal rutschte er aus und fiel bäuchlings hin, aber Eglenn half ihm auf. Der Elb war nicht annähernd so schmutzig wie Damrod, nur sein Mantel und seine Schuhe waren rot vom Staub. Der Knabe fragte sich, wie er es in dieser öden Landschaft nur aushalten sollte. Überall, wo er hinsah, war es rot. Ja, selbst der Bach war rot durch den mitgeschwemmten Schlamm. Wenn der Junge zurückschaute, versperrten ihm rote Felsen die Sicht, und den steilen Weg konnte man nicht weit einsehen. Eglenn schwieg die ganze Zeit, er wollte auf diesem Berg nicht singen. Der Knabe wollte lieber nicht wissen, warum das so war. Sie gingen ohne Rast weiter, es wurde Mittag. Damrod war erschöpft und ging einige Meter hinter dem Elben. Endlich entschloss er sich, ihn zu fragen, ob sie eine Pause einlegen könnten. Er sah ihn gerade um einen Felsen biegen und eilte ihm nach. Doch als auch er um die Ecke rannte, war er sehr überrascht. Kapitel 4: ----------- Riesige Rasenflächen breiteten sich vor ihm aus. Da, wo er gerade noch rotes Gestein vermutet hatte, waren in Wirklichkeit blühende Wiesen und grünes Gras. Dem Jungen blieb der Mund offen, als er dies alles erblickte. Eglenn lächelte. "Es tut gut, mal wieder andere Farben als rot zu sehen, nicht? Aber nun komm, bevor wir Wurzeln schlagen, ich habe es eilig." Auch als sie weitergingen, sah Damrod sich noch staunend um. An diesem Tag geschah nichts besonderes mehr. Als es Abend wurde, schlugen sie ihr Lager unter freiem Himmel auf. Die Sterne strahlten wie nirgendwo sonst, jeder wie eine kleine Sonne, fand Damrod. Der Junge war weder besonders hungrig noch müde, aber er hörte auf Eglenn und aß eine Kleinigkeit. Dann legte er sich hin, obwohl es noch eine Ewigkeit zu dauern schien, bis er einschlief. Mitten in der Nacht wachte er plötzlich auf. Das Feuer war schon recht weit heruntergebrannt, aber Eglenn war nicht da. Damrod richtete sich auf und sah sich um, doch der Elb war nirgends zu sehen. Der Knabe bekam Angst. Er lief um das Feuer und spähte in die Dunkelheit. Schließlich zerrte er einen Ast aus dem Feuer und lief blindlings los, um den Elben zu suchen. Vielleicht war er verletzt oder brauchte seine Hilfe? Er rief seinen Namen, einmal, noch einmal. Vor Angst brach ihm der Schweiß aus, er geriet in Panik. Er rannte weiter und entfernte sich vom Lagerfeuer. Er lief kreuz und quer und rief und lauschte, doch nie bekam er eine Antwort. Aber nach einiger Zeit brannte seine Fackel herunter und erlosch. Er sah sich nach dem Schein des Lagerfeuers um, konnte es jedoch nirgends entdecken. Er war vollkommen verlassen und wusste weder vor noch zurück.. Weinend rannte er weiter, bis er hinfiel. Er blieb liegen und schluchzte in den Boden. Plötzlich berührte ihn etwas an der Schulter. Er sah auf und blinzelte in blendend weißes Licht. Dann erkannte er eine wunderschöne Frau. Sie war anmutig und ihr welliges Haar reichte bis zum Boden. Zwei weiße Schmetterlingsflügel hatte sie, die sich leicht im Wind wiegten. Sie trug ein weißes, schillerndes Kleid, aber keine Schuhe. Lächelnd sah sie ihn an und sprach kein Wort. Er ließ sich von ihr aufhelfen. Sie nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm durch die Wiese. Besser gesagt: er ging, sie schien zu schweben. Auf einmal war es ihm, als ob sie emporflögen, in den sternenübersäten Nachthimmel hinein. Höher und höher stiegen sie, tauchten in ein Meer von Sternen ein oder flogen durch Sternenwolken. Der Mond war eine große Laterne. Damrod fühlte sich in einen Traum versetzt. Wenn er das geflügelte Frauenwesen ansah, war er einfach nur glücklich, er trieb leicht dahin in den Wogen des Weltalls. Jede Minute dauerte eine Ewigkeit, die Ewigkeit war eine Minute und jeder Windhauch löste einen Sturm in seinem Herzen aus. Der Mond war so riesig wie ein Berg und die Sterne umgaben ihn. Von weitem sah er ein silbernes Schiff, von dem ein Licht ausging, weiß und heller als die Sonne. Es durchdrang die Dunkelheit der Nacht, das tiefe Blau und Schwarz. Dann wurde jedoch der Mond kleiner, das Schiff verschwand und die Sterne rückten wieder in unerreichbare Ferne. Damrod sah unter sich die Erde. Verschlafen und ruhig lag sie da, aber der Junge konnte einen kleinen, sich bewegenden Lichtpunkt entdecken. Dieser Punkt war Eglenn, der mit einer Fackel nach ihm suchte. Damrod spürte sich schwerer werden, sein eigenes Gewicht drückte auf ihn nieder und zog ihn nach unten. Er hielt sich wieder fester an der Frau fest, er sah sie an, doch sie lächelte nur. Schließlich spürte er Boden unter den Füßen. Er blickte zu ihr hinauf, sie zog ihn an sich und küsste ihn auf die Stirn. Damrod sah sie noch verschwinden, dann glitt er leise zu Boden. Die Sonne war schon aufgegangen, als Eglenn ihn so fand. Er dachte, der Knabe wäre tot, doch er atmete. Das Jungengesicht war tränenüberströmt, doch er lächelte im Traum. "Damrod! Damrod, wach auf!" sagte Eglenn leise und schüttelte ihn sanft. Der Knabe blinzelte ihn verschlafen an. "Mmhhh?" machte er. "Wo warst du denn? Ich habe dich die halbe Nacht lang gesucht!" sagte Eglenn besorgt. Der Junge antwortete: "Ich bin aufgewacht, aber du warst nicht da. Warum?" "Ja," erklärte Eglenn, "ich wollte etwas allein sein. Ich bin es nicht gewohnt, solange mit jemandem zusammen zu reisen." "Ich bin losgelaufen um dich zu suchen, aber dann ging meine Fackel aus. Ich rannte weiter und fiel hin. Und dann..." Damrod machte eine kurze Pause, "dann muss ich wohl eingeschlafen sein, denn ich hatte einen sonderbaren Traum." "Erzähl ihn mir." Bat Eglenn. Also erzählte der Junge von seiner Begegnung mit der weißen Frau. Der Elb hörte zu und unterbrach ihn kein einziges Mal. Als der Knabe geendet hatte, sagte er: "Vielleicht war dies alles ja kein Traum. Es soll ja auch noch Wunder in Mittelerde geben und besonders an einem solchen Ort..." er ließ seinen Blick weit umherschweifen. Dann stand er auf und beide gingen zu ihrem Lagerplatz zurück. Dem Knaben war sonderbar zumute. Er war so ruhig und so mit sich selbst im Einklang wie noch nie zuvor. Außerdem war er wunschlos glücklich. Eglenn löschte die letzten Reste des Feuers, während der Knabe seine Sachen zusammenpackte. Sie wanderten den ganzen Tag und den nächsten. Am dritten Tag standen sie endlich an dem Hang, der wieder von dem Berg herunterführte. Damrod sah rote Felsen. Der Abstieg wurde hart und gefährlich. Kein Bach hatte hier im Gestein einen Weg geschaffen und kein Pfad führte hinab. Der Knabe hatte große Probleme und kam nur langsam voran, doch Eglenn half ihm und ließ sich Zeit. "Ich komme mir vor wie eine Berggemse" dachte Damrod. Eglenn führte sie so gut es ging waagerecht zum Hang, machte dann eine Kehre und ging wieder waagerecht. Zeitweise musste Damrod auf allen Vieren gehen. Plötzlich rollte ein Stein unter seinem Schuh weg und der Junge rutschte schreiend abwärts. Er brachte viele andere kleine Steine ins Rollen. Aber Eglenn war sofort zur Stelle und hielt ihn. Beide atmeten erleichtert auf. Überall lagen kleine rote Steine, die lose waren und auf denen man leicht ausrutschte. Als sich der Junge jedoch bewegte, gerieten wieder Steine ins Rollen und rissen Eglenn mit sich. Immer schneller ging es abwärts, er ruderte wild mit den Armen, aber er fiel hin. Er rollte weiter, doch dann blieb die Steinlawine stehen. Damrod kam vorsichtig hinterher. Der Elb wagte nicht, sich zu bewegen, denn ein paar Meter weiter unten klaffte eine tiefe Felsspalte. "Eglenn, halt durch, ich bin (hoffentlich) gleich da!" rief der Knabe ihm zu. Endlich hatte er ihn erreicht und zog ihn mit einer Hand nach oben. So vorsichtig wie möglich setzten sie Fuß vor Fuß, bis sie schließlich wieder auf festen Boden traten. Sie erholten sich einen Moment von dem Schrecken. "Das war verdammt knapp" meinte der Junge. Eglenn nickte, er sah recht blass aus. "Komm Damrod, lass uns weitergehen" sagte er schließlich. Vorsichtig wanderten sie weiter, aber mit der Zeit wurden sie wieder sicherer. Gegen Abend hatten sie den Abstieg geschafft. Unter dem nächstbesten Baum schlugen sie ihr Nachtlager auf. Eglenn war zu müde um Wache zu halten, so ließen sie es gut sein und schliefen beide bis zum Morgen. Als sie aufwachten, stellten sie fest, dass ein Teil ihres Proviants fehlte. Aber sie hatten zu Beginn ihrer Reise reichlich mitgenommen, zur Not würden sie sich unterwegs noch etwas beschaffen. Sie spürten erst jetzt ihren riesigen Hunger, denn sie hatten am Tag zuvor fast nichts gegessen. Um so gieriger machte sich Damrod nun über das Frühstück her, das der Elb bereitete. Nachdem sie fertig waren, blieben sie noch eine Weile sitzen und redeten. Später machten sie sich wieder auf den Weg. Sie wanderten bis in den Nachmittag hinein ohne eine einzige Rast. Das Gelände war bergig und schon bald sah Damrod den Blutberg hinter den Hügeln verschwinden. Der nächste Abschnitt ihrer Reise war schwieriger, da sie immer weiter ins Gebirge vordrangen. Sie konnten sich jedoch zumeist an die Wege halten und begegneten keinen gefährlicheren Tieren als Eichhörnchen. Sie brachten auch diesen Teil ihrer Reise hinter sich und gelangten schließlich in einen sonderbaren Wald. Der Wind rauschte im dichten Blätterdach, die Vögel sangen und die Luft war erfüllt von dem Duft nach süßem Honig. "Wie sonderbar!" rief Damrod erstaunt aus. "Gerade dachte ich noch, es sei Herbst, doch nun stehe ich mitten in einem Sommerwald!" "Nicht wahr?" lächelte Eglenn. "Und du hast noch nicht einmal den Frühling hier erlebt. Ich bin fast immer auf Reisen, aber hierhin komme ich immer wieder zurück und mein Herz bleibt immer hier. Willkommen in meinem Heimatwald, Damrod Marungssohn!" Staunend ging Damrod weiter. Es gab eine Vielzahl an kleinen Wegen, die sich überkreuzten oder spalteten und Eglenn schien sie alle zu kennen. "Nichts Böses ist in diesem Wald, es macht einen großen Bogen um ihn. Doch der Tag wird kommen, da sich seine Bewohner verteidigen müssen, denn das Böse rückt schon jetzt näher. Ich spüre es." Erklärte der Elb. Tief im Wald stießen sie auf eine große Lichtung mit einem riesigen Baum. Sie gingen auf ihn zu, Damrod sah am Stamm eine Strickleiter. "Das ist mein Haus, wenn du es so nennen willst" meinte Eglenn und zeigte nach oben. Und wirklich, hoch oben auf den starken Ästen stand ein kleines Haus auf einer Plattform. Von dort konnte man gewiss den gesamten Wald überblicken. Vorsichtig setzte der Junge einen Fuß auf die Leiter und kletterte daran empor. So kam es, dass Damrod Marungssohn von dem Elben Eglenn aufgenommen und aufgezogen wurde. _________HIER ENDET DIE KINDHEIT VON DAMROD_________ Kapitel 5: ----------- FORTSETZUNG "Was ist los, Eglenn? Du lässt nach. Ich besiege dich noch." lachend schlug der junge Mann mit dem Schwert zu. Eglenn wurde in die Defensive gezwungen, Schritt für Schritt wich er zurück. Aber dann zeigte sich ein Lächeln auf seinen Lippen. "So wirst du das aber nie schaffen, Kleiner!" rief er, sprang vor und schlug Damrod das Schwert mit einer schnellen Bewegung aus der Hand. Dieses flog noch meterweit durch die Luft und blieb dann senkrecht im Waldboden stecken. "Na gut, was habe ich diesmal falsch gemacht?" fragte Damrod, während er sein Schwert holte. "Das Übliche. Mangelnde Konzentration, du siehst den Schwertkampf als Spiel an. Jetzt mag er das noch sein, doch nicht für immer. Dann gibt es nur noch verbissene Kämpfe auf Leben und Tod. Merk dir das!" sprach der Elb ernst. "Als Strafe musst du heute kochen." lachte er dann. "Das ist so ungerecht. Ich werde bis ans Ende meiner Tage kochen müssen, das weiß ich schon jetzt." maulte Damrod mit einem gespielten, beleidigten Gesichtsausdruck. Dann lachte er. "So sei es denn, ich geh' Holz holen." Eglenn sah ihm lächelnd nach. Damrod suchte unter den Bäumen trockenes Holz zusammen. Der Wald war noch immer so schön wie am ersten Tag, als er ihn erblickte. Lange Jahre waren seitdem vergangen, aus dem Knaben Damrod war inzwischen ein erwachsener Mann geworden. Er war fast genauso groß wie Eglenn und hatte starke Arme. Sein Haar war noch immer schwarz und lockig, die Augen feurig. Er war so gekleidet wie der Elb, er trug dunkle Stiefel aus weichem Leder und einen Mantel. Eglenn hatte ihm sehr viel beigebracht. Er kannte sich im Wald selbst im Dunkeln bestens aus und er konnte sehr gut klettern. Auch das Schwimmen hatte er nicht verlernt, er schoss schnell wie ein Pfeil durchs Wasser. In den letzten Jahren hatten sie oft monatelange Reisen unternommen. Es hatte ihn weit nach Westen zur Meeresküste verschlagen oder nach Norden in die Ebenen von Eriador. Damrod hätte sehr gut allein leben können, aber er wollte sich nicht von dem Elben trennen. Er war wie ein Vater für ihn und sein bester Freund. Mit zwei Armen voll Brennholz kehrte der junge Mann zum Talan (das "Baumhaus" der beiden) zurück. Oben war Eglenn sehr geschäftig. Eilig lief er hin und her und packte verschiedene Sachen in einen Rucksack. "Damrod, lass das Holz liegen, wir müssen los. Schnell, pack deine Sachen." Rief er dem erstaunten Mann zu. Damrod warf das Holz in eine Ecke und holte seinen Rucksack unter seiner Liege hervor. Er stopfte einige Sachen hinein und schnürte alles zu. Er warf sein Panzerhemd über und schnallte sein Schwert am Gürtel fest. Sie hatten keine Zeit um zu überprüfen, ob etwas fehlte. Sofort brachen sie auf. "Also Eglenn, wo soll es hingehen?" fragte Damrod. "Und warum so plötzlich? Müssen wir jemandem zu Hilfe eilen?" "Nein, wir müssen eine sehr wichtige Botschaft überbringen. Wir werden bis heute Abend westlich gehen, bis wir eine Stadt erreichen. Dort kenne ich einen Mann. Er ist ein guter Freund von mir. Er wird uns sicherlich zwei Pferde leihen. Wir reiten dann viele Meilen nach Nordosten, zwischen den Nebelbergen und dem Düsterwald und dann am Anduin entlang nach Norden." Erklärte der Elb. "Diese Botschaft muss wirklich wichtig sein, sonst reiten wir nie. Woher hast du die Nachricht bekommen? Ich habe niemanden gesehen." Wollte sein Begleiter nun wissen. "Das hat mir ein Vögelchen gezwitschert." Meinte Eglenn mit einem Schmunzeln. So verließen sie den Wald und liefen schnell gen Westen. Sie waren schnell und machten keine Pause, die Sonne wanderte am Himmel entlang, bis sie direkt in ihr Gesicht schien. Schließlich versank sie am Horizont und tauchte die weite Landschaft in leuchtendes Rot. Dann wurde es langsam grau und dämmerig. Die beiden liefen schneller. Die ersten Sterne wurden sichtbar und bald darauf ging der Mond wie eine helle Scheibe am Himmel auf. Es war schon sehr dunkel, als sie endlich die Lichter einer Stadt erblickten. Sie verlangsamten ihr Tempo, als sie schon fast den Stadtrand erreicht hatten. Die Straßen und Gässchen waren ruhig, aber viele Fenster hatten noch Licht. Sie standen vor einem großen, hölzernen Stadttor und klopften an. Es dauerte eine Weile, ehe jemand öffnete. Der Wärter schien Eglenn schon zu kennen und beide konnten eintreten. Der Elb führte sie durch kleine Nebenstraßen und verwinkelte Gassen. Im Dunkeln waren sie kaum zu erkennen, wenn überhaupt nur als vorbeihuschende Schatten. In einem Gasthaus hörten sie lautes Gelächter, als sie vorübergingen. Endlich standen sie vor einem hölzernen Gartentor. Die Fenster des Hauses waren dunkel. "Hoffentlich schläft dein Freund nicht schon." Sagte Damrod leise. Sie schritten den Gartenweg entlang und stiegen dann drei Stufen zur Haustür empor. Sie standen vor einer schweren Eichentür, die mit reichem Schnitzwerk verziert war. Eglenn klopfte vernehmlich an die Tür, daraufhin rührte sich im Obergeschoss etwas. Schwere Schritte kamen eine Treppe herunter und blieben schließlich vor der Tür stehen. "Wer da?" rief eine tiefe Stimme von drinnen. "Ich bin es, mein Freund" antwortete Eglenn. Die Tür wurde regelrecht aufgerissen. Ein kleiner, rundlicher Mann erschien im Türrahmen, mit einem Morgenmantel bekleidet. "Eglenn, welch eine Überraschung! Jahrelang hörte ich kein Wort von dir und nun stehst du plötzlich mitten in der Nacht vor meiner Haustür. Was für eine Freude!" rief der Mann aus und umarmte den großen Elben. "Auch ich freue mich, dich zu sehen." Sagte Eglenn. "Doch höre, ich habe nicht viel Zeit. Ich brauche zwei Pferde, würdest du mir welche leihen?" "Gleich zwei?" fragte der kleine Mann erstaunt. Nun erst gewahrte er Damrod in der Dunkelheit. Er hielt die kleine Laterne hoch, die er in der Hand hatte, und sah dem jungen Mann ins Gesicht. "Wer ist das denn?" fragte er, offensichtlich überrascht. "Das ist Damrod. Er begleitet mich." Erklärte Eglenn kurz. "Na, mir soll's recht sein. Die Pferde leihe ich euch selbstverständlich. Aber wie ich dich kenne, seid ihr vollkommen überstürzt und ohne Mahlzeit aufgebrochen. Erst müsst ihr reinkommen und etwas essen." Sagte der Mann und zwinkerte dem grinsenden Damrod zu. Sie traten ein und der nette Mann rief seine Frau. Diese bereitete in Windeseile eine gute Mahlzeit. "Nun kommt, setzt euch und greift zu!" sagte sie. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Damrod aß begierig, Eglenn nahm nicht so viel wie sein Begleiter. Auch der rundliche Mann und seine Frau aßen mit. Die beiden hatten viele Fragen und Eglenn musste von einigen Erlebnissen der letzten Jahre berichten. Damrod erzählte von seiner Begegnung mit dem Elben. Als auch er satt war, führte der nette Mann sie in den Hinterhof. Dort stand ein Pferdestall. "Ich gebe euch die schnellsten Pferde. Mögen sie euch gute Dienste leisten." Sprach der Mann. Dann holte er zwei große, dunkelbraune Pferde herbei. "Ich danke dir, mein Freund. Sättel brauchen wir nicht. Wenn wir sie dir zurückbringen, haben wir hoffentlich mehr Zeit zum Reden." Meinte Eglenn. "Hoffentlich" wiederholte er. Mühelos sprangen sie auf die Rücken der Pferde. "Auf bald" riefen sie ihrem Freund noch zu und schon galoppierten sie durch das Tor. Dann waren sie in der Dunkelheit verschwunden und nur der Hufschlag auf der Straße verklang langsam. Beide ritten ohne Sattel und Zaumzeug. Damrod hatte gelernt, wie die Elben zu reiten, also das Pferd nur durch Zureden zu lenken. Es waren sehr schöne Tiere, die ihr Freund ihnen gegeben hatte. Ihr Fell glänzte im Mondschein. Sie waren groß und trotzdem wendig. Als sie die Stadt verließen, gingen sie in einen gestreckten Galopp über. Schnell wie der Wind flogen sie über das trockene Gras. Die Hufe der Tiere berührten den Boden kaum, sie streichelten ihn nur. Meist ritten sie über hügeliges Grasland oder auf verschlungenen Wegen. Sie gönnten sich und den Pferden oft Pausen. So kamen sie während der Nacht weit voran und manch einsamer Wanderer sah die beiden wie stumme Schatten durch die Dunkelheit reiten. Der Morgen malte die nahen Berge rot und golden an und das Gras wiegte sich wie die Wellen des Meeres. Sie waren fünf Meilen nordwärts geritten und nachdem sie den Fluss Adorn überquert hatten, westlich. Am Morgen erfrischten sie sich an einem kleinen Bach und frühstückten. Schließlich ritten sie in die Berge. Der alte Pfad , den sie entlang ritten, war noch gut erhalten. Die Pferde gingen im Schritt, an steilen Stellen mussten die beiden Reiter absteigen. Die Straße führte bergauf und bergab oder um einen Berg herum. So ritten sie den ganzen Tag bis es dunkelte. Riesige Vogelschwärme kehrten in ihre Nester zurück. Als die Sonne unterging, wurde es still in den Bergen. Damrod und Eglenn suchten einen geeigneten Lagerplatz. Schließlich fanden sie einen einsamen Baum, unter dem sie mit Zweigen und trockenem Laub ein Feuer entzündeten. Die Pferde banden sie am Stamm fest. Damrod hatte die erste Wache und Eglenn legte sich hin. Der junge Mann suchte sich aus seinem Rucksack etwas essbares, dann und wann legte er Holz nach. Der Mond war schon ein Stück am Himmel gewandert und eine Eule schrie, als plötzlich die Pferde unruhig wurden. Damrod stand auf und zog sein Schwert. Durch einen kleinen Stups mit der Schuhspitze weckte er den schlafenden Elben. "Was ist?" fragte dieser. Der junge Mann nickte in Richtung der Pferde, die unruhig an ihren Seiten zogen. Plötzlich sprang ein kleines Wesen mit großen Fledermausohren hinter den Felsen hervor. Riesige, giftgrüne Augen sahen die beiden eine Sekunde lang an. Dann schnappte es sich Damrods Rucksack mit den Vorräten und huschte hinter einen Felsen. Mit drei großen Sätzen war Damrod an dem Stein und warf sich dahinter. Er bekam mit einer Hand einen Riemen seines Rucksacks zu fassen. Es gab einen kurzen, aber harten Kampf. Das Wesen mit den großen Augen hatte lange Krallen, doch es traf mit ihnen nur den Rucksack. Dann flüchtete es. Der junge Mann atmete erleichtert auf. Er nahm den zerfledderten Rucksack an sich und stand auf. Als er sich jedoch umdrehte und zum Lagerplatz sah, fiel er ihm wieder aus der Hand. Einige Äpfel kullerten auf den Boden. "Eglenn!" schrie er und rannte hinüber. Der Elb lag blutend am Boden. Er hatte eine Wunde am Kopf und sein Schwert lag neben ihm. "Was ist los? Wer hat das mit dir gemacht?" Damrod sank auf die Knie und rüttelte den Elben an der Schulter. Dieser stieß einige Schmerzenslaute hervor. "Trolle!" keuchte er schließlich. "Sie... haben mir in den Bauch geschlagen... und an den Kopf... Die Pferde sind fort alles andere... auch!" brachte er stockend hervor. "Ist gut, Eglenn. Beweg dich nicht, sag nichts mehr. Ich versorge erst deine Wunden, dann suche ich die Pferde. Vielleicht sind sie nur weggelaufen und ich kann sie noch einfangen. Wenn es dir besser geht, können wir weiterreiten und in der nächsten Stadt alles Nötige auftreiben." Beruhigte sein Freund ihn. Er zog einen Verband aus der Tasche und wickelte ihn um den Kopf des Elben. Danach besah er sich die Wunden am Körper. Zwei von Eglenns Rippen waren gebrochen, außerdem hatte er viele Blutergüsse. Behutsam hob er den Elben auf und trug ihn zum Feuer. Eglenn stöhnte. Der junge Mann wickelte ihn in Decken, brachte das Feuer wieder richtig in Gang und holte den Rucksack mit den Vorräten. "Wenn etwas nicht stimmt, ruf dreimal wie eine Eule. Ich bin in der Nähe." Sagte er zu dem Elben und ließ ihn allein. Geschickt kletterte er eine Felswand hinauf. Oben angelangt spähte er in alle Richtungen. Er legte sich auf den Bauch und presste das Ohr auf den Boden um vielleicht Hufgetrappel zu hören. Doch vernahm er auch auf diesem Wege keinen Laut. Kapitel 6: ----------- Vorsichtig kletterte er wieder hinunter. Er schlich sich hinter einen Stein und spähte hervor. Nichts regte sich. So suchte er die gesamte Gegend ab und je länger er suchte, desto größer wurde seine Anspannung. Irgendetwas lag in der Luft, Damrod hatte sich in solchen Dingen noch nie geirrt. Dann plötzlich, tief in den Boden eingedrückt, fand er eine Spur. Große Fußabdrücke, sie waren noch frisch. Im Mondlicht waren unübersehbar. Der junge Mann folgte ihnen, aber er entfernte sich mehr und mehr vom Lager. Er war so leise wie nur Elben es sein können und schlich sich immer im Schatten der Felsen entlang. Die Spannung in ihm wuchs, er erwartete etwas, von dem er nicht wusste, was es war. Endlich sah er das Versteck der Trolle. Eine Höhle, schwarz war die Öffnung im grauen Gestein. Ein Pferd wieherte ängstlich. Er nahm allen Mut zusammen, den er besaß, hielt die Luft an und ging in die Höhle. Der Gang war erst schmal und gewunden, doch schon bald wurde er breiter und nach der letzten Kurve stand man in einem großen Hohlraum. Wasser tropfte von den Wänden und der Decke. Damrod wagte kaum zu atmen, er erwartete hinter jeder Ecke einen riesigen Troll, mit dem er es nie hätte aufnehmen können. Die Wände waren von einem Feuer erhellt. Der junge Mann hatte das Ende des Ganges erreicht. Nur wenige Schritte trennten ihn von dem großen Hohlraum in dem das Feuer prasselte. Zwei Trolle hielten ein Festgelage, ihr röhrendes Lachen hallte von den Wänden wieder. Damrod spähte im Raum umher. Endlich entdeckte er die Pferde, die zitternd in eine Ecke gedrängt waren. Am Boden lag der gestohlene Rucksack. Der junge Mann konnte nichts tun, das wusste er. Er hätte den gesamten Raum durchqueren müssen, um zu den Pferden zu gelangen. Auch konnte er die Trolle nicht ausschalten. Er musste sie aus der Höhle herauslocken. Er schlich sich wieder nach draußen und sah sich um. Die kühle Nachtluft schlug ihm ins Gesicht. Er atmete einmal tief ein, dann rannte er zu Eglenn zurück. Seine Füße trugen ihn geschwind über das rissige Gestein. Der Mond beleuchtete seinen Weg und so war er binnen Minuten an seinem Ziel. Der Elb lag regungslos, aber mit offenen Augen am Boden. Sein Begleiter gab ihm etwas Wasser aus der Feldflasche, die er immer am Körper trug. Dann legte er neues Holz in das Feuer. "Hast du... die Pferde gefunden?" Fragte der Verwundete und drehte mühsam den Kopf nach ihm um. "Die Trolle haben sie. Noch sind sie am Leben, aber wohl nicht mehr lange, fürchte ich" erklärte der junge Mann. "Diese Halunken sitzen in einer Höhle. Nur ein Ausgang. Ich allein könnte es nicht einmal mit einem aufnehmen, geschweige denn mit beiden. An denen kommt keiner vorbei. Herauslocken werden sie sich nicht lassen, denn es dämmert bald. Die Sache ist aussichtslos, wenn du mich fragst" sagte er. "Nicht ganz" erwiderte der Elb, "... meine rechte Tasche..." Damrod stand auf und befühlte die Hosentasche. Dann zog er ein kleines, gläsernes Gefäß mit weißen Kügelchen darin heraus. Fragend sah er den Elben an. "Man zerreibt eine Kugel... taucht eine Pfeilspitze in... Wasser und dann in das Pulver... das würde sogar eine ganze Horde Orks betäuben..." brachte sein Freund hervor. "Und was soll ich tun?" Wollte der junge Mann wissen. "Tu ihnen was in... ihre Getränke. Sie werden... einen Monat lang schlafen!" Lächelte der Elb. Damrod lächelte zurück. "Dann mach ich mich gleich auf den Weg!" "Ja..." nickte sein Freund, "ich bleibe so lange hier..." Nun hockte Damrod wieder kurz vor der Höhle. Er halbierte eine der Kugeln mit seinem Messer, dann nahm er sie fest in die Hand, um sie nicht zu verlieren. Plötzlich wurde es laut in der Höhle. Der junge Mann spähte vorsichtig um die Ecke und sah, dass einer der Trolle aufgestanden war und jetzt beide lauthals in einer grässlichen Sprache stritten. Er wollte und konnte nichts verstehen. Der andere Troll sprang ebenfalls auf, ging auf den ersten los. Und Damrod sah seine Chance. "Jetzt oder nie!" dachte er sich, sprang auf und rannte gebückt an der Höhlenwand entlang. Danach schlich er katzengleich zum Feuer. Jedem der Trolle tat er eine halbe Kugel in den klobigen Weinbecher. Gleich darauf verschwand er zum rettenden Ausgang. Geschafft! Sein Herz klopfte noch wie wild, er fühlte sich etwas benommen. Das hätte leicht schief gehen können. Er war um die Kurve gebogen, als er strauchelte und der Länge nach hinfiel. Es gab ein Echo, die Trolle horchten auf. "Was war das? Es riecht nach Mensch!" stellte der eine fest, nun in der Gemeinsprache. Damrod blieb das Herz fast stehen. Da rührte sich eines der Pferde. "Die Viecher. Die stinken regelrecht nach Menschen! Warum bringen wir sie nicht endlich um?" Der andere sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an. "Wir haben Fleisch, die heben wir für Notzeiten auf" wurde ihm geantwortet. Sie setzten sich ans Feuer, den Streit hatten sie vergessen. Der Mensch bewegte sich. Er hatte Todesängste ausgestanden. Er legte sich hinter der Biegung auf die Lauer und es dauerte nicht lange, dass die Trolle eingeschlafen waren. Damrod hatte immer gedacht, dass Trolle schnarchen würden, er hatte sich geirrt. Vorsichtig holte er den Rucksack und die Pferde. Er erlebte eine kleine Überraschung, denn bei den Pferden lag ein Beutel mit Edelsteinen und ein kleiner Haufen Gold. Der junge Mann nahm sich den Beutel und einen Teil des Goldes, dann machte er sich schleunigst auf in Richtung Ausgang. Die Trolle wurden nicht wach. Er machte sich eilig auf den Weg. Draußen war die Sonne bereits aufgegangen. Eglenn hörte sich den Bericht seines Freundes an. "Ich glaube nicht, dass ich reiten kann" meinte er. "Das ist unser geringstes Problem" sagte Damrod fröhlich. Er baute aus zwei kräftigen Stöcken und seinem Mantel eine Trage, notdürftig, aber stabil. Diese band er zwischen die beiden Pferde. Schließlich legte er den Elben behutsam darauf. Er packte die kläglichen Reste ihrer Ausrüstung zusammen und so brachen sie sofort auf. Damrod führte die Pferde schnellen Schrittes am Zügel, Eglenn lag auf der Trage. Der junge Mann gönnte ihnen wenige Pausen, nur, um sich oder seinem Freund etwas Wasser und zu essen zu geben. Sie kamen in bewaldete Gegenden, die Sonne wanderte zwischen den Felsklippen und Bergkuppen entlang. Am späten Nachmittag erreichten sie eine Stadt. Damrod erkundigte sich nach einem Heiler. Nach einigem Suchen fand er einen, in dessen Obhut er seinen Freund gab. Der Heiler sah vertrauenserweckend aus, er hatte klare, freundliche Augen. Damrod machte sich auf den Weg, ihre Vorräte aufzufüllen und andere Sachen, die sie verloren hatten, zu kaufen. "Du bist nicht von hier, oder?" ein kleiner Mann mit gelblicher Haut sprach ihn an. Damrod verdrehte die Augen und packte die neuen Sachen in seinen Rucksack. Er hasste derartige Fragen. Schnell drehte er sich um und ging. Doch der Mann folgte ihm. "Antworte! Bist du stumm? Solches unfreundliches Gesindel wollen wir hier nicht haben. Ich befehle dir, diese Stadt unverzüglich zu verlassen." Er fuchtelte Damrod mit einer goldenen Marke vor der Nase herum. "Wer seid ihr, der solches befehlen kann? Ein Hauptmann?" "Ich bin oberster Offizier der Stadtsicherheit und dafür verantwortlich, dass Fremde keinen Ärger machen" "... indem ihr keine Fremden in die Stadt lasst." Ergänzte Damrod. Der Kleine lief blutrot an. "Das lasse ich mir nicht bieten! Das ist eine Beleidigung! Entweder sie verlassen jetzt freiwillig die Stadt oder ich rufe Verstärkung" der große Mann sah ihn belustigt an. Wie ein Kobold hüpfte der zu kurz geratene Offizier mit den Armen rudernd um ihn herum. "Da wäre ich aber..." in diesem Moment ertönte von einem Turm eine Glocke, es war die siebte Stunde am Abend. "Es tut mir leid, aber ich kann mich leider nicht länger mit ihnen unterhalten, ich habe keine Zeit. Guten Abend" Damrod verbeugte sich vor dem verdutzten Offizier, drehte sich um und ging davon. Die Nacht verbrachte er in dem Haus, in dem auch sein Freund untergebracht war. Man hatte ihm den Brustkorb bandagiert und auch sein Kopf war verbunden, aber er hatte keine Schmerzen mehr. Trotzdem war er sehr besorgt. "Ich muss diese Nachricht überbringen, eine weitere Verzögerung darf ich nicht hinnehmen" erklärte er, während er aus dem Fenster die blassen Sterne betrachtete. "Aber Eglenn, du musst dich ausruhen. Ein Ritt würde deinen Zustand nur noch weiter verschlechtern." Wandte sein Freund ein. "Das ist möglich, aber es geht um Leben und Tod" "Und mir geht es um dein Leben, Eglenn! Warum willst du nicht verstehen, du würdest diesen Ritt nicht heil überstehen. Du bleibst hier, solange, wie es der Heiler sagt. Sobald du in der Lage dazu bist, werden wir losreiten." Ein Glühen trat in Eglenns Augen, doch er hielt seinen Zorn im Zaum. "Es klingt so, als würdest du mir befehlen, das Bett zu hüten. Damrod, ich kann gut für mich entscheiden. Ich empfehle dir, dich schlafen zu legen. Du hast in der letzten Zeit kein Auge zugetan" Damit war das Gespräch beendet. Am nächsten Morgen wachte Damrod gut erholt auf. Sein Freund war schon aufgestanden. Er besah seine Wunden. "Ich habe mit dem Heiler gesprochen. Er war dagegen, dass ich gehe. Doch er meinte, die Wunde am Kopf verheile schnell. Ich könnte heute schon aufstehen, sollte mich aber nicht überanstrengen" der Elb drehte sich zu seinem Begleiter um. "Ich habe also beschlossen, morgen in aller frühe aufzubrechen" der junge Mann nickte. Er hatte befürchtet, sein Freund hätte schon heute aufbrechen wollen. So verbrachten sie einen schönen Tag, sorglos und in Ruhe schlenderten sie durch die Stadt und alle, die sie sahen, schauten ihnen verwundert hinterher. Denn es geschah nicht oft, dass ein Elb und ein Mensch gemeinsam durch die Lande reisten. Die beiden ließen sich daran nicht stören, sie genossen den Sonnenschein und dachten nicht an ein Morgen oder die Zukunft. Bei einer Mahlzeit in einem Park der Stadt traf Damrod einen Bekannten: den kurzen Offizier. Dieser war sehr empört darüber, ihn hier anzutreffen. "Ich habe dir gestern eindeutig befohlen, die Stadt zu verlassen. Ich bestehe darauf, dass du das sofort nachholst" zeterte er. Eglenn lächelte belustigt. "Du hast schon die Bekanntschaft von diesem überaus freundlichen Herrn gemacht?" Er zwinkerte zu seinem Freund. "Wir begegneten uns gestern zufällig. Er hat mich freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, wie friedlich dieses schöne Städtchen dank ihm ist. Wollen wir nicht immer hier bleiben? Es gibt sicher schöne Häuser hier und der freundliche Herr Offizier wird uns bestimmt bei der Suche helfen, nicht wahr?" Entgeistert starrte der Offizier den jungen Mann an. Er klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch dann schloss er ihn wieder. Die beiden Reisenden amüsierten sich köstlich. "Dann bräuchten wir nicht aus der Stadt zu gehen, wir wären ja keine Fremden mehr. Er würde uns sicher in seinem Haus aufnehmen, sonst müssten wir leider überall herumerzählen, was für ein herzloser Mensch er wäre. Offizier wäre er nicht mehr lange und das wollen wir ja nicht, oder, mein Freund?" Frech grinsend sah er den kleinen Mann an, dem alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Um sie herum blieben die Leute stehen und hörten dem sonderbaren Gespräch zu. Der kurze Offizier schien kleiner zu werden, in sich zusammen zu schrumpfen. "Aber Junge, erschrick doch den armen Mann nicht so! Er schaut schon ganz geschockt drein. Keine Sorge, Herr Offizier, wir haben vor, morgen ihr Städtchen zu verlassen. Am besten, sie gehen erst einmal nach Hause, legen sich hin und erholen sich von diesem fürchterlichen Schrecken." Lachend erhoben sie sich von dem Brunnenrand, auf dem sie gesessen hatten und schickten sich an zu gehen. Vorher verbeugten sie sich zum Abschied fast bis zum Boden, dann gingen sie lebhaft plaudernd die sonnenbeschienene Straße hinunter. "Ich möchte wetten, sein Geschrei hören wir bis zu unserer Unterkunft" sagte Damrod immer noch lachend. "Dann lass uns hingehen und hören!" "Damrod, du musst aufwachen. Wir müssen los." Der Elb riss ihn sanft aus den Träumen. "Ich hatte einen seltsamen Traum. Sehr dunkel und sonderbar real..." sein Freund hatte schon alles gepackt, jedoch hielt er inne und sah Damrod erwartungsvoll an. Er wusste, dass manchmal solch sonderbare Träume Realität wurden, Visionen, die weder vor- noch nachher wieder auftraten. "Erzähl ihn mir" bat Eglenn. "Ich... ich hab ihn vergessen" sagte Damrod selbst enttäuscht. Er stützte den Kopf in die Hände. "Das lässt sich wohl leider nicht mehr ändern" sprach der Elb. Er legte einen kleinen Umschlag als Lohn für den Heiler auf den Tisch. Der Mann wusch sich den Schlaf aus den Augen, dann brachen sie in aller Heimlichkeit auf. Damrod war derartige Aktionen gewöhnt, aber jedes Mal verspürte er den Wunsch, sich bei den Leuten zu entschuldigen. Er stellte sich vor, wie der Heiler am Morgen nach seinem Schützling sehen wollte, doch stattdessen das Bett verlassen vorfand. Der Mann tat ihm leid. Sie ritten durch die Nacht und es dauerte nicht lange, dass sie wieder auf der von Eglenn vorgesehen Reiseroute waren. Graue Landschaften zogen an ihnen vorbei, schwarze Schatten von Bäumen. Sie hatten die Berge hinter sich gelassen und ritten durch die Pferdemark Rohan. Der Wind seufzte leise, während er durchs Gras strich. Sie galoppierten über die Ebene, bis es dämmerte und der Morgen anbrach. Die Sterne verblassten. Und Damrod ritt in einen Sonnenaufgang, wie er ihn noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Die Sonne erhob sich blutrot hinter dem Horizont, sie steckte die gesamte Graslandschaft in Brand. Der Himmel über ihnen verfärbte sich in sämtlichen Farben des Regenbogens. Der Mann war so überwältigt, dass er zu singen anfing. Ein wunderbares Lied, die Worte der elbischen Sprache kamen ihm regelrecht zugeflogen. Seine klare Stimme schwang sich hinauf bis zum Himmel und Eglenn stimmte mit ein. Die Pferde, wie von einer fremden Kraft angespornt, jagten über die Ebene. Seit das letzte Bündnis von Elben und Menschen gemeinsam gegen Sauron den Verräter auszog hatte dieses Land keinen schöneren Gesang der beiden Rassen vernommen. Und noch lange, nachdem sie geendet hatten, klang das Lied in ihren Herzen nach. Von weitem sahen sie viele kleine Dörfer. Damrod erinnerte sich jedes Mal, wenn er solche Dörfer sah, an seine Heimat. Er war nie dorthin zurückgekehrt. Manchmal fragte er sich, wie viele von seinen Freunden überlebt hatten, doch nie dachte er lange darüber nach. Er war ein Mensch, der die Vergangenheit meist auf sich beruhen ließ und für seine Zukunft arbeitete. Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, machten sie Rast. Sie aßen und ließen die Pferde frei herumlaufen, denn sie wussten, dass sie auf ihr Rufen zurückkommen würden. Während sie noch aßen, kam ein Trupp Rohirrim vorbei. "Wer seid ihr und was sucht ihr in der Mark von Rohan?" Fragte ein grimmig aussehender Reiter. Er schien der Anführer zu sein. "Wir sind nur zwei Reisende auf dem Weg nach Norden." Erwiderte Eglenn. Der starke Mann sah ihn misstrauisch an. "Es geschieht selten, dass ein Elb in unser Land kommt, noch dazu in der Begleitung eines Menschen. Doch sagt, sind das eure Pferde, die dort auf der Ebene grasen? Es sind wunderschöne Tiere" stellte er fest. "Es ehrt mich, solches Lob aus dem Munde eines Pferdeherren zu hören. Die Tiere gehören einem Freund von mir, wir brauchen sie. Wir haben sehr dringende Geschäfte zu erledigen." Erklärte der Elb. "Auch wir haben etwas zu erledigen. Lebt wohl, vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder!" Sagte der große Mensch, dann wandte er sich um und ritt sehr schnell davon. Der ganze Trupp folgte ihm in geordneten Reihen. Von Fernem hörten die beiden sie noch singen. Auch für sie wurde es Zeit, aufzubrechen. Sie riefen die Pferde und ritten weiter. Am Abend überquerten sie die Entwasser, die Nacht verbrachten sie in einem kleinen Gasthaus in einer Stadt, die zufällig auf dem Weg lag. Da Damrod noch nicht müde war, gingen sie in ein Gasthaus. Es war eine späte Stunde und das Gasthaus war deshalb gut besucht. Die beiden waren es schnell leid, Fragen zu beantworten, deshalb gingen sie hinaus. Sie fanden schnell den Stadtpark, wo man die Sterne sehr gut sah. Dort wanderten sie herum, danach setzten sie sich auf einen Brunnenrand. Dort saß auch ein kleines Mädchen. "Wie heißt du denn?" fragte Damrod. "Lea" antwortete die Kleine schüchtern. "Und du?" fragte sie nun ihrerseits. "Ich heiße Damrod. Und das hier ist mein Freund Eglenn. Kapitel 7: ----------- ... Und das hier ist mein Freund Eglenn" "Eglenn? Das ist ein sonderbarer Name für einen Menschen" stellte das Mädchen fest. "Aber er ist kein Mensch, er ist ein Elb. Hast du etwa noch nie einen Elben gesehen?" Fragte der junge Mann erstaunt. Aber sein Freund legte ihm die Hand auf seine Schulter. "Nein, Damrod, das Mädchen ist blind. Es kann mich nicht sehen" Damrod sah sie an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie die Augen geschlossen hielt. Sie lächelte. "Elben haben sehr schöne Stimmen. Es ist das erste Mal, dass ich einen reden höre" Dann fuhr sie Eglenn mit den Fingerspitzen sanft über das Gesicht. Über die Nase, die Wangen, die Stirn. "Man sagte mir einst, dass das Schöne Volk seinen Namen nicht umsonst trüge. Nun bin ich überzeugt, dass es stimmt" Plötzlich fegte ein kleines, geflügeltes Tier über sie hinweg. Es stieß einen hellen Ton aus und verschwand in der Nacht. "Was war das?" Fragte Lea. "Es klang wie ein Vogel, aber in der Nacht fliegen keine Vögel!" "Das war eine Nachricht für mich. Damrod, du kannst mich nicht begleiten, wir sehen uns später" sagte der Elb und ehe man sich versah, war er nicht mehr da. "Macht er das immer so?" Fragte das Mädchen verdutzt. "Ja, das ist so eine Eigenart von ihm. Er verschwindet gerne und ich weiß nicht, warum oder wohin. Das macht ihn sehr geheimnisvoll" lachte der junge Mann. "Du kennst ihn schon lange?" Interessiert setzte sie sich neben ihn. "Für einen Menschen, ja. Er nahm mich auf, als ich noch ein Knabe war" "Und was ist mit deinen Eltern?" "Sie sind entweder tot oder gefangen. Ich weiß es nicht" sagte er. "Oh, das tut mir leid" "Ich habe es überwunden. Eglenn hat mir dabei sehr geholfen. Mit der Zeit wird der Schmerz schwächer, er verschwindet nicht, aber man spürt es nicht ständig. Ich denke, es ist nicht mehr so schlimm, wie wenn ich jetzt noch mein Augenlicht verlieren würde. Das muss wie ein zweiter Tod sein" erklärte er. "Nein. Man gewöhnt sich daran, man lernt, damit umzugehen. Kein Tod, eine andere Welt. Es ist eine große Umstellung, aber es ist wesentlich schlimmer, einen Menschen zu verlieren, den man liebt. Auch ich habe keinen Vater mehr" mitleidig sah Damrod das Mädchen an. Sie war vielleicht zwölf Jahre alt und schon so vom Leben bestraft. "Ich kann mich noch an die Tage erinnern, als ich noch sehen konnte. Ich denke mir für jeden Menschen, den ich kenne, ein Wort aus. Meine Mutter ist ,Musik'" erzählte sie. "Sie liebe ich am meisten" "Und was bin ich?" Fragte Damrod lächelnd. "Du bist ,Wasser'" "Und Eglenn?" "Geheimnis" Darüber lachten sie beide so sehr, dass man es im ganzen Park hätte hören können. Zu später Stunde kam der junge Mann in das Zimmer, das er sich mit dem Elben teilte. Sein Freund war schon da. "Was machst du da?" "Ich lese" antwortete Eglenn. Sein Begleiter sah ihn fragend an. "Ich trage immer etwas Lektüre mit mir herum, für Stunden wie diese. Ich sitze nicht gern untätig herum, wenn mein Freund nicht da ist" scherzte er. "Man lernt immer neue Seiten von dir kennen, Eglenn. Du bist wie ein tausendseitiges Buch. Du bist eben ,das Geheimnis' "Was bin ich?" "Lea beschreibt jeden, den sie kennt, mit einem Wort. Du bist das Geheimnis" meinte der Mann lächelnd. "Sehr treffend" Eglenn lächelte zurück. "Sie bat mich auch um einen Gefallen" sagte sein Freund nachdenklich. Der Elb sah ihn gespannt an. "Sie lernt wenig Leute kennen. Deshalb soll ich mir für jeden, den ich treffe, ein Wort suchen und es aufschreiben. Was meinst du dazu?" "Ich denke, dass du dieses Mädchen für sehr wenig Aufwand sehr glücklich machen kannst. Nimm die Aufgabe ruhig an, aber jetzt leg dich erst einmal zur Ruhe. Wir reisen schließlich nicht zum Spaß" erwiderte Eglenn. "Wie könnte ich das vergessen? Sieh dich doch an, ein normaler Mensch würde nie zum Spaß mit einem Kopfverband und gebrochenen Rippen quer durch Mittelerde reisen!" "Los, du Schlafmütze, raus aus den Federn!" "Jetzt schon?" "Natürlich jetzt schon. Ich habe vor, heute viel Strecke hinter mich zu bringen und du musst mit. Kaum schläfst du wieder mal ein paar Mal in einem Bett, bist du nicht mehr wieder herauszukriegen. Mich hat wieder eine Nachricht erreicht, es drängt mich noch mehr zur Eile" rief Eglenn von unten. Er hatte bereits gepackt und hantierte nun in der Küche. "Orks greifen schon wieder an. Die Menschen im Süden brauchen Hilfe. Und wir gehen sie holen!" "Ist gut, Eglenn, ich habe verstanden. Gibt es etwas zum Frühstück?" Fragte Damrod, während er aus dem Bett sprang. "Hast du etwas gejagt? Nein, wir brechen sofort auf, wenn du fertig bist" erwiderte der Elb. Der junge Mann murrte, aber er war erstaunlich schnell abreisebereit. "Na sieh mal einer an, die Pferde haben besser gefrühstückt als ich!" Meinte er, als sie zu den Ställen kamen. "Dafür mussten sie die Nacht im Stehen verbringen. Nun komm!" Erwiderte sein Freund. Nicht viel später brachen sie auf. Damrod wusste, es würde ein langer und ermüdender Ritt werden. Die Luft war stickig und unbewegt, die Wolken ballten sich drohend zusammen, ein Gewitter nahte. Schon zuckten die ersten Blitze. Donner grollte. Kaum hatten sie die kleine Stadt verlassen, öffnete der Himmel seine Schleusen. Fröstelnd zog der junge Mann seinen Umhang fester um den Leib. Regen peitschte ihm ins Gesicht, durchnässte ihn durch und durch. Doch er wusste, sie konnten nicht anhalten oder sich unterstellen, sie hatten schon zu viel Zeit vertrödelt. Er hatte Mitleid mit den Menschen im Süden, die jeden Tag auf die Rettung hofften. Er ritt schneller. Irgendwann müssten sie ja aus diesem Unwetter wieder herauskommen, auf Regen folgt Sonne. Das war seine Parole und gab ihm den Mut und die Kraft, weiterzumachen. Auch dieser Krieg musste einmal enden, die Orks könnten nicht ewig plündernd durch die Lande ziehen. Er schloss einen Moment die Augen um sich vorzustellen, wie schön der Frieden wäre. Vielleicht würde er einen kleinen Hof aufmachen oder Pferde züchten und verkaufen. Oder mit Eglenn einfach weiter im Wald leben oder in die Stadt ziehen. Er würde nicht mehr ohne Frühstück aufstehen müssen. Er spürte seinen Hunger größer werden, bald konnte er an nichts anderes mehr als ans Essen denken. "Nein, in diesem Regen können wir nicht anhalten, wir haben es eilig und es ist nicht gerade ratsam, halb durchweichtes Brot zu essen. Ein Feuer würden wir sowieso nicht in Gang bringen, es sei denn, Eglenn hätte dafür wieder einen seiner Zaubertricks. Jetzt wird nicht gegessen" sagte er zu sich, und dabei blieb er. Einige Stunden später ließ der Regen nach und bald hörte er ganz auf. Die Wolken verzogen sich und gaben den Blick auf den blauen Himmel frei. Sie hielten an, setzten sich ins nasse Gras und aßen sich satt. Ein Feuer brachten sie wirklich nicht zustande, also mussten sie sich mit Brot und getrockneten Früchten begnügen. Frisch gestärkt ging es nun schneller voran, das Atmen fiel leicht, denn die Luft war klar und wohltuend nach dem Regenguss. So ritten sie weiter. Anfangs war Damrod noch erholt und guter Dinge, aber die Stunden vergingen langsam und er wurde müder und müder. Nur sein unerschütterlicher Wille trieb ihn und sein Pferd weiter. In der Abenddämmerung wurde die Landschaft grau und eintönig, doch dann hörte er ein Rauschen. Erst leise und zaghaft, dann immer lauter, bis sie schließlich am Ufer eines breiten Flusses standen. Schwarz wälzte er sich dahin, die Luft war kühl und frisch. Begierig sog er sie ein. Er liebte das Wasser, seinen Klang, unverändert in guten und schlechten Zeiten, bei Tag und Nacht. Seine Zärtlichkeit und seine unbändige Kraft. Er war wirklich erfreut gewesen, dass Lea ihn mit dem Wort ,Wasser' beschrieben hatte. "Was ist das für ein Fluss, Eglenn?" Fragte er seinen Freund. "Die Entwasser. Folgt man ihrem Lauf, teilt sie sich in viele kleine Flüsse auf, die Mündungen der Entwasser. Irgendwo hier muss es eine flache Stelle geben, an der wir den Fluss durchqueren können. Sie wird nur manchmal von den Dúnedain genutzt, sonst kennt sie keiner. Komm, hilf mir suchen" erwiderte der Elb. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie die Stelle gefunden hatte. Sie führten die Pferde am Zügel. Das Wasser reichte ihnen am tiefsten Punkt bis zu denn Knien, aber die Strömung war stark. Sie hatten Mühe, sich auf den Beinen zu halten, es gelang ihnen jedoch, unversehrt auf die andere Seite zu gelangen. Sie wrangen ihre Hosen aus und ritten sofort weiter bis tief in die Nacht hinein. "Eglenn, ich könnte noch ein paar Stunden aushalten. Reiten wir weiter" meinte der junge Mann, obwohl er die Augen nur mehr schwerlich offen halten konnte. "Lass gut sein. Es wird besser sein, wenn wir jetzt ruhen und morgen bei Sonnenaufgang aufbrechen. Dann kommen wir schneller voran, als wenn wir uns nun im Dunkeln dahinschlappen" Ein Feuer konnten sie nicht machen, denn sie hatten kein Holz. Auch stellten sie keine Wache auf, sie verließen sich ganz auf ihre Pferde. Damrod sank ermattet ins nasse Gras. Er roch die feuchte Erde und schlief gleich darauf ein. Sein Freund legte sich ebenfalls auf den Boden und träumte seine Elbenträume. Im Morgengrauen erwachten sie gleichzeitig. Sie badeten in einem Bach, danach aßen sie ein wenig von ihrem Wegbrot und geräuchertem Fleisch. Als die Sonne aufgegangen war, ritten sie los. Der junge Mann sah die Sumpflandschaft, durch die sie ritten, mit Unbehagen. Mücken stachen sie unentwegt, die Luft war stickig und es roch nach vermodertem Holz. Sie kamen recht langsam voran, weil sie sich den Weg um die großen Wasserlöcher suchen mussten. Im Laufe des Vormittags wurde das Land trockener und auch die Mücken unzahlreicher. Bald schon konnten sie den Fangornwald aus dem Nebel auftauchen sehen. "Man hört nicht viel von diesem Wald und wenn, dann nichts Gutes" stellte Damrod fest. "Nicht alles ist so, wie es scheint. Schenke nicht allen Gerüchten Glauben" erwiderte der Elb. In den folgenden Tagen kamen sie sehr weit. Sie hielten geradewegs nach Norden, zwischen Anduin und dem Nebelgebirge entlang. Einmal führte Eglenn sie so weit westlich, dass sie direkt am Fuß der Berge entlang ritten und den Fluss nicht mehr sahen. Wandte der junge Mann sich nach rechts, sah er einen seltsamen Wald von Bäumen mit silbernen Stämmen und goldenen Blättern. "Auch über diesen Wald wird nur Schreckensnachricht verbreitet. Doch glaube kein Wort, es ist falsche Kunde! Kein schönerer Ort ist in Mittelerde. Ich war dort und habe es gesehen. Die Herrin des Waldes ist weise, edel und schön wie der Morgen! Du wirst ihr wohl eines Tages begegnen, doch ich sehe sie nimmermehr. Unser Abschied war ein Abschied für immer" sagte der Elb halb zu sich selbst. Damrod konnte sich keinen Reim auf diese Worte machen, aber er fragte nicht. Nachdem sie einige kleinere Flüsse überquert hatten, ging es in nördlicher Richtung weiter, sodass sie schnell wieder in Sichtweite des Anduins waren. Sie nutzten einen schmalen Weg, bald galoppierend, bald in Schritt fallend. Hin und wieder wichen sie von ihm ab, um die Strecke zu verkürzen. Am dritten Tag verschlechterte sich das Wetter. Eglenn wurde immer verschwiegener, irgendetwas beschäftigte ihn sehr. Sie verlangsamten ihr Tempo nicht, sie ritten weiter durch die grauen Nebelschleier. Wasser spritzte unter dem Hufschlag der Pferde nach allen Seiten. Man konnte nicht weit sehen, aber mit der Zeit hoben sich die Regenvorhänge und es wurde heller. Der junge Mann sah verschwommen eine Sumpflandschaft auf sich zukommen. "Da müssen wir doch nicht durch, oder? Ich sehe keinen Weg für die Pferde. Wo sollen wir hin?" Fragte er leicht verunsichert. Aber in diesem Moment bog sein Begleiter scharf nach Westen ab, ritt den gewundenen Pfad einen Hügel hinab. Damrod konnte durch den Regen einen schwachen Lichtschein erkennen. Er fiel aus dem oberen Fenster eines großen Hauses. Der Garten davor sah traurig aus, die Bäume bogen die Zweige unter der Last des Wassers nach unten, die Blumen waren verschlossen. Kein Schmetterling flatterte durch die Beete. Sie stellten die Pferde an einem trockenen Platz unter. Danach klopften sie an die Hintertür. Eglenn kannte ein bestimmtes Klopfzeichen, ihnen wurde sofort geöffnet. Sie gingen eine steile Treppe hinauf, dann durch eine Tür in einen beleuchteten Raum. Ein weißhaariger Mann saß an einem schweren Holztisch. Er wirkte nicht alt, seine Statur war kräftig. Seine Vorderzähne waren überdimensional. Damrod beschrieb ihn mit ,Biber', da der Holztisch auch schon etwas mitgenommen aussah. Die beiden Reisenden nahmen Platz. Eglenn und der Mann sprachen in einer fremden Sprache miteinander, aber Damrod konnte sich anhand ihrer Gebärden den Inhalt erschließen. Erst schienen sie über ihn zu sprechen, denn der ,Biber' sah ihn manchmal an und nickte mit dem Kopf. Danach wurde der Elb ernst, sie kamen zum wesentlichen Teil, weshalb sie den ganzen Weg hierher gekommen waren. Einige Minuten herrschte Schweigen, nachdem der Elb geendet hatte. Jeder war in eigenen Gedanken versunken. Der ,Biber' jetzt sehr besonnen, er wirkte aber auch leicht verunsichert. Sie diskutierten, das Gespräch wurde hitziger. Eglenn wurde immer wütender, er sprang auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. Die Luft war wie aufgeladen, man konnte die Spannung in diesem Raum fast anfassen. Der Mann dachte angestrengt nach. Dann nickte er. In diesem Moment fiel Damrod ein Stein vom Herzen, denn er wusste, ihre Anstrengungen waren nicht umsonst gewesen. Der Elb ließ sich erleichtert auf den Stuhl zurücksinken. Einige Minuten später wurden sie von einem Knappen in ihre Gemächer gebracht. Er sprach, wenn auch nicht fehlerfrei, ihre Sprache. "Ihre Pferde sind viel gut untergebracht, ich habe mich vorhin um sie Befasst" sagte er und machte ein wichtiges Gesicht. ,Schauspieler', so nannte ihn Damrod. Er konnte Lügen ohne mit der Wimper zu zucken, in Wahrheit hatte nämlich ein anderer ihre Tiere in den Stall gebracht. Aber das interessierte den jungen Mann jetzt wenig, er war müde und wollte nur ein warmes Bett. Und dieser Wunsch wurde ihm auch erfüllt. Als er am nächsten Morgen erwachte, war sein Freund nicht im Zimmer. Damrod wusch sich den Schlaf aus den Augen. Da gewahrte er auf dem Tisch einige Scheiben Brot, Butter, Wurst, etwas Käse und einen Wasserkrug. Erfreut setzte er sich und aß. Wann hatte er das letzte Mal so gefrühstückt? Diese Mahlzeit kam ihm beinahe königlich vor. Butter? Ein Luxus in seinen Augen. Wenn sie gerade einmal nicht auf Reisen waren, hatten sie gewiss welche, aber wann war das schon? Eglenn verdiente sein Geld damit, dass er Nachrichten überbrachte. Wann immer eine von Nord nach Süd, von Ost nach West oder umgekehrt gebracht werden musste, er war der beste Mann dafür. Die Leute schätzten seine Dienste. Schneller als jeder Meldereiter brachte er Meldungen zum gewünschten Ort, er schreckte auch große Gefahren nicht um rechtzeitig anzukommen. Der Lohn für all diese Strapazen? Er bekam fast nichts im Vergleich zu seinen Bemühungen. Aber er gab sich damit zufrieden. Der Elb war nicht derjenige, der große Schätze hortete. Er war glücklich mit dem, was er hatte. Der junge Mann begleitete ihn nun schon einige Jahre lang. Dieses Leben gefiel ihm. Während er nun so gedankenverloren kauend dasaß, betrat Eglenn das Zimmer. "Damrod, ich muss mit dir reden" "Setz dich doch erst einmal und frühstücke" meinte der Angesprochene. Der Elb setzte sich zwar, aber er machte keine Anstalten, etwas zu sich zu nehmen. "Wenn du dich nachher umschaust," begann Eglenn, "wirst du sehen, dass die gesamte Stadt in Aufruhr ist. Wir haben ihnen die Nachricht überbracht und jetzt bereitet sich jeder auf den Kampf mit den Orks vor. Aber ich befürchte, sie haben nicht genügend erfahrene Kämpfer..." "Du willst kämpfen?" Unterbrach ihn sein Freund heftig. "Aber du bist verwundet! Du wirst dafür bezahlt, dass du vor den Orks warnst, nicht dass du gegen sie kämpfst!" "Richtig, weder die Wunde noch der Kampf werden mir gezahlt. Die Wunde ist mein eigenes Verschulden, ich führe meinen Beruf auf eigenes Risiko aus. Der Kampf wird mein freier Wille sein. Wenn die Feinde kommen, wird es überall hier heiß hergehen. Solltest du dich weigern zu kämpfen, müsstest du noch heute fortreiten. Das bedeutet, wir müssten uns trennen" erklärte sein Freund. Damrod lächelte. "Du bist ein guter Redner. Du klingst sehr überzeugend, obwohl sowieso feststeht, dass ich nie von dir gehen würde. Wir bleiben zusammen, solange ich lebe. Auf in den Kampf!" Eglenn sah ihn dankbar an. Er hatte zwar nicht wirklich erwartet, dass sein Freund ihn im Stich lassen würde, aber... er war ja nun ein erwachsener Mann, er konnte tun und lassen, was er wollte. Eglenn machte sich tief im innern Sorgen um den jungen Mann. Er war viel zu abhängig von dem Elben. Weiter kam Eglenn leider mit seinen Gedanken nicht, er hatte riesigen Hunger und machte sich mit seinem Freund über das Frühstück her. Wenig später schlenderte der junge Mann durch den Ort. Es war nicht mehr verregnet, aber die Wolken wollten sich nicht verziehen. Aber eine Amsel sang ungestört, als wäre es der schönste Frühlingstag. Er zeigte einigen Jungen, wie sie ihre Schwerter richtig schleifen konnten. Dann half er einer alten Frau, Vorräte in ein Kellerversteck zu bringen. Als nächstes machte er sich in einer Schmiede nützlich, wo man alle Hände voll zu tun hatte, die Pferde auf den Kampf vorzubereiten. "Ich suche einen Herrn Damrod, habt ihr ihn gesehen?" rief ein Page außer Atem. "Hier bin ich, was wünscht ihr?" antwortete der Mann. "Ich versuche schon seit Stunden, sie zu finden. Man erwartete sie. Folgen sie mir!" Der Diener brachte ihn wieder zu dem Haus, in dem er die Nacht verbracht hatte. In dem Raum mit dem Holztisch sprachen sein Freund und der ,Biber' miteinander. "Ah, da bist du ja endlich! Wo warst du denn?" "Ich habe ihn in der Schmiede gefunden." Antwortete der Diener. "Und wir dachten, du habest dir in einem Gasthaus die Zeit vertrieben, weil du so lange auf dich warten ließest" spöttelte der Elb. Der Diener schüttelte entsetzt den Kopf. "Aber wozu habt ihr mich hier herbestellt?" mischte sich nun Damrod seinerseits in das Gespräch ein. "Nun, mein Freund hier möchte dir etwas schenken. Er dankt dafür, dass du für die Stadt kämpfst, da es bitter nötig sein wird. Möge er dir bei dieser Aufgabe nützlich sein" sprach der Elb. Dem jungen Mann wurde von dem ,Biber' ein Speer überreicht. Der Schaft war mit reinem Silber überzogen, feine Ornamente darin schmückten ihn. Seine Spitze war härter als Eisen. Ungläubig betrachtete Damrod ihn. "Aber... das ist viel zu wertvoll, als dass ihr mir dies schenken könntet!" stammelte er schließlich. Der ,Biber' nickte nur freundlich. "Nimm das Geschenk an und erweise dich dessen als würdig" meinte sein Freund. Der junge Mann nahm den Speer fester in die Hand, stieß ein paar mal in die Luft. Er war selig vor Glück, noch nie hatte er eine so wunderbare Waffe in der Hand gehabt. Nun sollte sie ihm gehören! Er bedankte sich noch einige Male, verbeugte sich und ging wieder, um zu helfen. Überall in der Stadt nannte man ihn nur noch Echsilith, den Silberspeer. Abend. Die Luft wurde kühler, die Vögel stimmten zu einem letzten Konzert an. Dieser Abend war anders als die vorigen, denn es wurde in der Stadt nicht ruhiger. Aufgeregtheit und Angst war zu spüren, man sah sie in allen Gesichtern. Kapitel 8: ----------- ...Aufgeregtheit und Angst war zu spüren, man sah sie in allen Gesichtern. Jede Minute konnte der Hornruf von den dreifach besetzten Wachtürmen erschallen, dass die Orks angriffen. Jede Minute konnte die letzte sein. Es hieß, dass die Feinde in der Übermacht seien und das machte ihre Lage nicht besser. Hier fürchtete man nicht mehr um sein Hab und Gut, sondern um sein nacktes Überleben oder das seiner Familie. Der junge Mann sprach den Leuten Mut zu. Wo er war, da war Hoffnung. Da war noch die Aussicht auf einen Sieg. "Wir werden kämpfen und siegen oder als Helden sterben" so versuchte er, den Menschen Mut zu machen. Es half nicht viel, aber doch war ein wenig besser als gar nichts. Als die Dunkelheit herabsank, hätten die Leute ohne Damrod wohl vor lauter Angst den Verstand verloren. Einige versuchten panisch, die Stadt noch zu verlassen, aber Damrod und sein Freund, der später zu ihm stieß, brachten sie davon ab. Die Orks würden keinen entkommen lassen, sie würden früher oder später doch sterben. In der Gruppe bestand noch ein wenig Hoffnung auf überleben, so hielten alle zusammen. Aber die Angst steigerte sich mit jeder Stunde, die tatenlos verstrich. Die Nacht wurde kühler und dunkler, trotz der großen Feuer, die überall entzündet wurden. Angst. Angst, die in Panik geendet hätte, wenn nicht die beiden Reisenden gewesen wären. Mit einem Mal wurde es laut. Hörner erschallten, die Hörner der Stadt und missklingende Orkhörner lieferten sich einen Kampf der Töne. Nun war die Stunde herangerückt. Der Feind war gekommen, in einer Übermacht, aber nicht unerwartet. Eglenn kämpfte tapfer in der vordersten Reihe mit, später kam auch sein Freund und Begleiter, ihm zu helfen. Dieser hatte große Mühen, die Leute am Aufgeben zu hindern. Stahl traf auf Stahl, Orkblut vermischte sich mit dem der Menschen. Immer wieder stießen die Feinde in das Innere der Stadt vor, immer wieder wurden sie zurückgeschlagen. Unter Damrods Schwert sanken die Orks reihenweise nieder, manche flüchteten sogar schon vor dem grimmigen Anblick, den er bot. Der Mann wusste nun, dass Krieg nicht länger ein Spiel für ihn sein würde. Bisher hatte er mit viel Lust und Elan mit dem Elben für den Ernstfall geübt, nun war der Tag gekommen. Er sah die Grausamkeit des Kämpfens, Leute starben reihenweise. Er saß hoch zu Ross. Als er gerade an einer kleinen Gasse vorbeiritt, aus der soeben die Orks zurückgeschlagen waren, sah er zwei Männer auf dem Boden. Im Schmutz der Straße saßen sie, einer hatte eine klaffende Wunde quer über die Brust. Er schien tot zu sein. Der andere klammerte sich verzweifelt an ihn, weinte, rief immer wieder seinen Namen. Er hörte ihn nicht mehr, erwachte nie wieder. So lernte Damrod den Krieg kennen, aber er wünschte sich, es nie getan zu haben. Kurz nachdem die Sonne aufgegangen war, lebte kein Ork mehr. Die verbliebenen flüchteten panisch. Die Schlacht war gewonnen. Die Frauen räumten die Stadt notdürftig auf, denn alle Männer, die noch lebten, waren zu erschöpft, um zu helfen. Eglenn hatte nur einige Kratzer mehr, Damrod eine größere Wunde an der Schulter. Tausendmal bedankten sich die Überlebenden bei ihnen. Der Biber lobte sie in höchsten Tönen, doch das alles bedeutete Damrod nichts mehr. "Damrod?" Sein Freund sah ihn an. Der junge Mann fuhr erschrocken auf. "Entschuldigung, ich war in Gedanken" sagte er. "Du musst deine Wunde verarzten lassen, ich bringe dich zu der Heilerin" meinte Eglenn. Sie schritten die Straße entlang. "Eglenn?" Fing der Mann zaghaft an. "Ja?" Damrod sah zu Boden. Er schwieg. "Ich weiß, wie du dich fühlst. Das geht vorüber" Ungläubig sah er dem Elben in die Augen. Diese tiefe innere Wunde, wie sollte sie je vorübergehen? "Nun, du wirst es zwar nie vergessen, aber ich hoffe, du hast daraus gelernt. Nichts ist schlimmer, als andere Leute sterben zu sehen, die man einmal gesehen hat oder mit denen man befreundet war. Nichts bringt sie ins Leben zurück. Wir haben diesen Krieg nicht begonnen, Damrod, vielleicht schaffen wir es aber, ihn zu beenden. Heute mussten wir uns verteidigen" "Vielleicht hast du Recht" sagte sein Begleiter langsam. "Du hast dich verändert. Du bist erwachsen geworden!" Stellte der Elb fest. Er sah ihn freudig an und der Mann lächelte zurück. Dann fingen sie an, herzlich zu lachen. Später ging Damrod sinnend durch den Wald. Es war schon Abend. "Ein schöner Wald, er erinnert mich an zu Hause" sagte Damrod zu sich selbst. Kleine Waldblumen wuchsen rings umher, alle hatten sie schön ihre zarten Blüten geschlossen. Die Bäume hielten ihre abendlichen Gespräche im rauschenden Wind und die ersten Nachttiere erwachten. Der junge Mann hockte sich auf den Boden, damit er sie sehen konnte. Ein Fuchs schlich witternd um die Bäume und verschwand wieder im Dunkeln. Kleinere Tiere, vorwiegend Mäuse, huschten ganz in Damrods Nähe umher, bemerkten den fremden Geruch und flüchteten, so schnell sie konnten. Damrod hörte einige Zweige knacken. "Was kann das sein?" Fragte er sich, "Es muss größer sein als ein Fuchs, vielleicht ein Reh?" Gespannt schaute der junge Mann in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Langsam näherte es sich ihm. Plötzlich, an einer Stelle, an der das Mondlicht durch die Baumkronen drang, sah er weißes Fell gleißen. Ein Pferd trat hinter dem letzten Baum hervor, fast hätte Damrod geglaubt, es wäre ein Einhorn. Ein Tier, wie er es noch nie gesehen hatte. Schön und stark, mit wunderschön glänzendem Fell. Ganz langsam stand Damrod auf. Es hatte ihn gesehen. "Ganz ruhig, ich bin friedlich" sagte er leise und ging etwas gekrümmt, um nicht so groß zu wirken, auf es zu. Wie in Zeitlupe hob er die Hand und berührte die Spitzen der langen Mähne. Wie Seide, das Haar war so fein, dass es sich eher wie sehr guter Stoff anfühlte. Das Tier hatte keine Scheu vor ihm. "Welch ein Pferd, einfach unvergleichlich..." es hörte ihm zu, seine Ohren waren auf ihn gerichtet. Auf einmal sah der Mann ein Flackern in seinen Augen. Gerade rechtzeitig konnte er zurückspringen, es verfehlte ihn um Haaresbreite mit dem großen Huf. Er war sichtlich erschrocken. Hatte er etwas falsches getan? In diesem Augenblick kam es zutraulich an ihn herangetreten. Es schmiegte den großen Kopf in seine Hand. Er fing an, es zu streicheln, aber dann schnappte es nach seinen Fingern. Er reagierte schnell genug, um auch dieses Mal mit heiler Haut und Hand davonzukommen. Aber jetzt ging das riesige Pferd auf ihn los. Damrod rannte um sein Leben, schlug Haken wie ein Hase, aber dieses Pferd war schnell und wendig und hatte eine Kraft, die sich kaum vorstellen ließ. "Ich könnte auf einen Baum klettern!" schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Aber dann kam ihm eine andere Idee. Er musste es einfach versuchen. Er wurde langsamer. Auch sein Verfolger verringerte die Geschwindigkeit, es funktionierte. "Hoffentlich geht jetzt nichts schief, sonst bin ich verloren. Ein Baum könnte dieser Kraft kaum standhalten, dieser Wald ist viel zu jung. So schnell würde ich auch nicht hoch genug kommen" Er hatte fast angehalten. Der Hufschlag des Schimmels hinter ihm war deutlich zu vernehmen. Auf einen Schlag steigerte der Mensch sein Tempo, sprang behände hinter einen Baum. Der Waldboden flog unter den Einschlägen der Hufe nur so fort. Damrod war nicht der Dümmste und Ungeschickteste, geschickt sprang er auf seinen Rücken. Fast wäre der Mann vornüber gefallen, da das Tier schlagartig anhielt. Es machte keine Anstalten, ihn abzuwerfen. "Warum hast du mich gerade angegriffen? Ich kenne dieses Verhalten von verletzten Tieren. Wir gehen jetzt ganz einfach in die Stadt und schauen nach, ob dir etwas fehlt. Komm" sprach Damrod dem Pferd ganz leise ins Ohr. Durch die Blätter konnten sie die Lichter sehen, die Jagt hatte sie sehr nahe ans Dorf herangebracht. Gehorsam folgte der Schimmel auf seine Befehle. Sie ritten auf einem Weg zur Hauptstraße und auf der dann durch den Ort. "Eglenn?" Rief er vor dem Fenster seines Freundes. Der Elb schaute heraus, kam dann auf die Straße und ließ sich von dem Mann erzählen, was geschehen war. Bald wusste das gesamte Dorf von dem äußerst ungewöhnlichen Pferd. Alle hatten sich am Marktplatz versammelt. "Wer kennt sich hier mit Pferden aus?" Rief der Elb. Die Reisenden standen mit dem Schimmel auf dem Platz, es war fast das gesamte Dorf versammelt. Eine alte Frau mit einem Kopftuch und vielen Falten trat vor. Es war die Heilerin, die Damrod am Vormittag behandelt hatte. Sacht berührte sie die Flanken des Tieres, dann die Mähne, schließlich sah sie ihm in die Augen. "Hmm... hmm, ja" murmelte sie zufrieden nickend, "das Tier ist völlig gesund. Das Verhalten ist typisch. Hier steht nämlich kein Pferd, wie du annahmst, sondern ein Einhorn!" Ein Raunen ging durch die Menge und man flüsterte aufgeregt miteinander. Eglenn und sein Freund machten ähnlich ungläubige Gesichter. "Naja, es ist noch sehr jung, deshalb hat es noch kein Horn. Du bist seit mindestens einem Jahrhundert der Einzige, der hier ein Einhorn auch nur gesehen hast. Es ist sehr wertvoll" sagte die Alte und sah ihn mit strahlenden Augen an. Man hatte das Einhorn in den Stall gebracht. Damrod saß neben ihm im Heu und dachte auf einem Halm kauend nach. Sein Freund lag neben ihm. "Soll ich es behalten?" fragte er ihn. "Das ist allein deine Entscheidung. Du solltest es nicht allein des Geldes wegen behalten, das wäre ihm gegenüber nicht rechtens" meinte dieser. "Es ist ein wunderschönes Tier, wie man es schwerlich irgendwo finden wird. Es könnte uns beide sehr leicht tragen, es wäre uns also sehr nützlich" meinte Damrod. "Und was bereitet dir solche Kopfschmerzen?" Fragte der Elb. "Ich weiß es nicht. Deshalb frage ich dich, was ich tun soll" antwortete der Mann. Er sah das Einhorn an. Dann sah er seinem Freund in die Augen. Und als hätte ihm dieser Blick endlich die Antwort gegeben, stand er auf. "Dieses Tier ist zu schön, um es gefangen zu halten oder zu verkaufen. Es wird wieder freigelassen. Aber ich möchte ein letztes Mal auf ihm reiten" sprach Damrod. Eglenn nickte lächelnd. Und so ritt der junge Mann allein die Straße entlang, die er gekommen war. In der Stadt sprach man nur noch vom Einhornreiter, der seinen großen Schatz hergab. Im Wald verabschiedete sich dieser währenddessen von seinem Reittier. "Und pass demnächst besser auf dich auf, damit du nicht gefangen wirst" sagte er und klopfte ihm auf den Hals. Dann trennten sich ihre Wege, aber dieses Erlebnis vergaß der junge Mann nimmermehr. "Welch bemerkenswerte Herrschaften" staunte der Vorsteher der Stadt. Sein Blick flog von Damrod zu Eglenn und wieder zurück zu Damrod. "Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen danken soll! Die Taten, die sie hier vollbracht haben, sind unbezahlbar, wie es Heldentaten an sich haben..." "Wir möchten keinen Lohn. Wir haben uns freiwillig dazu bereiterklärt" unterbrach ihn der Elb. Trotzdem dankte ihm der Mann noch mindestens tausendmal, wie es Damrod vorkam. "Die Orks, die geflüchtet sind, ziehen nach Süden, in die Ered Nimrais, sie hinterlassen eine unübersehbare Spur der Verwüstung. Dass dieses Unheil von der Stadt abgewendet wurde, grenzt an ein Wunder. Und sie scheinen gelernt zu haben und machen um jedes kleine Dorf einen großen Bogen, das alles haben wir ihnen beiden zu verdanken..." sprudelte er heraus. Aber die beiden Reisenden waren blass geworden. "In die Ered Nimrais? Seid ihr euch sicher? Aber das ist unsere Heimat!" Stoppte der junge Mann den gewaltigen Redefluss des Vorstehers. Kapitel 9: ----------- >Sorryyyyy! ich hab mich mit der Reihenfolge der Kapitel vertan! das tut mir echt leid!!!!< Verdutzt sah der Mann ihn an. "Ja... aber..." stammelte er. "Wir müssen sofort los!" Rief Eglenn und schnappte sich seinen Umhang. "Aber die Orks haben schrecklich viel Vorsprung! Das schafft ihr nie!" Wandte der Vorsteher ein. "Wir müssen wohl mal wieder eine Heldentat vollbringen. Auf Wiedersehen!" Rief Damrod dem Mann im Herausrennen zu. Es sollte fröhlich klingen, aber das tat es nicht. Beide wussten, jetzt durften sie keine Zeit verlieren. Sie gaben den Pferden die Sporen. Sie hatten sich nicht umgedreht, als sie aus der Stadt ritten und die Leute nicht beachtet, die ihnen nachwinkten. Sie hatten ihnen geholfen, jetzt mussten sie sich selbst helfen. Mehrere Tage hatten die Feinde Vorsprung und sie waren schnell. Es wurde knapp, sehr knapp. Beide Pferde jagten dahin, auf dem selben Weg, den sie gekommen waren. Sie machten nur halb so viele Pausen, gönnten sich und den Pferden nur Rast, wenn es unbedingt nötig war. Von dieser Reise sei nun aber nicht viel berichtet, sie überholten die Orks, indem sie tagsüber ritten und ihr Feind nachts. Gerade ritten sie auf einer Straße durch Rohan, als sie einen alten Mann am Rand entlang humpeln sahen. Eglenn zügelte sein Pferd. "Sei gegrüßt, Freund, was bringst du für Nachricht?" rief er dem Wanderer zu. Überholt habt ihr die Orks wohl, doch sie folgen euch dicht auf den Fersen. Wie gedenkt ihr zu zweit sie aufzuhalten, selbst, wenn ihr vor ihnen in eurer Heimat ankommt?" "Mein Freund hier", er zeigte mit einer flüchtigen Bewegung seiner Hand auf Damrod, "wird nach Bruchtal reiten. Von dort wird man Krieger entsenden. Ich selbst werde am Rande des Waldes die Fallen bereit machen, die schon vor Zieten zu diesem Zwecke erbaut wurden. Sie und ich werden den Feind so lange in Schach halten, bis die ach so heiß ersehnte Hilfe endlich eintrifft" erklärte der Elb. Bisher hatte Damrod schweigend zugehört, doch jetzt meldete er sich zu Wort. "Eglenn, ich kann nicht fortreiten und dich allein zurücklassen!" "Du musst, Damrod, du musst. Eine Weile könnten wir sie wohl aufhalten, aber es kann sich nur um eine kurze Zeit handeln. Sie werden die Fallen und Schutzvorrichtungen durchbrechen und dann ist Hilfe bitter nötig." "Aber ich war noch nie in Bruchtal. Es wird sicher seine Zeit dauern, bis ich es in einer der vielen versteckten Felsschluchten entdeckt habe." "Wir zählen auf dich" Der junge Mann war betrübt. Das Schicksal des Waldes, den er liebte, seinem zu Hause, hing an einem seidenen Faden. Es war seine Aufgabe, ihn nicht reißen zu lassen. Der Zeitpunkt war herangerückt, an dem sich ihre Wege trennen sollten. Damrod ritt hängenden Kopfes im Schritt hinter seinem Freund. Sie kamen an eine Stelle, an der sich zwei große Straßen kreuzten. Beide stiegen von den Pferden. "Nun, es ist soweit. Hast du die Karte?" Damrod zog das zusammengefaltete Papier aus der Tasche. "Reite, so schnell du kannst. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis du Bruchtal gefunden hast. Es ist gut versteckt!" "Und du halte durch. Gib dein Bestes, auch ich werde mein Bestes geben. Halte nur durch." Eglenn sah Damrod an. Ein erwachsener Mann, fast so groß wie er selbst. Die Augen und die schwarzen Locken waren noch die des Knaben von damals, die Züge waren männlicher. Er war stark geworden und konnte mit dem Schwert umgehen wie nur wenige in Mittelerde. Ein letztes Mal umarmte er jetzt Eglenn, dann saß er auf. Ein letzter Blick und schon ritt er davon, die Augen geradeaus nach Westen gerichtet. Der Elb sah ihm einige Zeit nach. "Reite, Junge, reite! Hoffnung ist immer und überall, doch meine ruht nun auf deinen Schultern" Sagte er wie zu sich selbst. Der Mann ritt, als ginge es um sein Leben. Durch die Westfold und die Pforte Rohans, nachdem er dieses passiert hatte, nach Norden nach Eriador. Immer, wenn er Zeit verloren hatte, um z.B. eine Furt in einem Fluss zu finden, damit er auf die andere Seite gelangen konnte, ritt er umso schneller. Ihm war klar, dass ihn jede Stunde, die er verlor, seine Heimat kosten konnte. Er zählte nicht die Stunden und Tage, spürte nur, dass die Zeit schnell verflog, zu schnell für ihn. Je mehr Zeit verging, desto betrübter wurde er. Damrod sah nach oben. Schwarze Vögel flogen über ihm entlang. Der Wind bewegte das Gras und ließ Schmetterlinge tanzen. Dunland hatte er hinter sich gelassen, sah von ferne schon den Caradhras, den Rothorngipfel. Kapitel 10: ------------ >OK, das hier ist ein Zusatzkapitel. Es ist schrecklich sinnlos, aber es gehört halt dazu. Da ich eine sehr gewissenhafte Arbeit leiste, den Lebensweg von Damrod Echsilith zu verfolgen, kann ich dieses Kapitel nicht überspringen. Obwohl eine Radioshow in Mittelerde hier nicht grad reinpasst, oder?< Hulsten war nicht gerade abwechslungsreich in der Landschaft. Vor sich sah der junge Mann Hügel und Gras, genau das, was er hinter sich auch sah. Hier und da einige seltsame Bäume. Menschen sah er keine. Rechter Hand hatte er das Nebelgebirge, schroff und abweisend wie immer. In den Tälern waberten Nebelschwaden. Wandte sich Damrod nach links, fiel das Land kaum merklich ab, aber es gab immer noch Hügel und Gras. Er ritt bald im Schritt, bald im Galopp. Plötzlich hörte er eine Mädchenstimme. "Me govannen ennorath!" Der junge Mann sah sich um, aber er war vollkommen allein. "Mittelerde und alle, die darin wohnen, seid gegrüßt!" sagte nun eine zweite, eine Männerstimme. "Hier sind Frieda, Edward, Edmund und William. Wir werden zur Zeit auf einem sehr hohen Turm gefangengehalten..." "und deshalb Mittelerde so lange ,unterhalten', bis man uns wieder freilässt!" "Ich bin sicher, das wird dem weißen Herrn da unten nicht gefallen!" Damrod hörte zu. Vögel und andere Tiere flogen und rannten verwirrt hin und her. Dann erinnerte sich der junge Mann an seine Aufgabe und galoppierte über das Gras, lauschte aber dennoch gespannt der sonderbaren Geschichte. Klar und deutlich vernahm er die Stimmen, selbst beim Reiten. Ein Mädchen, Frieda, aus einer abgelegenen Region in Gondor, und drei Männer aus nördlicheren Landen wurden, wie sie sagten, auf dem Orthanc festgehalten. Der junge Mann wusste, dass es beinahe unmöglich war, dort herunterzukommen. Die Wand war zu glatt, um zu klettern und es gab scharfe Kanten. Das Mädchen schien dieser Umstand wenig zu stören, es legte es sogar darauf an, ihren Entführer zu provozieren. Damrod verstand, was sie vorhatte. Irgendwann würde dieser Jemand die Geduld verlieren und vielleicht einen Fehler machen. Die einzige Chance zu entkommen. Dieses Mädchen ging ein großes Risiko ein, das sie das Leben kosten könnte. Es faszinierte Damrod, sie gab trotz dieser beinahe ausweglosen Situation die Hoffnung nicht auf. Er würde es auch nicht tun, er würde Bruchtal rechtzeitig erreichen. Die Männer sprachen sehr interessante Dinge von ihrer Heimat nahe dem Düsterwald. Von den Menschen dort und der ständigen Angst. Böse Geschöpfe trieben sich im Wald herum und Orks verschonten diese Gegend auch nicht. Edward, Edmund und William brachten Frieda ein typisches Lied bei, das sie dann zusammen sangen. Damrod konnte nicht umhin, die Melodie mitzusummen, sie war einfach und einprägsam. Es wurde auch eine Heldengeschichte erzählt. "Ich kenne diese Sage, man erzählt eine ähnliche auch in Gondor!" stellte das Mädchen fest. Damrod kannte sie auch. Die Sonne ging unter. Es war ruhig, denn die Menschen hatten ihre "Zwangsunterhaltung", wie sie es nannten, beendet. Damrod fand es zu ruhig. Die Stille ließ ihn wieder an seinen Freund denken. Er saß allein am Feuer. Der Sommer war dieses Jahr besonders lang gewesen, aber nun kündigte sich mit kühlen Nächten der goldene Herbst an. Wie oft hatte er schon so zusammen mit seinem Freund am Feuer gesessen? Er konnte es nicht sagen. Der Elb war mit ihm, so kam es ihm vor, beinahe ständig auf Reisen gewesen. Sie hatten unzählige Abenteuer erlebt und bei einigen waren sie nur haarscharf dem Tod entronnen. Sie waren perfekt aufeinander eingespielt, jeder vertraute dem anderen blind. So musste es sein, so würde es immer sein. Wenn er nur rechtzeitig in Bruchtal ankäme. Der junge Mann stellte sich wieder einmal vor, wie es wäre, wenn endlich Frieden herrschen würde in Mittelerde. Glücklich und zufrieden im Wald leben, vielleicht ab und zu ein kleines Abenteuer, denn ganz ohne ging es auch nicht. Am nächsten Morgen erwachte Damrod bei Sonnenaufgang. Ein wunderschöner Anblick, wenn die Sonne aus dem Nebel auftaucht und den Himmel rot färbt. Die Wolken scheinen zu glühen wie die Sonne selbst. Der junge Mann liebte Sonnenaufgänge und hatte schon unzählige gesehen, da Eglenn ihn meist zu dieser Uhrzeit weckte, wenn sie nicht nachts unterwegs waren. Heute weckte ihn jedoch nicht der Elb. Es waren vier Menschen auf einem hohen Turm, die den Tag singend begrüßten. Damrod verzehrte ein karges Frühstück, dann rief er sein Pferd (er hatte es nicht angebunden, damit es frei herumlaufen und fressen konnte) und ritt los. Frieda und die anderen grüßten Freunde und Verwandte und bedankten sich bei ihnen. Das heißt, nur die Männer grüßten Verwandte. Das Mädchen nannte nur Freunde, dankte ihnen besonders herzlich. "Warum grüßt du deine Verwandten nicht?" fragte William. "Das erzähle ich vielleicht später. Es ist eine lange Geschichte." "Aber Zeit ist ja das, was wir hier oben zur Genüge haben! Auch wenn es an so ziemlich allem anderen fehlt..." "Nein. Ihr werdet bestimmt lachen oder... später! Lasst uns lieber noch ein Lied singen, das ist viel besser!" So verging auch dieser Tag, der junge Mann ritt, so schnell er konnte. Pünktlich zum Sonnenuntergang beendeten die vier Menschen auf dem Turm ihr Programm mit einem wunderschönen Lied. Und pünktlich zum Aufgang der Sonne fingen sie es wieder an. Damrod war noch bis in die Nacht hinein geritten, schlief dann aber auch. Die Männer erzählten von ihrem Leben, wie sie aufgewachsen und Hauptmänner geworden waren. "Deshalb versucht Saruman nun, aus uns wichtige Informationen herauszulocken, vielleicht denkt er ja auch, dass wir uns bei unserer Zwangsunterhaltung von Mittelerde verplappern und er auf diese Weise etwas erfahren könnte" meinte Edward und lachte. "Na, dann pass mal auf, was du sagst!" erwiderte Frieda ebenfalls lachend. "Jetzt haben wir unsere Geschichte erzählt, jetzt musst du auch deine preisgeben" sagte Edmund. "Der Meinung bin ich auch, das wäre nur gerecht" schloss sich Edward an. Widerwillig begann sie. Damrod konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie darauf gekommen sein konnte, dass man bei dieser Geschichte über sie lachte. Ihm war eher zum Weinen zumute. Als Waise war sie aufgewachsen, bei einem älteren Ehepaar, das sie nicht gut behandelte. Sie hatte fast nie Zeit, mit anderen Kindern zu spielen, musste arbeiten, bis zum Abend. Täglich bekam sie gesagt, dass man sie ja nie haben wollte. Dass niemand sie je haben wollte. In der Schule mochten sie nur wenige und die setzten sich auch nicht für sie ein, wenn sie geärgert oder gehänselt wurde. Traurig ging die Geschichte weiter. Aber als sie geendet hatte, überschlugen sich die Ereignisse oben auf dem Orthanc. Ein riesiger Vogel flog direkt auf sie zu, außerdem kam Saruman zum Turm und er sah sehr wütend aus! Was jedoch aus ihnen geworden ist, weiß wohl kaum jemand in den Mittellanden, denn auf einmal war es ruhig. Damrod ritt weiter nach Norden, aber es war und blieb still. Kapitel 11: ------------ Wie viel Zeit hatte er jetzt schon gebraucht? War er auch nicht zu langsam gewesen? Er wusste es nicht. Eintönig war die Landschaft, sah immer gleich aus, jeder Tag verging so schnell wie der vorige. Nichts änderte sich. Er verzweifelte mit jedem Tag, der verging, mehr. Eines Tages aber sah er einen Wald, den er durchqueren musste. Das war schon einmal ein Anhaltspunkt. Er sah sich die Karte an und stellte fest, dass Bruchtal ganz in der Nähe liegen musste. Mit neuem Mut machte Damrod sich auf, es zu suchen oder besser, zu finden. Erst ritt er den Weg entlang, der in den Wald hineinführte. Dieser wurde immer verwilderter, je weiter er kam. Irgendwann war er nicht mehr zu erkennen. Mehrere Tage suchte Damrod Echsilith, aber fündig wurde er nie. "Wo ist es nur? Ich müsste es schon gefunden haben nach dieser Karte!" schrie er wütend und warf die nun verhasste Karte zu Boden. Er ließ den Kopf hängen und ritt den Weg zurück, den er gekommen war. Es gab viele in diesem Wald, aber offensichtlich führte keiner nach Bruchtal. Aufgeben konnte er natürlich nicht, vielleicht kam er an sein Ziel, wenn er an der letzten Weggabelung die andere Richtung nahm? Er sah sie schon vor sich und entschied sich, nach links zu reiten. Plötzlich blieb sein Pferd stehen und drehte die Ohren in die Richtung, aus der er zuvor gekommen war, dem rechten Weg. Jemand kam summend näher. Er wartete gespannt ab. Auf einen Schlag hörte das Summen auf. "Nanu? Was könnte das gewesen sein?" Damrod ritt ein Stück zur Gabelung. Er schaute die rechte Straße entlang, aber da war niemand. "Was suchst du hier?" zischelte etwas direkt neben seinem Ohr, der junge Mann wäre vor Schreck fast vom Pferd gefallen! Da baumelte tatsächlich ein Mädchen von einem sehr tief hängenden Ast herunter und hielt sich vor Lachen den Bauch. Ein sehr sonderbares Mädchen, fand Damrod, denn er hatte noch nie eine Frau in Männerkleidung gesehen. "Hahaha, du solltest einmal dein Gesicht sehen!" spottete sie. "Was fällt dir... bist du eine Elbin?" "Ja, woher weißt du das?" "Man sieht es dir an. Wir kennen uns nicht, oder?" "Wie kommst du darauf?" "Nun, deine Stimme kommt mir bekannt vor. Wer hat dir eigentlich erlaubt, mich zu duzen?" "Oh, wenn es dem Herrn nicht genehm ist. Was sollte ich denn anderes sagen, ich kenne ihren Namen nicht!" "Damrod. Damrod Echsilith Silberspeer, Marungs Sohn, angenehm. Wenn sie mir freundlicherweise den ihren verraten würden?" "Ich besitze keinen so langen Namen. Einfach Eirien. Elronds Tochter. Auch angenehm." Verblüfft sah Damrod sie an. "Ich dachte, der Herr Elrond von Bruchtal hätte nur eine Tochter?" "Seit einigen Tagen bin ich auch in dieser Familie zu finden" "Möchten sie nicht herabsteigen? Es ist sicher unbequem, so von einem Ast zu hängen." "Es ist wahrlich unbequemer für meine Zunge, in so einer geschwollenen Sprache mit dem Herrn Damrod Echsilith was-auch-immer zu kommunizieren" meinte sie mit einem todernsten Gesichtsausdruck. Aber sie sprang trotzdem mit einer gekonnten Drehung vom Baum und landete sicher mit den Füßen am Boden. Der junge Mann musste lächeln. "Ich habe ein Problem. Ich muss dringendst nach Bruchtal, aber ich kenne mich hier nicht aus und finde es nicht! Kannst du mir den Weg zeigen?" bat er das Elbenmädchen. Einen Moment lang sah sie ihn an, als wolle sie prüfen, ob er auch nichts Böses im Schilde führte. Danach strahlte sie ihn an, "Natürlich!" Sie sprang kurzerhand hinter ihm auf das Pferd und sagte ihm, wo er entlang reiten musste. Er sann darüber nach, mit welchem Wort er sie für Lea beschreiben sollte. "Sperling" war seine Entscheidung, denn wie sie sangen Sperlinge auch in schlechten Zeiten und erlaubten sich untereinander einigen Schabernack. Der Weg war erschreckend einfach zu finden, wenn man ihn denn kannte. Verborgen zwischen zwei Büschen, die aussahen, als stünden sie seit dem ersten Aufgang des Mondes hier, begann er und schlängelte sich um die Bäume herum. Auf einen Schlag kam man aus dem Wald heraus, bog um einen Felsen und ritt dann über eine lange Hängebrücke. Sie verband die beiden Seiten einer tiefen Schlucht, unter ihnen floss eilig ein Fluss entland. Damrod hatte sein Ziel vor Augen. Er sah Bruchtal, das Ende seines Weges! Ein jeder in Mittelerde sollte einmal Bruchtal im Herbst sehen! Alte Architektur, verwachsen mit der Natur! Ob die Bäume in und um die Häuser gewachsen sind oder umgekehrt, weiß niemand außer der Erbauer selbst zu sagen. Dieser Ort war alt und jung, wie die Elben selbst. Aber auch menschliches war hier zu finden. Einige Teile erinnerten an das längst verschwundene Numénor, andere ans heutige Gondor. All dies verschmolz hier zu einem einzigen, großen Ganzen. Wunderbar anzuschauen für die Augen der Betrachter, Damrod nahm das Bild mit allen seinen Sinnen auf. Auch Eirien genoss diesen stillen Augenblick, sie war anscheinend noch nicht lange genug in Bruchtal, um diese Schönheit als normal anzusehen. So weit im Norden, wie sie jetzt waren, hatte das Laub schon angefangen, sich zu verfärben. Überall strotzte der Ort vor Farben, leichtes Grün, Orange, kräftiges rot, grelles Gelb und noch unzählige andere Farben. Einige hatte der junge Mann noch nie an Bäumen gesehen. Zwischen all diesen Farben schauten Dächer und Bauwerke hervor, die aussahen, als wären sie ebenfalls aus dem Boden entwachsen. Das war also Bruchtal! Mitten auf der Brücke hatten sie angehalten, um den Anblick zu genießen , jetzt richtete sich Damrod im Sattel auf. Als sie über die Brücke gekommen waren, ließ er sein Pferd traben. >hach, ich liebe Bruchtal! Ein so wunderbarer Ort! Ihr müsst mich entschuldigen, wenn ich mich etwas habe gehen lassen. *totaler Fan sei* und es ist übrigens für mich völlig normal, dass ich in meiner eigenen FF auftauche *lalala* ^.^° < Kapitel 12: ------------ Sie trabten einen Weg entlang, bis sie zwischen den Gebäuden anhielten. Eirien sprang sofort vom Pferd und lief über den Hof, während sie "Miluiel, ich bin wieder da!" rief. Aus einem der Gärten kam ein Mädchen gelaufen und als sie die Elbin sah, leuchteten ihre Augen auf. "Eirien! Gut, dass du kommst!" Lachend umarmten sie sich. Damrod sah den beiden lächelnd zu. Das Mädchen war der Elbin ähnlich, Zwillingsschwestern im Geiste, sozusagen. "Darf ich vorstellen? Das ist Damrod Echsilith... ähm, wie ging's weiter?" "Nur Damrod." Der junge Mann gab dem Mädchen die Hand. "Ich heiße Miluiel. Ich freue mich, euch kennen zu lernen!" "Die Freude ist ganz meinerseits. Einigen wir uns gleich auf ,du'?" Miluiel nickte. Eirien sah ihn an "Ich nehme an, dass das jetzt offiziell auch für mich gilt?" "Darauf haben wir uns doch vorhin schon geeinigt." In diesem Moment trat jemand aus dem Hauptgebäude heraus. Es war der Herr von Bruchtal persönlich, kein Zweifel! Damrod drehte sich um. Der Elb war groß und trug herrliche Gewänder, in denen er wahrlich wie ein Elbenfürst aussah. In Gedanken verglich der junge Mann ihn mit seinem Freund Eglenn. Im Gegensatz zu ihm strahlte dieser Elb eine etwas Furcht erregende Ruhe aus und Weisheit sprach ihm aus den Augen. Ein wenig abweisend wirkte er auch, im herrschaftlichen Sinne. Umso erstaunter war Damrod, als Eirien losrannte und diesem Elben lachend um den Hals fiel. Mit einem kleinen Blick zur Seite registrierte er, dass auch Miluiel dieses Schauspiel belustigte. "Eirien hat mit ihrem Vater so wenig gemeinsam, dass es manchmal überraschend ist, dass sie überhaupt verwand sind!" Damrod sah sie an. "Diese Elbin steckt generell voller Überraschungen!" meinte er. "Was treibt einen Menschen aus Gondor so weit in den Norden, wenn ich fragen darf?" fragte Elrond. "Die Ered Nimrais werden von Orks bedroht. Es sieht nicht gut aus, deshalb schickte mich Eglenn, hier Hilfe zu suchen." "Bist du ein Freund von Eglenn?" "Er hat mich aufgezogen." Einen Moment musterte der Herr von Bruchtal den Mann. "Ich werde die Hilfe entsenden, die ihr braucht. Zwischen mir und deinem Freund steht ein altes Versprechen, er hat es dir erzählt, nehme ich an" "Nein, er plaudert nie aus dem Nähkästchen." Elrond nickte wissend. "Das wirst du bei vielen Elben feststellen, wenn du einige Zeit hier in Bruchtal verbringst." "Das liegt nicht in meiner Macht, wenn ihr mir verzeihen wollt. Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, ich wollte jedoch um Erlaubnis bitten, sofort mit den Elben mitzureisen, da ich Eglenn auf jeden Fall im Kampf zur Seite stehe" erklärte Damrod. Der Elb nickte. "Nun, ich denke, wenn du sofort wieder aufbrichst, hast du am Ziel deines Weges wohl kaum noch die Kraft zu kämpfen. Es wäre sicher weise, dich erst einige Zeit auszuruhen, bis du wieder bei Kräften bist" Elrond sagte es in einem sanften Ton, aber auf unerklärliche Weise hatte Damrod das Gefühl, zustimmen zu müssen. "Ich überlasse dich am besten der Gesellschaft meiner Tochter Eirieniel und ihrer Freundin, sie werden sich sicher gut um dich kümmern!" Eirien, die bis jetzt mit Miluiel geredet hatte, mischte sich ein. "Du willst ihn mir ausliefern?" fragte sie Ihren Vater mit einem schelmischen Gesichtsausdruck. "Vielleicht kannst du sie ja auch ein wenig erziehen, damit sie begreift, dass sie ein Mädchen ist und deshalb kochen können sollte!" neckte sie Miluiel. Dem Elbenmädchen schien dieser Gedanke weniger zu gefallen. "Wahrscheinlich soll ich auch noch im weißen Kleid gegen Orks kämpfen!?!" "Eirien, du kannst dich aber auch dumm anstellen!" "Ich tue nur so als ob." "Na, das hoffe ich doch!" Elrond war schon gegangen, um die Krieger zu entsenden. Später zeigten die beiden Mädchen Damrod sein Schlafgemach und ließen ihn allein, um verschiedene Dinge zu holen wie eine Waschschüssel und frische Kleidung. Der junge Mann wusch sich und zog die Sachen an. Er musste ein wenig schmunzeln, als er sich im Spiegel mit diesen elbischen Gewändern sah. Der Stoff war leicht und reich bestickt. Sie waren wohl zehnmal so viel wert wie seine normale Kleidung, aber im ersten Moment für ihn noch etwas gewöhnungsbedürftig. Damrod öffnete ein Fenster, um die kühle Abendluft herein zu lassen. Es roch würzig nach Wald, ganz so, wie er es mochte. Unten im Hof sah er Miluiel spazieren gehen. "Ich habe mir noch gar kein Wort für sie ausgedacht!" schoss es ihm durch den Kopf. Er beobachtete sie eine Weile und dachte darüber nach. Wie sie dort im Dämmerlicht am Teich entlangging, sah sie sehr schön aus. Sie trug ein weißes Kleid mit hübschen Stickereien, wie er sich jetzt in Erinnerung rief. Einen silbernen Gürtel hatte sie sich um die Hüften geschlungen. Ihr dunkles Haar war leicht gewellt. Ihr Gang glich ein wenig dem der Elben, obwohl sie eine Menschenfrau war. Damrod mochte ihre Augen, weil sie weder hochmütig noch unterwürfig blickten. Er probierte hin und her, aber kein Wort, das ihm in den Sinn kam, schien sie wirklich zu beschreiben. Ein liebes Mädchen, in diesem Punkt unterschied sie sich von ihrer Elbenfreundin Eirien, die manchmal sehr kindlich und übermütig war. Eigentlich immer. Und wo er gerade an sie dachte, da kam sie auch schon angelaufen und setzte sich zu Miluiel an den See. Einige Minuten redeten sie miteinander, dann schauten sie schweigend auf das Wasser hinaus. Es wurde dunkel, der Stern Earendil leuchtete schon. Plötzlich drehte sich die Elbin um und entdeckte ihn im Fenster. "Möchtest du nicht auch herunterkommen?" Damrod bejahte, schloss das Fenster und ging hinunter. "Und, gefällt es dir hier?" wurde er von Miluiel gefragt. "Ja, es ist sehr schön hier, friedlich. Es ist wunderbar, einmal nicht in Eile zu sein." Lächelte Damrod. "Wieso, hast du sonst nie Zeit?" "Selten" "Wieso?" Der junge Mann erzählte den beiden einige Geschichten aus seinem Leben. Beide hingen an seinen Lippen und verlangten immer nach mehr, wenn er eines seiner Abenteuer zu Ende erzählt hatte. "Du hast ein sehr spannendes Leben!" "Dennoch würde ich auch gern irgendwo in Frieden leben, mit Eglenn, vielleicht als Pferdezüchter oder ähnliches." "Wer ist eigentlich dieser Eglenn? Ihr erwähntet ihn vorhin schon!" meinte Eirien. "Eglenn ist schwer zu beschreiben, er ist ein Elb, der mich aufgezogen hat. Als ich noch ein Knabe war, wurden meine Eltern von Orks getötet oder verschleppt und dann war er auf einmal da und hat mich aufgenommen." "Sicher hatte er es nicht immer leicht mit dir!" "Natürlich nicht! Er hatte es mindestens genauso schwer mit mir wie ich mit ihm. Aber er ist jetzt wie ein Vater zu mir und mein bester Freund." Sagte Damrod und sah lächelnd auf den See hinaus. Am nächsten Morgen wachte Damrod wie gewohnt bei Sonnenaufgang auf. Er blieb noch etwas liegen, dann legte er seine Kleider an und verließ sein Zimmer. Er schlenderte etwas auf den verzweigten Gängen des Hauses herum. Er traf einige Elben, mit denen er sich unterhielt(er beherrschte das Elbische natürlich, da Eglenn ihm Unterricht gegeben hatte) "Damrod, da bist du ja!" Miluiel kam ihm lachend entgegen. "Das Frühstück ist angerichtet! Stehst du denn immer so früh auf?" "Natürlich, von Berufs wegen. Es ist manchmal sehr schön, täglich mit der Sonne aufzustehen und die unzähligen Sonnenaufgänge..." schwärmte der junge Mann. "Eirien schläft noch. Ach nein! Da kommt sie ja angelaufen!" Die beiden Freunde begrüßten sich. "Bevor hier irgendetwas Großes stattfindet, habe ich erst einmal Hunger!" Die Elbin deutete auf ihren Bauch, um zu zeigen, dass da angeblich ein großes Loch war. "Nun denn, auf zur Raubtierfütterung!" Damrod erholte sich in den nächsten Tagen zusehends. Er lachte viel mit den beiden Mädchen, oft saßen sie am Rande des Sees und erzählten lustige oder spannende Geschichten. Damrod dachte deshalb nicht ständig an seinen Freund, und wenn er es tat, so wusste er, dass er Bruchtal rechtzeitig erreicht hatte. Gewiss würde alles gut ausgehen und in einigen Tagen würde er sich selbst auf den Weg machen in die Ered Nimrais. Er müsste nicht kämpfen. Er genoss also dieses friedliche Idyll solange es nur irgend ging. Am Morgen des vierten Tages stand er mit Miluiel wieder einmal am Ufer des kleinen Sees. Gefrühstückt hatten sie schon, Damrod mochte die elbische Küche sehr. "Eirien schläft aber heute lange!" sagte das Mädchen plötzlich. "Sie schläft für eine Elbin gern und viel. Äußerst ungewöhnlich, da Elben normalerweise nicht so wie wir schlafen." "Richtig, aber Eirien ist bei den Menschen aufgewachsen und hat es sich irgendwie so zur Gewohnheit gemacht, dass sie es auch jetzt noch tut." "Sie ist bei Menschen aufgewachsen? Das hat sie gar nicht erzählt. Wenn ich es mir recht überlege, hat sie von sich noch überhaupt nichts erzählt." "Das liegt sicher daran, dass sie nicht allzu gern an ihre Vergangenheit denkt. Wenn man es so sieht, habt ihr ein ähnliches Schicksal, nur ihres ist ,spiegelverkehrt'. Sie wuchs erst bei Menschen auf, bis sie ihren Vater fand. Eine sehr schlimme Zeit" der junge Mann nickte. "Das kann ich mir gut vorstellen..." "Ich werde wohl doch lieber einmal nach ihr sehen, ich habe ein sonderbares Gefühl im Bauch." "Hier kann ihr doch nichts passieren!" meinte Damrod. Miluiel zuckte mit den Schultern. Er begleitete sie bis zu Eiriens Zimmer. Vor der Tür blieb er des Anstands wegen stehen. Das Mädchen klopfte und trat ein. "Eirien? Schläfst du noch?" Keine Antwort. Miluiel kam wieder heraus. "Sie ist nicht da!" "Vielleicht ist sie schon frühstücken gegangen" versuchte der junge Mann sie zu beruhigen. Von einem nagenden Gefühl getrieben, lief Miluiel so schnell sie konnte zu den Ställen. "Ich wusste es! Ihr Pferd ist nicht hier!" "Vielleicht ein Morgenritt..." "Nein!" unterbrach sie ihn, "Ich fühle es, sie ist ganz fort. Sie hat in letzter Zeit einige Andeutungen gemacht, nun ist sie doch gegangen" "Wohin?" wollte Damrod wissen. "Ausgerechnet in die größte Gefahr zieht sie es, nach Südosten. Und ich muss der Dinge harren, die da kommen und kann ihr nicht helfen!" Tränen glitzerten in ihren Augen. "Wieso erlaubt man mir nicht, ihr zu folgen und mit ihr zu kämpfen und zu fallen, wenn es soweit ist? Warten ist die grausamste Strafe, die es geben kann!" Sie kniff die Augenlider zusammen und Tränen benetzten ihre Haut. Der junge Mann legte vorsichtig einen Arm um sie. "Psssst, nicht weinen! Sie wird wiederkommen, ganz sicher! Du darfst nicht aufhören, daran zu glauben. Komm, wir gehen hinaus" und er führte sie aus dem Stall. Damrod wurde in den folgenden Tagen immer unruhiger, einerseits wollte er endlich aufbrechen, andererseits machte er sich Sorgen um Miluiel. Er fühlte sich berufen, sie zu beschützen. Sie wirkte ein wenig klein und schwach in dieser großen Welt. Hübsch und genauso zerbrechlich wie die Flügel eines Schmetterlings. Sie hatte ein ungewöhnliches Gespür für die Gedanken anderer, die sie erraten konnte, ohne dass sie ausgesprochen waren. So auch seine. "Du musst nicht bleiben, nur wegen mir!" sagte sie. Damrod schaute verdutzt. Sie sah nicht auf von ihrer Arbeit, sie entfernte Unkraut vom Grab ihrer Mutter. Die alten Blumen tauschte sie geschwind gegen neue, frische aus. Sie hatten hübsche Farben und verbreiteten einen lieblichen Duft. "Das waren ihre Lieblingsblumen..." murmelte sie wie zu sich selbst. Dann sagte sie lauter "Ich merke doch, dass du unbedingt zu deinem Freund Eglenn willst. Geh! Sorge dich nicht um mich. Eirien hat es auf jeden Fall schwerer als ich, also werde ich meine Aufgaben genauso bewältigen wie sie ihre und du deine. Geh." Damrod nickte dankbar. "Sobald ich kann, komme ich wieder hierher und leiste dir Gesellschaft. Dann lernst du auch Eglenn kennen, er ist sehr nett" fügte er lächelnd hinzu. Noch am selben Nachmittag begann er mit den Reisevorbereitungen und brach am darauffolgenden Morgen auf. Nicht nur er, sondern auch sein Pferd hatte sich beim Aufenthalt gut erholt. So ging es schnell voran, der Mann war frohen Mutes. Es wurde immer aufgeregter, je weiter sie nach Süden kamen, das Tier schien dies zu spüren. Jedenfalls ging es schneller, wie es auch immer der Fall ist, wenn man nach Hause will. Die Beine werden in Gedanken an ein warmes Heim und ein Dach über dem Kopf bei Tieren und Menschen gleichfalls leichter. Durch einige schwere Schneestürme hatten sich beide zu kämpfen, sonst wurden sie von nichts und niemandem aufgehalten. Nach einem Ritt, der dem Mann beinahe endlos schien, kam zu guter Letzt sein Heimatwald in Sicht. Und noch besser: kein einziger Ork war zu sehen! Die Bäume sahen mitgenommen aus, aber je weiter man hineinritt, desto geringer wurden die Schäden. "Damrod!" Es war einer der Elben aus Bruchtal, der ihn da rief. Im nächsten Augenblick sah der junge Mann ihn, wie er leichtfüßig aus einem Gebüsch weiter vorne heraussprang. Er strahlte ihn an. "Wir haben gesiegt! Gestern sind auch die letzten Orks geflohen" jubelte der Elb. "Erzähl es mir ganz genau! Ich will alles hören!" sagte Damrod, um den Redeschwall des anscheinend sehr jungen Elben in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken. "Die Orks haben natürlich nicht mit unserem Angriff gerechnet. Sie wurden vollkommen überrumpelt, viele wurden gleich da schon getötet. Aber einigen von ihnen ist es gelungen, sich in einer kleinen Höhle zu verbarrikadieren und leisteten eine ganze Zeit lang Widerstand. Die Verluste auf unserer Seite sind nur sehr gering und auch den letzten Ork konnten wir besiegen. Die Ered Nimrais sind wieder sicher!" schloss er überglücklich. Damrod hatte sich noch nie im Leben so glücklich gefühlt! Er drückte dem Elben kurzerhand die Zügel seines Pferdes in die Hand und rannte in den Wald. Eine traumhafte Winterlandschaft, lachend sprang der Mann die schneebedeckten Wege entlang, die er nur allzu gut kannte. Geschwind kletterte er über einen großen Schneehaufen, es störte ihn überhaupt nicht, dass ein Teil der vielen kleinen Kristalle in seine Kleidung rutschte und ihn zum Frösteln brachte. "Eglenn, ich bin da! Eglenn!" rief er. Sein Atem verwandelte sich in Dampf. Er brach durch das letzte Gebüsch, das ihn von der Lichtung mit dem großen Baum trennte. "Eglenn!" Er nahm den Weg bis zu ihm in weit ausgreifenden Schritten, obwohl er fast knöcheltief im Schnee versank. Fast hatte er sein Ziel erreicht, als er ruckartig stehen blieb. Er hatte den Gegenstand, der ihn dazu veranlasste, nur flüchtig und aus dem Augenwinkel gesehen, aber sein Herz sagte ihm, dass er ihn nicht sehen wollte. Langsam drehte er sich zu ihm und... es war, wie er befürchtet hatte. Ein Grabstein. Ein ganz besonderer Grabstein. Dem jungen Mann schossen die Tränen in die Augen, die Inschrift darauf verschwamm. Er sah nur den Namen seines Freundes in der Mitte prangen! "Nein! Das ist nicht wahr! Eglenn!!!" presste er hervor. Er fiel auf die Knie in den Schnee und vergrub das Gesicht in den Händen. Eine Welt war für ihn zusammengebrochen. Genau so fanden ihn die Elben. Einen Augenblick blieben sie verunsichert, voller Mitleid für den jungen Mann, stehen. "Mellon nin..." einer von ihnen legte Damrod die Hand auf die Schulter, doch er rührte sich nicht, starrte unverwandt auf den Grabstein seines besten Freundes. Kapitel 13: ------------ Er leistete keinen Widerstand, als die Elben ihn in ihr Lager brachten, doch sprach er kein Wort. Sie mussten noch einige Wochen warten, bis der Winter sich verabschiedet hatte, denn manche unter ihnen waren ohne Pferd. Diese hätten den Marsch bis nach Bruchtal nicht geschafft und auch wusste niemand, was mit Damrod Echsilith zu tun war. Er aß nichts während der ersten Woche, bis die Elben durch viel gutes Zureden ihn dazu bringen konnten, wieder etwas zu sich zu nehmen. Stunden, Tage, Wochen vergingen ohne eine sichtbare Besserung, er saß nur da und starrte in die Leere, schlief oder aß einen Bissen. Immer mehr fiel der einst so stolze, lebenslustige Mann in sich zusammen und das Schlimmste war, dass sie ihn voll und ganz verstanden. Jeder von ihnen hätte einen Schock erlitten, wenn ihm von einer Sekunde auf die andere, völlig unvorbereitet, alle seine Hoffnungen und Zukunftspläne zunichte gemacht worden wären. Doch sie konnten ihm nicht helfen. Sie stellten eine Wache bei ihm auf, da sie befürchteten, dass er versuchen könnte, sich selbst umzubringen. Der einzige, der ihm helfen konnte, war Elrond der Halbelb, der beste Heiler in den nördlichen Landen. Sie entschlossen sich also, ihn mit zurück nach Bruchtal zu nehmen, als die kalte Jahreszeit endlich vorüber war und der Schnee sich immer weiter nach Norden zurückzog. Sie brachen an einem kühlen, sonnigen Morgen auf, verließen den Wald. Damrod sah sich nicht um, sah nicht den Ort, den er am meisten liebte, wie einen dunkelgrünen Streifen den Blicken entschwinden. Er sollte diesen Wald niemals wieder sehen. Ich möchte nicht viel über diesen Weg sagen, da er dem jungen Mann nur schleierhaft in Erinnerung blieb. Langsam kam die große Gruppe voran und sie brauchten Monate, ehe sie ihr Ziel erreichten. Müde waren sie und hungrig, aber froh, wieder in Elronds gastlichem Haus zu sein. Miluiel war auch gekommen, die Krieger zu begrüßen und ihre Augen leuchteten, als sie Damrods Pferd in der Menge entdeckte. Wie verwirrt war sie doch, als er wortlos abstieg und sie keines Blickes würdigte, sie nicht einmal zu bemerken schien. Langsam trottete er in Richtung des kleinen Sees, an dessen Ufer sie schon so manche schöne Stunde verbracht hatten. Sprachlos sah sie ihm nach. "Ai, Miluiel, großes Übel ist über ihn gekommen!" sprach ein Elb neben ihr. In aller kürze erklärte er ihr die Situation. Betreten schaute sie zu Boden, schien dann einen Entschluss zu fassen. Mit wehendem Kleid eilte sie dem jungen Mann nach. "Damrod!" Er rührte sich nicht. Ganz leicht legte sie ihre Hand auf seinen Arm. "Ich habe gehört, was passiert ist..." Wieder starrte er einfach nur auf das Wasser hinaus. Sie sah zu Boden und wusste nicht weiter. Dann tat er den Mund auf. "Du kannst mir nicht helfen." meinte er nur kühl. Entsetzt schaute sie zu ihm hinauf. Ihre Blicke trafen sich: sie sah in die Augen eines gebrochenen Mannes. Vögel zwitscherten im Schilfrohr, unsichtbar für den Betrachter, und sagen aus Leibeskräften ihre fröhlichen Lieder. Es war ein wunderschöner Tag, klarer blauer Himmel wölbte sich hoch über dem Wald und die Sonne schien mit aller Kraft. Eine leichte Brise kräuselte die Wasseroberfläche. Zwei Menschen saßen am Ufer und fühlten sich in einer kalten, grausamen Welt. "Nein, das kann ich wahrlich nicht." sagte Miluiel leise. "Ich kann deinen Freund nicht wieder zurück ins Leben holen. Aber ich kann dir helfen, den Schmerz und die Trauer zu überwinden. Lass es mich versuchen! Obwohl ich ihn nicht kenne, glaube ich, dass das auch der Wunsch deines Freundes wäre. Deine Zukunft ist nicht so grau, wie du denkst. Ich kann dir helfen, eine neue aufzubauen. Vertrau mir." Sie legte seinen Kopf an ihre Schulter. Damrod schaute sie an und spürte etwas in sich zerspringen: dann weinte er bitterlich. Heiße Tränen rannen über seine Wangen und netzten den Boden. Das Mädchen streichelte sein Haar und wiegte ihn sanft hin und her. "Das ist schon mal ein guter Anfang..." flüsterte sie. Und während er noch in ihren Armen lag, spürte er wie nie zuvor ein Gefühl der Liebe in sich aufsteigen. Er dankte dem Augenblick. Kapitel 14: ------------ Später lag Damrod in seinem Bett. Das Fenster war wie immer offen und ein kühler Windhauch trug die süße Stimme einer einzelnen Nachtigall herein. Andächtig lauschte er dem Lied und dachte an Miluiel. Wie war es möglich, dass sich in so kurzer Zeit sein Sinn derart wandeln konnte? Der Tod seines Freundes hatte ihn in einen dunklen, tiefen Abgrund gestoßen, doch sie hatte ihn einfach bei der Hand genommen und hinausgeführt. Noch vor einer Woche hatte er geglaubt, er würde nie wieder glücklich werden können, aber jetzt überschwemmte ihn der bloße Gedanke an sie mit einer Welle von Seligkeit. Wie konnte dies sein? Er drehte sich um und fiel in einen leichten, traumreichen Schlaf. Die Sonne blinzelte schwach durch das Fenster. Ihre Strahlen malten leuchtende Punkte an die Wand; es war nicht lang nach Sonnenaufgang. Damrod lag dennoch schon seit Stunden wach. Entgegen seiner Gewohnheit war er nicht nach dem Erwachen aufgestanden und spazieren gegangen. Nein, seine alten Gewohnheiten konnte und musste er ablegen. Ein neues Leben hatte für ihn angefangen. Er war ein völlig anderer Mensch. Ein Geräusch an der Tür ließ ihn aufhorchen. Jemand hatte zaghaft geklopft. Er zog sich schnell seine Hosen an, dann öffnete er. Miluiel stand davor. "Habe ich dich geweckt?" fragte sie. "Nein, nein, ich war schon wach." Sie sah ihn ernst an. "Du solltest versuchen, mehr zu schlafen, es täte dir sicher gut!" Ein Lächeln seinerseits sagte ihr, dass er fast sein ganzes Leben lang um diese Zeit aufgestanden war und einfach nicht länger schlafen konnte, ob er wollte oder nicht. "Da du nun sowieso wach bist, kann ich dich ja fragen, ob du mit mir und einigen anderen Elben vielleicht einen morgendlichen Ausritt machen möchtest." In ihrem Gesicht zeigten sich einige Sorgenfältchen. "Natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht..." Der junge Mann lächelte sie an, dann meinte er: "Ich bin nicht alt oder krank. Bruchtal ist ein wunderbar heilsamer Ort, es geht mir schon besser als gestern!" In Gedanken fügte er hinzu, dass das hauptsächlich an ihr lag. "Ich komme mit." Miluiel lachte und freute sich, was sein Herz dazu brachte, einen kleinen Sprung zu vollführen. "Wir treffen uns unten bei den Ställen!" "Ich komme, sobald ich fertig angezogen bin." Und damit ließ er sich nicht allzu viel Zeit, denn die Aussicht auf einen Ausritt mit dem Mädchen war zu verlockend. Pfeifend näherte er sich den Stallungen. Kleine Steine knirschten unter seinen Füßen, er trug nicht wie sonst seine weichen Lederstiefel. Er hatte frische Elbengewänder angelegt, da er nicht vorhatte, lange Reisen zu unternehmen. Noch brachte er es nicht übers Herz, die alten Waldläuferkleider wegzuwerfen, aber außer Sichtweite musste er sie räumen. Sie erinnerten zu sehr an Eglenn. Der starke Pferdegeruch schlug ihm entgegen, als er durch die Tür schritt. Miluiel war gerade damit fertig, das Pferd zu striegeln. Ihre Augen leuchteten, als sie ihn sah. "Ich bin überrascht, dass du so schnell Fortschritte machst. Ich freue mich für dich!" Damrod lächelte nur, gab aber keine Antwort. Er erzählte ihr nicht von den stillen Stunden, die er morgens in seinem Bett über Vergangenes nachgedacht hatte. Er sagte nicht, wie sehr er noch darunter litt. Miluiel hätte es sicher traurig gemacht. Sie führte die Tiere nach draußen, wo schon einige andere Elben mit Pferden standen. Als Damrods Blick von ihrem hübschen Gesicht zu seinem Reittier glitt, durchzuckte es ihn beim Anblick der traurigen Augen wie ein Blitz. Die Erinnerung an seinen toten Freund stieg in ihm auf, was sie zusammen erlebt hatten und was für schöne Zeiten sie einst erlebten. Das Mädchen schaute erst ihn, dann das Pferd an und verstand. "Möchtest du vielleicht lieber ein anderes Tier reiten? Ich würde es verstehen." "Nein danke, es geht schon." wehrte er ab und versuchte, das grausige Bild eines Grabsteins zu verdrängen. Er musste lernen, damit umzugehen. Er schwang sich auf den Rücken des großen Braunen und lächelte wenig überzeugend zu ihr hinab. Dennoch wurde es ein schöner Ausritt. Manchmal allein, manchmal mit elblischer Gesellschaft unternahmen die beiden Menschen in der nächsten Zeit immer häufiger Ausflüge in die nähere Umgebung. Miluiel meinte, das täte Damrod gut, und er erholte sich schneller als erwartet. Die beiden freuten sich darüber und über noch viele andere Dinge, Schmetterlinge, die in der zarten Frühlingssonne tanzten, Vögel, die wunderschöne Balladen sangen und einfach darüber, dass sie miteinander sein und lachen konnten. So geschah es, dass sie eines Tages nur in Begleitung zweier Elben über die Bruinen, die die Grenze Bruchtals bildete, hinausritten. "Was liegt da vorne auf dem Weg?" Das Mädchen beugte sich im Sattel vor. "Es sieht aus wie... da liegt jemand, er scheint verletzt zu sein!" Nur wenige Augenblicke später waren sie bei ihm. "Er ist übel zugerichtet!" meinte einer der Elben, die sie begleiteten. Der andere besah sich die nähere Umgebung. "Das ist nicht möglich! Den Spuren hier zufolge war ein Troll hier! Dieser Elb hier hat Glück, dass er überhaupt noch lebt! Es ist mir ein Rätsel, dass der Troll ihn hier einfach hat liegen lassen. Warum hat er ihn nicht getötet?" Damrod fühlte sich unangenehm an die Begegnung zwischen Eglenn und den Trollen erinnert. "Entweder wollte er nur die Habe dieses Elben und machte sich davon, nachdem er sein Ziel erreicht hatte, oder er musste so schnell wie möglich vor dem Sonnenaufgang flüchten" sagte er in tiefem Ton. Geschockt rief der Elb, der bis jetzt neben dem Verletzten gekauert hatte "Aber in jedem Fall liegt dieser hier schon seit Stunden hier!" Die Umstehenden nickten nur betreten. "Dann müssen wir ihm so schnell wie möglich helfen" sagte Miluiel mit fester Stimme. "Es tut mir leid, euch enttäuschen zu müssen, aber hier in der Wildnis können wir nichts für ihn tun. Wir haben nicht einmal einen Schluck Wasser, den wir ihm geben könnten!" Der Elb machte ein betretenes Gesicht. Der junge Mann stand wortlos auf und suchte im Wald zwei sehr starke Äste, um eine Bare wie einst für seinen Freund Eglenn zu bauen. Man hörte Stoff reißen, als er seinen Mantel zum Befestigen an den Stöcken teilte. Auch die Umhänge der anderen bekam er, um alles stabiler zu machen. Schließlich banden sie ihr Werk zwischen den Pferden fest. Einer der Elben ritt schon zurück, um alles für ihre Ankunft vorzubereiten. Aber rasch verging die Zeit und gen Westen neigte die Sonne ihr Haupt. Eilig hatten sie es, aber da Damrod und der andere Elb zu Fuß gehen mussten, kamen sie nicht so schnell voran wie erhofft. Die ersten Sterne funkelten und sie hatten den Waldrand noch nicht erreicht. "Ich hoffe, der Troll wittert nicht unsere Fährte, wenn er sich auf die Suche nach seiner gestrigen Mahlzeit macht!" meinte Miluiel sorgenvoll. "Still! Ich höre etwas!" zischelte der Elb. Doch kein Geräusch war zu hören. "Vielleicht hast du es dir nur eingebildet, wir haben alle Angst..." aber ein plötzliches Poltern unterbrach Miluiels Satz. Wiehernd bäumte sich ihr Pferd auf und warf sie zu Boden. Damrod eilte zu ihr und zog sie so schnell wie möglich hoch. "Rasch! Er ist schon nah!" rief der Elb mit den Pferden, die die Bare trugen. Er war ihnen schon ein ganzes Stück vorausgeeilt, der Verwundete keuchte unter der rauen Gangart, die die Pferde nun einschlugen. Und auf einmal sahen sie ihn. Der massige Bergtroll tauchte hinter ihnen aus dem Gehölz auf, Äste brechend und junge Bäume entwurzelnd. Mit seinen klobigen Füßen kam er den Weg entlang, sie hatten keine Chance zu entkommen. Der junge Mann handelte schnell, er ließ Miluiel los und spurtete zu dem Elben. Diesem entriss er das Schwert, denn sein eigenes lag in Bruchtal. Todesmutig stellte er sich dem Feind entgegen. Das Mädchen rannte an ihm vorbei, blieb aber einige Meter weiter stehen und drehte sich um. "Miluiel, so lauf doch! kümmere dich nicht um mich!" Es half nichts. Das Mädchen stand wie angewurzelt da, biss die Zähne zusammen und schüttelte heftig den Kopf. Dem jungen Mann blieben noch wenige Sekunden, bis der Troll auf ihn prallen würde. Er straffte seine Sehnen, machte sich zum Sprung bereit wie eine Katze. Ihm kam alles vor, als geschähe es in Zeitlupe, als der Troll nur noch eine kurze Strecke zurücklegen musste, um ihn zu erwischen. Aber geschwind wand sich der Mann neben das Bein des Gegners, tauchte unter seinem Schlag hinweg und rammte ihm das Schwert in den Bauch. Ein gut gezielter Schlag hätte den Troll wohl außer Gefecht gesetzt, aber Damrod konnte ihn nur leicht verwunden. Geistesgegenwärtig wich er zur Seite, ehe ihn der Troll mit seiner Waffe, einer Axt mit kurzem Stiel und breiter Schneide, treffen konnte. Behände wirbelte der Mann herum und stieß wieder zu, und diesmal schlitzte er dem Koloss die Kehle auf. Blut spritzte, der Troll stand noch, schwankte und fiel um. Damrod hatte wie durch ein Wunder den ungleichen Kampf gewonnen. Er rappelte sich vom Boden auf(im Fallen hatte ihn sein Gegner niedergerissen) und lachte. Er hatte gesiegt! Miluiel sah ihn erst verwundert, dann begeistert an. "Das ist ja unglaublich, du hast ihn im Alleingang geschlagen! Wahrlich eine Heldentat!" Schwer atmend und dennoch lachend kam er zu ihr geschwankt. "Geschafft!" murmelte er immer wieder, glaubte es trotzdem kaum, was er sich sagte. Geschafft! Miluiel stützte ihn, während sie zurück nach Bruchtal gingen. Und es hätte so viel geschehen können. Kapitel 15: ------------ Die Bewohner Bruchtals waren erstaunt über die Neuigkeiten, die sie nach der Heimkehr der beiden Menschen zu hören bekamen. Allein und nur mit einem Schwert bewaffnet einen Troll zur Strecke zu bringen war wahrlich eine Heldentat, die keiner so leicht nachmachen konnte. Selbst einige der großen Elbenkrieger sahen Damrod bewundernd an. Dieser war schrecklich erschöpft nach ihrer Rückkehr, Miluiel verstand ihn gut. Er zog sich schweigend in sein Gemach zurück, während sie den neugierigen Zuhörern viele Fragen beantwortete. Der junge Mann wachte auf, blinzelte ins Sonnenlicht. Dann erinnerte er sich an den Troll und wie er ihn geschlagen hatte. War das alles real gewesen? Das Erlebnis schien ihm schon sonderbar verschwommen, wie ein Traum, den man gerade vergisst. Gähnend reckte er sich. Ja, das war nicht geschehen. Es hatte nie einen Troll so nahe bei Bruchtal gegeben. Aber ihm kamen Zweifel, als er draußen auf die Gesichter der Elben blickte. Sie begegneten ihm anders als sonst. Hatte er doch in der Wirklichkeit gehandelt? Verwirrt stand er auf der Treppe und dachte angestrengt nach. Konnte er jemanden fragen? Er lächelte bei der Vorstellung, wie er den nächstbesten Mann die Frage "weißt du, ob ich gestern ganz allein einen riesengroßen Troll getötet habe oder nicht?" stellte. Nein, so kam er zu keiner Antwort. Der junge Mann versuchte sich an die Ereignisse zu erinnern und ihm fiel der verletzte Elb ein. Er musste sich einfach nur nach dessen Zustand erkundigen, wenn es ihn wirklich gab, lag die Vermutung nahe, dass auch der Troll wirklich gewesen war. Fröhlich machte er sich auf den Weg in den Teil des Gebäudekomplexes, in dem Kranke und Verwundete versorgt wurden. Er ertappte sich bei der Hoffnung, dass Miluiel auch dort zu finden sein würde. Zu dieser Zeit waren viele auf die Heilkunde Elronds angewiesen, denn Angriffe von Orks und anderen eklen Gestalten häuften sich. Selbst hier im Norden war man nicht mehr vor den Angriffen des Dunklen, der doch so weit entfernt war und herrschte, nicht mehr sicher. An mutigen und starken Kriegern mangelte es, um das Land langfristig zu beschützen. Damrod trat geräuschlos ein, doch das Mädchen, das sich bis eben mit einem Kranken befasst hatte, hatte ihn sofort bemerkt. Es war Miluiel und sie lächelte ihm liebevoll entgegen. "Bist du gekommen, um nach dem verletzten Elben zu sehen?" Es war also doch wahr gewesen. Damrod nickte schnell, um sein Erstaunen darüber zu verbergen. "Das tut mir leid, denn er braucht jetzt Ruhe und liegt in einem anderen Zimmer. Es steht sehr schlecht um ihn." Der junge Mann fühlte heftiges Mitleid in sich aufsteigen. Ihm ging das Leid anderer immer besonders zu Herzen. "Aber er wird es doch schaffen, hoffe ich doch!" Miluiel neigte den Kopf leicht zur Seite. "Ich kann es dir nicht versprechen, noch irgendein anderer hier. Wir müssen auf Elronds heilende Hände vertrauen." Es waren noch einige andere in dem Raum, die sich hier beschäftigten. Die beiden Menschen wussten, dass diese ihrem Gespräch zuhörten und fühlten sich deshalb nicht sonderlich wohl. "Wollen wir nicht ein wenig nach draußen gehen?" bot Damrod an. "Ich kann leider nicht, obwohl ich es gern tun würde. Heute muss ich mich wirklich um das Grab meiner Mutter kümmern! Ich habe es schon viel zu lange vernachlässigt." Er lächelte immer noch, dann meinte er "Aber das ist doch nicht weiter schlimm. Ich würde dir gerne helfen!" Die beiden Menschen arbeiteten fleißig, nicht nur am Grab Gilraens, sondern auch in den kleinen Gärten, die zwischen den Gebäuden und dem Wald standen. Sie hatten Spaß bei ihrer Arbeit und der junge Mann war froh darüber, sich nützlich machen zu können. Das Mädchen verlor nicht ein Wort über die Ereignisse des letzten Tages, Damrod konnte sich nicht vorstellen, wieso. Er war sehr glücklich, denn er hatte sie beschützt vor dem großen Ungetüm. Gerade als er diesen Gedanken dachte, sagte Miluiel zu ihm: "Damrod, ich danke dir für das, was du gestern getan hast. Ohne dich wären wir wohl nicht mehr zurückgekommen." Einige Sekunden rang sie mit sich selbst, dann stellte sie eine Frage, die sie wohl schon eine geraume Zeit beschäftigte. "Wieso bist du stehen geblieben? Du hättest sterben können!" Damrod lachte einmal auf, doch als er sah, dass sie ihre Frage wirklich ernst gemeint hatte, hielt er inne. "Hätte ich es nicht getan, wärest du dem Troll zum Opfer geworden! Jeder hätte an meiner Stelle so gehandelt. Ich war nur zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort, um dich zu beschützen" und während er dies sagte, berührten sich ihre Hände. Sein Herz machte einen kleinen Salto, wieder überschwemmte ihn eine Liebeswelle, gleich dem Tag, an dem er wieder hier angekommen war. Enttäuscht stellte er fest, dass Miluiel es gar nicht zu bemerken schien, sondern starr auf den Boden sehend weiterarbeitete. Zögernd fuhr er fort, Unkraut aus den Kräuterbeeten herauszuzupfen. Immer noch sah er sie wie verzaubert an. Schließlich sagte sie doch etwas. "Du irrst, Damrod. Ich kenne nur eine, die dies je für mich getan hätte, das ist Eirien. Sie hätte sich für mich vor einen wilden Wolf geworfen, das wäre ihre Art gewesen. Ich vermisse sie schrecklich..." sie presste die Augenlieder zusammen und ihre Hände ruhten in ihrem Schoß. Starkes Mitgefühl regte sich in ihm. Er konnte sich noch genau an die lebenslustige Elbin, Elronds jüngere Tochter, erinnern. Ihm brannte die Frage auf der Zunge, wohin sie denn eigentlich gegangen sei, aber aus Rücksichtnahme auf das Mädchen neben ihm schwieg er still. Er wusste nur soviel, dass sie sich in große Gefahr begeben hatte und dass keinesfalls sicher war, ob sie jemals zurückkehren würde. "Ich vermisse Eglenn auch." Erschrocken sah sie ihn an. "Entschuldige, ich wollte nicht..." Damrod winkte ab. Er hatte Eglenn in keiner Minute vergessen, aber er wusste mit dem Schmerz umzugehen. Langsam, ohne dass er es merkte, begann er sich eine neue Zukunft aufzubauen, und die war an der Seite von Miluiel... Immer stärker wurde das Gefühl der Zuneigung für Miluiel in ihm, je länger sie zusammen waren. Er wartete jeden Tag auf ein kleines Zeichen von ihr, dass sie genauso für ihn fühlte, doch er wartete vergebens. Zwar konnte sie ihre Gedanken gut verbergen, aber bestand für ihn die Hoffnung, dass sie beide mehr als nur Freunde sein konnten? Jeden Abend lag er im Bett und träumte sich sehnsuchtsvoll an ihre Seite. Leise sagte er ihren Namen und ließ ihn in seinem Herzen nachklingen. Und eines Tages nahm er sich vor, ihr seine Liebe zu gestehen. Es war ein milder Abend, weiche Schatten legten sich auf die Landschaft. Der junge Mann war in seinem Zimmer und dachte an seine Liebste. Er musste ihr seine Gefühle gestehen, wenn nicht bald, dann nie. Heute Abend war ein guter Zeitpunkt, es zu tun, dachte sich der junge Mann. Plötzlich hatte er einen Einfall. Er öffnete seinen Schrank, räumte einige Kleider beiseite und holte schließlich seinen alten Rucksack hervor. Nach einigem Wühlen fand er darin, was er suchte: ein kleines Holzkästchen. Er hob den Deckel und darin lag eine hübsche Brosche, golden, in Form eines kleinen Vogels. Den Körper bildete ein strahlend blauer Edelstein. Wie lange hatte er das mit sich herumgetragen? Es war sein Glücksbringer, nach der Rettung einer kleinen Stadt war es ihm geschenkt worden. Nun wollte er es Miluiel geben. Das kleine Kästchen fest umklammert machte er sich auf den Weg nach unten. In seinem Kopf entstand das Bild von zwei Menschen, die sich unter den strahlenden Sternen bei den Händen hielten. Zielstrebig lenkte er seine Schritte in Richtung eines kleinen Pavillons, aus dessen Inneren ein schmaler Lichtstrahl fiel. Er wusste, dass Miluiel manchmal beim Grab ihrer Mutter saß und ihr erzählte, was vor sich ging. In diesen Stunden ließ er sie immer allein, er wusste, dass man auch einmal eine zeitlang allein sein musste, um glücklich zu sein. Nun, er hatte sich etwas vorgenommen, er würde jetzt nicht den Rückzug antreten. Er hatte sich geschworen, dass er nicht schwanken würde. Lautlos trat er zwischen die Säulen, die die Vorhalle zierten. Da, in diesem Raum war sie. Gleich... Er sah ins helle Innere, gerade wollte er eintreten, als eine Stimme von der anderen Seite Miluiels Namen rief. Schnell zog sich Damrod in die Dunkelheit hinter einer Säule zurück, denn es war Elrond, der da gesprochen hatte. Er sah den Elbenfürsten in den Raum kommen. Er musste warten, bis er wieder fort war, denn was er sagen würde, sollte niemand außer ihr hören. Aufmerksam folgte der junge Mann dem Gespräch, als er merkte, dass es um ihn selbst ging. Er hörte die ruhige Stimme Elronds. "Miluiel, ich verstehe, dass du sehr gern bei ihm bist. Er ist der einzige Mensch hier, und gleiches zieht gleiches an. Aber ich möchte dir raten, dich nicht zu sehr anziehen zu lassen!" Damrod hörte die Stimme des Mädchens beben. "Was spricht gegen eine gute Freundschaft? Wir sind gern beieinander, uns beiden fehlt jemand, den wir sehr liebten. Er hat seinen Freund verloren. Eirieniel ist nicht hier, ich wäre ohne ihn den ganzen Tag lang allein!" "Glaube nicht, dass mir meine Tochter nicht fehlte! Aber mir geht es um Damrod. Er scheint sich zu sehr zu dir hingezogen zu fühlen. Wenn sich sein Herz noch mehr an dich klammert, wird es bei einer erneuten Enttäuschung zerrissen werden. Rede mit ihm!" "Aber was, wenn er wieder so verzweifelt wie beim Tod seines Freundes? Ich sehe noch immer dann und wann diese leeren Augen vor mir, die mit allem in der Welt fertig sind..." Elrond begann, langsam auf und ab zu schreiten. "Und doch darfst du ihn nicht aus Mitleid schonen! Eines Tages wirst du ihm auf eine Frage eine Antwort geben müssen und dabei kannst du keine Rücksicht auf ihn nehmen, wenn du ihn nicht anlügst." Miluiel schwieg. "Ich habe gemerkt, dass er sich mir näherte, aber..." "Du musst! Rede, ehe es zu spät ist. Ich kenne dich, dein Herz ist weit. Aber du darfst ihn nicht aus Mitleid lieben! Vergiss nicht, wer du bist. Du bist die Tochter Arathorns, Nachfahrin der hohen Könige von Númenor! Will die Prinzessin Gondors denn nur aus Mitleid lieben?" Immer noch schwieg Miluiel. Damrod dämmerte langsam, was sie gesagt hatten. Nachfahrin der hohen Könige von Númenor? Er konnte und wollte es nicht glauben. War sie nur aus Mitleid so gut zu ihm? Nein, das konnte einfach nicht sein! In dem jungen Mann begann die Panik sich langsam auszubreiten. Was, wenn doch? Konnte er erwarten, von jemandem so hohen Ranges wiedergeliebt zu werden? Mitleid wollte er nicht, lieber würde er sterben. Er setzte sich in Bewegung, unbemerkt ging er hinaus. Die Kanten des Kästchens in seiner Hand schmerzten, da er so fest zupackte. Lieber würde er sterben, als nur aus Mitleid geliebt zu werden. Er musste gehen, weit fort von hier. Er stürmte die Treppen hinauf, stieß die Tür zu seinem Zimmer auf. Wie damals, dachte er, wenn Eglenn wieder los musste. Ich werde gehen, überall ist es besser als hier! Er ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Mitleid, darauf konnte er verzichten. Stolz regte sich in ihm. Er würde diesen nun so verhassten Ort verlassen und nicht wiederkommen. Sein Rucksack lag noch auf dem Bett. Zeit für großartige Reisevorbereitungen war keine. Er stopfte einige Sachen und Verpflegung, die noch auf dem Tisch war, hinein. Dann holte er seine Reisekleider und gürtete sich mit seinem Schwert. Aber plötzlich hielt er inne. Wollte er wirklich gehen, ohne ein Wort zu sagen? Wollte er, dass er seiner Geliebten noch mehr Sorgen aufs Haupt lud? Er war sich sicher, dass er das nicht wollte. Schnell zündete er einige Kerzen an, dann holte er Feder und Papier. Er tauchte das Schreibwerkzeug leicht in das Tintenfass, schüttelte den Tropfen an der Spitze herab. Dann schrieb er. >Liebste Miluiel. Wenn du diese Zeilen liest, werde ich wohl über alle Berge, mit dem Wind auf und davon sein. Doch gräme dich meiner nicht, ich bin nur ein armer Wanderer, rastlos und selbst meiner Kleider unwürdig. Mag ich doch neben dir wie ein Schandfleck wirken, der deine strahlende Schönheit trübt, so werde ich von dannen ziehen und dich nicht länger beschmutzen. Miluiel, schienest du wie die erste Frühlingssonne nach einem langen, kalten Winter in mein erstarrtes Herz und wärmtest es, auf das es sich dir in Liebe zugewandt! Ich liebte sich wie die Lerche den Morgen, die ihm singend huldigt, und liebe dich noch jetzt. Ich armer Narr des Schicksals! Ach, dass ich hören musste, was Elrond dir sagte! Seine Worte klingen in mir nach, die Schwingungen zerreißen mich, werfen mich nieder und treiben mich weiter. Dass ich es nicht wusste! Und doch hätte das nichts daran ändern können, denn Worte vermögen nicht anzukommen gegen eine Liebe, die stärker ist als der Ozean und des Sturmes Brausen. Genauso einfach wie grausam sind die Worte, die mich martern. Prinzessin Gondors, Nachfahrin Elendils, rein fließt das Blut Númenors in deinen Adern. Ich liebeskranker Tölpel! Ich muss blind gewesen sein. Wie kann ein schäbiger Bettler von der Königin erwarten, dass diese seine Liebe erwidert, wo er doch froh sein sollte, wenn sie ihn auch nur eines Blickes würdigte? Ich danke dir für dein Mitgefühl und deine Freundschaft, aber Freunde können wir nicht länger sein, mein Herz würde es nicht ertragen. Mögest du noch lange Bruchtals Gärten wandeln, mögest du glücklich werden.doch sei dir gewiss, nie wird ein anderer dich mehr lieben als ich! Während du dich in diesen schönen Wäldchen ergehst, werde ich einsam und erbittert umherziehen, um irgendwann elendig zugrunde zu gehen. Lebe wohl, o Königin meines Herzens! In aller Liebe Damrod< Ohne den Brief auch nur noch einmal durchzulesen, steckte er ihn in einen Umschlag und versiegelte ihn. Auf die Vorderseite schrieb er ihren Namen, blies die Kerzen aus und legte ihn mit dem kleinen Kästchen auf den Tisch. Dann nahm er seinen Rucksack und verließ den Raum. Er schloss die schwere Holztür leise und ging die steinernen Stufen hinab. Er musste noch einige Vorräte holen, deshalb machte er sich auf den Weg in die Küche. Es war totenstill, nichts rührte sich im nächtlichen Bruchtal. Der Mond hatte sich in dunkle Wolken gehüllt, kein Elb wollte da ein Lied für die Sternenkönigin anstimmen, wie sie es sonst zu tun pflegten. Damrod glitt wie ein Schatten durch die Korridore, als er sich auf den Weg zu den Stallungen machte. Er hatte nicht viel Wegbrot mitgenommen, er würde unterwegs jagen oder in einer Ortschaft etwas kaufen. Es war egal, alles war egal, von nun an konnte er tun und lassen, was er wollte. Ein grimmiges Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Er war frei. Sein Reittier freute sich sehr, ihn zu sehen. Seit dem Vorfall mit dem Troll hatte er nicht mehr auf ihm gesessen. "Nun, mellon nin, es wird Zeit, wieder aufzubrechen! Sei leise, wir möchten doch nicht, dass uns jemand daran hindert!" Er streichelte sanft über den Hals des schönen Pferdes. "Komm!" Dunkel lag der Hof da. Er führte das Tier an eine freie Stelle, um aufsitzen zu können. Aber, einer inneren Eingebung folgend, hielt er still und drehte sich noch ein letztes Mal um. Aus einigen Fenstern drang Licht, aber kein Laut war zu hören außer das Rauschen des Windes im Geäst. Doch dann konnte man auch etwas anderes vernehmen. "Damrod!" Jemand rief seinen Namen. Er sah überrascht in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Jemand eilte die Treppe hinunter. Er konnte nicht erkennen, wer, aber sein Herz sagte ihm, dass es Miluiel war. "Bitte, geh nicht! Lass mich nicht allein!" Der junge Mann war zu überrascht, um sich zu rühren. Schon hatte sich das Mädchen an seine Brust geworfen. Erstaunt stellte er fest, dass sie weinte. "Geh nicht! Ich liebe dich..." Zärtlich nahm er sie in den Arm, streichelte ihr langes Haar. Er wusste, dass sie die Wahrheit sprach, die Worte waren aus tiefstem Herzen, nicht aus ihrem Mitleid entsprungen. Er war arm, konnte ihr nichts anderes als seine Liebe geben, aber auch sie konnte ihm kein größeres Geschenk machen. "Ich, ich... es tut..." Doch da verschoss er ihren Mund mit einem Kuss. ---Ende--- >*snüff* der Schluss ist irgendwie so süß... ich werde es vermissen, diese FF zu schreiben, aber ich denke, dass Echsilith in Miuliels Händen gut aufgehoben ist. (wenn nicht, kriegst du es mit mir zu tun!) ich habe ihn extra nicht zu einem großen Heerführer gemacht, weil ich zeigen wollte, dass man auch mit kleinen Taten Held sein kann, dass jeder Menschen helfen kann und sei es auch nur ein Dorf mit fünf Bewohnern, das man rettet. Ich hoffe, die Botschaft ist angekommen^-^ Ich freue mich, dass Savi mir die Story illustrieren will, das wird total schön! Danke schon im Voraus an sie*knuddl* und danke an alle, die diese ganze Geschichte gelesen haben ^-^ *smile*< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)