Stille. von Nenya (Assoziatives Schreiben zum Satz: "Mit einem Mal herrschte Stille in der Hütte") ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Stille. Sie nahm einen Löffel, fischte eine Karottenscheibe aus dem leise blubbernden Wasser, pustete und steckte sie sich dann in den Mund. Sie kaute, ihr Blick war nachdenklich. Einen kurzen Moment später legte Sie den Löffel beiseite, der ohne Karotte irgendwie nutzlos vor Ihrem Gesicht geschwebt war, und griff nach der Pfeffermühle. Kleine, schwarze Punkte landeten auf der Oberfläche des sahnigen Wassers. „Ist der Tisch endlich gedeckt?“, rief Sie durch die Hütte und von irgendwo erschallte ein mauliges „Nein“, was Sie aufstöhnen ließ. „Mach mal endlich!“ „Ja... chill mal.“ Irgendwo klickte eine Tür, schlurfende Schritte näherten sich, kurz darauf klapperte im Nebenzimmer Besteck. Sie warf mir einen Blick zu und verdrehte die Augen. Ich nickte; so war es doch immer. Vom letzten Schneidebrett tropfte noch etwas Spülschaum, ich öffnete den Wasserhahn, ließ das Wasser über das Brett laufen, dann stellte ich es sauber mit zu den anderen in das Abtropfgestell. Das heiße Wasser ließ ich im Spülbecken, nach dem Essen würde ich wieder abwaschen müssen. An einem Handtuch trocknete ich mir die Hände, zog die Schürze aus und hängte sie an einen Haken. „Essen kommen!“, rief Sie durchs Fenster nach draußen, eine entfernte Antwort kam, Schritte erklangen, die Hüttentür klappte, Stühle rückten am Esstisch, unterdrücktes Lachen erklang. Sie füllte die Suppe in eine Schüssel um und trug sie an den Tisch, ich folgte ihr, setzte mich an meinen Platz. „Ich hab die Kelle vergessen“, bemerkte Sie und ging eine holen. Wir warteten. Sie kam zurück. Tauchte die Kelle in die Suppe. Starrte einen Moment in die Suppe. Sie will uns etwas sagen. „Der Arzt hat gesagt, ich habe Krebs. Endstadium.“ In der Hütte herrschte mit einem Mal Stille. Sie sagte noch mehr, aber es war totenstill. Die Dunstschwaden der Suppe stiegen wohlriechend in die Höhe, während fünf Menschen vor dem Abgrund standen und hinuntersahen. Wie Frost breitete sich das eine Wort in unseren Köpfen aus. Es wuchs, wurde riesig, bedrohlich, schrecklich, grauenerregend, formlos, fraß sich in unsere Herzen bis nichts übrig war außer ungewisse, bodenlose Angst. Eine einzelne Träne sprang von Ihren Wimpern, stürzte sich in den Abgrund. Wie in Zeitlupe hob sich ihre Hand und streichelte über meine gefrorene Wange. Stumm rollten Tränen über mein Gesicht, liefen über Ihre Finger und fielen auf das Tischtuch. „Es tut mir leid“, flüsterte sie, doch es war noch immer still. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)