Seelenanker von Torao (From Lust to Heart [Penguin x Law]) ================================================================================ Kapitel 21: Blinde Worte ------------------------ Grell stach das Licht der aufgehenden Morgensonne am Horizont über dem Meer in Laws Augen, als er aus der Villa trat. Sein Nodachi hatte er wieder auf der rechten Schulter abgelegt, während seine linke Hand ein Bündel, bestehend aus dem abgeschnittenen Teil eines Fenstervorhangs, hielt – wobei nur der darin eingewickelte Inhalt für den Arzt von Bedeutung war. Er war offensichtlich der Letzte im Gebäude gewesen, da es in dessen Innerem längst totenstill war, während davor seine Männer standen, alle umringt von mehreren Damen. Die meisten von diesen hatten sich jedoch schon in alle Himmelsrichtungen zerstreut und waren auf dem Weg in ihre Heimatorte, die rundum die Küste zu Fuße des Hügels lagen. Doch dem Chirurg sollte es nur recht sein, wenn sie sie nicht auch noch nach Hause geleiten mussten. Auch musste bereits die Mehrheit der Frauen aus der Stadt, in der sie zuvor geankert hatten, sich alleine auf den Weg gemacht haben. Nur eine Hand voll klammerte sich noch an Ban, Wakame und Shachi. Wobei Law auffiel, dass Letzterer, nur auf ein Mädchen fixiert war, welches er in seinen Armen hielt. Ein ungewöhnliches Bild, das er bei dem Jüngeren so noch nie gesehen hatte. Sollte er nicht eigentlich nervös werden, sich einen Knoten in die Zunge machen und die Frauen in die Flucht schlagen? So wie sonst auch? Doch schnell lenkte Law etwas ganz anderes ab und er sah Wakame an: „Wo ist Penguin?” „Schon vorgegangen mit einigen Mädels”, antwortete er ihm über zwei Blondinnen hinweg, die sich weinend an seine Brust klammerten. Law blickte wortlos den Weg zum Tor entlang, hinter dem der Hügel hinab in die Stadt führte. Penguin wollte, dass alles wieder so war, wie einst, bevor sie sich näher gekommen waren. Dahin zurück, als sie beide ihre körperlichen Gelüste ausschließlich an unbedeutenden, flüchtigen Bekanntschaften befriedigt hatten. Und er hatte sich damit abzufinden, auch wenn er zumindest im Moment noch nicht wieder daran denken konnte, sich auf irgendjemand anderes einzulassen. Doch letztlich hatte auch er selbst schon eher gesagt, er wolle dorthin zurück. „Dann lasst uns gehen.” Damit trat der Arzt den Rückweg an, gefolgt von den Anderen und einem guten Dutzend immer noch verängstigter und teils weinender Frauen, von denen auch die ein oder andere versuchte, an seinem Arm Schutz zu suchen – vergeblich, denn er schüttelt sie ausnahmslos ab. Die Freude über die Rückkehr der Frauen und Mädchen überschwemmte die Piraten regelrecht. Denn obwohl es noch früh am Morgen war, hatte sich die Nachricht über ihre Befreiung wie ein Lauffeuer unter den Bürgern verbreitet, kaum dass die ersten Frauen die Stadt erreicht hatten. Und so waren auch die Männer umgehend von dankbaren Leuten umzingelt worden, kaum dass sie mit den letzten Mädchen angekommen waren. Immerhin hatten die Piraten es noch bis zum Gasthof geschafft, wo die Männer am Vorabend gewesen waren und die Wirtsleute nun glücklich ihre Tochter in die Arme schlossen – jenes Mädchen, welches sich den ganzen Rückweg an Shachi geklammert hatte. Law hatte keine Ahnung, dass seine Crew durch dieses Familiendrama auf die Sache aufmerksam geworden war. Und es interessiert ihn auch nicht wer hier gerade sonst noch wem weinend in den Armen lag. Er hatte sich auf einer niedrigen Mauer etwas abseits der Menschentrauben niedergelassen und beobachtete das Spektakel. Es fiel ihm schwer, die Freude zu teilen, auch wenn er nicht diese Menschen dafür verantwortlich machen konnte, dass er selbst seine Familie nie mehr so in die Arme schließen konnte und ihm zudem die Situation zwischen ihm und Penguin schwer im Magen lag. Wieder fiel ihm auf, wie Shachi freudestrahlend dastand und sich letztlich das Mädchen wieder bei ihm einhakte, während sie mit ihren Eltern sprach, und ein kleiner Junge, vermutlich ihr Bruder, mit Shachi plauderte. Wieder sah Law sich um, doch Penguin konnte er dennoch nicht entdecken. Wo war er hin? „Hmm, vermutlich schon irgendwo mit ein oder zwei der Frauen beschäftigt.” Er versuchte spöttisch zu lächeln, doch es misslang ihm. Stattdessen wies ihn ein stechender Schmerz auf die Wunde an seinem Arm hin. Er blickte auf diese. Sie blutete nur noch geringfügig, wobei sein Ärmel sie nahezu gänzlich verdeckte. Doch brannte sie höllisch. Zudem fühlte er sich furchtbar müde, sein Nacken und sein Kopf schmerzten. Am liebsten wäre er schnurstracks auf sein Schiff gegangen und hätte sich in seine Kajüte zurückgezogen. Doch das ging nicht. Bepo und die Anderen hatten die Polar Tang aus dem Hafen gebracht und er musste zunächst erstmal Kontakt mit ihnen aufnehmen, um ihre Position zu erfragen. Er zog die Vivre Card, die Ban ihm unterwegs zurückgegeben hatte, aus seiner Tasche und betrachtete sie, während sie in seiner Handfläche lag und begann sich in eine Richtung zu bewegen. Er seufzte und umschloss das Papier wieder, bevor es ihm von der Hand glitt. Selbst wenn er die Richtung kannte, hatte er keine Ahnung, wie weit sie entfernt waren. Und momentan zweifelte er stark daran, dass er noch die Energie hatte, einen langen Fußmarsch auf sich zu nehmen. Die Grippe und der Kampf hatten ihm für heute den Rest gegeben und das obwohl die Sonne gerade erst über die Häuserdächer der Stadt stieg. „Du bist also der Piratenkäpt’n?” Law sah überrascht auf, als eine Kinderstimme ihn ansprach. Es war der kleine Junge, der plötzlich vor ihm stand und ihn mit großen, euphorischen Augen ansah. Law blickte ihn nur desinteressiert an. Er konnte sich bereits denken, dass Shachi über ihn gesprochen hatte, da dieser sich immer noch mit dem stämmigen Mann unterhielt und nun in seine Richtung deutete. „Wenn ich groß bin, werde ich auch ein Pirat, genau wie du!” Die Begeisterung des Kindes drückte unangenehm in Laws pochendem Schädel. Der Mann kam ebenfalls auf ihn zu: „Das ist also der Held, dem meine Familie zu verdanken hat, dass sie wieder vereint ist und der der ganzen Stadt, ach was sage, ich, der ganzen Insel so sehr geholfen hat. Ich danke Ihnen tausendfach.” Laws Miene wechselte von gelangweilt auf finster: „Ich bin kein Held.” Sein Gegenüber lachte verlegen: „Entschuldigen Sie. Aber es hat sich schon überall herumgesprochen, was Sie und ihre Männer getan haben. Und der Kleine da meinte, dass Sie diesen widerlichen Typen zur Strecke gebracht haben.” Er nickte in Shachis Richtung, doch der Rotbraunhaarige schien einzig und alleine auf das Mädchen fixiert, welches erneut in den Armen seiner Mutter lag. „Mag sein.” Law wandte den Blick ab. Er wollte seine Ruhe. Und vor allem wollte er nicht, dass man ihn als Held feierte, denn das war er seines Erachtens nun wirklich nicht. Er wollte es auch nicht sein. Doch der Mann ließ ihn nicht alleine: „Ich hatte es ihren Männern gestern schon gesagt und das gilt auch noch heute: Sie alle können bei uns im Gasthaus so viel essen und trinken wie sie wollen, auf Kosten des Hauses versteht sich. Und ich hoffe, Sie bleiben noch eine Weile. Einige Leute planen bereits ein großes Fest in der Stadt und da dürfen Sie und ihre Leute nicht fehlen.” „Ist das so?” Mit monotoner Stimme fragte Law dies und blickte weiter zur Seite. „Ja! Wir feiern die Rückkehr meiner Schwester und der anderen! Und euch auch!” Wieder drang die jauchzende Stimme des Jungen an sein Ohr. Law hielt den Blick abgewandt: „Aha.” Sein Vater hingegen schien allmählich zu verstehen, dass sein Gegenüber gerade kein Interesse an einer Unterhaltung hatte: „Sie sind sicher erschöpft und wollen auf ihr Schiff. Wenn wir dennoch irgendetwas für Sie tun können, lassen Sie es mich wissen.” Er wollte sich abwenden und seinen Sohn mit sich ziehen, als Law den Kopf hob und ihn überraschend ansprach: „Haben Sie eine Teleschnecke, die ich benutzen kann?” Der Wirt blickte überrascht zurück: „Ja, natürlich. Folgen Sie mir!” Somit erhob der Arzt sich, steckte die Vivre Card wieder ein, nahm Schwert sowie das Gardinenknäuel neben sich auf und ging ihm hinterher zum Wirtshaus, vor dem auch Shachi immer noch stand. Der kleine Junge lief ihm begeistert hinterher. Shachi blickte überrascht Penguin an, als dieser einige Zeit später unerwartet von der Seite auf ihn zukam: „Da bist du ja!” Der Ältere hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und seine Mütze tief ins Gesicht gezogen. „Ich war am Hafen. Die Polar Tang ist weg”, sagte er ernst. Shachi blieb gelassen: „Ich weiß. Der Käpt’n hat die Anderen heute Nacht fortgeschickt, um außerhalb der Stadt zu ankern.” „Ach so?” Penguin hob den Kopf etwas und sah seinen Freund an. „Vermutlich, um sie vor Angriffen zu schützen, wenn er nicht da ist. Aber er ist vorhin reingegangen. Möglich, dass er Bepo anruft, um sie zurück zu ordern”, Shachi wirkte überglücklich, als im selben Moment wieder das Mädchen an seine Seite kam und sich an seinen Arm klammerte. „Darf ich dir Kazumi vorstellen? Kazumi, das ist mein bester Freund Penguin.” Das dunkelhaarige Mädchen lächelte glücklich, auch wenn immer noch einige Freudentränen in ihren Augenwinkeln hingen: „Hallo, freut mich dich kennen zu lernen. Und danke für die Rettung.” Penguin musterte sie kurz: Sie sah aus wie auf dem Foto und damit immer noch Mika, seiner und Shachis Freundin aus Kindestagen, zum Verwechseln ähnlich. Aber ihm fehlte gerade der Sinn für Sentimentalitäten. Daher antwortete er nur kühl: „Damit hatte ich nicht sonderlich viel zu tun.” Im nächsten Augenblick ging er auch schon auf die Tür des Gasthaues zu und hörte noch, wie sie Shachi leise ein „Was hat er denn?” zuflüsterte, bevor er im Gebäude verschwand. „Was ich habe?”, ging es ihm selbst durch den Kopf, „Eine irre Wut.” Auch wenn ihm es niemand gesagt und er keinen Schimmer hatte, was sich in den letzten Stunden abgespielt hatte, so war ihm bewusst, dass sein Käpt’n ihn und die Mädchen gerettet hatte. Und ihm war auch nicht seine schlechte Verfassung entgangen, in der er in der Villa auf dem Boden gehockt hatte. Der Kampf musste ihm viel Kraft geraubt haben. Dennoch verspürte Penguin wieder diese Wut und Enttäuschung ihm gegenüber in sich. Und das schon seit er ihm erstmals in Gurasus Villa wieder ins Gesicht gesehen hatte. Es war nicht so, dass er ihm nicht dankbar war. Dennoch setzte es ihm zu, wie sehr er sich offenbar in ihm getäuscht hatte und wie er auch Shachis Gefühle nicht ernst nahm. Wobei Penguin nicht entgangen war, dass dieser wohl tatsächlich gerade mit der Wirtstochter anbandelte. Dies freute ihn zwar ungemein, verwirrt ihn aber angesichts von Shachis gewöhnlicher Reaktion bei Frauen doch enorm. Allerdings hatte er dafür gerade kaum Platz in seinem Kopf. Schon auf dem Weg zum Hafen hatte es sich angefühlt, als würde dieser unter den ständigen um den Arzt kreisenden Gedanken explodieren. Daher hatte er auch auf dem Rückweg beschlossen, ein für allemal Klartext zu reden. Besonders lag ihm am Herzen, dass Law aufhörte, seine Spielchen mit Shachi zu treiben. Denn Penguin wusste, egal was der Jüngere gerade für das Mädchen empfand, er würde sich bald schon wieder von ihr trennen müssen. Und sein Freund wollte unter allen Umständen vermeiden, dass er sich Trost suchend wieder in die falschen Hände begab – Hände, die ihn irgendwann verletzen würden. Aus diesem Grund führte ihn sein Weg zum Wirt, der im Gastraum einige Männer koordinierte, die Mobiliar nach draußen schafften. Scheinbar sollte die Rückkehr der Frauen groß auf den Straßen gefeiert werden. Er sprach ihn an: „Haben Sie unseren Käpt’n gesehen?” Der Mann lächelte freundlich und deutete auf den Hinterraum, in den er am Vorabend mit seiner Frau verschwunden war: „Ja, er ist dort und telefoniert schon eine Weile.” „Danke.” Damit ging Penguin auf den Raum zu, während der Wirt weiter seiner Tätigkeit nachging. Vor der Tür blieb er stehen. Durch das Holz konnte er deutlich Laws Stimme hören. „Dann bleibt einfach wo ihr seid. Wir kommen zu euch, sobald ich den Weg kenne. Ich denke, das wird erst morgen sein. Die Anderen wollen sich sicher die Feier nicht entgehen lassen und ich will hier noch ein paar Nachforschungen anstellen. Aber erzähle den Anderen nicht, dass hier gefeiert wird. Dann sind einige wie Shou nur sauer, weil sie nicht dabei sind.” Law schwieg kurz und Bepos Stimme war über die Teleschnecke zu hören, allerdings durch die Tür nur schwer zu verstehen, bevor der Arzt erneut etwas sagte. „Ja, mir geht es gut. Mach dir keine Sorgen. Danke, dass du das Schiff in Sicherheit gebracht hast. Ich melde mich nochmal bei dir, bevor wir aufbrechen oder falls sich etwas ändern sollte.” Penguin hörte wie er auflegte: Seine Gelegenheit seinen Anführer endlich unter vier Augen zu sprechen. Er holte kurz tief Luft und zog seine Mütze vom Kopf, bevor er die Türklinke packte und eintrat. An Anklopfen dachte er aufgrund seiner weiterhin aufschäumenden Gefühle nicht einmal. Es war wohl das Büro des Hauses. Law stand am Schreibtisch, auf der die Teleschnecke stand und nahm gerade sein Schwert sowie ein merkwürdiges Stoffbündel von der Tischplatte, bevor er sich umdrehte. Der Ältere konnte sehen, wie er etwas erstarrte: Er hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet er herein gekommen war und gerade die Tür schloss. Doch er fing sich recht schnell wieder und sprach in seinem üblichen, ironischen Ton: „Na, schon alle Frauen versorgt?” Wie er das meinte war mehr als klar. „Ich muss mit dir reden.” Penguins Miene machte deutlich, dass er nicht zu Späßen und lockeren Sprüchen aufgelegt war. Auch der Andere schaltete auf ernst um: „Ich dachte, es wäre alles gesagt.” „Nein, ist es nicht!” Unerwartet erhob Penguin seine Stimme und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will nicht mehr, dass du Shachi vertraust, sondern dass du deine Finger von ihm lässt!” Irritation stieg in Laws Gesicht: „Was?” „Du hast mich verstanden! Rühr ihn nicht mehr an. Nie wieder!” Die Stimme des Älteren bebte und es fiel ihm schwer nicht zu schreien - die Wut sprudelte gerade unkontrolliert aus ihm heraus. Laws Augenbrauen zogen sich zur Gesichtsmitte zusammen: „Kannst du mir sagen was dich so sauer macht, dass du mich gerade so anmachst? Hat Ban dir alle Weiber weggeschnappt? Da draußen sollten doch jetzt wohl genug für euch alle sein.” Penguins Wut steigerte sich bei dieser Aussage in puren Zorn, war seines Erachtens nach doch Law derjenige, der sich als überaus treulos erwiesen hatte: „Bitte? Sagst ausgerechnet DU? Wem geht es denn nur um Sex?” Auch Laws Ärger wuchs an, wobei er immer noch verwirrt über die Worte des Anderen war und versuchte sie zu verstehen, was ihm sein schmerzender und erschöpfter Kopf jedoch nicht leicht machte. Er rieb sich mit den Fingerknöcheln der Hand, in der er das Bündel hielt, die Schläfe und sah kurz zur Seite. Penguin entging dies nicht und für einen Moment wich sein Jähzorn der Sorge um seinen Gegenüber: Scheinbar ging es ihm nach wie vor nicht gut. Somit war das wohl eigentlich der falsche Moment, um ihn so anzufahren. Doch er hatte gerade keine Chance, seine aufbrausende Ader, die er sonst gut unter Kontrolle hatte, zu zügeln. „Ich weiß wirklich nicht, was gerade in dich gefahren ist, dass du so redest. Aber wenn es dir besser geht, dann verspreche ich dir, dass ich um Shachi einen riesen Bogen mache.” Law sah ihn wieder an - er wirkte müde. „Dass du zwischen uns alles wieder beim Alten haben willst, weiß ich ja schon und akzeptiere ich auch.” „Richtig. Du kannst dir einen anderen Dummen suchen, der dich durchfickt und sich dann von dir herumschubsen lässt! Du vögelst doch eh mit jedem, der deinen Ansprüchen halbwegs genügt!” Penguin erschrak selbst bei seinen eigenen Worten, die da so unüberlegt aus ihm herausschossen waren, hatte er zudem doch gar nicht über sich und seine Gefühle sprechen wollen. Dass er nun auch Law getroffen hatte, war für eine Sekunde an seinem Blick zu sehen, bevor er diesen wieder senkte und resignierend die Augen schloss. „Ich weiß zwar nicht, wie du auf so etwas kommst, aber ich weiß, dass ich dich enttäuscht habe. Du hast wohl allen Grund auf mich wütend zu sein. Ändern kann ich es jedoch nicht.” Er ging an Penguin vorbei, blieb aber etwas versetzt neben ihm nochmal stehen. „Es tut mir leid.” Erneut fiel die Tür ins Schloss. Regungslos starrte Penguin geradeaus zum offenen Fenster, wo der Wind in den Vorhängen spielte. So hatte er sich das nicht vorgestellt: Law der reumütig von Dannen zog und sich obendrein bei ihm entschuldigte. Die Reaktion verwirrte ihn. „Ich hätte ihn nicht so anschnauzen dürfen. Das war der völlig falsche Ton.” Wieder einmal verfluchte er sich für sein unüberlegtes, impulsives Handeln. Und er wusste nicht, wie er darauf kam? Wollte er etwa abstreiten, wie gleichgültig ihm war, mit wem er schlief? Penguin wirbelte herum und wollte seinen Käpt’n aufhalten, doch seine Hand stoppte vor der Türklinke. War es dazu jetzt nicht zu spät? Vermutlich hatte Law kein Interesse daran, sich noch mal in Ruhe anzuhören, was ihm wirklich auf dem Herzen lag. Und Penguin zweifelte daran, dass er selbst in der Lage war, ruhig über alles zu reden. Zu aufgewühlt waren die Emotionen in ihm. Er erinnerte sich wieder, wie Law gerade eben auf ihn gewirkt hatte: „Es ging ihm wirklich nicht gut. Sicher ist er vom Kampf erschöpft. Er ist ja auch noch nicht wieder ganz gesund. Und ich Idiot bin noch schuld, dass er sich jetzt wieder so schlecht fühlt. Erst widersetze ich mich seinem Befehl, dann muss er auch noch meinen Arsch retten und alles womit ich es ihm danke ist das gerade.” Mit Wucht schlug Penguin mit der Faust gegen die Wand neben der Tür. Trotz aller Wut erdrückten ihn nun Schuldgefühle und Zweifel an sich selbst. Nach wie vor wollte er nicht, dass es Law schlecht ging und er litt. Doch genau dafür hatte er nun in mehrfacher Hinsicht gesorgt. Und das nur weil er sich blind von seinem Zorn hatte leiten lassen. Wieso fiel es ihm nur so schwer, seine Gefühle ihm gegenüber zu kontrollieren? Kraftlos ließ Law sich im ersten Stock des Gasthauses in einem kleinen Zimmer, um welches er den Wirt gebeten hatte, aufs Bett sinken. Sein Schwert lehnte in der Zimmerecke neben dem Fenster und er betrachtete das immer noch eingewickelte Herz auf dem Tisch daneben. Es schien noch nicht wieder angefangen zu haben deutlich zu pochen. Dabei war er sich sicher, dass er Gurasu nur bewusstlos zurückgelassen hatte. Oder war er doch tot? Nein, ausgeschlossen. Aber der Stromschlag musste so heftig gewesen sein, dass es sicher noch eine Weile dauern würde, bis sein Herzton wieder durch den Stoff hindurchdringen würde. Doch dass er so oder so mit diesem Herzen seinem momentanen Ziel wieder ein Stück näher gekommen war, interessierte ihn gerade nicht. In seinem Kopf kursierte nur die Auseinandersetzung mit Penguin vor wenigen Minuten. Bis dahin war er davon ausgegangen, der Ältere würde sich nur so merkwürdig verhalten, weil er eben auch Schwierigkeiten damit hatte, alles wieder so werden zu lassen, wie es einst war. Doch wie wütend er ihn eben angefahren hatte, machte deutlich, dass weit mehr im Argen lag. Law konnte sich nur nicht erklären, was genau. Wobei er nun eine Vermutung hatte: Penguin dachte aus irgendeinem Grund wohl, er hätte entgegen seines Vorhabens und Versprechens, das er ihm vor einigen Tagen gegeben hatte, engeren Kontakt mit Shachi gehabt, gar mit ihm geschlafen. Gerne hätte der Arzt ihn gefragt, ob er damit richtig lag, doch das was Penguin ihm zum Schluss an den Kopf geworfen hatte, hatte ihm den Rest gegeben. „Er denkt also, mir ging es doch nur um Sex. Dabei dachte ich, es wäre inzwischen klar, dass es nicht so ist. Aber warum sollte er mir auch glauben, wo ich ihm fälschlicher Weise den Eindruck vermittelt habe, ich würde ihm vertrauen?” Law sah auf seine Handflächen. Letztlich hatte ihm der Streit eben noch den letzten Funken Kraft geraubt, sodass er keinen anderen Weg gesehen hatte, als das Weite zu suchen, bevor der Andere ihm seinen Zustand und erneute Schwäche hatte anmerken können. Vermutlich gab es für ihn ohnehin keinen Grund mehr, noch irgendetwas richtig stellen zu wollen. Er hatte Penguins Vertrauen missbraucht und es nicht erwidert. Das war wohl das Fatalste an allem. Somit saß er nun hier und fühlte sich innerlich so leer wie schon lange nicht mehr. Da war nur noch pure Erschöpfung in ihm, die ihn zwang sich endlich hinzulegen und zu schlafen. Sie war auch der Grund, warum er Bepo erzählt hatte, er würde hier noch Nachforschungen anstellen wollen. In Wirklichkeit war ihm inzwischen mehr als bewusst, dass er wirklich gerade keine Energie mehr hatte, um den Fußweg von ungewisser Länge zur Polar Tang auf sich zu nehmen. Und das Zurückkehren des Schiffes hätte nach Bepos Aussage lange gedauert, da der Wind mehr als ungünstig stand und auch die Strömung unter Wasser aufgrund der Strudel enorm war, sodass die Maschinen dagegen kaum angekommen wären. Sie hatten bereits auf dem Weg zur Bucht, in der sie nun weiter nördlich ankerten, damit zu kämpfen gehabt. Law wollte daher nicht, dass sie irgendetwas riskierten, sondern stattdessen blieben wo sie waren. Nur wollte er auch wie immer nicht, dass sich irgendjemand seinetwegen Sorgen machte, weshalb er sein Befinden und den für ihn doch recht harten Kampf verschwiegen hatte. Von der Straße vorm Haus drangen etliche Stimmen durchs offene Fenster. Vermutlich waren alle Bürger mit den Vorbereitungen für die Feierlichkeiten beschäftigt. Aber auch das spielte keine Rolle für den Chirurgen. Er wollte einfach nur schlafen und seinem erschöpften Körper Ruhe gönnen. Allerdings musste er vorher noch seine Wunde versorgen. Law blickte auf seinen linken Oberarm: der aufgeschlitzte Pulli verdeckte sie nach wie vor. Und sein Blut sah man im dunklen Stoff kaum. Vermutlich hatte sich die Wunde schon geschlossen. Dennoch schmerzte sie. Er zog müde sein Oberteil aus und ließ es auf die Holzdielen fallen, bevor er sich seine Verletzung genauer besah. Sie blutete doch noch ein klein wenig. Er blickte kurz auf den rechten Arm, wo man noch deutlich die Spuren des Streifschusses sah. Er schnaufte spöttisch: „Fast symmetrisch.” Tatsächlich verliefen beide Wunden auf etwa gleicher Höhe. Wobei der Schnitt links länger war, dafür aber weniger tief erschien. Law griff nach der Flasche mit Alkohol auf dem Nachttisch, die er sich ebenso wie Verbandsmaterial vom Wirt hatte geben lassen, um die Wunde zu desinfizieren. Er tränkte eine der Kompressen damit, verschloss die Flasche wieder und stellte sie zurück, ehe er über seinen Oberarm tupfte. Es brannte. Aber sein Körper hatte schon andere Schmerzen ertragen, als das ihm das noch etwas ausmachte, sodass er unbeirrt weitermachte und sich wenig später erneut alleine mehr oder weniger erfolgreich einen Verband anlegte. Unweigerlich musste er daran denke, wie Penguin reagiert hatte, als er vor nicht mal zwei Wochen seine schlecht verbundene Schusswunde gesehen hatte, und wie er sie daraufhin und auch in den folgenden Tagen versorgt und sachgemäß verbunden hatte. Law presste die Lippen aufeinander und blickte auf den schief gewickelten Verband, wobei es nicht ganz so schlimm aussah wie beim letzten Mal. Schließlich hatte er nun mit rechts wickeln können. Wie sehr er sich dennoch urplötzlich wünschte, Penguin wäre jetzt hier, um ihm wieder zu sagen, er solle sich helfen lassen, und um ihm den Verband anschließend ordentlich anzulegen – und um einfach nur bei ihm zu sein. Aber das war Geschichte und er, Law, hatte das endlich hinzunehmen. „Und ich wollte es schließlich auch. Es ist besser so… für ihn.” Wieder war in seinem Kopf präsent, was mit all den Menschen passiert war, die ihm je nahe gestanden hatten: Sie alle waren tot. Er wollte nicht, dass dieses Schicksal sich noch mal vor seinen Augen abspielte und er gar Schuld daran trug, so wie damals bei Corazon – wobei er sich nicht nur für seinen Tod verantwortlich fühlte. Neben der Trauer, die Law nun wieder aufkommen spürte, nagte auch weiterhin die Erschöpfung massiv an ihm. Er erhob sich und schloss das Fenster. Doch immer noch konnte man die fröhlichen Stimmen von draußen hören. Müde ging er in die entgegengesetzte Richtung und verriegelte die Tür, bevor er sich abermals auf die Matratze fallen ließ, mit letzter Kraft noch seine Schuhe auszog und die Beine aufs Bett hob, während sein Oberkörper im gleichen Moment schon zur Seite kippte und er die Augen schloss. „Es ist besser, wenn ich nie wieder jemanden an mich heranlasse”, sagte er sich noch in Gedanken, „aber trotzdem wünschte ich, das mit dir wäre nicht so geendet wie eben.” Anschließend dauerte es nicht lang und der Schlaf übermannte ihn so sehr, dass er den Rest des Tages, wie so oft geplagt von einigen Albträumen, verschlafen sollte. „Peng!”, rief Shachi freudig aus, als er Penguin nach etlichen Stunden wieder zu Gesicht bekam. Es setzte bereits die Dämmerung ein und das Fest war in vollem Gange. Die Menschen der Stadt hatten keine Mühen gescheut, alle Hauptstraßen ausgiebig zu dekorieren. Überall spielte Musik, die Menschen lachten und tanzten und drückten damit ihre Freude über die Befreiung aus der Tyrannei aus. Vor den Kneipen und Gaststuben standen Tische, an denen man sich niederlassen konnte, um Essen und Getränke zu verzehren, was beides für jedermann kostenfrei zur Verfügung stand. Auch Shachi saß an einem solchen Tisch vor dem Wirtshaus, das Kazumis Eltern gehörte. Und ebenso besagtes Mädchen – direkt neben Shachi, eng an ihn gelehnt und Penguin glücklich anlächelnd. Das Bild wirkte erneut befremdlich auf den Älteren. Bans Lachen drang an sein Ohr, sodass Penguin kurz aufsah und den Blonden gemeinsam mit Wakame in einiger Entfernung entdeckte. Beide ließen es sich wohl ebenfalls gut gehen, tranken und waren umzingelt von Schönheiten: Dieser Anblick entsprach schon eher Penguins Gewohnheit. „Setz dich doch!”, forderte Kazumi ihn auf. Penguin sah erst sie und dann wieder seinen Freund an: „Wo ist der Käpt’n?” „Schläft vermutlich. Der Wirt hat uns vorhin gesagt, dass er sich ein Zimmer von ihm hat geben lassen und dass er uns zudem ausrichten sollte, dass wir erst morgen die Stadt verlassen.” Shachi legte den Kopf schräg: „Ich bin davon ausgegangen, dass du die ganze Zeit bei ihm warst.” Penguin wandte den Blick ab, legte seine Mütze auf den Tisch, während er sich setzte, und nahm den Rumkrug entgegen, den ihm eine Kellnerin im Vorbeigehen reichte. „Nein”, sagte er monoton, „ich war den ganzen Tag draußen vor der Stadt und habe trainiert.” Und das entsprach der Wahrheit: Nach seiner Auseinandersetzung mit dem Arzt am Morgen, hatte er sich schnurstracks in einen kleinen Hain außerhalb der Stadt begeben und dort den Rest seines Ärgers an den Bäumen ausgelassen. Wobei diese Wut nun vor allem auch sich selbst galt. Immer noch bereute er, wie unkontrolliert er Law gegenüber getreten war. „Ist irgendwas vorgefallen?” Shachi klang besorgt. Penguin schwieg kurz, ehe er in neutralem Tonfall antwortete: „Nein, nichts.” Dass sein Freund ihn dennoch skeptisch beäugte, wusste er ohne hinzusehen. Zu seinem Glück kam im selben Augenblick ein anderes Mädchen in Kazumis Alter an den runden Tisch, stellte einige gut gefüllte Platten mit Essen darauf ab und ließ sich ebenfalls nieder. „Ah, Sayo! Das ist Penguin, von dem ich dir vorhin erzählt habe. Peng, das ist Sayo, Kazumis beste Freundin.” Shachi schien das dunkelblonde Mädchen offensichtlich schon zu kennen – kein Wunder, hatte er mit Sicherheit den ganzen Tag in Kazumis Nähe verbracht. Sie sah den Schwarzhaarigen an und begrüßte ihn freundlich: „Ach, das ist der tolle große Bruder und beste Freund! Schön, dass ich dich jetzt auch kennenlerne.” Er sah zurück und versuchte gute Laune vorzutäuschen: „Freut mich auch.” „Shachi hat heute Nachmittag die ganze Zeit völlig vernarrt von dir geschwärmt”, schmunzelte sie und sah ihn interessiert an. Shachi wurde verlegen und wich den Blicken aus: „Eh, na ja.” Doch Penguin lächelte nur. Da war zu viel anderes in seinem Kopf, um groß darauf einzugehen. Das Mädchen rückte näher an ihn heran, sichtlich daran interessiert, den gutaussehenden Mann neben sich besser kennenzulernen: „Er hat auch erzählt, dass du nicht so abweisend bist wie euer Käpt’n.” Letzteres war das Stichwort, welches Penguin dazu verleitete sie nun doch interessiert anzusehen: „Du kennst ihn?” „Ja, der Typ mit den Tattoos, den Ohrringen und dem riesigen Schwert. Shachi sagte mir, dass er euer Käpt’n ist”, erklärte Sayo. „Sie sind sich gestern über den Weg gelaufen”, fügte der Jüngere hinzu. Penguin war im Begriff, die Unterhaltung wieder als uninteressant abzutun, wurde jedoch eines Besseren belehrt, als die Blonde fortfuhr: „Na ja, genau genommen hat er mich vor Gurasus Handlangern gerettet. Ohne ihn wäre ich auch als Glasstatue geendet.” „Ohne ihn wäre ich es jetzt noch”, erwähnte Kazumi und klammerte sich dabei fester an Shachis Arm. Dessen sonstige Reaktionen auf solche Annährungen des weiblichen Geschlechts blieben merkwürdiger Weise weiterhin aus. „Ja, er ist wirklich ein Held”, Sayo stützte das Kinn auf eine Hand und nahm sich etwas vom Essen, „und sieht dazu noch gut aus. Allerdings ist er ziemlich unhöflich.” „Wieso das?”, wollte Penguin wissen, obwohl es ihn kaum verwunderte, wenn jemand seinen Käpt’n mit diesem Adjektiv beschrieb. Er musterte sie und wurde vom Gefühl beschlichen, sie schon einmal gesehen zu haben. „Nachdem er mich gerettet hat, hat er mich einfach von sich gestoßen, als ich ihm meinen Dank erweisen wollte. Dabei hätte ich wirklich alles getan, was er verlangt hätte.” Ein schwärmender Blick lag in den Mädchenaugen. „Du solltest dich nicht immer an jeden Mann, der dir optisch gefällt, gleich so ranmachen”, ermahnte Kazumi sie. „Hey! Wer klammert denn gerade an Shachi?” Sayo drehte den Kopf und sah ihre Freundin an, sodass Penguin sie nun von der Seite sah, während Kazumi ihr frech die Zunge entgegenstreckte. Wie ein Geistesblitz flackerte wieder das Bild vor ihm auf, welches er am Vortag in der Seitengasse beobachtet hatte. „Wo war das?”, schoss es nach einigen Sekunden aus ihm heraus. Irritiert blickte die junge Frau ihn wieder an: „In einer Seitenstraße, gar nicht weit von hier.” Penguins Mimik nahm nun etwas sehr Angespanntes an. Er rückte näher an sie heran und fasste sie am Arm: „Und er hat dich weggestoßen?” Sie wich nun etwas zurück, sichtlich verunsichert von der abrupten Annährung des Piraten: „Ähm, ja. Er ist anschließend einfach gegangen und hat mich in der dunklen Straße zurückgelassen. Dabei hatte ich wirklich Angst, die Typen würden zurückkommen, nachdem sie davon gerannt waren.” Nun war Penguin sich ganz sicher: Sie war das Mädchen, welches er mit Law gesehen hatte. Und ihre Erzählung machte ihm gerade klar, dass er sich voreilig ein falsches Bild von der Situation verschafft hatte. Der Arzt hatte sich nie mit ihr vergnügt und es wohl auch nie beabsichtigt. Er hatte ihr lediglich geholfen und sie sich vermutlich aus Furcht an ihn geklammert. Und just in diesem Moment war er, Penguin, vorbeigekommen. Er ließ Sayo los und seine Hand langsam sinken, gefolgt von seinem versteinerten Blick. „Alles in Ordnung, Peng?”, fragte Shachi unsicher. Der Angesprochne reagierte jedoch nicht. In seinem Kopf rotierten gerade erneute die Gedanken. Er hatte Law völlig zu Unrecht beschuldigt. Was wenn er auch nie mit Shachi geschlafen hatte? Vielleicht hatte er sich auch dort selbst auf den Holzweg begeben? Er sah seinen Freund an: „Ich muss dich kurz unter vier Augen sprechen.” Ein fragender Blick des Jüngeren folgte. Dennoch löste er sich von seiner Eroberung und stand auf. „Bin gleich wieder da”, entschuldigte er sich bei Kazumi, bevor er unter den fragenden Blicken der Mädchen Penguin um die nächste Hausecke folgte, wo sie halbwegs ungestört zu sein schienen. „Was ist denn los?”, fragte er. „Ist doch was passiert?” Der Ältere zögerte kurz und blickte angespannt zur Seite, wo feiernde Menschen vorbeiliefen und sie nicht beachteten, bevor er Shachi ansah: „Ich will nur eins von dir wissen: Hast du in der letzten Woche mit La… dem Käpt’n geschlafen?” Dem Kleineren entging nicht, wie ihm beinahe wieder der Vorname ihres Anführers herausgerutscht war, doch ging er dieses Mal nicht darauf ein. Stattdessen blickte er letztlich zu Boden, während er, sichtlich peinlich berührt, wieder leicht aufsah und antwortete: „Nein.” „Wirklich nicht?” Penguin wollte eine erneute Bestätigung. „Nein!”, kam es daraufhin nachdrücklicher von seinem Gegenüber, der nun etwas errötete. „Aber was war neulich, als du so lange bei ihm warst und ich dich anschließend erschöpft auf deinem Bett vorgefunden habe?” Der durchdringende Blick und die direkte Frage des Älteren setzten seinem Freund deutlich zu. Shachis Gesicht glich farblich inzwischen beinahe einer Tomate. Seine Augen huschten panisch zur Seite, prüfend, ob nicht doch jemand der Feierenden stehen blieb und zuhörte. Aber dazu unterhielten sie sich wohl zu leise und die Musik und Menschen um sie herum übertönten ihre Stimmen bei Weitem. Somit antwortete er letztlich im Flüsterton: „Auch da nicht. Ich wollte. Aber er nicht. Er hat mich abgewiesen und mir gesagt, dass er nie mehr mit mir schläft. Das hatte er schon, bevor er krank wurde. Ich hatte nur etwas Hoffnung, nachdem du meintest, er hätte doch Interesse an mir.” Penguins Augen weiteten sich: „Aber du lagst erschö–” Shachi unterbrach ihn zischend und knallrot: „Warum wohl? Ich sagte doch, ich wollte mit ihm schlafen. Ich war mehr als in Stimmung, aber eben alleine. Du warst nicht da. Da bot es sich an.” Nun verstand der Ältere: Der Einzige, mit dem Shachi zu diesem Zeitpunkt Sex gehabt hatte, war er selbst oder, besser gesagt, seine Hand gewesen. „Ach so und ich dachte du –” Wieder funkte der Jüngere dazwischen. „Du hast falsch gedacht! Und langsam werde ich das Gefühl nicht los, dass das nicht das einzige ist, wo du dich vollkommen geirrt hast.” Shachi sah ihn ernst an. „Auch deine Vermutung, dass der Käpt’n irgendein besonderes Interesse an mir hat, war völlig falsch. Er hat es mir selbst gesagt. Ich habe keine Ahnung, ob er an dir oder sonst irgendwem interessiert ist. Aber an mir ganz sicher nicht.” Penguin konnte einfach nicht glauben, wie sehr er sich verrannt hatte. Alles wofür er Law die ganze Zeit verteufelt hatte und was er ihm am Morgen an den Kopf geworfen hatte, war nichts als seine Einbildung und Fehlinterpretation gewesen. Und langsam wurde ihm auch klar, warum er sich so leicht von flüchtigen Eindrücken hatte manipulieren lassen: Eifersucht. Alleine der Gedanke daran, wie jemand anderes als er selbst, seine Arme um den Arzt schloss oder mit ihm intim wurde, machte ihn rasend. Selbst wenn es Shachi war, gefiel die Vorstellung ihm nicht, weil er einfach in seinem tiefsten Inneren nicht akzeptieren wollte, dass ihm jemand näher stand als er selbst. Auch wenn er sich die ganze Zeit hatte einreden wollen, dass er sich damit abfinden würde. Und nun war ihm schlagartig bewusst, was er angerichtet hatte, weil er sich von seiner unterdrückten, aber doch vorhandenen blinden Eifersucht hatte leiten lassen. Er hatte sich Law gegenüber so kalt und abweisend verhalten, hatte tagelang versucht ihn von sich zu stoßen, obwohl er selbst genau das Gegenteil wollte und ihm in den Tagen zuvor dies auch noch durch seine Fürsorge mehr oder weniger vermittelt haben musste. Und zu allem Überfluss die grausamen, völlig unangebrachten Dinge, die er dem Chirurg im Streit entgegengebracht hatte. Er war sich mehr als sicher, dass er ihn damit tief verletzt hatte. Schließlich hatte Law ihm selbst inzwischen mehr oder weniger indirekt gezeigt und gesagt, dass es ihm längst nicht mehr nur um Sex zwischen ihnen ging. Er entspannte sich dabei, ließ sich für den Moment einfach fallen. Und er hatte ihn während seiner Krankheit letztlich sogar nicht mehr gehen lassen wollen – ganz ohne Sex. Auch wenn das nicht hieß, dass er unbedingt ihn, Penguin, bei sich haben wollte. Dennoch war das was er da vorhin so unüberlegt gesagt hatte, vollkommen daneben und unfair gewesen. „Verdammt!” Wieder traf seine Faust auf die Wand neben sich. „Was ist denn los? Irgendwas muss doch vorgefallen sein.” Shachi sah ihn wieder besorgt an. „Ich bin ein Idiot, Shachi. Ein verfluchter Idiot! Ich möchte mich gerade am liebsten selbst erschlagen.” Penguin knirschte mit den Zähnen. Der Andere runzelte die Stirn: „Sag mir doch mal, was passiert ist. Dann kann ich dir zustimmen oder es abstreiten.” „Ich habe ihm so Unrecht getan. Furchtbares Unrecht”, reagierte der Ältere sehr leise. „Dann rede mit ihm und entschuldige dich.” Shachis Vorschlag klang simpel in der Theorie, erschien Penguin in der Praxis jedoch unmöglich. „So einfach geht das nicht”, sagte er. „Vermutlich geht es gar nicht.” „Das weißt du erst, wenn du es versucht hast. Mehr als zerstückeln wird er dich nicht. Zumal uns beiden das wohl ohnehin noch blüht.” Der Rotbraunhaarige seufzte, da auch er noch auf die Standpauke dafür wartete, dass sie sich dem Befehl ihres Käpt’ns wiedersetzt hatten. Damit erinnerte er auch seinen Freund wieder an den Kampf und er wollte nun auch darüber Gewissheit haben: „Der Käpt’n hat Gurasu besiegt, oder?” Shachi nickte: „Ja. Ich habe ihn geholt, nachdem du zu Glas geworden warst.” Auch erfuhr Penguin nun durch Shachis weitere Erzählungen, wie schwierig es gewesen war, ihren Gegner niederzustrecken und welches Risiko ihr Anführer dafür eingegangen war. Das sollte Penguins Selbstvorwürfe nicht gerade schmälern. Letztlich fragte er: „Weißt du in welchem Zimmer er ist?” Shachi schüttelte den Kopf. Der Ältere sah beiläufig auf die Menschen, die vorbeikamen, wohl überlegend, was er nun tun sollte und ob es überhaupt noch einen Sinn hatte, noch einmal mit dem Arzt sprechen zu wollen. Sein Freund sah ihn mitleidig an: „Frag den Wirt. Er weiß es. Und dann rede richtig mit ihm. Ich weiß, das ist nicht deine Stärke. Aber ich vermute, da sind noch mehr Missverständnisse zwischen euch. Und du kannst mir nicht mehr erzählen, dass du nichts für ihn empfindest.” Doch Penguin reagierte nicht mehr darauf, drückte sich mit der Faust, die noch auf der Hauswand gelegen hatte, von dieser weg und ging an Shachi vorbei und davon. Der Jüngere sah ihm kurz nach, seufzte und beschloss letztlich, sich wieder an den Tisch zu den Mädchen zu begeben. Penguin war unsicher, ob er wirklich nochmal das Gespräch suchen sollte, da das Führen solcher Gespärche dieser Art wirklich nicht zu seinen Stärken zählten. Er war einfach viel zu impulsiv, wenn starke Gefühle jeglicher Art auf seiner Seite ins Spiel kamen. Immerhin nur noch dann – als Kind war er generell aufbrausend gewesen. Aber die Situation so zu belassen, war wohl auch keine Lösung, wenn er weiter unter Laws Kommando die Grandline bereisen wollte. Mehr oder weniger abschichtlich führten Penguins Schritte ihn in die Wirtsstube, wo er auf die Gastwirtin traf, sodass er sie nach Laws Zimmer fragen konnte. Erfreulicherweise konnte sie ihm ebenfalls Auskunft geben. Somit stand er wenig später im ersten Stock am Ende des verlassenen Ganges, an dem die Gästezimmer entlang angeordnet waren. Im Vergleich zu draußen war es hier extrem ruhig, wobei man immer noch gedämpft hören konnte, dass draußen Trubel herrschte. Er blickte auf die Tür vor sich und zögerte, da er überlegte, was er nun sagen sollte, wenn Law ihm überhaupt öffnete und ihn zu Wort kommen ließ. Verdient hatte er es seiner Meinung nach nämlich nicht. Doch es war ihm nun mehr als wichtig, ihm zu sagen, dass es alles Missverständnisse waren, die zu seinem Verhalten und auch letztlich zu seinem Ausraster geführt hatten. Und dass der Arzt keine Schuld daran trug, sondern nur er selbst. Er sollte nicht an sich zweifeln. Und Penguin wusste, dass er das sicher tat – zu Unrecht. Aber wollte Law seine Entschuldigung überhaupt noch hören? Nach allem was war und was er sich geleistet hatte? Und was wenn er noch schlief? Er wäre sicher nicht begeistert gewesen, wenn er ausgerechnet von ihm aus dem Schlaf gerissen worden wäre. Wieder erinnerte Penguin sich an Shachis Worte und überlegte weiter, wie Law reagieren würde, wenn er den Schritt wagte, und nicht aus Angst vor seiner Reaktion den Schwanz einzog. Letztlich musste die Sache geklärt werden: Ein für allemal, auch wenn er sich mehr als schwer tat offen und ruhig, über seine eigenen Gefühle zu sprechen. Aber war es nötig, dass er diese Law offenlegte? Vermutlich schon. Nur wie würde er darauf reagieren, wenn er ihm sagte, dass er sich in ihn verliebt hatte? Wie hatte er bei Shachi darauf reagiert? Hatte dieser es ihm so deutlich gesagt? Hatte Shachi überhaupt je so stark für ihren Käpt’n empfunden, wie er es tat? Denn trotz aller Wut und erzwungenen Distanz hatte sich daran für Penguin nichts geändert: Sein Herz hing immer noch massiv an dem Chirurgen. Doch wie würde er selbst damit zurecht kommen, wenn Law ihn genauso zurückwies, wie Shachi, der sich, in Penguins Augen, beachtlich gut damit zu arrangieren schien. Das hätte er nie erwartet. Vermutlich hatte er sich auch hier geirrt und seine Gefühle waren tatsächlich nie so intensiv gewesen, wie die seinen. Und momentan war sein Freund auch bestens davon abgelenkt. „Ich unterschätze Shachi aber wohl auch zu oft. Er ist nicht mehr der kleine Junge von damals. Und ich glaube, wenn es darum geht eine Abfuhr zu kassieren, hat er inzwischen eine dickere Schale als ich”, vermutete Penguin still. Im Gegensatz zu seinem besten Freund hatte er noch nie so für einen anderen Menschen gefühlt und war bitter enttäuscht worden. Deswegen hatte er überhaupt keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Und er war sich mehr als sicher, dass Law seine Gefühle nicht erwiderte. Warum sollte er? Gerade auch wo er sich so schrecklich aufgeführt hatte? Er seufzte. Was nützte seine erneute Grübelei? Er konnte den derzeitigen Zustand nicht so belassen. Und wenn er jemals eine Chance gehabt hatte, Laws Herz für sich zu gewinnen, dann war er nun selbst Schuld, dass er sie zunichte gemacht hatte. Es sollte ihm eine Lektion sein, seine Handlungen in Zukunft mehr zu überdenken. Eigentlich hatte er gedacht, dass er von diesem Verhalten, welches in seiner Jugend viel stärker ausgeprägt gewesen war, gänzlich weg war. Aber dem war offensichtlich nicht so. Innerlich war er immer noch ein sehr temperamentvoller Mensch, obwohl er stets bemüht war, seine überschüssige Energie für sein Kampftraining zu verwenden. Penguin umklammerte mit der linken Hand seine Mütze fester, während er nun langsam die rechte hob, kurz einatmete und dann gut hörbar klopfte. Er wartete. Doch es kam keine Antwort. Nur ein Rascheln war nach einigen Augenblicken zu hören. Dann erst Laws Stimme von der anderen Seite der Tür: „Ja?” Der Außenstehende zögerte kurz, bevor er etwas unsicher antwortete: „Ich bin’s, Penguin.” Es dauerte, aber letztlich erklangen auch Schritte von der anderen Seite der Tür, bis sie verstummten und der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde. Der Griff um die Mütze wurde noch angespannter, ebenso wie seine restliche Körperhaltung. Langsam öffnete sich die dunkle Holztür einen Spalt und sein Käpt’n sah hindurch. Er wirkte als hätte er geschlafen. Seine Augen machten einen schläfrigen Eindruck und seine Haare waren noch zerzauster als gewöhnlich. Und so wie es aussah, war er nicht ganz angezogen. „Ist was passiert?” Law klang überrascht, was wohl nicht verwunderlich war. Der Ältere schüttelte hastig den Kopf, um ihm unbegründete Sorgen zu ersparen: „Nein.” „Was gibt’s dann?”, wollte der Andere wissen. „Ich”, Penguin stockte, „wollte noch mal mit dir reden. Dieses Mal vernünftig. Aber wenn du weiterschlafen willst, ist das auch in Ordnung. Vermutlich willst du von mir eh nichts mehr hören. Ich gehe besser.” Er drehte sich um und wollte wieder von Dannen ziehen, als Laws Stimme etwas genervt von der Seite an sein Ohr drang: „Kannst du mich vielleicht erstmal zu Wort kommen lassen, bevor du wieder deine voreiligen Schlüsse ziehst?” Penguin erstarrte in der Bewegung, als er genau das aussprach, was die ganze Situation heraufbeschwört hatte. Und beinahe hätte er wohl wieder den gleichen Fehler gemacht, irrtümlicherweise zu denken er wüsste, was in dem Anderen vorging. Er sah ihn erneut an und konnte nun beobachten, wie Law, der nur noch Jeans und Socken trug, die Tür weiter öffnete. „Komm rein. Wir müssen nicht auf dem Flur reden.” Der Arzt trat zur Seite, sodass er den Raum betreten konnte. Der Angesprochene tat dies jedoch nur zögerlich, während Law zum Bett ging und sich darauf setzte. Kopfkissen und Bettdecke zeugten davon, dass er darauf geschlafen hatte. Er wirkte erschöpft, blickte aber dennoch zu ihm hoch. Penguin schloss die Tür hinter sich, nun doch hoffend auch nur eine winzige Chance zu haben, dass Law ihm seine Fehltritte erneut verzeihen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)