Castle of lies von AtriaClara (... are you crying?) ================================================================================ Prolog: This is not the end... ------------------------------ "Ich habe gewonnen!" Malicia klang beinahe ungläubig. Sie stolperte ein paar Schritte rückwärts und betrachtete ihr Werk. Midine End Morathess, die Eine, die vermeintliche Retterin der Welt- auf den Knien, Blut spuckend. Mit Malicias gebogenem Schwert zwischen den Rippen. "Das heißt: Natürlich habe ich gewonnen." Malicias Stimme gewann wieder an Selbstsicherheit. "Was habe ich auch anderes erwartet, gegen jemanden wie dich?" Midine hörte sie kaum, das Blut rauschte ihr in den Ohren. Der Schmerz jagte durch ihren ganzen Körper und lähmte all ihre Glieder. Ihr Atem ging rasselnd und mühselig. Schwer atmend hockte Malicia sich auf den Steinboden und ließ für einige Sekunden den Kopf sinken. Ihre langen blonden Haare schleiften durch den Dreck, aber das schien ihr nichts auszumachen. Als sie den Kopf wieder hob, zierte ein breites Grinsen ihr Gesicht. "Jetzt muss ich nichts mehr tun... Ich brauche dir nur noch beim Sterben zuzusehen, dann habe ich meinen Beweis. Alle haben mich ausgelacht, niemand wollte mir glauben. Aber heute werde ich euch allen beweisen, dass ich die ganze Zeit über Recht hatte! Die Prophezeihung ist eine Lüge!" Midine versuchte, etwas zu sagen, zu widersprechen, wenigstens ein letztes Mal noch. Aber statt Worten kam nur ein verzweifeltes Röcheln über ihre Lippen. Erneut spuckte sie Blut. Malicia schien sie gar nicht mehr wahrzunehmen. "Ich werde wieder in meine Heimat zurückkehren können! Vielleicht sind sie alle noch da! Ich werde wieder- Entschuldige mich bitte kurz." Malicia drehte sich zur Seite und verbarg das Gesicht in ihrer Armbeuge. Dann fing sie an, zu husten. Ihr ganzer schmaler Körper wurde durchgeschüttelt. Als sie fertig war, wandte sie sich wieder Midine zu. "Tut mir leid. Du weißt ja, meine Krankheit..." Die Blonde schlug die Beine übereinander, stützte den Kopf in die Hände und sah ihr Gegenüber unverwandt an. Daran, wie sehr Malicia im Plauderton versank, erkannte Midine, dass es nun wirklich zu Ende ging. Ihre Erzfeindin neigte sonst nicht dazu, Dinge zu unterschätzen oder voreilig zu sein. Wieder versuchte sie, etwas zu sagen, und wieder erstickten ihre Worte in einem Schwall aus Blut. Schwarze Pünktchen tanzten am Rande ihres Blickfelds und drohten, sie zu umzingeln. "Hör auf, dich zu wehren", sagte Malicia, beinahe sanft. "Es hat keinen Sinn mehr." Midine wollte ihr glauben, wollte aufgeben. Und sei es nur, damit es endlich vorbei war und diese grässlichen Schmerzen aufhörten. Sie musste ihre Augen nicht schließen, diese unendliche Müdigkeit kam wie von selbst. Sie sank, sank tief hinein in ein tiefes schwarzes Loch, bis- Ein lauter Knall erschütterte die Umgebung. Hinter Midines geschlossenen Augenlidern leuchtete etwas grell auf. Ich will nicht wieder zurück, dachte Midine träge. Was hatte die Welt dort schon zu bieten, abgesehen von Schmerz? Sie wollte sich wieder sinken lassen, in diese tiefe schwarze Ungewissheit... "END!" Wer wagt es- Warte, das ist doch... Langsam dämmerte es Midine. Alles kehrte zurück. Das Licht, der Schmerz. Aber auch ihre Stimme. "Midine End Morathess, du darfst nicht sterben! Ich verbiete es dir!" Die Eine schlug die Augen auf. Die Sonne hing tiefrot und brennend über dem bewaldeten Horizont und über die riesige, zum Teil eingestürzte Brücke strich ein leichter Windhauch. Ein wenig orientierungslos sah Midine sich um, bis sie den Ursprung der Stimme entdeckte. Dort hinten, in etwa fünfzig Metern Entfernung, war eine Gestalt zu sehen, die direkt auf sie zuhielt. Und obwohl Midine die Stimme sofort erkannt hatte, brauchte sie einen Moment, um sie zu erkennen. Ett humpelte und ihre gesamte linke Gesichtshälfte war blutüberströmt, trotzdem setzte sie ihren Weg verbissen fort und brüllte dabei immer wieder Midines Namen. Sie hatte schon immer eine recht laute Stimme gehabt. Malicia, die sie auch schon bemerkt hatte, sprang wie von der Tarantel gestochen auf und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor Midine. "Dreh dich um und geh wieder, und zwar leise!", schrie sie, kam dabei aber bei Weitem nicht an Ett heran. "Sie gehört mir!" Unbeeindruckt setzte Ett ihren Weg fort. "Ich warne dich!" Malicias Stimme überschlug sich vor Zorn. "Bleib stehen oder ich töte dich!" "Geh wieder? Bleib stehen? Kannst du dich nicht mal entscheiden, was du willst?", höhnte die andere. Midine war kalt vor Angst. Lange würde Malicia sich nicht mehr provozieren lassen. Sie hatte zwar ihre Waffe nicht mehr -die steckte zwischen Midines Rippen- aber sie konnte Ett genauso gut einfach von der Brücke schubsen. Oder noch Schlimmeres mit ihr anstellen. Die Eine musste etwas tun. Aber wie? Nach ihrer Niederlage gegen Malicia hatte diese Midines schönes, schlankes Schwert von der Brücke getreten. In ihrem Kopf rasten die Gedanken. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie Ett immer näher kommen. Sie musste etwas tun, sofort, oder ihre Freundin würde sterben. Ganz zu schweigen von ihr selbst... Das ist es. Es war so einfach. So einfach, dass Midine sich fragte, warum Malicia nicht schon längst darauf gekommen war. Ihre Erzfeindin stand nur etwa einen Meter entfernt, kochend vor Wut. Midine griff an ihre Brust. Sie wollte nicht nach unten sehen, also ertastete sie den Griff von Malicias Schwert. Packte ihn. Es ist, wie wenn du ein Pflaster abreißt. Nicht langsam, sondern ganz schnell, damit der Schmerz rasch vorbei ist. Sie riss das Schwert aus ihrem Körper. Eine Blutfontäne spritzte aus der Wunde und beinahe gleichzeitig hallte ein markerschütternder Schrei über die Brücke. Midine begriff, dass es wohl ihr eigener Schrei war, weil die beiden anderen erschrocken herumfuhren. Ett begann zu rennen, immer noch brüllend, ohne mehr auf Malicia zu achten. Die war mitten in der Bewegung erstarrt, ihr Gesicht wurde leichenblass. In einem verzweifelten Anflug von Hoffnung versuchte sie, zurückzuweichen, aber es war zu spät. Malicias Schwert traf sein Ziel- und Ett erblasste ebenfalls. Malicia stolperte rückwärts, sie starrte Midine ungläubig an. Die Eine starrte zurück. Es kostete sie ihre letzte Kraft, nicht einfach umzukippen. Sie hatte das Gefühl, dass sie jetzt noch nicht einschlafen durfte, um ihrer Erzfeindin wenigstens noch etwas Ehre zu gebühren. Malicia sah hinunter auf ihre Brust. Nur noch der Griff ihres Schwertes war zu sehen, der stählerne Rest durchbohrte ihren Körper und trat in ihrem Rücken wieder aus. "Was für eine... Ironie...", murmelte Malicia, so leise, dass man es kaum hören konnte. Und dann... Midine wurde noch blasser, als sie durch den Blutverlust ohnehin schon war. Malicia lächelte. Sie sah auf Midine herab und lächelte. Ein seltsames, irgendwie mitleidiges Lächeln, als wüsste sie etwas, was sonst niemand wüsste. Und für einen Moment lang, einen winzigen, schrecklichen Moment, überfiel Midine eine unerklärliche Panik. Doch dann trat der Schmerz in Malicias Gesicht. Sie hustete, einmal, zweimal, bis ihr Ärmel rot gesprenkelt war. Schließlich brach sie direkt vor Midine zusammen. Die Eine schloss die Augen. Jetzt endlich konnte sie sich fallen lassen. Tief hineinsinken in das Schwarz, bis nichts mehr übrig war... Ich habe gewonnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)