Midian von Yumiko_Youku (Kyūketsuki) ================================================================================ Kapitel 1: Fullmoon ------------------- Fullmoon Es war die Nacht des 21. Septembers im Jahre 1975. Für einige Menschen ist dieser Tag ein Feiertag. Sie nennen ihn Mabon, auch allgemein bekannt als die Herbst Tag-und-Nacht-Gleiche. An diesem Tag feiern diese Menschen den Herbstanfang und verabschieden sich vom Sommer. Auch ich sollte mich an diesem Tage von einigen Dingen verabschieden. Von meiner Familie, meinem Zuhause und meinem Leben. Die Nacht war sternenklar und der Vollmond schien, die Welt in sein mysteriöses Licht tauchend. Auch die angenehme Temperatur, die trotz des beginnenden Herbstes herrschte, zog mich nach draußen und lud mich zu einem ausladenden Nachtspaziergang ein. Ich verlies das Haus, streichelte meinen Hund Koji, ehe ich den Vorgarten verließ und die kleine Pforte hinter mir schloss. Unser Haus stand abseits der Stadt und deshalb auch näher an der freien Natur. Schon immer hatte mich der umliegende Wald und die Felder angezogen und fasziniert. Und dahin zog es mich auch dieses Mal. Ich hörte das Laub unter meinen Sohlen sanft rascheln und ging tiefer in den Wald hinein, bis ich bei einer gigantischen Eiche ankam, auf dessen ausladende Astgabel ich zu klettern pflegte. Leichter Wind kam auf und spielte in meinem Haar. Ich schloss die Augen und genoss den Augenblick. Dies waren die kleinen Freuden des Lebens. Der sanfte, warme Wind liebkoste meine Haut und fuhr durch mein Haar. Mir war beinahe so, als könnte ich die Mondstrahlen auf meiner Haut spüren und ein sanftes Licht drang durch meine geschlossenen Lider. Ich atmete entspannt ein und aus, ehe ich die Augen öffnete und den Sternenhimmel betrachtete. Ich lies meinen Blick über das Firmament schweifen und zählte die Sternzeichen auf, die ich ausmachen konnte. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es fast Mitternacht war und ich mich schnell auf den Weg nach Hause machen sollte. Ich versicherte mich mit einem Griff in meine Hosentasche, dass ich den Haustürschlüssel noch bei mir trug, dann lief ich los. Mein Schritt verlangsamte sich, als unser Haus in Sichtweite kam. Instinktiv ahnte ich die Gefahr, ohne genau zu wissen warum. Es war beinahe, als warnte mich irgendetwas tief in meinem Inneren. Vor unserem Gartentor blieb ich irritiert stehen. Ich war mir sicher, dass ich die Tür zu gemacht hatte, als ich gegangen war. Zudem sprang Koji nicht um meine Beine um mich, wie üblich, zu begrüßen. Eine kalte Faust griff nach meinem Herzen und ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinab. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Vorsichtig lies ich das Tor hinter mir zufallen und näherte mich unserem Haus. Mein Herz setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus und starres Entsetzen erfüllte mich, als ich den unförmigen Fleischklumpen vor unserer Haustür entdeckte, der einst mein bester Freund und zugleich ein Familienmitglied gewesen war. „Koji...“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und drohte zu versagen. Ich fiel auf die Knie und streckte die zitternde Hand aus. Wer konnte nur etwas so Grausames tun? Mein ganzer Körper bebte, ob vor Trauer, oder Wut, hätte ich nicht sagen können. Ein Schrei lies mich alarmiert hoch fahren. Er kam aus der geöffneten Wohnungstür. Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass die Kreaturen, ich konnte es kaum wagen von Menschen zu sprechen, die Koji das angetan hatten, sich im Haus befinden könnten. Ich versuchte meinen Körper unter Kontrolle zu bekommen und stand auf. Ich schritt durch die geöffnete Wohnungstür, welche aufgebrochen worden war und lief vorsichtig den Flur entlang. Seitdem ich das Haus verlassen hatte, war offensichtlich einiges geschehen. Sämtliche Türen, an denen ich vorbei lief, waren mutwillig aus den Angeln getreten worden. Der Boden war verdreckt und voller Schlamm, in welchem sich Stiefelabdrücke abzeichneten. Bilder waren von den Wänden gerissen worden und lagen verstreut auf dem Boden, zusammen mit Scherben von Fenster und Türen. Ein erneuter Schrei trieb mich zur Eile an und ein vielstimmiges, hämisches Gelächter lies einen Schauer über meinen Rücken wandern. Von der Küche aus spähte ich durch die aus de Angeln gerissene Wohnzimmertür. Auf den ersten Blick sah es dort ebenso aus, wie im Rest des Hauses. Gegenstände waren wahllos zertrümmert und zerstört worden und die Überreste lagen achtlos auf dem Boden. Doch es war nicht das Chaos, welches meinen Blick auf sich lenkte. Inmitten der Unordnung standen ein halbes dutzend unbekannte Männer. Sie trugen Uniformen und Waffen bei sich. In ihrer Mitte stand meine kleine Schwester, welche nicht aufhören wollte zu schreien. Ihr Gesicht war eine Maske des Entsetzen und ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Mein Verstand benötigte einen Augenblick, um zu erkennen, was sie so apathisch anstarrte. Vor ihr lagen die blutüberströmten, fast zur Unkenntlichkeit zerfetzten, Leichen meiner Eltern. Man hatte offensichtlich mehrere Male auf sie geschossen und ihnen bei ihrem Todeskampf zugesehen. Hämatome und blutige Kratz und Bissspuren zierten ihre Körper. Offensichtlich hatten sich die Männer viel Mühe dabei gegeben, die Beiden leiden zu lassen. Ihre Kleider waren zerrissen und ihre trüben Augen blickten in eine unbestimmte Ferne jenseits der Zimmerdecke. Tränen rollten über meine Wangen und ein Körper begann erneut unkontrolliert zu zittern. Das Lachen der Männer schrillte in meinem Ohr. Meine Fäuste ballten sich unwillkürlich und ich stieß ein tiefes Knurren aus. Blind vor Wut packte ich das Nächstbeste, was mir in die Hände fiel. Es war ein gebrauchsübliches Küchenmesser und ich beschloss damit meiner Wut Luft zu machen. Mit einem wilden Aufschrei stürmte ich auf die Männer zu, welche mit dem Rücken zu mir standen und rammte einem von ihnen das Messer in den Rücken. Unbeeindruckt ruhte sein Blick auf mir, als er sich zu mir umdrehte. Sein Gesicht verzog sich zu einer hämischen Grimasse und er packte meinen Hals. Unsanft fühlte sich mich in die Luft gehoben und der Druck auf meine Kehle verstärkte sich. Grob drückte der Mann zu und sein Lachen erfüllte den Raum. Mit zusammengebissenen Zähnen hob ich meine Hände und trieb meine Fingernägel in seine Handrücken. Verärgert verpasste er mir eine schallende Ohrfeige, doch ich lies ihn nicht los. Mein Blick fiel erst auf seine Augen, dann auf seinen Mund. Seine Augen glühten blutrot und sein Mund wurde von einem Paar Reißzähnen geziert. Meine Vermutung war richtig gewesen. Kein Mensch hatte diesen Schaden angerichtet. Es waren Vampire gewesen. Im Gegensatz zu anderen Menschen wussten meine Eltern und ich um die Existenz von Vampiren. Mein Vater hatte als Wachmann für eine Organisation gearbeitet, welche sich selbst die „Hellsing Organisation“ nannte. Und darum wurde mir in just diesem Augenblick klar, dass mein vorheriger Angriff in etwa so effektiv gewesen war, wie ein Wurf mit einem Wattebällchen. Ich begann zu husten und nach Luft zu schnappen. Ein drückendes Engegefühl breitete sich von meinem Nasenrücken über den gesamten Schädel aus. Mein Kopf begann zu dröhnen und dunkle Flecken tanzten vor meinen Augen. Meine Bemühungen freizukommen, ernteten nur Gelächter. Mir wurde schwindelig und die Kraft schwand aus meinem Körper. Ein Finger nach dem anderen stellten den Angriff ein. Meine Hände verloren den Halt und meine Arme pendelten kraftlos in der Luft. Und plötzlich wurde alles still, als würde ich in den Tiefen des Ozeans versinken. Mit einem Mal war mir alles egal. Leben, Sterben. Was tat es zur Sache? Meine Augenlider flackerten und senkten sich, während mein Körper kraftlos im Griff des Vampires hing. Ja genau. Ich würde endlich schlafen. Einfach friedlich einschlafen. Mein Kopf fiel schlaff auf meine Brust und ich gab mich der bleiernen Schwere hin, die mich ergriffen hatte und immer tiefer mit sich zog. Das Kreischen meiner Schwester, die nach mir rief und versuchte zu mir zu gelangen, war das Letzte, was ich wahrnahm, ehe ich das Bewusstsein verlor. Mein Schädel dröhnte immer noch, als ich langsam zu mir kam. Ich blinzelte mehrmals und mein Blickfeld klärte sich allmählich. Erst jetzt kam ich zu Atem und nahm den wertvollen Sauerstoff gierig in meine Lungen auf. „Seht mal.“ Der hämische Tonfall gehörte zu dem Vampir, welcher vor mir stand und mich wie eine Ware begutachtete. Er schien der Anführer der Bande zu sein und hatte eine schnarrende Stimme, die vor Überheblichkeit triefte. „Das Kätzchen ist endlich aufgewacht.“ Erst jetzt bemerkte ich, vermutlich da ich dem Kerl am liebsten eine verpasst hätte, dass ich nicht in der Lage dazu war, meine Arme zu bewegen. Als ich sie probehalber rührte, konnte ich hören, wie etwas metallisches gegen die Heizung schlug, neben der ich saß. Offenbar hatten mich die Vampire mit Handschellen an den Heizkörper gefesselt, als ich bewusstlos gewesen war. Erst in diesem Augenblick bemerkte ich die Totenstille, die mich umgab. Ich zermarterte mir für den Bruchteil einer Sekunde das Hirn. Warum war es so still? Dann traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Meine kleine Schwester hatte aufgehört zu schreien. Ihr entblößter Körper lag auf den Leichen meiner Eltern. Ihren blassen Körper zierten zahllose Bisswunden. Der Vampir, welcher vor mir stand lachte erneut, als er meinen Blick bemerkte. „Die Kleine war nicht schlecht, aber etwas dürr. Sie war innerhalb weniger Sekunden leer.“ Er sprach über sie, als wäre sie eine Art von Flüssigkeitsbehälter gewesen, welchen er und seine Männer ausgetrunken und weggeschmissen hatten, als er leer gewesen war. Erneut kochte die Wut in mir hoch und hätten es die Handschellen nicht verhindert, hätte ich dieser Kreatur am liebsten den Kopf von den Schultern gerissen und sein dämliches Grinsen aus seinem Gesicht getilgt. Allerdings konnte ich ihn nur finster anstarren und meine Zähne knurrend blecken. Oft hatte meine Mutter gescherzt in mir sei ein Wolf verloren gegangen und diesem lies ich nun freiem Lauf. Nun ging der Vampir in die Knie und betrachtete mich wie ein Stück Vieh. „Ich hoffe aus dir ist etwas mehr rauszubekommen.“, meinte er mit einem schmutzigen Grinsen und riss mir das Oberteil vom Körper. Ich knurrte wütend und spuckte ihm in meiner Ohnmacht ins Gesicht. Ärgerlich wischte der Vampir sich den Speichel von der Wange und schlug mir ins Gesicht. Ich schmeckte einen metallischen Geschmack im Mund und etwas Blut kam aus meinem Mundwinkel geflossen. Trotzig erwiderte ich den Blick des Vampires. Erst jetzt bemerkte ich die Armbinde, die der Vampir um den linken Arm geschlungen hatte. Sie war rot, bis auf den weißen Kreis in der Mitte und in dem Kreis war ein schwarzes Hakenkreuz abgebildet. Hatten die Jungs nicht mitbekommen, dass der zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft in Deutschland seit sage und schreibe dreißig Jahren zu Ende war? Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken: „Das Kätzchen hat Biss.“, spottete der Anführer und seine Kameraden stimmten in sein Gelächter ein. Dann wandte er sich wieder mir zu und fuhr mit seinem Finger über meine Brust. Ich zuckte angewidert zusammen. „Ooh.“, flötete er. „Scheint als stände heute eine weitere Jungfrau auf der Speisekarte.“ Er beugte sich weiter vor und sog geräuschvoll die Luft durch die Nase ein. „Ja. Eindeutig. Jungfräulich.“ Das Lachen seiner Kumpanen wurde noch lauter. Mir wurde richtig schlecht, als ich der gierigen Gesichtsausdrucke der Vampire gewahr wurde. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und versuchte ihm mit meiner Stirn das Nasenbein in sein Gehirn zu rammen, doch er wich lachend aus. „Na komm schon, Süße.“, säuselte er. „Ich werde auch ganz sanft zu dir sein. Zwing mich nicht dir weh zu tun.“ Dann hob er mein Kinn an und wollte mich somit zwingen ihm in die Augen zu sehen. Seine Finger waren kalt und glichen einem Schraubstock. Auch seine Augen strahlten eine Eiseskälte aus, doch da war noch etwas anderes in seinem Blick, was beinahe Erbrochenes in meine Mundhöhle trieb. Mit seinem Zeigefinger fuhr er langsam über meine Augenlider, welche ich inzwischen fest zusammen gekniffen hatte, um ihn nicht länger ansehen zu müssen. Dann strich er über meine Wange, bis er bei meinen Lippen angekommen war. Genüsslich fuhr er diese mit seinem Finger nach. Ohne weiter darüber nachzudenken biss ich zu. Der Vampir brüllte auf vor Schmerz und wich zurück. Ich spuckte angewidert den Teil des Fingers aus, den ich ihm abgebissen hatte. Ich wollte keinen Fetzen Haut und keinen Tropfen Blut von diesem Kerl in mir haben. Ein gewisses Triumphgefühl regte sich in mir, als ich sah, wie der Kerl vor Schmerz fluchend seinen schmerzenden Finger hielt. Hoffentlich tat es richtig schön weh. Verdient hatte er es. Als der Vampir sich einigermaßen gefasst hatte, war er außer sich vor Wut. „Du miese Schlampe!“, zeterte er. Seine Hand fuhr an den Holster, den er an seinem Gürtel befestigt hatte und er zog eine Pistole heraus, mit welcher er auf mich zielte. „Das hast du jetzt davon, du mieses Stück!“, schrie er rasend vor Wut und entsicherte die Waffe. Doch statt dem ganzen ein schnelles Ende zu machen und mir in den Kopf oder ins Herz zu schießen, schoss mir der Vampir zweimal in den Rumpf. Ich kniff die Augen zusammen und biss mir kurz auf wimmernd auf die Unterlippe. Schreien würde ich nicht. Diesen Triumph gönnte ich diesem Ungeheuer nicht. Wie in Zeitlupe sah ich, wie das Blut aus der frischen Wunde sickerte. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte der Kerl meinen Magen erwischt. Schüsse in die Magengegend galten als besonders schmerzvoll und führten unweigerlich zum Tod, wenn man sie nicht behandelte. „Glaub ja nicht, dass ich dich einfach so verrecken lasse, Miststück!“, knurrte er und steckte seine Pistole zurück, nachdem er sie wieder gesichert hatte. Das Blut floss meinen Körper hinab und tränkte die Fetzen meiner Kleidung, die zu meinen Füßen lagen. Ich schätzte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis mich der Blutverlust töten würde. Die Vampire schlossen die Augen und schnüffelten. Sie schienen schier nach meinem Lebenssaft zu lechzen und wollten sich schon auf mich stürzen, doch ihr Anführer hielt sie zurück. „Hey. Ihr hattet euren Spaß.“, meinte er mit einem Seitenblick auf meine tote Schwester. „Jetzt bin ich dran.“ Die Anderen grummelten enttäuscht, blieben aber dort, wo sie waren. Der Vampir schien zufrieden und drehte sich wieder zu mir um. „Soo...“, meinte er gedehnt, während er sich provozierend die Lippen leckte und beugte sich wieder über mich. Dabei hatte er nur vergessen, dass meine Beine und Füße nicht gefesselt waren und ich beschloss sofort von ihnen Gebrauch zu machen. Doch leider gelang es dem Vampir, meinem Tritt auszuweichen, der ansonsten sein Kinn schmerzvoll getroffen hätte und er grinste boshaft. „Oh, diesmal nicht, Schlampe.“ Er krallte seine Finger in meine Oberschenkel und drückte sie so zu Boden. Dann fuhr er mit seiner Zunge über meinen Bauch. Er seufzte genießerisch, als er seine Zunge wieder eingefahren und mein Blut gekostet hatte. „Kein schlechtes Exemplar.“, kommentierte er. Solange er nicht hoffte, dass ich mich über das „Kompliment“ freute, dachte ich träge. Allmählich spürte ich, wie mein Körper schwerer wurde. Dafür war garantiert der Blutverlust verantwortlich. Abermals holte er sich mit seiner Zunge die Nahrung, die er begehrte. Als ihm dies nicht mehr zu reichen schien, legte er seinen Mund an eine der Wunden. Gierig trank er und nichts schien seinen Durst stillen zu können. Seine Kumpanen wurden immer unruhiger. Anscheinend konnten sie es kaum erwarten selbst an der Reihe zu sein. Verbissen kämpfte ich darum bei Bewusstsein zu bleiben. Aber welche Hoffnungen hatte ich noch da raus zukommen? Eigentlich war mein Hoffen vernunftwidrig, mein hartnäckiger Kampf sinnlos und vergebens. Gerade als meine Augen zu zufallen drohten, erregten fünf aufeinander folgenden Schüsse meine Aufmerksamkeit. Ich hob den Blick, nur um zu sehen wie die vier anderen Vampire ins Herz getroffen zusammen sackten. Der Vampir, der bis eben mein Blut getrunken hatte, fuhr herum und sprang auf. „Wer ist da? Zeig dich!“, schrie er in den Flur hinaus, aus dem scheinbar die Geschosse gekommen waren. Der Unbekannte gehorchte und betrat den Raum. Es war ein hochgewachsener Mann mit einem roten Mantel und gleichfarbigen Hut, unter welchem schwarze Haare hervorragten. „Wer bist du?“, fragte der Vampir sein Gegenüber. „Mein Name ist Alucard und ich bin hier um Müll wie dich zu entsorgen. Aber das muss dich nicht länger interessieren.“ Der Vampir wich zurück, als er der silbernen Waffe gewahr wurde, welche direkt auf sein Herz gerichtet war. „Lass das!“, schrie er. Seine Stimme triefte nur so vor Verzweiflung. Ich gönnte es ihm aus vollem Herzen und ein schwaches Lächeln erschien auf meinen Lippen. Auch der Fremde grinste breit und dachte gar nicht daran, den Vampir zu verschonen. „Ihr Vampire von heute seid wirklich erbärmlich.“, meinte der Unbekannte, „Ihr tötet nicht aus Hunger, oder Not, sondern weil ihr Gefallen daran habt, Schwächere zu quälen und eure Macht zu demonstrieren.“ Innerhalb von Sekunden war es vorbei. Eigentlich war es ein Hohn: Das Leben, das so schnell geendet hatte, hatte zuvor eine ganze Familie in den Tod gerissen. Doch etwas anderes zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Als der Unbekannte gegrinst hatte, hatte er dabei ein Paar spitze Reißzähne entblößt. Also war auch er ein Vampir. Das erinnerte mich an etwas. Mein Vater hatte von einem domestizierten Vampir erzählt, welcher unter dem Befehl der Hellsing-Organisation, oder genauer dessen Oberhaupt, stand. Dies musste er sein. Nosferatu Alucard. Auch wenn er zur selben Rasse zählte, wie die Ungeheuer, die in dieses Haus eingedrungen waren, hatte ich keine Angst vor ihm. Dies lag nicht nur daran, dass er sie getötet hatte, oder dass ich wusste, dass er auf der Seite der Menschen stand, sondern vielmehr waren es seine Augen, die mir die Furcht nahmen. Sie strahlten eine solche Ruhe aus und versicherten mir, dass alles gut werden würde. Als er bei mir angelangt war, mir war es wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen, beugte er sich zu mir und schien mit einem Blick zu erfassen, wie es um mich stand. Mit einer Hand zerstörte er wütend die Handschellen, die mich gefesselt hatten. „Solche Kreaturen verdienen es nicht am Leben zu bleiben.“, meinte er verächtlich mit einem Seitenblick auf die leblosen Körper. Dann wandte er sich wieder zu mir. „Deine Eltern waren großartige Menschen.“ Er betonte das Wort „Menschen“ besonders, wie eine Art Ehrentitel, den nur bestimmte Leute tragen duften. Ich nickte schwach, da ich das Gefühl hatte ihm zustimmen zu müssen und kämpfte noch immer gegen die bleierne Schwere, die mich umklammert hielt und mit sich reißen wollte. Ich biss die Zähne zusammen und stand schwankend auf. Sofort war Alucard an meiner Seite. „Du solltest nicht...“, begann er, doch ein seltsames Geräusch lies uns beide innehalten. Hinter ihm hatten sich meine Eltern und meine Schwester wieder aufgerichtet. Doch sie waren nicht mehr dieselben. In ihrem Blick lag nichts menschliches mehr. Sie waren zu Ghouls geworden. Untote Kreaturen, die nur einem Instinkt folgten: Dem Instinkt nach menschlichem Fleisch. Augenblicklich zückte und entsicherte Alucard seine Waffe, um sich des Problems zu entledigen, doch meine Stimme hielt ihn zurück. „Bitte nicht...“, bat ich ihn schwach und er sah mich verständnislos an. Ich sammelte mich noch einmal. „Ich... möchte es tun.“, brachte ich schließlich hervor. Als er begriff, wurde sein Blick weicher und er nickte kurz. Er richtete die Waffe auf einen der Drei und hielt die Pistole so, dass ich den Abzug drücken konnte. „Oyasumi.“, flüsterte ich sanft, unterdrückte die Tränen, die mir bereits in den Augen brannten. Nach drei gezielten Schüssen, wurde es still und meine Knie gaben endgültig nach. Alucard schien mich zu mustern und nach eine Weile fragte er: „Bist du noch Jungfrau, Mädchen?“ Es dauerte nahezu eine Ewigkeit, bis ich die Frage verstand, nachdem ich mir schier mein Hirn zermartert hatte. Ich nickte schwach. Er betrachtete meine Wunde und die rote Pfütze, die sich zu meinen Füßen gebildet hatte. „Du hast nicht mehr lange zu leben.“ Diese Feststellung verwunderte mich. Warum erzählte er mir etwas, das mir selbst klar war? Doch dann fügte er hinzu: „Was willst du tun? Willst du sterben?“, fragte er und machte eine bedeutende Pause, ehe er fortfuhr: „Oder willst du mit mir kommen?“ Wieder brauchte mein Gehirn ewig, bis es die Bedeutung der Wörter verstand und begriff, was er damit meinte. Ich blinzelte träge und mein Blick schweifte ziellos umher, bis er bei den leblosen Körpern meiner Familie hängen blieb. Sie waren tot. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Ich hatte die Chance weiter zu machen, weiter zu leben. Sie hätten es sicher gewollt. Doch was wollte ich? Zurückblickend war mein Leben nicht von den größten Erfolgen gespickt gewesen, noch hatte ich Großes geleistet, oder erreicht. Ich hatte kein Ziel im Leben besessen und nichts gehabt wofür es sich zu leben gelohnt hatte. Nun lag ich hier, mein eigenes Blut tränkte meine Kleidung und das Leben floss unaufhaltsam aus meinem Körper. Sterben war gar nicht so schlimm, wie man allgemein annahm. Es fühlte sich in etwa an, als würde man friedlich einschlafen. Wieder versuchte ich die bleierne Schwere abzuschütteln. Ich wusste die Antwort. Ich wollte nicht sterben. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht so. Da ich mich zu schwach fühlte um zu sprechen, versuchte ich nach seiner Hand zu greifen, die nahe meiner auf dem Boden ruhte. Er verstand diese Geste und seine Lippen teilten sich zu seinem Grinsen. Das Letzte was ich wahrnahm, bevor ich das Bewusstsein verlor, waren seine blutroten Augen, die sich in mein Blickfeld schoben und meine Welt rot färbten, ehe sie ins Schwarze versank. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)