Last Desire 4 von Sky- (L x BB) ================================================================================ Prolog: Verzweiflung -------------------- Ein kalter feuchter Wind wehte auf dem Dach und in der Ferne hörte man bereits den Donner. Dunkle Wolken zogen auf und alles wirkte so grau, tot und hoffnungslos. Nicht einmal die Sonne schien für ihn in diesem Augenblick und er hatte wenigstens gehofft, dass der leuchtend blaue Himmel ihm zumindest ein bisschen Trost spenden und ihn von seinem Vorhaben abbringen könnte. Aber dem war nicht so. Stattdessen verdüsterte sich die Welt um ihn herum und zog ihn noch tiefer in den Abgrund der Traurigkeit und Verzweiflung. Eigentlich hätte ihm kalt sein müssen, da er nicht einmal eine Jacke trug, aber die Kälte nahm er nicht sonderlich wahr, dabei war es bereits Ende Oktober. Nichts nahm er noch wahr, als den Schmerz und die Traurigkeit in seinem Innersten. Es gab kein Zurück mehr, jetzt nicht mehr. Für ihn gab es keinen anderen Ausweg mehr als diesen, das hatte er endlich begriffen. Er hatte auf ganzer Linie versagt und alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Wirklich nichts hatte er richtig machen können, weil er einfach unfähig war. Er konnte es niemandem recht machen und stattdessen nur alles kaputt machen und alle um sich herum nur enttäuschen. Er war weder der Nachfolger für L, den Roger und Watari aus ihm machen wollten, noch war er der Freund für Beyond, der er eigentlich sein sollte, noch konnte er dem Menschen nahe sein, den er liebte. Sein ganzes Leben war eine einzige Katastrophe, ein Scherbenhaufen. Als er sich dessen wieder bewusst wurde, wuchs die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit in ihm, doch er weinte nicht. Er wollte nicht weinen und schwach erscheinen. Niemand durfte merken, wie es in ihm drin wirklich aussah. Eine wichtige Regel als L’s zukünftiger Nachfolger: lass niemanden sehen, wie du dich wirklich fühlst. Verschließe deine Gefühle und bleibe stets objektiv. Du darfst niemals Gefühle zeigen und schwach erscheinen, bewahre immer einen klaren Kopf. Also lächelte er einfach. Ein Lächeln, welches er stets aufsetzte, um vor anderen glücklich, zufrieden und unbekümmert zu erscheinen. Doch in diesem Moment wirkte es nur umso trauriger und hoffnungsloser. Denn er konnte trotz allem die Tränen nicht zurückhalten. Ich bin wirklich erbärmlich, dachte er sich und versuchte sein Lächeln aufrecht zu erhalten, während er sich am Geländer festhielt. Ich bin nicht mal jetzt stark genug, um die Tränen zurückzuhalten. Dabei habe ich es doch sonst immer geschafft, stark zu erscheinen, aber es hat einfach nichts genützt. Egal wie sehr ich mich auch anstrenge, ich schaffe es einfach nicht. Stattdessen muss ich mir von Roger anhören, dass ich zwar vom Intellekt her L würdig bin, aber nicht dieselbe mentale Stärke besitze und deswegen ungeeignet bin. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, habe ich meinen besten Freund verloren. Ich habe alles verloren… Das waren die einzigen Gedanken, die ihn noch erfüllten und ihn Stück für Stück in diese Richtung getrieben hatten und ihn zu dieser drastischen Entscheidung zwangen. Er brauchte nur loszulassen, um seiner erbärmlichen und wertlosen Existenz ein Ende zu bereiten. Wer würde denn schon um ihn weinen, wenn er tot war? Niemand… Seine Familie war nicht mehr da, er hatte Beyonds Herz gebrochen und mit seinen Gefühlen gespielt und ihm immer nur wehgetan. Und die anderen sahen doch sowieso auf ihn herab und hassten ihn, weil er der Beste war. Pah, der Beste? Von wegen. Er besaß zwar das Wissen, um L sogar zu übertrumpfen. Ja er hatte das Unmögliche geschafft und bewiesen, dass er L bereits übertroffen hatte. Aber er besaß nicht die nötige innere Stärke. Er war nicht so stark wie Beyond und die anderen Kinder im Waisenhaus. Nein, er war schwach und das machte ihn unfähig, L’s Nachfolge anzutreten. Egal wie sehr er sich auch anstrengte, er würde niemals der Mensch sein können, den die anderen sehen wollten. Und damit hatte er seine Daseinsberechtigung in dieser Welt verspielt. Er war doch einzig und allein zu dem Zweck in dieses Waisenhaus gekommen, weil er der große Hoffnungsträger war, auf den Watari baute. Doch stattdessen hatte er sich als absolut unfähig erwiesen und alle enttäuscht, die auf ihn vertraut hatten. Ich habe nicht das Recht, L’s Nachfolger zu werden… Ich habe nicht das Recht, Beyonds Freund zu bleiben… Ich habe nicht das Recht, überhaupt noch am leben zu sein… Seine Hände umklammerten das Geländer fester, der Wind wehte nun stärker als zuvor und es fröstelte ihm. Er sah nicht nach unten, denn er wusste, dass er es sich vielleicht noch anders überlegen könnte, wenn er sah, wie tief es nach unten ging. Höhen waren noch nie wirklich sein Ding gewesen und er wusste, was passieren würde, wenn er hinuntersprang. Er würde einige Stockwerke nach unten stürzen und dann auf dem Boden aufschlagen, wo sein mehr als bekümmernswertes Leben beendet wurde. Schön und gut, es würde kein schöner Anblick werden und wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er sich lieber anders entschieden. Aber andererseits erschien ihm genau dieser Tod am passendsten. Er würde genauso abstürzen wie im richtigen Leben und dann, wenn er ganz unten angelangt war, einfach sterben. Dann war er auch da, wo er wirklich hingehörte: ganz tief unten auf dem Boden des Abgrunds. Es ist richtig so, sagte er sich selbst immer wieder, brachte es aber dennoch nicht fertig, zu springen. Ein kleiner Widerstand existierte noch in ihm, ein Funken Angst. Was würde mit ihm passieren, wenn er starb? Wo würde er dann hingehen? Ach was, diese Fragen stellte er sich doch schon lange nicht mehr. Es war ihm egal geworden, was mit ihm nach seinem Tod passierte. Er würde einfach aufhören zu existieren, das war alles. Genauso wie eines Tages die Welt einfach aufhören würde zu existieren, als hätte es sie niemals gegeben. Und es würde irgendwann nichts mehr von ihm zurückbleiben. Weder seine Vergangenheit, sein Name, noch sein kurzes Leben, das er geführt hatte. All das würde ins Nichts verschwinden, so wie alles auf dieser Welt. Und wenn schon nicht die ganze Welt endlich verschwinden konnte, dann lag es an ihm, selbst zu verschwinden. Ja, ich werde für immer vom Angesicht dieser trostlosen Welt verschwinden und niemanden mehr wehtun oder enttäuschen können, nur weil ich lebe. Die anderen werden so viel glücklicher sein, wenn ich endlich tot bin. Dieser Gedanke gab ihm neue Kraft und obwohl er immer noch lächelte, flossen ungehindert seine Tränen. Und außerdem ist meine Lebenszeit ja sowieso abgelaufen. Also werde ich hier so oder so sterben. Da macht es auch keinen Unterschied mehr. Da kann ich doch genauso gut springen. Er atmete tief durch, schloss dabei die Augen und bereitete sich innerlich vor. Der Himmel verdüsterte sich immer weiter und der Donner wurde lauter. Gleich würde mit Sicherheit das Gewitter hereinbrechen. Wie passend für so eine Situation. Fast schon ironisch das Ganze, dass er sich genau an dem Tag umbrachte, wo er Beyond das erste Mal getroffen hatte. Derselbe Tag, dieselbe düstere Atmosphäre. Auch damals hatte es gewittert, wenn er sich nicht täuschte. Aber es erfüllte ihn seltsamerweise mit dem Gefühl, als würde dadurch die Zeit wieder zurückgedreht werden und er mit seinem Tod diese Tragödie ungeschehen machen können. Er wäre gestorben, bevor er Beyond all diese Dinge angetan hätte und er hätte auch nicht die Menschen enttäuschen können, die auf ihn gezählt und ihm vertraut hatten. „Nein! Andrew, warte!!!“ Er hielt inne, als er plötzlich diese Stimme hörte. Für einen Moment kehrte ein kleiner Glanz in seine matten und leeren Augen zurück und als er sah, dass es Beyond war, schwand sein Lächeln. Was machte er denn hier auf dem Dach? Wieso war er nicht mit all den anderen Kindern im Speisesaal? Er sollte doch gar nicht hier sein! Er sollte das hier nicht mit ansehen! Aber dann erinnerte er sich wieder. Ja richtig… er weiß ja, dass ich gleich sterben werde. Er sah die Angst in diesen unmenschlichen roten Augen, die Angst vor dem bevorstehenden Verlust und die Verzweiflung. Alles nur wegen mir, dachte er traurig und fand sein Lächeln wieder. Nur wegen mir hast du so viel leiden müssen, mein Freund. Aber mach dir keine Sorgen. Wenn ich sterbe, dann bist du frei von mir und kannst endlich glücklich werden. Dann werde ich dir nie wieder wehtun können. „Andrew, bitte mach das nicht. Bleib bei mir! Ich brauche dich doch!“ „Es tut mir Leid, Beyond. Aber… es ist zu spät. Meine Zeit in dieser Welt ist abgelaufen. Ich kann einfach nicht mehr… Bitte verzeih mir…“ Damit ließ er das Geländer los und verlor den entsprechenden Halt. Er stürzte vom Dach und Beyond, der sich über das Geländer beugte und seine Hand nach ihm ausstreckte, konnte ihn nicht mehr erreichen. Nur ganz knapp verfehlte er die Hand seines Freundes und musste hilflos mit ansehen, wie dieser in die Tiefe stürzte. Und bis zu dem Moment, als A auf dem Boden aufschlug und starb, behielt er noch sein Lächeln, um bis zuletzt vor der gesamten Welt seine unendliche Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu verbergen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)