Obwohl wir verdammt sein werden von Salamibrot (Dämonische Geschwister) ================================================================================ Kapitel 1: Dämonenkind ---------------------- Die Sonne ging auf. Langsam ertasteten ihre goldenen, Licht und Wärme spendenden Strahlen ihren Weg über die Gipfel der Berge, vertrieben die Finsternis der Nacht und tauchten die Welt in einen reinen, goldenen Schein. Auch die Dächer der Hauptstadt des heiligen britannischen Imperiums, des goldenen Pendragon erglänzten in all ihrer Pracht, zeigten mit Prunk und Herrlichkeit die Macht ihres Reiches und die Arroganz ihrer Besitzer. Aus all den prunkvollen Villen, Residenzen und Palästen erhoben sich die Paläste der imperialen Familie, der vielen Frauen und Kinder des mächtigsten Mannes der Welt, Imperator Charles zi Britannia. Und von all diesen prachtvollen Bauten war nur der imperiale Palast selbst herrlicher, als der Aries- Palast. Nicht weil der Stil lächerlich prunkvoll war oder offensichtlicher Reichtum in Form von Edelmetallen oder anderem zur Schau gestellt wurde. Nein es war die Atmosphäre, die vermittelt wurde. Ein wunderschöner, grüner Garten umgab den Palast, gefüllt mit duftenden Bäumen, sprudelnden Teichen und weißen Pavillons. Diese Atmosphäre wurde jedoch vor allem von dem generiert, für das der Palast stand. Hier residierte die fünfte Imperatrix von Britannia, eine Frau aus dem einfachen Volk, die vom Imperator ausgewählt wurde, Marianne vi Britannia. Das Volk liebte solche Geschichten und so wurde Marianne bald zum Idol für alle einfachen Leute im Volk, zum Zeichen, dass auch gewöhnliche Menschen in die hohe Welt des Adels aufsteigen konnten, ja sogar in die höchsten Ränge der imperialen Familie. An diesem besonderen Tag nun zwitscherten die Vögel friedlich, als das goldene Licht der Sonne ihr Gefieder kitzelte, die Brunnen plätscherten sanft und ein leichter Wind wehte durch die Wipfel der Bäume und ließ eine Kaskade aus Blättern durch die Luft wirbeln, einen bunten Tanz aus grüner Lebensfreude ausführend. Der Frieden wurde jedoch von einem entsetzten Schrei durchbrochen. Er wurde von einer hohen, schrillen Kinderstimme ausgestoßen, in der Entsetzen und Verzweiflung mitschwangen. Der Schrei kam aus der Eingangshalle des Palastes, wo ein großer, heller Empfangssaal in einer eleganten, geschwungenen Treppe endete. Doch der edle Marmor der Treppe war mit Blut besudelt, das sich immer weiter ausbreitete und eine gewaltige Lache auf dem ansonsten so reinen, unbefleckten Fußboden bildete. Am oberen Ende der Treppe stand der Urheber des Schreis, ein Junge von nicht ganz zehn Jahren. Wirres, schwarzes Haar stand ihm vom Kopf ab und zwei violette, vor Schreck geweitete Augen starrten in Horror und Entsetzen auf die Szene unter ihm hinab. Der elfte Prinz, Lelouch vi Britannia und erstgeborener Sohn von Marianne blieb nach seinem ersten Schrei des Entsetzens still, zitterte aber. Die Fenster des Saales waren zerstört, die Vorhänge aus dickem roten Samt in Fetzen gerissen und die Wände von Löchern durchsiebt. Und auf dem Boden des Saales, inmitten einer Lache aus langsam trocknendem, roten Blut lag die fünfte Imperatrix des heiligen britannischen Imperiums, Marianne vi Britannia, genannt „der Blitz“, ein Ritter der Tafelrunde und als Mitglied des gemeinen Volkes geboren. In ihrem Armen lag die zitternde Silhouette eines jungen Mädchens mit braunen Haaren und vor Horror weit aufgerissenen Augen. Das zweite Kind der Imperatrix, Nunally vi Britannia war von oben bis unten mit dem Blut ihrer Mutter beschmiert, die das schluchzende Kind fest in ihren immer kälter werdenden, toten Händen hielt. Hinter Lelouch standen zwei weitere Personen, die ihr Entsetzen kaum im Zaum halten konnten. Zu seiner rechten stand Jeremiah Gottwald, ein hochgewachsener, schlanker Mann mit goldenen Augen und bläulich grünen Haaren. Er war ein Teil von Mariannes königlicher Garde, ein furchtloser Soldat, dessen Bewunderung für Lady Marianne nur noch von seiner Loyalität ihr gegenüber übertroffen wurde. Auf seiner linken Seite stand Lelouchs ältere Halbschwester, Cornelia li Britannia. Die Kommandantin von Lady Mariannes persönlicher Wache. Ihr sonst kunstvoll getragenes, violettes Haar war unordentlich und fettig. Sie hatte dieselben königlich violetten Augen wie ihr Vater und Lelouch, doch jetzt waren sie rot und geschwollen, von den Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Lelouch war der erste, der seine Fassung wiedergewann. „Nunally!“, schrie er und rannte die Treppe hinunter, auf seine tote Mutter und seine wimmernde Schwester zu. ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ein paar Stunden später saßen alle drei in einer kleinen Kammer des Krankenhauses, in dem Nunally behandelt wurde. Durch ein Fenster beobachteten sie, wie das kleine Mädchen in einem Bett lag, immer noch von Blut und anderen Körperflüssigkeiten bedeckt. Sie atmete durch eine Atemmaske und ihre kleine Brust hob und senkte sich kaum merklich. Lelouch blickte ohne sich zu rühren auf den Körper seiner Schwester, den Kopf auf die Hände geschützt. Sein junges Gesicht zeigte kaum eine Regung, zu tief saßen der Schock und die Angst um das Leben seiner Schwester. Cornelia und Jeremiah saßen etwas hinter ihm und teilten sich eine Flasche hochwertigen Schnaps. Normalerweise hätte Cornelia Bedenken angesichts der Anwesenheit eines Gemeinen geäußert, doch heute waren alle zu sehr in Schock um sich um die Grenzen zwischen Adligen und einfachen Soldaten zu kümmern. So konnte man hier den ungewöhnlichen Anblick erleben, dass sich die zweite Prinzessin des heiligen britannischen Imperiums eine Flasche mit dem einfachen Gardisten Jeremiah Gottwald teilte, verbunden in ihrer tiefen Trauer um die Frau, die sie beide als hervorragende Pilotin und als ehrenhafte Ritterin bewundert hatten, und in Sorge um ihr jüngstes Kind und einzige Tochter. Alle drei blickten auf, als ein Arzt in einem weißen Kittel und mit einer Maske vor dem Gesicht hereinkam. Er warf eine Mappe auf den Tisch und verbeugte sich vor Cornelia und Lelouch. „Eure Hoheit“, sagte er. „Die Operation ist gut verlaufen, Prinzessin Nunallys Zustand wurde stabilisiert.“ Cornelia und Jeremiah seufzten in Erleichterung, Lelouch entspannte sich ein wenig. Der Arzt räusperte sich. „Jedoch haben mehrere Kugeln ihre Beine und ihre Wirbelsäule schwer verwundet. Ob sie je wieder laufen kann bleibt fraglich, aber sie wird am Leben bleiben.“ Cornelia nickte. „Danke. Wann wird sie vermutlich aufwachen?“, fragte sie. Der Arzt verneigte sich noch einmal. „Das ist unmöglich zu sagen, eure Hoheit, aber ich würde nicht allzu schnell damit rechnen.“ Lelouch wandte sich zum ersten Mal seit Stunden vom Anblick seiner Schwester ab. „Danke“, murmelte er. Seine Stimme klang heiser und rau, wie die eines alten Mannes und nicht wie die eines Kindes. „Ihr könnt dann gehen.“ Der Arzt verbeugte sich und ging aus dem Raum. Lelouch wandte sich zu Cornelia um. „Wie konnte das passieren?“, fragte er, seine Stimme bete vor mühsam unterdrücktem Zorn. „Die offiziellen Stellen lassen verlauten, dass es das Werk von Terroristen war“, sagte Jeremiah. „Und wo war die Wache?“, fragte Lelouch. „Wie soll ein Haufen Terroristen in der Hauptstadt des Imperiums meine Mutter ermorden, ohne dass irgendjemand etwas davon mitkriegt?“, grollte er, während seine Stimme immer lauter wurde. Cornelia konnte nicht umhin zu bewundern, wie ruhig und gefasst Lelouch für einen Zehnjährigen wirkte. Wenn man ihn nicht ganz genau kannte konnte einem der rasende Sturm von Zorn und Trauer, der in ihm tobte einfach entgehen. Cornelia schauderte. Lelouch erinnerte sie manchmal wirklich zu sehr an ihren Vater. Als ihre eigene Mutter starb hatte sie eine Woche lang geweint und da war sie nicht viel älter gewesen als Lelouch. Auch jetzt konnte Cornelia immer noch nicht fassen, dass Marianne, die Frau die sie für ihre Pilotenfähigkeiten und ihre Kampfkraft bewundert hatte, die für sie und ihre kleine Schwester Euphemia ein Mutterersatz gewesen war, tot war. Als Cornelia sprach war sie entsetzt darüber, wie schwach ihre Stimme klang, wie zittrig und verzweifelt. „Gestern Abend befahl mir Marianne die Wache abzuziehen.“, sagte sie, während sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. „Ich wünschte ich wäre da gewesen um sie beschützen zu können, aber es war keine einzige Wache im Haus.“ Lelouchs Augen weiteten sich. Jeremiah sprach: „Das bedeutet sie muss eine Art geheimes Treffen gehabt haben. Mit jemandem, dem sie vertraute.“ “Und das bedeutet“, sprach Lelouch weiter, „Dass das auf keinen Fall das Werk von Terroristen war. Meine Mutter hatte wegen ihrer einfachen Geburt viele Feinde im britannischen Hochadel.“ „Aber sie vertraute niemandem von diesen Leuten genug um ihre Wache abzuziehen“, sagte Jeremiah, der einen weiteren Schluck aus der Flasche nahm. „Exakt“, sagte Lelouch. „Und das bedeutet, dass es jemand innerhalb der imperialen Familie gewesen sein muss. Aber wer von unseren Geschwistern wäre mutig genug so etwas zu wagen?“ Cornelia begann zu spekulieren: „Odysseus? Unwahrscheinlich. Als erster Prinz hat er das nicht nötig und es passt auch nicht zu ihm. Schneizel würde ich das eher zutrauen, aber er hatte immer eine äußerst positive Einstellung zur vi Britannia Linie.“ Lelouch spekulierte weiter. „Guinevere und Carine hassten meine Mutter zwar, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ihnen hätte Mutter niemals vertraut.“ Seine violetten Augen kniffen sich zusammen. „Irgendetwas fehlt hier. Irgendein Stück des Puzzles passt nicht.“ Cornelia stand auf. „Ich führe die Untersuchungen zum Tod von Lady Marianne persönlich. Keine Sorge Lelouch. Wir werden deine Mutter rächen.“ Mit diesen Worten ging sie aus dem Raum, ihr weißer Mantel wehte hinter ihr her, wie in der Druckwelle ihres Zornes bewegt. Lelouch und Jeremiah blieben alleine zurück. Lelouch drehte sich zu Jeremiah um und blickte ihm in die geschwollenen, goldenen Augen . Einige Minuten starrten sie sich an, der Prinz und der Soldat, dann ging Jeremiah Gottwald plötzlich auf die Knie. „Eure Hoheit, der Tod eurer Mutter war das Versagen von mir und meiner Wacheinheit. Wenn ihr meinen Tod dafür fordern wollt, dann werde ich ihn mit Freuden annehmen.“ Der große Mann hielt den Kopf gesenkt, als er vor dem zehnjährigen Jungen kniete. Sekunden vergingen wie Jahre, in dem eisiges Schweigen herrschte. Dann spürte Jeremiah eine Hand auf seiner Schulter. „Sag mir, Jeremiah Gottwald“, hörte er die Stimme des Prinzen wie von weit entfernt. „Wem gilt deine Loyalität?“ „Dem Hause vi Britannia, mein Prinz und damit euch.“ „Warum also willst du sterben, Jeremiah Gottwald? Deine Dienste werden noch gebraucht.“ Jeremiah erhob sich. „Habt Dank, mein Prinz.“ Schweigend saßen sie nebeneinander, der Prinz und sein Ritter, nicht ahnend, dass dieser Moment ihrer beider Leben für immer verändern sollte. Lelouch streckte die Hand aus und Jeremiah reichte ihm die Flasche. Lelouch roch einmal an dem starken Schnaps und verzog das Gesicht. Dann schloss er die Augen und nahm einen tiefen Schluck, was zu einem Hustenanfall führte. Jeremiah sah hinüber zu Prinzessin Nunally, während er seinem Prinz auf den Rücken klopfte. Gemeinsam lauschten sie dem leisen Piepsen der Geräte und hofften um das Leben der Prinzessin. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- „Und damit sage ich Schachmatt, Clovis“, bemerkte Lelouch gelangweilt. Sein Gegenüber starrte missmutig auf das Schachbrett hinab. Clovis la Britannia erklärte sich zwar selbst als Lelouchs großen Rivalen im Schachspiel, doch obwohl er mehrere Jahre älter war, hatte er keine Chance gegen seinen jüngeren Halbbruder. So gesehen hatte niemand von seinen Geschwistern eine Chance gegen Lelouchs analytischen Verstand, der ihn zu einem Meister im Schachspiel machte. Der einzige innerhalb der königlichen Familie, der Lelouch überlegen war, war Schneizel el Britannia, der zweite Prinz und Premierminister von Britannia. Schneizel und Lelouch ähnelten sich in vieler Hinsicht. Beide besaßen einen analytischen und genialen Verstand, ein angeborenes Verständnis von Strategie und Taktik und eine Gabe für das Schachspiel. Schneizel selbst hatte einmal gesagt, dass der einzige Grund, warum er Lelouch noch besiegen konnte, dessen Unerfahrenheit war. In zehn Jahren hatte er gesagt, werde er Lelouch unterlegen sein. Sie waren diejenigen unter den Kindern des Imperators, die dem grausamen und kalten, aber nichtsdestotrotz genialen Mann an der Spitze des Imperiums am ähnlichsten waren. Zwei Tage waren seit dem Vorfall vergangen. Weder war Nunally erwacht, noch hatte Cornelias Untersuchung des Vorfalls irgendwelche Fortschritte gemacht. Lelouch verbrachte diese Zeit des Wartens größtenteils damit Clovis im Schach zu schlagen, der ebenso wie Cornelia ein Freund der vi Britannia Linie war. Anders als Cornelia, die eine Soldatin war, war Clovis jedoch ein sanfter Mann, der jegliche Art von Gewalt verabscheute und mehr Liebe für die Kunst besaß. Als für die Aussicht auf Herrschaft. Als Clovis gehört hatte was geschehen war, war er sofort hergeeilt um seinem Bruder Unterstützung anzubieten. Lelouch erhob sich von seinem Platz. „Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, Bruder, ich werde nach Nunally sehen.“ “Natürlich“, sagte Clovis. „Wenn du mich brauchst Lelouch, ich bin hier.“ Lelouch nickte. „Danke Clovis, deine Hilfe ist mir wirklich sehr willkommen.“ Und damit ging er hinaus, Jeremiah folgte ihm dicht auf den Fersen. Das war ein unausgesprochenes Verständnis zwischen den beiden. Jeremiah würde jedem Schritt Lelouchs folgen und Lelouch mochte die Gesellschaft des Soldaten. Vielleicht war es kindisch von ihm, doch er fühlte sich in der Gesellschaft des Ritters sicher, in der Gesellschaft eines Mannes, dessen bedingungslose Loyalität er in den letzten Tagen zu schätzen gelernt hatte. Seit jener Nacht in Nunallys Krankenhauszimmer war Jeremiah für ihn ein Leibwächter und ein Freund, jemand der ihn nicht für seine Taten richtete und mit Ratschlag und Hilfe bei seiner Seite stand. Obwohl Clovis sicherlich etwas anderes behaupten würde war es Jeremiah, der Lelouch davon abhielt dem Wahnsinn zu verfallen. Nunally lag im Koma, Euphemia war weit weg von der Hauptstadt und Cornelia war mit der Untersuchung beschäftigt. Clovis war kein Mann, mit dem man reden oder dem man sein Herz ausschütten konnte und Schneizel war zu gefährlich dafür. Er würde alles für seine eigenen Zwecke manipulieren und ihn in eine Richtung lenken. Lelouch mochte verzweifelt sein, aber er war nicht dumm. Der Rest des imperialen Hofes bestand aus Opportunisten, Speichelleckern und arroganten Adligen, die sich einen Dreck um irgendetwas anderes als ihren Status scherten und Lady Marianne für ihre einfache Geburt sowieso gehasst hatten. Und so blieb Lelouch, der trotz seines Verhaltens an der Außenseite nur ein zehnjähriges Kind war nur Jeremiah Gottwald, der Soldat als Bezugsperson, eine Rolle, die der Mann mit Freuden annahm. In den letzten Tagen war Jeremiah der Mann geworden, der Lelouch abgesehen von Euphemia und Cornelia wohl am Besten kannte. Und das vertiefte nur seine Loyalität für seinen Prinz und er schwor sich für immer an dessen Seite zu stehen und wenn es ihn sein Leben kosten würde. Lelouch fasste nur schwer vertrauen zu Menschen, was wohl an den endlosen Intrigen innerhalb der imperialen Familie lag. Auch hatte er nie so etwas wie eine Vaterfigur besessen. Der Imperator interessierte sich wenig für seine Kinder und wenn doch, dann bedeutete das nie etwas Gutes. Sie waren für ihn Werkzeuge, Wege zu politischer Macht. Der Tod seiner Mutter und das Koma seiner Schwester hatten Lelouch schwer getroffen und die Unterstützung und bedingungslose Treue, die ihm Jeremiah bot, waren genau das, was er brauchte. Lelouch betrat mit Jeremiah im Schlepptau Nunallys Krankenzimmer. Jeremiah blieb an der Tür stehen, während Lelouch sich neben seine Schwester setzte und ihre Hand nahm. Er blieb für einige Augenblicke still, lauschte den rasselnden Atemzügen seiner Schwester durch das Beatmungsgerät. Eine einzige Träne trat in seine Augen, die er jedoch wegwischte. „Nunally“, flüsterte er. „Ich wünschte du wärst bei mir. Du warst immer das Licht in unserer Familie. Jetzt wo Mutter tot ist brauche ich dich mehr denn je.“ Er strich ihr sanft eine braune Haarsträhne au dem Gesicht. Anders als Lelouch, der das schwarze Haar seiner Mutter geerbt hatte, waren Nunallys Haare eine sanfte, hellbraune Kaskade, sie um ihr schmales Gesicht auf die Kissen fiel. „Aber“, flüsterte Lelouch. „Würdest du in einer solchen Welt aufwachen wollen? Eine Welt voller kalten Adels, der das einfache Volk unterdrückt, voller Hass? Wie soll ich eine solche Welt ohne dich ertragen, Nunally?“ Er beugte sich über sie und küsste sie sanft auf die Stirn. „Ich komme bald zurück, Nunally. Bleibe stark. Für mich.“ Lelouch stand auf und ging. Jeremiah legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. Lelouch nickte ihm dankbar zu. „Gehen wir, Jeremiah. Ich könnte was zu trinken gebrauchen.“ Ein freudloses Lachen kam über seine Lippen, als er aus dem Raum ging, gefolgt von Jeremiah, der kurz schnaubte. Eine Stunde später saßen Lelouch und Jeremiah in einem der größeren Räume des Aries- Palastes und spielten Schach. Oder vielmehr war es so, dass Lelouch seinen Gedanken nachhing, während Jeremiah hoffnungslos niedergemacht wurde. Nachdem seiner fünfzehnten Niederlage, bei der mit Neun Minuten ein neuer Rekord aufgestellt wurde, wurde es Jeremiah zu bunt. „Eure Hoheit, können wir nicht etwas anderes spielen?“ Seine Stimme riss Lelouch aus seinen Gedanken. „Hä“, murmelte er. „Was hast du gesagt, Jeremiah?“ „Ich fragte ob wir nicht etwas anderes spielen können, eure Hoheit. Wie ihr seht bin ich keinerlei Herausforderung für euch, wenn es um Schach geht.“ Lelouch zuckte die Schultern. „Schach ist das Spiel der Könige. Außerdem denke ich, dass man den Charakter eines Menschen einschätzen kann, wenn man eine Runde Schach mit ihm spielt. Dabei werden seine Denkmuster und Handlungsweisen aufgedeckt, auch wenn er sie sonst versteckt.“ Er nahm den schwarzen König in die Hand und betrachtete die Schachfigur nachdenklich. „Sag mir, Jeremiah. Was sollen wir jetzt tun?“ “Wie meint ihr das, eure Hoheit?“, fragte Jeremiah. Lelouch stellte den König mit einem Knall auf das Brett und nahm die schwarze Dame auf. „Mutter ist tot.“ Er warf die Dame hin. „Wir können unseren Status ohne sie nicht lange halten. Die Ashfords sind bereits in Ungnade gefallen und mussten den Großteil ihrer Firma verkaufen. Wir sind die nächsten. Wenn wir uns nicht nützlich machen, dann wird der Imperator uns schnell irgendwo als politische Werkzeuge einsetzen.“ Jeremiah nickte. Die britannische Gesellschaft richtete sich streng nach dem Prinzip des Sozialdarwinismus. Nur die stärksten durften überleben und zwei Kinder, auch wenn sie zur königlichen Familie gehörten waren leichte Beute für die Intrigen des imperialen Hofes. „Cornelia unterstützt euch, eure Hoheit. Unter ihrer Fittiche wäret ihr sicher“, bemerkte Jeremiah. „Cornelia ist Soldatin. Sie erobert Provinzen für den Imperator und hat damit ihren Nutzen. Das ist auch der Grund warum er Euphemia in Frieden leben lässt. Wenn wir dem Mörder meiner Mutter gefunden haben, dann muss auch ich hm von Nutzen sein, damit er Nunally nicht irgendwo hin verheiratet.“ In diesem Moment schwang die Tür auf und eine sichtlich aufgelöste Cornelia kam hereingestürmt, in voller Montur und mit ihrem eleganten Schwert an der Seite. Sie stürmte auf Lelouch zu und umarmte ihn. „Lelouch“, flüsterte sie. „Lelouch, es tut mir so leid.“ “Cornelia“, sagte Lelouch überrascht. „Was ist los?“ Sie ließ ihn los und setzte sich auf den Stuhl, den sie von Jeremiah angeboten bekam. „Ich hatte gerade eine Audienz bei unserem Vater“, begann Cornelia. Jeremiah schluckte. Er ahnte, wo das hinführen würde. Cornelia sackte auf ihrem Sitz zusammen, den Kopf in den Händen vergraben. „Er hat die Untersuchung abgebrochen. Er sagte, die Toten seien tot und es habe keinen Sinn Ressourcen für sie verschwenden.“ Lelouch seufzte tief. “Unser Vater“, sagt er, wobei ein Hauch Sarkasmus in seiner Stimme mitschwang, „Interessiert sich wenig für seine Frauen und seine Kinder. Ich habe damit gerechnet. Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich fühle das starke Verlangen eine Audienz mit dem Imperator zu verlangen und ihn zur Rede zu stellen.“ Er hielt inne, seine violetten Augen voller Zorn. „Aber das wäre das dumme, närrische Verhalten eines Kindes, vermutlich genau das, was er von mir erwartet. Nein. Ich werde klüger sein als das. Ich werde den Mörder meiner Mutter finden, wenn nötig auch allein.“ Cornelia stand auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du bist nicht alleine Lelouch. Aber was wirst du tun? Ich werde bald zurück an der Front sein. Für Euphemias Sicherheit muss ich Resultate bringen. Ich will nicht, dass sie an irgendeinen fetten Herzog verheiratet wird.“ Lelouch hob einen Finger. „Und ich bin da in derselben Situation. Lass Euphemia und Nunally gemeinsam sicher sein. Ich werde eine Audienz beim Imperator verlangen. Ich muss meinen Nutzen für ihn beweisen.“ Er stand auf und richtete sich zu voller Größe auf, was bei einem Zehnjährigen zugegeben nicht besonders beeindruckend war, aber die Geste zählte. „Aber ich schwöre hier und heute, mit euch beiden als meine Zeugen, dass ich den Mörder meiner Mutter finden und der Gerechtigkeit zuführen werde. Ich werde eine freundlichere Welt erschaffen. Für Nunally werde ich die Ungerechtigkeit in diesem Imperium zerstören und die Welt verändern.“ Cornelia nickte. „Ein hohes Ziel, Lelouch, aber zuerst musst du dem Imperator beweisen, dass du nicht nur ein weiterer nutzloser Sohn für ihn bist. Du musst für ihn werden wie Schneizel, unentbehrlich und wertvoll.“ Lelouch nickte. „Und deshalb werde auch ich dem Militär beitreten. In der Politik würde ich unter Schneizel arbeiten. Das ist mir zu nahe am Imperator und außerdem ist Schneizel gefährlich. Diese Paläste sind nur eine Fassade, eine schöne Illusion, dahinter liegt die große Schlange, die Britannia ist. Und der Kopf der Schlange ist Imperator Charles zi Britannia selbst. Ich werde mich ihm als nützlich beweisen. Aber auch er lebt nicht ewig und eines Tages wird auch seine Herrschaft vorbei sein.“ Cornelia stand auf. „Meiner Meinung nach bist du etwas jung fürs Militär, aber wenn das dein Wunsch ist, werde ich dich nicht aufhalten. Ich muss morgen zurück an die Front. Es wäre mir eine Freude, wenn du mir eines Tages helfen könntest.“ Ohne ein weiteres Wort ging sie hinaus. Lelouch wandte sich Jeremiah zu, der stumm geblieben war. „Und was ist mit dir, Jeremiah Gottwald? Wem gehört deine Loyalität?“ Jeremiah sank auf die Knie. „Euch, Prinz Lelouch. Bis zu meinem letzten Atemzug.“ Lelouch nickte zustimmend. „Und wenn ich dir befehlen würde eines meiner Geschwister zu töten, würdest du es tun? Auch wenn es Hochverrat bedeuten würde?“ „Ohne zu zögern, eure Hoheit.“ Wenn ich dir befehlen würde den Imperator zu töten, würdest du es tun?“ „Ich würde bei dem Versuch sterben, eure Hoheit“, sagte Jeremiah, was ihm ein belustigtes Schnauben von Lelouch einbrachte. „Allerdings, das würdest du. Wenn ich dir befehlen würde Nunally zu töten, würdest du es tun?“, fragte Lelouch eine letzte Frage. Jeremiah versteifte sich. „Nein, eure Hoheit.“ Lelouch hob eine Augenbraue. „Nein?“ Jeremiah schüttelte den Kopf. „Ich würde niemals einem Kind von Lady Marianne Leid zufügen. Weder euch noch Lady Nunally.“ Lelouch klatschte in die Hände. „Wunderbar. Sollte ich dir jemals befehlen Nunally etwas anzutun hast du meine vollste Erlaubnis mir Leid zuzufügen. Jeremiah Gottwald, wirst du mein Schwert sein und mein Schild, meine Klinge in der Dunkelheit und mein Schild im Licht? Wirst du ohne zu zögern dein Leben für mich oder Nunally geben? Wirst du an meiner Seite stehen, selbst wenn ich von allen anderen verlassen scheine?“ Jeremiah schlug sich die Faust vor die Brust. „Ich bin der eure, heute und für alle Zeit.“ „Dann erhebe dich Jeremiah Gottwald, mein erster und treuester Soldat.“ Jeremiah stand auf und stellte sich neben seinen Prinzen. Lelouch seufzte. „Danke Jeremiah, mein Freund. Jetzt kommt der schwierige Teil. Ich werde mich meinem Vater stellen müssen.“ Jeremiah nickte. „Viel Glück, eure Hoheit.“ ------------------------------------------------------------------------------------------------- Lelouch stand vor den hohen, mit Gold und Elfenbein verzierten Doppeltüren, die mit Gravierungen des Löwen und der Schlange geschmückt war, dem Wappen Britannias. ´Wie passend´, dachte Lelouch, als er die Flügeltür anstarrte, die auf beiden Seiten von Rittern der imperialen Garde in prächtigen Uniformen flankiert wurde. Er war nervös, doch er zeigte es nicht. Sein Gesicht war gefasst, eine perfekt neutrale Miene, sein Rücken gerade. Er trug einen roten Mantel, über einer blauen Uniform, die mit goldenen Knöpfen verziert war. Langsam schwangen die Türen auf und gaben den Blick auf den hohen und prächtigen Thronraum frei. Ein roter Teppich dämpfte die Geräusche seiner Schritte, als Lelouch mit geradem Rücken und hocherhobenem Kopf vorwärts ging. Der Raum war voll mit Leuten, Adligen, Mitgliedern der königlichen Familie, Soldaten und anderen Speichelleckern. Er konnte Schneizel erkennen, in der Nähe des Thrones, der ihn mit mitleidigem Blick ansah. Guinevere su Britannia blickte ihn mit Verachtung an, als wäre er etwas ekliges, das aus dem Meer gekrochen war. Die Menge flüsterte und raunte. Lelouch hatte nichts als Verachtung für diese Ansammlung von Hofschranzen übrig. „Was macht der Junge hier?“ „Seine Mutter ist tot, er ist genau so erledigt wie de Ashfords“ „Er wäre klüger gewesen wenn er verschwunden wäre, zusammen mit seiner nutzlosen Schwester.“ „Nicht einmal für eine politische Hochzeit kann man sie mehr benutzen. Sie sollte besser tot sein.“ Obwohl in Lelouch ein Sturm tobte blieb er äußerlich kalt und ignorierte das Geflüster. Die Ashfords taten ihm ein wenig leid. Er hatte gehört, dass nach dem Ende der Unterstützung durch Lady Marianne, Lord Ashford seine Firma verloren hatte und darüber nachdachte in eine der Provinzen zu ziehen. Lelouch mochte die Ashfords, besonders deren Tochter Milly, aber er hatte genug damit zu tun seine und Nunallys Haut zu retten und er konnte sich nicht auch noch um eine in Ungnade gefallene Adelsfamilie kümmern. Das Geraune ignorierend hielt Lelouch den Blick fest auf die Gestalt am anderen Ende des Thronsaals gerichtet. Dort, auf einem hohen Podest stand der gewaltige goldene Thron unter der Flagge Britannias und darauf thronte die beeindruckende Gestalt von Imperator Charles zi Britannia, dem 98. Imperator des heiligen britannischen Imperiums. Der Imperator war ein sehr großer Mann und obwohl sein Alter sich in Form seines weißen Haares und der Falten in seinem Gesicht deutlich machte, blieben seine grimmigen und harten Gesichtszüge unverändert, als er den falkenartigen Blick seiner violetten Augen auf Lelouch gerichtet hielt. Lelouch hielt seinem Blick stand und starrte unverwandt zurück, einen ähnlich grimmigen Blick auf seinem Gesicht wie sein Vater. Neben Charles umfasste Bismarck Waldstein, der Knight of One und erster Ritter der Tafelrunde sein Schwert fester. Lelouch blieb vor dem Thron stehen und verneigte sich vor seinem Vater. „Heil eurer Majestät.“ Charles blickte ihn von oben herab an, eine lauernde Schlange auf seinem Thron, bereit zuzustoßen und Lelouchs Körper zu zerfetzen. „Warum bist du hier, Lelouch? Warum ersuchst du um eine Audienz bei mir?“ Lelouch hob den Kopf. „Meine Mutter, Imperatrix Marianne vi Britannia ist tot.“ Charles hob eine Augenbraue. „Na und? Das sind alte Neuigkeiten. Bist du nur hierher gekommen um mir alte Nachrichten zu überbringen?“ Lelouch unterdrückte das Verlangen seinem Vater die Meinung zu sagen und blieb stattdessen gelassen. „Ihr habt die Untersuchungen bezüglich der Umstände ihres Todes abgebrochen. Warum?“, fragt er. Obwohl es schwer war hielt er dem Blick des Imperators stand. „Was nützen mir die Toten?“, fragte Charles mit donnernder Stimme. „Wenn sie zu schwach war um zu überleben, dann hat sie ihren Nutzen für mich beendet. Hast du nur um eine Audienz mit dem Imperator von Britannia ersucht um mir das zu sagen und kindische Forderungen zu stellen?“, fragte der Imperator fordernd, seine wütenden Augen auf Lelouch gerichtet, der sich zusammenreißen musste um den Blick nicht abzuwenden. „Natürlich nicht, eure Majestät“, sagte Lelouch mit einem kaum merklichen Zittern in der Stimme. Er konnte jedoch sehen, dass seine Frage den Imperator überrascht hatte. Charles zog eine Augenbraue hoch. „So. Warum bist du dann hier?“ Charles klang nun neugierig. Lelouch konnte sehen, dass der Imperator erwartet hatte, dass Lelouch kindisch hereingestürmt kommen würde und verlangen würde, dass die Untersuchung fortgesetzt würde. Nun war der Imperator wirklich an Lelouchs Anliegen interessiert. „Meine Mutter ist tot, die letzten zehn Jahre habe ich auf Kosten des Hofes unter eurer Gnade gelebt. Nun denke ich wird es Zeit, dass ich mir euren Platz in eurem Hof verdiene. Ich will von Nutzen für euch sein, eure Majestät.“ Charles Augen weiteten sich fast unmerklich. Das hatte er nun nicht erwartet, nicht von einem Kind und vor allem nicht von einem, dass gerade seine Mutter verloren hatte. Doch Charles zi Britannia hatte jahrelange Erfahrung im Hof und behielt ebenso wie Lelouch seine ruhige Fassade aufrecht. „Und was lässt dich glauben, dass du noch von Nutzen für mich wärest, Lelouch? Du und deine Schwester seid ebenso tot wie deine Mutter. Ein toter Mann hat keine Rechte.“ Lelouchs Stimme wurde nun ein wenig lauter: „Dann lasst mich euch beweisen, dass ich noch einen Nutzen für euch haben kann. Lasst mich zeigen, dass ich Britannia noch dienen kann.“ Charles zi Britannia blickte ihn einen Augenblick lang an. Dann lachte er, grimmig und freudlos, ein kurzes, gefährliches Bellen in dem Grausamkeit und Häme mitschwangen. „Es sei, Lelouch vi Britannia. Du bekommst eine Chance deinen Nutzen für mich zu beweisen.“ Lelouch verneigte sich. „Tausend Dank, eure Majestät. Was soll ich tun?“ In den Augen des Imperators erschien ein gefährliches Funkeln. „Erobere Japan. Mache es zu einer Provinz des heiligen britannischen Imperiums, töte seine Soldaten und erobere ihr Land in meinem Namen.“ Lelouch verneigte sich noch tiefer, sein Verstand arbeitete bereits auf Hochtouren. „Es soll geschehen wie ihr befehlt, eure Majestät. Mit welchen Ressourcen werde ich arbeiten?“ „Ich werde dir die siebte Armee unterstellen. Außerdem möchte ich die Effektivität der neu entwickelten Knightmare Frames sehen. Du wirst sie während der Invasion im Kampf einsetzen. Du wirst eines deiner Geschwister als Kommandounterstützung mitnehmen.“ Lelouch verneigte sich noch einmal. „Ja, eure Majestät. Es soll geschehen.“ Der Imperator hob eine Hand. „Du bist entlassen.“ “Ja, eure Majestät.“ Lelouch drehte sich um und ging in Richtung Tür, die Blicke und das Geflüster des Hofes immer noch ignorierend. „Und Lelouch“, hörte er die kalte Stimme des Imperators ihn verfolgen. „Um deiner Schwester willen hoffe ich, dass du Erfolg hast.“ Ohne ein weiteres Wort verließ Lelouch den Thronsaal. Sein Blick blieb geradeaus gerichtet und sein Rücken kerzengerade, obwohl er die Blicke der Menschen m Thronsaal auf seinem Rücken spürte. Lelouch atmete erleichtert auf, als sich in sicherem Abstand vom Thronsaal glaubte. Es war unglaublich schwierig einer Person wie Charles zi Britannia zu widerstehen, aber er hatte sein Ziel erreicht. „Japan erobern“, murmelte er. Das war eines der Szenarien, die er sich ausgemalt hatte, wenn auch eines der unwahrscheinlicheren. „Warum Japan?“, fragte er niemand bestimmten. „Sakuradite“, sagte eine sanfte Stimme hinter ihm. Lelouch drehte sich um und blickte in ein schmales Gesicht, umrahmt von blondem Haar, aus dem tiefblaue Augen stachen. „Bruder Schneizel“, sagte Lelouch. „Was meint ihr mit Sakuradite?“, fragte Lelouch. „Sakuradite ist ein erst kürzlich entdecktes, äußerst instabiles radioaktives Element. Es ist zwar flüchtig und kommt nur äußerst selten natürlich vor, aber wenn die Kettenreaktion einmal in Gang gesetzt ist und es von außen mit Energie angestoßen wird, dann wird es zu einer endlosen Energiequelle, die sehr viel effektiver ist als Öl und vor allem nicht endlich ist.“ „Verstehe“, sagte Lelouch. Schneizel nickte. „Es kommt nur selten vor, ein wenig in Britannia und Afrika. Größere Mengen finden sich nur im circumpazifischen Feuerring, das meiste davon in Japan. Deshalb will der Imperator Japan haben. Sakuradite ist außerdem die Energiequelle, die als Antrieb für die neuen Knightmare Frames genutzt wird.“ “Also geht es vor allem um die Mienen. Diese sind das Primärziel, Japans Militär selbst ist sekundär“, murmelte Lelouch. Er sah Schneizel an. „Ich denke damit kann ich arbeiten. Vielen Dank, Bruder.“ Schneizel lächelte und winkte ab. „Nichts zu danken. Es war sehr mutig von dir, wie du dem Imperator die Stirn geboten hast.“ „Ich habe es für Nunally getan“, sagte Lelouch. „Nur so kann ich ihre Sicherheit garantieren. Wirst du ein Auge auf sie haben, Schneizel?“ Er nickte. „So oft ich kann. Euphemia und ich werden nicht zulassen, dass ihr etwas passiert.“ Schneizel strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht. „Weißt du schon, wen du mitnehmen willst?“ Lelouch schüttelte den Kopf. „Nein. Selbst wenn ihr nicht so beschäftigt wäret, würde es nicht mehr mein Verdienst sein, wenn ein erfahrener Kommandant wie du oder Cornelia mitkommen würde. Ich muss die Hofschranzen beeindrucken um Nunallys Sicherheit u garantieren. Ich brauche jemanden, der nicht all zu viel Ahnung von Militär und Taktik hat, aber dennoch alt genug ist um meinen Mangel an Lebenserfahrung auszugleichen.“ Er legte den Kopf schräg und dacht nach, bis eine Stimme aus dem Hintergrund ihn aus seinen Gedanken riss: „Dann nimm mich mit.“ Er drehte sich um. „Clovis?“, fragte er. „Warum solltest du mitkommen wollen?“ Clovis kratzte sich am Hinterkopf. „Weißt du, ich habe unseren Vater nach einem netten ruhigen Posten als Gouverneur irgendeiner Provinz gefragt. Ich will mal vom Hof weg, jetzt wo Lady Marianne nicht mehr da ist. Und wenn du Japan eroberst, würde ich dort als Gouverneur übernehmen.“ Lelouch grinste. „Das wäre vielleicht tatsächlich eine gute Idee.“ Er drehte sich um. „Komm Clovis, wir haben ein Land zu erobern.“ Kapitel 2: Dämonische Geschwister --------------------------------- „Verstehe. Also das ist einer der berühmten Glasgows?“ Lelouch betrachtete den Stahlkoloss vor ihm. Der Knightmare vor ihm war um die fünf Meter groß und für eine Kriegsmaschine äußerst schlank, abgesehen von der großen Kapsel für den Piloten, die sich nach hinten hinauswölbte. Der längliche Kopf des humanoiden Roboters war von dicken Panzerplatten geschützt, die dem Piloten dennoch ein gutes Sichtfeld durch die Kameras am Kopf des Knightmares erlaubten. „Ja“, sagte Schneizel, der neben ihm stand. „Die Wissenschaftler in meinem Camelot- Projekt arbeiten hart daran, diese Knightmares in eine mächtige Waffe für das Imperium zu machen. Nach dem enormen Erfolg, den wir mit dem Prototypen hatten, den Lady Marianne steuerte, werden diese Maschinen hier zum ersten Mal in Massenproduktion gefertigt.“ Lelouch legte eine Hand auf den schwarzen Lack der Maschine und spürte den kalten Stahl unter seinen Fingern. Diese Maschine war ein Raubtier, bereit zu töten. Ein Techniker in einem ölbeschmierten Anzug kam angerannt. Er wirkte erschöpft, nahm aber Haltung an und verbeugte sich vor Schneizel und Lelouch. „Eure Hoheiten.“ Schneizel hob eine Hand. „Ruhig, Soldat. Klärt Prinz Lelouch hier lieber über die Vorteile dieser Maschine auf.“ Der Techniker salutierte. „Jawohl, eure Hoheit.“ Er wandte sich Lelouch zu. „Sir, diese Knightmares haben gegenüber herkömmlichen Kampffahrzeugen den Vorteil ihrer humanoiden Form und ihres geringen Gewichts von nur knapp acht Tonnen, was ihre Manövrierfähigkeit erhöht. Sie haben die Möglichkeit sich wie ein Mensch hinter Deckung zu ducken oder zu springen, was sie in unwegsamem Gelände absolut tödlich macht. Mithilfe von Seilzügen im Knightmare selbst sind selbst große Höhen kein Problem mehr. Das erreichen sie jedoch durch fehlende Panzerung, weshalb ein Pilot diese Geschwindigkeit auch einsetzen sollte. Ein direkter Treffer von einer schweren Waffe wird sie schlimmer durchrütteln als einen herkömmlichen Panzer, der zwanzig bis achtzig Tonnen wiegt. Allerdings sollten diese bei einem talentierten Pilot überhaupt nicht fähig sein sie zu treffen. Wie bei allen Bodenfahrzeugen sind die Schwächen Luftangriffe und Artillerie. Der Knightmare wird jedoch die Geißel der Infanterie sein. “ Lelouch nickte zufrieden. „Ich bin beeindruckt. Ich habe gesehen, was meine Mutter mit dem Prototypen anstellen konnte und ich brenne darauf, diese hier im Kampf zu sehen.“ Er fixierte den Techniker mit einem eiskalten Blick, der nervös von einem Fuß auf den anderen trat, wie Schneizel grinsend bemerkte. Man traf nicht jeden Tag einen Zehjährigen, der diese Reaktion bei einem muskulösen Mann bewirkte. Nun ein normaler Zehnjähriger musste auch nicht wenige Tage nach dem Tod seiner Mutter und einer Schwester im Koma Vorbereitungen für einen Eroberungsfeldzug treffen. Schneizel half ihm so gut er konnte, doch er bemerkte, dass Lelouch ein natürliches Talent für Strategie und Taktik hatte, sowie ein gutes Auge, wenn es um das Kriegshandwerk ging. Was ihm fehlte waren ein wenig Erfahrung und ein paar Jahre. Beides würde er bekommen, wenn ihm seine Aufgabe gelang und Schneizel fürchtete, dass er dann einen würdigen Gegner um den Titel des Thronfolgers haben würde. Aber das war Zukunftsmusik. Erst einmal musste Lelouch die Invasion überleben und sich in den Augen des Imperators bewähren. „Wie viele davon sind einsatzbereit?“, fragte Lelouch. Schneizel antwortete für ihn: „Fünftausend. Der Glasgow ist der erste massenproduzierte Knightmare und als solcher noch ein Experiment. Wenn er sich als effektiv erweist, werden wir die Serie erweitern und vielleicht eine fünfte Generation von Knightmare Frames bauen.“ Lelouch nickte. „Das wir reichen. Die siebte Armee wird mobil gemacht?“ Jeremiah, der wie immer schweigend einen Schritt hinter Lelouch gestanden hatte antwortete: „In ein paar Wochen sind wir zum Ausrücken bereit. Die dritte und die vierte Pazifikflotte binden die japanische Kriegsflotte und erlauben uns einen Großangriff auf ihre Küste zu führen. Wir haben vierhunderttausend Mann, so wie die achtzehnte, zweiunddreißigste und einundvierzigste Panzerdivision und die dritte und fünfzehnte Luftwaffendivision. Dazu kommt die erste, jemals gebildete Knightmare- Division.“ „Die Kommandanten erwarten dich übrigens innerhalb der nächsten Woche Lelouch, für Taktikbesprechungen.“ Lelouch schnaubte. „Die glauben mit Sicherheit ich sei nur ein närrisches Kind, das Soldat spielen will. Als ob ich mir das ausgesucht hätte.“ Jeremiah grinste. „Wir werden ihnen zeigen, aus welchem Holz ihr geschnitzt seid, eure Hoheit.“ Lelouch nickte. „Das werden wir, Jeremiah. Ich gehe jetzt. Schneizel, gib mir und Clovis Bescheid, wenn die Hauptleute hier ankommen. Ich habe die persönlichen Daten von ihnen bereits erhalten und durchgelesen und ich glaube die Meisten sind fähige Leute. Ich muss sie nur dazu kriegen einem zehnjährigen Kind zu vertrauen.“ Tief in Gedanken und mit sich selbst sprechend ging er davon, Jeremiah direkt hinter ihm, einen amüsierten Schneizel und einen perplexen Mechaniker hinter sich zurücklassend. „Verzeiht, eure Hoheit, aber was denkt sich der Imperator dabei, wenn er ein Kind einen Angriff befehligen lässt?“, fragte der Mechaniker. Schneizel kicherte. „Er hofft vermutlich, Lelouch würde dabei sterben. Auch der Imperator erkennt, zu was für einem gefährlichen Mann dieses Kind einmal heranwachsen wird. Was der Imperator nicht erkennt ist jedoch, dass die Verantwortung und der Schrecken des Krieges in einem so jungen Alter Lelouch dem Imperator immer ähnlicher machen.“ Schneizel blickte besorgt in die Ferne, seine Augenbrauen zogen sich zusammen, der Blick seiner blauen Augen wurde trüb und seine Stirn runzelte sich. „Oder vielleicht ist es genau das, was er plant. Der Verstand meines Vaters ist komplex und berechnend, nicht einmal ich kann ihn durchschauen. Wir werden sehen müssen, was dabei herauskommt.“ Seine Augen klärten sich und er schien plötzlich zurück in der Gegenwart zu sein. „Wie auch immer. Zurück an die Arbeit, Soldat!“, befahl er. „Ihr habt ein Land zu erobern.“ Der Mechaniker salutierte. „Jawohl, eure Hoheit!“ ------------------------------------------------------------------------------------------------------- Lelouch saß neben dem Bett seiner Schwester und beobachtete Nunallys sanftes Gesicht, ihrem ruhigen, gleichmäßigem Atem. Er hob eine Hand und strich ihr das Haar aus den geschlossenen Augen. Ihre Lieder bewegten sich nicht, genauso wenig wie der Rest ihres Körpers. Lelouch seufzte. Ihm war niemals aufgefallen wie fragil Nunally war. Was für ein dünnes, naives Mädchen, so freundlich und süß, dass sie für alle ein Sonnenschein war und sogar den ersten Ritter der Tafelrunde, Bismarck Waldstein zum Lachen bringen konnte. Jetzt waren ihre warmen, strahlenden violetten Augen geschlossen und nichts als eine ferne Erinnerung von fernen, grünen Tagen, bevor Lelouchs Welt in die Finsternis gestürzt wurde. Seine Augen schlossen sich und seine Gedanken flogen zurück in jene Tage, als er, Nunally und Euphemia im Garten des Aries-Palastes gespielt hatten, mit einer lachenden, jüngeren Cornelia, die sie anfeuerte. Er erinnerte sich an jenen Tag, als Milly sie besucht hatte und sie in der Sonne gelegen und gelacht hatten. Der offenen und lauten Milly war es sogar gelungen die zurückhaltende und schüchterne Anya Alstreim dazu zu bringen mitzumachen. Wie hatten sie gelacht, als das zierliche und schüchterne Mädchen, das von seiner Mutter zur Pilotin ausgebildet wurde, die fast doppelt so schwere Milly mit ein paar geschickten Handgriffen zu Boden gerungen hatte. Oder als Anya den Ganyamede- Knightmare Prototypen zum ersten Mal steuern durfte und prompt ein paar Bäume niederriss. Sie war mit der Zeit besser geworden, auf jeden Fall besser als Lelouch, der niemals wirkliches Talent beim Steuern eines Knightmares besessen hatte, trotz seiner Mutter. Anya jedoch war äußerst begabt und in ein paar Jahren mit Sicherheit einen Ritterschlag erhalten. Das waren glücklichere Zeiten. Lelouch schüttelte den Kopf und tauchte aus seinen Gedanken auf. Diese Zeiten waren vergangen. Er hatte jetzt wichtigeres zu tun. Er musste Verbündete am Hof sammeln, bevor er ausrückte. Er und Nunally waren von Feinden umgeben und es galt der Welt zu beweisen, wie dumm sie war, wenn sie sie einfach so für tot abschrieb. Er würde es ihnen zeigen, er würde es ihnen allen zeigen. Er drückte noch einmal sanft Nunallys Hand und stand auf. „Jeremiah“, sagte er. „Jawohl, eure Hoheit“, sagte der Angesprochene pflichtbewusst, der wie immer auf einem Stuhl an der Tür gesessen hatte. „Was ist nach dem Angriff mit Anya geschehen? Ich habe sie seither nicht mehr in der Villa gesehen.“ Er fühlte sich ein wenig schlecht, dass er nicht nach den anderen gesehen hatte, die seiner Familie nachstanden. Die Ashfords und Anya musste der Tod seiner Mutter ebenfalls hart getroffen haben. Und ohne die Unterstützung eines Mitglieds der königlichen Familie würden die Ashfords ihren Status nicht lange beibehalten. Lelouch wandte sich in Richtung Tür. Jeremiah beeilte sich ihm zu folgen. „Wohin gehen wir, eure Hoheit?“, fragte er. „Wir besorgen uns Verbündete“, antwortete Lelouch, als er den Raum verließ. Der Sitz der Ashfords war nicht so groß wie der einiger der anderen Familien, die in der Hauptstadt lebten, was wohl daran lag, dass die Unterstützung von Lady Marianne die Unterstützung von vielen der anderen Adelsfamilien unmöglich machte, da sie von vielen wegen ihrer gemeinen Geburt verachtet wurde. Dennoch als Erfinder des Knightmare- Prototypen und unter dem direkten Schutz von Marianne, „dem Blitz“, war es Ruben Ashford, dem Kopf der Familie gelungen eine große Menge Einfluss auf den Hof zu nehmen, der nun langsam verschwand, denn ohne Lady Marianne wendeten sich die Gezeiten des Hofes zu Ungunsten der Ashfords und von Lelouch. Doch Lelouch hatte Pläne, große Pläne und auch die Ashfords sollten noch eine Rolle spielen, auf diesem gewaltigen Schachbrett von Strategie und Intrigen, das diese Welt darstellte. Mit Jeremiah dicht auf den Fersen ging er die von Flieder und Rhododendron gesäumte Treppe zu den Doppeltüren hinauf, die aus hellem Holz bestanden. Bevor Lelouch eine Hand ausstrecken konnte um die Türglocke zu läuten oder irgendetwas zu tun, schlugen die Türen mit einem Knall auf und ein blonder Blitz kam herausgeschossen und er spürte nur noch, wie er in eine knochenbrechende Umarmung gezogen wurde. „Lulu“, hörte er Milly Ashford leise in seine Brust flüstern, ihre sonst so laute und lustige Stimme ein verweintes Wimmern. Langsam legte auch Lelouch seine Arme um sie. Er streichelte ihren blonden Haarschopf und obwohl Milly sowohl älter als auch größer als er selbst war, spürte er, wie sie unkontrolliert in seinen Armen weinte. „Beruhige dich, Milly“, flüsterte er. „Das passt nicht zu dir.“ Sie ließ ihn los und sah ihm ins Gesicht, ihre roten, verweinten Augen glitzerten im Licht der Sonne. Lelouch strich ihr noch einmal über den Kopf. „Ich muss mit deinem Großvater sprechen. Er wandte sich zu Jeremiah um. „Warte hier!“, befahl er. „Ich bin bald zurück. Du auch Milly. Wir können später noch reden.“ Ein Klopfen an der Tür riss Ruben Ashford aus seinen Gedanken. Der ältere Mann in seinen späten Fünfzigern war müde und besorgt, seit Lady Mariannes Tod hatte er nicht mehr richtig geschlafen. Verbündete wandten sich von ihm ab, Geldquellen versiegten und Verträge lösten sich in Luft auf. Ohne Unterstützung der imperialen Familie war der Untergang der Ashfords und ihrer Fabriken besiegelt. Auf seinem schweren Schreibtisch aus dunklem Holz lagen Dokumente und Papiere verstreut, tausende Pläne und Vorschläge, erwogen. Verworfen und zusammengeknüllt beiseite geschoben. Ein kleines Modell des Ganyamede- Prototypen stand neben einem Foto von Milly. „Herein“, grunzte Ruben müde. Die Tür öffnete sich und Ruben schob seine Brille hoch um zu sehen, wer jetzt noch zu ihm kam. Er hatte vieles erwartet, zum Beispiel den Typen der ihm endgültig befehlen würde sein Anwesen zu räumen oder einen Meuchelmörder, aber gewiss nicht Lelouch vi Britannia. Ruben lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Lelouch“, sagte er. Er lachte freudlos. „Man sagt ja geteiltes Leid ist halbes Leid, aber das ist lächerlich. Bist du gekommen um gemeinsam mit deinem Leidensgenossen unterzugehen?“ Lelouch verneigte sich nonchalant. „Ruben, es ist mir eine Freude. Aber ich bin enttäuscht.“ Er kam ein paar Schritte mehr in den Raum hinein und lehnte sich auf den überladenen Schreibtisch, der beunruhigend knarrte. „Seit wann gibt der große Ruben Ashford so leicht auf? Warum bist du nicht da draußen und kämpfst mit Zähnen und Klauen?“ Ruben machte eine weit schweifende Handbewegung. „Sieh dich um Lelouch, ich bin am Ende. Prinz Schneizels Camelot- Projekt übernimmt meine Fabriken, es kommen keine Bestellungen mehr herein. Mit dem Tod von Lady Marianne habe ich meine letzten Unterstützer verloren. Mir bleibt nur noch übrig in eine der Provinzen zu ziehen und dort vielleicht eine Schule aufzumachen, damit Milly wenigstens ein halbwegs glückliches Leben haben kann. Mein machtgieriger Trottel von Sohn wird das gewiss nicht sicherstellen.“ Lelouch lächelte leicht. „Da habt ihr gewiss Recht. Allerdings habe ich einen Vorschlag für euch.“ Ruben schnaubte. „Und was kannst du schon tun? Du bist genauso am Ende wie ich. Mit Mariannes Tod und ohne Nutzen für den Imperator bist du tot und das weißt du.“ Lelouch nickte. „Das weiß ich nur zu gut. Mein Vater…“, er spuckte das Wort aus wie Gift, „… ließ da keinen Zweifel. Aber wenn er glaubt ich werde einfach tot umfallen, dann hat er sich geschnitten. Ich werde ihm zeigen, dass ich ihm von Nutzen bin und sie alle werden sehen wie Unrecht sie hatten.“ Ruben hob eine Augenbraue. „Und wie willst du das anstellen? Ein toter Mann hat keine Rechte und seine Aufgabe für dich ist lächerlich.“ Lelouchs Augen wanderten aus dem Fenster, schienen aber weit in die Ferne zu starren. „Ich glaube die Intentionen des Imperators reichen tiefer als du glaubst. Da ist ein Stück des Puzzles, das wir beide nicht sehen und ich habe vor dieses Stück zu finden.“ Er erwachte aus seiner Trance. „Wie auch immer, zuerst ist es wichtig, dass wir überleben. Du wirst wohl in eine der Provinzen ziehen müssen und deine Schule aufmachen, denn im Moment haben weder du noch ich irgendwelchen politischen Einfluss.“ Ruben schnaubte erneut, diesmal lauter. „Das weiß ich selber wohl am Besten. Ich frage noch einmal, Lelouch. Warum bist du hier?“ Lelouch zeigte wieder sein freudloses Grinsen. „In welche Provinz wolltest du ziehen, Ruben?“ Ruben warf die Arme hoch. „Acht oder Zehn, warum sollte das wichtig sein? Du solltest lieber um deine eigene Position besorgt sein, nein um dein eigenes Leben.“ Lelouch schnippte mit den Fingern. „Ich würde vorschlagen das in der elften Provinz zu tun.“ Ruben sah ihn verwirrt an. „Aber wir haben nur…“, dann schien er etwas zu realisieren und ein müdes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, seine Augen funkelten mit Interesse. „Was willst du damit andeuten?“ Lelouch erwiderte sein Lächeln. „Ich will damit andeuten, mein lieber Ruben, dass deine Tage als Knightmare Fabrikant vielleicht nicht vorbei sind, bevor sie begonnen haben. Es wird mir gelingen Japan zu erobern. Du weißt am Besten wie effektiv die Knightmares im Kampf sind. Schneizel hält Camelot fest in seinem Griff, aber ich denke wir zwei können eine ähnliche Organisation aufbauen, direkt an der Quelle für Sakuradite.“ Ruben sah ihn für einen Moment an, dann brach er in donnerndes Gelächter aus. „Du erinnerst mich and deine Mutter, Lelouch, auch sie schien immer nach dem kompliziertesten und unmöglichsten Weg zu greifen etwas zu erreichen.“ Seine Augen fanden Lelouchs und er runzelte die Stirn. „Gut Lelouch. Erobere Japan und ihn Zukunft wird die Ashford- Familie an deiner Seite stehen. Milly und ich werden dich mit den besten Knightmares versorgen, die die Welt jemals gesehen hat. Ich werde eine Liste fähiger Wissenschaftler zusammenstallen. Der Earl von Asplund arbeitet bereits für Schneizel, aber vielleicht…“ Er begann Namen und andere Dinge in seinen Bart zu murmeln. „ Ich würde Anya als Piloten empfehlen. Ich freue mich auf unsere zukünftige Zusammenarbeit“, sagte Lelouch. „Und ich erst“, grinste Ruben. „Mit meiner Unterstützung wirst du der gefährlichste Prinz, den Britannia zu bieten hat. Von einem in Ungnade gefallenen Prinz zum zukünftigen Imperator. Das wäre eine Geschichte, die sich lohnt zu erzählen.“ Lelouch blickte wieder aus dem Fenster. „Vielleicht“, sagte er nur. Er verbeugte sch noch einmal kurz. „Ich gehe nun. Ich habe ein Land zu erobern.“ “Sicher“, sagte Ruben. „Und Lelouch!“, rief er hm hinterher, als der Prinz schon fast zur Tür hinaus war. „Ja?“, fragte Lelouch. „Komm Milly und mich ab und an mal besuchen.“ Lelouch grinste nur. Lelouch ging die Treppe hinunter und blieb einen Augenblick lang vor einem Bild des Imperators stehen, das über dem Treppenabsatz hing. Ein finsterer Ausdruck trat auf sein Gesicht und er spürte, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. Für diesen Mann waren sie alle, seine Frauen, seine Untergebenen und seine Kinder nichts als Werkzeuge, die gegeneinander ausspielte um seine eigene Macht zu erhalten und zu vergrößern. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er urplötzlich in eine knochenbrechende Umarmung gezogen wurde. „Lulu, schäm dich, mich einfach so abzuservieren.“ „Milly“, keuchte Lelouch. „Kann nicht atmen.“ Milly ließ ihn los und Lelouch schnappte nach Luft. Er sah sie an. Milly hatte sich beruhigt und anstatt des weinenden Wracks und roter Augen starrte ihn das stets präsente Lächeln Milly Ashfords an, auch wenn es etwas gezwungen wirkte. Lelouch strich ihr über den Kopf. Er grinste. „Siehst du“, sagte er. „Das ist Milly Ashford wie ich sie kenne. Wir werden diese Krise überstehen. Das alles wird uns nur stärker machen.“ Milly nickte und obwohl sie einen Kopf größer war als Lelouch vergrub sie ihren Kopf in seiner Brust. „Ich habe Angst Lelouch. Was wird die Zukunft für uns bringen? Marianne war alles, was uns am Leben gehalten hat.“ Obwohl Milly jung war, war sie ebenso wie Lelouch äußerst intelligent und berechnend, was zusammen mit beeindruckenden Führungsqualitäten und einer äußerst anziehenden Persönlichkeit en gefährliches Gesamtbild ergab, was von vielen, auch ihren eigenen Eltern unterschätzt wurde. Ruben Ashford sagte oft, er wünschte er könnte Milly zu seinem Erben machen anstatt seinen Sohn, der sich nur um seinen Status und nichts anderes kümmerte. Ruben Ashford war ein kluger Mann, wenn auch nicht der beste im Schachspielen, wie sich Lelouch mit einem schelmischen Grinsen erinnerte. Er erkannte Potential, wenn er es sah. Lelouchs Augen nahmen einen grimmigen Ausdruck an, Zorn und Schmerz spiegelten sich darin. „Wir werden überleben, Milly. Nein. Mehr als das, wir werden siegen. Mein Vater wird es noch bereuen mich so einfach abgeschrieben zu haben.“ Er spürte wie Millys Arme sich um ihn schlangen und zum ersten Mal seit Tagen erlaubte Lelouch vi Britannia es sich zu weinen. Seine gesamte Fassade bröckelte von ihm ab und darunter kam ein verängstigter Zehnjähriger zum Vorschein, der in einem zu jungen Alter zu viel Verantwortung über Leben und Tod hatte. Nur hier in den Armen einer der wenigen Personen, denen er vertraute, erlaubte er es sich diese Fassade abzuwerfen. Es war ein Moment der Ruhe vor dem Sturm, als er in den warmen Armen von Milly Ashford schluchzte. Lelouch hatte die Villa der Ashfords gerade verlassen, als ein Mann in einer Dienstbotenuniform keuchend und schnaufend neben ihm zum stehen kam. „Eure Hoheit“, keuchte er außer Atem. „Eure Hoheit. Prinzessin Nunally ist erwacht.“ Ohne weitere Worte abzuwarten rauschte Lelouch in Richtung des Tores, Jeremiah direkt hinter ihm. ------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Nunally.“ Tränen schwammen in Lelouchs Augen, als er die dünne und fragile Gestalt seiner kleinen Schwester betrachtete. Nunally saß aufrecht im Krankenhausbett, die Augen geschlossen und das lange, braune Haar über die Schultern drapiert. „Lulu“, flüsterte sie heiser. „Bist du das?“ Lelouch ließ sich auf der Bettkante nieder und nahm die Hand seiner Schwester. „Ich bin hier Nunally. Ich werde dich niemals wieder verlassen.“ Nunallys Stimme wurde panisch und sie begann heftiger zu atmen, als sie sprach: „Lulu, ich kann nichts sehen. Mutter ist… sie ist… Lulu ich habe Angst.“ Sie brach in Tränen aus und Lelouch umarmte sie. „Keine Angst Nunally. Wir beide werden überleben. Gemeinsam werden wir es ihnen allen zeigen. Vater, Britannia, die ganze Welt soll sehen, dass es ein Fehler war uns abzuschieben.“ “Lulu“, weinte sie. „Versprich mir mich niemals zu verlassen. Nimm mich mit, wohin auch immer du gehst.“ Lelouch sah sie an. Ihre geschlossenen Augen, die dicken Tränen, die ihr schmales Gesicht herunter liefen, das sonst immer so fröhlich gewesen war. Ursprünglich hatte er vorgehabt sie hier zu lassen, unter dem Schutz der königlichen Familie, bis ihm klar wurde, dass er niemandem mit dem Schutz seiner Schwester trauen konnte. Nicht am Hofe Britannias zumindest. Aber war es wirklich das richtige das traumatisierte und verängstigte Mädchen mit auf ein Schlachtfeld zu nehmen? Nunally gab einen lauten Schluchzer von sich und Lelouch drückte sie fester an sich. „Nichts wird uns jemals wieder trennen Nunally. Gemeinsam werden wir diese Welt auf die Knie zwingen“, flüsterte er. Nunally küsste ihn sanft auf die Wange. „Ich werde immer an deiner Seite sein, großer Bruder. Bitte verlass mich nicht auch noch!“ „Niemals“, flüsterte Lelouch. Nunallys Augen sprangen auf. „Was sagt der Arzt?“, fragte Lelouch Jeremiah. „Ob sie jemals wieder laufen kann ist unwahrscheinlich aber nicht unbedingt unmöglich, die Schäden an ihrer Wirbelsäule sind massiv“, sagte Jeremiah, als er gemeinsam mit Lelouch auf die schlafende Form der Prinzessin hinabblickte. „Aber glücklicherweise war ihre Blindheit nur vorübergehend und durch das Trauma verursacht“, fuhr er fort. „Eure Hoheit, ist es wirklich sicher sie mit auf ein Schlachtfeld zu nehmen?“ Lelouch seufzte. „Ich wünschte es müsste nicht sein. Ich wünschte wir könnten friedlich gemeinsam leben. Aber das soll nicht sein und um in dieser grausamen Welt zu überleben müssen wir ebenso grausam sein. Zuerst wollte ich Nunally davor beschützen, sie ein behütetes Leben führen lassen, aber der Imperator machte mir klar, dass das närrisch ist. Ich kann sie nicht hier lassen, das wäre mit unseren Feinden zu gefährlich, also werde ich sie an meiner Seite behalten. Gemeinsam kann uns nichts aufhalten.“ Er küsste Nunally auf die Stirn und ging hinaus. „Ich hoffe ihr habt Recht“, sagte Jeremiah und folgte seinem Lehnsherren. ----------------------------------------------------------------------------------------------------- Einige Wochen später saßen Lelouch und Jeremiah an einem großen, metallischen Tisch in einem kargen Raum des Kommandozentrums der siebten Armee. Sie waren in einem Militärstützpunkt an der Westküste Britannias, mit einem großen Hafen und einem enormen Strom von Versorgungsgütern. Auf dem Tisch lag eine große Karte, die die pazifischen Inseln, die Westküste Britannias und Japan zu sehen waren. Kleine Schiffe und Modelle zeigten die Standorte von Flotten und Armeen an. Der untere Teil des Pazifiks wurde von einem Durcheinander von Akten und Dokumenten verdeckt. Lelouch saß auf einem Bürostuhl und seine Augen wanderten immer wieder zwischen zwei Akten hin und her, die er in den Händen hielt. Seine Stirn war gerunzelt und in seinen Augen lag eine Mischung aus Verwunderung und Ärger. „Also Jeremiah“, sagte er leise, als er die Akten zu den anderen auf den Tisch warf und seinen Stuhl langsam in Richtung Jeremiahs drehte. „Mit wem genau werden wir hier arbeiten?“, fragte er, einen müden Ausdruck auf dem Gesicht. Jeremiah nahm eine der Akten auf und öffnete sie, nachdem er einen Blick auf seinen Herrn und Prinzen geworfen hatte. Der Junge sah müde aus, er hatte seit dem Tag der Audienz nicht mehr richtig geschlafen. Er war beschäftigt gewesen, Vorbereitungen zu treffen und Pläne zu schmieden, für die Eroberung und die Zeit danach. „Die siebte Armee wird von General Bartley geführt. Er ist Clovis treu ergeben und wird uns keine Probleme machen, allein schon weil Clovis dir folgen wird.“ Er schlug eine Seite in der Akte um und leckte sich über die Lippen. „Die Flotte könnte schon eher ein Problem darstellen. Die fünfte Pazifikflotte wird von Amiral Joseph Luisenstadt geführt. Er ist ein Narr und ein arroganter Trottel.“ Lelouch durchwühlte die Akten. „Er scheint aber einige erstaunliche taktische Leistungen vollbracht zu haben. Er hat bei den Eroberungen von den Provinzen Acht und Neun eine überlegene Flotte besiegt und die Blockade vor Jamaika gebrochen. Dafür hat er das Ritterkreuz verliehen bekommen.“ Jeremiah schnaubte. „Ich war dabei Prinz Lelouch. Ich war damals noch ein einfacher Soldat und habe auf seinem Schiff gedient.“ Seine Augen bekamen einen verträumten Ausdruck, als er sich für einige Sekunden in Erinnerungen verlor. Dann schnappte er wieder aus seiner Trance hervor. „Was ich sagen wollte ist, dass Luisenstadt ein fetter Idiot ist, der ein Schlachtschiff nicht von einem Kreuzer unterscheiden kann.“ Lelouch hob eine Augenbraue. „Und was ist mit einen Leistungen? Wie hat er diese errungen, ohne Talent?“ „Die Antwort ist ganz einfach, eure Hoheit. Es waren nicht seine Leistungen.“ “Erkläre!“, befahl Lelouch. Sein Interesse war geweckt worden. Inkompetenz bei einem Kommandanten war etwas, was er sich in seiner Position nicht erlauben konnte und er verabscheute es, die Lorbeeren für das zu ernten, was jemand anderes getan hatte. Das ging gegen seine Prinzipien. Jeremiah reichte Lelouch eine weitere Akte, an das mit einer Heftklammer das Foto einer jungen Frau geheftet war. Sie hatte helle Haut, langes, silbernes Haar und grüne Augen. Bekleidet mit einer blauen britannischen Marineuniform, lächelte sie freundlich in die Kamera. Auf Lelouchs fragenden Blick hin sagte Jeremiah: „Vizeadmiral Verena Thrawn. Sie wurde schon früh als taktisches Genie erkannt, nachdem sie die Offiziersakademie in weniger als drei Jahren mit Auszeichnung abschloss.“ Jeremiah seufzte. „Wäre sie von den richtigen Leuten entdeckt worden, dann hätte sie jetzt gewiss ein hohes Kommando und wäre bestimmt schon in den Adel eingeführt worden.“ Lelouch nickte. „Britannia mag verrottet bis ins Mark sein, aber es belohnt Talent und Loyalität. Ich ahne worauf das hinausläuft, aber fahr fort, Jeremiah.“ „Sie wurde vom Falschen gefunden. Joseph Luisenstadt ist ein Vollstümper, aber ein Mitglied des Hochadels und somit darauf bedacht sein Gesicht nicht zu verlieren. Er rekrutierte sie direkt von der Akademie und sonnt sich im Glanz der Lorbeeren, die sie verdient hat.“ Lelouch schnaubte. „Klingt als hätte sie deine Bewunderung gewonnen.“ Jeremiah lächelte. „Ich glaube wir haben uns damals alle in sie verliebt. Sie war eine gute Kommandantin, freundlich und fähig. Im Gegensatz zu Luisenstadt selbst, der nicht nur mit drakonischen Strafen und Grausamkeit, sondern auch mit einer gehörigen Portion Unfähigkeit und Kurzsicht handelte.“ „Warum hat sie nie etwas dagegen unternommen? Selbst die geduldigsten Naturen werden bei solchen Dingen irgendwann zu viel haben.“ Jeremiahs Blick wurde grimmig. „Ihre Mutter ist blind und du weißt am Besten, was das in unserer Gesellschaft bedeutet. Als Mitglied des Hochadels liegt ihr Leben und Sterben in Luisenstadts Hand und deshalb bleibt sie weiterhin unter seiner Tyrannei.“ Ein Ausdruck von Zorn stand auf Lelouchs Gesicht. „Das ist etwas Persönliches geworden“, sagte er. „Ich denke ich habe eine kleine Aufgabe für dich, Jeremiah.“ ------------------------------------------------------------------------------------------------ „Bist du sicher, dass du dazu bereit bist, Nunally?“, fragte Lelouch. Er kniete vor dem schmalen Rollstuhl seiner kleinen Schwester, die ihn mit ihren großen, violetten Augen anstarrte, die den seinen so ähnelten, aber doch eine Unschuld besaßen, die die seinen niemals wieder besitzen würden. Und er, Lelouch war dabei diese Unschuld zu entfernen, sie in einen ebensolchen Dämon wie sich selbst zu verwandeln, ein Monster um in einer Welt voller Monster zu überleben. Sie nahm seine Hände in ihre und drückte. Er sprach weiter. „Ich kann dich schützen. Ich kann dich in Euphemias oder Schneizels Obhut lassen. Ich werde schreckliche Dinge erleben und tun müssen um dein und mein Überleben zu gewährleisten. Dies ist deine letzte Chance auf ein behütetes, unschuldiges Leben.“ Nunally blickte ihm in die Augen, mit einer Entschlossenheit, die bei einer siebenjährigen Fehl am Platz wirkte. „Du bist alles was ich noch habe. Jeremiah hat mir alles erklärt. Cornelia und Euphie können mich nicht immer beschützen. Ich will stark werden, so wie du großer Bruder.“ Lelouch schloss die Augen. „Lass uns diese Welt gemeinsam in die Knie zwingen, kleine Schwester“, flüsterte er. Eine einzelne Träne in seinem Augenwinkel. An diesem Tag nahm Lelouch nicht nur seine Unschuld, sondern auch die seiner Schwester. An diesem Tag wurden zwei Dämonen geboren ------------------------------------------------------------------------------------------------ Der Hafenbereich des Militärstützpunkts war ein Ort ständiger Geschäftigkeit. Die Kriegsschiffe im Hafen wurden mit Munition und Vorräten beladen, Soldaten und Arbeiter schleppten Kisten und transportierten Waffen und schwere Militärfahrzeuge und Knightmares wurden auf Transportschiffe geladen. Neben den Transportschiffen lag vor dem Hafen die fünfte britannische Pazifikflotte vor Anker. Kreuzer, Flugzeugträger, Schlachtschiffe und viele weitere tödliche Werkzeuge der Kriegsführung zur See. Das beeindruckendste davon lag direkt vor dem Hafen, ein gewaltiger Moloch aus Stahl, dessen gewaltige, gepanzerte Gestalt von den rauschenden Wellen des Pazifiks umspielt wurde. Ein neues Schlachtschiff der Britannia- Klasse, die neueste Kriegsmaschine der britannischen Flotte, ein gewaltiges, dreihundert Meter langes Monster, dessen schwere Geschütze wie lauernde Augen waren. Es war eine ruhende Bestie, bereit innerhalb von Sekunden Tod und Vernichtung zu speien. Der Name des siebzigtausend Tonnen schweren Kolosses stand in großen schwarzen Buchstaben am Bug des Schiffes: Vengeful Spirit. „Was für ein passender Name“, murmelte Lelouch. „Man sollte meinen, mein Vater würde mich mit ein paar alten Fischkuttern ausrüsten um mich loszuwerden. Glaubt er etwa doch ich könnte gewinnen?“ „Der Imperator hasst Verschwendung mehr als alles andere“, sagte Jeremiah. „Er war beeindruckt von eurem Verhalten im Thronsaal und deshalb gibt er euch eine Chance, eure Hoheit. Er will, dass ihr ihn beeindruckt.“ „Oh, das habe ich vor“, murmelte Lelouch. „Zuerst räumen wir innerhalb dieser Armee auf, dann mit Japan und dann…“, er brach ab, seine Augen immer noch auf das Schiff gerichtet. Er schloss die Augen. „Und wenn Nunally und ich die Welt niederbrennen müssen, wir werden überleben. Und sie werden bezahlen, se werden alle bezahlen.“ „Ich bin an eurer Seite, eure Hoheit“, sagte Jeremiah. Vizeadmiral Verena Thrawn war keine glückliche Person. Würde man sie fragen, ihren Tag zu beschreiben würde sie ihn als beschissen bezeichnen. Zuerst hatte das fette Schwein, das sich selber einen Admiral schimpfte sie geweckt. Sie wusste wirklich nicht wie lange sie ihn sich noch vom Hals halten konnte und er anfing mehr einzufordern als nur ihr taktisches Genie. Dummerweise war er alles, was ihre Mutter vor der Grausamkeit es britannischen Systems beschützte und sie wusste sehr gut, was er ihr antun könnte, sollte sie sich ihm verweigern. Dann kamen die neuen Befehle. Der Eroberungsfeldzug gegen Japan war sowieso schon lange geplant, aber als sie hörte, wer der Kommandant für den Angriff sein sollte wurde ihr Tag richtig furchtbar. Sich mit der imperialen Familie herumzuschlagen war generell schon schlimm genug, arrogante Bastarde, aber ein zehnjähriges Kind. Genie oder nicht, das war lächerlich. Und Admiral Luisenstadt und sie waren gerade af ihrem Weg ihn zu treffen. „Wenn dieses Balg glaubt es könnte mich herumkommandieren hat es sich aber geschnitten“, grummelte Joseph Luisenstadt, als er seine gewaltige Körpermasse durch die Gänge des Kommandozentrums manövrierte. Der Mann war fett. Nicht nur dick sondern wirklich fett. Thrawn verabscheute ihn aus den tiefsten Abgründen ihres Herzens, aber ausnahmsweise stimmte sie zu. War der Imperator wahnsinnig geworden? Beide blieben vor einer schweren eisernen Tür stehen, auf der mit Edding Lelouch vi Britannia geschrieben stand, wobei der Name des vorherigen Kommandanten durchgestrichen war. Verena hob eine Augenbraue. Das war seltsam, sie hatte Goldbuchstaben erwartet. Mit den verdammten Imperialen war es meist so, eine pompöse Bande von Snobs, auch wenn einige davon verdammt gefährlich sein konnten. Aber das war der Sohn von Marianne vi Britannia. Vielleicht war er, wie sie anders? Verena gehörte zu den Bewunderern von Lady Marianne und war schockiert über ihren Tod gewesen. Aber wie gefährlich konnte ein Zehnjähriger schon sein? Sie wusste es nicht, aber diese Worte sollten zu ihr zurückkommen und ihr in den Hintern beißen. Ein gemurmeltes „Herein“, ertönte auf das Klopfen des Admirals und er drückte die Tür auf. Dahinter befand sich zu Thrawns Überraschung nicht etwa die luxuriös eingerichtete Zurschaustellung von Verschwendungssucht, die man sonst beim britannischen Adel fand, sondern ein kleiner Raum, mit ein paar Stühlen, einer Tür in der Rückwand und einen großen, mit Papierkram überfluteten Schreibtisch. Neben dem Schreitisch stand ein großer Mann mit grünlichen Haaren und einem grimmigen Ausdruck auf seinem schmalen Gesicht, die Hand um den Griff des Schwertes an seiner Hüfte geschlossen. Seine gesamte Haltung war die eines Leibwächters, vorsichtig die Umgebung beäugend. Hinter dem Schreibtisch saß auf einem Drehstuhl zurückgelehnt der Prinz, Lelouch vi Britannia. Er war anders, als Thrawn erwartet hatte. Zugegeben, sie hatte nicht genau gewusst was sie erwarten sollte. Ein stotterndes Wrack ohne Selbstvertrauen, in Trauer um den Tod seiner Mutter versunken? Ein arrogantes Balg, von Rachegedanken verfolgt? Aber gewiss nicht einen vollkommen ruhigen, beinahe unmöglich zu lesenden Jungen, dessen Körperhaltung nicht nur Selbstvertrauen ausdrückte, sondern sogar Gehorsam verlangte und dessen stechende, violette Augen direkt in ihre Seele zu blicken schienen. Er erinnerte sie, trotz seines jungen Alters geradezu unangenehm an den Imperator. Sie war nicht ignorant genug um die Gefahr, die von ihm ausging aufgrund seiner Jugend zu verkennen. Charles zi Britannia hatte in jüngeren Jahren Todesurteile verteilt. „Seid gegrüßt, Admiral Luisenstadt, Vizeadmiral Thrawn“, sagte er mit einem falschen Lächeln. „Ich denke wir haben ein paar Dinge zu besprechen.“ „Eure Hoheit“, sagte Thrawn mit einer kurzen Verbeugung. Der Admiral murmelte irgendetwas Unverständliches und nickte leicht mit dem Kopf. Lelouch verengte die Augen, winkte dann aber ab. „Es ist mir wirklich eine Freude“, sagte er mit viel zu freundlicher Stimme, „einen solch berühmten Kommandanten unter mir zu haben. Die Bericht über eure Erfolge waren äußerst… einleuchtend.“ In seiner Stimme schwang ein leiser Unterton von Gefahr mit, den der Admiral aber nicht zu bemerken schien. Thrawn verengte de Augen. Irgendetwas an dem Prinzen strahlte eine Aura von Gefahr aus, etwas gefährliches, wie ein Raubtier, dass seine Beute auf der Suche nach einer Schwäche umrundete. Admiral Luisenstadt jedoch schien es nicht zu bemerken. Lelouchs Lippen kräuselten sich zu einem schwachen, grausames Grinsen. „Natürlich mache ich es mir zur Aufgabe die Vergangenheit und die Fähigkeiten meiner Offiziere zu kennen“, fuhr Lelouch fort, wobei sein Blick über Thrawn fuhr, die ein Schaudern nicht unterdrücken konnte. Diese Augen dürften keinem Zehnjährigen gehören. „Dabei hatte ich das Glück, dass Lord Gottwald hier…“, er wies auf den Leibwächter, der Thrawn jetzt vage bekannt vorkam, „… bei der Eroberung der achten und neunten Provinz dabei und eure… Fähigkeiten beschrieben hat.“ „Eure Hoheit?“, fragte Luisenstadt verwirrt, während Thrawn zu schwitzen begann. Wenn der Prinz den Admiral hier bloßstellte, dann war ihre Mutter so gut wie tot. Sie sah den Prinz flehend an, der ihren Blick nur mit einem amüsierten Lächeln erwiderte. „Ich beschloss der Tatsache weiter nachzugehen.“ Er schnippte mit den Fingern. „Nunally!“, rief er. „Bring unseren Gast herein!“ Die Tür hinter ihm öffnete sich und herein kam ein kleines Mädchen im Rollstuhl, offensichtlich die verkrüppelte Schwester des Prinzen, ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht. Ernsthaft was gab die imperiale Familie ihren Kindern zu essen, dass sie in diesem Alter bereits so drauf waren? Doch die Person die hinter der Prinzessin hereinkam raubte Thrawn den Atem. Dort stand ihre Mutter, die sie all die Jahre versucht hatte zu finden, die all die Jahre als Geisel gehalten wurde, mit der sie nur über kurze Telefonanrufe kommunizieren durfte, der Grund warum Luisenstadt sie herumkommandieren konnte. Sie schien gesund und lächelte, während sie sich an Nunallys Arm festhielt. Luisenstadts Augen weiteten sich. „Wie…“, flüsterte er. Jeremiah Gottwald, der die ganze Zeit über still gewesen war trat hinter den Admiral und blickte verächtlich auf ihn herab. „Deine Leute waren erstaunlich redselig mit einer Pistole am Kopf“, sagte er. Lelouch stand nun auf. „Deine Schauspieltalente sind erbärmlich, du warst zu dumm um deine Machenschaften wirklich geheim zu halten. Deine Stümperhaftigkeit und Inkompetenz sind eine Gefahr und werden nicht länger toleriert.“ Luisenstadt grollte: „Du kleiner Bastard. Was glaubst du kannst du schon tun? Du bist niedriger als Abschaum, der die Gusti des Imperators verloren hat, genau wie deine wertlose Mutter. Das wird Konsequenzen haben. Ich bin vom Hochadel und ich weigere mich…“ Er wurde unterbrochen, als ein Tritt von Jeremiah ihn in die Knie zwang. Lelouchs Stimme war eiskalt geworden und sein Blick tödlich. „Joseph Luisenstadt. Ich Lelouch vi Britannia elfter Prinz des heiligen britannischen Imperiums, siebzehnter Thronfolger und Oberkommandierender der siebten britannischen Armee sowie der fünften Pazifikflotte nehme dir hiermit all deine Titel und Auszeichnungen, die du durch Betrug erlangt hast.“ „Das kannst du nicht tun“, flüsterte Luisenstadt voller Zorn. „Du verfluchter kleiner…“ „Und ob ich das kann“, knurrte Lelouch. „Des Weiteren klage ich dich wegen Erpressung, Anlügen eines Mitglieds der imperialen Familie, Betrug, dem Aneignen der Auszeichnungen anderer und Beleidigung eines Mitglieds der imperialen Familie an. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“ Luisenstadts Nasenlöcher bebeten vor Zorn. „Du kleiner Abschaum. Ich habe einflussreiche Freunde. Ich werde dich vernichten und deinen Namen noch weiter durch den Dreck ziehen, bis du nur noch erbärmlich verrecken kannst, wie deine Hure von Mutter!“ Sein fettes Gesicht war rot und seine Schweinsäuglein zu Schlitzen verengt. Lelouchs violette Augen waren eiskalt, als ein tödlich, grausames Lächeln über sein Gesicht strich. „Und deshalb lässt man potentielle Gefahren nicht zurück. Wegen der genannten Anklagepunkte verurteile ich dich hiermit zum Tode.“ Luisenstadt stieß ein leises Quieken aus, als er Jeremiahs eisernen Griff auf seiner Schulter spürte. Lelouch griff unter seinen Schreibtisch und zog eine leichte Pistole hervor. Er richtete sie auf Luisenstadt. „Ich bin nicht dumm genug um potentielle Gefahrenquellen am Leben zu lassen. Du hast tatsächlich einflussreiche Verbündete und im Militär wäre deine Stümperhaftigkeit eine Gefahr.“ Ohne ein weiteres Wort schoss er und Luisenstadts Gehirn verteilte sich auf dem Boden und auf Jeremiahs Kleidung. Lelouch steckte die Pistole weg. „Jeremiah geh dich umziehen!“ Er sah die erschrockene Thrawn an, die neben ihrer Mutter stand. „Ich gebe euch zwei ein wenig Zeit alleine, aber danach haben wir einen Krieg zu planen, Admiral Thrawn.“ Kurz schien Thrawn zu erschrocken zum sprechen, doch dann salutierte sie. „Jawohl, eure Hoheit.“ „Gut. Und finde jemanden, der die Sauerei hier wegmacht. Komm Nunally! Lassen wir den beiden etwas Privatsphäre.“ Damit ging der Prinz hinaus, gefolgt vom Rollstuhl seiner Schwester und ließ die wiedervereinigte Familie mit einer blutenden Leiche alleine. Nur gut, dass ihre Mutter blind war, dachte sich Thrawn, als sie ihre Mutter den anderen Weg hinausführte. Lelouch hielt währenddessen eine weinende Nunally im Arm. „Wir haben unseren Weg gewählt. Es gibt kein zurück mehr“, flüsterte er. „Ich weiß Bruder“, murmelte sie zwischen ihren Schluchzern. „Ich weiß.“ Obwohl so jung, waren beide die Kinder von Charles zi Britannia, dem mächtigsten Mann der Welt und Marianne, „dem Blitz.“ Ihre violetten Augen strahlten mit neuer Entschlossenheit, als die Geschwister einander Trost und Halt gaben. Kapitel 3: Feuertaufe --------------------- „Es ist viel einfacher zu herrschen, wenn die Leute der bescheuerten Meinung sind, dass ihre Meinung irgendetwas bedeutet“ Lelouch vi Britannia ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Das dunkle Wasser teilte sich vor dem gewaltigen Bug der Vengeful Spirit, als Unmenge von Wasser zur Seite gedrängt wurden um dem gewaltigen Moloch aus Stahl Platz zu machen, der nur die Spitze einer gewaltigen Flotte bildete. Hinter dem Schlachtschiff fuhren zwei weitere Schiffe der großen Britannia- Klasse, die Unyielding Wrath und die Merciless. Dahinter folgten in ordentlicher Formation die Kreuzer, die schweren Flugzeugträger und eine Unmenge an Transportschiffen der siebten Armee. Auf der Brücke der Vengeful Spirit stand Admiral Verena Thrawn in einer neuen Uniform und mit den ihr gebührenden Orden und Auszeichnungen an der Brust. Neben ihr stand, in einer einfachen, dunklen Uniform, die auf seine Größe zugeschnitten war, Lelouch vi Britannia. Admiral Thrawn musste zugeben, dass ihre erste Einschätzung des Prinzen fehlerhaft gewesen war. Lelouch vi Britannia war ein taktisches Genie von unglaublichem Kaliber. Sie selbst war auch nicht gerade schlecht aber die paar Runden Schach, die sie gegen ihn gespielt hatte, hatte sie erbärmlich verloren. Wenn ihm auch die Erfahrung fehlte, war er nicht arrogant genug um die Hilfe von erfahreneren Personen wie ihr oder Jeremiah Gottwald auszuschließen. Wirklich eine gute Abwechslung zu anderen Mitgliedern der imperialen Familie, wie Prinz Clovis oder Prinzessin Carine, die ihre eigene Inkompetenz niemals zugeben würden. Lelouch drehte sich um und setzte sich auf den Kommandosessel. Von dort aus konnte er die vielen verschiedenen Monitore im Auge behalten, sowie schnell Befehle geben. Auf einem kleinen Tisch neben seinem Sessel lag ein Schachbrett, auf dem die Figuren in Erwartung einer Partie aufgestellt waren. Thrawn trat neben ihn. Im Verlauf der Schiffsreise hatten die beiden gelernt sich zu respektieren, vielleicht sogar eine Art Freundschaft aufgebaut, insbesondere, da sie im Schachspiel eine größere Herausforderung darstellte als Jeremiah Gottwald, der im Moment unter Deck eine äußerst seekranke Nunally betreute. „Eure Hoheit, wir werden in einer halben Stunde eintreffen“, sagte sie. „Gut“, murmelte Lelouch. „Das wird kritisch. Die japanische Flotte ist von der dritten und vierten Flotte so gut wie vernichtet worden und auch ihre Luftwaffe ist so gut wie ausgelöscht. Es wird Zeit für die Invasion.“ Der Bildschirm begann eine taktische Karte anzuzeigen, auf der kleine blaue Symbole die britannischen Schiffe anzeigten. „Den Strand zu stürmen wird äußerst verlustreich sein und dahinter warten immer noch die japanischen Streitkräfte. Seid ihr sicher, dass ihr den Plan durchziehen wollt?“ “Auf jeden Fall“, sagte Lelouch. „Clovis greift im Süden, um Itsukushima an, mit einer sehr viel größeren Streitmacht als der unseren und ohne Knightmares. Dort werden sie ihren besten Kommandanten und den Großteil ihres Heeres einsetzen. Währenddessen werden wir mit den Knightmares einen Blitzangriff bis nach Tokio starten und Premierminister Genbu Kururugi gefangen nehmen. Er ist das Herz und die Seele Japans, das Zentrum ihres Kampfgeistes. Ohne ihn sind sie so gut wie besiegt.“ Thrawn nickte. „Ihr scheint euch da sehr sicher zu sein.“ Lelouch grinste. „Kenne deinen Feind, Admiral, kenne deinen Feind.“ „Da ist sie“, murmelte Lelouch, als er die Küstenlinie auf dem Bildschirm vor sich betrachtete. „Sieht aus als hätten sie uns einen netten Empfang bereitet.“ Die Küste war stark befestigt worden, aus dem Wasser ragten die Spitzen von Panzerfallen und man konnte die Minen praktisch riechen. Dahinter lagen in dichten Reihen Schützengräben und Stacheldraht, gesäumt von Bunkern, aus denen die dunklen Läufe der Maschinengewehre glitzerten. Lelouch pfiff durch die Zähne. „Wirklich ein schönes Willkommensfest.“ Neben ihm stand Admiral Thrawn, die über Funk Befehle weitergab. Er wandte sich zu dem Offizier neben ihm um, der salutierte. „Bericht“, sagt er. „Eure Hoheit, ohne ihre Flotte und ihre Luftwaffe ist das einzige was uns hier wirklich Probleme bereiten kann ist ihre schwere Küstenartillerie.“ Der Offizier deutete auf zwei rot markierte Punkte auf dem Bildschirm mit der vereinfachten Darstellung des Schlachtfelds. „Die brauchen einen Schuss für alles außer den Britannias und auch die werden unter Feuer nicht lange aushalten. Wir müssen unsere Truppen so schnell wie möglich an Land bringen.“ Lelouch nickte. „Wie weit können die Dinger schießen?“ “Knapp dreißig Kilometer schätze ich, plus minus fünf Kilometer.“ Lelouch kratzte sich am Kinn. Dann grinste er und wandte sich Admiral Thrawn zu. „Da haben wir ja Glück, dass die Knightmares nicht unser einziges neues Spielzeug sind nicht wahr?“ Admiral Thrawn erwiderte sein Grinsen. „Also probieren wir die Hellfires aus?“ Lelouch nickte. Verwirrt fragte der Offizier: „Verzeiht eure Hoheit, Frau Admiral, aber wovon redet ihr?“ „Die Vengeful Spirit ist das erste Schiff, das mit einer experimentellen neuen Waffe ausgerüstet wurde. Prinz Schneizel war so nett Prinz Lelouch eines der ersten Kinder seines Camelot- Projekts zu überlassen, die schwere Hellfire Kanone“, antwortete Thrawn. „Schießt sie zur Hölle“, sagte Lelouch. „Zwei Stunden Beschuss. Danach greifen wir an. Die Knightmares werden ihnen eine kleine Überraschung bereiten.“ Unterhalb der Brücke der Vengeful Spirit glitten zwei schwere Stahlplatten beiseite und enthüllten eine gewaltige Raketenbatterie mit sechs schweren Raketen darin, jede davon gewaltig und jede davon mit unheimlichem Zerstörungspotential. Zwar war es Britannia noch nicht gelungen Sakuradite waffenfähig zu machen, doch im Antrieb und im Abschussmechanismus der Raketen erhöhte es Geschwindigkeit Reichweite der Raketen enorm. Der Earl von Asplund selbst hatte dieses System entwickelt und verworfen, da es viel zu teuer und viel zu verschwenderisch für die Massenproduktion war, aber die Prototypen waren für diesen Einsatz wie geschaffen. Ein ernster Gesichtsausdruck trat auf Lelouchs Gesicht. „Feuer“, sagte er ruhig. „Feuert die Raketen ab“, sagte Thrawn über Funk. „Zielt auf die Artillerie. Danach näher ran und feuern nach eigenem Ermessen.“ Lelouch hob einen der Springer vom Schachbrett und setzte ihn mit einem lauten Knall auf das Brett. „Und das Spiel ist eröffnet“, murmelte er. Mit dem mit Sakuradite verstärkten Antrieb erreichten die Raketen eine nie gekannte Reichweite und Geschwindigkeit. Weder die Artillerie, noch die schweren Luftabwehrgeschütze konnten irgendetwas tun um sie aufzuhalten, bevor sie im Inferno der explodierenden Sprengköpfe ausgelöscht wurden. Die schweren Kriegsschiffe bewegten sich näher an die Küste heran, ihre schweren Kanonentürme drehten sich in Richtung der Küstenstellungen, nun frei den gesamten Strand mit Tod und Verderben zu überziehen, ohne sich um die Artillerie sorgen machen zu müssen. Die Schiffskanonen, mit einem Kaliber von 400 mm begannen auf die Stellungen zu feuern und den Strand in ein Inferno aus Tod und Vernichtung zu verwandeln, eine Hölle aus Feuer und Zerstörung in der nichts überlebte und der Sand in gewaltigen Fontänen gen Himmel geschleudert wurde. Zwei Stunden lang donnerten die Kanonen der Schiffe, bis Lelouch ihnen Halt gebot. Er bewegte einen Bauern auf dem Schachbrett nach vorne. „Gebt den Befehl zum Angriff!“ Er drückte einen Knopf auf seiner Armlehne und begann über den offenen Kanal zu all seinen Truppen zu sprechen: „Soldaten Britannias“, sagte er mit fester Stimme, die sein Alter Lügen strafte. „Ihr vertraut mir nicht, haltet mich für zu jung euch zu führen. Vielleicht habt ihr Recht. Ich bin nicht mein Vater und werde keine endlose Rede über den Ruhm Britannias und den ganzen Kram halten. Seit euch nur gewiss. Es ist mir gleich ob dieser Krieg rechtmäßig ist und Ruhm und Ehre sind mir egal. Entweder wir sterben oder die sterben, das ist die Wahrheit für heute. Ihr müsst mir vertrauen und ich muss euch vertrauen wenn wir siegen wollen und am Ende hoffe ich, dass ich mich eures Vertrauens als würdig erweisen kann.“ Er hielt für einen Augenblick inne. „Genug der Worte. Seht zu, dass ihr da draußen überlebt und spart mir den Papierkram. Viel Glück.“ Sergeant Abraham Gaunt lauschte den letzten Worten des Prinzen sah sich in der bedrückenden Enge des Transportbootes um. Hohe Wellen spritzten über den Bug und die Seiten des Transporters und durchnässten die dicht aneinander gedrängten Soldaten darinnen. „Armselige verdammte Infanterie“, murmelte er, als er aus einer Lücke zwischen den Panzerplatten das Mündungsfeuer der Maschinengewehre und Geschütze beobachtete. Er zog den Kopf zurück als das Boot vor ihm in einem Feuerball explodierte und Metallsplitter und Körperteile durch die Luft flogen. „Der Zwergenkommandant klingt reichlich frühreif“, flüsterte ein Soldat neben ihm. „Ich mag seine Einstellung“, sagte ein weiterer. Alle weiteren Gespräche wurden von einer ohrenbetäubenden Explosion unterbrochen, bei der das Schiff heftig zu schwanken begann. Ein junger Mann in einer Ecke begann zu beten, als ein weiterer Ruck durch das Schiff lief, während eine junge Frau vorne unkontrolliert zu zittern begann. Sie alle trugen die typische, hellgraue britannische Soldatenuniform mit der dunkleren Brustplatte und dem das Gesicht bedeckenden Helm, in ihren Händen das standardisierte Sturmgewehr der britannischen Armee. Gaunt erhob seine Stimme: „Wenn wir hier raus sind, dann springt ihr ins Wasser und lauft auf den Strand. Sucht euch irgendeine Deckung und versucht zu überleben bis die Knightmares in den vorderen Booten die Mgs ausgeschaltet haben.“ Ein weiterer Ruck lief durch das Landungsschiff. Gaunt schluckte. „Wir sehen und auf der anderen Seite wieder“, sagte er, als das Boot mit einem letzten Ruck anhielt und die Hölle losbrach. Als die ersten Transporter sich öffneten und den Blick ins Innere freigaben, schlug ihnen eine Welle von Maschinengewehrfeuer entgegen, der jeden Infanteristen innerhalb von Sekunden in Fetzen gerissen hätte. Allerdings befanden sich in den ersten Transportschiffen keine Infanteristen. An der vordersten Front des Schlachtfeldes röhrten nun die Maschinen der Knightmare Frames ins Leben, das Maschinengewehrfeuer prallte von ihren Frontpanzerungen ab, während die humanoiden Roboter das Feuer aus großkalibrigen Maschinenkanonen erwiderten. An der Spitze der rostrot gestrichenen Glasgows kommandierte Jeremiah Gottwald die Kompanie, in einer verbesserten Kommandoeinheit, die mit königlich blauer Farbe angestrichen war. Am rechten Arm war ein großer Flammenwerfer angebracht, dessen Gastanks sicher innerhalb der Einheit verstaut waren, der linke Arm des Knightmares trug eine mittelgroße Maschinenkanone, die die Schützengräben im Hintergrund mit einem Sperrfeuer beharkte. Die Motoren des Knightmares jaulten, als Jeremiah beschleunigte und mit langen Schritten über Panzerfallen, Schützengräben und Barrieren hinwegsetzte. Ein Fauchen ertönte, als der Flammenwerfer die geschockten Soldaten in den Schützengräben bei lebendigem Leib röstete. Hinter ihm fielen die Knightmares über die vollkommen hilflose und überraschte Infanterie her, während sie Bunker aushoben und Geschützstellungen zerstörten. Die Japaner hatten mit viel gerechnet, aber nicht mit dieser neuen, vollkommen unbekannten und deshalb unberechenbaren Waffe. Die Infanterie, die hinter den Knightmares vorrückte hatte leichtes Spiel mit den wenigen Überlebenden und den zerstörten Stellungen. Jeremiah grinste, als hinter ihm ein Bunker unter konstanten Beschuss einstürzte, während er dem Feuer einer Panzerabwehrstellung auswich, bevor er die Schützen mit gezielten Schüssen ausschaltete. „Wahrlich effektiv“, murmelte er. In dieser Schlacht war es nicht die überlegende Geschwindigkeit der Knightmares, nicht die moderne Ausrüstung der britannischen Armee und nicht das Genie von Lelouch vi Britannia und Admiral Thrawn, die den Sieg brachten. Es war die Überraschung und die instinktive Furcht, die die gewaltigen humanoiden Roboter in den Feinden erweckten, die zur schnellen Auflösung des verbleibenden Widerstandes und der Kapitulation der japanischen Truppen führten. _______________________________________________________________ Lelouch stand auf dem Dach eines halbwegs intakt gebliebnen Bunkers, Nunally neben sich und blickte auf das Schlachtfeld hinab. Trotz des Sieges hatte es auch auf britannische Seite Verluste gegeben. Der Gestank nach Blut, Tod und Verwesung durchzog die Luft und Lelouch musste sich heftig zusammenreißen um nicht zu würgen. Die Wellen schlugen rot auf den mit Leichen übersäten Strand und brachten tote Fische zu Tausenden mit sich. Neben den Wracks von Knightmares und Panzern lagen zerfetzte Soldaten, von Maschinengewehrfeuer zerrissen oder bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Menschen irrten zwischen all dem Schrecken umher und suchten nach Freunden, Verwandten oder sammelten einfach nur die Hundemarken ein. Nunally neben ihm weinte leise an seiner Schulter, die Augen geschlossen. „Sieh hin, Nunally“, flüsterte Lelouch. „Sieh. Das ist die Welt, die unser Vater erschaffen hat. Das ist die Welt, die er uns, seinen Kindern und allen Menschen aufzwingen will. Eine Welt, die nach seinen Regeln spielt.“ Nunally schluckte und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann übergab sie sich. Lelouch wischte ihr den Mund mit einem Taschentuch ab. „Ich kann das nicht, Lelouch“, flüsterte sie. „Warum tut er das? Was haben wir getan? Sind wir deshalb Monster, Lelouch?“ Lelouch strich ihr über das Haar. „Wir haben das getan. Auf seinen Befehl. Das wahre Monster ist der Imperator, der uns zu dem zwingt, was wir tun. Wir müssen unsere Unschuld opfern, um Andere zu schützen. Stell dir vor er hätte jemanden wie Carine geschickt. Am Ende wäre alles nur noch schlimmer geworden.“ Nunally wischte sich erneut die Tränen ab. „Also müssen wir zu Monstern werden, böse um größeres Unheil zu verhindern.“ Lelouch nickte. „ Ich bin so froh, dass du verstehst, geliebte Schwester. Feuer muss man mit Feuer bekämpfen. Der Imperator respektiert nur Stärke. Wir werden ihm zeigen, dass wir noch nicht tot sind.“ Nunally ergriff seine Hand. „Du und ich sind Blut Lelouch, es gibt kein reineres Band als das zwischen Geschwistern.“ Lelouch blickte in die Ferne. „Gewiss nicht Nunally, gewiss nicht.“ ----------------------------------------------------------------------------------------------------------- Charles zi Britannia blickte gedankenverloren auf die, von der Abenddämmerung in tiefes Rot getauchte Wolkendecke hinab. Hier stand er über allem anderen, an der direkten Verbindung zwischen Himmel und Erde, Gott und den Menschen, dieser Welt und C’s Welt. Hier blickte er auf seine gesamte Welt. Er ballte die Faust. Eine Welt voller Lügen. „Du wirkst besorgt, Charles“, erklang eine leise Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und sah ein Kind, von vielleicht zwölf Jahren, mit violetten Augen und langen, blonden Haaren, die fast bis zum Boden reichten. Ein sanftes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er in die violetten Augen des Kindes blickte, die verschlagen funkelten. „Du kennst mich zu gut, großer Bruder“, sagte Charles, als er sich vollständig von dem Anblick unter ihm wegdrehte und dem Kind ins Gesicht sah. „Es ist Lelouch“, sagte er schließlich. „Er hat viel mehr Potential als ich ursprünglich annahm.“ Das Kind hob eine Augenbraue. „Was willst du damit sagen Charles? Wirst du weich auf deine alten Tage? Willst du ihn etwa in den Plan einweihen?“ Charles schnaubte. „Ich bitte dich, VV. Er ist nur ein Werkzeug, wie alle anderen auch. Allerdings hat er das Potential ein äußerst nützliches Werkzeug zu werden.“ VV trat neben ihn. „Willst du ihn in den Plan einweihen? Er besitzt keinerlei Loyalität zu dir. Er hält dich für schuldig am Tod seiner Mutter.“ Charles nickte. „Noch nicht, aber vielleicht in der Zukunft kann ich ihn auf unsere Seite bringen.“ Langsam begann VV davonzugehen. „Vielleicht, aber bedenke: Nichts ist wichtiger als der Plan und wenn Lelouch ein Problem werden könnte, muss er eliminiert werden.“ „Natürlich großer Bruder“, sagte Charles. „Wir haben schließlich versprochen uns niemals anzulügen, nicht wahr?“ VV blieb kurz stehen, drehte sich um und lächelte. „Selbstverständlich. Schließlich gibt es kein reineres Band als das zwischen Geschwistern, nicht wahr?“ „Natürlich nicht, Bruder, natürlich nicht.“ VV ging weiter hinaus, blieb aber in der Tür noch einmal stehen. „Konzentrier dich lieber auf die Suche nach CC. Denk daran, dass nichts wichtiger ist als der Plan.“ Mit diesen Worten ging er hinaus und bemerkte den giftigen Blick nicht, den Charles ihm zuwarf. „Sicher Bruder“, murmelte Charles. „Für den Augenblick.“ Er drehte sich zu der Gestalt um, die hinter einem Vorhang hervortrat. „Bist du dir sicher, dass es sicher für Lelouch ist hier zu bleiben? Ich wollte ihn wegschicken. Das wäre sicherer gewesen.“ Eine weibliche Stimme antwortete ihm: „Der verräterische kleine Giftzwerg hat mich überrascht. Lelouch wird auf der Hut sein, und stärker werden als gedacht, schließlich ist er unser Sohn. Es ist besser ihn auf unserer Seite zu haben, als gegen uns.“ „Du magst Recht haben“, sagte Charles. „Was ist mit CC?“ “Geduld mein Lieber. Gottes Tage sind gezählt. Mit oder ohne Lelouch.“ ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- „… und solange ich noch atme, solange noch ein Tropfen Blut in unseren Adern fließt, werden wir uns niemals ergeben. Wir werden kämpfen, bis zum Ende und darüber hinaus wenn nötig.“ Mit einem Schnauben schaltete Lelouch die Übertragung ab. „Genbu Kururugi ist wahrlich das Herz und die Seele seiner Leute.“ Nunally neben ihm nickte. „Er gibt ihnen Vertrauen und Hoffnung. Er erhöht ihren Kampfgeist, das gibt ihnen Stärke.“ Lelouch hob einen Finger. „Aber es könnte auch ihre größte Schwäche sein. Wenn sich das ganze Vertrauen einer Nation in nur einer Person sammelt, wäre eine Enttäuschung durch diese Person ein fataler Schlag.“ Er drehte sich zu Jeremiah um, der wie immer schweigend hinter den Geschwistern gestanden hatte. „Wie kommt die Invasion voran?“, fragte er. „General Bartley ist im Norden aufgehalten worden, aber es ist ihm gelungen ihren Streitkräften eine schwere Niederlage beizubringen und jetzt jagt er sie in Richtung Süden. Clovis im Süden hat eine fatale Niederlage gegen Todoh bei Itsukushima einstecken müssen und jetzt belagern sich beide Seiten ohne wirklich einen Vorteil erringen zu können.“ Lelouch grinste. „Gut, gut. Alles verläuft nach Plan.“ Nunally hob eine Augenbraue. „Aber Bruder Clovis hat doch verloren?“ Lelouch nickte. „Clovis hat absolut kein Talent in Taktik, Strategie oder sonst irgendetwas Ähnlichem. Das er gegen jemand wie Todoh gewinnt war äußerst unwahrscheinlich, aber das war auch nicht der Plan.“ Jeremiah nickte. „Er sollte uns Todoh vom Hals halten, damit wir uns Kururugi schnappen können. Ohne Todohs Streitkräfte können wir gegen Tokio marschieren.“ „Werden wir ihn töten?“, fragte Nunally, mit kaum mehr als einem leichten Zittern in der Stimme. Sie war im Verlauf der letzten Wochen ebenso wie Lelouch härter geworden, praktischer und auch grausamer. Jeremiah hatte es mit Trauer betrachtet, aber ihm war klar, dass das dazugehörte, wenn man ein Mitglied der imperialen Familie war. Lelouch schüttelte den Kopf. „Wir wollen ihn nicht zum Märtyrer machen, dass würde ihren Kampfgeist nur noch weiter anspornen.“ Er drückte ein paar Knöpfe und auf dem Bildschirm erschien das bild eines braunhaarigen Jungen, der etwa genau so alt war wie er. „Das ist sein Sohn, Suzaku Kururugi. Und an dieser Schwachstelle werden wir ihn angreifen.“ „Wie meinst du das?“, fragte Nunally. Lelouch grinste. „Sagen wir, dass sein Charakter ihn sehr einfach zu manipulieren macht. Er wird für uns arbeiten, auf die eine oder andere Weise. Mir ist es gleich.“ Sein grausames Grinsen jagte Jeremiah Schauder über den Rücken. Es erinnerte ihn an den Imperator. „Wie läuft es hier?“, fragte Lelouch. Jeremiah tauchte aus seinen Gedanken auf und antwortete schnell: „Es ist uns gelungen ihren Hauptwiderstand hier zu brechen. Was übrig ist sind einige Guerilla- Einheiten, versprengte Überreste des Hauptheeres und eine kleine, organisierte Panzertruppe auf der Hauptstraße in Richtung Tokio.“ „Gut“, sagte Lelouch. „Sieh zu, dass ihr sie alle auslöscht, bevor wir in Richtung Hauptstadt vorrücken.“ „Wieso?“, fragte Nunally. „Sie sind uns kaum mehr als ein leichtes Ärgernis. Sollten wir uns nicht lieber auf das Hauptproblem konzentrieren?“ „Das tue ich“, sagte Lelouch. „Das Hauptproblem ist die Moral, die durch Genbu Kururugi immer wieder erhöht wird. Ich beabsichtige das zu untergraben.“ „Und wie wollt ihr das durch das Auslöschen aller noch so minderer feindlicher Einheiten erreichen?“, fragte Jeremiah verwirrt. „Warte ab, Jeremiah. Es geht hier nur um Psychologie. Je eiserner Kururugi am Kämpfen festhält und je mehr Menschen unserem Angriff zum Opfer fallen, desto vollkommener wird unser Sieg am Ende sein.“ „Das ist grausam“, bemerkte Nunally. „Aber effektiv“, entgegnete Lelouch. „Kururugi auszuschalten ist unser Hauptziel und es muss uns gelingen ohne ihn zum Märtyrer zu machen. Wenn es gar nicht anders geht, werden wir ihn zerquetschen.“ Wieder grinste er. „Auf die eine oder andere Weise. Ich werde einen kleinen Anruf machen, entschuldigt mich.“ Genbu Kururugi war kein fröhlicher Mann. Es war sogar sicher zu sagen, dass er absolut zornig war. Alle fünf Minuten kamen neue Hiobsbotschaften von der Front herein. Die letzte gute Nachricht war Todohs Sieg bei Itsukushima gewesen und selbst dieser Sieg war ein Pyrrhussieg gewesen, nach dem Clovis Truppen Todohs Armeen aufgrund ihrer überlegenen Anzahl und der Ausrüstung mit Knightmares überrannt hatten. Todoh selbst befand sich im Moment mit kaum einem Viertel seiner Truppenstärke auf dem Rückzug ins Landesinnere. Genbu strich sich mit der Hand über die streng zurückgekämmten, braunen Haare, sein harter und kantiger Kiefer, mahlte, als er unzufrieden mit den Zähnen knirschte. Als ob es nicht genug war, dass er mit Britannias überlegenem Militär konfrontiert wurde und verlor, aber was wirklich gegen seine Ehre ging, war, dass er gegen ein zehnjähriges Balg verlor. Taktisches Genie und Wunderkind hin oder her, das war verdammt noch mal demütigend. Sein eigener, genauso alter Sohn Suzaku saß am Fenster des Raumes auf einem Stuhl, mit einem traurigen Blick aus dem Fenster starrend. Der Krieg hatte einen schlechten Einfluss auf den sanften Jungen, der Gewalt mehr verabscheute als alles andere. Genbus Hass auf Britannia stieg nur weiter. Knurrend trommelte er mit den Fingern auf der Platte seines Schreibtisches herum. Ein Bildschirm über ihm begann ein nerviges, piepsendes Signal auszusenden. Genbu drückte einen Knopf auf seinem Schreibtisch und das Gesicht seines Informationsministers erschien auf dem Bildschirm, mit einem besorgten Ausdruck auf dem Gesicht und dunklen Ringen unter den Augen. Keiner bekam mehr besonders viel Schlaf in letzter Zeit. „Was gibt es?“, knurrte Genbu, den Minister mit einem bösen Blick fixierend. Er war müde und schlecht gelaunt. „Herr Premierminister, verzeiht die Störung, aber wir haben eine feindliche Nachricht auf einem offenen Kanal reinbekommen.“ Genbu stöhnte. Das hatte ihm noch gefehlt. „Wehe der Zwerg will nicht kapitulieren“, grummelte er in sich hinein. „Stellt sie durch“, befahl er dann. Ein Klicken ertönte und das Gesicht des Generals wich Schwärze. Dann war ein erneutes Klicken zu hören und auf dem Bildschirm erschien genau das Gesicht, das Genbu seit Monaten verfluchte. Mit kalten violetten Augen und einem falschen Lächeln auf den Lippen sah die Gestalt von Lelouch vi Britannia auf ihn herab. Genbu verengte die Augen als die kleine Gestalt auf dem Bildschirm die Hand zu Gruße erhob. „Guten Abend, Herr Kururugi“, grüßte er, mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen. Genbu funkelte ihn an. „Was willst du?“, knurrte er. „Ich bin ein vielbeschäftigter Mann und habe jetzt keine Zeit mit dir zu spielen, Junge!“ Lelouch schnaubte. „So unhöflich, Herr Kururugi. Ich denke wir spielen schon seit einiger Zeit miteinander, meinen Sie nicht auch?“ „Bastard“, knurrte Genbu. „Überlasst es Britanniern die Leben von guten Menschen als Spielzeuge zu sehen.“ Lelouch schüttelte den Kopf. „Solch harte Worte. Und dabei sind sie es doch, der so wenig auf die Leben seiner eigenen Leute gibt.“ Er hob den Kopf. „Wie lange soll das noch so weitergehen, Genbu? Sie wissen, dass ihr nicht gewinnen könnt und dennoch kämpfen ihre Männer bis zum letzten Tropfen Blut. Ist das ihre Ehre? Der Weg der Samurai?“ Genbu knurrte. „Wir werden uns niemals euch britannischen Hunden ergeben. Wir werden bis zum Ende kämpfen!“ Mit hochrotem Gesicht war er aufgesprungen und wünschte er könnte das arrogante Lächeln aus dem Gesicht des Jungen wischen. Tatsächlich verschwand das Lächeln aus Lelouchs Gesicht und wurde durch eine schmerzerfüllte Grimasse ersetzt. „Wie viele Leben sollen noch für eure sinnlose Ehre geopfert werden? Ihr könnt uns nicht besiegen und dennoch klammert ihr euch an eure wertlose Ehre. Ist sie wirklich mehr wert als das Leben eurer Soldaten? Eurer Frauen und Kinder? Eures gesamten Volkes?“ Er hob die Hände in einer beschwörenden Geste. „Mein Vater will Japan besitzen, auf die eine oder die Andere Weise. Wenn ihr aufgebt, könnt ihr Millionen Leben retten, und nur auf Kosten eures dummen Stolzes.“ „Und unserer Freiheit“, knurrte Genbu, nun rot vor Zorn im Gesicht. „Ein wahrlich geringer Preis für das Leben eures Volkes“, erwiderte Lelouch ruhig, im Kontrast zu Genbus lauter Stimme. „Du Bastard!“, brüllte Genbu jetzt ohne Zurückhaltung. „Du wagst es…“, er zitterte vor Wut. Lelouch schnippte mit den Fingern. „Du bist zornig. Auf mich? Auf Britannia? Oder auf dich selbst? Ich frage mich wie du nachts schlafen kannst, wissend, dass all dieses unschuldige Blut an deinen Händen klebt.“ Er blickte Genbu an und selbst durch den Bildschirm glaubte Genbu zu fühlen, wie sich diese berechnenden, violetten Augen direkt in sein Herz bohrten. Ein lautes Knallen ertönte, als Genbu aufsprang und dabei seinen Stuhl umwarf. Er schlug seine Faust auf den Tisch und schrie: „Wir werden uns niemals ergeben! Hörst du, du erbärmlicher kleiner Bastard? Niemals! Und wenn unsere Meere zu Blut werden und wir alle abgeschlachtet werden, dann werden unsere rachedurstigen Geister dich und deine britannischen Hunde immer noch ans Ende der Welt verfolgen!“ Genbu keuchte, als er mit hasserfülltem Blick auf den Bildschirm starrte. Lelouch sah ihn finster an, seine Stimme eiskalt und sein Ton emotionslos. „Wie bedauerlich“, sagte er. „Wisse, dass das Blut deines Volkes an deinen Händen klebt, Genbu Kururugi“, sagte er noch, bevor der Bildschirm schwarz wurde. Wutschnaubend stürmte Genbu hinaus, dabei bemerkte er den zitternden, zehn Jahre alten Jungen nicht, der ihm mit geweiteten Augen hinterher starrte. Lelouch schaltete den Bildschirm ab, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grinste zufrieden. „Das lief gut“, sagte er nur. Jeremiah neben ihm stutzte. „Inwiefern, eure Hoheit? Alles was ihr geschafft habt, war ihn wütend zu machen.“ „Details, mein Lieber, Details.“ Lelouch wandte sich Nunally zu, in deren Augen Erkenntnis dämmerte. „Du verstehst es, nicht wahr, Schwester?“, fragte er. Sie nickte. „Suzaku“, flüsterte sie. Lelouch nickte. „Er hat in seiner Rage Dinge vor seinem Sohn gesagt, die er nicht hätte sagen sollen. Der Junge ist naiv und manipulierbar und er hat gerade gesehen wie ich seinen Vater gespielt habe wie ein Instrument. Er braucht nur noch einen kleinen Schubs in die richtige Richtung.“ Er zog ein Handy hervor und schrieb eine kurze Nachricht an eine Nummer, die Nunally und Jeremiah nicht kannten. Jeremiah machte große Augen. „Sagt mir nicht ihr habt einen Spion bei Kururugi?“ Lelouch grinste nur. „Warum ist Kururugi dann noch am Leben?“, meldete sich Nunally zu Wort. „Wir könnten ihn doch sofort töten.“ „Er würde zum Märtyrer werden“, sagte Jeremiah. „Richtig“, antwortete Lelouch. „Ich will ihre Moral zerstören und nicht heben. Es darf keiner von uns sein, der Genbu Kururugis Leben beendet. Japan soll verzweifeln und aufgeben.“ Nunally nickte, Verständnis glitzerte in ihren Augen. Sie rollte ihren Rollstuhl näher zum Tisch heran. „Es muss also ein Mord aus den eigenen Reihen sein, oder zumindest so aussehen“, sagte sie. Jeremiah nickte. „Und wenn sein eigener Sohn ihm Blindheit und Schuld vorwirft, dann hat er auch einen Grund.“ Lelouch lächelte nur. Suzaku Kururugi saß am Fenster und sah in die kalte Nacht hinaus. Der Mond war hinter den dunklen Wolken verborgen, die den Himmel über der Hauptstadt wie eine drohende Festung aus einem Märchen erscheinen ließen. Einem finsteren, albtraumhaften Märchen, aus dem es kein Entkommen gab. Kein Happy End und kein „sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ Japan hatte keinerlei Chance diesen Krieg zu gewinnen, das hatten sie noch nie gehabt. Britannia war stärker, ihre Armeen größer, hatte die besseren Taktiken und die besseren Waffen. Suzaku schlug mit der Faust gegen das Fenster. Der hohle Laut hallte durch das ansonsten stille Anwesen. Warum war sein Vater nur so stur. Er opferte die Leben seines Volkes, so vieler unschuldiger Menschen nur für seine dumme Ehre, für seinen Stolz. Suzaku ließ den Kopf hängen. „Kann er denn nicht sehen, dass alle leiden?“ „Nein, kann er nicht“, sagte eine sanfte, melodische Stimme von hinter ihm. Erschrocken fuhr Suzaku herum, der ganze Körper angespannt. Dann entspannte er sich. „Du bist es nur, Sayoko.“ Hinter ihm stand eine junge Frau, mit kurzen braunen Haaren und einem freundlichen Lächeln, die eine Tasse dampfenden Tee in der Hand hielt. Sayoko Shinozaki war das Hausmädchen der Kururugis und diente der Familie seit kurz vor dem Beginn des Krieges. „Tee?“, fragte sie und bot ihm die dampfende Tasse an. Suzaku schüttelte den Kopf und begann wieder aus dem Fenster zu starren. „Er glaubt es wäre Mut, weißt du?“, sagte sie. Suzaku starrte sie fragend an. „Er glaubt, er würde seinen Vorfahren und seinem Volk Schande bereiten, wenn er aufgibt. Er würde lieber kämpfend untergehen als zugeben, dass er Lelouch vi Britannia nicht gewachsen ist. So ein Mann ist dein Vater einfach.“ Suzaku schlug erneut gegen das Fenster. „Warum nur? Wie kann er so blind sind und das Leid all dieser Leute ignorieren? Japan hat verloren, jetzt geht es nur noch darum Leben zu retten.“ Sayoko seufzte. „Dein Vater gibt den Leuten Hoffnung. Solange er weiterkämpft werden auch sie weiterkämpfen. Er ist ein gewaltiger Redner, da kommt ihm sein Temperament ausnahmsweise mal zugute.“ „Aber es ist eine falsche Hoffnung. Am Ende wird es nur Tote geben.“ Eine Träne glitzerte in seinem Augenwinkel. Sayoko stand auf. „Wahrer Mut“, sagte sie, „ist das absolut notwendige zu tun um weitere Tode zu vermeiden und dabei seine eigene Furcht zu überwinden. Auch wenn man dafür seinen Stolz hinunterschlucken muss. Wenn dein Vater nicht kapituliert werden wir bald alle tot sein. Weder der Imperator noch sein Sohn sind sonderlich geduldig.“ Sie ging seufzend hinaus und ließ einen nachdenklichen Suzaku zurück, der aus dem Fenster starrte, sodass er das feine Lächeln auf ihrem Gesicht nicht sehen konnte. Drei Wochen später: Lelouch warf den Kopf in den Nacken und stieß ein krankhaftes, fast hysterisches Lachen aus. In seinen Augen schimmerte der Glanz des Wahnsinns, als er lachte und lachte, während er Sayokos Nachricht immer wieder durchlas. „Suzaku Kururugi ist ein noch viel größerer Narr als ich dachte. Ich wollte die Schuld für den Tod seines Vaters auf ihn schieben, aber dass er ihn tatsächlich umbringt? Was für ein naiver kleiner Trottel.“ „Ich glaube er ist älter als du“, erklang Nunallys Stimme aus ihrem Rollstuhl neben ihm. Lelouch winkte nur ab und lachte weiter. „Selbstmord. Sie sagen es war Selbstmord. Suzaku Kururugi hat damit doppelt so viel für das Gelingen unserer Invasion getan wie ich. Indem er das behauptet hat, hat er uns den Sieg in den Schoß gelegt, davon werden sich die Japaner in Jahren nicht mehr erholen.“ Er lachte weiter und hob ein Glas mit Wein, das auf seinem Schreibtisch stand. Es war ein dunkler, roter Wein, wie Blut. „Ein Hoch auf Suzaku Kururugi und seine naive Dummheit“, lachte er und trank. Auch auf Nunallys Gesicht war ein Lächeln zu sehen. „Der Krieg ist vorbei“, sagte sie. „Und wir haben unseren Nutzen für Vater bewiesen.“ Er ergriff ihre Hand. „Niemand wird uns mehr aufhalten Schwester. Das war nur der erste Schritt auf der Straße zu einer neuen Welt.“ Nunally drückte seine Hand fest und sah ihm in die Augen. Ihr Gesichtsausdruck war ernst und feierlich. „Eine neue Welt“, echote sie. Ihre Stimme hatte einen Klang, den ein siebenjähriges Mädchen niemals haben sollte. Jeremiah Gottwald beobachtete beide vom Rand des Raumes, wo er bisher stumm gestanden hatte. Er war stolz und lächelte, doch er konnte in ihrer beiden Augen den Funken des Wahnsinns sehen, den Rausch der Macht und die Saat der Tyrannei. Denn die schrecklichsten Dinge der Welt wurden mit guten Absichten getan. „Das wird die Zeit zeigen müssen“, murmelte er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)