Let me be with you... von Vienne (Liebe geht seltsame Wege) ================================================================================ Kapitel 8: Don't worry! Be happy! --------------------------------- Nach beinahe acht Tagen Dauerregen hatte sich das Wetter dazu entschlossen, wieder schöner zu werden. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel und ein sanfter Wind ließ die Blätter im Jubaan-Park rascheln. Kinder sammelten fröhlich die am Boden liegenden Kastanien auf und steckten sie in Stoffbeutel. Manche von ihnen klaubten auch einige der bunten Blätter auf, hielten sie stolz als Strauß in der Hand. Das Wetter hatte einige Menschen noch einmal in den Park gelockt. Arbeit hin oder her. Usagi schlenderte gemütlich über den Kiesweg. Sie hatte heute eher ausgehabt, weil der Sportlehrer sich das Bein gebrochen hatte. Im Unterricht. Das Mädchen hatte die Nachricht unheimlich komisch gefunden und dachte sich ohnehin im Stillen, das Sport Mord war und ihr Lehrer selbst schuld. Sie hatte Kiriko angerufen, um ihr zu sagen, dass sie auch eher an der Motoazabu sein könnte. Aber ihr Freundin meinte, dass es nicht nötig wäre. Die paar Mitschriften vom heutigen Tag konnte sie auch morgen mitnehmen. Lieber sollte sie gleich zu ihrem Liebsten gehen und den Nachmittag mit ihm genießen. Die Blondine freute sich unheimlich darüber und begann vor Freude zu hüpfen. Kicherte leise, wenn sie daran dachte, was Mamoru für ein Gesicht machen würde, wenn sie zwei Stunden eher vor seiner Tür stand. Überschwänglich drehte sie sich im Kreis und bemerkte so gar nicht, dass ihr jemand entgegen kam und sie denjenigen anstieß. Erschrocken blieb sie stehen und sah sich um: ”Entschuldigung!” Zaghaft sah sie auf. Seit sie jetzt mit Mamoru zusammen war, hatte sie keinen anderen Menschen mehr angerempelt. Doch die Person die vor ihr stand, verschlug ihr kurzzeitig die Sprache. Mit geweiteten Augen sah sie die Schwarzhaarige an. “Hallo Usagi.” “Rei?!” “Hast du heute eher Schluss?” ”Ja.” “Cool. Wo sind die anderen?” ”Schulkurse.” “Achso.”, Rei strich sich eine Strähne hinters Ohr, “Und sonst so? Wie läuft’s mit dem Lernen? Klappt es alleine?” Usagi versuchte ihre Nervosität zu unterdrücken: ”Ja. Ja, geht ganz gut. Gestern hab ich mit Minas Lehrer zusammen gesessen.” “Super. Ja, ähm, Ami hat mir erzählt, dass du im letzten Bio-Test ganz gut warst.” ”Naja, ganz gut. Es waren nur sechzig Prozent.” “Besser als null, oder?” “Ja. Und was machst du jetzt noch so?” Rei wandte sich etwas ab und ging zu einer nahe gelegenen Bank. Setzte sich darauf. Usagi folgte ihr. Der Blondine entging es nicht, dass ihre ehemals beste Freundin etwas bedrückte. Und sie ahnte sofort, woher der Wind wehte. “Ich wollte zu dir.” ”Zu mir?” ”Ja, mich entschuldigen. Meine Beweggründe waren wirklich nicht so toll. Das ist mir klar geworden. Und scheinbar bin ich auch die einzige mit der Auffassung gewesen, die glaubte, dass du damit klar kommen würdest. Ich wollte dir nicht wehtun. Natürlich bist du hübsch und attraktiv. Die Jungs schauen dir hinterher, wenn du an ihnen vorbei gehst. Und eigentlich hab ich es so gemeint, dass du und Mamoru ja eh mehr oder weniger Feinde seid. Ich bin davon ausgegangen, dass andere Mädchen ihm schöne Augen gemacht hätten. Aber bei dir war und ist die Gefahr ja wirklich sehr gering.” Usagi schluckte schwer. Die Fröhlichkeit, die sie bis eben noch erfasst hatte, war verschwunden. Ihr war klar, dass Rei schon mit ihrer Grundidee Recht hatte. Sie selbst wäre ja nie auf die Idee gekommen, sich in Mamoru zu verlieben. Es war eher einfach so geschehen. In vielen kleinen Augenblicken an den gemeinsamen Nachmittagen. “Ich finde es aber toll, dass ihr euch jetzt so gut versteht. Ihr habt euch letzte Woche nicht einmal gezofft. Und er hat sogar Partei für dich ergriffen.” ”Es ging ja auch um seinen Spitznamen für mich.”, Usagi sah sie an, “Dafür ist auch noch was fällig, Rei.” “Ja, tut mir leid. Ich wusste nicht, dass ihr zwei so einen Wert darauf legt und nur ihr die Namen verwenden dürft.” ”So ist es auch nicht. Von mir aus kannst du ihn auch Baka nennen. Aber ich will nicht von einer meiner Freundinnen Odango Atama genannt werden.” ”Wie denn dann? Usako vielleicht.”, Rei grinste. “Nein!”, die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. “Klingt aber doch niedlich.” ”Nenn mich von mir aus Usa oder eben Usagi.” ”Warum nicht Usako?” ”Weil das so schnulzig klingt.” Die Schwarzhaarige sah sie kurz an, schüttelte dann aber den Kopf. Die aufkommende Röte in dem Gesicht ihrer Freundin entging ihr so und sie schaute auf ihre Füße: ”Okay. Sag mal, warst du in letzter Zeit im Crown?” “Nein. Warum?” ”Ich dachte nur. Seit letzter Woche und unserem Streit habe ich Mamoru auch nicht mehr gesehen. Ich dachte, ihr seid euch vielleicht begegnet.” Usagi behielt ihre Gedanken für sich. Seit dem Tag war sie ihrem Baka jeden Tag begegnet. Sogar am Wochenende. Doch das konnte sie ihr nicht sagen. Stattdessen suchte sie sich eine Ausrede: ”Nein. Ist er denn nicht zuhause? Er wollte doch mit Koba-kun und Kiri-chan lernen.” “Ich weiß. Ich hab ihn am Abend jetzt immer mal angerufen. Aber er ist nicht ans Telefon gegangen.” “Kannst ihm doch eine Nachricht aufs Handy schicken.” “Hab ich schon.” ”Und?” ”Er schrieb zurück, dass er einfach nach dem Lernen am Nachmittag immer zu müde sei und keine Lust mehr zum Quatschen hätte.” ”Na dann hast du doch deine Antwort.” “Ja. Ich hab ihn gefragt, ob ich mal vorbei kommen könnte, aber er meinte, er würde sich melden. Ach ich weiß auch nicht. Ich will ihn unbedingt wiedersehen. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich ihn liebe. Er ist so toll und sexy.”, Rei kicherte, “Ich würde zu gerne wissen, wie gut er küssen kann.” “Bitte was?”, Usagi glaubte, sich verhört zu haben. “Was denn? Wir gehen jetzt schon so lange zusammen aus. Aber glaubst du, er hat jemals meine Hand genommen oder mich geküsst. Ach er ist so unglaublich gentlemen-like. Auch wenn ich mir wünsche, dass er endlich mal den ersten Schritt macht. Schließlich ist er der Mann, oder?” Die Blondine musste husten. Versuchte dadurch ihre Verlegenheit zu überspielen. Bei den Worten ihrer Freundin schweiften ihre Gedanken selbst ab. Sie wusste, wie gut Mamoru küssen konnte. Wusste, wie gut er schmeckte und sich seine vollen, weichen Lippen anfühlten. Augenblicklich schlug ihr Herz schneller und nur mit Müh und Not konnte sie die aufkommende Röte in ihrem Gesicht unterdrücken. “Alles okay? Der Husten hört sich nicht so gut an.” “Ja, bin ein wenig angeschlagen.”, Usagi erhob sich und zupfte ihren Rock zurecht, “Ich muss jetzt auch los. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lernen.” “Ich dir auch. Wäre aber schön, wenn wir uns wieder zusammen hinsetzen könnten und verzweifeln würden.” “Ich weiß. Aber momentan fahr ich so besser. Sei mir nicht böse.” ”Nein, ist schon okay.”, Rei umarmte ihre Freundin, “Pass auf dich auf.” “Du auch.” Usagi ging los, winkte noch einmal und begann hinter der nächsten Kurve zu rennen. Sie wollte so schnell wie möglich raus aus dem Park. Weg von Rei. Allein ihre Worte übers Küssen hatten ihre Sehnsucht nach gewissen Lippen enorm ansteigen lassen. Nur noch flüchtig achtete sie auf die ihr entgegen kommenden Menschen. Wich ihnen mehr schlecht als recht aus und rannte in Richtung Bushaltestelle. Ihre Beine schmerzten bereits. Solche sportlichen Aktivitäten war sie definitiv nicht gewohnt. Auch ihre Lunge meldete sich wieder zu Wort. Erneut musste sie husten. Doch sie ignorierte es und war froh, als sie den Bus noch gerade so erreichte. Abgehetzt ließ sie sich auf einen freien Sitzplatz fallen, versuchte ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen und sich zu entspannen. Bald wäre sie bei Mamoru. Musik lief leise im Hintergrund. Feinster Staub tanzten in den Sonnenstrahlen, die durch das große Fenster fielen. Am Teppich lag eine Schultasche. Sie war offen und einige Blätter stahlen sich heraus. Ein Kugelschreiber war einmal quer über den Teppich gerollt und hatte an einem Bein des Sofatisches gestoppt. Ein Kissen lag neben dem Sofa, ein zweites davor. Graue Krücken lagen auf halbem Weg zwischen Flur und Wohnzimmer. Auf dem Tisch lagen mehrere Haarklammern wahllos verstreut. Mamoru seufzte leise. Mit einem Arm hielt er Usagi dicht an sich gedrückt, mit der freien Hand fuhr er durch ihre offenen Haare. Er liebte ihr langes Haar genauso sehr, wie er sie als Person an sich liebte. Vor zwei Stunden hatte sie bei ihm geklingelt. Vollkommen überraschend für ihn. In schnellen Worte hatte sie ihm erklärt, warum sie eher bei ihm sei und war ihm dann um den Hals gefallen. Schnell fanden seine Lippen ihre und sie verloren sich in vielen aufeinanderfolgenden Küssen. Zeigten sich so ihre Liebe. Küssend waren sie auch ins Wohnzimmer geschwankt und aufs Sofa gefallen. Nur ab und an unterbrachen sie ihre Lippenbekenntnisse. Meistens war es, weil sie sich Liebesschwüre zu hauchten. Oder so wie vor gut zwanzig Minuten, als Usagi ihm von ihrem zufälligen Treffen mit Rei im Park erzählte. Versonnen spielte Usagi mit der Knopfleiste seines halb geöffneten Hemdes. Ihre Finger glitten unter den Stoff und berührten sanft sein Haut. Sie spürte, wie seine Muskeln sich dabei anspannten und musste leise lächeln dabei. Sie selbst durchfuhr ein leichter Schauer, als sie bemerkte, wie seine Hand von ihren Haaren hinab zum Saum ihres Uniformoberteils wanderte und darunter. In den letzten Tagen waren sie beide vorwitziger geworden. Ihre Küssen waren wilder geworden und ihre Berührungen eindeutiger. Dem Mädchen war klar, dass es ihm nicht anders erging als ihr. Doch sie wusste auch, dass es noch zu früh war. Aber so liebevolle, kleine und intime Berührungen waren nicht verboten. Vielleicht in den Augen ihres Vaters, aber der zählte jetzt nicht. Momentan zählten nur sie und Mamoru. Seine Finger fuhren auf ihrer nackten Haut leicht auf und ab. Er hauchte ihr einen sanften Kuss auf den Haarschopf. Der junge Mann war heilfroh, dass ihr Plan so gut funktionierte und er seine Usako jeden Tag sehen konnte. Tatsächlich lernte sie auch mit ihm. Zumindest immer eine Stunde von ihren gemeinsamen Nachmittagen. Und zumindest außer heute. Er kam sich ein wenig unbesiegbar vor, auch wenn er den Preis der Hinterhältigkeit kannte. “Was glaubst du, wie lange können wir dieses Spiel des Versteckens noch spielen?” Mamoru sah hinunter und in ihre Augen: ”Kannst du Gedanken lesen?” ”Nein, warum?” “Ich hab auch gerade dran gedacht.” “Hm. Ich muss zugeben, dass es mir heute irgendwie überhaupt nicht falsch vorkam, Rei anzulügen.” ”Angelogen hast du sie nicht. Lediglich ihr was verschwiegen.” ”Wie man’s nimmt.”, Usagi setzte sich richtig auf, “Aber selbst das ist mir egal. Ich weiß, dass wir gleichzeitig auch total falsch handeln. Wenn alles auffliegt, wird Rei ein riesen Theater darum machen. Und Mako und Ami sicher auch. Ich glaube, die beiden ahnen eh etwas.” “Achso?” “Ja. Minako hat Makoto letzten Samstag in diesem Wiener Café getroffen. Du weißt schon. Das was neu drüben im Kitaaoyama-Viertel in Minato-ku aufgemacht hat. Sie kamen halt ins Reden und dann fiel wieder das Thema du und Rei. Mako meinte dann, dass Rei ja total in dich verliebt sei und so weiter und so fort. Als Mina nicht weiter darauf einging, harkte Mako nach und wollte wissen, ob sie immer noch der Auffassung wäre, dass du und Rei nicht zueinander passt. Und sie hat es eben bejaht. Naja, und dann gab’s halt wieder ewige Diskussionen, bis Mina einfach gegangen ist.” “Sie hat ihr also nichts gesagt?” “Nein. Allerdings hat Mako natürlich mit Ami geredet und die fragte mich gestern Mittag, was da zwischen uns ist.” ”Was hast du ihr gesagt?” ”Dass das Quatsch ist. Und das wir lediglich beschlossen haben, nicht mehr zu streiten. Ich meine, Mina, Ami und Mako haben uns an dem Samstag im Café gesehen. Und nur Mina hatte von Anfang an den richtigen Riecher, dass das ein Date war. Die anderen wollten davon überhaupt nichts wissen. Nur...” ”Was nur?” ”Wenn sie es raus bekommen, dann sagen sie es Rei. Sie stehen hundert Prozent hinter ihr. Mal abgesehen davon, dass beide auch glauben, du wärst ebenfalls in sie verliebt und nur zu gefasst, um es nach Außen hin zu zeigen.” ”Ich wusste nicht, dass deine Freundinnen so blind sind.”, Mamoru lachte leise auf. “Ja, ich auch nicht.”, sie schmiegte sich wieder an ihn. Genoss seine Nähe und Wärme und die erneuten Streicheleinheiten auf ihrer Haut. “Vielleicht sollten wir uns einfach auch weniger Gedanken machen. Bis jetzt ist doch alles gut gegangen.” Der junge Mann wusste, dass er Blödsinn sprach. Es war eigentlich alles andere als einfach. Immerhin hintergingen sie einen Teil ihrer Freunde und logen ihnen ganz offensichtlich ins Gesicht. Doch er wollte Usagi nicht verunsichern. Es reichte, wenn er sich so seine Gedanken darum machte. Sie sollte unbekümmert sein und ihre Beziehung genießen. So oder so würde es noch früh genug hoch her gehen. Es war schon dunkel geworden. Das Paar saß zusammen am Sofatisch, sah eine Reisedokumentation über die Seychellen. Aß nebenbei das Essen, was sie bestellt hatten. Mamoru amüsierte es, dass Usagi neben ihm bei jedem neuem Bild von der Hauptinsel Mahé laut aufseufzte und so ihr Fernweh bekundete. Scheinbar konnte sie sich gar nicht satt sehen an den Palmen, dem endlos erscheinendem Strand Beau Vallon oder dem Markt in Victoria. Aufgeregt zappelte sie hin und her und vergaß nebenbei fast das Essen vor sich. “Siehst du das, Mamo-chan? Siehst du, wie sich die Wellen an den Granitfelsen brechen? Oh ist das toll! Da will ich meine Flitterwochen verbringen.” ”Ha, danke für die Info. Dann weiß ich ja, wofür ich schon mal sparen kann.” Mit einem Schlag war das Programm und die Unterwasserwelt im Indischen Ozean uninteressant geworden. Wie in Zeitlupe drehte sich das Mädchen zu ihrem Freund und starrte ihn mit offenem Mund an. In ihrem Kopf ratterte es. Sie versuchte seinen Satz immer und immer wieder zu analysieren. Wort für Wort. Und immer wieder kam sie auf den gleichen Schluss: Er sagte, er muss dafür sparen. Er! Er spart für ihre Flitterwochen auf Mahé. Die Essstäbchen fielen ihr aus der Hand und ein breites und glückliches Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. In Sekundenschnelle fiel sie ihm um den Hals. Drückte ihre Lippen auf seine. Mamoru wusste, was er da gesagt hatte. Es war ihm auch nicht peinlich. Warum sollte er so etwas nicht sagen. Scheinbar war es auch genau das richtig, denn das Mädchen umklammerte ihn liebevoll und küsste ihn voller Leidenschaft. Er zog sie an sich. Das Essen war jetzt vollkommen egal. Die ganze Welt um ihn herum war egal. Und so hätte alles brennen können und es wäre egal gewesen. Nicht egal war hingegen die Tatsache, dass Usagis Handy plötzlich laut klingelte. Er wusste, was es bedeutete. Wer da anrief. “Dein Handy.”, murmelte er in den Kuss hinein. “Egal.” ”Es ist deine Mutter.” Usagi knurrte und löste widerwillig den Kuss. Angelte nach ihrem Handy auf dem Tisch und ging ran. Mamoru hatte Recht gehabt, wer sie da anrief. Ihr Blick wanderte zur Uhr über der Küchentür. Nach diesem Anruf ihrer Eltern konnte man die Uhr stellen. Genervt ging sie ran: ”Hey Mama! – Ja, ich weiß. Wie soll ich es auch vergessen, wenn du jeden Abend zur gleichen Zeit anrufst. – Ich geh in zehn Minuten los. – Sag Papa in zehn oder ich komm gar nicht. – Dann schließen wir ab und rufen die Polizei. – Acht? Okay, ich geh in acht Minuten los. Bis dann!” “Er hat heute mit sich handeln lassen?”, Mamoru sah sie lachend an. “Jepp. Und ich schwöre es dir, ich werde jeden Tag mit ihm handeln. Solange bis ich sagen kann, dass ich erst am nächsten Morgen heim komme und er dem zustimmt.” ”Wir reden gerade von deinem dreißigsten Geburtstag, Usako oder?” ”Ja ich denke auch.”, sie lachte und stand auf. Zog ihn mit hoch. Das Mädchen sammelte ihren Schulsachen zusammen und steckte sich ihre Haare provisorisch zu zwei Haarknoten zusammen. Es sah nicht besonders ordentlich aus, aber sie wäre nach drei Busstopps ohnehin in zwanzig Minuten zuhause, also war es egal. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie Mamoru die Überreste des Essens in der Küche entsorgte und dann wieder zu ihr kam. Genießend schloss sie die Augen, als er ihr einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte. Folgte ihm dann in den Flur. “Hoffentlich ist es nicht so kalt. Ich hab meine Winteruniform noch im Schrank.” “Du hast doch eine Jacke.”, Mamoru sah sie fragend an. “Ja, aber ich bin doch so eine Frostbeule.” “Verstehe. Ich sehe schon, ich entdecke immer neue Seiten an meiner Usako.” “Oh ja, und du weißt noch längst nicht alles von mir.”, sie schlüpfte in ihre Schuhe und stellte sich auf die Zehenspitzen. Sanft strich sie mit der Hand über seine Wange und küsste ihn liebevoll: ”Ich schreib dir dann.” ”Ich weiß. Komm gut nach Hause. Nicht mit fremden Männern mitgehen.” ”Bestimmt nicht. Ich weiß doch, zu wem ich gehöre.” Mamoru hauchte ihr einen weiteren Kuss auf die Lippen: ”Sag deinen Eltern liebe Grüße. Vor allem deinem Vater.” Usagi kicherte. Sie wusste, was er mit diesem Wink meinte. Noch einmal umarmten sie sich und tauschten Küsse aus, bevor das Mädchen die Wohnungstüre öffnete und auf den Flur der sechsten Etage ging. Das Neonlicht schaltete sich automatisch ein. “Bis morgen, Usako.” ”Bis morgen, Mamo-chan.” Ein letzter Kuss und die Blondine ging beschwingt den Gang entlang in Richtung Fahrstuhl. Sie drehte sich noch einmal um und winkte ihm zu, bevor sie im Aufzug verschwand. Mamoru schloss seine Wohnungstür. Sein Herz raste. So wie immer. Er liebte dieses Mädchen. Und das vielleicht mehr als es für ihn gesund war. Noch ganz in Gedanken humpelte er ins Wohnzimmer zurück. Sein Telefon klingelte. Er wusste, wer das war und ignorierte es. Sein Anrufbeantworter sprang an und er hörte Reis Stimme. Wieder fragte sie, wie es ihm ging. Wann sie sich denn wieder treffen würden. Das sie ihn vermisste. Am liebsten hätte er abgenommen und ihr gesagt, dass er sie in Ruhe lassen sollte. Aber er tat es nicht. Die Zeit, es ihr zusagen, würde schon noch früh genug kommen. Es war kurz nach halb neun, als Usagi ihr Elternhaus betrat. Verführerischer Duft kam ihr aus der Küche entgegen und begrüßte sie schon beim Schuhe ausziehen. Sie hing ihre Jacke auf und rieb sich kurz über die Oberarm. Ihr war unendlich kalt. Im Bus standen fast alle Fenster offen und dank der neuen Technik konnten die Fensterheber nur noch durch den Busfahrer bedient werden. Und scheinbar hatten einige ihrer Mitfahrer enorme Hitze intus, so dass keiner auf die Idee kam, nach der Schließung der Fenster zu bitten. Das Mädchen schüttelte den Kopf darüber und rannte fix in ihr Zimmer, um sich warme Klamotten anzuziehen und gleich die Winteruniform für den morgigen Tag heraus zu legen. Schnell war die allerliebste Jogginghose und ein dünnes, aber langärmliges Shirt gefunden. Sie nahm Luna, die auf dem Bett saß und sie beobachtet hatte, auf den Arm und ging wieder hinunter. Setzte Luna neben ihrem Futternapf ab. In der Küche traf sie auf ihre Eltern und ihren kleinen Bruder. Doch kaum sah Shingo sie, war er auch schon wieder verschwunden. Natürlich nicht ohne noch einmal und ohne ersichtlichen Grund ihr die Zunge heraus zu strecken. Usagi musste zugeben, dass diese Geschwisterbeziehung wirklich nicht die beste war. Aber beide waren es nicht anders gewohnt. Sie hob die Schultern und setzte sich an den Tisch. Sofort stellte ihre Mutter ihr eine Schüssel mit noch fast dampfendem Schokoladenpudding hin. Ein wenig gierig begann das Mädchen zu essen. “Für Nachtisch blieb wohl keine Zeit mehr, was?”, grinste Ikuko. “Nein.”, Usagi schluckte, “Dank Papa konnte ich das ja vergessen.” Der Genannte sah von der Spüle auf: ”Du hättest ja auch schon früher da sein können. Überhaupt finde ich, dass du viel zu viel Zeit mit diesem Mamoru verbringst. Ich dachte, Rei sei aus Kobe wieder zurück.” Mutter und Tochter tauschten vielsagende Blicke aus. Das Mädchen wusste, dass ihre Mutter von der Beziehung wusste. Und sie war ganz begeistert davon. Doch Kenji bekam davon gar nichts mit und fuhr ungehindert fort: ”Außerdem sind drei einer zu viel in einer Beziehung. Und Nummer drei bist du, Häschen. Mir ist es egal, was Reis Großvater zu der Beziehung sagt. Aber du solltest dich da raushalten. Hm? Komm lieber nach der Schule wieder brav hierher oder lerne mit Ami. Dann haben wir auch wieder mehr Zeit für die Familie. Am Wochenende warst du ja auch bei diesem Oberstufenschüler. Ich sag dir eines, Häschen, halt dich da raus. Die Beziehung geht dich nichts an. Am Ende gibts nur wieder Ärger. Ist doch eine gute Idee oder? Hat Papa wieder eine gute Idee, oder nicht?!” Etwas selbstherrlich stand er da. Vollkommen begeistert. Usagi hingegen schob ihre Puddingschüssel von sich: ”Ähm, Papa?” ”Ja?” “Weißt du, deine Idee an sich ist nicht so verkehrt. Nur bin ich nicht die Nummer drei in dieser Beziehung. Das ist Rei. Mamoru und ich sind seit knapp zwei Wochen zusammen. Als Paar. Ich bin seine Nummer eins und er meine.” ”Wie meinst du das?”, er war kreidebleich geworden. Ikuko kam auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Ihr war klar, was gleich passieren würde. Ermutigend nickte sie Usagi zu, fortzufahren. “Wir haben uns ineinander verliebt.” ”Ihr konntet euch nicht leiden.” “Ja. Nein. Also vielleicht lebten wir auch einfach nach dem Motto ‘Was sich liebt, das neckt sich’. Aber die Nachmittage die wir zusammen verbracht haben, waren irgendwie anders. Wir waren alleine. Ganz in Ruhe und nichts gab uns einen Anlass, den anderen zu ärgern oder aufzuziehen. Wir haben uns kennen gelernt.” ”Und habt beschlossen, euch ineinander zu verlieben? Ohne mich zu fragen.” ”Es ist einfach so passiert, Papa.”, die Blondine klang verunsichert. Sah flehend zu ihrer Mutter. “Kenji, Liebling! Uns hat auch keiner gefragt, ob wir uns ineinander verlieben dürfen. Es ist auch einfach so passiert. Und du hast Mamoru doch schon kennen gelernt. Er ist ein netter junger Mann.” ”Aber er ist doch mit dieser Rei zusammen.” ”Er war nie mit ihr zusammen, Papa. Sie hat ihn immer nur um Verabredungen gebeten, weil sie ihn mag. Das ist alles.” In Kenjis Augen sammelten sich Tränen und in Sekundenbruchteilen begann er zu weinen wie ein kleines Kind. Schluchzend klammerte er sich an seine Frau. Er konnte es nicht fassen: Sein kleines Mädchen hatte einen Freund. Traf sich mit ihm. Hielt Händchen mit ihm und tat womöglich noch mehr unanständige Dinge mit ihm. Usagi kam nicht umhin, dass sie die Situation beruhigte. Es war wesentlich einfacher ihrem Vater von ihrer noch geheimen Beziehung zu erzählen und zu beichten, als es bei Rei der Fall sein würde. Sie tauschte einen Blick mit ihrer Mutter aus und schnappte sich den die Schüssel mit dem restlichen Pudding. Ihren Vater würde sie heute nicht mehr fröhlich zu Gesicht bekommen. Ihre Mutter hatte sicher mit Trösten genug zu tun. “Schöne Grüße übrigens von Mamo-chan!”, sprach sie leise. Ihr Vater brachte allein Mamorus Spitzname dazu, laut aufzuheulen. Entschuldigend blickte sie zu ihrer Mama, um dann auf leisen Sohlen in ihr Zimmer zu verschwinden. Luna, die bereits wieder maunzend vor ihrer Türe saß, folgte ihr. Die kleine Nachttischlampe erhellte den Raum in einem Dämmerlich. Weiche kleine Kissen lagen vor dem Bett und die Katze spielte mit einer Maus aus Stoff. Musik dudelte im Hintergrund und eine leichte Brise wehte durch das offene Fenster. Usagi hatte bis eben noch einmal mit Minako telefoniert. Sie und Kiriko waren die einzigen, bei den sie ungehindert über ihre Liebe schwärmen konnte. Wo sie nicht Gefahr lief, dass es heraus kam. Liebend gerne hätte sie noch weiter telefoniert. Ganz egal ob die Uhr bereits zehn Minuten vor elf anzeigte. Morgen hatte sie eh die erste Stunde Ausfall. Ihre Englischlehrerin hatte einen Termin mit dem Direktor und den anderen Lehrern. Sie konnte also locker bis acht schlafen. Allerdings schien ihr ihre Stimme einen Strich durch die Rechnung zu machen. Irgendwie klang sie kratzig und rau. Und das Schlucken tat auch ein wenig weh. Aber sie war so positiv, dass sie sich nichts weiter dachte und gerade nach ihrem Handy griff, als es an der Tür klopfte. Überrascht blickte sie auf, als ihre Mutter den Kopf herein steckt: ”Darf ich?” Usagi nickte nur. Ikuko kam zu ihrem Bett und setzte sich ans Fußende. Unschlüssig sah sie sich im Raum um. “Mama?” ”Hm?” ”Hat sich Papa wieder beruhigt?” ”Ja.”, sie lächelte, “Ich wollte dich mal was fragen, Liebling.” Neugierig blickte das Mädchen ihre Mutter an. “Du und Mamoru also.” ”Ja.” ”Ich muss sagen, dass ich ihn ganz reizend finde. Aber ich hab da eine Frage an dich.” Leicht panisch blickte Usagi sie an. Hoffte innerlich, dass ihre Mutter jetzt nicht mit einem Aufklärungsgespräch um die Ecke kommen würde. Das Thema kannte sie seit dem letzten Schuljahr und ihrem Biolehrer nun schon in- und auswendig. Plus Zusatzmaterial aus diversen Mädchenzeitschriften. “Ähm, Mama. Ich kenn mich da schon aus.”, stotterte sie mit einem leichten Rotschimmer um die Nase. Und im Stillen dachte sie sich, dass das Mamoru sicher auch tat. Immerhin war er drei Jahre älter als sie. Bestimmt hatte er sein erstes Mal schon hinter sich. “Liebling?” “Was?”, erschrocken fuhr sie aus ihren leicht unanständigen Gedanken auf. “Das meinte ich nicht. Ich weiß, dass du den Aufklärungsunterricht schon hinter dir hast. Es wurde beim Elternabend im letzten Schuljahr diskutiert. Was ich fragen wollte, war eher was anderes. Ich meine, du bist jetzt mit Mamoru zusammen. Und Rei war doch in ihn verliebt. Glaub mir, ich will nicht neugierig sein. Aber wie hat sie es aufgenommen?”, erwartungsvoll sah Ikuko ihr Kind an. “Naja, also weißt du. Rei weiß es noch nicht.” ”Was?” ”Wir kamen noch nicht dazu, es ihr zu sagen. Ich hab dir doch davon erzählt, wie Mamoru und ich uns geküsst haben und am Abend dann Rei vor seiner Tür stand.” Ihre Mutter nickte. “Am Sonntag haben Mamo-chan und ich dann telefoniert und einen Plan ausgeheckt. Koba-kun und Kiri-chan sind eingeweiht. Genauso wie Motoki und Mina.” In kurzen Worten erzählte ihr Usagi von dem Montag im Crown. Davon wie sie sich mit Rei gestritten hatte und von dem Plan. Einschließlich der seltsamen Versöhnung mit ihrer Freundin heute Nachmittag im Park. Anschließend schaute Ikuko sie nur sprachlos an. “Und, was denkst du?” ”Hm, also auf der einen Seite ist euer Plan sicher nett und lieb gemeint. Aber ihr müsst den anderen und vorallem Rei sagen, was los ist. Was das zwischen euch ist.” “Ich weiß. Aber sie wird uns umbringen.” ”Nein. Sie wird nur stocksauer sein und vermutlich nicht mehr mit euch sprechen.” ”Was genauso schlimm ist.” “Stimmt.”, ihre Mutter lachte leise, “Trotzdem müsst ihr es Rei sagen. Und schiebt es nur nicht auf die lange Bank.” “Okay.”, das Mädchen musste husten. Sie bemerkte den besorgten Blick ihrer Mutter auf sich ruhen. “Alles okay, Liebes?” “Ja. Mein Hals kratzt nur ein bisschen. Nicht weiter schlimm.” Ikuko hob ihre Hand und legte sie auf die Stirn ihrer Tochter: ”Du fühlst dich ein wenig warm an.” ”Ach, bis morgen ist das weg. Ist sicher nur wegen dem Wetter. Erst warm und sonnig und dann kalt und verregnet und heute wieder super Wetter aber kalt. Morgen zieh ich meine Winteruniform an.” “Ja, dass ist wohl das beste. Na gut. Ich geh auch mal ins Bett. Schreib nicht mehr so lange mit Mamoru. Gute Nacht.”, Ikuko erhob sich und gab ihrem Kind einen Kuss auf den blonden Haarschopf, bevor sie zur Tür hinaus ging. Erleichtert atmete Usagi aus. Neuerlich nahm sie sich ihr Handy. Jetzt würde sie noch ein wenig mit Mamoru schreiben. Mamoru schaltete gerade das Licht im Schlafzimmer aus, als sein Handy neben ihm sich meldete. Er wusste sofort, wer ihm da um diese Zeit eine Nachricht schrieb. Freudig löste er die Tastensperre und las die Zeilen: ”Hey Mamo-chan! Tut mir leid, dass ich erst jetzt schreibe. Hab noch mit Mina telefoniert und dann wollte meine Mama noch über uns reden.” “Über uns? Bienchen und Blümchen?” “Nein, das zum Glück nicht. Da weiß ich schon Bescheid.”, kurz wurde sie rot, als sie diese Worte in ihr Handy tippte. Aber andererseits konnte er ja ruhig wissen, dass sie theoretisch wusste, wie das alles ging: “Sie wollte wissen, was Rei zu uns beiden sagt.” “Du kennst dich aus? Ich weiß nicht, ob mich das beruhigen soll?! Hehe...Sie weiß es doch noch gar nicht.” “Baka!” “Danke. Also, was hast du deiner Mutter gesagt?” “Das sie es noch nicht weiß. Mama meint, wir sollten es ihr bald sagen. Mehr als das sie nicht mehr mit uns spricht, kann ihrer Meinung nach nicht passieren.” “Hat sie Recht! Aber mach dir nicht so viele Gedanken drum. Der richtige Moment wird kommen.” “Bestimmt! Und jetzt werd ich schlafen. Ich hab ein bisschen Halsweh und Husten.” “Armer Mondhase! Dann ab ins Bett und Augen zu. Schlaf gut und träume süß!” “Du auch. Ich liebe dich, Mamo-chan!” “Ich liebe dich auch, Usako!” Usagi hauchte einen Kuss auf das jetzt dunkle Display ihres Handys. Dann kuschelte sie sich unter ihre Decke. Luna sprang zu ihr und rollte sich am Fußende des Bettes zusammen. Das Mädchen warf einen letzten Blick auf das Bild mit vier kleinen Fotos, dass neben ihrer kleinen Nachttischlampe stand und sie und Mamoru zeigt. Die hatten sie am Wochenende in Shibuya in einem Fotoautomat gemacht. Sie lächelte, als sie das Licht ausmachte und sorgenfrei die Augen schloss. Morgen würde sie ihn wiedersehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)