V-M4: A Long Way Home von Morbilli (Virus M4 - Ryan & Vik) ================================================================================ Prolog: Virus M4 ---------------- Ein Jahr ist nun seit dem Ausbruch des Virus Morbilli 4 vergangen, der sich rasend schnell in der Stadt Radisson und der ganzen USA, nein sogar auf der ganzen Welt verbreitet hat. Als anfängliche Grippe unterschätzte man die Krankheit, doch als man merkte, dass es sich nicht um eine normale Erkältung handelte, war es für Gegenmaßnahmen schon zu spät. Tückisch gaukelt der Virus in seiner ersten Phase vor, er wäre harmlos: Husten, Schnupfen, Fieber und Übelkeit war nichts, was man noch ernst nahm. Erst eine Woche später zeigt er sein wahres Gesicht: rote, juckende, schmerzende Stellen, die den Körper befallen, sich dabei unterschiedlich schnell ausbreiten und den Körper von innen bis auf die Knochen zerfressen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, greift es zusätzlich das Gehirn an, sodass die Infizierten, wenn sie denn noch lang genug leben, den Wahnsinn verfallen und triebhaft nur noch auf die Befriedigung ihres eigenen Grundbedürfnisses, des Überlebens aus sind. Auch wenn scharfe Zungen von 'Zombies' reden, es sind doch nur kranke Menschen, welche sich nun lichtempfindlich in die Dunkelheit zurück ziehen und nicht etwa untot über den Friedhof wandeln. Jeder dieser Menschen wird daran früher oder später sterben und ist noch immer so verwundbar wie alle anderen Gesunden. Doch den Kontakt sollte man meiden, da sich der Virus so leicht durch eine Tröpfcheninfektion übertragen lässt. Auch die Regierung in der Großstadt Radisson im Südosten der USA, das nahe dem Fluss Flatrock Creek liegt, war machtlos bei einer solch leichten, rasanten Ausbreitung und war sogar nach einigen Wochen selbst zum Großteil betroffen. Die fehlende Befehlsgewalt, die die verängstigte Bevölkerung nicht mehr beruhigen konnte, war ebenso spürbar wie das versagen der öffentlichen Dienste. Als die U-Bahn still stand, war auch das trügerische, normale Leben zusammengebrochen. Zudem wurden die Supermärkte und Apotheken nicht mehr beliefert, was anfänglich zu Hamsterkäufen führte und schließlich in Plünderungen endete. Auch Krankenhäuser wurden ohne Rücksicht ausgeraubt. Jeder wollte für sich und seine Liebsten die nötigsten Sachen für diese Katastrophe in seinen Besitzt wissen. So zogen auch die braven Bürger und besorgte Familienväter los, als sich die Müllberge häuften, das Essen knapp wurde, es kein Strom und fließendes Wasser mehr gab, um sich der Meute anzuschließen. Wie alle anderen auch, war die Polizei und auch das Militär gleichermaßen von Krankheitsausfällen geschwächt und kam nicht gegen den Ansturm der verängstigten und auch wütenden Bevölkerung an. Wie so oft wurde der Regierung die Schuld gegeben, da diese nicht schnell genug gehandelt hatte. Bevor der wütende Mob im Regierungszentrum ankam, evakuierte das Militär die verbliebenen Beamten und brachten sie zum Militärstützpunkt in Radisson. Ebenso wurden priorisierte Teile der Zivilbevölkerung wie Wissenschaftler und Ärzte dorthin evakuiert. Der Rest der Bevölkerung blieb vorerst auf sich allein gestellt, während das Militär den Notstand ausrief und versuchte die Versorgung der Evakuierungszone sicher zu stellen, die eigenen Truppen zu stärken und zu überlegen wie man mit den Infizierten umgehen sollte. Sollten sie die Seuche ausrotten oder weiter auf Quarantäne und Heilmittel hoffen? Die Uneinigkeit darüber und auch wie man mit dem Rest der Bevölkerung umgehen sollte, brachten viele Soldaten dazu zu desertieren. Diejenigen, die treu zum Eid standen, wurden in kleinen Einheiten in die Stadt geschickt, um Informationen zu sammeln und auch weitere Stützpunkte unter anderem am Crows Stadion, Krankenhaus, Universität oder Fabriken zu sichern. Das erwies sich jedoch als hochgradig gefährliche, wie auch fast aussichtslose Mission. In dem vergangenen Jahr, indem die Einwohnerzahl von 1.500.000 auf 250.000 fiel, von denen noch immer 150.000 infiziert sind, versuchte jeder verbliebene Bürger auf seine Weise zu überleben. Viele 'Streuner' verstecken sich vor anderen Menschen aus Angst infiziert oder wegen seinen Habseligkeiten ermordet zu werden. Andere spezialisierten sich auf Tauschgeschäfte, suchten nach Kleidung, Waffen, Zigaretten und anderem, was sie gegen Nahrung und Wasser eintauschen konnten. Aber recht schnell hatten sich Gruppen von Menschen zusammen geschlossen, die versuchten ihre Ressourcen und Gebiete mit allen Mitteln zu verteidigen. Sie stellten eigene Regeln und Gesetzte auf, setzten diese innerhalb ihrer 'Gangs' erbarmungslos durch. Einzig was zählte war das Überleben. Nicht selten wird ihr Gebiet mit Graffiti oder ähnlichem als Warnung für Außenstehende kenntlich gemacht, doch immer wieder kommt es zu Bandenkriegen, Auslöschung und Gründung neuer Gruppen. Besonders die Laughing Demons haben sich für ihre Brutalität einen Namen gemacht, wo sie doch einige Ex-Häftlinge des nahegelegenen, nun leerstehenden Gefängnisses als Mitglieder haben. Die meisten Gangmitglieder sind der Willkür ihrer Anführer und Bandenbrüdern und -Schwestern ausgeliefert, sodass es noch immer viele Menschen gibt, die versuchen alleine in dieser Stadt mehr oder weniger erfolgreich zu überleben. Auch diese Geschichte erzählt von zwei Personen, die nur versuchen in dieser Stadt voller rücksichtsloser Gangs, wahnsinnigen Infizierten und anderen Gefahren zu überleben. Auf der Suche nach Nahrung und einen sicheren Platz kreuzen sich ihre Wege und doch ist unklar, was sie voreinander zu befürchten haben. Kapitel 1: Die Krähen --------------------- Tief in den eigenen Gedanken versunken schlenderte Ryan unbedacht durch die leeren Gassen der einstmals prächtigen Stadt Radisson. Vieles hatte sich geändert, seit der Virus gut Zweidrittel der Bevölkerung ausgelöscht hatte. Unverwandt sah er auf, als er die ersten wärmenden Lichtstrahlen der frühen Morgensonne auf seinen Gesicht spürte und ihn aus seinen Gedanken rissen. Es war eine weitere Nacht gewesen, die er kaum geschlafen hatte, was man ihm wohl auch deutlich ansah, aber auch ein weiterer Tag den er überlebt hatte. Seine müden Augen klärten sich auf, als er einen Gegenstand auf einem der kleinen Hinterhöfe sah. Mit einem kurzen Spurt hob den mitgenommenen Basketball auf, kaum noch mit genug Luft gefüllt, das er noch hoch springen könnte. Dennoch ließ er ihn einige Male hüpfen, ehe er ihn auf einen niedrig angebrachten Korb warf. Wahrscheinlich war dieser für die kleineren Kinder, die hier früher eventuell gewohnt hatten, angebracht worden. Er holte den Ball erneut und warf ihn noch einige Male. Beinahe konnte er das Lachen der Kinder hören, das hier wohl schon lange nicht mehr ertönte... Ein trauriges Lächeln ließ sich auf seinem Gesicht blicken, ehe er inne hielt. Ryan hörte Schritte und fremde Stimmen. Irgendjemand war in der Nähe... Er verfluchte sich selbst für den Krach, den er wohl gemacht haben musste und rannte auf die Front des Reihenhaus dem er gegenüberstand zu. In diesen Zeiten war es immer besser Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Mit leichtem Druck brach das Schloss der maroden Tür, die wohl schon vor dem Ausbruch nicht die neuste gewesen war. Hektisch stahl er sich hinein und drückte sich nahe der Tür an die Wand, sein Atem ging nun schneller und von seiner vorangegangenen Müdigkeit war nun nichts mehr zu merken. Ryans schwerer Atem wirbelte Staub von der Wand, an die er sich gepresst hatte. Er versuchte angestrengt sich wieder zu beruhigen und das Adrenalin aus seinem Körper zu vertreiben, wobei er in seinem aktuellen Zustand nur seinen eigenen Herzschlag in seinen Ohren pochen hörte. Während eine Hand geistesabwesend mit dem Feuerzeug in seiner Jackentasche spielte, atmete er tief durch, dies beruhigte ihn meist. Nach und nach spürte er, wie sein Puls weniger stark pochte. Nun lauschte er angestrengt, doch alles blieb ruhig. Hatte er sich die Personen, die sich ihm aus der Gasse näherten, nur eingebildet oder hatten sie doch einen anderen Weg eingeschlagen? Möglich wäre es, nicht jeder war in diesen Zeiten so neugierig und bewegt sich auf jeden Krach zu... Ryan zuckte innerlich zusammen, sah sich zögernd in dem Raum um, in den er gestürmt war. Vielleicht war ihm doch noch etwas Glück geblieben, dass er bei solch einem unbedachten Vorgehen noch immer am Leben war, schoss es ihn durch den Kopf. Seine Augen, die sich noch nicht an die vorherrschende Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannten in diesem Raum einen kleinen Flur. Eine kleine verstaubte Jacke hing an einem der Haken, die angebracht waren, vielleicht von einem der Kinder die gegenüber vor Zeiten gespielt hatten. Sonst sah er wenig spektakuläres. Eine Hintertür schien auf eine andere Straße zu führen, das Treppenhaus war brüchig und es klaffte ein großes Loch zur zweiten Etage wo es komplett kollabiert war. Er durchschritt den Flur, um die Hintertür zu überprüfen, aber diese war verschlossen und eindeutig neuerer Art als die Haupttür, nicht undurchdringbar, aber einem Hindernis. Daher ging Ryan zurück und prüfte die ersten Stufen der Treppe, die noch vorhanden waren. Abschätzend ließ er seinen Blick über den klaffenden Spalt wandern. Der Sprung schien ihm möglich, aber war er das Risiko wert? Er wollte es wagen und so zuckte er zusammen, seine Beine spannten sich instinktiv an, er gingen leicht in die Hocke, aber plötzlich hielt er doch inne. Hatte er einen Haaransatz oben im Flur gesehen? Oder spielten ihn seine Augen, die sich noch nicht vollends an die Dunkelheit angepasst hatten, einen Streich? Ryan strengte seine Augen an, was er vor einigen Augenblicken noch dachte als Haaransatz zu erkennen, hatte sich nun bereits in Luft aufgelöst. Aber irgendetwas war dort gewesen, wo jetzt nur noch staubige Luft war. Ein kleines Tier eventuell? Momente, die Ryan wie eine Ewigkeit vorkamen, verstrichen, währen er wie angewurzelt am Fuße der Treppe stand und lauschte. Ihm war als würde er ein leises Knarzen vernehmen. Seine Hand wanderte wieder unbewusst in seine Jackentasche. Ginge er vom Worst Case aus, dann hielt sich dort oben ebenfalls jemand auf und draußen musste er davon ausgehen in diejenigen zu laufen, vor denen er in diesem Gebäude Schutz gesucht hatte. Zu viele unbekannte Variablen nach Ryans Geschmack. Wenn oben jemand sein sollte, musste dieser von Ryans Anwesenheit wissen, bei dem Krach den er veranstaltet hatte, und dennoch wurde er bisher nicht angegriffen als er einige unachtsame Chancen bot. Gedankenverloren schüttelte er den Kopf, die Straßen sah er derzeit als zu unsicher an. Mit etwas Anlauf sprang er über den Spalt, bekam die Stufe dabei zu packen und zog sich unter einem Schnauben hoch. Gerade als er sich aufrichtete, brachen zwei weitere Stufen hinter ihm und mit einem kleinen Satz landete Ryan, dem ein Fluch entglitt, unsanft in der nächsten Etage. Stöhnend richtete er sich auf, klopfte sich den Staub von der Kleidung und zog sich einen Splitter aus der Handfläche. Spätestens jetzt wusste wohl jeder von seiner Anwesenheit. Spontan viel ihm auf, das Spuren in der dünnen Staubschicht darauf hindeuteten, dass sich hier oben vor kurzem jemand aufgehalten hatte. „Hey?!“, sein Ruf war verhalten, grade laut genug ihn in den angrenzenden Räumen zu hören. „Ich bringe keine Probleme, ich suche nur Schutz vor den Leuten auf der Straße.“ Er ging nun leicht gehockt in Richtung des Wohnzimmers, vielleicht waren die Spuren doch schon älter, trotzdem lohnte es sich wohl immer bereit zu sein. „Ich bin unbewaffnet, von mir geht keine Gefahr aus.“ Wie viel sein Wort in der heutigen Zeit wert war und das von jedem Menschen eine gewisse Gefahr ausging, dem war Ryan sich durchaus bewusst. Dennoch schlich er weiter durch das Wohnzimmer, bis er an eine Tür ankam. Den Türgriff schon mit einer Hand hinunterdrückend, fuhr er zusammen als er die Stimme auf der anderen Seite hörte. „Komm ja nicht hier rein oder du bist tot!“, schallte es nervös aus den anderen Raum. Den Türgriff ließ er los und ließ sich an der Wand neben der Tür zu Boden gleiten, so bot er wenigstens kein Ziel, sollte die Person auf die Idee kommen durch die Tür zu schießen. Das Risiko zu rufen hatte sich für ihn bewährt, wage Vermutungen waren für Ryan immer noch besser als gar keine Information. Anscheinend war die andere Person ebenfalls an keinem Konflikt interessiert. Gefährlich konnte sie für ihn dennoch sein. „In der Küche sind Konserven, hol' dir ein paar und hau' ab“, ergänzte die fremde Person mit Nachdruck. Ryan versuchte sie zu beschwichtigen: „Okay, okay. Ich komm nicht rein, keine Sorge. Sterben steht auf meinen Tagesplan für heute nicht geschrieben.“ Konserven in der Küche und die Person ging einem Konflikt aus dem Weg? Anscheinend war er in ein Rückzugslager oder einen Schlafplatz rein gestolpert. Ryan kaute auf seinen Lippen herum, das Bedürfnis seine Hand wieder in die Jackentasche zu stecken unterdrückte er. Es könnte jetzt alles zu schnell, zu überstürzt geschehen. „Nettes Angebot mit den Konserven, danke. Ich werde darauf zurückkommen. Aber mit dem Verschwinden meinerseits muss ich dich fürs erste enttäuschen. Irgendjemand war gerade auf der Straße vielleicht auch mehrere, denen will ich ungern in die Arme laufen“, rief er der Person im anderen Raum zu, als er innehielt. Was wenn die Leute draußen zu einer Gang gehörten und dies hier nicht nur ein Schlafplatz war, sondern das Lager dieser Gang? Dann säße er nun so oder so in der Falle. Seine Lippen bewegten sich zu einem lautlosen Fluch. „Ja, ich weiß“, ertönte es von der anderen Seite und so blieb im unklaren, ob die Person zu den Leuten gehörte. „Ist hier noch jemand im Haus? Sonst würde ich vorschlagen du bleibst in deinem Raum und ich bleib hier in meinem. Zumindest bis sich die Lage draußen wieder beruhigt hat“, sagte Ryan. Nach einer kleinen Pause kam eine Antwort: „Ich bin allein und hoffe, das es so bleibt. Um die Mittagszeit will ich hier weg sein.“ Seine Muskeln entspannten sich zusehends, nicht das er aus der Gefahrensituation raus wäre. Derjenige auf der anderen Seite, war anscheinend auch alleine und wollte hier weg, also immerhin kein Bandenlager. Natürlich, die Möglichkeit das dies eine Farce war, um ihn zu beschwichtigen bis seine Kumpel hier waren, bestand, doch Ryan ordnete sie als geringer ein. Irgendetwas an der Stimmlage verriet ihm, dass die andere Person in diesem Punkt nicht log. „Danke für die Ehrlichkeit“, sprach er mit leiserer Stimme, der merklich ein Teil der Anspannung genommen wurde. „Ich werd‘ mich nun etwas umsehen. Ich würde dir ja gern vollends glauben, dass du hier alleine bist... Aber hey, die Welt hat sich seit einiger Zeit in ein ziemliches Drecksloch verwandelt was?“ Wieder dauerte es ein wenig, bis die Person etwas nervös stotternd erwidert: „O... Okay, tut dir keinen Zwang an.“ Um sich wieder aufzurichten stützte Ryan sich an der Wand ab, als ihn ein spitzer Schmerz durchfuhr. Kurz betrachtete er sein linkes Handgelenk. Scheinbar war der Sturz doch etwas unglücklicher gewesen als er es zuerst angenommen hatte. Danach schlich er durch einige der übrigen Räume und vergewisserte sich grob, dass sich keine weitere Person auf dieser Etage aufhielt. In der Küche hielt er inne und nahm sich eine der Konserven. Vielleicht war dies doch ein Schlafplatz, in den er hineingeraten war. Der Vorrat an Konserven war kein Fort Knox, aber doch in einer Größe, die man in der heutigen Zeit selten antraf. Sein Magen unterbrach ihn, denn selbst gegessen hatte er schon zwei Tage nicht mehr so üppig. Langsam ging er zu der Tür zurück, wollte er doch ungern seinen Rücken längere Zeit dieser potenziellen Gefahr zuwenden, und öffnete dabei eine Dose kalter Nudeln. „Ziemlich netter Vorrat, sicher das du nicht noch ein paar von denen einpacken willst bevor du verschwindest?“, sprach er im gehen, seinen Blick auf die Konserve gerichtet. Ryan ließ sich wieder auf seinem Platz neben der Tür nieder. Danach fing er an sich genüsslich den Inhalt der Dose einzuverleiben. Wie wenig voraussehbar die Tage heutzutage waren... Er lehnte seinen Kopf zurück gegen die Wand, horchte nach Geräuschen, Wer weiß ob die andere Person sich nicht aus dem Staub gemacht hatte? Sie schien sich jedenfalls auf das lautlose Fortbewegen zu verstehen. „Ein paar Dosen hab ich eben eingepackt. Aber wenn man einmal eine kranke Ratte im Haus hat, dauert es nicht lang bis die nächsten kommen. Ich nehm‘ lieber die mit die ich habe, bevor ich das Risiko eingehe zu verrecken“, kam es als Antwort mit scharfen Unterton. Bei dem Vergleich zu einer kranken Ratte verzog er ein wenig das Gesicht, schüttelte lächelnd den Kopf, als ihm klar wurde das seine Mimik wohl für niemanden ersichtlich war. Er schlang den restlichen Inhalt der Konserve hinunter, wog die leere Dose etwas in den Händen, ehe er noch den verbliebenen Sud trank. Früher war ihm dieser Saft verabscheut, aber in Ernstfällen durfte man nicht wählerisch sein und nehmen was man kriegen konnte. Danach zog er sich seinen Rucksack von den Schultern, um ihn vor sich zu stellen, wühlte kurz in dem nur knapp gefüllten Gepäckstück, ehe er eine stramme Wickel aus einem Erste Hilfe Paket herausfischte. Viel war nicht mehr von dem Köfferchen übrig, was er damals beim Militär zum Abschluss seiner Sanitätsausbildung bekam. Seine Gedanken drifteten zu dieser fern erscheinenden Zeit zurück, während er sein Handgelenk verband, um ihn etwas zusätzliche Stabilität zu geben. Kein Zuckerschlecken damals, aber wenigstens war die Welt dort noch in Ordnung gewesen. Die Stimme von nebenan riss ihn aus seinen Gedanken: „Da dieses Haus nun für mich gestorben ist mache ich dir ein Vorschlag: Du nimmst dir einige Dosen und verschwindest. Dann nehm‘ ich mir noch welche und gehe ebenfalls. Vermutlich werden wir nicht alle mitbekommen, wenn du morgen wieder kommen willst, steh ich dir nicht im Weg“, ertönte es noch immer deutlich unruhig. „Erstmal, die kranke Ratte verbiet‘ ich mir, ich bin weder das eine noch das andere. Dein Vorschlag klingt dennoch gut, nur mit dem schnellen Verschwinden muss ich dich erst mal noch enttäuschen. Aber als Kompromiss verspreche ich dir nicht wieder hier her zu kommen. Ich bin quasi nur auf einer Sight-Seeing-Tour durch die schöneren Viertel. Ich schein‘ nur irgendwie den Tourguide verpasst zu haben“, er lachte leise ehe er mit ernster Stimme fortfuhr, „nicht das mein Wort heutzutage irgendetwas wert wäre... Da du mir recht vorsichtig erscheinst, tut es mir Leid dir ein so gut gefülltes Lager durch mein ‘reinplatzen zunichte zu machen, schade drum.“ „Ich werde mir schon was neues suchen oder das Haus in einigen Wochen noch mal ausspähen. Bisher wurde es ja auch nicht gefunden. Ansonsten überlasse ich es dir gern“, sagte der Unbekannte etwas sanfter, dennoch lag etwas bitteres darin. „Danke, und da sag noch wer die Welt ist schlecht geworden, früher hab ich keine Häuser geschenkt bekommen, aber ich glaub‘ ich passe da lieber“, erwiderte Ryan. Beiläufig prüfte er sein Handgelenk und war zufrieden mit seiner Arbeit, die Beweglichkeit war kaum eingeschränkt und dennoch gab es ein gewisses Maß an Unterstützung. Wahrscheinlich war es eh nur leicht überdehnt. Sein Kopf ruhte weiterhin an der Wand, während er seinen Blick abwesend über die Decke schweifen ließ. Seine Gedanken drifteten ebenso ab wie sein Blick. Seine Lieder flatterten leicht, wurden ihm schwer. Verdammt, anscheinend war das letzte bisschen Adrenalin verraucht, aber jetzt die Aufmerksamkeit schleifen zu lassen wäre ein tödlicher Fehler... Der Soldat zwang sich wach zu bleiben, schüttelte die Müdigkeit vorerst wieder ab. Währenddessen setzte die Person von neben an zögerlich nun doch das Gespräch fort: „...Al... also, du bist hier nur auf der Durchreise? Dann solltest du dich aber vor den Nebelkrähen in Acht nehmen. Nachts können hier schon mal welche durch kommen. Die Grenze zum Stadtpark ist zumindest etwas sicherer. Dort gibt es nicht viel zu holen.“ Verdammt das hier war das Gebiet der Nebelkrähen? Ausgerechnet eine der größeren Gangs, die schon fast seit dem Ausbruch existiert... Die meisten Gangs zerfielen ebenso zügig wie sie aus dem Boden gestampft wurden, aber von den Nebelkrähen hörte Ryan schon immer irgendwelche Informationen, wohl eine der einflussreichsten Gangs. Vielleicht hielten die beiden sich ausgerechnet in einem Zwischenlager von den Krähen auf? Beängstigende Vorstellung... „Wir sind also in ihrem Gebiet? Danke für den Tipp, ich werde mich hüten... Du hältst dich hier in der Gegend auf? Du scheinst gut Bescheid zu wissen über die Umgebung.“ Von den kleinen Gruppen ging schon genug Gefahr aus, aber einer der großen Gangs wollte er wirklich nicht in die Arme laufen. „Nein, hier am Rande vom Zentrum sind wir noch nicht drin. Das beginnt weiter südwestlich, hinter den Museen vor den Wohngebieten im Evans-Viertel, soweit ich weiß. Ich sehe hier nur öfters einige durchlaufen. Naja öfters ist übertrieben, aber morgens lassen sie ihre Deckung etwas fallen, wenn sie auch müde werden. Zumindest vermute ich das stark. Ich komme hier nur wegen dem Essen her. Alle Dummköpfe halten sich bei dem Einkaufszentrum auf und locken gleichzeitig die Krähen an, aber da ist schon lange nichts mehr zu holen. Die Häuser am Stadtrand sind aber viel interessanter, wenn es um Essen geht. Fragt sich nur, wie lange das so bleibt. Bisher war ich nur im Osten der Stadt“, plapperte der Fremde nun. Ryan versuchte sich die Informationen über die Situationen hier im Viertel einzuprägen, waren es doch für ihn unglaublich wertvolle Informationen, ebenfalls sah er keinen Grund wieso sein Gegenüber ihn in diesem Punkte anlügen sollte. Vielleicht sollte er sich bei Gelegenheit eine Karte besorgen, war sein eigener Orientierungssinn doch nie wirklich ausgeprägt gewesen. Sein Gegenüber schien solche Sachen durchaus überlegter und strukturierter anzugehen als er es mittlerweile tat, früher war dies bei ihm auch noch anders. Ein trauriges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er die Bemerkung zum Einkaufzentrum hörte. Er selbst hielt sich dort einige Zeit in der Tiefgarage auf, als es seinem Bruder nicht mehr möglich war sich durch die Gassen zu schleichen. Die Beschreibung stimmte auffallend, hatte er doch nur überlebt weil die beiden einen Schlüssel zu eine der Privatgaragen gefunden hatten. „Manche haben vielleicht keine andere Wahl...“, flüsterte er leise, kaum hörbar und schluckte schwer. Verdammt keinen Grund die Fassung zu verlieren, noch etwas was er nicht gebrauchen könnte. „Wie ist dein Name? Ich würd‘ gern wissen mit wem ich spreche“, fragte Ryan interessiert. Er wurde das Gefühl nicht los das er mit einem 19 Jährigen Zahnspanngenträger sprach, die Unsicherheit die man heraushörte und die Stimmlage sprachen dafür. Jedoch war auch ein 19 Jähriger mehr als gefährlich, er hatte bereits schon Kinder nicht älter als 12 gesehen die mit Pistolen durch die Straßen zogen. „Ich will den Anfang machen: Ich bin Ryan, freut mich dich kennen zu lernen.“ Nach kurzem zögern stellte auch die Person sich vor: „Mein Name ist Vik“, sagte sie freundlich. „Es freut mich ebenfalls.“ „Vik? Viktor?“, fragte Ryan nochmals nach. „Ja, Viktor ist richtig. War wohl nicht schwer zu erraten, was?“, das Lächeln war dabei fast schon hörbar. Unnötigerweise zuckte Ryan auf seiner Seite der Tür mit den Schultern. „Viktor war das einzige was mir in den Sinn kam, bei dem Spitznamen“, erklärte er. Erneut schloss er seine Augen, konnte er gerade nichts auffälliges hören und hoffte das die Situation bald vollends entspannte. „Umso weiter vom Einkaufszentrum weg, desto ruhiger wird‘s in der Gegend hier also?“, versuchte er das Gespräch wider aufzunehmen. Er sollte sich bald nach einem Lager umschauen, sobald die Luft wieder rein war. „Nicht unbedingt. Die Menschen sind unberechenbar geworden und einige Gangs versuchen stetig ihr Revier zu vergrößern. Meiner Meinung nach kann man das aber für die nächsten Tage oder Wochen wohl behaupten. Ausruhen würde ich mich hier aber nicht zu lange, weil das gefährlich werden könnte. Wer hungert und etwas zu essen findet, der fragt nicht, sondern greift sofort an. Zumindest hab ich das so beobachtet. Kommst du aus einem anderen Viertel? Ist es da besser?“, fragte Vik leicht hoffnungsvoll. Er ließ seine Gedanken hinter seinen geschlossenen Liedern fahren, zurück in die Vergangenheit in die er sich nur allzu gern jedes mal verlor. „Aufgewachsen bin ich in Evans-Viertel, aber zur Lage kann ich wenig sagen. Ich war außerhalb stationiert. Wir wurden kurz bevor der Virus ausbrach zurückbeordert, als ich ankam nahm das Chaos schon seinen Lauf.“ Ein Seufzen entrann seiner Kehle. Noch ehe der Trupp, dem Ryan damals noch angehörte, die Stadtgrenzen vor einem Jahr erreicht hatte, starben bereits zwei seiner Kameraden, ohne das er auch nur den Hauch einer Chance gegen den damals noch unbekannten Virus hatte. Als die kleine Einheit feststellen musste, dass die Regierung augenscheinlich nicht mehr existierte, flüchteten einige, der Rest wurde von zahlenmäßig überlegenden Gangs aufgrund der Waffen die sie mitführten überwältigt. Wieder spielte seine Hand mit dem Feuerzeug in seiner Tasche und Ryan rang einige kurze Momente mit sich, bevor er weiter erzählte: „Seither streif‘ ich durch die verschiedenen Gebiete, leider ähnelt sich das Bild was man überall antrifft ziemlich.“ Deswegen lebte er wohl auch noch, ständig in Bewegung, nur unterbrochen von der kurzen glücklichen Familienzusammenkunft. „Auch wenn ich damit eventuelle Hoffnungen...“ „– Was zum...?!“, schrie Vik plötzlich entsetzt. Von Vik unterbrochen sprang Ryan erschrocken hoch, als er den Ausruf von nebenan hörte, drückte die Türklinke runter, blieb jedoch im offenen Türrahmen stehen, während die Entwarnung erklang. „Alles ok“, sagte Vik schnell beruhigend, aber dennoch hörbar unsicher und plapperte dann weiter darauf los: „Sind nur die Vögel, die Schutz vor dem Regen suchen.“ Trotz der Beschwichtigung schlug sofort die Tür zwischen ihnen auf und reflexartig nahm Vik die beiden Dolche abwehrend hoch. Geschockt und wild entschlossen im Notfall auf die auftauchende Person loszugehen, starrte Vik Ryan an. Dieser hob seine Hände mit den Handflächen nach außen vor seine Brust, als er sie mit den Dolchen in den Händen hinter dem Bett ausmachte. „Hey Viktor... Cool bleiben, das war nur ein dummer Reflex meinerseits.“ Beim Anblick seines Gegenüber fiel es ihm schwer den Namen Viktor noch als die Wahrheit anzusehen, wollte es aber erstmals dabei belassen. Auch wenn das Mädchen, das scheinbar Anfang Zwanzig war, mit den knapp kinnlangen, schwarzen Haaren und weiten Klamotten es zu vertuschen versuchte, konnte man ihr die Scharade nicht abnehmen. Ryan ging einen Schritt rückwärts mit der Absicht ein bisschen weniger bedrohlich zu erscheinen, seine Hände weiterhin sichtbar vor sich gehalten. Ihm war der effektive Nahkampf gegen Messer, auch wenn man unbewaffnet war, durchaus gelehrt worden. Jedoch galt Ryan eher als keine Koryphäe in diesem Gebiet und selbst bei denen hieß ein Nahkampf gegen ein Messer immer noch, mitunter schwere Verletzungen auf beiden Seiten. „Vik... komm schon, nichts weiter geschehen, außer das wir unsere Gesichter nun kennen. Ich kann die Tür auch wieder zumachen, wenn dir das lieber ist. Kein Grund zu weiteren überstürzten Handlungen oder? Eine reicht denke ich...“, versuchte er sie zu beruhigen. Sie ließ die Waffen etwas sinken und erholte sich etwas von dem Schreck. Noch immer war sie blass und nur zögerlich fand sie ihre Sprache wieder: „Ich ... ich denke das wird nicht nötig sein.“ Ryans Blick überprüfte kurz die Fenster, das was sie kurz aus der Fassung gebracht hatte konnte er nun nicht mehr sehen, doch plötzlich rauschte etwas am Fenster vorbei und landete krachend auf dem Balkon. Verdammt, wenn das wirklich nur Vögel waren, war da gerade ein ziemlich dicker direkt vor dem Fenster abgestürzt. Auch Vik zuckte zusammen, machte einen Schritt zurück, stieß dabei gegen den Nachttisch und mit einem Klirren fiel die Nachttischlampe zu Boden. Hektisch sah sie zwischen den Balkon und Ryan hin und her. Dieser tat es ihr gleich. Ryan hatte nun zwei potentielle Gefahrenquellen vor sich, vielleicht war das ganze doch nur ein Trick ihn auf einem unachtsamen Fuß zu erwischen, in dem Fall hätte ihr Plan wohl exzellent funktioniert. Kurz schaute Vik hinaus und sagte dann: „Da ist ein Rucksack auf den Balkon.“ „Du hast damit also nichts zu tun?“, fragte er und zeigte auf das Balkonfenster, bevor er kurz darauf einen kurzen Blick hinter sich warf, dort schien die Luft noch rein zu sein. Scheinbar ihre Chancen abschätzend, sah sie zu Ryan und schüttelte ihren Kopf. „Vorschlag: Entweder wir schauen wer oben sitzt und wie viele das sind oder gehen unten zur Tür raus. Eventuell räumen wir schnell noch die Küche leer“, sagte sie hektisch. „Deine Vorschläge klingen immer besser in meinen Ohren, Vik...“ Nein, in eine Gang, die den beiden nun eventuell auf dem Dach aufgelauert hatten, wollte er wirklich nicht blindlings rennen. Ihm kam der Gedanke den anscheinend gut gefüllten Rucksack noch mitzunehmen, entschied sich jedoch diesen nicht zu äußern. Ein Zufall schien unwahrscheinlich, vielleicht war der Rucksack nur eine Falle und selbst wenn nicht gab er den Leuten auf dem Dach damit einen guten Grund sie zu verfolgen... Auch Vik schien nervös immer wieder den Blick auf den Rucksack zu werfen, der nun einsam im einsetzenden Regen lag. „Ich würde lieber einer Konfrontation aus dem Weg gehen, vielleicht ist die Haustür da die bessere Wahl? Ein Vorschlag zur Güte nur, würde es dir etwas ausmachen diese Klingen wegzustecken? Ich mein vielleicht müssen wir ja doch rennen und spitze Sachen und Sprinten vertragen sich einfach nicht...“ Ein verzogenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, war ihm durchaus bewusst, dass jedem klar sein musste, das dies nicht sein wahres Bedenken bei den beiden Dolchen war. Sie knirschte kurz mit den Zähnen und nickte dann. „Ist schon gut, hast ja recht, aber lass uns nun verschwinden“, sagte sie deutlich widerwillig. Kompromissbereit steckte sie die Dolche weg, wobei ihre Hände leicht zitterten. Ryan wurde dadurch beruhigter und drehte Vik bereits den Rücken zu, signalisierte damit auch bewusst, dass von ihm derzeit keine Gefahr ausgehen sollte, um seinen Rucksack wieder aufzuheben und zu schultern. „Du scheinst dich besser als ich hier zurechtzufinden, gibt es noch andere Eingänge als die beiden im Erdgeschoss und die Balkonfenster?“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern seit die Tür nicht mehr zwischen den beiden stand. Er musste sich zu Vorsicht ermahnen, auch wenn Vik, augenscheinlich zurzeit keine Absichten gegen ihn hatte. Auf das Erlebnis eine dieser Klingen im Rücken zu spüren konnte er verzichten, selbst wenn sie diese wegstecken sollte, würde ein Angriff dadurch wohl auch nur um einen Sekundenbruchteil verlängert. Vik nahm ihren Rucksack und öffnete ihn als sie auf Ryan zu rannte, wobei sie darauf achtete keine der quietschenden Dielen zu erwischen, auch wenn das jetzt wohl keine große Rolle mehr spielen sollte. „Eine Feuerleiter am Kinderzimmerfenster, rechts im Flur. Jedoch weiß ich nicht, ob sie uns vom Dach aus dort folgen würden. Besser wären die Türen unten“, flüsterte sie ihm zu und bedeutete das sie wirklich noch schnell in die Küche wollte. „Okay dann sollten wir uns beeil– ...“ Ryan wurde mitten im Satz unterbrochen als Vik bereits an ihm vorbei rannte. Er sah ihr einen Augenblick hinterher. Schmerzlich musste er realisieren, dass er sie deutlich unterschätzt hatte, als er sein Gegenüber das erste Mal gesehen hatte. Sie war noch flinker und agiler als er sie eingeschätzt hatte. Er musste zugeben, hätte sie in diesem Moment entschieden ihn anzugreifen, wäre er wahrscheinlich zu perplex gewesen, um auf das energische umschalten von Defensive auf Angriff reagieren zu können. Dies dauerte ein Augenzwinkern, ehe Ryan sich fing, Vik in die Küche folgte und dort einige Dosen von ihr entgegennahm, bevor er sie zügig in seinen Rucksack stopfte. Nebenbei machte Vik ihren Rücksack wieder zu und nahm diesen auf den Rücken. Flink und so leise es noch ging, rannte sie dann wieder in den Flur. Mit ihrem Tempo konnte Ryan noch gut mithalten, jedoch war er kaum so leise und grazil wie die andere Hälfte dieser Interessengemeinschaft. Vor der Treppe blieb sie zögernd stehen und betrachtete den nun noch größeren Abgrund. Auch Ryan sah erstmals wie großflächig seine Zerstörung von vorher doch gewesen war. Abschätzend sah Vik ihn an. „Schaffst du das?“, fragte sie ihn zur Sicherheit. Ein knappes Lächeln blitzte auf seinem Gesicht auf. „Runter kommen sie doch alle, die Schwerkraft wird mich schon unterstützen“, erklärte er. „Heil da herunter zu kommen, wäre aber von Vorteil“, gab sie mit einem zaghaften Lächeln zu verstehen, während sie zweifelnd die Augenbraue hoch zog. Statt zu Antworten nahm Ryan einen knappen Anlauf und sprang über den Abgrund anstatt zu klettern. Danach nahm er der Landung gekonnt viel der Energie, indem er tief in die Hocke ging, jedoch sein Gewicht zu stark auf sein linkes Handgelenk verlagerte. Der bekannte Schmerz durchzog ihn wieder, wodurch er kurz zusammensackte, ehe er sich vollends aufrichten konnte. „Wenn der Sprung keine 10 Punkte verdient hätte, dann weiß ich auch nicht“, kommentierte Ryan seinen Sprung. Sie tat es ihm gleich und sprang mit kurzen Anlauf hinunter. Auch ihre Landung gestaltete sich ähnlich, aber dadurch das sie unverletzt war, gelang es ihr etwas eleganter. Schmunzelnd sah sie Ryan an: „Ich geb‘ dir ‘ne Acht. Zwei Punkte Abzug für die Verletzung.“ Sie schenkte ihm noch ein freches Zwinkern und schlich dann zur Tür. Ein gespielt aufgebrachtes Schnauben entrann ihm, gefolgt von einem Lächeln. „Nun wird man auch noch wegen einem Handicap schlechter bewertet, wenn du 20 Kilo mehr wiegen würdest, wäre dir eine glatte 10 auch nicht mehr sicher.“ „Gib mir genug zu essen und wir können das gerne noch mal versuchen“, schlug sie neckend vor. Kurz sah sich Ryan zu Vik um, ehe er zur Tür des Haupteingangs ging und nach draußen spähte. „Scheint still zu sein.“ Sie wartete, bis Ryan sich umgesehen hatte. „Okay, dann los. Links herum Richtung Osten. Wir sollten versuchen in die Nähe des Parks zu kommen. Außer du hast eine bessere Idee...?“,fragte sie mit wenig Hoffnung und sah besorgt in den Himmel. Auch Ryan sah erneut prüfend in den Regen hinaus, nicht gerade sein Lieblingswetter, aber da sie eventuelle Verfolger abschütteln mussten, kam es ihnen wohl gerade Recht, die Sicht war nicht gerade die beste. Die kühle Luft die ihm entgegenschlug genoss er hingegen sehr. „Nicht gerade das beste Parkwetter, den Basketball müssen wir dann wohl nicht mitnehmen“, scherzte er zwanghaft. „Du kannst ja morgen gerne wieder kommen, um ihn dir zu holen“, erwiderte sie schmunzelnd. Kurz ging Viks Blick zu Ryan, bevor sie aber dann doch in den Regen hinaus huschte. „Das scheint ein richtiges Unwetter zu werden, wird uns in die Karten spielen“, fügte er ernster hinzu ehe er ihr nach draußen folgte. „...oder es wird uns umbringen“, nuschelte sie bei dem Anblick der schwarzen Wolken. Sein Blick fiel über die verschiedenen Häuserfronten. Wenn ihnen wirklich eine Gang aufgelauert haben sollte und diese sich einigermaßen strategisch verteilt hätten, sah es für die beiden wohl oder übel schlecht aus. Sie hielten sich erst einmal nahe an der Hauswand, die von Dach aus schwerer einzusehen war und sie auch etwas vor dem Regen schützte. Immer wieder sah Vik nach hinten und oben. Wenn ihnen wirklich jemand über das Dach folgte, dann würde er langsamer voran kommen. Die Dächer würden bei diesem Regen bestimmt zu einer Gefahr und so wie es aussah, würde es bald auch blitzen. Bald erreichten sie die erste Straßenecke und Vik presste sich an die Hauswand, währen sie Ryan ein Handzeichen gab eben zu warten. Vorsichtig sah sie um die Ecke und in die anliegenden Fenster. Nichts schien sich zu bewegen, aber der Schein konnte auch trügen. An der Häuserecke sah Ryan sich währenddessen nach hinten um. Über den direkten Weg schien ihnen bisher niemand zu folgen, schien ihm solch ein Vorgehen auch sehr plump. Nun mussten sie aber die Straße überqueren, schon allein um ihre eventuellen Verfolger auf dem Dach das Leben schwer zu machen. Vik sah wieder zurück zu Ryan und gab ihn mit einem Nicken zu verstehen, das es sicher war. „Wir rennen dort herüber. Bereit?“, flüsterte sie noch laut genug, um den Regen gerade eben zu übertönen. Mit einem kurzen Klopfen auf Viks Schulter bestätigte er seine Bereitschaft, doch diese zuckte unter seiner Berührung zusammen. „Wenn wir das hier überleben, schuldest du mir deinen richtigen Namen, abgemacht?“ Ohne eine Antwort abzuwarten sprintete er in geduckter Haltung mit einigen Haken über die Straße, so wie er es gelernt hatte, warf sich dann auf der anderen Seite in die nächste Deckung. Er sah nach oben, konnte ein wenig des Daches einsehen, unter dem sie vor einigen Augenblicken noch standen, konnte jedoch durch den mittlerweile dichten Regen nichts ausmachen, die Umgebung schien derzeit ruhig zu sein. Hätte er doch nur noch eine seiner Schusswaffen, galt er doch als ein ganz passabler Schütze in seiner damaligen Einheit, dann wäre die Situation nicht ganz so unglücklich, musste er sich doch eingestehen dass, wenn er nun auf dem Dach einen Schützen mit einer Waffe ausmachen würde, ihnen nichts anderes blieb als die Beine in die Hand zu nehmen, da auch Vik anscheinend nur die Dolche mit sich führte. Na vielleicht kann sie gut werfen, dachte er spöttisch bei dem Gedanken an solch einen unfairen Kampf. Kapitel 2: Das Messer --------------------- Ryan war schon lange auf der anderen Seite angekommen, als er bemerkte, dass Vik noch immer an der Hausecke hockte. Hatte er Vik mit seiner Frage so aus der Fassung gebracht? Oder warum zögerte sie solange bis sie endlich los lief? Sein Blick wanderte hektisch zu beiden Seiten der Straße, als er im Augenwinkel wahrnahm das Vik endlich los rannte. Bevor sie die sicheren Deckung erreichte, rutschte sie plötzlich auf dem nassen Boden aus, wobei sie mit ihren linken Bein über den Stein schlitterte. Vergeblich hatte sie noch versucht den Sturz mit der Hand abzufangen. Im Sturz fluchte sie leise und verzog schmerzvoll das Gesicht. Während seine toughe Partnerin fiel, zuckte Ryan kurz zusammen, wollte ihr gerade entgegenlaufen als sie auch schon Entwarnung gab und die letzten paar Meter machte. „Mir geht‘s gut, ich kann weiter laufen“, versuchte sie Ryan zu beruhigen. „Wir können das später versorgen“, sagte sie und sah wieder hektisch zurück, ob sie jemanden sehen konnte, der ihnen folgte. Er musterte sie grob, nahm in kurzer Begutachtung ihre Wunden in Augenschein und dabei auch ihren Gesichtsausdruck war. Scheinbar hatte sie sich ein paar Schrammen am Bein und an der Hand geholt und ihre Hose war am Knie aufgerissen. Als sie ihn beschwichtigen wollte runzelte er kurz die Stirn. „Sicher das es geht? Das sah ziemlich schmerzhaft aus.“ „Nein, ehrlich. Ich hatte schon schlimmere Verletzungen. Vermutlich würde ich dich jetzt immer noch abhängen!“, sagte sie mit einem leicht gezwungenen Lächeln. Nebenbei wischte sie sich mit dem Regen die Wunde leicht sauber und schaute sich um. Er wandte seinen Blick ebenfalls kurz wieder auf die offene Straße, ehe er sie wieder ansah, schüttelte daraufhin energisch seinen Kopf. „Die Straße sieht momentan frei aus und wenn sich das nachher zu einer Sepsis entwickelt, hab ich hier draußen keine Chance mehr dagegen.“ Er stellte seinen Rucksack neben sich, kniete sich hin und wühlte kurz darin ehe er einige Plastikampullen hervorholte. „Ja du hast recht, also... Sep-was?“, Vik sah schon die andere Straße hinauf, um zu schauen ob ihr weitere Weg frei war. Aus den Augenwinkeln konnte Ryan ihren fragenden Blick sehen. Selbst als er die Plastikampullen in der Hand hatte, wusste sie scheinbar nicht was er nun von ihr wollte. „Das wird dir nun nicht gefallen Vik, nur Desinfektionsmittel ist aber schnell vorbei. Sag nur was wenn sich uns jemand nähern sollte. Ich brauch zwei Minuten dafür.“ „Desinfektion... – nein, halt! Mir geht es wirklich gut!“, verteidigte sie sich und wollte schon weiter. Ohne Vorwarnung nahm er Viks Bein über sein Knie, bevor sie flüchten konnte und wartete kurz bis sie ihr Gleichgewicht fand. Um nicht schon wieder hinzufallen hielt sie sich an seinen Schultern fest und versuchte sich sogleich wieder von ihm zu befreien. Unbeeindruckt biss Ryan das Köpfchen von einem der Ampullen und spuckte es aus. „Na, danke... Es gab schon einige die mir überrascht dabei ins Gesicht getreten hätten.“ Er lächelte dabei, schüttete noch während er den Smalltalk führte, etwas des Alkoholgemisches über die Wunde, hielt dabei ihr Bein sicherheitshalber fest, um nicht doch noch getreten zu werden. „Spar‘ dir das lieber aaaaahhh~~utsch...“, zischte sie leidvoll, als sie den Satz nicht beenden konnte. Auch wenn er ihr Bein fest hielt zuckte es kurz, als sich das Mitelchen wie flüssiges Feuer über ihre Wunde ergoss. Mit der anderen Hand kramte Ryan bereits nach einer Kompresse und einem Wickel mit dem er die Wunde verbannt, ehe er die selbe Prozedur mit ihrer Hand wiederholte. Ergeben ließ Vik es über sich ergehen, hielt dabei angestrengt Wache, vermutlich auch, damit er ihr die leichte Röte im Gesicht nicht so schnell ansah. „Du verschwendest nur wertvolle Materialien an Fremde“, nuschelte sie schließlich. „Irgendwann wirst du das sicher bereuen“, fügte sie noch hinzu als er sich ihre Hand dafür vornahm. „So als dein nun behandelnder Arzt beschließe ich, dass wir uns nun zügig verdünnisieren sollten, aber von jetzt an läufst du vor, dann bemerke ich früher, wenn was schief laufen sollte.“ Noch immer kniend blickte er kurz lächelnd auf, während er sein Zeug wieder zusammenpackte. „Vielen Dank Ryan“, sagte sie nur und erwiderte sein Lächeln. Dieser hielt dann aber abrupt inne, als er die leere Schnalle an seinem Fußgelenk bemerkte. Ein Ausdruck von Panik machte sich auf seinem Gesicht breit, ehe er sich wieder aufrichtete. „Ryan was hast...?“, ihre Frage wurde unterbrochen. „Hör zu Vik... danke für die Konserven und dafür das du mich nicht umgebracht hast. Wenn ich dich einholen sollte, wenn ich mich wieder Richtung Park aufmache, schuldest du mir nun aber etwas mehr als deinen Namen abgemacht? Mach dich nun auf den Weg.“ Er zeigte ihr noch kurz ein gezwungenes Lächeln, ehe er sich umdrehte und wieder zurück sprintete. „Wovon...? Ich geh doch jetzt nicht...! Hey, warte!“, rief sie noch, aber es war zu spät. Nach einem kurzen, schnellen und rücksichtslosen Sprint stand er wieder vor seinem Ausgangspunkt, der Haupteingangstür, die anscheinend wieder zugeweht wurde. Einen kurzen Moment horchte er und hielt an der Tür inne. Erst hörte er sich nähernde Schritte auf der nun schon nassen Straße, dann durchschnitt Viks Stimme das Unwetter nah bei ihm, auch wenn er die Schritte vorher gehört hatte zuckte er unwillkürlich zusammen. „Ich lass dich da nicht sterben, wenn ich noch Schulden hab“, sagte sie bestimmend, aber mit einem kleinen frechen Zwinkern. „Übrigens: Mein Name ist Viktoria...“, gab sie murmelnd mit einem verlegenen Lächeln zu. Seine Sorge machte ihm das Denken schwer, Viktoria die ihm nun vielleicht mit in den Tod folgte machte es ihm nicht wirklich einfacher. Dennoch wandte er sich ihr zu, musterte sie kurz, nickte dann anerkennend. „Viktoria, hm? Hübscher Name. Wie ich sehe, hindern die Schrammen dich wirklich nicht daran mitzuhalten und allein dafür, das du mir hier gefolgt bist sehe ich uns als quitt an, Okay?“ Bisher war ihnen niemand gefolgt, vielleicht sprach es gegen eine größere Gruppe, oder aber sie ließen sich Zeit dabei das Haus nun komplett leer zu räumen. Ryan hoffte auf ersteres, sah zum Himmel, genoss die kalten Regentropfen, die ihm ins Gesicht regneten. „Wenn da drin die Kacke anfängt zu dampfen, was natürlich durchaus wahrscheinlich sein kann, dann läufst du hoffentlich trotzdem los... Es geht nur um einen Gegenstand. Mir ist er mein eigenes Leben wert, aber nicht das einer weiteren Person, okay?“ Wegen ihm sollte keine weitere Person umkommen, Ryan würde dies mit all seinen Möglichkeiten verhindern. Nur ein verlegenes Lächeln erschien auf ihren Gesicht, bevor sie ihre freche Art wieder fand: „Ich wurde ja immerhin professionell behandelt, also kann mich auch nichts mehr aufhalten. Zudem würdest du ohne mich eh nicht weit kommen“, scherzte sie, gab aber mit einem Nicken zu verstehen, dass sie sich bei Gefahr zurück ziehen würde. „Ist schon okay, wir haben alle solche Dinge,“ fügte sie hinzu. „Entschuldige mein irrationales Vorgehen vorhin,…“, fing Ryan an, doch konnte er seinen Satz nicht beenden. Von der sich öffnenden Tür unterbrochen drehte Ryan sich instinktiv um, beide Hände bereits erhoben um einen eventuellen Angriff abzuwehren und gegebenenfalls zu kontern. Ein verdutzter Ausdruck legte sich auf sein Gesicht, als er den scheinbar ebenso überraschten Fremden gerade noch zurück taumeln sah, ehe dieser polternd über Trümmerteile der Treppe stürzte. Hektisch sah sich dieser um, konnte jedoch mit samt dem sehr bekannt vorkommenden Rucksack nicht weiter zurück rutschen. Seinen Schicksal ergebend hob er leicht wimmernd die Arme vors Gesicht. War dies ihr Verfolger? Wirkte doch die neue Person eher so als wäre sie auch im Haus gewesen und hatte die beiden nur aus sitzen wollen. Reflexartig nahm Vik jedoch die Dolche wieder hoch und starrte den Typen an. Ein kurzer Ruck an Ryans Ärmel ließ ihn schon mit dem Schlimmsten rechnen, wurden sie bereits umzingelt und standen nun hinter den beiden? Aus dem Augenwinkeln nahm Ryan war, wie Viktoria grade noch seinen Ärmel los ließ, ehe sie sich beinahe augenblicklich an ihm vorbei stahl und sich mit erhobenen Waffen zwischen die beiden positionierte, ein leichtes Humpeln viel ihm dabei auf, soviel zu der professionellen Behandlung… Sie hatte anscheinend versucht ihn aus der Gefahr zu manövrieren. Er rechnete es ihr hoch an, jedoch erschwerte es seine Situation, da er es war, der die beiden wieder zurück in dieses gottverdammte Haus geführt hatte. Zögernd ließ Ryan seine Hände wieder sinken, etwas überrumpelt von dem sich rasant gewechselten Sachverhalt, aus der Position von dem Unbekannten sah er jedenfalls nun nur noch bedingte Gefahr, würde selbst das ziehen einer Pistole aus dieser Position Ryan noch genug Handlungsspielraum geben um die kurze Distanz zwischen ihnen zu überbrücken. „Umm, Hey?! ... Bist du alleine hier?“ Aus seiner Stimme sprach noch immer mehr seine Überraschung, als ein bedrohlicher Klang, der vielleicht angebrachter wäre. Als er die Distanz zwischen ihnen ein wenig verkürzte, um durch die Tür zu gehen, sah er zumindest niemanden im Flur oder auf der eingestürzten Treppe. Aus den Augenwinkeln sah Viktoria ihn wieder nervös an. „Vorsicht, der Typ ist ‘ne Krähe“, zischte sie Ryan an. „Wenn wir Pech haben ist der ganze Haus voller Nebelkrähen“, fügte sie hinzu während hektische Blicke zwischen der Krähe und den oberen Treppenhaus wanderten. Als Viktoria ihn auf die Federn aufmerksam machte, biss er zerknirscht seine Zähne zusammen, schon wieder hat er seine Deckung zu überhastet vernachlässigt. Dennoch ein Angriff aus der Position des Weißschopfes, schien ihm weiterhin kaum möglich, aber vielleicht waren wirklich noch mehr von ihnen in diesem Haus. Galten die Nebelkrähen nicht als eine berüchtigte Diebesbande? „B... bitte... tut mir nichts!“, stammelte die angebliche Krähe in seiner Panik. „Ich b... b... bin keine K... Krähe!“ Nur ganz langsam senkte er die Hände, um die beiden mit seinen großen, grünen Augen anzustarren. „Ich b...bin... mein Name ist... Max! U... und die Federn, die t... trag ich zum Schutz! Vor den... Krähen... ihr wisst schon...“ Mit zitternden Händen griff er eines seiner weißen Zöpfchen, an denen weiße Federn festgebunden waren und hob es ein wenig an, um es den beiden zu zeigen. Ein schiefes, verzweifeltes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Schaut doch mal... die sind nicht mal schwarz... ! A... auf den ersten Blick halten sie mich für einen von ihnen! I... ist echt p... p... praktisch!“, stotterte er. „Bitte... ihr... ihr dürft mir nichts tun... I... ich muss zu meiner Freundin. Ganz schnell! Sie...“ Er senkte den Blick. So gut es in seiner Situation ging senkte er die Stimme. „Sie ist... sch... schwanger... und wenn sie nicht bald was zu Essen kriegt...“ Die Panik des Fremden schien Ryan glaubhaft und die Geschichte über die schwangere Freundin gab seiner vorherrschenden, gutgläubigen Ader den Rest. Das Problem war nur, wenn er nun zu leichtgläubig werden würde, wäre das nicht nur sein eventueller Untergang, sein Blick glitt kurz zu Viktoria. Das durfte ihm nun auf keinen Fall passieren. Schade, dass diese neue Gesellschaft solch ein Umdenken nötig machte, aber anders konnte man derzeit wohl nicht mehr überleben. Viktoria glaubte Max jedoch scheinbar kein Wort. Sie kommentierte sein Gestotter nur mit einem abfälligen Schnauben: „Hmpf, schön dich kennenzulernen 'Max'. Ich frag mich nur, warum die Krähen ihre eigenen Männer nicht erkennen sollten, wenn sie doch nah genug heran kommen, um die Federn zu bemerken“, warf sie in den Raum, während sie ihn weiter mit den Dolchen bedrohte und abschätzend musterte. Mit dem Handrücken wischte sie sich eine tropfende Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Ryan kurz aus den Augenwinkeln an. Wenn sie in Überzahl gewesen wären, warum waren sie ihnen dann nicht gefolgt? Alles zu viele 'Wenn's und 'Aber's für Ryans Geschmack, ebenfalls das Gestammelte des unbekannten, verkomplizierte die Situation zunehmend. „Beruhig‘ dich Max! Hast du hier irgendetwas mitgehen lassen? Eine Waffe oder sonst was in die Richtung?“, fragte Ryan. „I... ich sage die Wahrheit, ehrlich! Ich hab auch nichts geklaut...“ Langsam, sehr, sehr langsam streckte Max die Hand nach seinem Rucksack aus, um diesen zu umklammern. „Das hier... das hab ich alles g... gefunden. Gar nicht weit von hier. Ist nicht viel, aber...“ Vorsichtig zog er den Rucksack zu sich nach vorne, „Ihr könnt gern was davon haben... außer das Essen! I... Ich meine... wenn ihr mir schon was anbietet... Clara wird so dankbar sein.“ Ein schwaches, sehr, sehr unsicheres Lächeln schlich auf seine Lippen. Gut, dieser Max schien sein Messer schon mal nicht zu haben, blieben nur noch gefühlte tausende weitere Ecken. Ryan hoffte inständig das er es hier im Haus verloren hatte, wann er sich das letzte mal von dem Vorhandensein überzeugt hatte fiel ihm nicht mehr ein. Ein Seufzen entglitt ihm bei diesem Gedanken, vielleicht wäre es doch besser gewesen dieser Max hätte sein Messer. Ryan ging die Möglichkeiten durch die ihm blieben, eins war ihm jedoch klar, ohne das Messer würde er dieses Haus nicht verlassen ehe er es komplett auf den Kopf gestellt hatte. Er blickte kurz die Treppe hoch, wenn es mehrere waren sollte das langhalsige Gerede des Fremden zu mindestens Bewegung in seine Gruppe gebracht haben, außer das prasseln des Regens hörte er jedoch nichts. „Ich höre niemanden, du? Wobei ich bei diesem Regen da draußen auch nicht sicher sein kann, aber sollten die sich nicht anfangen zu bewegen so wie unser Gast hier in Panik ausbricht? Aber ich glaube du hast in Gangverhalten mehr Erfahrung, was meinst du?“ Auf Ryans Frage hin schüttelte Vik den Kopf, während sie den Fremden weiter im Auge behielt. „Nein, ich glaub er ist wirklich allein hier. Vielleicht haben die Anderen auch Angst das ich ihm was antue.“ Zögerlich biss sie sich auf die Lippe, sprach aber dann weiter: „Ich weiß nicht ob er einer von denen ist. Aber solange er hier nichts anstellt, muss er sich auch keine Sorgen machen. Such schnell dein Zeug zusammen, dann können wir gehen. Ich bleib bei ihm, dann wird dir hoffentlich auch niemand etwas tun, wenn noch jemand hier sein sollte. Ich kann dir ja eh nicht helfen.“ Viele Vorgehensweisen blieben ihm nicht übrig, er nickte knapp, als er Viktorias Vorschlag hörte. „Okay, klingt am vernünftigsten von allen verkorksten Möglichkeiten, die sich uns noch bieten. Ich bleib in Hörweite“ Viktoria nickte kurz. „Beeil dich“, bat sie ihn noch, bevor sie sich Max wieder komplett zu wandte und die Dolche enger umfasste. „Also gut, mein Großer,“ sprach Max mit einem spöttischen Lächeln an, „sobald mein Freund hat, wonach er sucht, sind wir weg und niemanden passiert etwas.“ Viktoria war immer noch angespannt und sah kurz zu Ryan herüber. Dieser schritt in Richtung der Treppe, als er Viktoria passierte hing er ihr seinen Rucksack über eine Schulter, bedacht darauf Max dabei keine Lücke zum Angriff zu lassen. Vik zuckte zusammen, als sie plötzlich das unerwartete, zusätzliche Gewicht spürte. „Mach dich aus dem Staub, wenn dir was komisch vorkommt, da sind noch Schmerzmittel für dich drin und einige Sachen die man sicher gut Tauschen kann“, flüsterte er noch leise, kaum wahrnehmbar, ehe er ohne Pause seinen Weg zur Treppe fortsetzte. „Ryan, ich kann doch nicht...!“, sie kam gar nicht zum Widersprechen, denn er ging sofort weiter. Ein ziemliches Loch hatte er dort hinterlassen, aber immerhin hatte er nun kein störendes Gepäck bei sich, auch wenn es beim letzten Mal schon knapp gewesen war. Er atmete tief durch und nahm einen weiten Schritt Anlauf, ehe er zum Sprung ansetzte. Knapp schaffte er es sich an der Kante der eingebrochenen Treppe festzuhalten. Keuchend zog Ryan sich hoch als er ein Knacken vernahm, in dem Augenblick als er sich hoch stemmen wollte, hielt die poröse Treppe seinem Gewicht nicht mehr stand und fiel mit ihm, rücklings, eine Etage tiefer, wieder ins Erdgeschoss. Ein Fluch entfuhr ihm als er Aufschlug. Leicht benommen sah er hoch in die nächste Etage, bisher sah er niemanden, der angelockt worden war. „Nichts passiert“, rief er knapp, beschwichtigend, in den Hauptflur hinein. Ein Stöhnen folgte, als ihm der erste Versuch sich Aufzurichten misslang und er wieder in dem Schutt der ehemaligen Treppe landete. „Wenn nun keiner kommt, denk ich wir sind hier alleine...“ Unwillkürlich lächelte er zwischen zusammengebissen Zähnen. Heute war scheinbar wirklich nicht sein Tag, schien es doch erheiternd zuerst, als er den Basketball fand. Er fuhr sich mit der Hand über sein immer noch regennasses Gesicht, jetzt mit Staub vermischt, um seine Benommenheit etwas abzuschütteln. Als er die Augen wieder öffnete und zur Seite sah, bemerkte er etwas vertrautes in den Trümmern nicht unweit von ihm. Ein schwarzer Griff auf dem R.B. eingraviert war. Vielleicht musste er das mit dem Glückstag doch wieder revidieren... Schritt für Schritt setzte er sich aufrecht hin, ehe er sein Bein unter einem Holzscheit der Treppe hervorzog. Dennoch rief Vik ihm entgegen: „Bist du verletzt? Soll ich dir helfen?“ „Schon okay, pass weiter auf unseren Gast auf, ich komm hier klar... Außerdem glaub ich können wir gleich schon weiter...“ Nicht das sich dieser Max noch von hinten anschlich, ansonsten könnten sie nochmal Probleme bekommen. „Bist du dir sicher?“, Vik klang nicht sonderlich überzeugt. „Warte ich komm zu dir...“, rief sie. Ryan richtete sich nun vollständig auf, knickte etwas ein, als die Welt um ihn herum hinter einem dunkelroten Schleier verschwand. Daraufhin fand er mit einer ausgestreckten Hand für einige Augenblicke halt an einem Pfeiler, der früher einmal die Treppe stützte, er schloss seine Augen und nahm einige kontrollierte tiefe Atemzüge. Unbewusst, über die Jahre im Sanitätsdienst seiner Einheit tief verinnerlicht, ging er eine knappe Checkliste durch, die ihm letztlich zum Schluss kommen ließ, ziemlich glimpflich davongekommen zu sein. Das Atmen viel im etwas erschwert, ein leichtes Stechen wenn er tief Luft holte. Vielleicht eine angeknackste Rippe, nichts besorgniserregendes was ihn beeinträchtigen würde. Nur einige Augenblicke verschnaufen... Dann kann es weitergehen. Mit einem letzten scharfen Einziehen der staubigen Luft öffnete Ryan wieder die Augen, vertrieb den Sturz damit aus seinen Gliedern. Währenddessen bewegte Ryan sich langsam die letzten zwei Schritte auf den Knauf des Messers zu, ohne das die Welt wieder zu schwanken anfing, beugte sich nach dem Griff und zog die Waffe aus dem Schutt, betrachtete die staubige, geschwärzte Klinge einige Momente. Dieser Schwarze Gegenstand, der ihm diese Tour wieder eingebrockt hat, für den er bereit war sein eigenes Leben hintenan zu stellen. Sein persönliches Mahnmal welches ihn an ein ebenso schwarzes Ereignis erinnern sollte wie seine Klinge gefärbt war. Mit einem tiefen Seufzer steckte er das Messer endlich wieder in seinen festen Platz an seinem Bein, diesmal tunlichst darauf bedacht die Sicherheitsschnalle gut zu verschließen. Den kurzen Anflug von Melancholie, die ihm drohte zu ersticken, schüttelte er im Geiste ab. War der Regen gerade lauter geworden? „Mach jetzt ja nicht schlapp!“, ermahnte Viktoria ihn und kletterte über ein größeres, etwas wackeliges Teil, der ehemaligen Treppe zu ihm hinüber. „Unkraut vergeht so leicht nicht, da brauch es schon mehr als so ein als einen so kleinen Sturz“, probierte er Viktoria zu beruhigen, die scheinbar besorgt auf ihn zu schritt. „Sieht aus als wärst du uns schnell wieder los Max“, rief Ryan Richtung Hauptflur. „Ich hab gefunden wonach ich gesucht habe, alles gut...“ Langsam und noch immer mit Bauschutt und Staub bedeckt stieg er aus den kümmerlichen Überresten der alten Treppe und bewegte sich auf die anderen zu, das er Max noch nicht erblickte, schob er dabei auf seinen Blickwinkel, sah ihn aber dann nicht mehr an vermuteter Stelle sitzen. Hatte sich seine bisher so vorsichtige Begleiterin nun, aus Sorge um ihn, von diesem Max entledigt? Sie wird ihn doch nicht... ? Als Ryan Max ansprach, drehte sich Viktoria hektisch um. „Verdammt noch mal...“, fluchte sie leise und milde. „Max ist weg...“, erklärte sie verlegen, was Ryan erschöpft lächeln ließ, da dadurch doch einiges an Anspannung abfiel. Das Max gerade vor einer Sekunde durch die Tür entwischt war, war Ryan, der in Gedanken gewesen war nicht aufgefallen, genauso wenig wie Viktoria. Hatte sie ihre Deckung seinetwegen so vernachlässigt? Schien es doch gar nicht ihre Art... Nach ihrem Fluch zu urteilen war sie von sich selbst etwas überrascht. Er fühlte sich zu halben Teilen geschmeichelt, aber auch schuldig, sie doch in solch eine Gefahr gebracht zu haben. Seine Sympathie ihr gegenüber stieg dadurch aber weiter. „Ein Problem weniger, wir sollten uns nur aus dem Staub machen, ehe er vielleicht doch eventuelle Krähen hierher holt“, schlug er vor. „Du hast recht, ich hab wirklich keine Lust auf eine weitere Begegnung. Für heute reicht‘s mir“, sagte sie leicht genervt. Sie packte seinen Arm, da sie scheinbar Angst hatte, das er wieder zusammenbrach: „Bist du wirklich unverletzt? Brauchst du was aus dem Rucksack?“, fragte sie unverzüglich. Die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben. Er nahm ihre Hilfe dankend an, um aus dem restlichen Schutt zu kommen, gerührt von ihrer offensichtlichen Sorge. „Mir geht‘s gut genug, wirklich Viktoria, du kannst mir das Gewicht des Rucksacks aber wiedergeben, du solltest dein Bein noch etwas schonen.“ So gut man sich in solchen Zeiten eine Schonung überhaupt erlauben kann... Sofort schüttelte sie ihren Kopf und hielt die Tasche im festen Griff. „Meinen Bein geht es gut, das ist ‘ne oberflächliche Sache. Wer weiß, was du dir bei dem Sturz zugezogen hast. Bevor du wieder aus den Latschen kippst, nehm‘ ich sie lieber ...“ , doch plötzlich veränderte sich ihr ernster Gesichtsausdruck und zögerlich nahm sie dann doch die Tasche ab und hielt sie ihm hin. „Tut mir leid ... ich... hier, nimm sie lieber selbst...“, fügte sie fast murmelnd hinzu und sah verlegen doch wieder weg. „Ich glaub wir können besser durch die Hintertür verschwinden“, schlug sie vor, vermutlich um das Thema zu wechseln. „Die Tür ist abgeschlossen, sollte uns aber nicht aufhalten“, erwiderte Ryan. Sie schritten in die Richtung des Hintereingangs. Man könnte beim Anblick des Flurs wirklich denken dass hier eine ganze Schlacht stattgefunden hatte. An der Tür angekommen lehnte Ryan sich dort dann gegen die Tür, prüfte den Widerstand indem er den Türgriff festhielt und seinen Körper gegen die Tür lehnte. „Nicht ganz so morsch wie die Eingangstür, aber es sollte klappen“, stellte er fest. Viktoria stemmte eine Hand in ihre Hüfte, während sie Ryan dabei zu sah. „Wenn du willst, kann ich das besser machen...“, sagte sie erneut besorgt und sah sich bereits nach Hilfsmitteln um. Ryan atmete tief durch und spannte seinen Körper an, ehe er der Tür ein paar Stöße mit seinem Körpergewicht verpasste, biss dabei seine Zähne zusammen, strapazierte der Vorgang seinen, vom Sturz mitgenommenen Oberkörper merklich. Krachend gab das verrostete Schloss nach dem dritten Stoß jedoch bereits nach. Vik hatte das ganze mit mitleidigen Blick verfolgt, kommentierte aber doch scherzend: „Vielleicht bist du doch widerstandsfähiger als ich dachte.“ Er hielt die Tür für den Augenblick noch verschlossen, drehte sich zu Viktoria um, begutachtete sie mit einer ersten Miene, die gerade dabei war sich zu vergewissern, dass ihr Rucksack richtig saß und die Dolche sicher verstaut waren. „Weiterhin in Richtung des Parks? Und was sagt dein Bein? Wie weit schaffst du es?“, erkundigte sich nun Ryan. Erst danach bemerkte Vik seinen Blick und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Ich glaube ganz schaff -“, aber sie wurde schon abrupt unterbrochen. Als sie ihm schon antworten wollte hob er kurz die Hand. Einige Augenblicke blieb es ruhig als Ryan nach den Worten suchte. Fragend und besorgt biss sich Vik auf die Lippe und rechnete vermutlich mit einem neuen Schwindelanfall, bis Ryans seine Stimme wiederfand: „Und Vik… Danke, ich mein ich weiß es wirklich zu schätzen, das du mich begleitet hast… Wer weiß wie mutig Max gewesen wäre wenn nur ich, ohne Waffen aufgetaucht wäre… Ich weiß noch nicht wie ich dir das zurückzahlen kann, aber du kannst auf mich zählen, okay?“ Beim Reden war ihm augenscheinlich unwohl, verlor er doch immer wieder den Blickkontakte. War dem sonst lockeren Ryan es alles andere als wohl bei dem Gedanken Viktoria in Gefahr gebracht zu haben. „Ich hab nur... Also du hast ja auch ... du brauchst mir nicht ...“, stammelte sie leise. Als er ihre gebrochenen Wortfetzen wahrnahm blickte er Viktoria wieder direkt an, die nun seinem Augen ebenso auswich. Wie sie dort mit leicht gerötetem Gesicht stand und an ihrem Schal nestelte, nebenbei so einige Wassertropfen aus wrang, ließ ein warmes Schmunzeln auf seinem Gesicht erscheinen. Wirkte es wohltuend menschlich auf ihn. Ihre Lippen pressten sich kurz zusammen und fast schon entschuldigend suchten ihre braunen Augen kurz seine, bevor sie plötzlich doch wieder weg sah. „Wir sollten gehen“, sagte sie mit Nachdruck und ließ es harscher klingen. Er wollte gerade den Mund aufmachen um, sie etwas zu beruhigen und sei es nur um die durch ihn erzeugte ernstere Stimmung etwas aufzulockern, als sie dann jedoch schon mit festerer Stimme zum Aufbruch drängte. Seine Stirn legte sich kurzzeitig in Falten, als er den Wandel in Vik zu deuten versuchte. Sie mied seinen Blick was das lesen ihrer Mimik ihm unmöglich machte. Vor ihm war wieder die überlebende, kämpfende Viktoria. Was hatte er denn nun gesagt, dass sich diese Tür zu einer anderen Persönlichkeit Viktorias, die sich gerade anfing zu öffnen, nun mit so einem lauten Knall zuschlug? Die Metapher passte gut in Ryans Augen, aber vielleicht war es gerade das... Wollte sie einfach diese anscheinend angestrengt zurückgehaltene Art von ihr nicht hervor lassen? Ein weiteres Seufzen entfuhr ihm ehe er nach einem weiteren kurzen Mustern Viktorias sich der Tür zu wandte. „Okay... dann lass uns aufbrechen und dieses verteufelte Haus hinter uns lassen...“, sagte er schließlich. Seine Gedanken kreisten um den traurigen Wandel der Gesellschaft, als er in den Regen hinaus spähte. Die Luft schien frei zu sein. Bloß keine Schwächen zeigen schien das Zauberwort zum Überleben sein. Man musste quasi zu einer perfekten Maschine werden. „Ich stehe zu dem was ich gerade gesagt habe, lass es unkommentiert wenn du meinen Dank nicht annehmen willst, aber er gilt dir dennoch.“ Ohne abzuwarten stahl er sich durch den Türspalt nach draußen, um auch die andere Seite der Straße begutachten zu können, als er auch dort niemanden erblickte gab er Viktoria ein Zeichen ihm zu folgen. Der Regen hatte sich weiter verstärkt, kühle Regentropfen prasselten auf ihn nieder. Wohltuend trieben sie die Müdigkeit aus seinen Muskeln. Als Vik jedoch in den Regen und an seine Seite schritt, sah sie besorgt in den Himmel und zog den Kopf leicht ein. Die Straßen die in seinem Blickfeld waren schienen leer, wie es auch nicht anders zu erwarten war. Der Hintereingang führte auf eine schmalere Nebenstraße wodurch sie nicht komplett ungeschützt im Regen standen, auch war die Gasse nicht so gut einsehbar, wie die größere Straße auf der sie sich vorher aufgehalten hatten. Alles in allen ein Vorteil für die beiden. „Wenn dein Bein sich meldet sag mir Bescheid, okay? Ich denke ich habe noch eine Säge im Rucksack“, sagte er knapp und versuchte so wieder die Stimmung etwas aufzuhellen. Immerhin zauberte der Spruch ihr wirklich ein kleines Schmunzeln auf die Lippen. „Ich denke, das wird nicht nötig sein. Wenn du mich unbedingt verstümmeln willst, dann steck‘ mich lieber in Brand. Das ist zumindest wärmer...“ Demonstrativ hielt er seine Handfläche ausgestreckt, sammelte einige Regentropfen auf dieser. „Keine gute Idee, bei dem Wetter würde das Feuer nicht lange halten, außerdem habe ich keine Streichhölzer dabei.“ Gerade als er los gehen wollte, hielt sie ihm am Arm doch kurz zurück: „Hör‘ zu, ich hab... ich war da drinnen leichtsinnig. Also ... dank mir erst, wenn wir den Park wirklich erreichen“, sagte sie ernst mit dem kläglichen Versuch eines weiteren Lächelns. „Zudem wäre eine Pause zwischendurch nicht schlecht“, murmelte sie gerade noch laut genug, dass er es verstehen konnte, bevorzugte es aber sich dabei umzusehen. Überrascht sah Ryan sie an, musste unwillkürlich lächeln als sie seinen Dank wieder ablehnen wollte. Er konnte der übertriebenen Geste ihr Haar mit seiner Hand durcheinander zu bringen nicht widerstehen, wobei die Regentropfen nur so flogen, ein herzhaftes Lachen entglitt ihm dabei, welches aber ebenso abrupt wieder verstummte, als er scharf die Luft wieder einsog. Der blitzartige Schmerz, der einmal durch seinen Körper zog, bestätigte seine erste Vermutung, das sein Oberkörper die Energie des Sturzes erleiden musste. Ihr kam nur ein verdutztes „Hey!“ über die Lippen, während sie instinktiv nach seiner Arm griff, um diesen hinterhältigen Angriff viel zu spät abzuwehren, wobei ihre Hand einfach nur auf seinem Arm ruhte. Ihr Gesicht nahm dabei sofort wieder eine hellrote Farbe an. Das hilflose Lächeln mit dem sie ihm gerade in die braunen Augen sah, wich sofort wieder ihren besorgten Blick, als sie seine Verletzung bemerkte, wobei sie auch erschrocken die Hand weg zog. „Ganz schön stur was? Gib es auf Viktoria, vielleicht warst du da drinnen kurz unachtsam, aber die ganze Aktion war schon von Anfang an leichtsinnig und überstürzt und das wegen mir.“ Seine Hand zog er bereits wieder zurück, hinterließ ein wahrhaft zerzaustes Meisterwerk. Bei seinen Worten überprüfte er, nachdem er sein Werk kurz bewundert hatte, nochmal den Holster an seinem Bein, dort war alles noch an seinem Platz und gesichert. Sie schüttelte bei seinen Worten nur noch den Kopf. „Lass uns später darüber diskutieren wer der größere Dummkopf ist. Wie müssen hier weg und können uns dann auch in Ruhe die Wunden lecken“, dieses mal klang es doch irgendwie anders. Mitfühlender, besorgter, aber noch immer entschlossen den Ort endlich hinter sich zu lassen. Pausen zwischendurch klangen in seinen Ohren nicht schlecht, solange sie trockene und sichere Plätze für dieses Vorhaben fanden. „Ich glaube die Route legst du am besten fest, du kennst dich hier schließlich deutlich besser als ich aus.“ Mit dem Gedanken an ihr Bein fügte er noch hinzu: „Dann kannst du die Pausen auch direkt mit einfließen lassen, wenn du hier gute Orte kennst. Und sag mir Bescheid wenn es nicht mehr geht. Ich hab noch 1-2 Asse in meinem magischen Rucksack, würde die aber lieber erst einsetzen wenn wir einen Platz zum Rasten haben.“ Beschämt versuchte sie ihre kurzen, schwarzen Haare zumindest ansatzweise irgendwie schnell wieder in Ordnung zu bringen. „Kompliziert ist es nicht. Wir gehen rechts ein ganzes Stück die Straße hoch bis zur Tankstelle, biegen links ab und laufen dann weiter bis zur Kurve, dort noch einmal recht und dann zwei Straßen weiter wieder links...“, sagte sie nebenbei und beobachtete Ryan abschätzend im Augenwinkel. Sie gingen die Gasse weiter, bis sie an einer Ecke zu einer größeren Straße kamen. Vorsichtig presste sich Viktoria wieder an die Wand und versuchte durch den dichten Regen irgendwas zu erkennen. Die Straßen waren frei und gerade als sie los laufen wollte erhellte plötzlich ein Blitz die Gegend. Sie fuhr erschrocken zusammen und hielt sich kurz an der Mauer fest, um nicht wieder zu stolpern. Sie schnaufte noch einmal durch, sah sich nach Ryan um und lief dann los über die Straße. Ryan folgte ihr an die Straßenecke, immerhin etwas was an diesem Wetter gut war, kaum jemand würde sich auf den Straßen aufhalten, ebenso machte die knappe Sicht und die Geräuschkulisse des Regens ein Entdeckt werden unwahrscheinlich. Ein überraschtes Zucken ging auch durch seinen Körper als der erste Blitz den verhangenen Himmel kurzzeitig grell aufleuchtete und nach einer Weile von dem krachenden Donner gefolgt wurde. Die beiden liefen durch das Unwetter welches sich immer mehr zuzog. Ryan folgte Viktoria dabei wie ein zweiter Schatten einige Meter hinter ihr. Besorgt beobachtete er dabei wie sie anscheinend noch mit dem Bein zu kämpfen hatte, hin und wieder merkbar einsackte, wenn sie das Bein falsch belastete. Nachdem die beiden eine lange Zeit schweigend durch den Regen gelaufen waren, wurde Viktoria merkbar langsamer, allein das sprach für ihre Verletzung, hätte sie, wenn sie fit gewesen wäre, Ryan in punkto Ausdauer sicher abgehängt. Seine eigene Verletzung nahm zumindest nicht direkt auf seine Leistung Einfluss. Er war jedoch tunlichst darauf bedacht recht flach zu Atmen, um das schmerzlich unangenehme Stechen zu vermeiden, dies ließ seine Muskeln nun schon langsam ermüden. Besorgniserregend war es für ihn jedoch nicht, war ihm noch aus seiner Ausbildungszeit nur zu gut bewusst wie viele Reserven er noch mobilisieren konnte, selbst wenn er nach seinem Empfinden völlig am Ende war und davon war er schließlich noch weit entfernt. „Pause?“, fragte sie knapp nach einer Weile, während sie sich zu ihm umdrehte und seinen Blick suchte. Ryan nickte als Viktoria eine Pause andachte ohne zu zögern. Verschnaufen klang gut, etwas erholter wäre seine Aufmerksamkeit auch wieder etwas schärfer. Sein Blick schweifte über die Häuser um sie herum. Aus dem Regen sollten sie raus solange es noch möglich war. Er ging direkt auf eine Reihe von kleinen Mehrfamilienhäusern zu die ihm aufgefallen war, durchschritt den Vorgarten auf dem das Gras nur so wucherte, eine halb eingestürzte, verrostete Schaukel erinnerte noch an die Vorbesitzer. Die Tür auf die Ryan sich zubewegte hing schon halb aus ihren Angeln, was ein Durchschlüpfen einfach machen würde. Ein Blick in den dunklen Eingangsbereich später schob er die Tür etwas zur Seite und trat bereits ein. „Wirkt auf mich ziemlich verlassen, wenn du mich fragst...“, seine Stimme war gesenkt, lauschte noch angestrengt während er die Tür für Viktoria noch zur Seite hielt. Im Eingangsbereich lagen einige von der Zeit gezeichnete Jacken auf dem Boden verstreut, scheint als wäre diese Familie ziemlich übereilt aufgebrochen, vielleicht wollten sie sich schnell aus der Stadt noch absetzen bevor alles abgeriegelt werden würde, als die Seuche um sich griff... Kapitel 3: Der Leibarzt ----------------------- Das Mädchen war schon weiter durch den Regen gelaufen, als sie eigentlich wollte oder eher konnte. Natürlich wollte sie Ryan nicht aufhalten, er schien noch recht gut zu Fuß zu sein. Zwischendurch knickte ihr Bein immer öfter weg, was ihr die Tränen schon fast in die Augen trieb. Zum Glück würde eine vergossene Träne bei dem Regen eh unbemerkt bleiben. Womit hatte sie den Tag verdient? Ihr Bein quälte sie und sie fror richtig. Teilweise hatten sich ihre Muskeln durch ihr leichtes Zittern schon verkrampft. Kurz überlegte Viktoria wie überraschend das alles gekommen war: Heute morgen saß sie noch bei ihrem Konservenfrühstück entspannt in dem verlassenen Haus auf dem Sofa. Auf den Nachtisch, bestehend aus einer Dose Pfirsichen, hatte sie sich besonders gefreut. Als sie gerade den ersten Pfirsich genoss, wurde sie von einem Geräusch aufgeschreckt und eilte zum Fenster. Zuerst hatte sie dem Unbekannten bei seinem Basketballspiel fast schon verträumt zugesehen, bis dieser Idiot genau auf „ihr Haus“ zu rannte. Fluchend war sie in den Flur geeilt und zur Treppe gekrochen. Dort hatte sie ihn misstrauisch das erste mal betrachtet. Er war groß, gut trainiert, hatte kurzes braunes Haar, trug ein schwarzes Hemd und dazu dunkle Jeans sowie Lederjacke. Also äußerlich besaß er keine offen einsehbaren Anzeichen für eine Gang. Als er die Treppe hochspringen wollte, wäre sie fast in Panik geraten und hatte sich so leise wie möglich zurück gezogen. Ihre Pfirsichdose nahm sie zwar mit ins Schlafzimmer, stellte sie jedoch neben der Tür ab, mit der Absicht den Unbekannten eventuell beim Eintreten zu erstechen. Als sie sich mit ihren Dolchen dann doch lieber hinter dem Bett verkroch, bevor er durch die Tür schoss, und sie hörte wie er zu ihr kam, wäre sie fast wieder durchgedreht. Aber ihre Drohung durch die Tür hatte den Typen abgehalten rein zu kommen. Aus Erfahrung hatte sie versucht wieder wie ein Mann oder Junge zu klingen, bevor er auf die Idee kam, ein zartes Mädchen überwältigen zu können. Auch sie hatte sich in dem folgenden Gespräch nach und nach etwas entspannt, auch wenn sie zuerst ziemlich misstrauisch und nervös gewesen war. Ryans scherzhafte Art war ihr da noch ziemlich seltsam vor gekommen, aber irgendwie hatte es ihn schon sympathisch gemacht. Dennoch war sie froh gewesen, das die Tür zwischen ihnen war, als er von seinem „Trupp“ und von „zurückbeordert“ sprach. Immerhin hatte sie nun sicher eine Schusswaffe bei ihm vermutet und gegen die würde sie mit ihren Messern nicht ankommen. Als sie erst einen Schatten an den Balkonfenster sah und dann ein paar Augenblicke später der Rucksack vom regennassen Dach auf den Balkon fiel, glaubte sie wirklich, dass sie soeben in eine Falle geraten war. Ryan platzte rein, schien aber ebenso überrascht, ging sogar auf ihren Vorschlag ein und so flüchtete sie widerwillig mit ihn zusammen aus dem Haus. Zugegeben, seine Frage nach ihren richtigen Namen hatte sie tatsächlich aus dem Konzept gebracht und vor allen Dingen geärgert. Dennoch hatte es sie am meisten überrascht, das er ihr, eine komplett Fremden, die ihm sogar mit den Tod gedroht hatte, noch half und ihre Wunden versorgte, obwohl Verbandsmaterial und besonders das Desinfektionsmittel mittlerweile ein halbes Vermögen wert waren. Als er dann zurück zum Haus ging und das dann auch noch ohne Waffen, bekam sie erst recht ein schlechtes Gewissen und folgte ihm. Wieder überraschte er sie mit seiner Unwissenheit über die Gangs und seiner naiven Art, aber zum Glück war dieser Max scheinbar alleine gewesen. Vermutlich hatte er wirklich zu den Nebelkrähen gehört, aber sie würde es jetzt hoffentlich nie mehr erfahren. Ryans Sturz hatte sie erschreckt und auch wenn sie es eigentlich nicht zulassen wollte, sie machte sich bereits sorgen. Das dies alles andere als gut war, war ihr schmerzlich bewusst. Sie wollte niemanden mehr an sich ran lassen, aber Ryan vertraute sie schon zu viel. Wenn sie in den Park kamen, dann würde sie sich bald von ihm trennen müssen. Aber zuerst müssten sie soweit kommen... Sie wusste nicht wie lange sie nun schon durch diesen Sturm liefen, aber es könnten problemlos ein paar Stunden gewesen sein. Zumindest fühlte es sich danach an. Ihre Kleidung war durchnässt, der Wind wehte ihr dabei erbarmungslos ins Gesicht und ihr Bein tat mittlerweile höllisch weh. Lange hatte sie gezögert, aber schließlich hielt sie es kaum noch aus. „Pause?“, fragte sie knapp nach einer Weile, während sie sich zu ihm umdrehte und seinen Blick suchte. Ryan nickte als Viktoria eine Pause andachte ohne zu zögern. Sie war sehr dankbar, das er zu stimmte und nickte nun ihrerseits Ryan zu. Dennoch lag in ihren Augen etwas entschuldigendes. Sein Blick schweifte über die Häuser um sie herum. Er ging direkt auf eine Reihe von kleinen Mehrfamilienhäusern, durchschritt den Vorgarten auf dem das Gras nur so wucherte, eine halb eingestürzte verrostete Schaukel erinnerte noch an die Vorbesitzer. Die Tür auf die Ryan sich zubewegte hing schon halb aus ihren Angeln, was ein Durchschlüpfen einfach machen würde. Ein Blick in den dunklen Eingangsbereich später, schob er die Tür etwas zur Seite und trat bereits ein. „Wirkt auf mich ziemlich verlassen, wenn du mich fragst...“, seine Stimme war gesenkt, lauschte noch angestrengt während er die Tür für Viktoria noch zur Seite hielt. Dieses mal folgte sie ihm, da sie eh nur noch schleppend hinterher kam. Vorsichtig oder eher langsam humpelte sie herein. Sie schaute sich still um, während ihre Arme noch um ihren Körper geschlungen waren. Im Eingangsbereich lagen einige von der Zeit gezeichnete Jacken auf dem Boden verstreut, schien als wäre diese Familie ziemlich übereilt aufgebrochen, vielleicht wollten sie sich schnell aus der Stadt noch absetzen, bevor alles abgeriegelt werden würde, als die Seuche um sich griff. Durch ein lästiges Piksen meldete sich auch das Gefühl in Viks eiskalten Händen wieder zurück. Ihr leichtes Zittern war auch der Grund dafür, warum sie ihre Dolche nun nicht zog. Im Moment wäre sie Ryan keine Hilfe. Dennoch lauschte sie und hörte nichts außer den Dauerregen und das Donnergrollen von draußen. „W... wwir sollten uns ... um...sehen...“, schlug sie murmelnd vor und ohrfeigte sich in Gedanken für das Stottern. Hier drinnen war es wirklich schon angenehmer. Am liebsten wäre ihr nun ein gemütliches Sofa und am besten gleich noch eine dicke Decke dabei. Sogleich setzte sie sich in Bewegung, um sich etwas umzusehen. Ryan sah sprachlos zu wie sie, am ganzen Körper leicht zitternd, an ihm vorbei schlich und nickte knapp, als sie ein paar Wortfetzen hervor stotterte und schon an ihm vorbei schlurfte. Danach schien er sich zu fangen und wandte sich nach links der Treppe zu. Auf leisen Sohlen sprintete er die Treppe hoch, zwei Stufen gleichzeitig nehmend. Kurz hatte sie ihm noch verwirrt hinterher gesehen. Hatte er oben etwas bemerkt oder warum stürzte er die Treppen hinauf? So leise und vorsichtig es eben ging, mit fast schon klappernden Zähnen und den tropfenden Klamotten, lief Vik den Flur entlang. Zumindest unten könnte sie sich ohne Probleme umsehen. Schon schlich - oder eher humpelte sie zur offenstehenden Tür. Sie führte in ein Wohnzimmer, das durch und durch mit einer dicken Staubschicht bedeckt war. Es gab also keinen Anschein dafür, das in letzter Zeit jemand in diesem Zimmer gewesen war. Die Einrichtung war recht gemütlich mit den dunklen Schränken und dem hellen Teppich. Auch das braune Sofa machte auf sie einen sehr einladenden Eindruck. Sie konnte sich richtig vorstellen, wie Kinder sich Samstagmorgens mit der Bettdecke auf dem Sofa mit einer Tasse Schokolade in der Hand auf das Sofa lümmelten und sich Zeichentrickserien ansahen. Welchen Wochentag hatten sie eigentlich? Viktoria wusste es nicht mehr. So etwas hatte einfach an Bedeutung verloren. Schweren Herzens sah sie nur einen Augenblick auf das Szenario, das sie vor ihrem geistigen Auge so detailliert entfaltete. Nebenbei lehnte sie sich etwas an den Türrahmen, um ihr Bein zu entlasten. Kurz stand sie einfach nur da, sodass sich unter ihr eine kleine Pfütze bildete, als das Wasser aus ihren Haaren und Kleidung tropfte. Erst hastige Schritte von oben, gefolgt von einem abscheulichen Würgen, schreckte sie wieder auf. Das Geräusch hinterließ bei ihr eine Gänsehaut, auch wenn sie diese eh schon hatte und ließ einen Schauer über ihren Rücken laufen. Unsicher drehte sie sich um und versuchte zu lauschen war los war, konnte aber erst nach ein paar weiteren stillen Minuten nur ein leises Krächzen von leeren Wasserleitungen hören. „Ryan?“, rief sie besorgt hinauf. War er das wirklich gewesen? Hoffentlich hatte er kein Blut gespuckt, das wäre sicherlich kein gutes Zeichen. Zumindest waren keine Kampfgeräusche zu hören, also war wohl niemand anderes im Haus. Sie wollte noch etwas abwarten, bevor sie sich unnötig hinaufschleppte. „Oh...“, erst jetzt bemerkte sie das Wasser unter sich seufzte aber dann gleichgültig. Langsam streckte sie ihre steifen Glieder aus, um ihre Muskeln etwas zu lockern, auch wenn sie noch immer zitterte. Warum kribbelten und stachen die Fingerspitzen immer noch so doll? Sie rieb kurz die Hände an einander und hauchte diese sogar kurz an. Ihren Schal nahm sie nun doch ab und wrang einiges an Wasser heraus. Das Haus war eh total verfallen, da hatte sie deswegen kein schlechtes Gewissen. Ihr Blick wanderte gerade zwischen den bequemen Sofa und der Essecke hin und her. Eigentlich wollte sie sich mit den nassen Sachen ungern auf das Sofa setzten, vielleicht war ein Stuhl da besser? Aber sitzen wäre jetzt bestimmt keine schlechte Idee. Sie wollte gerade zum Stuhl gehen, als sie hörte die Ryan die Treppe runter rannte. Sie zog die Stirn in falten, wobei ihre Zähne doch kurz klapperten. Schnell unterdrückte sie zumindest dies, bevor Ryan es noch bemerkte. Ryan betrat das Wohnzimmer, zügelte sein Tempo nun etwas als er Viktoria erblickte. „Oben ist alles leer... Hey Vik, du siehst ja grauenhaft aus“, sagte er angestrengt lächelnd, schritt zu ihr, legte ihr zwei Handtücher über die Schultern und hielt sie kurz fest. Dann rieb er ihr sogar kurz ihre Schultern ehe er sie anschaute. All das sorgte nur dafür, das Vik sich abrupt verkrampfte und ihm wieder sorgenvolle Falten auf sein Gesicht trieb. Ihre Finger krallten sich in den Schal, den sie noch immer in den Händen hielt. Sie hätte ihn ja weggedrückt, aber sie hatte Angst ihm weh zu tun. Nur kurz sah sie in seine Augen, bevor sie wieder schüchtern weg sah. „Na vielen... dd... dank auch. Bist ja ... auch nicht besssser ...“, murmelte sie leicht gespielten schmollend und pickte ihn sehr, sehr zaghaft gegen die Rippen. „Soll ich doch noch nach Streichhölzern suchen für dein Bein? Spaß beiseite, warum hast du denn nichts gesagt?“, fragte er erneut besorgt. „Mir geht‘sss gg... gut... Gib mir nur zehn Minuten“, bat sie leise und vermied es noch immer zu ihm hoch zu sehen. „Klar, Zehn Minuten... Du kannst auch mehr haben, in dem Zustand sollten wir noch warten. Bevor wir uns wieder in diesen Sturm raus begeben“, erwiderte er. Dann fiel Vik ein, was sie eben gehört hatte. Sofort sah sie ihn wieder an: „Ist bei dir alles oo... ook? Ich mein, oben dd... dda... b... bbrauchst du irgendwas?“, fragte sie. Hoffentlich war er auch ehrlich, aber irgendwie glaubte sie da nicht dran. Sie sollten sich hier eine Weile zurück ziehen. Zumindest so lange bis einer von beiden einigermaßen fit war. Es war hier noch immer gefährlich, aber zusammen hatten sie vielleicht eine kleine Chance. Aber Ryan winkte nur knapp ab auf ihre Frage. „Schon okay. Ich halt noch etwas durch, es lässt sich aushalten.“ Vik nickte daraufhin nur. „Den Sturm können wir hier gerne abwarten. Dann sehen wir weiter...“, sagte sie. Mit einen Lächeln versuchte sie ihrerseits seine Sorgen zu lindern, doch ihre Wunde meldete sich mit einem brennenden Pochen. Nur kurz verzog sie das Gesicht. „Ich... ich setz‘ mich mal lieber ...“, sagte sie, deutete mit einen Nicken zum Stuhl und setzte sich sogleich in Bewegung. Während sie zur lang ersehnten Sitzgelegenheit humpelte, legte sie kurz die Handtücher auf den Tisch, stellte ihren Rucksack ab und hing ihre Jacke sowie Schal über eine von den Stuhllehnen. Erst dann sah sie auch wie nass ihr Hemd bereits war. Vom Kragen aus hatte sich das Wasser seinen Weg hinab gesucht. Die weiße Farbe war wohl nicht ganz von Vorteil, war es doch auch leicht durchsichtig geworden. So schlimm war es aber nicht, da sie sich die Brust eh mit einigen alten Verbänden abgebunden hatte. Erst jetzt ließ sie sich müde auf den Stuhl fallen und schloss für einen Moment die Augen. Sitzen war toll, stellte sie fest. Wenn sie saß tat es nicht so weh. Sie nahm danach die Handtücher und legte sich eines über den Schoß, das andere über die Schultern. Ryan zog ebenfalls seine nasse Jacke aus, die ihn bisher gut vor dem Regen geschützt hatte, legte sie über den Tisch, um sie trocknen zu lassen und setzte sich dann auf einen der Stühle neben Viktoria. Dabei stellte er auch den Rucksack neben sich und sah kurz auf ihre durchscheinenden Verbände, ließ es jedoch unkommentiert. „Hast du dir denn etwas gebrochen? Welche Diagnose hat mein Arzt für sich selbst?“ , fragte sie und stütze ihren Kopf auf ihrer Hand ab und hoffte mit einen leichten Schmunzeln auf eine kleine Erklärung. Sie würde auch nun solange nach bohren, bis sie eine zufriedenstellen Antwort bekommen hatte. Immerhin musste sie ebenfalls wissen, wie viel sie ihm zumuten konnte. Ryan lachte aufgrund der Frage kurz auf, brach damit aber wieder abrupt ab, als ihn scheinbar erneut Schmerzen im Oberkörper durchzuckten. Mit einer Hand hielt er sich seine Seite und warf dabei Viktoria ein beruhigendes Lächeln zu. „Um Gottes Wille, nein nichts gebrochen. Ich glaub ich habe mir eine oder zwei Rippe geprellt. Nichts schlimmes es sticht nur etwas wenn ich Lachen muss, für mich also wohl ein Todesurteil...“, erklärte er. Es beruhigte Viktoria zusehends, das es sich nur um ein paar Prellungen handelte. Seine Erklärung ließ sie kurz erleichtert mit kichern. „Oh das tut mir Leid, dann werde ich versuchen dich weniger zu foltern. Nicht das du dich wegen mir doch noch zu Tode lachst“, scherzte sie dann doch noch frech. Vermutlich hatte sie einfach überreagiert, denn allgemein schien es ihm ja ganz gut zu gehen. Mit einem Lächeln schüttelte er knapp den Kopf. „Foltere mich ruhig weiter, ohne Lachen würd‘ ich wohl genauso zu Grunde gehen. Wäre sicher aber auch eine interessante Bezeichnung auf dem Totenschein.“ Vik wollte schon was erwidern, aber als Ryans Gesichtsausdruck ernst wurde, sah sie ihn kurz fragend und verwirrt an. Was hatte er den oben gemacht? Er schwieg eine Weile und haderte offensichtlich mit sich, bis er zögerlich zu erzählen anfing: „Oben hab ich noch einen Zurückgebliebenen gefunden... Er war schon zu Grunde gegangen.“ Sein Blick schweifte kurz durch das Zimmer, bevor er weiter sprach, „und wie man wohl kaum überhört hatte, bekam mir der Anblick nicht allzu gut.“ Er grinste etwas beschämt und fragte wohl um das Thema zu wechseln: „Was sagt dein Bein, darf ich nochmal sehen?“ Leicht geschockt sah sie ihn nach seiner Erklärung an. Ein bisschen bleich war sie ebenso geworden, denn natürlich dachte sie sofort an den Virus. „Wie nah warst du dran?“, fragte sie plötzlich und Ryan senkte knapp seinen Blick. „Nicht nah! Mit meiner Hand vielleicht 20 Zentimeter oder mit dem Kopf noch weitaus ferner“, brach es quasi aus ihm hervor und es hatte einen Klang als würde er sich zu verteidigen versuchen. „Ich denke nicht das ich nah genug war, um irgendetwas einzuatmen... wirklich...“, fügte er noch hinzu. Viks Frage war nicht böse gemeint, sie hatte auch nicht unbedingt Angst sich nun von ihm anzustecken. Immerhin war ihre ganze Familie damals daran gestorben und sie hatte bisher keinerlei Anzeichen von dem Virus, was aber nicht unbedingt heißen musste, das dies so blieb. Weshalb das so war, konnte sie nicht sagen. „Ist schon okay, ich glaub dir“, warf sie ein. Er brauchte sich vor ihr nicht zu rechtfertigen. Allein für Ryan hoffte sie einfach, das alles gut gegangen war. Auch wenn er erklärte, dass er weit genug weg gewesen wäre, blieb ein flaues Gefühl im Magen. Sie wünschte wirklich niemanden auf diese Art zu sterben. „Ich mein, ich hoffe du bist okay... ich mein...“ sie zögerte kurz, ob sie es erzählen sollte, sprach aber dann doch weiter: „Ich war bei dem Ausbruch oft ... in der Nähe von Betroffenen. Bisher ist mir nichts passiert.“ Seine Hand fuhr bei ihrer Erklärung unwillkürlich zu seinem Bein an dem er das Messer führte. „Ich auch bereits einmal als ich in diese Stadt zurückgekehrt bin und zwei mal auf den Weg hierhin... Ich hatte keine Chance etwas für sie zu tun...“ Die kleine Handbewegung von Ryan entging ihr nicht. Hatte er mit dem Messer einige Leute schon erlöst? Sie wollte darauf aber lieber nicht eingehen, bevor sie auch bei ihm alte Wunden auf riss. Schweigend zog sie einen weiteren Stuhl heran, legte ihr Bein darauf ab und krempelte die Hose etwas hoch. Er konnte es sich natürlich gerne ansehen. Vielleicht fand sie dann heraus, warum es plötzlich doch so anfällig war. Er seufzte knapp fing dann an Viktorias Bein abzuwickeln, während er die Stille durchbrach: „Ich hoffe das nie wieder erleben zu müssen.“ „Ich hoffe das auch nicht“, murmelte sie nur und dachte an ihren kleinen Vorsatz. Würde sie an sich das Virus entdecken, dann wollte sie sich lieber gleich die Pulsadern öffnen und das Haus anzünden, in dem sie sich dann aufhielt. Sie wusste ja was auf sie zu kommen würde, das wollte sie auf keinen Fall selbst erleben und die Schuld jemanden angesteckt zu haben würde sie sich dann niemals verzeihen. Jedoch würde sie dafür vermutlich eh zu feige sein. Ein kleiner Funken Hoffnung war auch in ihrem Herzen noch vorhanden, selbst wenn sie das Märchen vom Heilmittel schon lange nicht mehr glaubte. Vermutlich war das Virus zu schnell mutiert. Fertig abgewickelt sah er auf die bereits gerötete Wunde, er tastete sie knapp ab. Erst der stechende Schmerz, gefolgt von einem kurzen Zucken, riss sie aus ihren trüben Gedanken. Gespannt wartete sie auf die neue Diagnose. Hoffentlich nur eine Kleinigkeit und kein verdrehtes Knie, Bänderriss oder sonst was. Ihr wäre lieber wenn er sie für ein Weichei hielt, als das sie sich für die nächsten Monate schonen sollte. Ryan sah zu Viktoria auf. „Scheint sich doch noch leicht zu entzünden, nicht weiter überraschend bei der knappen Wundversorgung, der Belastung und dem Wetter durch welches wir gerannt sind. Ich würde es nochmal säubern, dir ein Rezept für ein Antibiotikum verschreiben und in sieben Tagen schaust du nochmal bei deinem Hausarzt vorbei.“ Ein Lächeln zwang sich auf sein Gesicht. Erleichtert seufzte Vik auf, als es doch 'nur' eine Entzündung war. Den kleinen Anflug an Normalität, den er ihr gerade versuchte vorzugaukeln, zauberte auch ihr ein melancholisches Lächeln auf die Lippen. Aber zu gerne spielte sie dabei mit: „Oh dafür wäre ich sehr dankbar, jedoch hat mein Hausarzt vor einigen Monaten selbst einen ewigen Krankenschein eingereicht. Also wenn du gerade noch Patienten aufnimmst, dann würde ich gerne bei dir unter kommen. Ich bin natürlich seit einiger Zeit Privatpatient und zahle alles sofort... zum Beispiel mit...“, sie zog ihren Rucksack auf den Schoß und fing gleich an zu kramen. Sie legte zwei angefangene Schachteln Antibiotika auf den Tisch sowie eine Dose, die sie eben noch aus dem anderen Haus hatte mitgehen lassen. „... mit Nudeln in Tomatensoße mit Fleischbällchen. Es sei denn das zweite Frühstück ist deinem Magen ebenfalls nicht gut genug...“, sagte sie mit breiten Grinsen und versuchte auch das vorige Thema damit zu vergessen. Viktoria war sich sicher, dass er doch bald wieder Hunger haben würde. Ryan sollte besser jetzt was essen, wer weiß wann sie wieder unterbrochen würden. „Oh Privatpatientin! Warum hast du das nicht gleich gesagt? Ich hätte da noch ein paar Untersuchungen die ich dir empfehlen würde... Kassenpatienten muss ich derzeit leider ablehnen. Ich erreiche einfach keinen bei den Krankenkassen und bleibe meist auf den Kosten sitzen.“ Ein Lachen entfuhr ihm, den auftretenden Schmerz schob er anscheinend so gut es ihm vermochte beiseite und kostete sichtlich die kurze Freude vollends aus. „Aber erst kommt die Arbeit, dann die Bezahlung“, fügte er mit skeptischen Blick auf die Dosen hinzu. Recht amüsiert strahlte auch Viki ihn fast schon an. So einen Kerl hatte sie wirklich lange nicht mehr getroffen. Mal abgesehen davon, das er total selbstlos erschien, behielt er trotz der Umstände noch seinen Humor. Sie stellte den Rucksack wieder auf den Boden und begann mit dem Handtuch ihre Hose etwas trocken zu rubbeln, wobei auch das Handtuch schnell durchnässt war. Ihre Haare mussten auch fürchterlich nass sein. Auch diese versuchte sie nun etwas trocken zu kriegen, wobei sie immer mal wieder mit den Fingern durch die Haare fuhr. Wie eine Vogelscheuche wollte sie vor Ryan nun auch nicht aussehen. Es reichte ja schon, dass er sie vorhin so zerstrubbelt hatte. Ihr war immer noch etwas kalt, aber auch das besserte sich, nachdem sie aus dem Regen und vor allen Dingen aus dem Wind raus war. Zumindest würden die Antibiotika, vorausgesetzt die wären nicht zu lange abgelaufen, sodass man sie noch gefahrlos nehmen könnte, auch gegen eine aufkommende Lungen- und Blasenentzündung helfen. Ryan nahm sich eine der Antibiotika Verpackungen, musterte sie kurz ehe er sie Viktoria wieder zuwarf. „Nimm jetzt am besten schon eine und dann heut‘ Abend eine weitere“, ordnete er an. Viktoria fing ihre Tabletten wieder auf und holte ihre Plastikflasche mit Wasser hervor. „Okay“, bestätigte sie nur, während sie sich brav an seine Anweisungen hielt und eine Tablette mit dem nicht ganz so klaren Regenwasser runter spülte. Nach kurzem wühlen in seinem Rucksack breitete Ryan sein medizinisches Equipment auf dem Tisch aus. Ein recht gut sortiertes Köfferchen gefüllt mit allerhand Verbandsmaterial, Ampullen und Spritzen, jedoch lichtete sich sein Vorrat bereits merklich, waren viele der Fächer bereits leer. Mit einem kurzen Blick auf die Wunde begann Ryan damit Sachen, die er benötigen würde, vorzubereiten. Nebenbei musterte Viktoria beeindruckt seine kleine Sammlung und stellte die Flasche bei Seite und trocknete sich weiter ab. „Als Privatpatientin hast du dir wohl eine kleine Betäubung verdient“, verkündete er. Er zog einige Milliliter in einer Spritze auf ehe er mit seinem Stuhl näher an Viktorias Bein rückte, sich über die Wunde beugte und sie knapp aus dem Augenwinkel beim abtrocknen ansah. „Das wird nur kurz piksen und die Stelle oberflächlich Betäuben.“ Sogleich machte er sich an die Arbeit und injizierte das Mittelchen mit drei Stichen um die Wunde herum, ehe er sich nach kurzem warten damit anfing kleine Splitter mit einer Pinzette zu entfernen. „Betäubung? Willst du mir es doch absägen?“, fragte sie sicherheitshalber mit einer hochgezogener Augenbraue nach, als sie die Spritze sah und sogleich ein wenig das Gesicht zu einer Grimasse verzog, als er sie pieckste, aber Ryan schien nur lächelnd die Splitter zu entfernen. „Auch wenn ich recht froh darum bin, du solltest aufhören deine Sachen an mir zu verschwenden...“, ermahnte sie erneut. Natürlich hatte sie die leeren Fächer bemerkt. Er könnte das Zeug doch sicher selbst gebrauchen früher oder später. Sie fragte sie gerade wo man überhaupt noch Nachschub her bekommen könnte. Die Krankenhäuser und Arztpraxen waren sicher schon geplündert worden. Vielleicht konnten sie später das Haus durchsuchen. Bestimmt fand man hier ebenfalls noch ein paar brauchbare Sachen. Zumindest sah es so aus, als hätte man hier noch nicht alles durchsucht. Mittlerweile waren die Handtücher nasser als ihre Sachen, daher legte sie die nun doch zur Seite und stützte sich auf ihre Hand. Interessiert beobachtete sie Ryan, wie er gekonnt ihr Bein versorgte. Zum Glück spürte sie nicht mehr viel davon, sie wollte gar nicht wissen wie es ohne Betäubung gewesen wäre. „Ein paar weitere Untersuchungen und eine Betäubung, hm?“, kommentierte sie dann doch seine Arbeit. „Ich hoffe du kommst nicht auf falsche Gedanken, bei deinen Doktorspielchen“, sagte sie mit einem frechen Grinsen und hoffte das sie damit nicht zu weit ging. Einerseits hatte sie doch ein ganz kleines, schlechtes Gewissen, wenn sie ihn nun zum Lachen brachte, jedoch hatte sie selbst auch schon lange keine Gelegenheit zum Lachen gehabt. Daher kostete sie es nur zu gerne aus. Auch Ryan musste die Pinzette kurz beiseite legen und versuchte ein Lachen zu unterdrücken, wollte er nicht unbedingt auf die Wunde Lachen. „Doktorspielchen? Na klar, was denkst du den? Von wegen kleine Betäubung, das Zeug haut dich gleich komplett um, schade das du schon dahintergekommen bist.“ Nachdem er auch sein letztes Lachen mit einem Kopfschütteln abschüttelte wandte er sich wieder der Wunde zu, zog dabei einen Splitter nach dem Nächsten hinaus. „Keine Sorge, verschwendet wäre das Zeug erst wenn ich es mit irgendwelchen Junkies tauschen würde, die sich damit höchstwahrscheinlich ins Nirwana schießen würden, so kommt das Zeug wenigstens noch seiner Bestimmung zu gute.“ Als er dann doch die Pinzette wieder zur Hand nahm, war sie doch schon verwundert, wie viele Splitter Ryan noch aus ihren Bein zog. „Das ist auch wieder wahr, die Anzahl der Junkies scheint irgendwie auch zu zunehmen“, überlegte sie. Auch ihr waren schon unheimliche Gestalten begegnet, die gefährlicher wurden, je verzweifelter sie waren. Allein deswegen sammelte sie so viele Zigaretten Packungen wie möglich, um einige immer im Rucksack zu haben und die anderen in einen Versteck zu bunkern. „Nicht immer sind die Süchtigen mit ein paar Zigaretten zu besänftigen“, murmelte sie gedankenverloren für sich. Aber zum Glück war sie bisher immer noch davon gekommen. Ryans kurzen veränderten Gesichtsausdruck konnte sie nicht ganz deuten. Hatte sie was falsches gesagt? Kurz überlegte sie, aber sie kam nicht drauf. Also runzelte sie selbst nur kurz die Stirn und vergaß die Sache dann sofort wieder. „Eventuell kannst du es irgendwann noch gebrauchen. Nicht das du dann irgendwann ohne das Zeug dastehst. Ach, da fällt mir ein, wir sollten das Haus später mal durchsuchen. Es wäre ja möglich, das es hier auch noch Essen oder Medikamente gibt. Zumindest sieht es hier auch noch relativ unberührt aus“, warf sie noch schnell ein, bevor sie es selbst wieder vergaß. Ryan nickte zustimmend zu dem Vorschlag, ohne jedoch seine Arbeit zu pausieren. „Wo hast du das eigentlich gelernt? Ich hab zuerst gedacht du wärst ein Bulle...“, gab sie zu und konnte ihre Augen nicht von seiner Arbeit lassen. Aber Polizisten waren bestimmt nicht so gut in medizinischen Sachen. Ob er eine zweite Ausbildung gemacht hatte? Vorhin hatte er zumindest von 'seinen Trupp' erzählt. Ryan runzelte die Stirn ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Kurz biss sich Vik auf die Unterlippe. 'Bulle' hätte sie wohl besser nicht sagen sollen, aber irgendwie war der Begriff für sie geläufiger geworden. „Bulle? Ohje, ich glaube nicht, dass mir die Bezeichnung gefiele wenn ich einer wäre. Nein, ich war beim Militär und dort auch eigentlich nur gelandet weil sie dort die Ausbildung bezahlten.“ Er wandte sich dem letzten Splitter zu, während er weiter erzählte: „Zum Doktor hat es dann auch nicht gereicht und nun bin ich ein waschechter Feldsanitäter.“ Mit einem Seufzen sah er zu Viktoria auf, schenkte ihr ein Lächeln. „Oder eher war ich einer, vielleicht hab ich auch nur deswegen bisher überlebt.“ Sie hätte ja eigentlich selbst drauf kommen können, das er ein Sanitäter war. „Deswegen kannst du das so gut... Warst du ... vorher ... oft im Einsatz unterwegs?“, fragte sie. Nun betrachtete Viktoria Ryan mal genauer und fragte sie wie alt er überhaupt war. Aber Männer mit Bärten konnte sie immer so schlecht einschätzen. Ob er um die 30 war? Vielleicht auch etwas jünger. „Ich hab schon ein paar auf den Buckel, aber ein Großteil der Einsätze waren nur kleine Unterstützungen der Polizei, bei Demonstrationen oder großen Veranstaltungen. Von daher vielleicht ist Bulle gar nicht so verkehrt. Militärische Einsätze bedeutend weniger, die kann man bei mir an einer Hand abzählen“, erklärte er ihr. Viktoria überlegte noch wie alt er sein könnte, als er plötzlich auf sah. Ein wenig fühlte sie sich ertappt und sah selbst wieder auf seine beschäftigten Hände. Seine Antwort half ihrer Frage nicht viel weiter, was jedoch auch nicht weiter schlimm war. „Naja, der Begriff 'Bulle' war ja auch nicht böse gemeint. Ich hör es so zumindest öfter“, versuchte sie sich wenigstens in dem Punkt noch mal kurz herauszureden. „Aber klingt auch sehr interessant und abwechslungsreich, was du gemacht hast.“ Ob es überhaupt okay war ihn daran zu erinnern? Er musste auch nicht weiter darauf eingehen, wenn er es nicht wollte. Sie wollte ja auch nicht immer an Vergangenes erinnert werden, denn damals hatte sie ganz andere Sorgen. Zum Beispiel eine Wohnung zu finden und eine Universität auszuwählen. Sie hätte sogar fast die Stadt noch kurz vor der Katastrophe verlassen. Aber es brachte nichts darüber nachzudenken, also setzte sie wieder ein Lächeln auf. „Es klingt sicherlich aufregend, war es hin und wieder auf jeden Fall auch, aber meistens saßen wir in unserer Stube und haben Karten gespielt, Schwachsinn geredet oder uns über Frauen unterhalten“, sagte er, bevor seine Gedanken merkbar abwanderten und ein fast schon verträumtes Schmunzeln sich auf seinem Gesicht bildete, als er an die 'gute alte Zeit' zurückdachte. Mit einem Schulterzucken schüttelte er seine Gedanken ab. Wie er so über seinen Trupp redete, war es sicher eine schöne Zeit gewesen. Auch sein kleines Lächeln zeugte davon, da wollte Viktoria ihn nicht weiter bei seinen Gedanken stören und schwieg eine Weile. Sie versuchte sich nur Ryan in seiner Uniform mit seinen Kameraden vorzustellen. So ganz gelang ihr das nicht. Irgendwie war alles so unwirklich, alles so weit weg, seit der Virus ausgebrochen war. Und nun saß der Soldat vor ihr und kümmerte sich, um so Kleinigkeiten wie ihr Bein. Ein letztes mal widmete er sich den übriggeblieben, widerspenstigen Splitter und entfernte diesen, der um einiges tiefer im Fleisch gesteckt hatte, während Viktoria das Gesicht leicht verzog. Sie mochte dort kaum zusehen und schaute dann doch demonstrativ in eine andere Richtung. Er hielt den deutlich längeren Splitter kurz in die Luft ehe er mit einer Kompresse die nun etwas stärker blutende Wunde abdrückte. Erst dann sah sie doch wieder hin und zog eine Augenbraue hoch. „Vielleicht hat dieser Übeltäter dich auch noch zusätzlich gepiesackt und die Entzündung provoziert. Immerhin sollte die Betäubung noch ein paar Minuten wirken“, überlegte Ryan „Das Mistding war schuld? Na dann hoffe ich das es nun besser wird“, sagte sie seufzend. Bereits hatte er damit begonnen die Wunde diesmal großzügiger zu desinfizieren solange die Betäubung noch anhielt. Als Viktoria Ryans Bemerkung wieder einfiel, konnte sie der Vorlage nicht widerstehen, auch wenn sie es fast schon bereute, ihn so nur noch mehr Schmerzen zu zufügen. „Soso, ein paar Minuten bevor es mich komplett umhaut oder wie? Das ist aber schon egoistisch, vielleicht hätte ich auch gern was davon gehabt, wenn du über mich herfällst,“ fügte sie kichernd mit einem frechen Zwinkern hinzu und war doch gespannt, ob er darauf noch einging. Seine Augen sahen kurz von seiner Arbeit auf, blickten zwischen immer noch nassen Haaren hindurch überrascht zu Viktoria auf. War sie zu weit gegangen? Zumindest hätte Ryan ihr das nach dem Blick zu urteilen nicht zugetraut. Früher hatte Viktoria solche Spielchen öfters mit ihren Freunden gemacht, natürlich waren die Worte nie ernst gemeint gewesen. Ihr wurde erst jetzt bewusst, wie sehr sie das vermisst hatte. Ihr Kichern gepaart mit der anzüglichen Bemerkung ließ Ryan selbst erneut kurz auflachen und mit einem wohligen Schmunzeln zurück zwinkerte. „Führe mich besser nicht in Versuchung, Vik. Aber ich hab sicher auch ein Gegenmittelchen gegen die Betäubung. Da kommst du dann auch auf deine Kosten.“ Mit einem weiteren zurückgehaltenen Auflachen wandte er sich wieder dem Verbinden ihres Beines zu. „Na, dann eben nicht“, sagte sie mit einem breiten Grinsen und einem Schulterzucken. „Du weißt ja gar nicht was du verpasst.“ fügte sie noch mit einen erneuten verführerischen Zwinkern hinzu, worauf hin er ebenfalls grinste. „Ich kann es mir nur allzu gut vorstellen, welch ein Abenteuer du sein kannst. Nur dann würden wir ja niemals zum Park kommen.“ Langsam meldete sich teilweise das Gefühl wieder an. Viktoria war schon gespannt, ob das Laufen ohne die Splitter nun deutlich besser funktionieren würde. Sie musste aber zu geben, dass er als Sanitäter scheinbar sehr gewissenhaft arbeitete, ließ er sich doch nur schwer davon ablenken. Leider ging auch das kleine Spielchen merklich zu Ende, aber genossen hatte sie es von Herzen. „Das stimmt auch wieder. Dann schauen wir eben, was sich beim Park so ergibt“, erwiderte sie noch mit einen scheuen Schmunzeln. „Ich werde dich dran erinnern, wenn wir im Park angekommen sind, hoffentlich ist es dann trockener geworden, sonst würde das eine schmutzige Sache werden.“ Ein knappes Lächeln konnte er sich bei dem schwachen Wortspiel dennoch nicht verkneifen. Scharf sog sie die Luft zwischen den Zähnen ein, nach seiner Bemerkung zum Park. „Also ich weiß ja nicht ob mein neuer Arzt so begeistert davon wäre. Immerhin hat er sich so viel Mühe beim Säubern der Wunde gegeben“, gab sie nachdenklich zu bedenken, konnte aber Grinsen ebenfalls nicht verkneifen. Aber die Bilder die er ihr damit gerade in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie selbst mit einen kleinen Kopfschütteln nicht loswerden. Wiedermal verlegen sah sie kurz auf den Tisch, während sie ihn doch aus den Augenwinkeln noch grinsend ansah. „Na du bist doch Privatversichert, da opfert dein Doc sicher gerne nochmal ein bisschen seines Verbandsmaterials. Gäbe es doch kaum einen besseren Verwendungszweck.“ Sein zurückhaltendes Lachen ließ ihn erneut etwas schmerzvoll zusammenzucken, dennoch grinste er sie weiterhin an. Als er wieder mit dem Verwendungszweck anfing, rollte sie nur kurz mit den Augen. Ja, diese Diskussion hatten sie in der knappen Zeit nun schon des öfteren durch. Also ging sie auf den Punkt schon mal nicht ein. „Na dann lassen wir uns einfach mal überraschen, was im Park so auf uns wartet.Wir könnten uns ja ein sauberes Plätzchen für schmutzige Dinge suchen. Das Problem wird wohl eher, das wir beide uns schonen sollten“, sagte sie mit leichten Bedauern. Aber auch das konnte nicht wirklich überzeugen, bei ihrem Grinsen. Er beendete den Verband zuckte dann kurz mit der Schulter, während er sagte: „Die Entzündung ist lokal bereits da, aber immerhin sollte sie sich nicht mehr verbreiten und nun allmählich wieder besser werden. Also erwarte durch mich keine Wunderheilung.“ „Vielen Dank, das war schon wirklich mehr als ich je erhofft hatte“, gab sie zu. Größere Wunden hatte sie sich bisher glücklicherweise noch nicht zugezogen seit sie alleine war, aber sie wusste, das sie dann maßlos überfordert sein würde. Hauptsache der Tag würde nicht so bald kommen, da ihre Verletzung die nächste Zeit schon schwer genug machen würde. Ryan holte ein weiteres kleines Fläschchen hervor und schüttelte es knapp in seiner Hand, eine klare Flüssigkeit schwamm darin: „Wenn die Schmerzen zu schlimm sind, kann ich dir etwas gegen diese Anbieten, würde aber empfehlen, solang du es aushalten kannst, zu warten bis man ein Nachtlager aufschlagen kann.“ Viktoria sah zu dem Fläschchen in seiner Hand und kurz biss sie sich wieder auf die Unterlippe und entschied, das sie schon genug Hilfe angenommen hatte. „Nein, nein das wird nicht nötig sein. Normalerweise bin ich nicht so eine Heulsuse“, log sie. Eigentlich weinte sie oft, aber meist nur wenn sie alleine war. „Und wer weiß was bis heute Abend schon wieder alles passiert ist ...“, gab sie zu bedenken. Vielleicht wurden sie getrennt oder aber Viktoria ließ ihn irgendwo zurück. Er war zu nett um bei ihm zu bleiben. Auf irgendeiner Weise würde das früher oder später schief gehen, da war sie sich sicher. Also genoss sie den Moment und dachte erst einmal nicht weiter darüber nach, was Morgen auf sie zu kam. Schließlich klopfte er sachte auf ihr Bein, deutlich entfernt von der eigentlichen Wunde und lehnte sich etwas nach der getanen Arbeit in seinem Stuhl zurück und verkündete: „So ich bin fertig, weil du so artig warst kannst du dir vorne am Empfang einen Lutscher mitnehmen.“ Die kleine, vertraute Berührung außerhalb des erwarteten 'Arbeitsbereichs' ließ einen hauchzarten rosa Schimmer auf ihre Wagen erscheinen und ließ sie bei seinen Worten etwas auflachen, wobei leicht verlegen die Hand vor den Mund nahm. Hoffentlich sah man so die Röte nicht so doll. Er fing an sein Equipment eher beiläufig zusammen zu packen, begutachtete ein letztes mal sein Werk ehe er damit begann ihr aufgerolltes Hosenbein wieder runter zu krempeln. Leicht verlegen ließ sie auch zu, dass er ihre Hose wieder richtete. Mit einen kleinen Seufzen stütze sie sich wieder auf ihre Hand, wobei sie selbst noch merke, wie warm ihre Wangen waren. Sie wurde schnell rot, was 'Viktor' auch schon oft in Schwierigkeiten brachte, aber bisher konnte 'er' sich noch immer irgendwie retten. „Auch dafür herzlichen Danke Doc, ich hoffe doch sie haben auch Erdbeer-Lutscher da! Was schulde ich ihnen jetzt? Sind die Nudeln gut genug? Am besten leg ich gleich noch eine Dose oben drauf ...“, sie lehnte sich leicht vor und kramte in dem Rucksack am Boden. Heraus zog sie eine Dose Chili con Carne und stellte sie neben der anderen auf den Tisch. Dessen Anblick ließ Ryan unwillkürlich aufstoßen, dessen Magen scheinbar bei dem bloßen Gedanken an Nahrung wieder rebellierte. Sein eigensinniger Blick auf diese sagte ihr schon alles. Ein Grinsen konnte sie daher nicht unterdrücken. Dennoch war es besser, wenn er etwas aß. Irgendwann würde er die Kraft schon brauchen. Auf einen leeren Magen war eine stressige Flucht nicht gerade angenehm, das wusste sie ja selbst. Anscheinend wusste er das auch, denn schon griff er sich zumindest eine der Dosen, öffnete diese und stellte sie jedoch vor Viktoria. „Machen wir daraus dann doch lieber ein Candle Light Dinner ohne Kerzen, ich freu‘ mich schon wenn ich es schaffe auch nur eine Dose in mir zu behalten.“ Mit einem weiteren sanftem Lächeln bedachte er Viktoria, er nickte knapp in ihre Richtung, wollte damit auf den breiten Verband über ihren Brustkorb anspielen. „Genug Gerede von mir, was ist mit dir, 'Viktor'? Was hast du gemacht bevor hier alles den Bach runter ging? Stahlarbeiter? Schlosser? Oder vielleicht Müllmann?“ Er lachte herzhaft auf, stützte mit einer Hand seine Rippen als das Stechen einsetzte, gab es ihm doch wenigstens etwas Erleichterung. Mit einem Seufzen wich sie seinen Augen aus. Es war klar, das so eine Fragen kommen würde. Als sie ihn ein paar Sekunden später wieder ansah, hatte sie wieder ein kleines amüsiertes Lächeln auf den Lippen. „Moment, ich sorge für etwas Kultur, bevor ich darauf eingehe“, sagte sie nur und erhob sich. Mit einer Hand stütze sie sich am Stuhl ab, mit der andern bedeutete sie Ryan sitzen zu bleiben, während er ihr schmunzelnd hinterher sah. „Wenn wir schon ein Dinner haben, dann richtig...“ und noch während sie sprach humpelte sie recht zügig in Richtung Küche. Sie durchstöberte gerade ein paar Schränke und nahm noch sauberes Geschirr heraus, als sie zeitgleich mit lauter Stimme schon zu antworten begann: „Viktor war Chemiefacharbeiter und auf der Suche nach einer Ausbildung als Maler und Lackierer. Seine Familie bestand nur noch aus seinen Dad, der nach der Katastrophe recht schnell drauf ging, genauso wie seine kleine Freundin Mary.... oh hier sollten wir morgen wieder kommen“, bemerkte sie nebenbei, als sie ein paar Essensvorräte fand. Mit dem Teller und Besteck in der Hand kam sie zurück zum Tisch und deckte diesen für sie beide. Auch der Inhalt der Dose wurde schon aufgeteilt, als sie weiter sprach: „Viktoria hingegen suchte gerade nach einer passenden Universität und einer Wohnung für sich und ihren Freund. Denn sie hatte vor Musik und Sport oder Geschichte zu studieren.“ Das Tischdecken fühlte sich seltsam an. So normal, als wäre noch alles in Ordnung, wobei ihre Worte klangen, als würde sie von einer anderen Person reden. Tat sie ja im Prinzip auch. Nichts davon würde sie je erleben. Sie setzte sich nun wieder an den Tisch und wagte es erst jetzt Ryan wieder mit leichten Lächeln anzuschauen. „Was hat mich eigentlich verraten? War meine Stimme zu hoch oder sind meine Haare wieder zu lang geworden? Oder ist es meine gesamte Erscheinung?“ Die Frage interessierte sie brennend, immerhin konnte sie daraus für die Zukunft lernen. Dementsprechend gespannt wartete sie auf seine Antwort. „Und ich habe schon erwartet, dass du nun einen Kerzenleuchter aus deinem Rucksack kramst“, sagte Ryan zuerst, während er nur in seinem Essen stocherte. „Nein, so viel Platz hab ich nun auch nicht im Rucksack und die Kerzen sind zu wertvoll“, warf Vik noch schwach lächelnd ein und betrachtete selbst noch leicht gedankenverloren ihr Essen. Viktoria war ihm sehr dankbar, dass er nicht weiter nach ihrer Vergangenheit fragte. So vieles hatte sie verloren und so vieles vermisste sie schmerzlich. Natürlich ihre Familie und Freunde, aber genauso die Kleinigkeiten: Schokolade, ihren MP3-Player, besonders ihre Violine. Lange hatte sie diese noch mitgeschleppt, bis sie das bereits angeschlagene Musikinstrument auf der Flucht zurück lassen musste und von dem Rand eines Daches sah, wie diese Tölpel sie gänzlich zerstörten. Diese Gang hatte ja gar keine Ahnung welchen Wert eine Violine besaß, ansonsten hätten sie sicher noch einige Güter dagegen eingetauscht. Sie seufzte wieder und verschloss auch diese Erinnerung wieder tief in ihrem Herzen. Sollte Ryan und sie wirklich länger mit einander zu tun haben oder sich gar irgendwann wieder sehen, dann würde sie sicherlich von sich aus etwas mehr erzählen. Aber nun wollte sie weder ihm noch sich die schöne Mahlzeit verderben, auch wenn er noch immer nichts aß. War ihm noch schlecht? Oder sollte sie zuerst essen? Wieder so eine seltsame Situation... Auch sie hatte etwas in den Nudeln rumgestochert, entschied sich aber dann doch ein paar zu essen, während sie auf seine Antwort wartete. Das Essen war zwar kalt, aber es schmeckte ihr dennoch sehr gut. Es war wirklich lange her, seit sie das letzte mal wirklich von einem Teller gegessen hatte. Sie hatte nun eher das Gefühl bei einem Freund zu Hause zu sein und so nett mit ihm zu plaudern. Dann zuckte Ryan knapp seine Schultern, stocherte einmal mehr in seinem Essen herum, ehe er das Besteck wieder beiseite legte und Viktoria anblickte, ernsthaft einige Momente über ihre Frage nachdenkend. „Ich hab dich zuerst für einen Jungen mit ‘ner Zahnspange oder so gehalten. Aber ich denke deine gesamte Erscheinung hat mich zum Zweifeln gebracht.“ Er klopfte sich exemplarisch auf den Bauch. So ganz gefiel ihr die Antwort nicht, konnte sie doch wenig daraus lernen. „Junge mit Zahnspange?“, fragte sie amüsiert und gleichzeitig verwirrt, als er sich auf den Bauch klopfte. „Du bist Körperlich ziemlich fit, aber dein Körperbau ist nun mal weiblich.“ Anschließend ließ er seinen Finger vor ihr Kreisen, zeichnete ihre Gesichtszüge in die Luft und ihre Augen verfolgten seine Fingerspitzen, wobei sie leicht schmunzelte. „Dein Gesicht, deine Lippen, hin und wieder dieses leichte erröten...“, erklärte er und lächelte sie freundlich an zuckte dennoch erneut mit den Schultern. Wie zur Bestätigung lief sie sofort wieder rot an. „Aa... aber ... was kann ich denn noch...?", stotterte sie recht hilflos. „Alles gut kaschiert aber dennoch weiblich. Aber den Ausschlag hat wohl einfach mein Bauchgefühl gegeben. Ich hatte es einfach im Gefühl dass du kein Mann bist...“ Mit einem breiteren Schmunzeln, stocherte er wieder etwas in seinem aufgetischten Essen. „Ziemlich dumme Erklärung, ich weiß, aber meistens kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen, aber vielleicht gab auch einfach dein Po den Ausschlag.“ Nun war er es der ihr ein Zwinkern zuwarf, woraufhin sie wieder leicht auflachte. „Mein Po hat mich verraten? Sicher, dass du dich dabei nie irren würdest?“, fragte sie frech. Wer wusste schon wie Ryan wirklich drauf war... „Ja, ganz sicher es muss dein Po gewesen sein, ich gelte quasi als Fachmann“, sagte er überzeugt, schüttelte aber dann lächelnd den Kopf, wobei Vik zufrieden beobachtete wie er endlich seinen Appetit wieder fand und zu essen anfing. Zumindest müsste sie es nicht in ihn reinzwingen. Zur Not hätte sie das sicher auch gemacht, doch nun war sie mit ihren Teller beschäftigt. Doch als er sich zum Po-Fachmann erklärte konnte sie nicht anders als los zu lachen und dabei die Hand vor dem Mund zu halten. „Also ein Po-Fachmann? Ich frag lieber nicht wie man zu diesem Titel kommt oder was man bis dahin alles gesehen haben muss“, scherzte sie. Sie schob sich noch eine weitere Nudel in den Mund, während er weiterhin versuchte zu erklären woran es nun lag, dass er ihr 'Geheimnis' so schnell erraten hatte. Sie nickte nur überlegend und aß selbst weiter. „Nein Quatsch, es waren wohl viele Kleinigkeiten die sich summiert haben. Als die Tür noch zwischen uns war ist deine Stimme hin und wieder hochgerutscht, so dachte ich zuerst an jemanden in der Pubertät, war also schon skeptisch, den Rest hat dann wohl deine Erscheinung gemacht. Aber das Rot im Gesicht steht dir.“ Einen weiteren Biss nehmend, schwieg er notgedrungen, warf ihr währenddessen ein Zwinkern zu. Bevor sie Zeit hatte wirklich zu analysieren, blieb ihr nur der eine Satz in den Ohren hängen: Das Rot im Gesicht steht dir. Das war alles andere als hilfreich, nein sogar kontraproduktiv. Mit richtigen Komplimenten oder Annäherungsversuchen hatte sie immer ein Problem. Beschämt bedeckte sie leicht die Augen mit der Hand und wurde gleichzeitig rot wie eine Tomate. „Du bist schrecklich. Sonst hab ich das besser unter Kontrolle“, gab sie leicht schmollend zu. Sie nahm lieber selbst noch einen Bissen, bevor sie noch was dummes sagte. Sich zu beruhigen schien ja nicht viel zu helfen, ihre Wangen glühten ja schon dauerhaft. Alles seine Schuld! Warum sagte er auch so etwas? Naja gut, sie hatte auch lange niemanden so an sich heran gelassen. Das war wohl ein weitere Grund warum sie so übertrieben reagierte. „Ich kann dir da wenig helfen, ich musste mir keine Gedanken um eine Verkleidung machen, vielleicht solltest du dir einen Schnurrbart ankleben? Aber du weißt ja anscheinend mit diesen scharfen Dingern gut umzugehen, damit dürftest du doch viele in die Flucht schlagen können bevor sie deine Scharade durchschauen“, scherzte er weiter. Sie fing bei der Idee mit dem Schnurrbart an zu kichern, winkte aber bei den Kommentar mit den Dolchen etwas ab. „Ach ne, das meiste hab ich mir in den letzten Monaten selbst bei gebracht. Meist reicht es sie einfach nur zu haben. In einem richtigen Kampf würde ich schnell den kürzeren ziehen“, erklärte sie. Zudem waren die beiden Dolche schon etwas stumpf geworden. Sie müsste sich wohl bald mal darum kümmern. Als er vom Essen wieder aufsah verfiel Ryan in ein Prusten welches er zurückzuhalten versuchte, es sich schlussendlich aber durch ein Verschlucken in ein Gemisch aus Husten und Lachen verschlimmerte, seine Hand stützte erneut seine Rippe fuhr durch das Husten ein ständiger Blitz des abrupten Schmerzes durch seinen Körper. Viktoria verstand zu erst nicht was los war, konnte sich aber schnell vorstellen, das er sich sie gerade mit erwähnten Schnurrbart vorstellte. Ihr grimmiges Lächeln wurde schon bald sehr besorgt. „Ryan?“, fragte sie zögerlich. Sie wusste nicht was sie machen sollte. Er hustete schrecklich und es sah sehr schmerzhaft auf. Sie sprang auf und stellte sich neben ihn, wobei sie gleich über seinen Rücken streichelte. Klopfen wollte sie nun auch nicht, wollte ihm doch nicht noch mehr weh tun. Dennoch beruhigte er sich schnell in ein herzliches Lachen welches Ryan, trotz des Schmerzes, sichtlich genoss. „Okay, lass das besser mit dem Schnurrbart, es sei den du willst mich doch noch ums Eck bringen“, sagte Ryan. Erleichtert atmete sie auf. „Nja, ich glaube das wäre besser“, sagte sie noch leicht besorgt. „Geht‘s wieder?“, fragte sie zur Sicherheit, wobei Ryan sie nur überrascht mit einem Lächeln und Tränen in den Augen zu ihr aufsah. „Entschuldigung... Ich wollte dich nicht beunruhigen... Ich hab mich schon wieder… Ich hab meine Fassung verloren“ , sagte er und atmete kontrolliert zwischen seinen Wörtern ein und aus, presste die knappen Sätze zwischen seinen Atemzügen hervor, während er seinen Oberkörper weiterhin mit einer Hand stützte. Leicht verwirrt und mit deutlich besorgten Ausdruck starrte sie ihn noch eine Weile an. Doch seine Beschwichtigung beruhigten Viktoria sofort. Mal wieder hatte sie überreagiert, wie sie feststellen musste. Mit einer Hand fuhr sie sich kurz durch ihr Gesicht und atmete noch einmal tief durch, wobei gleichzeitig die andere noch immer auf seinen Rücken ruhte. Sie merkte oder eher dachte nicht mal mehr an diese kleine Geste, auch wenn es sie unterbewusst weiter entspannte. „Erschreck‘ mich nicht nochmal so. Ansonsten fall‘ ich noch mit ‘nem Herzinfarkt um“, meinte sie dann mit erleichterten Lächeln. „Ich wollte dich nicht beunruhigen, bei dem Stechen merkt man erstmal wirklich das man noch lebt…Ich weiß dass ich schrecklich bin... aber mit dem Schock hab ich dir die Röte wohl vollends aus dem Gesicht getrieben.“ Sein Lächeln wurde erneut breiter, als er hinzufügte: „Vielleicht krieg‘ ich diese charmante Röte wieder im benannten Park zu sehen, dann ordne ich, wenn wir ein sauberes Plätzchen finden, auch für einen Tag Schonungspause an.“ Das ließ sie nur mit den Augen rollen. „Na anscheinend geht es dir doch zu gut“, meinte sie schon fast genervt auf seinen kleinen Scherz. Mal wieder wurde ihr schmerzlich bewusst, wie dämlich es war, sofort auf zuspringen, wo Ryan doch scheinbar immer noch in der Lage war sie zu ärgern. Sie konnte aber nicht anders, als sein Lächeln frech zu erwidern. „Ich glaube nicht, dass du die dort zu Gesicht bekommst. Ich bring dich ja so schon fast um, da werd‘ ich sicherlich kein weiteres Risiko eingehen. Das würdest du erst recht nicht überleben...“, versprach sie mit kecken Blick. Natürlich würde von ihr aus nichts derartiges vorerst passieren, aber er sollte dennoch nicht glauben das sie sich nur hinter leeren Worten verbarg. Allgemein wusste sie selbst nicht ganz, was sie hier tat. Normalerweise war sie zu Fremden schüchtern und eher das nette, brave Mädchen, wenn sie mal nicht 'Viktor' spielte. Aber bei Ryan blühte sie schon fast auf. Lag es daran, das sie sonst wirklich keine Gelegenheit dazu hatte? Zumindest fühlte sie sich ebenfalls seit langem wieder... menschlich. Waren nicht solche Momente überhaupt der Grund warum sie noch versuchte zu überleben? Ein Stück Normalität, ein kleines Lachen... Kapitel 4: Nevermind -------------------- Ryan schien ihre Gesellschaft auch zu genießen, zumindest lachte er fiel. Ein Lachen, das er zur Zeit, dank dem Einsturz der Treppe, mit Schmerzen bezahlen musste. Mit seinem Seufzen sah Vik ihn nochmal sorgenvoll an. Solche Scherze sollte sie vielleicht auch sein lassen, wo ihm doch schon das Verschlucken am Essen mit anschließenden Husten sichtlich Probleme bereitet hatte. Besorgt war sie deswegen zu ihm geeilt, um ihn auf den Rücken zu klopfen, traute sich jedoch dann doch nicht. „Kannst du dir nicht selbst irgendwas verschreiben?“, fragte sie noch. Natürlich konnte man bei einer Prellung nicht viel tun, das wusste sie ja durchaus selbst, aber noch so ein Husten- oder eher Lachanfall, im schlimmsten Falle zu einem ungünstigen Zeitpunkt, könnte doch gefährlich werden. Ryan schüttelte knapp seinen Kopf. „Ethisch wäre das wohl nicht korrekt, Ärztekodex und so weiter. Nein, Spaß beiseite, ich hab nur noch das eine Schmerzmitelchen, welches ich dir schon angeboten habe und dies ist etwas schwer zu dosieren. Sehr viel mehr als etwas gegen die Schmerzen zu nehmen ist bei Rippen eh nicht drin, es sei denn du findest eine Anleitung für Einsteiger in die offene Brustkorb-Chirurgie und schärfst deine Klingen vorher. Ob es mir jedoch nach dieser Prozedur Schmerztechnisch dann besser geht, glaube ich kaum.“ Aus seinem Blick sprach deutlich eine gewisse Verlegenheit, Viktoria durch ein simples Verschlucken so aufgeschreckt zu haben. „Aber es ist auch wirklich noch aushaltbar, es wäre wirklich keinen Herzinfarkt wert.“ Mit einen Schmunzeln vernahm sie seinen Vorschlag zur Chirurgie. Den Rest der Antwort verwunderte sie nicht, immerhin hatte sie erwartet, das man nicht viel dagegen tun konnte. „Lieber nicht. Handwerklich war ich noch nie wirklich begabt. Also ist das Schmerzmittel wohl wirklich die bessere Alternative. Wenn es jedoch das letzte ist, sollte man sich das schon für Notfälle aufsparen“, sagte sie leicht in Gedanken versunken und überlegte wie schnell es wohl wirken würde. War es vielleicht besser es vor einer Flucht oder reichte es das Mittel während einer Flucht zu sich zu nehmen? Sie würden es wohl erst einmal drauf an kommen lassen müssen. Bisher ging es ja noch beiden gut. „Ich denke auch, dass ich ohne funktionierenden Strom und den hygienischen Zuständen nicht mals in einem OP-Saal solch einen Eingriff schaffen würde, deswegen verschieben wir das Ein mal Eins der Thoraxchirurgie lieber auf einen anderen Zeitpunkt“, schlug er vor. Ryan langte mit seiner Hand nach oben, klopfte seinerseits, aus seiner Position recht kraftlos, Viktorias Rücken mit Anspielung auf ihre Streicheleinheit, die sich daraufhin sofort daran erinnerte, dass ihre Hand noch immer auf seinen Rücken lag. Sofort zog sie die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. „Entschuldige... ich wollte nicht... eigentlich wollte ich nur... auch egal!“, murmelte sie schnell und setzte sich ebenso hastig wieder vor ihren Teller, ließ sich ansonsten aber nicht weiter anmerken wie peinlich es war. Wieder mit Anlauf ins Fettnäpfchen getreten. Er sah sie verwundert mit leicht erhobener Augenbraue über den Tisch, den sie in Eiltempo wieder zwischen die beiden gebracht hat, hinweg an. „Hab ich dir einen elektrischen Schlag verpasst? Wofür willst du dich denn entschuldigen?“ Seine Stimme war ruhig, klang ernsthaft interessiert, sein Blick ruhte weiterhin fragend und etwas hilflos auf Viktoria. „Deine Nähe war sicher auch ein Grund weshalb mein Husten sich schneller beruhigt hat, keinesfalls eine Entschuldigung wert…“, versuchte er sie zu beruhigen. Irgendwie fühlte sie sich sicherer, als sie wieder etwas entfernt saß und nun langsam ihren Teller leer machte. Dennoch hing seine unbeantwortete Frage noch schwer im Raum. Natürlich hatte er sie auf diesen Zwiespalt angesprochen. War ja auch kein Wunder, so schizophren sie sich heute aufspielte. Seufzend legte sie die Gabel auf den Tisch und betrachtete diese eine Weile. Lange zögerte sie, ob sie nun darauf eingehen sollte oder nicht, wobei sie noch kurz nervös auf die Unterlippe 'rumkaute. Vermutlich würde er sie auslachen oder sie mit Mitleid überhäufen. Auf beides war sie nicht gerade scharf. „Schon Oka-...“ Ryan wollte sie beschwichtigen, als sie gerade das Wort ergriff. „Naja...“, fing sie an, doch irgendwie wusste sie nicht wie sie es ausdrücken und noch weniger was sie sagen sollte. „Ich wollte dir auch nicht... zu nahe treten und… “, sie rang etwas um ihre Worte, „Ich weiß auch nicht... ich spiele gern mit Worten und Gedanken,... jedoch... war ich schon früher in der Hinsicht eher zurückhaltend,... und es gibt einige ziemlich unheimliche Typen da draußen, mit denen ich schon die ein oder andere Begegnung hatte“, plapperte sie nun doch etwas, wobei sie zügig fort fuhr und ihn aufrichtig in die Augen sah, um ihn nicht zu beunruhigen: „Mit,... mit mir ist alles okay und mir ist noch nichts schlimmeres passiert,“, log sie, „aber es reichte es mit anzusehen und zudem... bin ich seit einigen Monaten mehr oder minder allein unterwegs. Jedenfalls bin ich immer nur zeitweilig bei anderen“, sagte sie noch etwas entschuldigend. „Das ist meine erste richtige Unterhaltung seit einiger Zeit, wenn man Tauschgeschäfte mal ausschließt. Ich bin wohl etwas aus der Übung was Sozialverhalten angeht“, scherzte sie mit einem kläglichen Lächeln und begann leicht ihre Hände unter den Tisch zu kneten. Eigentlich hätte sie ja nun nervös mit ihren Schal 'rumgespielt, aber diesen trug sie ja gerade nicht. Was er jetzt wohl von ihr hielt? Sie wollte es gar nicht so genau wissen. „Mir kannst du fast gar nicht zu nahe treten. Ich selbst bin hin und wieder wohl der distanzloseste Mensch überhaupt, mein Beruf hat mich wohl dazu erzogen erst einmal drauf zu drücken bevor ich um Erlaubnis frage. Entschuldige wenn ich hin und wieder meinen Bogen überspannt habe.“ Sein Blick entspannte sich, aus seinen Augen sprach Verständnis. „Eigentlich grausam wie schnell man sich an diese Einsamkeit gewöhnen kann, was? Bis zu dem Punkt wo man sie fast schon als wünschenswert empfindet“, fügte er hinzu. Ryan schwieg einen kurzen Moment, dachte wohl selbst nochmal über seine Worte nach. Mit einem angedeuteten Lächeln blickte er wieder auf, während er weiter sprach: „Aber ich werden dir schon wieder etwas Sozialverhalten einbläuen, bist du halt nicht der Typ für Umarmungen, na und? Ich kann auch unheimlich gut Hände schütteln.“ Sie wusste nicht genau was sie erwartet hatte, als sie ihre kleine Sozialphobie erklärte, aber das beklemmende Gefühl löste sich schnell, als Ryan nicht großartig weiter nachfragte. „Nein, nein. Ich übertreib‘ es meist. Jemand hat mir mal die Schulter wegen meinem Feuerzeug aufgeschlitzt. Seit dem bin ich besonders schreckhaft und renne eher weg. Es tut aber gut auch mal normale Menschen zu treffen“, meinte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Es war einfach nur ungewohnt für sie, das jemand um sich zu haben, vor dem man sich nicht in acht nehmen muss. „Na das muss ja ein unglaublich tolles Feuerzeug gewesen sein, aber wahrscheinlich muss man sich auch noch glücklich schätzen, dass es nur bei der Schulter geblieben ist“, sagte er leicht erstaunt. „Oh ja, so ein silbernes zum aufklappen und zudem noch ganz voll“, bestätigte sie stolz und malte ein Rechteck in die Luft. „Ich hatten den Typen damals ein paar Tage hintereinander getroffen und wir haben ein paar Sachen ausgetauscht und uns relativ gut verstanden. Wir haben dann noch gequatscht und sind zusammen in ein Versteck. Weil es so kalt war wollte ich zumindest ein kleines Feuer machen, da die Decke unter der wir uns zusammen verkrochen hatten nicht viel half. Erst machte er noch ein paar scherzhafte Bemerkungen, wollte dann irgendwas gegen das Feuerzeug tauschen, was ich aber dann nicht wollte. Er schien es zu verstehen, wirkte aber etwas nervös, während er weiter Scherze machte. Ich dachte es läge an etwas anderen, da er schon den Arm um mich gelegt hatte, was mir bei der Kälte ganz recht war. Nach einer Weile wurde es mir das alles zu viel und ich machte Andeutung das ich gehen würde, wenn er nicht Ruhe gibt. Der Trottel geriet irgendwie in Panik, griff mich an und ehe ich wusste was passierte, lief das Blut an mir runter. Zum Glück hab ich reagieren können, bevor er meinen Hals treffen konnte. Mit einer Hand hab ich das Feuerzeug aus der Hose geholt und weg geworfen. Er sprang wie erwartet hinterher, schnappte sich zudem noch meine Essensvorräte und verschwand. Und bevor du nun doch auf dumme Gedanken kommst: Nein ich hab kein weiteres Feuerzeug und sonst nichts tolles.“ Mit den letzten Sätzen und einem kleinen Schmunzeln versuchte sie auch diese Geschichte wieder etwas zu entschärfen. Bestimmt hatte er schon ähnliches durchgemacht. Die meisten Menschen waren doch gieriger Abschaum, die wie die Geier über andere herfielen, wenn sie die Gelegenheit dazu hatten und doch war dies nicht die schlimmste Geschichte gewesen, die ihr zugestoßen war. Er schüttelte etwas den Kopf: „Wirklich unglaublich... Die Sache, dass ihr euch auch noch flüchtig kennengelernt habt, macht es ja nochmal schlimmer.“ Viktoria konnte bei seinem Kopfschütteln nur mit den Schultern zucken. Sie hatten den Vorfall schon als 'eigene Dummheit' und 'ich hätte es besser wissen müssen' für sich abgehakt, auch wenn noch immer ein flaues Gefühl in der Magengegend wieder kam, sobald sie daran dachte. „Ich wusste schon vorher das er... naja... etwas seltsam war, aber auch ich war geschockt, um es milde auszudrücken.“ Zu erst hatte sie nur panisch versucht die Wunde irgendwie zu versorgen. Es hatte etwas gedauert, bis sie realisiert hatte, dass er sie auch leicht hätte umbringen können. Ryan holte sich seine Jacke, während er erklärte: „Ich bin wohl auch schon ein paar Verrückten begegnet, aber die Geschichte stellt das dann doch noch etwas in den Schatten, aber ich bin auch noch nicht ganz so lange alleine unterwegs wie du…“ Seine Hand wanderte kurz in seine Jackentasche ehe er sein eigenes Sturmfeuerzeug hervorholte. Er ließ es kurz aufschnappen und drehte an dem Rad um in einem Funkenmeer zu zeigen das es leer war. „Nicht nötig. Ich hab da noch mein eigenes ,auch wenn es so ziemlich nutzlos ist, aber wer weiß vielleicht könnt‘ ich eine deiner Klingen gebrauchen.“ Sein Feuerzeug war bereits wieder in seiner Jackentasche verschwunden noch während er redete. Ihre Augen folgten kurz dem Feuerzeug. Es war kein gieriger Blick, eher als würde sie etwas Unheil trächtiges ansehen. Hauptsache es brachte ihm nicht genauso viel Pech wie ihr. Kaum merkbar schüttelte Vik ihren Kopf, um endlich die aufkommenden Bilder zu verdrängen. Natürlich bekam sie mit, dass er scheinbar selbst vor nicht allzu langer Zeit einen wichtigen Menschen verloren hatte, wenn er noch nicht solange allein war. Zumindest einen längeren Weggefährten. Es interessierte sie schon, aber bevor sie auch bei ihm noch weitere Wunden aufriss, wollte sie lieber auf einen anderen Zeitpunkt warten, wenn es noch dazu kam. Beeindruckt nahm sie zur Kenntnis, dass er ein Feuerzeug besaß: „Na immerhin. Auch Funken können nützlich werden, aber das weiß ein Soldat ja selbst. Und ich glaube kaum das du meine stumpfen Messerchen brauchst. Du hast doch dein eigenes...“, meinte sie und nickte zu seinem Bein. Dafür waren sie extra durch den Regen zurück gestapft oder war es wirklich nur ein 'nutzloses' Andenken? Sein Blick folgte ihrem Nicken, worauf er selbst sein Bein kurz betrachtete. „Es ist nicht mein Messer und ich sehe nicht vor das Messer je zu benutzen.“ Die Antwort viel knapp und endgültig aus. Die Worte über sein Messer verwirrten sie. Das er so gereizt reagierte hätte sie nie gedacht. Dann war es also doch 'nur' ein Erinnerungsstück, aber was hatte es dann damit auf sich, das er es nicht benutzen wollte? Natürlich würde sie nun nicht weiter darauf eingehen. Also wechselte sie das Thema bereitwillig. „Es ist wirklich traurig, was passiert ist, aber alleine ist es wohl besser als enttäuscht und verraten zu werden“, sagte sie mit einen bitteren Unterton. Egal wie gut man sich kannte, das wahre Wesen eines Menschen zeigte sich wohl erst in Stresssituationen. Dann, wenn sie die Möglichkeit hätten zu überleben, dafür aber den anderen zurück lassen müssten. Für ihre Freunde wäre sie damals gestorben, doch seitdem hatte sie niemanden getroffen, für den es Wert gewesen wäre. Sie riskierte teilweise viel für manchen, aber wenn es ernst war, würde sie sich ebenfalls selbst retten. Selbst was sie von Ryan halten sollte wusste sie noch nicht ganz. Er hatte ihr schon geholfen, schien sympathisch und vertrauenswürdig, dennoch würde Viktoria weiterhin wachsam sein. Aber er schaffte es immer wieder ihr ein Lächeln zu entlocken, „Ob es wirklich besser ist, weiß ich nicht genau, manchmal ist etwas Vertrauen das Risiko wert und es kann einen positiv überraschen, manchmal kann einem das Vertrauen auch umbringen. Also es ist sicherlich ein Spiel mit einem maximalen Einsatz. Aber es fühlt sich gut an, dass du mich noch als normalen Menschen siehst“, antwortete er. „Bisher hab ich nicht viele Menschen getroffen, denen ich noch vertrauen würde. Im Moment bist du aber dafür ein guter Kandidat, jedoch werde ich wohl den Glauben in die Menschheit ganz verlieren, wenn du mich enttäuscht“, sagte sie theatralisch. Ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht welches sich aber kurzerhand einem Ausdruck von Überraschung wich. „Ein guter Kandidat, hm? Da muss ich mich wohl erst noch beweisen, was? Dein Glauben an die ganzen Menschheit auf meinen Schultern? Da kann ich es mir ja kaum erlauben dich zu enttäuschen.“ Vik legte leicht den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch, als er erstaunt zu ihr sah. „Na, bisher hast du alle Prüfungen noch mit Bravur bestanden. Aber so leicht lass ich mich leider nicht aufs Kreuz legen,“, etwas leiser murmelte sie etwas frech, „auch wenn du es gern so hättest“ und fuhr normal fort: „Ich hab da ein kleines Souvenir, was mich ewig dran erinnern wird.“ Ihr Zeigefinger fuhr dabei die Narbe auf der rechten Schulter nach, die unter dem Stoff verborgen lag. Nebenbei nahm sie noch einen Schluck aus der Wasserflasche und packte sie dann wieder in den Rucksack. „Prüfungen also? Na, da erwarte ich aber eine Belohnung wenn ich bestanden habe, vielleicht Unterhalten wir uns dann nochmal über das 'aufs Kreuz legen'. Da muss ich wohl einfach das Risiko eingehen und hoffen, dass du mich nicht mit solch einem Souvenir zurücklässt...Oder kleb dir vielleicht doch ein paar Haare als Schnurrbart an, dann benötigst du die Dolche auch nicht mehr. Mich hättest du jetzt vollends auf die Bretter geschickt“, scherzte Ryan. Viks grimmiges Lächeln, das auf seine nächste Bemerkung folgte, verhinderte zumindest, dass sie wieder knallrot wurde. „Wenn es wirklich so einfach ist, dann überleg‘ ich mir das tatsächlich. Dann wäre unser Date am Park jedoch gestorben“, stichelte sie, als sie ihn aus den Augenwinkeln ansah und sich nun über die Reste ihres Essens hermachte. Etwas leiser mit einem Schmunzeln ging er auf Viktorias letzte Bemerkung ein, um die Stimmung nicht vollends zu ruinieren: „Stimmt wohl, mit einem Schnurrbart würde ich nur ungern mit dir gesehen werden, aber solang du ihn weglässt, wäre ich durchaus dazu in der Lage bei unserem Date die Zähne zusammen zu beißen, nicht das du doch noch deinem Herzinfarkt erliegst“, sagte er ehe er sich langsam wieder den letzten Resten auf seinem Teller zu wandte, diesmal tunlichst darauf bedacht sich noch einmal zu verschlucken. „Na dann merke ich mir das fürs nächste mal, wenn du vor Schmerzen windend am Boden liegst.“ Nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, kam ihr sogleich wieder Bilder von der möglichen Verabredung in den Kopf, die sie schnell wieder verdrängte, er an ihren Grinsen erraten konnte was sie dachte, legte aber doch sogleich noch eine Bemerkung oben drauf: „Dir steht der Bart sowieso viel besser, aber glaub nicht, dass Zähne zusammen beißen dann ausreichen würde“, sagte Viktoria mit kleinen frechen Schmunzeln. Während er seinen nun geleerten Teller von sich schob, verwandelte sich das zögerliche Lächeln schnell in ein etwas dümmliches Grinsen, als sie noch eine so kecke Anmerkung hinterher schob. „Bei solchen Andeutungen sieht es ja so aus, als hätte ich gar nicht mehr so viel Arbeit damit dich zu resozialisieren und wenn Zähne zusammenbeißen nicht reicht, bringt halt mal eine Frau den Mann zum Schreien. Danke für das Kompliment, leider kann ich diese Gesichtshaare nicht mehr so regelmäßig pflegen wie früher.“ Amüsiert beobachtete sie wie sein Grinsen ebenfalls breiter wurde. War er wirklich schon so schnell zu beeindrucken? „Ich kann ja mal versuchen mit den Dolchen bei deinem Bart etwas nachzuhelfen. Aber danach musst du dich wahrscheinlich selbst verarzten“, schlug sie gut gelaunt vor. Kurz hatte sie gezögert, aber nun wollte sie es doch drauf ankommen lassen: „und... vielleicht ist es auch besser so, wenn du mich nicht resozialisierst. Stell dir nur vor du hättest Erfolg und ich würde wirklich über dich herfallen... Wir wollen doch beide nicht, dass um Gnade bettelnd unter mir liegst, oder? In den Lagerhäusern wird dir zumindest niemand zur Hilfe kommen“, sagte sie noch verführerisch frecher Stimme, während sie ihn nun tief in die Augen sah. Mal sehen wie er darauf reagierte. Bei ihrer nächsten Bemerkung strich er abwesend mit einer Hand durch seinen Bart.„Der Vorschlag klingt jetzt nicht so verführerisch, vielleicht bleib ich dann doch lieber bei etwas Haar.“ Mit einem Lächeln zwinkerte er ihr zu: „Du traust dir ja ziemlich viel zu... Aber, och... Ich würde nicht sagen das wir beide das nicht wollen. Ich selbst würde mich nicht beschweren. Aber ich glaube nicht das du mich auf diese Weise dazu bekommst um Gnade zu betteln. Aber das uns in den Lagerhäusern niemand hören würde ist gut zu wissen.“ Lächelnd hob er vielsagend die Augenbrauen, reichte ihr über den Tisch hinweg, in einer scherzhaften Anspielung auf sein Talent im Händeschütteln, seine Hand. „Mit so einem Anreiz sollten wir mit dem resozialisieren direkt beginnen!“, sagte er und ein unterdrücktes Lachen entfuhr ihm. „Hände schütteln hört sich gut an. Vielleicht ist ja auch irgendwann ein gefahrloses Schulterklopfen drin“, meinte sie grinsend. „Aber ein gefahrloses Schulterklopfen? Was hätte ich den derzeit zu erwarten, wenn ich dir auf die Schulter klopfe? Mach ich dann aus Reflex Bekanntschaft mit deinen Dolchen? Oder müsstest du fluchtartig den Raum verlassen?“ „Wenn du etwas vorsichtig bist, hast du vor mir nichts zu befürchten. Ich werde mir Mühe geben, dich nicht gleich anzugreifen. Zumindest weiß ich die sehr akzeptable Wundversorgung doch zu schätzen und werde beim Weglaufen vielleicht auch etwas Rücksicht auf dich nehmen“, sagte sie noch mit einem Zwinkern. Während eines kleinen Kichern nahm sie das Händeschütteln gerne mit ihrer zierlichen Hand an. „Na dann bin ich ja mal gespannt wie gut es funktioniert. Aber ich hab dich gewarnt!“, hauchte sie ihm mit einem herausfordernden Blick entgegen. Zugegebenermaßen war die kleine Geste gar nicht so schlimm. Im Gegenteil, sie war fast schon enttäuscht als seine warme Hand verschwand. Überlegend tippte sie dann mit den Finger gegen die Lippen. „Ich würde sagen, es kommt drauf an, ob ich noch weiß wer du bist. Also wenn ich nicht mit dir rechne, dann wäre es besser wenn du dir ein Kettenhemd zulegst,“ meinte sie frech. „Ansonsten renn‘ ich nur panisch durch die nächsten drei Viertel“, fügte sie mit einen Schulterzucken hinzu. Amüsiert erwiderte er: „Ein Kettenhemd also? Puh, wird sicher schwer so etwas aufzutreiben, ich werde mich mal danach umsehen, das zusätzliche Gewicht könnte auf Dauer auch eventuell etwas hinderlich werden.“ „Ooch...“, kommentierte sie enttäuscht und belustigt zu gleich. Die Idee mit dem Kettenhemd war doch so gut gewesen. „Nimm es doch als zusätzliches, kostenloses Training. Aber du kannst ja auch ein eigenes herstellen oder lieber ein Schild tragen. So wie der Soldat Captain Amerika! Das wär‘ doch mal lustig... Naja, je nach dem was dir lieber ist“, sagte sie grinsend, bevor sie kurz zu dem Fenster sah. Lange hatte sie kein Donnern mehr gehört. Entweder der gröbste Sturm wäre vorbei oder es war nur eine kleine Ruhepause. In den Regen wollte sie eigentlich nicht mehr raus, aber sobald er aufhörte, würden wohl einige Gestalten auf die Straße stürmen, um etwas Essen zu suchen. Sie könnten hier ausharren oder schauen ob sie noch Regenschirme oder ähnliches fanden. Ryan folgte ihrem Blick zum Fenster und sein Grinsen verblasste nach und nach auf seinem Gesicht, die Realität hatte die beiden anscheinend wieder eingeholt. „Wir sollten bald wieder los, was? Sobald der Regen komplett aufhört könnte es wieder gefährlicher auf den Straßen sein. Das Haus noch durchsuchen und uns der nächsten Etappe zuwenden? Was meinst du?“ Seufzend fuhr sie sich kurz mit den Fingerspitzen durch die Haare, während sie nochmals aus den Augenwinkeln zum Fenster schielte. „Lust hab ich da eigentlich nicht, aber besser wäre es wohl...“, gab sie zu. „Aber wahrscheinlich willst du ja nur so schnell wie möglich zu deinem Date im Park“, fügte sie grinsend hinzu und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Dann schnappte sich Viktoria schon mal ihren Schal und wickelte ihn wieder um. Immerhin war er fast trocken geworden. Ryan ließ seinen Blick kurz durch die angrenzenden Wohnräume schweifen ehe er sich bereits von seinem Stuhl erhob. „Natürlich will ich so schnell wie möglich zu meinem Date. Ich kann mich ja nicht beim ersten Date direkt verspäten. Ich denke wir sollten den restlichen Weg sprintend zurücklegen.“ Seine Hand griff bereits zu seinem Rucksack und schulterte diesen. „Wenn wir sprinten sollten wir auch nicht lange brauchen“, überlegte sie. Als Viktoria aufstand, fiel ihr wieder ein, warum sie so lange saßen. Ein kleines Brennen bei einer falschen Bewegung verriet ihr, dass die Betäubung mittlerweile nachgelassen hatte. Sie massierte kurz genervt die anliegende Stelle, was Ryan nicht entging. Sorgenvoll legte sich seine Stirn in Falten. „Na, rennen fällt damit über die ganze Distanz hinweg wohl flach... Wenn es mit deinem Bein nicht geht trag‘ ich dich auch bis in den Park, bei dem Ausblick auf Belohnung wäre es die Anstrengung auf jeden Fall Wert.“ Seine Augen blieben sanft, aber er zwang sich zu merkbar mehr Ernsthaftigkeit. „Spaß beiseite, als dein behandelter Arzt sagst du mir hoffentlich wirklich sofort, wenn dein Bein Probleme macht, okay? Selbst wenn du einfach nur eine kurze Pause brauchst“, ermahnte er und erhob sich auch träge vom Stuhl. Auch Viktoria zog ihre Jacke wieder an und schultere ihren Rucksack. „Naja, tragen wird schon nicht nötig sein. Das kann ich dir mit der Prellung eh nicht antun. Aber wenn was ist melde ich mich schon“, ob sie es wirklich tun würde, wusste sie selbst noch nicht. Es kam darauf an was da draußen nun los war. Vik entging selbstverständlich nicht der besorgte Blick von Ryan., daher verdrehte sie nur leicht die Augen, als er sich anscheinend wieder Sorgen machte. „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen. Ich wollte nur schauen wie gut deine Arbeit wirklich ist. Ich renn‘ dir auch jetzt noch davon. Also pass‘ lieber auf das du den Anschluss nicht verlierst...“, sagte sie nur. Gut, das war leicht übertrieben. Aber auch Viktoria wollte so schnell wie möglich in das nächste Versteck, daher würde sie versuchen so viele Schmerzen wie möglich einfach zu ignorieren. Es war schon fast Mittag und die meisten Leute würden langsam auf Nahrungssuche gehen. Mal sehen wie viele bei dem Regen schon unterwegs waren. Jedenfalls war sie nicht darauf erpicht diesen ihren voll gestopften Rucksack zu überlassen. Zur Not müsste sie das aber wohl tun. Kämpfen war für sie Beide nicht wirklich drin. Als sie ihn gescholten hatte quittierte er dies mit einem Lächeln. „Das werden wir ja sehen, ob du mir davonlaufen kannst, aber ich hoffe meine Arbeit konnte ihren peniblen und hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden?“ Sie streckte sich nun noch mal genüsslich und sah ihn dann auffordernd an. „Mach dir um mich keine Sorgen. Also: Am besten schauen wir einmal in der Küche und in Wohnzimmer nach. Vielleicht such ich noch im Flur nach neuen Schuhen. Eine Frau kann ja schließlich nie genug haben“, meinte sie mit einen Zwinkern. Aber Tatsache war, das ihre nicht mehr lange brauchten, bis sich die ersten Löcher bemerkbar machen würden. In ein oder zwei Monaten musste sie spätestens neue haben. Viktoria ging schon mal in die Küche und öffnete alle Schränke. Nebenbei bemerkte sie, dass das Laufen doch etwas besser klappte. Viel war nicht mehr da, vermutlich hatte ihr 'Gastgeber' oben noch einiges verbraucht, bis er sich entschloss nie mehr aus dem Bett aufzustehen. So fand sie nur eine Packung Nudeln und drei Tütensuppen, sowie zwei Dosen. Den Kühlschrank und das Gefrierfach machte sie lieber nicht auf. Es stank ja so schon etwas. Noch einmal sah er sie abschätzend an, bevor er sich aber dann seiner Entdeckungstour im Wohnzimmer zu wandte. Er ging zu den Schränken und Regalen des Wohnzimmers, während er ohne nach Viktoria zu sehen, erneut das Wort ergriff: „Na solange ich sie nicht schleppen muss, deck dich mit allen Schuhen ein die du finden kannst. Ich wäre ja für was aufreizendes, würde dir sicher gut stehen, vielleicht einen offenen Schuh mit Absatz? Aber dann müsstest du dir wohl noch ein passendes Sommerkleid suchen... Zu deiner Jacke würde sicher auch so ein riesiger Stiefel mit Killer Absatz passen, Rawr heiß.“ Ein erneutes Lachen entrann seiner Kehle das jedoch von einem scharfen einziehen von Luft abgeschnitten wurde. „Ah, ich sollte es langsam besser Wissen...“, erklang es etwas leiser. Auch ihr Lachen hallte bis ins Wohnzimmer. Als sie kurz darauf wieder kam, sah sie noch wie der Soldat mal wieder durch sein eigenes Lachen leiden musste. „Mit Highheels und Sommerkleid lässt es sich aber schlecht rennen und klettern, auch wenn ich mir vorstellen kann, das du dabei deinen Spaß hättest. Aber eigentlich wäre mir ‘ne Lederhose mit hübschen Stiefeln doch lieber. Früher hab ich mir das nie getraut anzuziehen und nun wird man die wohl schwer finden...“, meinte sie mit theatralischen Seufzen. So nahm sie alles und stellte es erstmal auf den Tisch im Wohnzimmer, wo ja noch die Dose mit Chili con Cane stand. Gleichzeitig packte sie schon ihren Anteil an Essen in ihren Rucksack. Bewusst nahm sie sich weniger, immerhin hatte sie noch immer ein schlechtes Gewissen wegen den medizinischen Kram. Sie nahm sich 2 Tütensuppen und eine Dose. Für Ryan standen daher noch 2 Dosen - inklusive der die Viktoria ihm vorhin schon geben wollte - die Packung Nudeln und eine Tütensuppe auf dem Tisch. Sie hoffte, das er nicht mitbekam, dass sie sich weniger einpackte. Soviel konnte sie eh nicht mehr tragen. Ihr Rucksack war zur Abwechslung mal fast voll und ihr Bein sollte sie ja eh nicht zu sehr belasten. „Hast du schon was gefunden?“, fragte sie Ryan und sah sich nach ihm um. Alles was sie dann in den offenen Schränken sehen konnte war gutes Porzellan und Besteck in der einen Schublade, einige Kristallgläser in einer weiteren Vitrine, früher war das Zeug viel Wert, heutzutage jedoch selbst zum Tauschen unbrauchbar. Die Bedürfnisse hatten sich zu geändert, Statusobjekte brachten die wenigsten weiter, wurden nur noch als der Ballast angesehen, der sie waren, immerhin ein positiver Effekt. Sie hatte zumindest gehofft einige Kerzen zu finden, aber die meisten Haushalte hatten schon vor der Katastrophe keine mehr. Ihr eigene Familie hatte selbst nur ein oder zwei Kerzen in der Abstellkammer gehabt. Bei jedem Stromausfall wurden die dann aufs neue gesucht. Es war möglich das die Familie oder der Tote die Kerzen schon selbst verbraucht hatte, wenn es welche gegeben hätte. Ryan ging einen Schrank voller Bücher durch, an deren staubigen Einbänden er mit seinem Finger entlang fuhr. Dennoch schien er nicht sonderlich interessiert an den Büchern zu sein. „Das Wohnzimmer sieht wie eine Nullnummer aus, es sei denn du stehst auf Wahrsagerei und ähnliche Ratgeber“, antwortete er enttäuscht. „Gibt es wirklich nichts anders?“, fragte sie leicht deprimiert. „Ansonsten blätter mal durch ob da drin steht, wann die Welt wieder normal wird oder zumindest wann ich meinen Traummann kennen lerne“, meinte sie mit ernüchterten Lächeln. Aber Ryan antwortete ihr nicht, sah stattdessen mit resignierten Blick in eine Schublade. Sie runzelte die Stirn und ging dann zu ihm. „Was hast du?“, fragte sie noch, aber als sie über seine Schulter sah, breitete sich auch auf ihren Lippen ein melancholisches Lächeln aus. Er hatte einen staubbedeckten Plattenspieler gefunden, der selbstverständlich nie wieder Töne von sich geben würde. Ryan hielt sich damit auf einige der gut verpackten Schallplatten von ihrer Staubschicht zu befreien und die Titel zu lesen. So hockte er einige Augenblicke gedankenverloren vor dem niedrigen Schrank. Viktoria atmete einmal schwer durch und setzte sich dann neben ihn auf den Boden, wobei sie Ryan ein wenig erschreckte. Kurz lächelte sie entschuldigend, als auch sie begann die Platten durchzusehen. „Schade um die Platten. Einen guten Geschmack hatten sie jedenfalls“, murmelte sie leise. Bei der ein oder anderen Platte hatte sie auch sofort wieder die Melodie im Ohr. Dabei sah sie hin und wieder kurz zu ihm. Irgendwas war anders an ihm, irgendwas in seinem Blick. Es wirkte etwas erschöpft. Dennoch widmete sie sich erneut den Platten. „Wirklich eine schöne Sammlung. Schade um die ganze gute Musik. Ich hab schon ewig kein richtiges Lied mehr gehört“, sagte er leise. „Ich hab auch lange keins gehört“, murmelte sie nur sehnsüchtig. Musik hatte früher in ihren Leben einen großen Platz eingenommen. Früher hatte sie fast immer Musik um sich herum gehabt, hatte es selbst gespielt oder ihren Mp3 Player mitgeschleppt, wenn es ging. Als Vik die Sammlung durch ging, begegneten ihr auch Titel die sie selbst mit der Violine nach gespielt hatte. In dem Fall sah sie das passende Notenblatt vor ihrem geistigen Auge. Ein recht trauriges Schmunzeln brachte sie hervor, als ihr unerwartet ein Album von Nirvana in die Hände fiel. 'Smells like teen Spirit' hatte sie oft geübt, war aber nie wirklich zufrieden mit ihrer Version gewesen. „Nirvana was?“, fragte er schmunzelnd. „Ich sehe schon die Dame, die mich begleitet, hat Geschmack. Wobei ich bisher noch niemanden kennengelernt habe, der es wagte sich negativ gegen Nirvana zu äußern.“ „Ja, Nirvana war großartig. Ich habe 'Smells like Teen Spirit' geliebt... auch wenn ich viele Lieblingslieder hatte“, sie schenkte ihn einen kurzes müdes Lächeln bevor sie noch gedankenverloren über das Cover strich und dann die Augen schloss. Nun stellte sie sich die Bewegungen dazu vor und begann geistig das Lied mit ihrer Violine zu spielen. Einige Zeit war es still zwischen ihnen. Dennoch stieß er sie nach einer Weile sanft mit der Schulter an. „Nevermind...“, unterbrach er sie mit einem Schmunzeln, passend zum Titel der Platte. „Das Album darf in keiner Musiksammlung fehlen, die was auf sich hält, aber wir sollten uns aufmachen, ich hab in einem der Bücher gelesen das du deinem Traummann heute begegnen wirst und wenn du nicht mit mir vorlieb nehmen willst sollten wir schnell aufbrechen.“ Viktoria zuckte zusammen, als er mit dem kleinen Schubser ihr imaginäres Violinenspiel abrupt beendete. Kurz sah sie zu Ryan und dann mir einem Seufzen zurück zu der Platte in ihrer Hand. Die harte Realität hatte sie wieder, doch am liebsten hätte sie sich in ihrer Welt verkrochen. „Und ich bin schließlich schrecklich, wenn ich dich zitieren darf“, fügte er scherzend hinzu. „Na dann sollten wir uns beeilen, ich will meinen Traummann doch nicht warten lassen. Hauptsache er hat auch Nirvana in seiner Sammlung...“, sie versuchte es irgendwie vergnügt klingen zu lassen, scheiterte jedoch dabei. Plötzlich zog er sie mit einem Lächeln zu sich und Viktoria verkrampfte sich sofort. Sie drehte ihren Kopf nur leicht weg, damit er nicht wieder sah wie sich das Rot auf ihren Wangen ausbreitete und schloss die Augen. Aber sie ließ seine Nähe zu. „Und... vielleicht nicht ganz so schrecklich. Eigentlich bist du ganz erträglich“, murmelte sie. Es kostete sie tatsächlich viel Überwindung nicht in Panik zu verfallen, immerhin schlug ihr das Herz bis zum Hals. Als er ihr auch noch über die Schulter rieb, die er noch umschlossen hielt, presste sie leicht die Lippen zusammen und hoffte inständig, dass er das leichte Zittern der Hände nicht wahrnahm, auch wenn er sich vorbeugte und versuchte einen Blick von ihr zu erhaschen. „Entspann dich, du bist diejenige mit den gefährlichen Dolchen und sieh mal, ich bin noch nicht aufgeschlitzt.“ Er lächelte sie strahlend an, nahm ihr mit seiner freien Hand die Schallplatte ab. Erst danach sah sie zögernd zu ihm auf. Als sie ihn lächeln sah, konnte sie nicht anders als es entschuldigend zu erwidern, auch wenn sie nur kurz wagte ihn direkt anzusehen. „Noch nicht...“, sagte sie vorsichtig und atmete einmal tief durch. Es half zumindest ein wenig, damit sie sich etwas beruhigte. „Mit ganz erträglich kann ich Leben, immerhin mach ich Fortschritte. Ich werd‘ dich schon noch dazu kriegen das du wieder zu Vertrauen lernst. Und jetzt hab ich auch endlich wieder ein Nirvana Album in meiner Sammlung. Ich glaube die Sterne stehen ganz gut“, versuchte Ryan sie zu beruhigen. Er drückte sie ein abschließendes Mal lächelnd an sich, ehe er von ihr ließ und sich aufrichtete, ihr sofort eine Hand anbietend um ihr aufzuhelfen. „Na dann viel Erfolg dabei, du wirst es brauchen“, meinte sie mit schwachen Schmunzeln und keuchte lautlos als er sie nun auch noch drückt. Beschämt sah sie wieder zu Boden. Es war doch albern wie sie sich anstellte, dennoch war sie wie gelähmt. „Ich bin ungern der Spielverderber, aber wir sollten uns wirklich in Bewegung setzten, es scheint zumindest nicht mehr zu Donnern und sobald der Regen aufhört werden wohl die Ratten ihre Nester verlassen.“ Aus seiner Stimme klang ernstes Bedauern, dennoch lächelte er als wäre er ernsthaft erfreut keinen Dolch abbekommen zu haben. Als er sich wieder von ihr löste, saß sie kurz noch regungslos da, dann sah sie auf seine Hand. Sie seufzte und nahm diese nur nickend an. „Tut mir leid, ich bin wohl echt gestört“, murmelte sie eher für sich selbst, als sie mit seiner Hilfe auf stand. Sie strich sich noch mit den Fingerspitzen durch die Haare und sah sich um. „Du musst dein Essen noch einpacken. Dann kann ich gleich auch nach den Schuhen sehen. Danach können wir aufbrechen“, meinte sie nüchtern. Sie war noch immer leicht Rot um die Nase als sie zum Flur ging, um nach den Schuhen zu sehen. Wenn sie Glück hatte konnte sie sofort neue anziehen, vorausgesetzt es waren zufällig welche in ihrer Größe da. Doch Hoffnung hatte sie da kaum. Jedenfalls war es eine gute Möglichkeit Ryan kurz aus dem Weg zu gehen. Ryan blieb wie angewurzelt stehen, sah seiner Begleitung hinterher, die in Richtung des Flures verschwand. Viktoria ging in den Flur und sah sich nach dem Schuhschrank um. Als sie diesen erblickte setzte sie sich davor und vergewisserte sich kurz, dass sie aus dem Wohnzimmer nicht gesehen werden konnte. Erst dann stützte sie den Kopf in die Hand und bedeckte dabei die Augen. Sie atmete einige Male tief durch und dachte an den bisherigen Tag. Es gab keinen Grund so durch zudrehen. Und doch tauchten die Bilder von einem Angriff auf, den sie so krampfhaft zu vergessen versuchte. Ryan war anders, er war ein Sanitäter, er würde niemanden verletzten oder ihr so etwas antun. Sie fuhr sich abermals mit den Fingern durch die Haare und verkrallte sich kurz darin, während sie mit der anderen an ihrem Schal rumspielte. Sie übertrieb wieder. Das hatte sie schon immer gemacht, aber seit sie alleine war, war es schlimmer geworden. Aus den Augenwinkeln sah sie zur Wand, hinter der Ryan jetzt wohl stand und seine Sachen packte. Sie sollte sich besser auch beeilen. Viktoria öffnete nun doch endlich den Schrank und wühlte ihn förmlich durch. „Ich würde mich immer noch für die High Heels aussprechen wollen, das Sommerkleid finden wir sicher auch noch.“ Mit den Worten durchbrach Ryan die Ruhe, die sich nun gelegt hatte und kündigte so auch an, dass er ihr in Richtung des Flurs folgte. Ob Ryan sie gehört hatte? Zumindest fragte er wieder nach den High Heels. Nun brachte sie doch wieder ein Schmunzeln zu Stande. „Leider ist hier wohl nichts passendes. Ich finde hier nur Jungenschuhe mit modischen Comicfiguren in Größe 29, sowie Herrenschuhe aus Echtleder und Lackschuhe in Größe 43 und Damenschuhe in 40. Daher wird es wohl mit den Stöckelschuhen in meinen 37 nichts“, rief sie ihm entgegen und stand schwerfällig wieder auf. Sie war gerade dabei den Dreck von ihren Klamotten zu klopfen als er zu ihr kam. „Also, wegen gerade...“, fing Ryan an, „du bist nicht gestört, vielleicht ein wenig schräg, aber wer ist das heutzutage nicht? Normal ist jawohl auch langweilig“, erwiderte er nur lächelnd, bemüht es locker klingen zu lassen. „Und welche Macke hab ich bei dir zu erwarten?“, fragte sie mit einem kleinen Lächeln. Direkt in die Augen sah sie ihm noch nicht, aber es ging ihr doch schon deutlich besser. „Ich wäre dann so weit für den Aufbruch bereit. Ich brauch dann nur noch schnell meinen Rucksack aus dem Wohnzimmer...“, sagte sie noch beiläufig um abzulenken. Sein Blick war auf Viktoria gerichtet sein Mund öffnete sich stumm, schloss sich dann ohne ein Wort hervorgebracht zu haben. Stattdessen zuckte er auf ihre Frage hin seine Schultern. Sie fragte sich, was er hätte sagen wollen, beließ es aber dabei. Es war vermutlich erstmal besser so zu tun als wäre nichts gewesen. Für Ryan schien das zumindest in Ordnung zu sein. „Ich? Ich bin die Ausnahme, soweit ich weiß habe ich keine Macke, eigentlich bin ich ziemlich perfekt“, erklärte er nicht ohne ihr noch zu zuzwinkern. Ryan auf dem Absatz kehrt, ging erneut ins Wohnzimmer um ihr wortlos ihren Rucksack entgegen zu bringen, erst als er ihn ihr überreichte fuhr er fort, „vielleicht bin ich ja ekelhaft zuvorkommend? Ich hab sicherlich einige Macken, aber die darfst du alle selbst herausfinden, wenn es dir Wert ist sie kennen zu lernen. Es lohnt sich bestimmt.“ Eigentlich hätte sie ja ihren Rucksack auch selbst geholt, aber da er schon mal unterwegs war, testet sie die Belastbarkeit des Beines noch mal aus. Es schmerzte immer noch, aber bis zum Park würde es sicher gehen. Lieber würde sie da heulend zusammenbrechen, als dass sie noch mehr Zeit verloren. Schmunzelnd nahm sie den Rucksack entgegen und setzte ihn sogleich auf. „Vielen Dank, Mr. Perfekt. Mal sehen wie lange es dauert, bis ich die erste Macke gefunden habe.“ Nun bekam sie sogar ein kleines Grinsen hin. Er zog den Riemen seines eigenen Rucksacks etwas fester, sah aus dem Augenwinkeln kurz zu seinem Bein hinunter und überzeugte sich von dem sicheren Sitzt seiner Ausrüstung, dabei sagte er: „Hm meine Macken zu finden wird eine schwere Aufgabe, das versichere ich dir. Ich werde es dir nicht leicht machen und sie so gut ich kann verbergen.“ Gut verborgene Macken? Viktoria nahm das als kleine Herausforderung an. Sie fragte sich wirklich was Ryan verbarg. Er hatte ihr ja schon einiges entlockt, da würde sie später auf eine kleinen Ausgleich beharren. Zumindest wenn es eine gute Gelegenheit dazu gab. Dennoch war sie sich sicher, dass noch eine Geschichte hinter Ryans Messer stecken musste. Immerhin überprüfte er wieder ob es richtig fest war. Vielleicht verbarg sich dahinter die erste Macke? Aber da er nicht darüber reden wollte, würde sie es auch nicht ansprechen. „Brauchst du noch etwas?“, forschend sah er sie an. Sie streckte sich noch einmal, ließ die Knochen in ihrem Genick etwas knacken und sah ihn dann wieder mit entschlossenen Blick an, der wohl eher für 'Viktor' typisch war. „Wir können los“, bestätigte sie noch. Dann war Viktoria schon zur Tür unterwegs, wobei ihr Humpeln schon deutlich besser aussah, und öffnete die Tür ein Stück. Es war niemand zu sehen und bis auf den Regen auch alles still. „Die Luft ist rein. Also wenn ich mich nicht irre, müssen wir jetzt links und laufen dann weiter bis zur Kurve, dort noch einmal rechts und dann zwei Straßen weiter wieder links...“, sagte sie leicht in Gedanken, als sie die Straßenkarte im Kopf durchging. Dabei sah es aus, als würde Ryan wirklich versuchen sich die Strecke zu merken. „Und falls ich gleich bewusstlos zusammenklappe, verlasse ich mich auf dich“, meinte Viktoria frech, als sie aus den Augenwinkeln zu ihm sah. Nickend folgte er ihr an die Tür und lächelte kurz. „Klar kannst du dich auf mich verlassen, Wenn du mir zusammenbrichst, werfe ich die Hände in die Luft und renn‘ schreiend im Kreis. Aber mach dich mit irgendeinem Laut aufmerksam, bevor du Ohnmächtig wirst, damit ich mich nicht erschrecken muss.“ Viki unterdrückte ein Kichern, nickte aber. „Ich werde mein Bestes geben möglichst lautstark umzukippen, um auf dich Rücksicht zu nehmen.“ Sie hielt kurz die Luft an und kniff die Augen zusammen, als sie widerwillig abermals in den Regen trat. Ebenfalls dehnte Ryan grob seine müden Muskeln, folgte Viktoria auf dem Fuße nach draußen. Der kühle Regen schlug ihnen entgegen, hatte aber definitiv an Intensität seit dem vergangenen Morgen nachgelassen. Dennoch, der Regen prasselte auf sie hernieder, als sie hinaus traten. Die Kälte und Nässe versuchte sofort wieder in ihre trockene Kleidung zu kriechen. Jedoch tröstete es Viktoria ein wenig, das es hoffentlich für heute das letzte Mal war. Danach konnte sie im trockenen einige Tage rumgammeln, bevor ihre Vorräte verbraucht wären. Seufzend sah sie in den Himmel. Wie es aussah würde es auch bald besser werden, was ihnen aber nicht unbedingt half. Wer weiß welche Gestalten nun ebenfalls auf die Idee kam schon mal aus den Häusern zu kommen. Jetzt wurde sie doch etwas nervös und ließ ihren Blick abermals über die Straße wandern. Sie sah sich nochmal zu Ryan um, zog die Gurte ihres Rucksack fester und nickte ihm nochmals zu. „Sag Bescheid wenn ich dir zu schnell bin“, sagte sie noch mit einem frechen Lächeln. „Wenn mein Schnaufen hinter dir immer leiser wird, solltest du dich vielleicht einmal nach mir umdrehen.“ Trotz seiner lockeren Antwort nickte er ihr ernst zu, das er sich bemerkbar machen würde wenn er nicht mehr mit ihr mithalten könnte. Einige Schritte lief Ryan rückwärts, während er die Straße zur rechten Seite der Tür für einige Momente im Auge behielt. Auch diese Seite wirkte bisher noch wie ausgestorben. Erst danach rannte Vik endlich los. Ihr Bein schmerzte leicht, aber einige Zeit würde sie es sicherlich ohne Probleme aushalten. Auch wenn sie den Regen noch immer verfluchte, lenkte es sie zusätzlich ab. Immer wieder sah sie sich zu Ryan um, während sie rannte, auch wenn sie nicht wirklich glaubte einen Soldaten davon zu laufen zu können. Jedoch wollte sie auch wissen, ob er irgendwas bemerkte, was ihr entgangen war. Auch sah Vik oft aus den Augenwinkeln in die Fenster der Häuser, in die kleinen Gassen zwischen den Häusern und sogar zu einigen Dächern. Der bisher bewölkte Himmel fing wieder an, vereinzelt einige Sonnenstrahlen auf die Erde scheinen zu lassen, dennoch hatten sich bereits viele Pfützen auf ihrem Weg gebildet. Viktoria und Ryan liefen nun schon eine ganze Zeit. Viki hatte ihr Lauftempo etwas angepasst, allein deswegen, damit sie später nicht zu sehr aus der Puste kam. Aber auch jetzt schon ging ihr Atem schneller und ihr wurde ziemlich warm. Auch ihr Gefährte schien langsam ins Schwitzen zu kommen. „Schade das... ich als Anreiz kein wehendes... Sommerkleid vor mir habe“, brachte Ryan es kaum hörbar zwischen flachen Atemzügen heraus, keine Antwort erwartend während er sich wieder dem beobachten der Straßen zu wandte. „Besorge mir eines... fürs nächste Mal“, erwiderte sie keuchend. Ihr Lächeln währte aber nicht lang, dann wurde es schon wieder von dem ernsten Ausdruck ersetzt. Kapitel 5: Gefahren der Straße ------------------------------ Ryans Atem war bereits stark beschleunigt und jedes Mal wenn er einen tiefen Atemzug tat, wurde er schmerzhaft an seine Rippen erinnert. Dennoch fiel ihm das stärker werdende Humpeln von Viktoria nach einer Weile auf, auch aus dem Grund dass er weiterhin hin und wieder seinen Blick auf ihren Rücken ruhen ließ. Selber schwer atmend, vom restlichen Regen und seinem eigenen Schweiß durchnässt, ließ er es auf sich beruhen, entschied sich Vik vorerst nicht darauf anzusprechen. Sie würde sich wohl melden, wenn es nicht mehr auszuhalten war, hoffte er. Auf das Sommerkleid angesprochen blieb er ihr ebenfalls eine Antwort schuldig, wollte seinen Atem vorerst sparen. Er hoffte dass die restlichen Straßen bis zum Park nicht mehr allzu weit waren, sein ganzer Körper schien mittlerweile nach Ruhe zu rufen. Schon bald kamen sie an eine große Kreuzung, wo Vik merklich langsamer wurde, um an der Häuserecke erst vorsichtig die nächste Straße zu erkunden. Dieses mal blieb sie sogar einen Moment nach Atem ringend stehen, bevor sie um die Ecke schauen wollte. Sie lehnte sich an die Hauswand und legte kurz eine Hand auf die Brust, die sich hastig hob und senkte. Vorsichtig sah sie nun in die neue Straße und fuhr mit den Kopf dann ruckartig zurück. Als Viktoria an der Straßenecke anhielt und ihren Kopf erschrocken zurückzog wäre Ryan beinahe in sie hinein gelaufen, so sehr hatte er bereits das Spiel an den Straßenecken verinnerlicht. Das Mädchen presste Lippen und Augen kurz zusammen, bevor sie Ryan eindringlich ansah. „Vier Männer,... sehen nicht... freundlich aus“, brachte sie noch schnaufend hervor. „Könnten einen längeren Umweg machen... oder warten bis sie weg sind“, schlug sie vor und sah erwartungsvoll zu den Soldaten auf. Für einige Momente starrte Ryan sie ausdruckslos an, seine Gedanken schienen in Zeitlupe abzulaufen, ehe er den Ernst realisierte und Viktoria kurz zunickte, seine Gedanken fuhren nun bereits die verschiedenen Möglichkeiten im Eiltempo ab. Mit einer Hand zog er Viktoria hinter sich und drückte sich zeitgleich an ihr vorbei um sich an der Straßenecke zu positionieren, was sie bereitwillig zu ließ. In geduckter Haltung warf er selbst einen sekundenschnellen Blick um die Ecke. Viktoria hatte recht mit ihrer Einschätzung, auf den ersten Blick waren vier Typen auf der Straße. Sie schienen in den Trümmern eines alten Geschäftes zu wühlen, circa zwanzig Meter von ihnen entfernt und das direkt auf ihrer Route. Einer der Kerle, der etwas weiter von dem Geschäft mitten auf der Straße stand, schien eine Pistole an seinem Gürtel zu tragen, die anderen drei durchwühlten den Schutt, zwei Kanthölzer und ein Aluminiumschläger, die an der Wand gestellt waren, schienen ihre Waffen der Wahl zu sein. Ryan schätzte die Truppe ebenfalls als aggressiv ein, wie Viktoria schon vor ihm, die vier schienen sich keiner Gefahr bewusst. Kampferfahren sahen sie bei weitem auch nicht aus, eher der Natur sich auf Stärke und Masse zu verlassen. Wenn man in der Überzahl war, mochte es auch ausreichend sein, sich auf die Masse zu verlassen. Hätte er bloß selber noch seine Waffe, würde sich das Risiko für die beiden sicherlich reduzieren. Er blickte zu Viktoria zurück, musterte ihren Zustand knapp. Lieber auf Nummer sicher gehen, ob sie nun eine Stunde länger brauchten oder nicht, sollte keine Rolle mehr spielen, solange die beiden lebend an ihrem Zielort ankamen. „Wo lang führt uns der Umweg? Wo müssen wir hin?“, flüsterte er kaum hörbar, ehe er hektisch seinen Blick wieder der Straßenecke zu wandte. Waren dort Schritte zu hören? „Ein Stück zurück, zu dem Tunnel. Dann runter klettern und die Schnellstr-...“, ihr Flüstern brach abrupt ab, als auch sie die Schritte hörte. „Ryan?!“, wisperte mit leichter Panik in der Stimme, während Ryan bereits einen wachsenden Schatten erblickte. Wurde er entdeckt, als er um die Ecke gelinst hatte? Sie hatten keine Chance mehr auf Flucht, wenn das der Mann mit der Knarre war! Blindlings streckte Ryan seine Hand nach Viktoria aus, drückte sie unsanft gegen die Wand. Der Schatten wuchs bedrohlich. Ryan, der vor kurzem noch außer Atem, war schien nun beinahe schon den Atem anzuhalten und Adrenalin durchflutete seinen Körper. Er drückte Viktoria nun auch noch von sich weg, sie zur Flucht nach hinten antreibend, während er im selben Augenblick um die Ecke schnellte, den festen Vorsatz, ihr zu mindestens etwas Zeit zu verschaffen. Knappe drei Meter von ihm entfernt stand der Mann mit der Waffe, seine Augen weiteten sich als er Ryan erblickte, zu spät um seine Waffe aus dem Gürtel zu befreien. Als der Typ die Überraschung überwunden hatte und sich in Bewegung setzte, war es bereits zu spät um Ryan zu entgehen, dennoch rollte sein Schlag ineffektiv von dem Adamsapfel seines Gegenübers ab, da dieser sich bereits instinktiv abwandte. So umschlang er stattdessen den Hals seines Opfers, benutzte den Arm desselben als Hebel. Der Soldat griff augenblicklich in dessen Gürtel und zog nun selber den darin untergebrachten Revolver, den er sogleich auf seine drei Kumpane richtete, von denen bereits einer den Aluschläger ergriffen hatte, erstaunlich wenn man bedachte das Ryan erst seit circa fünf Sekunden auf der Straße war. „Woah, lass den mal schön da liegen! Dann können wir uns alle wieder als Freunde trennen“, warnte Ryan ihn. Nun hatten ihn auch die beiden anderen bemerkt, von denen einer direkt die Flucht ergriff, sehr sympathisch in Ryans Augen, und der zweite blieb noch unschlüssig im Schutt hocken. Sein eigentlicher Ansprechpartner machte jedoch keine Anstalten den Schläger beiseite zu legen, immerhin war er aber stehen geblieben. Zeit genug für Ryan, den in seinen Armen sich windenden mit einem starken und sicher schmerzhaften Druck auf die Luftröhre zu mehr Ruhe aufzufordern. Der erste Adrenalinschub ebbte langsam ab, nun merkte er wie sein Herz raste, Schweiß lief ihm von der Stirn und sein Atem ging sichtbar schwerer. Die Hand die den Revolver hielt blieb trotzdem ruhig auf seine Gegenüber gerichtet. Mit entschlossener Miene trat plötzlich auch Viktoria an Ryans Seite ohne diesen direkt anzusehen, damit die anderen registrierten, das er nicht alleine war. Vik war darauf bedacht normal zu ihm zu gehen, was ihr tatsächlich ohne großartig zu humpeln gelang, aber der Schweiß stand auch ihr auf der Stirn. „Du solltest besser auf meinen Freund hören. Mein Bro hat einen nervösen Finger und ich würde auch nicht zögern euch aufzuschlitzen“, drohte sie mit einer etwas tieferen Stimme. „Geht ohne Waffen darüber und lasst uns vorbei. Dann lassen wir ihn wieder los...“, mit einen Nicken deutete sie auf die andere Straßenseite. Als Viktoria aus der Ecke hervorkam flüchtete nun, wenn auch zögerlicher, der zweite Plünderer. Nun hatten sie sogar Chancengleichheit erlangt. Ebenfalls ging der Mann mit dem Schläger einige Schritte rückwärts, reagierte aber nicht weiter auf die beiden. Ryans Atem ging mittlerweile nur noch stoßweise, mit einem knappen Blick auf die Trommel überprüfte er die Kammern, ohne den Revolver von seinem Gegenüber abzuwenden. Drei der sechs Kammern waren nur gefüllt, anscheinend hatte der ehemalige Besitzer selber keine Munition mehr gehabt... Eben jener Besitzer wurde in Ryans Armen wieder wehrhaft, hatte er wohl das Gefühl, das er Handeln musste um seinem Tod zu entgehen. Ryan war überrascht von der panischen, nicht zielgerichteten Kraft, die sein Opfer plötzlich mobilisieren konnte. Ein kräftiger Ellenbogen, der sich in seine Seite rammte, trieb ihm die Luft aus den Lungen, lies vor seinem inneren Auge ein Farbengewitter aus Schmerzen explodieren. „Ryan!“, schrie Viktoria nur und machte einen Schritt auf ihn zu, wagte es jedoch nicht sich einzumischen. Angestrengt unterdrückte Ryan einen Schmerzensschrei, konzentrierte sich darauf nicht die Kontrolle zu verlieren, musste dafür jedoch mit seiner zweiten Hand, die den Revolver hielt seinen Würgegriff unterstützen. Ryan erhöhte den Druck auf dessen Halsschlagader wodurch er bereits nach Sekunden an Elan verlor. Dennoch schien sein Hadern neuen Mut in den letzten Übergeblieben getrieben zu haben, der anscheinend seine Chance witterte und die knapp siebzehn Metern mit schnellen Schritten verkürzte. „Vorsicht! Vor dir!“, rief Viktoria ihm plötzlich zu, bevor sie selbst zum Angriff überging. Doch ihr Bein versagte schon nach den ersten zwei Schritten und knickte weg, woraufhin sie auf die Knie fiel. Ryans Handeln war durch ständiges Training schon instinktiv, so ließ er den bereits erschlafften Körper zu Boden gleiten. Er wollte gerade die Waffe wieder anheben, doch es war zu spät, der Baseballschläger war bereits ausgeholt, keine zwei Meter von Ryan entfernt. Anstatt zurückzuweichen machte Ryan einen Satz auf seinen Gegner zu, entnahm so dem Schlag die meiste Energie, indem er sich nur von dem Griff anstatt von dem Kopf des Schlägers an der Schulter treffen ließ, dennoch genug Kraft um ihm die Pistole aus der Hand zu reißen. Seine eigene Faust schnellte vorwärts, traf seinen Gegenüber kraftvoll und glücklich mitten in seinem Ziel, dem Nervengeflecht knapp unter dem Brustkorb, beinahe augenblicklich ließ sein Gegenüber den Schläger fallen und sackte zusammen. „Vik! Die Pistole!... Und dann lass uns von hier verschwinden…“, rief er bereits aus, noch bevor sein Gegenüber den Boden vollends erreicht hat, der Revolver war fast bis zu Viktoria gerutscht weshalb er sie fast schon anblaffte. Gleichzeitig zu Ryans Ruf hechtete sie das letzte Stück in dessen Richtung, ließ einen Dolch fallen und nahm sofort den Revolver auf. Mit zitternden Händen richtete sie die Waffe auf die ebenfalls am Boden liegenden Schlägertypen, während sie sich langsam aufrappelte. Währenddessen steckte sie den einen Dolch wieder in den Gurt an der Hüfte und hinkte leicht zu dem anderen, um auch diesen vorsichtig wieder aufzunehmen und weg zu stecken. Ryan war zu mehr als einer kurzen Anweisung nicht mehr in der Lage gewesen, merkte er nun, als der Kampf vorerst vorüber war, wieder seinen Körper im Ganzen. Er schnaufte geradezu, sein Herzschlag schlug ihm quasi bis zum Hals, seine Schmerzen pochten vorerst noch dumpf im Hintergrund. Der Mann hinter ihm kam langsam wieder zu sich und wollte sich bereits aufrichten. „Fuck! Nun bleib liegen, verdammt, bis wir weg sind, sonst müssen wir doch noch die Pistole benutzen…“, warnte Ryan sofort. Erst nach Ryans Worten wechselte Viktoria merklich nervös und eilig das Ziel, zu dem, der sich nun ebenfalls erheben wollte. Immer wieder ging ihr besorgter Blick zwischen Ryan und Angreifern hin und her, als sie wieder zu ihm kam. Anscheinend hatte der Mann ihre Niederlage akzeptiert, ließ er sich wieder auf den Boden fallen und hob sogar seine Hände in die Höhe. Die beiden sollten hier Weg und zwar schnell, auch wenn Ryan glaubte selber nicht mehr allzu weit zu kommen… Auch als Vik wieder neben ihm stand, richtete sie noch zitternd die Waffe auf die Anderen. „Nimm mir das Ding ab!“, hauchte sie schon fast flehend und ein paar Töne höher als sonst. Ryan keuchte angestrengt, stützte sich für einige Momente auf seinen Beinen ab. Glücklich den Kampf entschieden und es hinter sich gebracht zu haben, dennoch hatte er mehr abbekommen als er sich erhofft hatte. Plötzlich hörte er Viktoria selbst nur gedämpft, als würde sie Meilenweit von ihm entfernt sein. War seine Müdigkeit Grund für seine Nachlässigkeit? War er bereit zu lange aus seiner Übung? Oder war es eventuell wegen Viktoria? Er probierte seine Gedanken beiseite zu schieben. Erst als sie knapp vor ihm stand und ihm die Pistole hinhielt, fing er sich wieder etwas, landete langsam im hier und jetzt. Somit nahm er ihr die Pistole ab, ohne seinen Blick merklich zu heben, sicherte die Waffe mit einem Handgriff und ließ sie in seinem Hosenbund verschwinden. „Danke Vik…“ Nun hob sich sein Blick endlich musterte er seine Partnerin knapp. „Geht’s dir gut? Hast du was abgekriegt?“ Seine Augen inspizierten ihren Körper hielten nach neuen Wunden Ausschau, hatte er während den paar Sekunden die der Kampf gedauert hatte Viktorias Position komplett aus den Augen verloren. Soweit schien sie keine ernsthafte Wunde dazu gewonnen zu haben, also nickte er ihr zu drückte mit einer Hand gegen ihren Rücken, drängte somit auf Eile, war er sich selbst nicht mehr so sicher wie lange er sich noch auf den Beinen halten konnte. Ryan setzte sich selbst langsam und weiterhin schwer atmend in Bewegung, sein Herz raste weiterhin schmerzhaft in seiner Brust. Viktoria fuhr sich mit der nun freien Hand durch ihr Gesicht und rieb sich die Tränen aus den Augen. Sie biss sich noch auf die Lippe und fing sich dann wieder. Auch ihr Gesicht war noch blass, aber ihre Stimme klang fast normal: „Mir geht es gut, du hast mir ja die ganze Arbeit abgenommen“, meinte sie leicht schmunzelnd, aber die Sorge war ihr deutlich anzusehen. „Lass uns los, es ist nicht mehr weit. Hinter der nächsten Ecke ist schon unser Ziel. Sei ehrlich, kann ich dir helfen?“ Besorgt sah sie ihn an. „Du solltest dein Bein schonen, sag mir nur, dass es wirklich nicht mehr so weit ist. Komm schon wir sollten uns beeilen…“, er probierte es lockerer klingen zu lassen, schaffte dies aber kaum zwischen seinen schnaufenden Atemzügen. „Mein Bein ist okay. Es ist auch nur ein paar Minuten entfernt. Das schaffen wir nun auch noch!“, meinte sie aufmunternd. Einen Blick hinter sich werfend stellte Ryan fest, dass die beiden immer noch artig auf dem Boden lagen. Beim Vorangehen vertrat er sich leicht und anstatt Viktoria weiter voranzutreiben, stützte er sich nun doch an ihr ab und legte einen Arm um sie. Plötzlich sackte Vik selbst unter dem zusätzlichen Gewicht leicht weg, konnte es aber noch gut abfangen, indem sie sofort einen Arm um seine Hüfte schlang und mit der anderen den Arm um ihren Hals fixierte. „Hey, nicht so stürmisch, heb‘ dir das für unser Date auf“, keuchte sie gleichzeitig. „Entschuldige… wenn ich dir zu schwer werde, geh vor und ich folge dir langsam...“ Von seiner Stirn floss der Schweiß, seine Lider waren bereits leicht gesunken. Seine Kraft schien ihn bereits so kurz nach dem Kampf Stück für Stück zu verlassen, seine Aufmerksamkeit sank merklich, doch es war okay, er musste sich nun auf Viktoria verlassen, sie würde schon Acht geben… „Ich schaff das schon“, versicherte sie und biss nun die Zähne zusammen. So schnell es ging humpelte sie mit Ryan die Straße hinauf und bog endlich in die nächste Straße. „Danke... Viki, ich bin dir wohl gerade ein ziemlicher Klotz am Bein, Sorry.“ Seine Augen schlossen sich abwechselnd, seine Augen waren beinahe länger geschlossen als das sie offen blieben. Nun waren sie schon mal auf der richten Straße und hatten schon entfernt einen Blick auf den südlichen Teil des Parks am anderen Ende der langen Straße. „Nicht mehr lange, halt durch“, murmelte sie und schleppte sich weiter. Vik atmete schwer, biss weiter die Zähne zusammen. Nebenbei blickte sie unruhig zu den Häusern und hielt Ausschau nach weiteren unliebsamen Gruppen. Bisher hatten sie aber noch Glück. „Ryan,... wir sind da... Ryan? ... Nur noch ein paar … Meter,... du musst mir … aber etwas helfen“, keuchte sie vor Anstrengung und rüttelte ihn leicht. Sie atmete tief ein und lief langsam weiter. Ohne das antreibende Stresshormon, das seinen Körper bereits wieder verlassen hatte, fühlte Ryan sich nur noch müde, seine Muskeln fühlten sich wie Gummi an, jegliche Spannung schien ihm entwichen zu sein. Zu lange auf den Beinen für solch eine Stressbelastung, das muss es gewesen sein… Dennoch biss er sich auf die Lippe, versuchte angestrengt seine restliche Kraft zu mobilisieren, übernahm wieder ein wenig mehr seines Gewichts selbstständig. „Ich brauch nur eine kleine Pause, Vik, dann bin ich wieder auf dem Damm…“ So sicher war er sich seinem Gesagten derzeit nicht, war er sich derzeit wenig absolut sicher. Er empfand seine Umgebung Dumpf, als hätte jemand eine Decke um die Welt gehüllt, alles schien weit entfernt, das Licht war gedämpft, ebenso wie Viktorias Stimme die hin und wieder aufbauende Sätze sprach. Sein Zeitgefühl funktionierte auch nicht mehr, ihm kam dieser Tag schon so unendlich lang vor… Was war auch alles schon geschehen seit er im Morgengrauen durch die Gassen schlenderte und den Ball im Garten fand? Durch einen kurzen aber intensiven Hustenanfall wurden seine Gedanken beendet. Zügig kamen sie einem recht großen Geschäft näher, dessen Fenster und Türen allesamt gut vernagelt waren. „Du kannst gleich so viel schlafen wie du willst...“, brachte Vik angestrengt hervor und rang kurz nach Luft. Keuchend setzte sie ihn kurz auf den Boden ab. „Ich mach dir die Tür auf... Warte hier.“ Ihm fiel es kaum auf als Viktoria sich durch das Fenster stahl, um nach einiger Zeit die Tür von innen aufzumachen. Sie schien nur eine Sekunde? Minute? Stunde? Von seiner Seite gewichen zu sein, als sie auch schon wieder neben ihm war. Sie betraten bereits das Teppichgeschäft und Ryan probierte zu Viktoria aufzusehen, versuchte dabei seinen Stand etwas besser zu sichern. Ryan selbst sah sich nicht großartig um, vertraute auf Viktorias Urteil. Als er eine der Zimmerwände ausmachte, entwand er sich vorsichtig aus ihrer Haltung und stützte sich gegen die Wand, wollte Vik der zusätzlichen Belastung nicht länger als nötig aussetzen. Er ließ sich an der Wand zu Boden gleiten, seine Augen waren zusammengekniffen und sein Gesicht bei seiner Bewegung zu einer Grimasse verzogen. „Sorry, ich glaube ich hab unser Date im Park ziemlich zunichte gemacht... Vielleicht erlaubst du mir eine kleine Terminverschiebung?“ Sein Lächeln erkannte man wohl auf den ersten Blick als aufgesetzt, seine Augen waren geschlossen, während er seinen Kopf an der Wand abstützte. „Macht nichts...“, versicherte sie schwer atmend, aber erleichtert. „Ich wollte es hier eh erst gemütlich machen.“ „Was sagt dein Bein? Ich hab es wohl doch nicht so mit dem Schonen zugelassen wie es nötig wäre… Benötigst du etwas von deinem Doc? Jetzt hast du mich ja schließlich doch zu deinen Füßen liegend, nur leider ohne das du über mich hergefallen wärst…“ Seine Augen blieben geschlossen während er sprach, mit einer Hand stützte er seinen Oberkörper. „Mach dir keine Gedanken. Ich brauch auch nur Ruhe“, sagte sie beruhigend. „Ich falle später über dich her, aber erst schau ich mich hier kurz um und hol ein paar Sachen.“ „Es geht schon so. Ich muss nur zu Atem kommen, Vik… Ist es hier sicher?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten begann er seine nasse Jacke auszuziehen, hielt inne als sich ein weiterer stechender Schmerz meldete, ehe er es ein weiteres Mal versuchte, nur um kurz danach aufzustöhnen und sich mit halb ausgezogener Jacke resigniert zurücksinken ließ. Immerhin seinen rechten Arm hatte er befreien können. „Mach es dir bequem, ich bin gleich wieder da“, sagte sie nun gequält lächelnd und ging. Er lehnte seinen Kopf zurück gegen die kühle Wand, hielt seine Augen geschlossen. Viktorias Schritte entfernten sich langsam. Sie hatte etwas von warten gesagt? Er öffnete seine Augen wieder, konnte Viktoria aber nirgendwo erblicken.War sie wieder aufgebrochen? Durchsuchte sie nur das Geschäft? Er konnte sich einfach nicht mehr konzentrieren… Sie wird ihn schon nicht zurückgelassen haben. Kapitel 6: Von Alpträumen geplagt --------------------------------- „Danke... Viki, ich bin dir wohl gerade ein ziemlicher Klotz am Bein, Sorry.“ Als Ryan sie tatsächlich mal Viki nannte, während sie noch auf dem Weg zum Teppichladen waren, konnte man nur ein kurzes, amüsiertes Zucken am Mundwinkel wahrnehmen. „Schon okay“, das war alles was sie noch mit geschlossenen Zähnen hervorbrachte. Sie konzentriert sich lieber darauf nicht falsch aufzutreten, bevor sie beide auf die Nase fielen. Wenn Ryan einmal am Boden lag, würde sie ihn garantiert nicht mehr hoch bekommen und zurück lassen konnte sie ihn nicht, nachdem was er heute schon alles für sie getan hatte. Hätte sie noch die Kraft und Zeit darüber nachzudenken, wäre ihr so enger Kontakt mehr als unbehaglich, aber nun ging es nicht anders. Recht dankbar bemerkte sie, dass er versuchte so weit es ging selbst zu laufen, da sie vermutlich nicht einmal alleine problemlos vorwärts kommen könnte. Die Furcht davor, dass er nicht mehr lange durch hielt und der Umstand, das bald noch mehr Leute, vielleicht sogar ein paar Banden, in der Nähe sein könnten, ließ sie ebenfalls ihre letzten Kräfte aus ihr rausholen. Mutig trat sie fester auf und versuchte größere Schritte zu machen, was nur ein stärkeres Brennen hervorrief. Zügig kamen sie dem recht großen Geschäft näher, dessen Fenster und Türen allesamt gut vernagelt waren. Doch Viktoria war schon öfters durch den Hintereingang in das Gebäude gekommen, auf das sie nun zu hielt. „Ich brauch nur eine kleine Pause, Vik, dann bin ich wieder auf dem Damm“, hörte sie ihn sagen. „Du kannst gleich so viel schlafen wie du willst...“, brachte sie angestrengt hervor und rang kurz nach Luft. Der Schweiß lief ihr übers Gesicht und sie wünschte sich wenigstens den Schal abzunehmen oder die Jacke aufmachen zu können. Zähne zusammen beißen half nun kaum noch. Die beiden hatten nach ihrer Pause einen sehr langen Dauerlauf hinter sich, was natürlich nicht spurlos geblieben war, egal wie gut er sie zuvor behandelt hatte. Ihr wäre es mittlerweile fast recht gewesen das Bein abzunehmen, wenn die Schmerzen dann weg waren. Aber bald waren sie da, dann hätte sie sogar Zeit sich auszuruhen und frisch zu machen. Das spornte sie noch etwas an, ehe sie endlich vor der Hintertür standen. Nochmals schaute sie sich genau um, konnte aber keine Menschenseele erblicken. Ryans plötzliche Hustenanfall sorgte dafür, das sie sich verkrampfte und sich dabei ihre Finger fester in seine Jacke krallten. Auch wenn sie besorgt darauf geachtet hatte, konnte sie kein Blut beim Husten erkennen, was ja schon mal ein gutes Zeichen war. Keuchend setzte sie ihn kurz auf den Boden ab und wischte mit der Hand den Schweiß vom Gesicht. „Ich mach dir die Tür auf... Warte hier.“ Sie setzte den Rucksack ab und öffnete zumindest die Jacke, während sie kurz verschnaufte. Ihr Blick wanderte zu dem kleinen, hohen Fenster neben der Tür, das mit Rollläden versehen war. Normalerweise konnte sie mit einem kleinen Sprung das Fensterbrett erreichen, aber nun brauchte sie eine kleine Hilfe. Innerlich betete sie, dass sie mit den Bein noch in der Lage war, dort hoch zu kommen. Nachdem sie sich kurz umgesehen hatte, schob sie eine Mülltonne darunter, klettere darauf und erreichte so fast mühelos das Fenster. Sie zog sich am Fensterbrett hoch, worauf sie sich nun setzte, schob die Rollladen hoch und begann das dahinter liegende Fenster aufzudrücken. Mit den Rücken stützte sie die Rollladen ab, während sie ihre Beine auf die andere Seite zog. Drinnen hatte sie schon einen Stuhl unter dieses Fenster gestellt, worauf sie sich nun leicht fallen ließ , während gleichzeitig die Rollläden wieder polternd runter fielen. Das Fenster wurde danach sorgfältig von ihr verschlossen, bevor sie die Angestelltentoilette schwer humpelnd verließ. Sie machte einen Bogen, stütze sich dabei an den Wänden ab und landete in einem kleinen Büro mit einer Theke, an denen Kunden wohl ihre Lieferscheine abholen konnten. Eine Tür, vor dem noch ein Metallschrank stand, versperrte den Weg nach draußen. Schwer atmend stand sie kurz vor dem Ungetüm. Sonst schaffte sie es locker den zu bewegen, nun hoffte sie inständig, dass sie ihn weit genug weg schieben konnte, um die Tür zu öffnen. Vik stemmte sich mit all ihrem Gewicht dagegen, während sie sich nur mit einen Bein abstoßen konnte. Zum Glück war die Tür bald frei. Mit etwas Gewalt konnte auch diese wieder aufgezogen werden und sie konnte ihren Rucksack und Ryan endlich rein bringen. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er ihre Abwesenheit wirklich bemerkt hatte, aber das tat nun nichts mehr zur Sache. Als sie im Teppichgeschäft waren, löste sich Ryan schon bald von ihr und setzte sich an die Wand. Eigentlich hätte sie weiter hinein gewollt, aber hier war es auch okay. Sie half ihm erst einmal hinab und kniete sich mit einen Bein vor ihm, während sie ihr verletztes ausstreckte. „Sorry, ich glaube ich hab unser Date im Park ziemlich zunichte gemacht... Vielleicht erlaubst du mir eine kleine Terminverschiebung?“, fragte er schwach grinsend. „Macht nichts“, versicherte sie schwer atmend, aber erleichtert, dass sie schließlich Ruhe hatten. „Was sagt dein Bein? Ich hab es wohl doch nicht so mit dem Schonen zugelassen, wie es nötig wäre… Benötigst du etwas von deinem Doc? Jetzt hast du mich ja schließlich doch zu deinen Füßen liegend, nur leider ohne das du über mich hergefallen wärst.“ Sein falsches Lächeln schien sie dennoch etwas aufzumuntern, doch als er ihr Bein ansprach spürte sie die Schmerzen fast doppelt so stark. „Mach dir keine Gedanken. Ich brauch auch nur Ruhe“, sagte sie beruhigend. Sie hatte schon vorhin gesagt, das sie nichts mehr von ihm annehmen würde und dabei würde sie bleiben. Bestimmt würde es besser werden, wenn sie das Bein lang genug nicht bewegte, redete sie sich ein. Aber noch ging es nicht. „Ich falle später über dich her, aber erst schau ich mich hier kurz um und hol ein paar Sachen.“ Langsam zog sie sich an der Wand wieder hoch und legte ihre Jacke sowie ihren Schal ab, wodurch endlich etwas Luft an ihr verschwitztes Hemd kam. Noch immer war sie leicht außer Atem, aber sie ging lieber auf Nummer Sicher, bevor sie hier ebenfalls böse überrascht wurden. Da sie sich an der Wand abstützte, musste sie ihr Bein kaum noch belasten, bis sie den Schrank wieder vor sich hatte. Nun schob sie diesen wieder vor Anstrengung stöhnend vor die Tür. Danach holte sie sich die kaputte Gardinenstange, die sie bei einem ihrer ersten Besuche aus versehen runter gerissen hatte, um diese als Stütze zu verwenden. Zudem hatte sie sich die schweren Vorhänge über die Schulter geworfen und kam wieder zu Ryan, wo sie diese neben ihn fallen ließ. „Mach es dir bequem, ich bin gleich wieder da“, sagte sie nun gequält lächelnd und ging weiter. „Es geht schon so, ich muss nur zu Atem kommen, Vik… Ist es hier sicher?“, fragte er schwach. Das er seine Jacke ausziehen wollte, bemerkte Viktoria als sie ihm die Vorhänge brachte. Aber Viki wagte es nicht ihn ungefragt zu helfen. Bestimmt würde sie ihm nur weitere Schmerzen bereiten und als erstes musste sie eh für ihre Sicherheit sorgen. So konnte sie zumindest ein wenig ihre Unfähigkeit beim Kampf wieder gut machen, während er sich schon die wohlverdiente Erholung gönnte. „Ich glaube wir sind hier sicher. Aber ich prüfe das lieber“, murmelte sie. Daher war sie schweren Herzens vorbei gegangen. Sie machte nur eine kleine Runde, um zu kontrollieren, das noch immer alle Fenster und Türen verschlossen waren. Anscheinend war noch immer kein Mensch und keine Tiere außer Spinnen hier eingedrungen. Die Rollläden waren halb herunter gelassen und die Fenster zusätzlich vernagelt. Das tauchte alles in ein Dämmerlicht, aber auch die Fenster des Flachdaches erhellten etwas die Räume. Auf ihrer kleinen Tour rollte sie noch zwei Lammfellimitat-Teppiche ein und nahm sie wieder mit zu ihrem Begleiter. Der saß noch immer unverändert mit geschlossenen Augen da. Viktoria war sich nicht sicher ob er nun schlief oder wach war. „Ryan?“, flüsterte sie zögerlich. Sie legte eines der kuschelig-weichen Teppiche direkt neben ihm aus und faltete das andere zum Kopfkissen. Noch kam keine Antwort. Besorgt legte sie ihre Stirn in Falten. „Ryan?!“, fragte sie nun etwas lauter und, nachdem sie etwas mit sich gerungen hatte, nahm sie seine Hand, um sie auf das provisorische Bett zu führen. „Du kannst dich hinlegen, wenn es für dich besser ist“, sie wusste ja nicht ob es liegend für ihn angenehmer war oder ob er sitzend die Schmerzen besser ertrug. Jedenfalls würde sie ihm aber helfen sich hin zu legen, wenn er denn richtig schlafen wollte. Erst dann würde sie sich ihm gegenüber an die Wand setzen und sich etwas ausruhen. Auch wenn sie selbst müde war, würde sie erst mal Wache halten. Sie bezweifelte sowieso, dass sie mit ihren eigenen Schmerzen einschlafen könnte, jedoch fielen ihr in gleichermaßen hin und wieder die Augen kurz zu. Endlich machte er seine Augen auf. Ein erleichtertes Seufzen entfuhr ihren Lippen. Dennoch sah sie ihm forschend tief in die braunen Augen und suchte darin ein Anzeichen dafür, ob er auch eine Kopfverletzung erlitten hatte. So sicher war sie sich da gerade nicht, wo er doch plötzlich so fertig und unaufmerksam war. „Hast... hast du auch etwas am Kopf abbekommen? Oder ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtshalber. Sie hatte Angst, dass sie während des Kampfes irgendetwas nicht mitbekommen hatte. Alles war so schnell gegangen. Aber als Viktoria ihn eingehend musterte, lächelte er amüsiert. „Schau mir in die Augen kleines. Wonach hältst du Ausschau? Dem Wahnsinn hinter meinen Augen? Nein, keinen auf den Kopf bekommen, ich hab mich wohl nur ausgepowert“, antwortete er ihr. Wieder schloss er erschöpft die Augen, atmete mittlerweile ruhiger und flacher. Ertappt hatte sie den Blick wieder abgewendet, was gar nicht nötig gewesen wäre. Ryan fielen schon wieder die Augen zu. Dennoch war sie erleichtert, dass er scheinbar nur extrem übermüdet war. „Gut zu wissen, das bei dir dann immer eine Schraube locker ist“, scherzte sie schwach, um sich selbst etwas zu beruhigen. Ryan machte kaum noch die Augen auf. Kam es durch den kleinen Kampf oder war er schon beim Laufen so müde gewesen? Wer weiß wie lange er nicht mehr geschlafen hatte. Allerdings war es auch für Viktoria schon kräftezehrend gewesen. Die ständige Aufregung, die langen Märsche durch den Regen mit ihrer Verletzung... Zum Glück war sie erst kurz vor Sonnenaufgang aufgestanden. Er probierte ihr ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen, was ihm nicht allzu gut gelang. „Wir haben die Typen ziemlich aufgemischt, was? Erm, Du, Viktoria? Hilf mir mal bitte eben hier raus, ja?“ Er hielt ihr seinen linken Arm, der noch in der Jacke gefangen war, hin und lehnte sich zeitgleich wieder etwas zurück. „Das hast du ganz allein geschafft,“, sagte sie leicht beschämt und bei seiner Bitte fiel ihr auf, das sie noch seine Hand hielt, worauf ein leichter Rotschimmer auf den Wangen wieder kam. Anstatt sie hastig weg zu ziehen kam sie nur seinem Wunsch nach. Vorsichtig stützte sie seinen Arm und zog ihm mit Bedacht die Jacke aus. Hoffentlich tat sie ihm nicht noch mehr weh. Er kniff seine Augen fest zusammen, als sie sich an seinem Arm zu schaffen machte, gab jedoch dabei keinen Laut von sich. Auch die nassen Sachen machten ihr Sorgen. Kurzerhand nahm sie einen der Vorhänge und wickelte es wie eine Decke um ihn. Eigentlich hätte er die Sachen besser ausziehen sollen, aber so würde es auch gehen. Hauptsache er fing sich nun nicht noch eine Erkältung ein, denn mit der Prellung wäre das bestimmt nicht angenehm. „Danke für die Stütze… Ich hab heut‘ doch ziemliche Fortschritte mit deiner Berührungsangst gemacht, was? Man hat dir ja kaum angemerkt, das ich dir unangenehm war.“ Nun war sein Lächeln nicht aufgesetzt, strahlte doch wieder etwas Wärme aus, obwohl es erschöpft und müde wirkte. Ein ein kleines Schmunzeln umspielte wieder ihre Lippen, als er sie darauf ansprach. „Ich hab schon mit den Gedanken gespielt dich fallen zu lassen, aber du hast so von unserem romantischen Abenteuer geschwärmt, da wollte ich unbedingt wissen ob du übertrieben hast“, erwiderte sie nur frech. Sein Lächeln machte ihr Mut, dass er sich schnell wieder erholen könnte und sorgte dafür das dieses dumme Ding in ihrer Brust wieder schneller schlug. Zugleich lag in dem Lächeln etwas Vertrauen erweckendes. Ein schönes Gefühl, was sich lange nicht mehr in ihr Herz geschlichen hatte, wie sie verlegen zugeben musste. Es war seltsam und irgendwie auch beklemmend zu gleich. Ohne seine Augen zu öffnen, lächelte er. „Hättest du mich mal liegengelassen. Ich befürchte, das ich zu diesem Zeitpunkt mein Wort nicht halten kann.“, sagte er und hob etwas kraftlos seine Arme, präsentierte sich damit offen. „Aber bitte, bediene dich einfach, verschon‘ nur meine linke Seite etwas“, fügte er hinzu. Grinsend öffnete er allmählich wieder seine Augen, es nahm ihm einige Versuche in Anspruch bis er seine Lider komplett erhoben hatte. Seine Worte rissen sie etwas aus den Gedanken, aber seine kleine Geste ließ sie leise auf kichern. Wäre es nicht so traurig gewesen, dann hätte sie bei dem Anblick seiner schwach erhobenen Arme und den geschlossenen Augen wohl laut los gelacht. „Oh, das macht mir nichts. Ich werde mein Bestes geben, um mich zurück zuhalten und zu warten bis du dich auskuriert hast. Alles andere wäre ja unfair“, erwiderte sie vergnügt und schenkte ihm noch ein Zwinkern, als er es tatsächlich schaffte seine Augen nochmals zu öffnen. Sein anschließendes Lächeln hatte sie trotzdem etwas durcheinander gebracht. Warum schaffte er das immer wieder mit so kleinen Dingen? Ein kleiner Teil in ihr schrie warnend auf, sie sollte ihm nicht so schnell vertrauen, es könnte ja nur schief gehen. Viktoria senkte leicht den Blick, weil es sie gerade überforderte, nun da sie keine anderen Aufgaben mehr zu erledigen hatte, worin sie sich flüchten konnte. „Wil ... willst du etwas schlafen? Du siehst müde aus. Ich kann dir beim hinlegen helfen und dann Wache halten. Vielleicht kannst du mich dann später ablösen. Ich hab dir extra ein paar Teppiche geholt damit es weicher ist“, bot sie schnell an. Ihre leichte Nervosität musste man ihr wieder anmerken, wo sie doch wieder ins Plappern geriet. Aber was besseres wusste sie gerade nicht mit sich anzufangen. Er nahm die ihm angebotene Hilfe ohne weitere Fragen in Anspruch, legte Viktoria seinen rechten Arm auf die Schulter, um sich an ihr etwas hoch zu drücken, gerade soweit das es ihm möglich war sich auf den Teppich zu setzen. Nur ein wenig zuckte sie zusammen, als er den Arm auf sie legte. Viki versuchte zumindest ein wenig mit ihren linken Arm irgendwie behilflich zu sein. Ihr unbeholfener Blick verriet dabei, dass sie nicht ganz wusste was sie machen sollte. Dementsprechend froh war sie einfach, als er nun endlich nicht mehr auf den kalte, nackten Boden saß. Er klopfte neben sich auf den Teppich, wirbelte etwas Staub auf. „Komm schon, leiste mir etwas Gesellschaft, wirklich ein exquisites Lager was du hier aufgestellt hast.“ Daraufhin biss sie sich nur kurz auf die Lippe. „Nein, schon in Ordnung. Ich hab es ja für dich geholt. Wenn ich noch was brauch dann geh ich noch ...“, doch sie kam nicht dazu sich weiter ‘rauszureden, da Ryan schon schmerzvoll das Gesicht verzog. Ryan fing an sich auf seinem Ellbogen abgestützt in den weichen Teppich sinken zu lassen, ehe er auf halben Weg innehielt, seine Mimik schmerzhaft verzehrt, als sich bei der Lageveränderung seine Rippen erneut intensiv meldeten. Viki konnte es ihm beinahe nachfühlen und zögerte nicht lange, bis sie nun doch ein wenig näher heran kroch, indem sie sich mit ihren gesunden rechten Bein weiter ab stieß. Sie schlang ihren linken Arm um seinen Körper, damit er seinen Oberkörper etwas entlasten konnte, während sie sich mit ihrer rechten Hand selbst von Boden abstützte und ihm so half sich hinzu legen. Wieder hämmerte ihr Herz hastig vor sich hin, während sie kurz auf Grund der ungewohnten Situation erzitterte. Dennoch half sie ihm vorsichtig und zog dann langsam den Arm zurück. Das hinderte sie jedoch nicht daran sich etwas schneller aufzurichten und ich leicht abzuwenden. Sie zog ihr gesundes Knie zu sich, legte ihre Arme darum und lehnte kurz den Kopf daran. Verlegen versuchte sie wenigstens ihr Herz zu beruhigen. Es war nichts passiert, es wird nichts passieren. Ryan ist in Ordnung und er hatte ihr auch schon geholfen. Es gab keinen Grund nervös zu werden. Am liebsten hätte sie sich kurz in die andere Ecke des Raumes verzogen, aber das wäre ja noch peinlicher gewesen. Ganz davon abgesehen, das die Schmerzen gerade noch erträglich waren, wenn sie das Bein nicht bewegte und ihre Beine sie vermutlich eh nicht mehr tragen würden. Aus den Augenwinkeln sah sie beschämt zu den müden Soldaten. Sie hatte ihn erst vor einigen Stunden kennengelernt und doch hatte sie ihn zu einen ihrer liebsten Verstecke geführt. Wenn sie ihn so ansah, dann konnte sie einfach nichts Böses in ihm erkennen. Hoffentlich würde sich das Vertrauen nicht irgendwann grausam rächen. Eigentlich hatte sie vorhin geplant zu ihrem nächsten Versteck zu gehen, sobald er schlief. Aber seit dem war wieder so viel passiert und sie war selbst so fertig, das sie selbst nicht glaubte, dass sie es bis dahin schaffte. Was konnte schon passieren? Ryan konnte sich nicht einmal alleine bewegen, ohne das er vor Schmerz das Gesicht verzog. Es bliebt ihr ja eh nichts anderes übrig, als das Beste zu hoffen. Ryan blickte Viktoria unter halb geöffneten Lidern hinweg an, schmunzelte müde bei dem Anblick seiner nun zusammengekauerten Begleitung. „Wir machen richtige Fortschritte, was hab ich dir versprochen?“, sagte er sanft. Fortschritte nannte er es. So wie sich benahm kam sie sich vor wie ein vertrotteltes Kind. Warum konnte sie sich nicht zusammenreißen? Als Viktor hatte sie doch damit meist weniger Probleme, warum war es in seiner Gegenwart nun so schwer? Viktoria wusste nicht was sie Ryan antworten sollte. Ihr ging gerade so viel gleichzeitig durch den Kopf. Er erinnerte sie an ihre früheren Freunde, dachte an die vielen Bekanntschaften auf der Straße und die ganzen Verletzungen die sie sich dadurch eingefangen hatte, erinnerte sich wie sie Ryan heute morgen zum ersten mal gesehen hatte, wie ihre Freunde einer nach den anderen gestorben waren, wie Ryan ihr Bein versorgte - zwei mal sogar, daran wie ihr die Schulter aufgeschlitzt wurde, wie jemand sie zurück gelassen hatte und sie daraufhin von einer Gang verprügelt wurde, daran wie sie mit Ryan am Tisch geflirtet und wie er für sie gekämpft hatte und an einen durchlebten Alptraum, den sie zu verdrängen versuchte. Sie fuhr sich kurz durch die Haare und krallte sich mit den Fingern fest, während sie die Augen zusammen kniff und sich eine Träne aus den Augenwinkel stahl. „Ich würd‘ gern wissen was dir da gerade durch den Kopf geht. Du siehst aus als hättest du gerade eine tote Beutelratte aus der Kanalisation gefischt, anstatt mir runter zu helfen, dabei bin ich doch noch recht lebendig“, hörte sie ihn sagen. Sein Schmunzeln wurde kurzzeitig von einem weiteren Husten abgelöst, das aber nicht dieselbe Intensität wie das vorhergegangen erreichte. „Es tut mir leid“, hauchte sie nur mit leicht zittriger Stimme. Das Ganze überforderte sie und mehr brachte sie einfach nicht über die Lippen. Nicht mal sein kleiner Vergleich mit der Ratte konnte sie ablenken. Im Gegenteil, dies und der Husten zeigten ihr auf was das Problem war: Sie mochte ihn. Es war so simpel, dass sie darüber bitter Lächeln musste. Es war ihr nicht mehr egal, was mit ihm passierte. Sie kannten sich nur wenige Stunden, aber es war ewig her, seit sie mit jemanden so reden konnte. Doch noch immer nagten an ihr die Zweifel, selbst als er schon mehrfach bewiesen hatte, das man sich auf ihn verlassen konnte. Was wenn sie zusammen blieben und er starb? Sie hatte schon so viele Freunde grausam sterben sehen. Durch den Virus und durch andere Menschen. Sie wollte nicht noch eine mit Blut überströmte Leiche eines Freundes in den Händen halten. Je länger sie sich kennen würde, desto schlimmer wäre es. Und was wenn er sie nun doch irgendwann verriet? Diese Enttäuschung hatte sie ebenfalls mehrfach erfahren. Das gebrochene Herz war dabei schlimmer als die Schmerzen, die nach den Verletzungen folgten. Der Moment, in dem ihr der Vertrauensbruch bewusst wurde, hatte sich tief in ihre Seele gebrannt. War es besser wieder alleine los zu ziehen? Das ging auch nicht. Im Moment waren sie auf einander angewiesen. Ihr Atem ging etwas flacher und weitere Tränen suchten sich still den Weg hinab. Seine Andeutung zu den Späßen am Morgen holten sie Stück für Stück aus ihren kleinen Gedankengefängnis raus. Was tat sie da? Sie würde ihm nur noch mehr Sorgen machen. Sie konnte jetzt eh nichts anders tun, als alles auf sich zu kommen zu lassen. Das einzige was zählte war, das Ryan ihr nichts tun würde. Ansonsten hätte er sich doch die Versorgung gleich gespart. Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag und mit ein paar tiefen Atemzügen auch ihre Gedanken. Mit den Ärmel wischte sie nun auch die Tränen weg. Die Chancen standen gut, dass Ryan die Augen selbst wieder geschlossen hatte und es nicht sah, das sie geheult hatte. Er brauchte Ruhe, er hatte scheinbar tagelang nicht geschlafen. Es war egoistisch sich hier so aufzuführen. „Nun hast du es doch noch geschafft mich Wort wörtlich flachzulegen, und ich nächtige nach ein paar schlaflosen Nächten mit einem hübschen Mädel, wer hätte das am Anfang dieses Tages vorhersehen können?“, sagte er leise. „Das Flachlegen hab ich mir aber anders vorgestellt“, antwortete sie nun schließlich. Sie drehte leicht den Kopf zu ihm und brachte ein entschuldigendes Lächeln zu Stande. Ihre Wimpern glitzerten noch etwas, durch die einzelnen Tropfen die hängen geblieben waren. Er grinste schwach, sah noch einen Augenblick lang zu Viktoria auf, ehe er seinen Kopf auf dem zusammengerollten Teppich ablegte und seine Augen wieder schloss. „Falls du dich doch noch dazu entscheiden solltest deine Dolche zu benutzen, pass‘ bitte mit meinen Medikamenten auf, sind ein paar dabei die du dir nicht einfach so spritzen solltest.“ Sein Lächeln signalisierte das er dies nicht ernst meinte, auch wenn das Szenario vielleicht nicht allzu weit hergeholt war und Ryan nicht besorgt klang. Seine Atmung ging bereits merklich langsamer, seinem Oberkörper sah man bereits kaum noch das stetige heben und senken an. „Weck mich wenn ich dich ablösen soll, oder wenn dir meine schreckliche Gesellschaft fehlt, manchmal kann so eine lockere Schraube ja doch recht unterhaltsam sein.“ Seine Worte waren bereits nur noch ein leises Murmeln, eine Hand hatte er auf seine linke Seite gelegt, trotz des Schmerzes driftete er bereits langsam in einen unruhigen oberflächlichen Schlaf ab. „Ich hab jedoch auch nicht gedacht, das ich je wieder jemanden wie dich treffen würde“, gab sie erst jetzt leise zu, wo er fast schon schlief. Den Rest sollte er sich denken. Vermutlich würde er zu viel in den Satz hinein interpretieren, aber Viki war das nun egal. Sie war schon froh überhaupt was sagen zu können. Selbst wenn es ein Scherz war, so konnte sie seine nächsten Worte nicht im Raum stehen lassen. „Ich werd‘ dir nichts tun“, versprach sie ernst, als sie beobachtete wie er langsam einschlief. „immerhin bist du ganz erträglich...“, fügte sie leise hinzu. „eigentlich sogar ganz nett“, flüsterte sie nun ihrerseits, auch wenn sie nicht wusste ob er die letzten Worte noch mitbekommen hatte. Es kam keine Antwort mehr und sein Atem ging nun regelmäßiger. Scheinbar schlief er nun schon tief und fest. Sie drehte sich wieder etwas zu ihm und beobachtete ihn nun einige Zeit. Er murmelte etwas unverständliches und sie fragte sich, ob die Worte an sie gerichtet waren. Wahrscheinlich träumte er und wer weiß was das für Träume waren. Dabei versuchte sie selbst einfach an nichts zu denken, was sogar eine Weile klappte. Viki rieb sich kurz die Augen. Ihn so zu sehen machte sie selbst todmüde. Vermutlich waren ihre Gefühle deswegen so aus ihr heraus gebrochen. Die ganze Aufregung steckte ihr immer noch in den Knochen und vermutlich würde sie morgen einen großen Muskelkater in den Beinen haben. Das es bei ihrem schmerzenden Knie noch weiter auffiel, bezweifelte sie dennoch. Ryan schien es auch nicht besser zu gehen mit seinem verletzten Oberkörper. Besonders der Schlag auf die Prellung musste schon übel gewesen sein. Sicherlich war er von den beiden noch schlimmer dran. Viktoria schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf über ihre eigene Dummheit. Sie stellte sich so an und er schien es einfach zu ertragen. Während sie daran dachte wanderte ihr Blick über seinen Körper. An der Stelle wo sein Hosenbund unter der Decke sein musste verharrte kurz ihr Blick. Er trug doch noch immer die Waffe oder nicht? Sie konnte sich zumindest nicht erinnern, dass er die Pistole nach ihrer Ankunft abgelegt hatte. Sie richtete sich nun weiter auf und sah sich in der näheren Umgebung um, konnte aber nichts erkennen. Daher trug er sie vermutlich noch immer. Irgendwie jagte ihr der Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken. Ihre Abscheu vor Schusswaffen konnte sie sich selbst nicht ganz erklären, wo sie doch selbst nicht zögerte Leute mit ihren Messern zu verletzten. Sie biss sich auf die Unterlippe. Sollte sie den Revolver eben zur Seite legen, bevor noch was passierte? Andererseits hatte er die Waffe doch gesichert. Jedoch war es auch unbequem wenn er sich darauf legte. Kurz legte sie die Stirn in falten und presste die Augen zu. Zumindest sie würde sich besser fühlen, wenn das Ding sicher in der Nähe lag, wenn es nur nach ihr ging, dann auch gerne etwas weiter weg. Es dauerte sicher nochmal eine Viertelstunde bevor sie sich den Mut fand sich über ihn zu beugen. Nervös sah sie zu seinem Gesicht, aber er schlief. Natürlich schlief er. Sie schüttelte den Kopf und konzentrierte sich die Decke unbemerkt etwas weg zu ziehen. Immerhin wollte sie ihn nicht wecken, aber vermutlich würde sie das nun auch nicht mehr schaffen. Erneut lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre kleine Aufgabe. Als die Decke weg war sah sie schon die Umrisse der Waffe, die sich unter seinem nassen Hemd abzeichneten. Immer wieder sah sie zu ihm hoch, bevor sie vorsichtig sein Hemd hoch schob, dass einen Teil der Verletzungen preis gab. Das Feuerwerk aus Farben, dass seinen Körper zierte ließ sie schmerzvoll das Gesicht verziehen. Es war ja sogar schlimmer als sie befürchtet hatte. Mitleidvoll sah sie nochmals zu seinem Gesicht. Es war wirklich kein Wunder das er zusammengeklappt war. Mit einem Seufzen zog sie nun behutsam die Waffe aus der Hose, aber nicht ohne knallrot anzulaufen. Zum Glück schlief er, was sie sich in Gedanken immer und immer wieder selbst versichern musste. Endlich war es frei und hastig sowie leise legte sie den Revolver über das provisorische Kopfkissen. Erleichtert stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Nun zog sie noch sein Hemd wieder leicht runter und dann müsste sie nur noch - plötzlich zuckte sie zusammen. Er hatte sich im Schlaf bewegt und begann unruhig den Kopf von der einen Seite auf die andere zu werfen. Panik machte sich kurz in ihr breit. Hatte sie ihm irgendwie weh getan? Nein, er schien einen Alptraum zu haben. Wer hatte das in diesen Zeiten auch nicht? Viki verharrte kurz mitten in der Bewegung, bis sie sich wieder sicher fühlte. Erst danach zog sie die Decke bis zu seinen Schultern hoch. „Es ist alles okay. Ich bin hier. Du bist sicher. Ich pass‘ auf dich auf“, murmelte sie leise und hoffte das einige Worte bis zu ihm durchdrangen. Tapfer strich sie sogar eine Strähne von seiner nassen Stirn und legte ihre Hand auf seine. Irgendwie schien es ihn auf Dauer wohl zu beruhigen. Erst als sie sich sicher war, das er tief und ruhig schlief ließ sie sich selbst nach hinten auf ihre Ellenbogen fallen. Auch wenn sie die Ruhe genoss und nun die Decke anstarrte, wurde ihr etwas langweilig. Schon damals hatte sie das Wache halten immer gehasst. Sie ließ den ganzen Tag noch mal Revue passieren. War das wirklich alles an einem Tag passiert? Es kam ihr irgendwie vor wie mindestens drei. Ein besonders breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, als sie an die Verabredung zu ihrem Date dachte. Das hatte wirklich Spaß gemacht und es hatte sie wie damals an gefühlt, als die Welt noch in Ordnung war. Danach fiel ihr wieder ein wie sie das Nirvana Album gefunden hatte. Viki seufzte sehnsüchtig und richtete sich kurzerhand wieder gerade auf. Sie neigte ihren Kopf und erhob ihre Arme, als würde sie ihre Geige wieder in den Armen halten. Dann fing sie an die Bewegungen nachzuahmen und ihre Luftgeige zu spielen. Als erstes spielte sie „Smells like Teen Spirit“. Sie Melodie hallte dabei so lebhaft in ihrem Kopf wieder, als würde sie die Töne wirklich spielen. Aber der kleine Spaß dauerte nicht lange, dennoch wollte sie nicht aufhören und spielte noch „My Immortal“ von Evanescence wobei gleichzeitig der Text des Originals in ihrem Kopf mit schwirrte. Seufzend ließ sie die Arme sinken. Die Musik war wirklich ein großer Teil ihres Lebens gewesen und nun war er vollkommen verschwunden. Etwas melancholisch betrachtete sie wie sich Ryans Brust regelmäßig hob und senkte. Seine leisen Atemzüge hatten etwas tröstendes an sich. Fast hypnotisiert beobachtete sie das Schauspiel. Viki ertappte sich dabei, wie sie ein paar mal erschöpft die Augen schloss. Sie sollte doch nicht einschlafen! Jedoch, was konnte sie schon groß machen? Normalerweise ging sie etwas umher, schnitzte irgendwelche Tiere, die sie dann selbst nicht mal mehr erkannte oder beschäftigte sich anders. Doch sie war einfach zu müde und lustlos um irgendetwas zu tun. Genervt von sich selbst rieb sie sich abermals die brennenden Augenlider. Ihr Blick wanderte durch den Raum und blieb an ihrem Rucksack hängen, der unerreichbar Fern - circa zwei Meter - neben ihr stand. Aufstehen konnte und wollte sie nicht, um ihn zu holen. Da kam ihr eine Idee. Sie nahm die Gardinenstange zur Hand, die sie als Stütze verwendet hatte und fischte so nach dem Riemen. Es klappte sogar und schon bald hatte sie den Rucksack in den Armen. Sie kramte die Wasserflasche raus und trank einen Schluck, des muffigen Gesöffs. Es hatte draußen geregnet, bestimmt fand sie nun besseres Wasser. Während sie es so anstarrte bemerkte sie, wie ihr Hemd noch immer an ihr klebte. Sie könnte den Rest benutzten um sich frisch zu machen, überlegte sie. Dafür müsste sie aber in den anderen Raum, worauf sie ebenfalls keine Lust hatte. Ihr Bein tat so schon weh genug, da musste sie nicht unnötig noch mehr Schmerzen verursachen. Also wurde das wohl nichts daraus. Ein bisschen enttäuscht über diese Erkenntnis, ließ sie leicht den Kopf hängen. Es sei denn... Unheilvoll sah sie aus den Augenwinkeln wieder zu dem Soldaten, der sich noch immer im Tiefschlaf befand. Er hatte selbst gesagt, dass er tagelang nicht mehr geschlafen hatte, da würde er bestimmt die nächsten Stunden nicht mehr aufwachen. Aber konnte sie das wirklich riskieren? Eben noch war sie emotional zusammengebrochen, weil sie ihm geholfen hatte sich hinzulegen. Was wenn er doch aufwachte? Jedoch war dieses klebrige Gefühl auf der Haut einfach ekelhaft. Gegen schnelle Katzenwäsche sprach doch nichts oder? Zudem würde sie sich danach besser und auch wacher fühlen! Zögerlich holte sie zwei Waschlappen raus. Einen blauen, den sie für Haare und Gesicht benutzte, sowie einen bunten für den Rest des Körpers. Etwas eitel war sie auch bei diesen miserablen Hygienestandards. Sie benetzte den blauen zuerst mit etwas Wasser und wusch sich den Nacken und ihr Gesicht. Schon wieder zuckte sie plötzlich zusammen, als Ryan gerade jetzt nervös träumte. Sie drehte sich leicht zu ihm um und sah den Schweiß auf seiner Stirn. Kurz biss sie sich auf die Lippe. Ob es ihn aufwecken würde wenn sie...? Sie verdrängte alle weitere Gedanken, als er unruhiger wurde. Einen Versuch war es ja wert. Sie träufelte nochmals etwas Wasser auf den blauen Waschlappen und tupfte dann vorsichtig über seine Stirn und Wangen, als er sich zur Seite drehte sogar über seinen Nacken. Dabei hielt sie nochmal seine Hand. „Es ist alles okay. Ich werde auf dich aufpassen. Du bist nicht allein“, versprach sie abermals. Es wirkte wieder recht schnell und weckte ihn anscheinend nicht auf. Ihre Sorge war also unbegründet gewesen. Sie zögerte kurz, drehte ihm aber dann den Rücken zu und begann dann mit leicht klopfenden Herzen ihr Hemd auf zuknöpfen. Wieder wartete sie einen kurzen Augenblick, zog es aber dann doch aus und legte es zu Seite. Sie lauschte kurz, konnte aber nichts verdächtiges hören. So tränkte sie den anderen Waschlappen mit Wasser und fuhr damit über ihre Arme. Wohliges summen entfuhr ihrer Kehle, als sie zusätzlich genüsslich die Augen schloss. Es tat einfach gut den Dreck los zu werden. Die Haut an den Schultern und Armen begann von dem Wasser zu glänzen. Es war ja nicht nötig sich abzutrocknen, es würde auch an der Luft schnell verdunsten. Auch über den Rücken und flachen Bauch fuhr das nasse Tuch. Dann geriet sie jedoch ins Stocken. Wenn sie ehrlich war, hatte sie die Bandagen lange nicht mehr abgenommen und leicht juckte es doch auch etwas. Sie presste die Lippen zusammen und lief bei den nächsten Gedanken schon rot an. Das konnte sie doch erst recht nicht wagen! Vorsichtig drehte sie den Kopf zu den Schlafenden. Er würde nicht mal mitbekommen was sie tat. Immerhin lag er fast schon im Koma. Beschämt sah sie an ihren Leinenfetzen hinab, der sie förmlich einsperrte. Mit geschlossenen Augen, betete sie einfach nur, das er schlief, während sie die Sicherheitsnadel löste. Eilig wickelte sie nun die Verbände von ihrem Oberkörper und rollte sie in der Hand sofort auf. Das Ergebnis war ein unsagbares Gefühl, nun wo der Verband sie nicht mehr einengte. Sie atmete tief durch, als sie die Luft auf nackter Haut spürte. Kurz dachte sie an Ryan, der hinter ihrem Rücken lag. Ein warmes, prickelndes Gefühl durchfuhr ihren ganzen Körper, als sie daran dachte. Sie konnte ein verlegenes Kichern kaum unterdrücken und wurde abermals etwas rot. Wieder nahm sie den nassen Stofffetzen zur Hand und wusch sich den blanken Rücken. Tausender kleiner Tröpfchen ließen die samtartige Haut des Rückens glitzern. Ein Tropfen suchte sich den Weg die Wirbelsäule hinab und verschwand an einen unverschämten Ziel. Danach begann Viki sich auch den Rest es Oberkörpers zu widmen. Gründlich wusch sie sich ihre Rundungen. Allein die Möglichkeit das Ryan sie beobachten könnte, verpasste ihr dabei eine Gänsehaut. Noch schaffte sie ein Keuchen zu unterdrücken. Verlegen dachte sie daran, das sie nun auch weiter gehen könnte. Sie würde sich auch beeilen, schwor sie sich selbst. Aber ihr Herz schlug ihr jetzt schon bis zum Hals. Sie holte einmal tief Luft, atmete dann etwas flacher, als sie sich nun auch zögerlich den Rest entledigte und sich auf ihr gesundes Bein hinkniete. Der Waschlappen fuhr über ihre Oberschenkel und auch über ihren prallen Hintern. Ihre Lippen bebten vor Aufregung, als sie nun den feuchten Stofffetzen zu der letzten Stelle führte und sich gründlich wusch. Dieses mal konnte sie ein erregtes Keuchen nicht unterdrücken. Am liebsten hätte sie nun beendet was sie angefangen hat, aber die Furcht doch bald erwischt zu werden ließ sie erzittern. So endete abrupt ihr Spiel und sie zog sich langsam und widerwillig wieder an und wickelte ihre Weiblichkeit erneut sorgfältig ein und verkleinerte die Erscheinung doch erheblich. Aus dem Rucksack zog sie das einzige Hemd, was sie sonst noch hatte. Es war blau und zwei Nummern zu groß, jedoch war es sauberer als das weiße. Endlich war sie wieder gänzlich frisch und fühlte sich wirklich besser. Ein unanständiger Rotschimmer war auf den Wangen geblieben, als sie nun wieder zu Ryan sah. Hoffentlich konnte sie ihm später in die Augen sehen ohne wie ein Schulmädchen zu kichern. Seufzend setzte sie sich neben ihn und sah zur Decke. Sie war zwar frisch, aber nun verging auch das Adrenalin vom kleinen Kick. Noch immer war sie müde. Die Stille half da auch nicht viel weiter. Ab und zu fielen ihr nun die Augen wiederholt zu. Wie lange hielt sie nun Wache? Bestimmt nur einige Stunden, auch wenn es für sie eine Ewigkeit war. Seufzend stütze sie sich auf die Ellenbogen und lag nun fast neben ihm. Nervös war sie erstmal nicht. Er schlief ja immer noch. Die Augen wurden ihr so schwer... sie konnte bestimmt kurz ebenfalls den Teppich auskosten. Nur ein, zwei Minuten... So ließ sie sich gänzlich neben ihn fallen und schloss die Augen. Es war wirklich weich... so angenehm... Ihr Atem passte sich dem seinen an. Es dauerte nicht lang, bis sie selbst eingeschlafen war. Eine Zeit lang lag Viktoria ruhig neben ihm, aber auch sie begann leise im Schlaf zu reden. Es waren nur ein paar Namen, Bruchstücke ihrer Erinnerung, vermischt mit anderen Traumbildern. Manchmal schien sie zu zittern, unruhig den Kopf hin und her zu wenden. Es war ein seltsamer Traum, schon lange hatte sie keinen solchen Traum mehr gehabt. Zudem schien sie dabei näher an Ryan zu rücken. Die erste Zeit bestand aus einem traumlosen Schlaf, aber bei ihr schlichen sich bald verschiedene Bilder hinein. Sie war auf einem Konzert mit ihren Freunden. Zu den harten Rock-Klängen hüpfte sie mit Leon Seite an Seite in der Menge. Sie sangen den Text mit, warteten gespannt auf das nächste Lied, das etwas ruhiger war. Viki lehnte sich an die Brust ihres Freundes, der die Arme um sie schlang. Es war so warm, so geborgen. Hier wollte sie für immer sein. Sie hörte Geigentöne und stand plötzlich selbst auf der Bühne. Aufgeregt legte sie los, spielte in ihrem Kopf drei Lieder gleichzeitig. Im Publikum waren ihre Freunde, ihre Familie. Sie spielte weiter, ließ dabei den Blick über die Menge streifen. Da! Selbst Ryan war gekommen. Viki schenkte ihm ein breites Grinsen, als sie einen Moment nur für ihn spielte. Andere Bilder tauchten auf. Es war Weihnachten, das letzte Weihnachten. Als sie durch den Schnee stapften und ihre Oma besuchten, hatte Viki gesagt, dass sie mal einen Schal bräuchte. Am selben Abend hielt sie ein grün-verpacktes Geschenk in den Händen. Als sie es auspackte war der rote, flauschige Schal drin, den sie sich gewünscht hatte. Viki fiel ihren Eltern um den Hals, gab dann ihren Geschwistern die Geschenke. Gleichzeitig packten sie weiter aus und ihre Gesichter strahlten. Plötzlich war es Frühling und Viki war wieder Neunzehn. Sie war mit Leon im Zoo, schlenderten verlegen nebeneinander her. Sie hatten sich oft getroffen, aber Viki konnte ihm noch nicht sagen was sie fühlte. Sie beschlossen eine Pause zu machen und gingen den den japanischen Garten. Am Teich setzten sie sich hin, wo ihr Leon eine Feenkette schenkte. Die hatte er im Urlaub für sie mitgebracht. Er legte sie ihr um den Hals, sah ihr tief in die braunen Augen und küsste sie zum ersten mal. Sie war so glücklich. Im nächsten Moment stand sie wieder auf der Bühne und sah zu Leon herab. Die Menge wurde still, das Publikum unruhig. Was war los? Viki konnte nichts erkennen. Sie sah zu ihrer Familie. Der kleine James fing an sich zu Kratzen, genauso wie Eli. Sie kratzen sich blutig und ihr Fleisch verfaulte langsam. „Nicht, nein! Eli, James,... hört auf...!“, im Traum schrie sie ihnen die Worte entgegen, doch in der Realität fing sie an es leise im Schlaf zu murmeln. Auch ihr Atem ging schneller und ihre Stirn legte sich in Falten. Doch der Traum ging weiter: Viele Menschen in der Menge kratzten sich plötzlich. Im Zeitraffer verfaulten ihre Leiber. Selbst ihre Eltern blieb nicht verschont. „Nein, bitte... ihr dürft nicht... lasst mich nicht allein...“ Sie ließ die Geige fallen, die in Tausende Splitter zerbrach, sprang zu ihnen hinab, doch bevor sie die beiden erreichte, waren sie gänzlich zerfressen. Schockiert starrte sie auf den Fleck, wo sie gestanden hatten. Tröstende Arme legten sich um sie. Viki kuschelte sich hinein, während sie weinte. Leon streichelte beruhigend über den Rücken. Oder war es Ryan? Nein, es musste Leon sein. Als sie aufsah, waren sie bei Sebastian Zuhause. Ihre Gruppe saß gemütlich bei Pizza zusammen, während sie sich mit den Videospielen abwechselten. Sie lachten und scherzten. Mit Sebastian lieferte sie sich wieder ein anzügliches Wortgefecht, während Leon wie immer grummeln daneben saß und leicht besitzergreifend den Arm um sie legte. Dennoch machte sie weiter und diskutierte mit Ryan - nein, halt - mit Sebastian darüber, was sie für einen neuen Computer mit ihm anstellen würde. Christina ließ den Controller fallen. Verwirrt sahen sie ihre Freundin alle an. Mit entsetzten stellten sie fest, das die Hände nur noch Knochen waren. Christina schrie vor Schmerz. Leon zog Viki hoch, weg von ihr, weg von Sebastian, dessen Gesicht sich langsam auflöste. Sie rannten aus der Tür standen mitten auf der Straße. Auch Vanessa war weg, aber Xander stand neben ihnen. Sie sollten vorsichtig sein, hier wäre die Grenze zu einem Bandengebiet. Sie hörten Schritte, sie mussten weg! Schnell! Sie rannten durch finstere Gänge, dunkle Gassen und plötzlich standen ein paar Leute vor ihnen. Sie hatten Schläger und Messer dabei. Ryan drängte Viki hinter seinen Rücken. Im nächsten Moment war es wieder Leons Rücken, hinter dem sie sich verkroch. Leon zog seine Pistole, doch er war zu langsam. Sie wurde aus der Hand geschlagen. Er wurde von einem Kantholz ins Gesicht getroffen und ging zu Boden. „Leon“, wimmerte Viki leise. Die Männer prügelten und traten auf ihn ein. „Hört auf!“ flehte sie leise, doch nun sahen sie Viki seltsam an, kamen näher. Sie stolperte ein paar Schritte zurück, wollte schreien, doch sie war wie gelähmt. Plötzlich hörte man ein Schuss und der erste von ihnen sackte zu Boden. Leon war wieder aufgestanden und hatte die letzte Kugel die sie hatten verbraucht. Der Andere griff nun Leon wieder mit zwei Messern an. Leon konnte im Gerangel eines abnehmen, bekam dafür das andere zwischen die Rippen. Leon rächte sich, stach dem Angreifer in den Bauch und schließlich in den Hals, sodass er tot zusammen klappte. Schlagartig waren sie in dem Haus, in das sie Leon danach gebracht hatte. Sie kniete über ihn, presste beide Hände auf seine Wunde, doch das Blut quoll ihr zwischen den Fingern hindurch. „Alles wird wieder gut... alles wird wieder gut...“, versuchte sie sich einzureden. Er hustete stark und spuckte Blut. Sie wusste das seine Lunge durchbohrt war. „Du kannst mich nicht allein lassen... ich schaff das nicht...“ Mit all ihrem Gewicht drückte sie auf die Wunde. Er sprach zu ihr. Sie solle tapfer sein, sie solle auf sich aufpassen, dass er sie liebt. Leons blauen Augen wurden trüb, sein Atem stoppte abrupt. Viki schüttelte den Kopf, drückte noch immer auf den toten Körper, während sich ihre Tränen mit seinen Blut vermischten. „Bleib bei mir...“, wimmerte sie. Erst Minuten später gab sie auf, nahm Ryans noch warmen, toten Körper in ihre Arme und weinte bitterlich. „Ryan...“ immer wieder hauchte sie den Namen. Aber sie war allein. In dieser grausamen Welt war sie auf sich allein gestellt. Sie spürte Nikos Hand auf der Schulter. Nun war sie wieder auf der Straße, hockten an einer Ecke und suchten nach Essen. Vorsichtig sah sie um die Häuserwand, doch die Straße war frei. Sie gab Niko ein stummes Zeichen und zusammen schlichen sie so schnell es ging in das nächste Haus. Hier waren sie schon einige Male gewesen. Wie immer teilten sie die Beute auf und aßen sofort etwas. Sie konnte den Typen eigentlich ganz gut leiden, er besaß eine Pistole und kannte sich ebenfalls in den Gebiet aus. Sie konnte sich auf ihn verlassen und nach langer Zeit wieder in Ruhe schlafen. Noch bevor sie aufgegessen hatten, betraten einige Gestalten das Haus. Sofort flüchtete sie wortlos mit Niko über die Feuerleiter. Sie sprangen das letzte Stück hinab, wobei sie ungünstig aufkam. Ein stechender Schmerz im Knöchel verriet ihr, das sie den zumindest verstaucht, wenn nicht sogar angebrochen hatte. Panisch sah sie sich um, rannte so gut es ging weiter. Hinter ihr wurden die Stimmen laut. Niko rannte in die nächste Gasse, sie kam nicht ganz hinterher, aber er sah sich auch nicht um. In der Gasse war eine Mauer, die Niko ohne Probleme hoch sprang. Für sie wäre das Hindernis mit gesunden Knöchel auch kein Problem gewesen, doch nun schaffte sie es nicht. „Hilf mir“, flehte sie eilig. Doch Niko sah nur zögernd von der Mauer hinab. Die Schritte und Stimmen kamen näher. „Niko Bitte, ich kann das nicht...“, sie streckte die Arme nach ihm aus, aber noch immer sah Ryan nur auf sie hinab. Ihr Knie schmerzte, obwohl er es gut versorgt hatte brannte es wie die Hölle. Sie drehte sich um, sah schon die Bande hinter sich. „Bitte... Ryan! Lass mich nicht zurück...“, flehte sie abermals, während sie in seine Augen starrte. Dann verschwand er plötzlich auf der anderen Seite der Mauer. „Du egoistisches Schwein! Ich hab dir vertraut!“, schrie sie aus aller Kraft. Er war weg. Vor Angst zitternd drehte sie sich um und wurde sofort von einigen Händen gepackt. Sie zerrten an ihr, entrissen ihr den Rucksack. Sie wehrte sich, zog die Dolche und stach in einen Oberschenkel. Irgendwer schrie und sie fingen an auf sie einzuschlagen. Vor Schmerz stöhnend ließ sie die Waffen fallen, spürte noch mehr Fäuste die gegen ihren Kopf prallten und sie langsam benommen wurde. Schläge pressten die Luft aus ihren Lungen. Tritte in den Bauch und Rücken ließen sie aufschreien. Irgendwann hatten die Jungs keinen Spaß mehr daran. Sie diskutierten ob sie Viki zu ihren Vergnügen mitnahmen. Doch der blutende Typ war dagegen. Auf die kranke Nutte könne er verzichten, sagte er. Dann waren sie weg. Sie hatten alles mitgenommen was von Wert gewesen war und sie im Dreck zurück gelassen. Vor Schmerz und Enttäuschung weinte sie lange. Sie konnte sich nicht bewegen. Erst als es dunkel wurde fand sie die Kraft sich aufzurappeln. Warum hatte Niko das getan? Er hätte sie nur hoch ziehen müssen. Warum hatte er sie zurück gelassen? Wie konnte man so kaltherzig sein? Was hatte sie Ryan getan, dass er sich so verhielt? Plötzlich waren sie wieder im Konzertsaal. Ryan stand über ihr, während sie noch am Boden lag. Er hielt ihr helfend die Hand hin. Ohne ihm in die Augen zusehen, ließ sie sich aufhelfen. Noch immer hielt sie den Blick gesenkt. Doch er legte ihr die Hände auf die Schultern und streichelte darüber, wie in dem Haus, wo sie sich ausgeruht hatten, als er versuchte sie abzutrocknen. Sie fragte ihn, was nun passieren würde. Doch Ryan lächelte nur. 'Willst du das nicht selbst herausfinden?', fragte er mit frechen Schmunzeln. Er zog sie näher an sich ran, legte die Arme um sie. Vikis Herz schlug schneller, als sie ihr Gesicht an seinem Hemd vergrub. Sie konnte seine Wärme spüren, es war so angenehm. „Ich hab Angst“, gestand sie ihn flüsternd. 'Manchmal ist etwas Vertrauen das Risiko wert', wiederholte er seine Worte aus dem Haus von heute morgen. Diese Worte schwirrten noch einige male im Kopf, bis sie langsam wieder aufwachte. „Tut mir Leid, nett, eigentlich, treffen, gedacht…“ Ryan konnte nicht mehr unterscheiden, ob er die Wortfetzen noch hörte oder bereits träumte. Sie klangen traurig? Voller bedauern? Er konnte es nicht sagen, konnte nicht einmal den Zusammenhang der Worte genau folgen. Seine Augen bewegten sich schnell hinter seinen geschlossenen Augenlidern. Hin und wieder murmelte er etwas undeutlich im Schlaf. Waren die Worte überhaupt in der Gegenwart gesprochen? Oder waren es Worte die er vor langer Zeit gehört hat? Oder erst noch hören würde? Hielt er sich gerade in all den Zeiten auf und gleichzeitig in keiner? Er sah erneut Lloyd in die Augen, dem ersten seiner Einheit, der dem Virus zum Opfer fiel, als er ihm die Überdosis des Schmerzmittels verabreichte. Hörte den Radetzky-Marsch in seinen Ohren widerhallen als er Frank im selben Takt immer wieder den blutigen Brustkorb mit seinen Händen komprimierte und das Rennen um sein Leben dennoch verlor, nur um dann in seine eigenen Augen zu sehen anstatt in die von Frank. Sein eigener lebloser Körper lag nun hinter der Mauerwand, wo sie sich vor dem ständigen Gewehrfeuer verschanzt hatten. Omen? Oder das schlechte Gewissen? Plötzlich war er über Roland gebeugt, oder war es Viktoria? Lehnte mit seinem Gewicht auf dem verfluchten Messer, während mit Schweiß vermischte Tränen auf ihn/sie runtertropften, während das Rolltor langsam hochrollte. Dahinter kam ihm der Leichnam von ihrem morgendlichen Rast entgegen... In der Gegenwart, lag Ryan weiterhin auf dem Teppich, warf seine Kopf ab und zu von einer auf die andere Seite, eine verzerrte Grimasse auf seinem Gesicht. Schweiß saß ihm auf der Stirn, war er nun drei Tage erfolgreich vor seinen Träumen geflohen, holten sie ihn dennoch wieder ein. Doch seine Träume wurden ruhiger, schien Viktorias Nähe ihn merklich zu beruhigen. Träume von besseren Zeiten, geschäftiges Treiben auf den Straßen, Ryan verabschiedete sich von seiner Familie als er außerhalb der Hauptstadt stationiert wurde. Einmal sah er die Gestalt einer zierlichen Frau, den Rücken zu Ryan gedreht, sie schien nackt. Samantha? Nein… War es Viktoria? Bilder eines jüngeren Ryan der mit seinem noch jüngeren Bruder tobte, ehe er wuchs und ein jüngerer Mann wurde, Blut lief aus seinem Mundwinkel, er lächelte Ryan an. Danach war er wieder mit Viktoria an der Straßenecke, er kam zu spät, der Schatten kam um die Ecke, die bereits gehobene Waffe war als erstes zu sehen, ehe der Rest des verfaulten Leichnams um die Ecke kam, das eingefallene und verfaulte Gesicht zu einem stummen Schrei geformt. Ryan schreckte aus seinem Traum hoch. Wo war er? Alles war Dunkel um ihn herum, schlief er etwa doch noch? Ein Arm war um ihn gelegt. Langsam erinnerte er sich was geschehen war, entwand sich mit einem Schmunzeln vorsichtig aus Viktorias Arm. Etwas benebelt versuchte er sich aufzurichten, von dem plötzlichen Schmerz überrascht, konnte er nur knapp einen Aufschrei unterdrücken. Bei seinem zweiten Versuch gelang ihm das Aufrichten schon besser, seine Augen gewöhnten sich ebenfalls bereits wieder an die Dunkelheit, es schien irgendwann Abends zu sein, die zugenagelten Fenster ließen nicht viel Spielraum für Mutmaßungen. Er sah sich in dem Teppichladen um, schien es ihm das erste Mal zu sein, dass er die neue Umgebung bewusst wahrnahm, sie wirkte eher wie ein provisorisches Lager als der Verkaufsraum eines Geschäftes. Hatte Viktoria sich hier schon öfters zurückgezogen? Die Annahme lag nahe. Bei seinen Gedanken warf er einen Blick zurück auf die neben ihm schlafende Viktoria und beobachtete einige Momente ihre ruhig daliegende Gestalt. Sie sah derzeit recht friedlich aus. Hatte Viktoria ihn den ganzen Weg über gestützt? War sie wahrscheinlich einfach nur erledigt gewesen, als sie ihre Angst vor Nähe vergessen hatte? Er versuchte sich die Ereignisse des Vormittags ins Gedächtnis zu rufen. Ihrem Bein schien es nach ihrer Flucht furchtbar ergangenen zu sein. Vorsichtig stand er nun komplett auf, angestrengt versucht eventuelle Schmerzen zu vermeiden, ebenso wie zusätzliche Geräusche die Viktorias Schlaf stören könnten. Ryan ließ dabei den um ihn gewickelten Vorhang zurück, den er mit einem Handgriff über Viktoria ausbreitete. Wie lang war sie wohl wach geblieben? Hatte sie versucht die ganze Wache zu übernehmen? Sollte sie ruhig noch etwas Schlaf finden… Sein Körper stahl sich leise durch den dunklen Raum, schritt auf eines der zugenagelten Fenster zu, durch welches noch etwas Licht fiel. Vor dem Fenster entledigte er sich langsam seines Hemdes, den auftretenden Schmerz jedoch trotz aller Vorsicht nicht ganz vermeidend. Er blickte an sich hinunter, konnte auch noch bei dem fahlen Licht die verschiedenen Hämatome erkennen, er betastete mit mäßigem Druck seine Rippen, welches ihm dazu veranlasste Luft angestrengt aus seinem Mund zu pressen. Anscheinend nichts was eine intervenieren nötig machte, nicht das eine Versorgung überhaupt möglich wäre, der Schlag hatte scheinbar, seine lädierten Rippen weiterhin in Mitleidenschaft gezogen. Er war noch am Leben, aber vielleicht sollte er überlegen ob er Viktoria zeigen sollte, wie sie eine Entlastung schaffen konnte, wenn seine Lunge betroffen sein sollte. Nein lieber keine schlafenden Hunde wecken. Dem Schlag mit dem Baseballschläger konnte er scheinbar erfolgreich die Energie nehmen, schien er dort, wo er getroffen wurde, kaum Schwierigkeiten zu haben. Er hatte die Pause dringend nötig gehabt, konnte er sich an viele Geschehnisse nach dem Kampf nur flüchtig erinnern, ein Meer aus lichten Momenten, die er sich noch ins Gedächtnis rufen konnte und selbst bei diesen war er sich nicht vollends sicher. Ryan hasste es zu schlafen, holten ihn seine Dämonen jedes Mal ein, wenn er die Augen schloss. Aber der Schlaf heute war ruhiger gewesen, war es wegen seiner Erschöpfung oder wegen… Er seufzte leise, ehe er sich wieder in die Richtung ihres Lagers aufmachte, nahm sich dort seine Feldflasche vom Rucksack, ehe er einen Schluck trank und sich etwas ihres Inhalts über die Haare und sein Gesicht schüttete, nun genoss er das kühle Nass. Seinen letzten Tropfen goss er über sein Hemd, wrang dieses aus und legte es über einen Tisch auf dem früher vielleicht das Geld und Ware ausgetauscht wurde. Langsam nahm er wieder auf dem Teppich Platz, begnügte sich damit auf dem weichen Stoff zu sitzen, was ihm diesmal auch ohne große Schmerzen gelang. Sein Blick fiel wieder auf den derzeit reglosen Körper neben ihm. Plötzlich kam Bewegung in die junge Frau. Ryan fing ein paar undeutlich gesprochene Wortfetzen auf, verstand keines von den Gemurmelten Worten, dennoch die Art und Weise wie sich Viktorias Gesicht verzog, wie sie die Worte herauspresste, ließ Ryan mit einem besorgten Stirnrunzeln zurück. Anscheinend war er nicht der einzige der durch Alpträume geplagt wurde, wen wunderte dies in solch einer Zeit? Besorgt ließ er sich nun erneut zu Viktoria hinab, ignorierte den auftretenden Schmerz, als er sich abstützte. Nun war er es der seinen Arm um Viktoria legte, fuhr mit seinem Arm unter ihrem Nacken hindurch, um sie an ihrer Schulter zu packen und etwas näher an sich zu ziehen. Er versuchte ihr Nähe und Geborgenheit zu spenden auch wenn sie wahrscheinlich ausflippen würde, wenn sie den wach werden würde. Dennoch konnte Ryan ihre Träume nicht ignorieren. „Shhh, es ist nur ein Traum, Vik. Wir sind hier in Sicherheit“ Seine Stimme selbst war kaum mehr als ein Flüstern. Er drückte Viktoria sachte an ihrer Schulter, wog sie sanft, während er immer wieder beruhigend auf sie einsprach. Es beruhigte sie zusehends. Viktoria fiel noch eine Zeit lang in einen ruhigen Schlaf, bevor sie aufwachte. Langsam regte sie sich etwas, doch noch immer waren die Augen geschlossen. Sie seufzte wohlig und kuschelte sich enger an ihn. Sie streichelte sogar hauchzart über seinen nackten Rücken, währen sie ihren Körper nun noch enger an ihn schmiegte. Im ersten Moment genoss Ryan die Nähe und die Berührungen, wie er sich eingestehen musste, auch obwohl er fast mit Sicherheit sagen konnte das Viktoria noch träumte und es nicht etwa an einem plötzlichen Fortschritt mit ihrer Phobie lag. Zufrieden spürte er, dass sie sich sichtlich entspannte, ihre Hand an seinem Rücken war wie Balsam für seine Seele. Als sie ihren Kopf lächelnd an seinem Brustkorb legte und ein leises Keuchen ihr entwich, war es um Ryan geschehen, fuhr ihr nun selber lächelnd abwesend durch die Haare. Mit einem schwachen Brummen öffnete sie widerwillig die Augen. „Leon?“, flüsterte sie noch verwirrt. Sie murmelte einen Namen, Leo? Im Zusammenhang überlegte Ryan, ob vielleicht ihr Freund so hieß? Er würde seine Neugier lieber nicht stillen, ganz so begriffsstutzig war er nicht, auch wenn er sich hin und wieder so anstellen konnte. Gab es doch nur negative Erklärungen warum dieser Leo Viktoria nicht mehr begleitete, die Naheliegendste war wohl der Virus. Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als Viktoria seinen Namen aussprach und sich verkrampfte. „Ryan?!“, fragte sie schon fast ängstlich und starrte ihn erschrocken an. Sie begann heftiger zu Atmen, ja fast schon zu hyperventilieren. Zitternd zog sie ihren Arm zurück und löste sich ein wenig von ihm, sah ihn nun geschockt in die Augen. Ließ dann aber den Blick über seinen Körper wandern, worauf sie nun schon leicht ihre Hände gelegt hatte, um sich abzustoßen, wagte es jedoch nicht. Ihr Gesicht sprach Bände. Augenblicklich hatte Ryan Gewissensbisse, ihre Berührungen vorher noch genossen zu haben. Er folgte ihrem Blick auf seinen Oberkörper, sah dann zurück in ihre geweiteten Augen, er hob abwehrend beide Hände vor seine Brust, ließ sofort von Viktoria ab. „Nein! Viktoria, es ist nichts passiert… Du hattest einen Albtraum… Ich…“ Er überschlug sich beinahe vor Erklärungen, weshalb er es mitten im Satz aufgab, andernfalls machte er es wohl nur schlimmer. Sie atmete noch immer viel zu viel und drehte sich etwas von ihm weg, lag nun auf den Rücken, während sie die Hand auf ihr Herz presste und die Decke anstarrte. Er fühlte sich hilflos. Der Anblick seiner Gefährtin steigerte sein schlechtes Gewissen kam er sich durch ihre Reaktion schon fast wie ein Triebtäter vor, sie schien einer Panik Nahe, steckte vielleicht schon mittendrin. Irgendwie musste er sie beruhigen, wenn sie weiterhin so stark hyperventilierte, würde sie ihm noch Bewusstlos werden. „Viktoria beruhige dich doch! Komm schon sprich mit mir, bitte…“ Seine Hand begann sich nach Viktoria auszustrecken, wollte sie versuchen zu beruhigen, zog diese aber schleunigst wieder zurück, als er sich ins Gedächtnis rief wer ihm Gegenüber lag und was diese Panik vermutlich ausgelöst hatte. Es schmerzte ihn unbedacht diese Reaktion in Viktoria hervorgerufen zu haben, wusste gerade weder ein und aus. Hektisch wandte er sich ab, griff bereits in seinen Rucksack, ignorierte die Schmerzen, die durch die Verdrehung seines Oberkörpers auftraten. Schnell fand er den Plastikbeutel, in dem er einige Briefe und Bilder aufhob, und schüttete seinen Inhalt lose in seine Tasche, drehte sich wieder zu Viktoria um und hielt ihr die Tüte hin. „Atme darein, oder sprich einfach mit mir, beschimpf‘ mich meinetwegen, aber beruhige dich bitte wieder…Vik…“ Viktoria kniff einen Moment die Augen zu. „Es... es tut mir leid... es tut mir leid... es tut mir so leid... ich... wollte nicht...“ Sie sah ihn wieder an, sah die Tüte und nahm sie dann doch von ihm ab. Sie drehte sich weg, stütze sich auf ihren Ellenbogen ab, während sie seinem Rat folgte. Wieder wollte er erneut seine Hand auf ihre Schulter legen, als sie sich mit der Tüte abwandte. Ließ sie erneut gerade noch rechtzeitig wieder sinken. Voller Sorge ruhte sein Blick auf ihrem Rücken, den sie ihm nun zuwandte, ein Bruchstück seines Traumes trat ihm vor Augen. War es wirklich Viktoria gewesen in seinem Traum? Er hatte auf einmal ein erschreckend realistisches Bild von nackter makelloser Haut, die nur von einigen Narben unterbrochen war, vor seinem Auge. Beschämt fing Ryan an zu murmeln, schien ihm die Stille die nur von Viktorias Atmung unterbrochen wurde, zu erdrückend. Auch wenn seine überhasteten Entschuldigungen die Sache nicht unbedingt besser machten: „Hör zu, Vik… Du schienst so geplagt, hast gemurmelt und dich unruhig gewälzt… Ich wollte dich nur… Ich hätte es besser wissen… wollte dich nicht wecken…“ In einem gequälten Ausdruck runzelte er die Augenbrauen, gab seine Erklärungsversuche auf. Verbarg sein Gesicht für einen Moment in seiner Hand und kniff sich kurz in den Nasenrücken wartete fast schon verzweifelt ab, das Viktoria ihre Panikattacke überwand. Ihr Atem normalisierte sich langsam und sie ließ die Tüte sinken. Die nun freie Hand legte sie an die Stirn. Einen Augenblick brauchte sie doch noch bis sie die Sprache wiederfand. „Es tut mir leid, ... ich wollte dir nicht weh tun...“, flüsterte sie nun endlich. Sie drehte ihren Kopf zu ihm, konnte ihm aber nur kurz in die Augen sehen. „Nun wäre ich ja doch fast über dich hergefallen...“, sagte sie mit einem schwachen Lächeln. „Mir wehtun? Quatsch, du hast mir nicht wehgetan…“ Er schüttelte ernst den Kopf, immer noch stand ihm die Sorge im Gesicht, er sollte eigentlich derjenige sein der sich entschuldigte nicht sie… Er war es der sie in solch eine emotionale Extremsituation gedrängt hatte und das obwohl sie ihm gesagt hatte das sie mit Nähe nicht klar kam. Trotz seiner Schuldgefühle an dieser Situation hielt er ihrem kurzen Blick stand, konnten jedoch keinen seiner Tausend rasenden Gedanken in Worte fassen, fehlte ihm der Mut sich selber zu entschuldigen Viktorias Schlaftrunkenheit ausgenutzt zu haben, hätte er es wohl in ihrem Zustand nicht zulassen dürfen, egal wie harmlos aber dennoch wohltuend die Nähe war. Er brauchte etwas länger, um auf Viktorias Versuch die Stimmung wieder aufzulockern reagieren zu können, haderte immer noch mit sich selbst. „Schade, aber wohl besser so. Wärst du dann sicher sofort Tod umgefallen, sobald du richtig wach geworden wärst…“ Immer noch war ihm Unwohl in seiner Haut zumute. „Das wäre doch sicher ein schöner Tod gewesen“, meinte sie mit leicht gezwungenen Lächeln. „Beim nächsten Mal wird es aber besser...“, versprach sie zusätzlich. Sie schaute sich etwas im Raum um, erblickte dabei auch sein Hemd auf dem Tisch. Schuldbewusst sah sie dann doch wieder zu ihm. „Für dich wäre es mit Sicherheit ein schöner Tod, mich würdest du dann aber ziemlich traumatisiert zurücklassen, aber warten wir erst einmal ab, du musst dich nicht gedrängt fühlen,“ erwiderte Ryan und sah sein Gegenüber immer noch entschuldigend an. Mit einen aufrichtigen Lächeln hielt sie ihm die Hand hin, die nun etwas von dem zu großen Hemd verdeckt war. „Gibt mir der weltbeste Händeschüttler noch eine Chance mich zu bessern?“, fragte sie zögerlich. „Immerhin hab ich dich bisher noch nicht abgestochen, das ist doch auch schon mal was...“ Kapitel 7: Das Date am Park --------------------------- Wenn sie sich nicht immer so anstellen würde, wäre sicherlich alles etwas leichter. Vik schaute sich etwas im Raum um, weil sie nicht wusste was sie machen sollte. Die Waschlappen, Hemd und Dolch lagen immer noch neben dem Teppich. Sein Hemd hing in der Nähe über einem Tisch. Er musste es aus den gleichen Grund wie sie ihres ausgezogen haben, einfach weil es verschwitzt gewesen war. Schuldbewusst sah sie dann doch wieder zu ihm. Da fiel ihr wieder etwas ein. Mit einen aufrichtigen Lächeln hielt sie ihm die Hand hin, die nun etwas von dem zu großen Hemd verdeckt war. „Gibt mir der weltbeste Händeschüttler noch eine Chance mich zu bessern?“, fragte sie zögerlich. „Immerhin hab ich dich bisher noch nicht abgestochen, das ist doch auch schon mal was.“ Hoffentlich konnte Ryan ihr vergeben. Sie wollte nicht, das die Sache nun zwischen ihnen stand. Überrascht sah er auf ihre Hand, konnte aber nicht anders als bei dieser Geste ihr Lächeln zu erwidern. „Ich habe es mir gedacht, wenn man mein Talent einmal erfahren hat, kann man nicht mehr genug von meinem Händeschütteln haben, was?“ Er ergriff ihre Hand und drückte sie sanft. „Aber ich muss dir keine Chance geben, ich hab ganz simpel bei meiner Aufgabe deine Phobie zu überwinden versagt. Ich werde wohl noch eine Weile mit dir arbeiten müssen“, fügte er hinzu. Anscheinend hatte sie ihn schon traumatisiert. Seine Augen verrieten ihr, dass er sich mies fühlte. Das war doch nie ihre Absicht gewesen. Selbst das Lächeln vom Händeschütteln hielt nicht lang an. Sie spürte aber sofort wieder seine Wärme, die sie gerade noch umgeben hatte. Wenn sie ehrlich war, vermisste sie es ein wenig. „Es war... nur ein wenig viel... auf einmal“, sagte sie zögerlich. „Mit der Zeit wird es besser... hoffe ich.“ Sie bedeckte ihre Augen mit ihrer Hand und seufzte abermals. „Immerhin, gar keine Einstiche bisher, anscheinend besteht wirklich noch Hoffnung für mich.“ Wie um es zu unterstreichen betastete er seinen Oberkörper, hielt kurz inne als ihm auffiel das die Pistole nicht mehr in seinem Hosenbund steckte. Viktoria beobachtete wie er sich abtastete und betrachtete die Wunden nun genauer. Es sah wirklich schmerzhaft aus. An seiner Stelle würde sie sich vermutlich gar nicht mehr trauen sich zu bewegen. Als er die Hand auf die Stelle legte, wo vorher seine Waffe gesessen hatte, biss sie sich kurz verlegen in die Lippe. Er schien zumindest nicht weiter darauf einzugehen. Langsam richtete sich Ryan auf, sichtlich bemüht sich die Schmerzen nicht ansehen zu lassen, die ihm beim Beugen überfielen. Wortlos ging er zum Tisch und nahm sein Hemd auf, es war noch immer nass. Er fing an es ein wenig auszuschlagen. Mit einem Blick sein Bein herunter versicherte er sich zudem nach dem Sitz seines Messers. „Willst du mich nun schon vor dem Frühstück verlassen? Ansonsten brauchst du das nasse Ding nicht anziehen. Die Aussicht kann ich nun auch gerne etwas länger genießen. Immerhin hab ich jetzt eh schon alles gesehen“, sagte sie nun wieder etwas mutiger. Allein der Umstand, dass er ein paar Meter mehr zwischen sie gebracht hatte, half ihr ein wenig, wie sie sich beschämt eingestehen musste. Sie zog nebenbei den Rucksack zu sich und reihte ihre kleine Auswahl von Essen vor sich auf. Da sie vieles in Eile rein geworfen hatte, wusste sie selbst nicht, was sie alles dabei hatte. Perplex sah er zu ihr herüber, konnte die Überraschung in seinen Augen kaum verbergen, mit diesem Wandel und der Reaktion hatte Ryan wohl bei weitem nicht gerechnet. Als er seine Verwunderung überwunden hatte, wich sein Ausdruck einem Lächeln. Sogleich legte er sein Hemd zum weiteren trocknen wieder auf den Tisch. „Na, ich denke zum Frühstück kann ich noch bleiben, dann will ich dir den Ausblick doch nicht verwehren.“ Grinsend posierte er amüsiert, zuckte kurz zusammen als er sich falsch verdrehte, nicht ohne sein Lächeln zu verlieren. Dabei konnte Viki sich ein Kichern nicht verkneifen. Sie wusste nicht einmal warum sie plötzlich anfing und schon gar nicht warum sie nicht wieder aufhören könnte. Vermutlich war sie einfach erleichtert, dass er wieder mitspielte und ihr es nicht übelnahm. Selbst als er kurz schmerzvoll zusammenzuckte, spiegelte sich nur kurz die Sorge in ihren Augen, dennoch kicherte sie etwas weiter. Viki hob eine Hand zum Mund und versuchte sich langsam wieder einzukriegen. Tief holte sie nochmal Luft und ließ sich dann zurück aufs 'Kissen' fallen. Sie schnaufte noch mal und rollte sich dann wieder auf die Seite, wobei sie ihren Kopf mit der Hand abstütze. „... und es ist doch ein recht ansehnlicher Ausblick“, fügte sie dann seinen Worten doch noch hinzu. „Oh, ein Kompliment auf ganz hohem Niveau, da werde ich glatt rot.“ Lächelnd blickte er an sich herab, suchte einige Momente ein Hämatom in der genannten Farbe, ehe er immer noch lächelnd drauf zeigte. Ryan schien gerade wieder genauso viel Spaß zu haben. Zusammen mit seiner letzten Aussage konnte Viktoria einfach nicht anders: Das erste mal seit Wochen, wenn nicht sogar seit Monaten, lachte sie lauthals los. Es war so befreiend, als sie all ihre Sorgen über Bord warf und sich den Moment hingab. Auch wenn es irgendwie gemein war über die Verletzung zu scherzen, stellte sie sich vor wie er in der gezeigten Farbe wie ein Camelion anlief. Viki beugte sich leicht vor, als sie sich wörtlich vor Lachen krümmte, nahm die Hand vor den Mund und legte die andere auf ihren Bauch, der sich unter der ungewohnten Tortur schon verkrampfte. Doch schon bald hatte sie auch das wieder fast unter Kontrolle. „Sorry... ich... du... ach, verdammt... du machst mich fertig“, kicherte sie noch und gab dann den Erklärungsversuch mit einem Räuspern auf, der den Lachanfall langsam bezwang. Wieder atmete sie tief durch, rieb mit ihre Hand noch über ihre Bauchmuskeln. Ryans Grinsen wurde dabei ebenfalls stets breiter, sogar noch als Viktoria schon fast keine Luft mehr vor Lachen bekam. „Dafür bin ich doch da, um dich fertig zu machen. Auftrag erfüllt sozusagen. Schade nur das ich das Vergnügen von blanker Haut nicht habe, schickes Hemd übrigens“, bemerkte er mit einen Zwinkern. Viktoria sah ihn dann frech aus den Augenwinkeln an. „Ganz hübsch, nicht wahr? Leider nicht ganz meine Größe. Aber den Spaß hast du dann wohl heute verschlafen“ …und darüber war sie sehr froh, wenn sie wieder daran dachte, dass sie ja zeitweise ganz nackt gewesen war. Schon fuhr ihr vor Aufregung wieder ein wohliger Schauer über den Rücken und sie hoffte, dass sie nicht rot wurde. Fragend hob er seine Augenbraue bei ihrer Erklärung das er den ‚Spaß‘ verschlafen hat. „Steht dir aber gut, und och, wenn nächstes Mal so etwas wichtiges passiert während ich schlafe, kannst du mich ruhig wecken, klingt beinahe als wäre meine Anwesenheit erforderlich gewesen.“ Sie hatte natürlich Ryans fragenden Blick nebenbei bemerkt. Anscheinend hatte er wirklich nichts mitbekommen, als sie sich gewaschen hatte, was Viki schon ein wenig erleichterte. „Ich hab es ja versucht, aber leider hast du geschlafen wie ein Stein. Wenn es dich aber beruhigt: Ich kam auch gut allein zurecht...“, sagte sie mit einem frechen Zwinkern. Wenn er wüsste was sie beinahe wirklich getrieben hätte... Kaum merkbar wurden ihre Wangen doch von einem zarten Rot belegt. Aus den Augenwinkeln sah sie zumindest das erneute, leichte Staunen. „Als dein Arzt erwarte ich nächstes Mal mehr Einsatz bei den Weckversuchen, du musst dich doch noch schonen, ich wäre dir sicher eine wertvolle Hilfe gewesen.“ „Ich glaube, dass sich mein Arzt da eher schonen müsste, aber ich werd‘ es mir fürs nächste Mal merken. Vielleicht hast du ja noch ein paar nützliche Tipps für mich, wenn du schon so großherzig Hilfe anbietest!?“, fragte sie nun. „Na, wenn ich dir nun alle meine Tricks verrate, müsstest du mich ja nicht mehr wecken, da würde ich mich ja selber ins Bein schneiden“, gab Ryan zu bedenken. „Auch wieder wahr. Also dann muss ich mir beim Wecken wirklich mehr Mühe geben. Gibt es ein Trick wie man dich am schnellsten aufwecken kann? Bist du kitzelig oder so?“, erkundigte sie sich. Irgendwie interessierte es sie schon, auch wenn sie nichts dergleichen wirklich vorgehabt hätte. Aber es war doch irgendwie aufregend ihn genauer kennenzulernen. „Einen Trick? Mich aufzuwecken? Also kitzelig bin ich eigentlich nicht, du musst es wohl wie im Märchen machen, von einem Kuss bin ich bisher noch immer wach geworden.“ Er machte mit einem Lächeln eine wegwerfende Handbewegung, bevor er weiter sprach: „Vergiss das lieber wieder, in einer Notsituation könnten wir uns sicher nicht erlauben, dass du daraufhin ins Koma fällst.“ „Sehr nett, das du dann freiwillig drauf verzichtest. Vielleicht könnte man das aber für bessere Zeiten im Hinterkopf behalten“, meinte sie nun ihrerseits mit einen Zwinkern. „Das wär‘ es wert. Soll ich denn hier am Tisch essen? Es scheint dir ja so deutlich mehr zu behagen“, stichelte er spaßeshalber mit einem Schmunzeln, ehe er sich nun zu seinem eigenen Gepäckstück bewegte. „Hmm, nein. Glückwunsch, du hast dir so eben doch noch einen Fleck auf der anderen Seite des Teppichs verdient“, meinte sie immer noch grinsend. Ihre Augen folgten ihm durch den Raum. Die kurz aufkommende Stille wollte sie doch nutzen, um sich noch mal zu erklären und so suchte sie nach Worten: „Gestern,... nein heute morgen?! ... ach, jedenfalls ist viel passiert und normalerweise... spring ich nicht gleich zu jedem ins Bett... ich war einfach nervös, hab überreagiert,... aber immerhin scheinst du mein Traummann zu sein, da ich nicht davon ausgehe, dass die Schlägertypen von dem Esotherik-Buch gemeint waren... daher... hmm... vielleicht könnte ich mich auf Dauer doch dran gewöhnen“, sagte sie mit einen vergnügten Schulterzucken. Sie war froh, das ihr die Andeutung wieder eingefallen war. „Die Zeit der One Night Stands ist auch schon vorüber, aber der Tag ist ja auch noch lang… Wenn wir uns gleich wieder auf den Weg machen, wer weiß… Vielleicht hast du Glück und wir treffen noch deinen wahren Traummann, nicht das du in den sauren Apfel beißen musst, vielleicht waren die beiden, die weggelaufen sind, ja wirklich unheimlich sympathische Typen, wir sollten die beiden definitiv suchen gehen.“ Schmunzelnd beugte er sich langsam zu seinem Rucksack, möglichst ungünstige Bewegungen vermeidend. Er sammelte zügig die Bilder und Zettel ein, die er vor kurzem noch lose in den Rucksack geworfen hatte, blieb für einen kurzen Moment an einem Familienfoto hängen, ehe er die Sachen ordentlicher in einer Seitentasche verstaute. Nach kurzem kramen entschied er sich für ein Cracker ‚Frühstück‘ kombiniert mit einer suspekten Dose irgendeines Fleischersatzes, der selbst auf dem Foto, welches die Dose zierte, nicht appetitlich aussah. „Also ich hab mir die anderen ja nicht so genau angesehen, meinst du echt, die wären was für mich? Obwohl ich zugeben muss das ich saure Äpfel eigentlich sehr mag. Ich hab auch saure Mandarinen gerne verschlungen...“, meinte sie noch vergnügt, als sie ihn bei seiner Frühstücksauswahl beobachtete. Aus den Augenwinkeln sah sie nun auch ihre Ausbeute an: Eine Dose mit Bohneneintopf - mochte sie schon früher nicht, eine Dose mit eingelegten Brokkoli oder sowas - nein danke, und noch eine mysteriöse Dose ohne Etikett. Der restliche Kram war auch nicht viel besser. Zumindest hatte sie noch ein paar von den geschmacksneutralen 'Diät-Knusperriegeln' und eine Dose mit Mais, Paprika und Karotten. Für diese Umstände war das noch ganz okay. Die anderen Sachen packte sie nun doch wieder in den Rucksack und holte nebenbei ihren Löffel raus. Langsam, mit seinem gehaltvollen Frühstück in der Hand, schritt er wieder auf Viktoria zu, ließ seine Vorräte vor ihm auf den Teppich fallen. „Nun wirst du aber wieder zusehends mutiger, ich werde auch achtgeben mich weit genug entfernt zu setzen, nicht das du nachher wieder kein Wort herausbekommst“, neckte er sie, ehe er sich im gespielten Eifer langsam auf die entfernteste Ecke des Teppichs niederließ, die man grade noch so, als zum Teppich gehörend durchgehen lassen konnte. Mit seinem Aufrichten und Niederlassen kam er langsam in Übung, es sah zwar merkwürdig aus, aber scheinbar hielt es die Schmerzen in Grenzen. Bei seiner kleinen Anspielung verdrehte sie grinsend leicht die Augen und schüttelte ihren Kopf. „Na, wenn du meinst. Ich will dich ja nicht wieder zu Tode erschrecken...“, sagte Viktoria noch mit entschuldigenden Lächeln, konnte aber bei seinem Versuch den äußersten Zipfel des Teppichs zu erwischen schon wieder grinsen. „Ich weiß ja nicht auf welchen Typ du stehst, aber hey, ich bin mir immerhin sicher, dass es Männer waren, reicht das nicht als Anreiz sie zu suchen? Aber hey, wenn du auf saures Obst stehst bin ich wohl dein Mann“, er zwinkerte ihr lächelnd zu, ehe er sich langsam an die Cracker machte. Sie nahm nun schon ihre Dose zur Hand und öffnete diese mit einen der Dolche, stellte sie aber erst einmal vor sich ab. Viki sah ihn dann wieder mit frechen Blick in die Augen. „Und was wenn ich eher Frauen mag? Was machen wir denn dann?“, wollte sie wissen und befreite einen Riegel von seiner Verpackung. Grinsend nahm er sich einen weiteren seiner Cracker, beobachtete Viktoria während er aß, verschluckte sich dann jedoch beinahe an den trockenen Krümeln, bei ihrer Ausführung, das sie auch lesbisch seien könnte. Mit einem erneuten Kichern sah sie auch seine Verwunderung über ihre lesbische Anspielung. Ob er das nun wirklich glaubte? Wahrscheinlich wäre das gar nicht mal so schlecht. Vielleicht würde es die Sache ja einfacher machen? Am besten sie ließe das mal so im Raum stehen. Räuspernd lächelte Ryan sie breit an. „Also wenn das der Fall ist, wäre es leider schon ein bisschen komplizierter. Wir müssten als erstes eine andere Frau finden die dir zusagt, das wäre der leichte Teil, und dann käme natürlich der deutlich schwierigere Teil, in dem wir eine funktionierende Videokamera besorgen müssten…“ Nun war er es der, auf seine Rippen Rücksicht nehmend, ein Lachen deutlich zurückhielt, ließ seine Ausführung unvollendet. „Hmm... ich hab von einer blauhaarigen Botin gehört, die durch die Stadt streicht und ein paar Sachen besorgen kann. Vielleicht kann sie zumindest bei deiner Suche nach der Kamera helfen. Aber brauchst du denn wirklich eine? Wenn du lieb fragst, kannst du eventuell auch so zusehen“, meinte sie dann noch mit einen unverschämt gewagten Blick. Gespannt wartete sie, ob er jetzt noch was dazu sagen konnte. „Also deine Offenheit und Hilfsbereitschaft mir gegenüber in allen Ehren, aber dann würde die Sache ja noch unglaublich schwieriger werden, bis wir eine passende Frau für dich gefunden haben, die sich ebenfalls nicht an mir stört.“ Seine Ausschweifung wurde von einem kurzen, zurückhaltenden Lachen unterbrochen, ehe er weit gestikulierend fortfuhr: „Außerdem! Bei solch einer höchst ästhetischen und erotischen zur Schau Stellung von Gefälligkeiten… Da bin ich ja quasi der Nachwelt verpflichtet, das auf Band festzuhalten, ich könnte es ja auch aus dem Off kommentieren und in ein paar Jahren wäre das dann, kulturell wertvolles, Lehrmaterial für die nächste Generation! Der wichtigste Punkt wäre aber wohl einfach das ich dann etwas für einsame Stunden hätte.“ Er zwinkerte Viktoria grinsend zu. „Entschuldige. Ich wurde etwas mitgerissen, du machst es mir mit deinen Andeutungen aber auch viel zu leicht wie ein Perversling zu wirken“, fügte er schnell hinzu. Immer noch lächelnd lehnte er sich auf seinen Armen gestützt etwas zurück und atmete bewusst durch, während er nun in die Luft lächelte. Erst als Ryan auflachte sah sie ihn doch wieder amüsiert an, auch wenn die Richtung in der sich die Anmerkung entwickelten sie doch nervöser werden ließ. „Was für einsame Stunden, hm?“, wiederholte sie mit leicht angespannten Grinsen und bevorzugte es nun doch wieder auf ihr Essen zu starren. „Versprich dir aber nicht zu viel von mir. Ich bezweifle, dass ich deinen ästhetischen Ansprüchen gerecht werde“, versuchte sie die Situation zu entschärfen und sich selbst abzulenken. Aber als sich nun Bilder vom beschriebenen Szenario in ihren Kopf schlichen, spürte sie wieder die Hitze in die Wangen steigen. Im Moment war sie ganz froh das er sich etwas zurück lehnte und sie tief durchatmen konnte. Viel zu spät kam ihr in den Sinn, dass er eventuell in der Hinsicht auch schon länger einsam gewesen sein könnte. Ihre Spielchen wären vielleicht auf Dauer irgendwie gemein gegenüber Ryan, auch wenn sie nach wie vor nicht glaubte, dass von ihm irgendetwas böses ausgehen könnte. Dennoch war ihr das Thema leicht unbehaglich. Sichtlich überrascht war sie aber über seine Entschuldigung. „Aber ich hab doch damit angefangen“, stellte sie verwundert klar. „Also kann ich mich da doch nicht drüber beschweren. Ich find‘ es doch auch schön mal ‘ne Zeit lang zu scherzen... allerdings weiß ich selbst noch nicht so ganz, wo hier die Grenzen liegen“, sagte sie nun ihrerseits entschuldigend, während sie nur kurz zu ihm sah. „Wenn ich irgendwelche Grenzen übersteige… Einfach einen knappen Hieb in die Rippen, dann bin ich schon für eine Weile ruhig, hat bei dem Typen auf der Straße auch geklappt, der fand wohl ebenfalls das ich zu einnehmend war“, schlug Ryan vor. Während er sprach vollführte er einen an getäuschten, exemplarischen Schlag gegen sich selber. „Ich werd‘ mich davor hüten dir weh zu tun. Ich hab ja gesehen, was du mit denen angestellt hast. Das Risiko geh ich bestimmt nicht ein“, sagte sie grinsend, aber ein Fünkchen Wahrheit steckte da schon drin. Sie hatte den größten Respekt vor seiner Kampfkunst und würde ihn nur ungern zum Feind haben. „Mach dir keine Sorgen. Nenn‘ es Sexismus, ich führ‘ es lieber meinem guten Elternhaus zugute… Ich tu‘ mich schwer damit so etwas Frauen anzutun, solang ich es vermeiden kann, da müsstest du mir schon dein Messer an die Brust halten… und Och, ich denke was Ästhetik angeht, solltest du dich nicht unter Wert verkaufen, du weißt doch ich bin Hinternspezialist und konnte nun schon eine Weile hinter dir her laufen. Ich denke deine spätere Partnerin wird glücklich sein.“ Er richtete sich wieder etwas auf, um ihr ein Zwinkern zuzuwerfen. Als Ryan sich wieder aufrichtete, hatte sie noch immer das Bild im Kopf, wie er sie beobachtete oder sogar mitmachte. Dass er dabei gerade halb nackt neben ihr saß, war nun nicht gerade hilfreich. Sie kniff kurz die Augen zusammen und versuchte krampfhaft an etwas anderes zu denken. Doch noch immer war sie rot, ihr Herz pochte und sie fühlte sich recht unwohl, da sie nicht wusste was sie vom flauen Gefühl im Magen halten sollte. Sie zog ihr Knie zu sich, umschlang es mit ihren Armen und lehnte sich mit der Wange daran. Aber Viki musste selbst wieder leicht schmunzeln, als sie sein Zwinkern aus den Augenwinkeln sah. Jedenfalls wollte sie so wenig wie möglich zeigen, wie sehr seine Worte sie wirklich aufgewühlt hatten. Wenn diese Gefühlsachterbahn, die er bei ihr auslöste, die ganze Zeit so weiter ging, dann würde sie bis zum nächsten Tag sicherlich durch drehen. „Mein Hintern hat es dir wirklich angetan, was?“, neckte sie ihn ein wenig. „Aber naja, wenn du meinst. Wir müssten eh erstmal eine finden die das genauso sieht.“ Aber so ganz war sie von sich selbst nicht überzeugt, fügte sie doch noch leise für sich hinzu: „und dann sollte er wohl besser auf Narben stehen...“. Unbewusst strich sie sich über ihren Unterarm, wo sie mit schon einige Verletzungen abbekommen hatte. Zum einen schämte sie sich für ihre Unfähigkeit beim Kampf, sowie für den Anblick ihrer entstellten Haut. Nebenbei ließ sie ihren Blick auch über seinen Körper wandern, an dem ebenfalls einige Kampfspuren zusehen waren. Kurz bereute sie ihren Blick, da ihre Phantasie fast wieder auf blühte, doch unwillkürlich fragte sie sich ebenfalls, was ihm wohl alles zugestoßen war. Wäre es unhöflich ihn darauf anzusprechen? Vielleicht steckten dahinter auch schmerzliche Erinnerungen. Noch zögerte sie und beschloss es erstmal auf sich beruhen zu lassen. Kurz runzelte er die Stirn, bevor er antwortete, aber das ihm aufgefallen war, das Viktoria gesagt hatte „sollte er auf Narben stehen“, kam ihr nicht in den Sinn. „Sicher, sicher, ich weiß nun mal wenn ich Qualität vor meinen Augen habe, das darf man ja wohl würdigen. Und wegen den Narben, tze, bis vor kurzem tätowierte sich noch jeder, da haben Narben immerhin noch eine Geschichte zu erzählen. Sie machen dich definitiv nochmal interessanter, deine Schulter wird dich auch sicher noch ewig zur Vorsicht erinnern…“ Seufzend lehnte sie sich nun selbst etwas zurück und sah zur Decke. „Auf die Geschichten hätte ich aber gern verzichtet. Mal ganz davon abgesehen, dass ein Drache auf der Schulter zumindest für mein Empfinden schöner aussieht...“ sagte sie leicht deprimierten Unterton. Viki war recht froh, dass sie die größte ihrer Narbe in ihrer 'Sammlung' nie wirklich selbst sehen müsste. „Hey gib mir einen Edding und ich zaubere aus deiner Narbe einen großen tollen Karpfen“, scherzte er. „Sieh an, künstlerisch begabt bist du also auch noch“, sagte sie grinsend und biss nun auch mal von ihren Müsliriegel ab und kaute einige Zeit darauf rum. Es war wie Gummi und schmeckte auch so. Etwas zweifelnd betrachtete sie noch mal die Verpackung. Wie konnte man so etwas freiwillig kaufen? Ryan schien es mit seiner Kreation auch nicht besser zu haben. Eine Weile werkelte er etwas an seiner Mahlzeit, ehe er Viktoria zweimal zwei Cracker die eine Portion des Fleischersatzes umschlossen entgegen reichte. „Hey, ich kriege einen halben von diesen Riegeln und du kommst dafür in den Genuss von zwei delikaten Ryan Burgern – Patent beantragt. Also ich würde dir ja dazu raten den Deal anzunehmen. Bald schon, wenn die ersten Ryan-Filialen in den Vierteln aufmachen, wirst du dir sie wohl nicht mehr leisten können.“ Skeptisch betrachtete sie die 'Ryan-Burger'. „Bist du sicher, das ich das auch überlebe?“, fragte sie und zog die Stirn in Falten. Dennoch nahm sie einige Riegel und kroch nun zu ihm. Jedoch zuckte sie kurz zusammen, verharrte in der Bewegung und zog die Luft scharf zwischen den Zähen ein. Erst als sie ihr Gewicht wieder auf ihr gesundes Knie verlagerte, wurde der Schmerz wieder erträglich. Ryan sah dabei überrascht und besorgt zu wie sein Gegenüber die Distanz zwischen ihnen verkürzte. Dann setzte sie sich doch mit kleinen Abstand neben ihn und nahm ihn einen seiner Essens-Dinger ab, um ihn zu probieren. Etwas angewidert verzog sie das Gesicht als sie hinein biss, konnte aber ein Kichern nicht mehr verhindern. „Hmm... äußerst delikat... fast wie Katzenfutter“, sagte sie und hielt ihm schmunzelnd die andere Hälfte von ihrem Riegel hin. Sogleich lachte er bei ihrem Anblick kurz auf. „Du lebst zu mindestens noch.“ Mit einem knappen Blick auf die Dose pustete er gespielt nachdenklich Luft aus seinem Mund. „Hmm, das Bild sieht nach Fleisch aus, die Schrift ist leider auf Chinesisch oder sowas, also gut möglich, dass es sogar Katzenfutter war.“ Er zuckte lächelnd die Schultern, ehe er sich knapp vorbeugte, ihr die Hälfte des Riegels aus der Hand biss und sie danach kauend angrinste. Leicht verwundert war sie ja schon, als er ihr quasi aus der Hand fraß. Sofort spürte sie, wie sie leicht rot anlief, während sie nun wieder recht interessiert Ryans mysteriöse Dose mit Fleisch betrachtete, allein damit sie ihn nicht direkt ansehen musste, was sie nun eh schon wieder seltener tat, seit sie neben ihm saß. Auch wenn sie freiwillig zu ihm rüber gekommen war, pochte ihr Herz nun doch leicht schneller. Aber es war die Sache wert. Vermutlich wäre es nur halb so wild gewesen, wenn er wirklich etwas an gehabt hätte. Sie kicherte noch während ihr Herz kurzzeitig schneller schlug, aber vermisste gerade eher schmerzlich etwas Wasser, um den Nachgeschmack los zu werden. Das Zeug war zwar essbar, aber wohl auch eher was für Notfälle. Daher biss Viktoria von ihren Riegel selbst noch mal ab und kaute gefühlt eine halbe Stunde drauf rum. „Hmm ich weiß nicht. Katzenfutter ist eigentlich etwas schleimiger, aber vermutlich kommt das auch auf die Marke an...“, merkte sie dann doch mal aus Erfahrung an. „Fünf Sterne erlangst du mit deinem Riegel aber auch nicht. Auch wenn es mich ein wenig beunruhigt wie viel Fachwissen du bei Katzenfutter an den Tag legst, beruhigt es mich wiederum auch etwas, das ich somit wahrscheinlich noch kein Katzenfutter gegessen habe, nicht das es geschmacklich noch einen großen Unterschied machen könnte“, erwiderte Ryan. Angestrengt schluckte er den Riegelbrei herunter, ehe er Viktoria breit angrinste. Viki bedauerte es etwas, davon angefangen zu haben. Sie nutzte diesen Moment lieber um sich vorzubeugen und nach ihrer Dose mit Gemüse zu strecken. Ein wenig meinte sie seinen bohrenden Blick auf ihren Rücken und Hintern spüren zu können. Daher richtete sie sich bald auf, bevor sie mit dem Löffel etwas im Gemüse umrührte und vor sich hin grinste. „Geschmacklich tut sich da wirklich nicht mehr viel. Aber 'Fachwissen' würd‘ ich das auch nicht nennen. Es waren auch nur drei Döschen 'Sheba', die ich durch den großen Hunger irgendwie runter bekommen hab. Die Flasche mit süßen Weißwein hat dabei gut geholfen mich zu überwinden“, erklärte sie leicht verlegen. Zum Glück hatte sie die im Haus ebenfalls noch gefunden, ansonsten hätte es noch eine Zeit gedauert, bis sie tatsächlich ans Katzenfutter gegangen wäre. Normalerweise hatte sie nie Probleme wirklich Essbares aufzutreiben, aber zu der Zeit war sie aufgrund ihrer Verletzung nicht in der Lage gewesen auf größere Streifzüge zu gehen. Mit einem Seufzen dachte sie daran, wie hilflos sie sich damals gefühlt hatte, während sie nun ihre kleine Mahlzeit ansah und schließlich anfing zu essen. Mit den Gedanken an Tierfutter schmeckte das hier gleich noch besser. „In der Not frisst der Teufel Fliegen, was? Du hast es ja auch noch überlebt, mit der Flasche Weißwein hat es sicher sogar wie ein exquisites Dinner gewirkt… Im Moment haben wir mit Vorräten aber ziemlich Glück, du musst in einer schlechten Gegend gewesen sein als du zu Sheba gezwungen warst“, sagte er, während er sich einen weiteren Cracker zugute führte. Mittlerweile war auch Viktorias Gemüsedose leer. Zufrieden stellte sie diese zur Seite. Das würde wohl bis zur späten Nacht oder morgen reichen müssen. Auch wenn sie tatsächlich noch einige Vorräte hatte, so wäre es doch besser einiges für Notfälle zu sparen. Auf noch mehr Tiernahrungserfahrungen konnte sie gut verzichten. Ryans Anmerkung zum Dinner ließ sie nun auch wieder grinsen. „Ja, es war eine seltsame Kombination. Aber mit dem Wein konnte man es gut runter spülen. Empfehlenswert ist es aber trotzdem nicht.“ Dennoch seufzte sie bei dem Gedanken daran und erklärte dann zögerlich: „Es war im Industriegebiet und ich kam da nicht so schnell raus. Zudem gibt ja dort leider nicht so viele Möglichkeiten was zu finden. Da war ich schon froh überhaupt irgendwas zu finden. Lange Geschichte und nicht der Rede wert. Vorerst haben wir genug zu essen, aber ich hoffe deinen Rippen geht es bald besser, ich glaub ich könnt‘ dich nicht mal bei den Späßen unterbrechen“, meinte sie Schulter zuckend, um vom Thema abzulenken. Seit dem mied sie dieses Gebiet. Aber auch weil sie dort ein paar Freunde verloren hatte und es einfacher war alles zu verdrängen, was dort vorgefallen war, wenn sie nicht immer durch die selben Straßen laufen musste, die sie daran erinnerten. Ryan ließ es anscheinend darauf beruhen. „Na wenn ich nur noch dein Messer fürchten muss sobald ich dich umarme, kannst du mir auch einen Stoß verpassen, sobald ich zu weit gehe, ohne etwas vor mir zu befürchten“, sagte nun mit leichten Schmunzeln. Viktoria streckte etwas ihre steifen Glieder. Bei seinem Lächeln konnte sie gar nicht anders als es zu erwidern. „Da bin ich aber froh. Solche Gentleman gibt es nur noch wenige auf der Welt. Aber nach dieser gemeinsamen Übernachtung hast du vor mir auch nichts mehr zu befürchten.“ Doch die gemeinsame 'Nacht' war nun auch vorbei und ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit. Eigentlich wollten sie ja nur zusammen bis zum Park, doch was jetzt? Würde er alleine weiter wollen? Hatte er noch ein neues Ziel oder streifte er wirklich nur durch die Gebiete? Was sollte sie dann machen? Irgendwie hatte sie Angst davor zu fragen. Vielleicht war sie ja nur ein netter Zeitvertreib bis er weiter ziehen konnte. Und was war mit ihr? Es wäre leichter sich wieder von ihm zu trennen, bevor sie sehen müsste wie er auch.... Sie wollte lieber nicht weiter denken. Auch so kamen ihr plötzlich wieder Bilder vom Traum in den Sinn... Aber wenn sie so seine Wunden sah... würde er alleine weit kommen? Aber sie würde ihn vermutlich auch nur aufhalten mit ihrer Wunde. Sie zögerte noch kurz, doch dann sah ihn unsicher an. „Was... was hast du nun eigentlich geplant?“ Ryan zögerte nachdenklich, senkte seinen Blick etwas. „Ich dachte an Wasservorräte auffüllen. Ich weiß nicht wie es mit deinen steht, aber nach dem Regen dürfte doch in irgendeinem Brunnen hier im Park ein wenig Wasser zum Abschöpfen geben oder? Ansonsten…“ Ein knappes Schulterzucken unterbrach seinen Satz, ehe er mit merklich weniger Enthusiasmus weitersprach: „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht… Ich weiß von drei Leuten meiner ehemaligen Einheit nicht ob sie noch leben oder bereits tot sind, weiß aber auch nicht wo ich suchen könnte… Wie sieht es bei dir aus? Eigentlich würde ich auch ungern meine einzige Privatpatientin nach einem Tag Behandlung verlieren. Schlechte Publicity…“ Mit seinen letzten Worten wollte er wieder locker klingen, klang dabei jedoch etwas gestellt und falsch. Das er aber genauso wenig an das Kommende dachte, bemerkte Viktoria auch. Vielleicht hätte sie es besser nicht ansprechen sollen, aber früher oder später würden sie eh an diesen Punkt kommen. „Also mein Wasser ist ebenfalls leer und hier gibt es einige Möglichkeiten“, warf sie ein, ohne sich weiter aufdrängen zu wollen. Das er selbst unsicher klang, war ihr nicht entgangen. „Ich müsste sie auch auffüllen, aber sonstige Pläne hab ich schon lange nicht mehr. Ich pendle nur zwischen den südöstlichen drei Vierteln und versuche keiner Gang in die Arme zu laufen. Heute morgen dachte ich daran mich hier für ein paar Tage zu verkriechen, bis die meisten Vorräte alle sind“, das hörte sich vielleicht etwas langweilig oder eher traurig an, aber bisher kam sie auf diese Art ganz gut durch. „Also...“, sie biss sich auf die Lippe und zögerte selbst noch. Die Zeit mir Ryan war nun wirklich eine der Besten seit langer Zeit gewesen. Aber was wenn es schief ging? Noch einen Verlust würde sie nicht verkraften. Macht es aber ein Unterschied, ob sie sich hier verkroch oder gleich tot umfiel? Lebenswert war es jedenfalls nicht mehr... Viktoria senkte den Blick und schloss die Augen. Sie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, aber... „wenn ich dich nicht aufhalte...“, begann sie leise und zögerlich, „wenn,... wenn es dir nichts ausmacht“, sie atmete tief durch. Ihre kleine Nähe-Phobie würde die nächste Zeit schwer werden lassen, wenn sie mit ging. Was wenn sie ihn irgendwann nervte? Wenn er sie irgendwo zurück ließ? In den hintersten Ecke ihrer Gedanken schwirrte wieder ein Teil des Traums. Die Stimme klang so deutlich, voller Zuversicht, als sie sagte das Vertrauen das Risiko wert war. „Ich würde dich gern begleiten und dir bei der Suche helfen“, flüsterte sie nun verlegen und nervös. Erleichtert stieß er einen Schwall Luft aus, sichtlich fiel ein Teil der Anspannung von ihm ab. Überschwänglich beugte er sich zu Viktoria, hatte die Arme bereits um sie ausgebreitet, ehe er innehielt und mit einem knapp gemurmelten „Entschuldige“ seinen Plan änderte und stattdessen ihre Schulter sanft drückte. Perplex beobachtete sie seine Reaktion, verkrampfte sich schon fast, als er näher kam, war sich dabei nicht ganz sicher was sie tun sollte. Nervös erinnerte sie sich ans Aufwachen, als sie doch seine Nähe im Schlaf genossen hatte, dann aber austickte und er ziemlich überfordert war. Als sie dann 'nur' seine Hand auf ihren Schulter spürte, brachte sie ein kleines Lächeln zustande. „Du mich aufhalten? Was sind das den für Worte aus deinem Mund? Du rennst mir doch weiterhin mit lädiertem Bein noch davon.“ Seine Gesichtszüge entspannten sich, wirkten wieder fröhlicher. „Ich würde mich freuen, Vik… Ich kann mich nicht ausstehen, wenn ich alleine bin, weißt du? Mit dir jedoch…“ Ein weiteres Schulterzucken unterbrachte seinen Satz. „Es ist leichter… Ich glaub wir sind ein recht gutes Team.“ Ryans Freude darüber, dass sie ihn begleiten würde, ließ auch sie erleichtert durchatmen und ihr Herz einen kleinen Hüpfer machen. Sie genoss doch seine Gesellschaft auch irgendwie. Dank ihm fühlte sie sich wieder lebendig. „Vielleicht sind wir das wirklich. Zudem kann ich dich jedenfalls ganz gut leiden und ohne mich kommst du mit den Verletzungen ja eh nicht weit“, sagte sie mit frechen Grinsen. Mit einem zustimmenden Lächeln nickte er ihr zu. „Stimmt wohl, ohne dich käme ich wohl nicht mehr allzu weit und würde wahrscheinlich jetzt noch auf der Straße liegen. Du bist mir in der kurzen Zeit auch ganz schön ans Herz gewachsen. Dein Bein benötigt aber auch weitere Beobachtung, es ist schlimmer geworden oder?“ Das er ihrer Stichelei auch noch zustimmte, hatte sie leicht gewundert und zu hören, dass er sie ebenfalls mochte war ihr doch ein wenig peinlich. Dennoch wurde ihr Lächeln dadurch nur breiter. „Naja,.. ich konnte dich da doch nicht einfach liegen lassen“, murmelte sie. Ihr Blick wanderte zu ihrem verletzen Knie. „Was mein Bein betrifft... es tut noch immer etwas weh, aber... ich weiß nicht. Irgendwie hab ich Angst aufzustehen und es herauszufinden“, sagte sie nun leicht verlegen. Bisher hatte sie es ja erfolgreich vermieden großartig aufzustehen, seit sie sich vor seinem Schlaf zu ihm gesetzt hatte. Die Ruhepause hatte der Verletzung schon gut getan, doch sie wusste nicht recht was passieren würde, wenn sie es wirklich belasten würde. Scharf darauf es auszuprobieren war sie nun auch nicht direkt. „Du nimmst gleich lieber doch etwas von dem Schmerzmittel, wenn du es wegen den Schmerzen nun die ganze Zeit falsch belastest, wird es wahrscheinlich eher schlimmer als besser, ein ziemlicher Teufelskreis.“ „Okay, wie du willst... immerhin hab ich keine Lust mehr an weiteren Schmerzen und Narben“, murmelte sie nur mit bitteren Lächeln. „Ich werde mein bestmögliches tun, um dir weitere Schmerzen und Narben zu ersparen…“, versprach er ihr. Kapitel 8: Narben ----------------- „Und was ist mir dir? Wenn jede Narbe eine Geschichte erzählt, welche Geschichten erzählen deine?“, fragte Viktoria, während sie mit einem Nicken zu seinem Oberkörper deutete. „Natürlich nur wenn ich dir damit nicht zu nahe trete“, ergänzte sie schnell. So wie er von den Narben sprach schien er sie zwar nicht verstecken zu wollen, aber darüber zu reden wäre vielleicht etwas anders. „Fragen ist schließlich erlaubt, es macht mir nichts aus darüber zu sprechen. Willst du es denn wirklich wissen? Eigentlich gibt es auch nur drei Geschichten…“, begann Ryan. Nach seinem Blick war sie sich wirklich nicht mehr so sicher, ob sie es wissen wollte. Dennoch hörte sie interessiert zu. Mit einer knappen Geste hielt der Sanitäter ihr seine Arme hin, an denen unzählige kleine, teils verheilte Schnitte sichtbar waren. „Die sind größtenteils nach dem Virus entstanden, jeder zweite, verzweifelte Irre rennt hier mittlerweile mit solchen Messerchen rum, irgendwelche Küchenmesser lassen sich halt einfach finden. Und selbst mit meiner Ausbildung und Kampferfahrung, auch wenn ich kein Experte bin… Bei Klingen im Nahkampf verlieren immer alle Parteien, schmerzhaft aber seltenst lebensgefährlich.“ Kurz sah sie Ryan auch ein bisschen verlegen an. „Ich bin wohl eine dieser Irren...“, immerhin hatte sie sich die Dolche auch erst nach den Virus erobert und den Umgang selbst und von Xander erlernt. Das seine Arme jedoch ähnlich vernarbt waren wie die ihren, hatte sie schon vorher gewundert. Langsam zog er seine Arme zurück, sah dann gespielt zögernd an sich herunter, als würde ihm die Wahl schwer fallen, ehe er auf seinen Bauch deutete. So wie er an sich runter sah, musste sie doch leicht schmunzeln. „Bevor ich dich langweile hier das kleine Ding, fieeese Schusswunde, Bauchraum, Organe zerfetzt und so weiter.“ Er lachte auf hielt sich dann sofort schmerzerfüllt die Seite. Bei der Ausführung zu seiner Schusswunde sah Viktoria ihn besorgt an. Für den Soldaten schien das alles keine große Sache zu sein, aber für sie klang das schon ziemlich schmerzhaft. „Ah… kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort, nein, keine Schusswunde. Leider nur halb so spektakulär. Ist mir persönlich aber recht wichtig. Als Jugendlicher ist mein Blinddarm geplatzt, Bam, einfach so aus dem nichts heraus.“ Seine Hände flogen wild gestikulierend, imitierte er eine Explosion. „Ich kam recht spät erst in ein Krankenhaus. Lag dort ziemlich lang und bin wohl nur knapp dem Tod von der Schippe gesprungen. Da hab ich mir fest vorgenommen Arzt zu werden, hat dann später aufgrund Geldmangel leider nur zum Sanitäter gereicht…“ Gleichermaßen geschockt war sie von der Beschreibung über seinen Blinddarm, zuckte bei seiner Geste kurz zusammen. Mit so 'alltäglichen' Narben hatte sie zudem auch nicht gerechnet. Heutzutage hatten Kampfnarben einfach eher etwas 'normales' an sich. So ganz wusste sie auch nicht was sie dazu sagen sollte. Außerdem schien er gerade selbst in Gedanken zu schwelgen, daher wartete sie auf die nächste Erklärung. Ryan sah weiter an sich herunter, blieb einige Momente lang regungslos bis auf seine Hand, die Gedankenverloren über seine Narbe am Bauch strich. „Last but not least…“ Er fuhr mit seiner Hand nach oben bis er an der großen klaffenden Narbe an seiner rechten Brust angekommen war, ihr Verlauf war unregelmäßig und ausufernd. Ernsthaft nachdenklich trommelte er mit seinen Fingerspitzen auf der Narbe herum. Sah dann von seinen Fingern abwechselnd zu Viktoria und zurück, haderte scheinbar mit sich selbst. „Für mich sicher auch recht bedeutsam, die Geschichte hier von ist wohl nur etwas… naja, dunkler? Ich habe ein Problem davon zu erzählen, aber ich langweile dich sicher schon. Schlimm wenn der alte Mann einmal von seinen Wehwehchen anfängt, was?“ Ein warmes Lächeln zeigte sich während er seine Augen für einen Moment schloss, nicht ohne seine Hand dabei gedankenverloren auf seiner Narbe zu belassen. „Du langweilst mich sicher nicht“, sagte Viktoria nur schnell. „Ich ... naja... werd‘ dich auch nicht drängen. Aber es ist auch schön was von dir zu erfahren, wo du doch schon ein paar von meinen Macken kennst“, sie senkte etwas den Blick und überlegte was sie noch sagen sollte. „Aber ein paar Narben kann ich dir gut nachfühlen...“, von der am Rücken und am Brustbein würde Vik ebenfalls ungern erzählen, aber zögerlich krempelte sie das Hemd bis zum Ellenbogen an beiden Armen hoch, um ihn ihre Schnittwunden zu präsentieren. Auch rund um ihre Handgelenken waren Narben zu sehen, die von Kabelbindern stammten. Noch so eine Geschichte an die sie ungern dachte. Nun umschloss er mit einem Blick auf ihre Arme eben diese mit seinen Händen. Fuhr mit seinem Daumen beinahe nachdenklich über ihre Narben. „Ich hoffe doch, dass die nicht von deinen eigenen Messern im Kampf stammen“, sagte er leise. Plötzlich spürte sie seine warmen Hände auf ihrer Haut. Daher zuckte sie kurz, als wolle sie die Arme zurück ziehen, ließ es aber über sich ergehen. Nervös sah sie kurz seinen prüfenden Blick, schaute aber dann doch beschämt seinen Daumen zu. Einen kleinen Moment schloss sie sogar die Augen und genoss die sanfte Berührung. „Ein oder zwei schon“, gestand sie ihm verlegen und hielt noch ihren Blick gesenkt. „Ich hatte sowas ja noch nie gemacht...“ versuchte sie sich raus zu reden. Als er dann auch noch ihre Handgelenke näher betrachtete, diese dabei leicht drehte, um die Fesselspuren besser in Augenschein zu nehmen, presste sie ihre Lippen zusammen und wendete ihre Augen ganz ab. Angespannt hoffte sie, dass er sie darauf nicht ansprach. Viki hätte eh nicht gewusst was sie hätte sagen sollen. Dankbar zog sie ihre Arme zurück, als er sie frei ließ. Kurz streichelte sie selbst darüber und krempelte ihre Ärmel wieder runter, um sie zu verstecken. „Mit ein oder zwei Schnitten mit der eigenen Waffe bist du als Anfängerin ja beinahe noch glimpflich davon gekommen, wenn man auch noch bedenkt dass du den Umgang sofort in einer ernsten Gefahrensituation meistern musstest…“, sagte er. „Eine Zeit lang hab ich Freunde für mich Kämpfen lassen. Als wir allerdings weniger wurden, wollte ich ebenfalls lernen wie man kämpft. Zuerst haben wir Nachts etwas geübt und tagsüber so weit es ging versucht Ganggebiete zu meiden. Das war etwas schwierig, da es anfangs ja überall kleine Gruppierungen gab, die versuchten sich zu etablieren, sodass ständig irgendwas los war... Aber kurz darauf war ich allein und ich hab versucht...“ ,weiter kam sie nicht. Ihre Stimme brach beim letzten Teil einfach weg. Sie atmete tief durch, als sie die aufkommenden Tränen versuchte weg zu blinzeln. Nur kurz schloss sie die Augen und presste die Lippen zusammen. Irgendwie gelang es ihr doch die aufkommende Erinnerung zu verdrängen und ihn doch leicht entschuldigend an zulächeln. „Jedenfalls kamen danach die meisten Narben dazu. Meist aus meiner eigenen Dummheit oder Unachtsamkeit. So wie vorhin, als die Treppe unter dir zusammen brach und ich den Typen aus den Augen ließ.“ Solche Momente waren für sie recht typisch. Kleinigkeiten, die bei den falschen Leuten zu bösen Überraschungen werden konnten. Ryan fuhr sich daraufhin mit einer Hand wieder an die Narbe, klopfte mit seinen Knöcheln demonstrativ auf sein Schlüsselbein. Erst dann sah sie zu ihm auf. Ihr lag eine Frage auf der Zunge, aber da begann er schon zu erzählen. „Dann will ich auch nicht so sein, aber ich habe dich gewarnt. Komplett aus Titan, in meinem zweiten Einsatz hat sich ein weiterer Anfänger, McHager, ziemlich unüberlegt im feindlichen Gebiet bewegt und wurde von einem Schützen erwischt. Ich bin hin und fing an die Blutung zu stillen, als ich selbst von einer Kugel umgerissen wurde.“ Er zeigte knapp auf sein Schlüsselbein „Die Kugel pulverisierte mein Schlüsselbein und blieb stecken. McHager und ich blieben fünf Tage lang in Gefangenschaft, sie waren so nett und haben die Kugel aus meiner Schulter geholt… Jedoch verwendeten sie nicht gerade Werkzeug welches man als geeignetes Operationsbesteck bezeichnen würde…“ Mit einem Finger fuhr er die komplette Linie der Narbe entlang. „Deswegen ist es wahrscheinlich nicht die ansehnlichste Narbe geworden. Die Tage in diesem ‚Camp‘ waren eine schlimme Zeit, sie hatten mit recht effektiven Möglichkeiten uns an einer Flucht gehindert und bewiesen sich als äußerst ausdauernd mit Peitschenschlägen…“ Geistesabwesend fuhr er sich mit einer Hand hinter den Rücken, strich über die drei Male, die wohl nie ganz verheilen würde, wie es die anderen zum Glück taten. Schon als er sagte, dass sein Schlüsselbein komplett zerstört wurde sah Viktoria ihn mitleidvoll an, aber als sie dann noch hörte, was in der Gefangenschaft passiert war, schüttelte sie nur leicht geschockt ihren Kopf. Die Erzählung von den Peitschenschlägen gaben ihr dann den Rest. Sie zuckte selbst zusammen und wurde etwas blass, als sie sich es bildlich vorstellte. Sie fühlte den alten Schmerz ihrer Wunde auf den Rücken, die nur durch eine Klinge verursacht wurde, aber eine Zeit lang bei der kleinsten Bewegung wieder aufgebrochen war. Vik fühlte sich mies, überhaupt danach gefragt zu haben, besonders als seine Hand hinter seinen Rücken wanderte. Auch sein Happy End konnte daran nicht viel ändern. „Lange Rede kurzer Sinn, McHager ist nun stolzer Ehemann und Vater… Zu mindestens war er es… Er hat zwei Wochen nachdem wir rauskamen geheiratet und sein Sohn kam ein halbes Jahr später zur Welt.“ Ein Lächeln hatte sich auf seinem Gesicht abgebildet. „Würde ich heute wieder auf diesem Marktplatz stehen? Ich würde genauso Handeln wie damals, auch wenn ich den Verlauf kennen würde.“ „Es... es tut mir leid Ryan. Ich wusste ja nicht...“, fing sie entschuldigend an. Das Bedürfnis ihn irgendwie zu trösten staute sich so stark in ihr auf, selbst wenn das gar nicht nötig schien. Doch sie wusste nichts zu sagen, konnte sich auch nicht rühren. Das einzige was sie gerade tun konnte war ihn mit großen, traurigen Augen anzustarren, auch wenn es die Sache nicht gerade besser machte. Etwas überfordert suchte sie nach Worten, bis sie einfach seufzte und zumindest zögernd seine Hand nahm. „Das war sehr mutig von dir...“, murmelte sie dann leise mit hilflosen Schmunzeln. Irgendwie kam sie sich dabei recht dämlich vor. Ryan sah sie einen langen Moment verwundert und sprachlos an, sah ihr dabei nur fest in die Augen. Er wich plötzlich ihren Augen aus, blickte dann für einen Moment an die Decke. Eine Zeitlang war er wie gelähmt. Hatte sie was falsches gesagt? Das beklemmende Gefühl nahm nur noch mehr zu. Eben schien ihm das ganze kaum etwas ausgemacht zu haben und nun schien er in der Erinnerung fast gefangen zu sein. Für eine kurze Zeit suchte sie mit ihren schuldbewussten, fragenden Augen in den seinen etwas, dass ihr verriet was los war. Ihr schlechtes Gewissen wurde nur noch größer, als er ihren Blick sogar auswich. Ein kleiner Teil von ihr hätte ihn wohl jetzt gerne in den Arm genommen, doch der andere schrie schon allein bei dem Gedanken protestierend auf. Doch dann drückte Ryan bevor er antwortete sanft ihre Hand, schluckte einmal schwer, ehe er seine Worte wiederfand: „Dir muss nichts leidtun, natürlich wusstest du nichts… Das macht solche Geschichten doch so spannend oder? Es war alles andere nur nicht mutig, es war leichtsinnig und dumm von mir gewesen… Eigentlich standen die Chancen nicht schlecht, dass durch mein übereiltes Handeln an dem Tag zwei Menschen statt nur einer gestorben wären.“ Mit einem gezwungenen Lächeln sah er wieder zu seinem Gegenüber. „Und doch hast du ihm das Leben gerettet“, sagte Viki leise. „Das mag ich mir zu mindestens einreden, wahrscheinlich hätte er auch ohne mich überlebt, dennoch würd‘ ich es nicht drauf ankommen lassen und wieder genauso handeln.“ Für sie war sein Handeln noch immer tapfer gewesen. Besonders das er alles so wiederholen würde bewunderte sie. War es für einen Soldaten eigentlich leichter oder schwerer während solcher Katastrophen leben zu müssen? An die miesen Lebensumstände würde er sich sicher eher gewöhnen, aber den Trost zu einer Familie zurückkehren zu können hatte man hier nicht mehr. Was oder eher wen hatte er wohl alles schon verloren? Ob er schon eine Frau und Kind gehabt hatte? Bei dem Gedanken stiegen ihr fast schon wieder Tränen in die Augen. Auch wenn er sie nicht gehabt hätte, so wäre seine Familie sicher ebenfalls tot. Ansonsten würde er nicht mit ihr hier alleine sitzen. „Aber alles ist gut gegangen, wahrscheinlich auch eine meiner Macken, das ich hin und wieder impulsiv reagieren kann“, fügte Ryan noch hinzu. Als er ihre Hand dann abermals drückte fiel zumindest ein Teil der Anspannung ab. Dennoch nahm Vik nun auch die andere Hand hinzu und streichelte leicht über seine, als sie bemerkte, dass er immer noch mit sich rang. Sie zwang sich selbst zu einem aufmunternden Lächeln durch, selbst wenn ihre Augen die Sorge immer noch verrieten. „Immerhin kenne ich nun eine deiner Macken, die du mir jetzt irgendwie doch selbst verraten hast“, sagte Viktoria. Sein Blick fiel nach unten, als er ihre zweite Hand spürte, ehe er wieder aufsah und ein knappes Nicken andeutete. „Keine Angst, es gibt sicher noch einige Macken an mir, die du selbst entdecken kannst“, versicherte Ryan ihr. „Aber nun können wir vielleicht gegenseitig auf die Dummheit des anderen aufpassen. Das kann ja auch nur von Vorteil sein...“, fügte sie noch leicht lächelnd hinzu. „Klar, wir sind jetzt ein Team, wir geben aufeinander Acht, richtig?“, fragte Ryan. „als Team...“, murmelte sie nun noch als Antwort. „Wie bisher auch. Du hättest mich liegen lassen können und du weißt genauso gut wie ich, das der größte Teil der heutigen Gesellschaft genau das getan hätte, um den eigenen Arsch zu retten…“ Sie schüttelte nur kurz den Kopf. „Die Welt braucht jeden hilfsbereiten Menschen den sie kriegen kann. Sie ist schon voll genug von dreckigen Arschlöchern. Und du... du hast schon in so kurzer Zeit viel für mich getan...“, leicht beschämt wendete sie kurz den Blick ab, während sie sprach. Weiterhin hielt sie ihn fest, der Druck ihrer Hand wurde für einen Moment nachdrücklicher. „Du hast schon Recht, es gibt wirklich genug Arschlöcher, aber lob' mich nicht in den Himmel, soviel hab ich für dich auch nicht getan. Ich hab deine Wunde versorgt und das war es. Bisher bist du auch gut ohne mich zurecht gekommen“, hörte sie ihn sagen. Er konnte sagen was er wollte, allein das er hier saß bedeute ihr schon viel. Vielleicht hatte sie genau das einmal gebraucht, jemanden mit dem sie reden konnte, der für sie da war. Wer weiß auf was für Gedanken sie früher oder später gekommen wäre, wenn sie noch weitere Wochen oder Monate sinnlos und allein herum irrte. Das alles hätte sie ihm zu gern gesagt, aber das konnte sie nicht. Sie hoffte das sie es ein anderes Mal über die Lippen brachte. „Aber anscheinend hast du doch was richtig gemacht, wenn du heute noch hier stehst, wie gesagt wir werden schon aufeinander aufpassen…“, wiederholte er zuversichtlich. Ihr Blick fiel wieder auf Ryans warme Hand, die sie noch immer festhielt und streichelte. Einen Moment genoss sie die Nähe und verfluchte sich innerlich selbst, das sie nicht zu mehr im Stande war. So kam es ihr mittlerweile vor als würde sie sich eher an ihm und den Augenblick festhalten, als hätte sie Angst, dass sie noch einen Menschen verlieren würde, wenn sie los lies. Dann spürte Viktoria plötzlich seine warme Hand auf der Schulter, die sie beruhigend zu streicheln begann. Viki zuckte schon nicht mehr zusammen, atmete aber kurz etwas flacher und drückte seine andere Hand wieder fester, während sie stur den Blick gesenkt hielt. Das Streicheln verpasst ihr eine Gänsehaut und weckte Ängste, die sie so tief in sich vergraben hatte... Natürlich wusste sie, dass Ryan es nur gut meinte, aber es dauerte einen Augenblick bis sie sich dran gewöhnte und es schließlich etwas genießen konnte. Erst dann konnte sie etwas erwidern: „Ich hab es nur nicht verdient hier zu sein.“ Warum war sie die einzige von ihren Bekannten, Freunden und Familie, die noch übrig war? Sie war nicht besser als alle anderen auch. Im Gegenteil, andere hätten diese Chance mehr verdient. Sie presste kurz die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf um die Gedanken los zu werden. Entschuldigend sah sie Ryan wieder an. „Tut mir leid. Ich heul‘ schon wieder nur ‘rum. Das ist alles so ungewohnt. Ich hoffe du kannst das noch eine Weile ertragen. Dafür werd‘ ich dir gerne mit meinen Klingen zur Seite stehen...“, versprach sie mit einem kleinen Lächeln. „Sag das bloß nicht! Du hast es genau so sehr verdient hier zu sein wie jeder andere auch, ebenso wie diejenigen die das Glück nicht hatten… wenn du etwas anderes behauptest, wirst du ihnen nicht gerecht“, brach es sofort hart aus ihm heraus. Mit der Reaktion zu ihren unbedachten Satz hätte sie nie gerechnet. Viktoria blickte unverzüglich wieder zu ihm auf. Ryan sah schockiert aus und als er sie mit den harschen Worten ansprach zuckte sie erschrocken zusammen. Selbst ihre Hände zog sie ruckartig zurück und ließ seine allein. Gleichzeitig spürte sie wieder stärker seine andere Hand schwer auf ihrer Schulter ruhen. Gerade noch war es für sie ein Trost, nun aber schien sie Vik festzuhalten und nieder zudrücken. Daraufhin begannen ihre Hände nun leicht zu zittern, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. Verwirrt von der neuen Situation versuchte sie den Inhalt der Worte zu erfassen. Ihr von Tränen verschwommener Blick war dabei in seinen Augen gefangen. Ihre Gedanken waren plötzlich bei all den Toten, bei ihrer Familie, ihren Freunden, bei Leon. All ihre Leichen tauchten vor ihr auf, sie spürte wieder das warme Blut an ihren Fingern und der erste Wassertropfen kullerte über ihre Wange. Vik deutete ein Kopf schütteln an, während sie ihn noch immer anstarrte. Sie hatten gekämpft, für sie gekämpft und sie selbst konnte nicht mal auf sie sich aufpassen. Früher oder später würde sie hier sterben, da war sie sich selbst so sicher. Ryan war der nächste, der wegen ihr sterben würde! Schon deswegen trafen sie seine Worte direkt ins Herz. „Ich bin es nicht wert. Ich bin die vielen Toten doch nicht wert. Jeder um mich herum stirbt...“, flüsterte sie ihrerseits leicht geschockt. Seine Hand ließ von ihrer Schulter ab, fixierte mit geübtem sanftem Griff an ihr Kinn und Unterkiefer ihren Kopf, das er sich nicht wieder senken konnte, ehe er in einer Geste ihre Stirn mit einem kurzen Kuss bedachte. „Dir ist bestimmt gar nicht bewusst wie sehr du es verdient hast…“ Er entließ ihr Gesicht aus seinem Griff, ehe er sie besonnen anlächelte. „In dieser Zeit hast du allen Grund dazu hin und wieder Trübsal zu blasen, ich stärk‘ dir schon den Rücken und es freut mich das ich auf deine Messer zählen kann.“ In Sekundenbruchteilen erstarb das Lächeln auf seinem Gesicht. Nicht was er sagte, sondern besonders wie er es mit drohenden Unterton gesagt hatte, hatte sie vor Angst erstarren lassen. Sie hatte sich gerade durchgerungen den Blick abzuwenden, als sie seine Hand am Kinn spürte. So sanft es auch war, es schien ihr jegliche Luft zum Atmen zu rauben, als sich die Furcht wieder in ihr ausbreitete. Furcht davor, das der Griff fester, schmerzender wurde, wenn sie sich wehrte. Das Mädchen kniff die Augen zu, wobei sich weitere Tränen aus den Augenwinkeln stahlen. Plötzlich spürte sie den Kuss, tröstend und beklemmend zu gleich. Ein zitterndes Keuchen entfuhr ihr. „Bitte nicht... bitte...“, hauchte sie, während sie schlimmeres von ihm befürchtete und schlug die Augen wieder auf. Ryan saß noch immer vor ihr. Ryan und niemand anders - er würde ihr nichts tun. Er würde ihr doch bestimmt nichts tun... Und doch erzitterte ihr Körper erneut, auch nachdem er sie los ließ und sie anlächelte. Viki schlug die Hände beschämt vor ihr Gesicht während sie sich leicht zusammen kauerte. Ihr Atem ging wieder stoßweise, während sie weinte und alles um sich herum ausblendete. Die Angst war so greifbar, alles schien wieder hoch zu kommen. Alles was sie so fest in sich verschlossen hatte. Sie konnte fast fühlen wie die grobe Hände sich um ihre Arme und Hals legten und sie sich vor Schmerz krümmte, hören wie der Stoff zerriss, der ihren Körper zuvor bedeckte. „Lasst mich los... bitte... bitte.. fasst mich nicht an“, wimmerte sie. In Sekundenbruchteilen erstarb das Lächeln auf Ryans Gesicht, was hatte er sich nur dabei Gedacht? Er wusste doch so wenig über seine Partnerin. Die aufgekommenen Gedanken an seinen Bruder waren wie weggeblasen, an den Viktorias Worte ihn erinnert hatten. „Viktoria, es tut mir Leid… Ich wollte dir nicht…“ Betroffen sah er zu wie sie sich klein machte, auf Entfernung ging. Oh Gott und die Tränen… Was hatte er nur angerichtet? Welche Erinnerung losgetreten? Es schmerzte ihn sie so leidend zu sehen. „Es ist doch nicht deine Schuld… der Virus… die Welt...“ Abgehakt probierte er sich zu erklären, fand keine Worte die zu Viktoria durchzudringen schienen. Das Leid, was nun wie ein Wasserfall aus Viktoria herauszuquellen schien, nahm ihn sichtlich mit. Er verfluchte sich in Gedanken für seine unüberlegten Worte. Seine Hände waren ausgestreckt, hingen in der Luft zwischen ihnen, wollten ihr Trost spenden, sie beruhigen, doch bei ihrer Reaktion haderte Ryan. Viktoria schien gerade so unendlich weit für ihn zu sein, unerreichbar auf irgendeiner einer Insel ihrer emotionalen Welt... „Bitte Vik… sieh mich an! Ich bin es, Ryan… Tu mir das nicht an… Ich werde dir nicht wehtun…“ Ratlos sah er auf Viktoria herab, sie schien gar nicht mehr hier bei ihm im hier und jetzt zu sein. Ihm selbst war bei so viel Schmerz, den Viktoria grade empfand, selbst beinahe zum Heulen zumute, doch was würde es bringen? Wieder diese Hilflosigkeit, er war es nicht gewohnt so sehr in der Schwebe zustehen, hatte normalerweise selbst in einer akuten Notsituation schnell einen Notfallplan zu Recht gelegt, ob gut oder schlecht sei dahingestellt, aber er hatte immerhin eine ungefähre Vorstellung im Kopf. Hier war es anders… Ryan wusste weder ein noch aus, was konnte er nur tun um es ihr leichter zu machen? Ohne ihr noch mehr Leiden zuzufügen? Jede Reaktion die ihm in den Sinn kam konnte gut alles noch viel schlimmer machen. Ryan fühlte sich beinahe so als hätte er sie durch diese kleine Geste des Kusses vergewaltigt, doch wer weiß schon welche Erfahrungen sie vielleicht wirklich schon gemacht hatte? Die Fesselmale an ihren Handgelenken? Doch mit solchen Spekulationen konnte er sich gerade nicht konzentrieren, wie ein riesiger Alarm war sein ganzes Denken gerade nur von dieser zusammengekauerten Gestalt erfüllt, die vor ihm saß. Ihre Hände fuhren ihr durch die Haare, krallten sich dort fest, während sie ihren Körper leicht vor und zurück wippte. Mehr Tränen brachen aus ihr heraus, als hin und wieder stark zusammen zuckte. „Hört auf... bitte... nein.... ich will das nicht. … bitte... fast mich nicht an... nehmt euch alles aber lasst mich...“, flehte sie weiterhin. Sie rang nach Luft, ihre Hände glitten wieder zu ihrem Hemd, ihre Finger vergruben sich im blauen Stoff, hielten die Knopfleiste über der Brust umklammert. Der Angstschweiß stand ihr auf der Stirn, noch immer zitterte sie erbärmlich. „Nein... hört auf.. bitte.. last mich gehen.... nein... ich kann nicht... ich will nicht...“, flehte sie. Wieder zuckte sie zusammen, biss sich auf die Lippe, bis diese leicht zu bluten begann. Er schob sich etwas näher zu ihr, neben sie. Ihm zerbrach beinahe das Herz Viktoria so zu sehen, er konnte sie einfach nicht in dieser Vision der Vergangenheit oder wo sie auch immer gerade steckte alleine lassen, auch wenn es wahrscheinlich eine schlechte Idee war. Sie sollte wenigstens spüren, dass sie es nicht alleine durchstehen musste… Das jemand da war falls sie ihn brauchte. Auch wenn sie beinahe drum flehte nicht angefasst zu werden, legte Ryan ihr seinen Arm um die Schulter, ohne Nachdruck zwar, aber dennoch sie der Nähe aussetzend. „Ich bin es nur Vik, ich kann dir doch nichts zuleide tun, bitte verzeih mir. Ich wollte dir keine Schuldgefühle machen, schlag ruhig zu, wenn ich deine Grenze überstrapaziere, aber bitte nicht so, beruhige dich wieder.“ Sorgenvoll sah er sie von der Seite mit hochgezogenen Brauen an. Diese Tränen zerrissen ihn förmlich, er wünschte sich beinahe schon, dass sie ihn wutentbrannt anschrie, von sich weg stieß irgendetwas… Alles erschien Ryan im Moment besser als dieser Schmerz und diese Tränen… Ryans Arm schien es einen Moment schlimmer zu machen. Sie schrie und wimmerte kurz vor Schmerz. Noch immer weinte sie bitterlich. Dennoch konnte sie sich nicht beruhigen. Weitere Tropfen suchten sich ihren Weg aus den Augenwinkeln, während sie noch zitterte. Ihr Atem war noch immer hastig. Erst nach einer Weile drehte sie zögerlich leicht den Kopf und sah Ryan wieder an. Plötzlich flüchtete Viktoria sich in seine Arme. Sie schmiegte sie an ihn, legte ihren Kopf an seine Brust, während ihre Hände aber noch immer krampfhaft das Hemd festhielten. Wieder weinte sie ohne Hemmungen und ließ all die Gefühle raus, die sich angestaut hatten. Einen Sekundenbruchteil war er zu überrascht von Viktorias Reaktion um überhaupt zu reagieren zu können. Das hatte er beinahe am wenigsten erwartet. „Vik…“, fing er an murmelnd zu sprechen, ehe er abbrach und umschloss sie stattdessen ebenfalls mit seinem zweiten Arm, fuhr dabei mit einer Hand ihren Nacken hoch und strich durch ihr Haar. Nun wo sie nicht mehr ganz katatonisch vor und zurück wippte, fing Ryan an langsam wieder die logischen Verknüpfungen zu sehen, reimte sich seinen Teil zusammen. Das Leiden was von Viktoria ausging zerbrach ihm immer noch beinahe das Herz, dennoch hatte er immerhin einen Zugang gefunden, konnte ihr vielleicht sogar etwas von diesem tiefen Schmerz nehmen oder zu mindestens lindern, einen Schmerz wo sein Erste Hilfe Päckchen keine Linderung schaffen konnte… Nun konnte er selbst ein feuchtes glänzen in seinen Augen nicht mehr verbergen. Er senkte seinen eigenen Kopf etwas, knapp über Viktorias eigenen Kopf, hüllte sie somit komplett ein. „Oh Gott Viki, es tut mir so unendlich Leid, ich wollte dich damit nicht konfrontieren. Verzeih mir…“ Seine Arme umschlangen sie nun in einer beschützerischen Geste noch enger. Ihr Duft stieg ihm in die Nase. Seine Augen schloss er, versteckte so seine eigene Reaktion vor der Außenwelt. Was hatte sie nur alles durchmachen müssen? Sie schien ihm bei diesem Gedanken viel stärker als sie es wahrscheinlich selber von sich glaubte. Er schluckte schwer an einen Kloß der sich in seinem Hals zu bilden schien. Ryan ließ sie weinen, wer weiß wie lange sie diese Tränen bereits zurückhielt? Kein lockerer Spruch lag auf seinen Lippen, kein Wort kam ihm in den Sinn, welches das Leid was er losgetreten hatte, hätte dämpfen könnte. Zart strich er mit seiner zweiten Hand über ihren Rücken während er ihr schweigend Nähe spendete, hielt sie einfach für die nächsten Momente fest. „Ich bin da, du bist hier in Sicherheit, ich werde dir kein Leid zufügen...niemals.“ Er spürte ihre unregelmäßige Atmung an seiner Brust, konnte ihre Tränen beinahe schwer fallen hören. Aber immerhin war sie aus diesem für ihn unbekannten Alptraum ausgebrochen, in dem sie gefangen schien, immerhin hatte er einen Zugriff zu ihr. Es rührte ihn noch immer stark, nahm ihn intensiv mit. Aber so war es erträglicher, die absolute Verzweiflung schien ein wenig ferner. Sein Kinn sank nun mit geschlossenen Augen komplett auf ihr Haupt herab, durch das immer noch seine Finger glitten. Wie konnte er so blind gewesen sein? Sie erneut solch eine Vergangenheit durchleben zu lassen? Allzu fern lag die Annahme ihrer grauenvollen Geschichte in der heutigen Zeit nicht einmal, und doch hatte er bis vor kurzem keinen einzigen Gedanken daran verschwendet. Er kam sich so unheimlich dumm vor, sie dem Schrecken so unbedacht ausgesetzt zu haben. Das Zittern ließ mit der Zeit nach. Nach und nach passte sich ihre Atmung seiner an. Viki wurde ruhiger und entspannte sich zusehends. Ihre Finger ließen endlich das Hemd los. Mit einer Hand wischte sie sich die Tränen aus den Augen, die nur noch vereinzelt nach kamen. Danach wanderte ihre Hand an seine Seite, wo sie vorsichtig begann das Streicheln zu erwidern, natürlich darauf bedacht ihm nicht auch noch weh zu tun. Es beruhigte ihn augenblicklich, als er ihre Hand an seiner Seite spürte, lies ihn einen kleinen Teil seiner Schuldgefühle vergessen. Unentwegt fuhren seine Hände über ihren Rücken, hielten sie fest umschlungen. Durchgehend murmelte Ryan leise Phrasen, die sich in seinen Ohren unheimlich hilflos und nichtssagend anhörten. „Ich lass nicht zu, dass dir hier etwas passiert. Ich bleib bei dir. Du bist hier in Sicherheit…“ Worte die in seinen Augen nicht Mal annähernd das ausdrückten, was Ryan seiner Gefährtin zusichern wollte. Schutz, Geborgenheit, sie sollte solch ein Leid nicht mehr durchleben müssen. Zusehends beruhigte sich Viktoria langsam in seinen Armen. Es dauerte noch ein wenig, aber bald hatte sie sich wieder gefangen. Beschämt drehte sie den Kopf, legte die Stirn an seine Brust, um ihn nicht ansehen zu müssen. Sie drückte ihn etwas an sich und hob dann vorsichtig den Blick. Kurz sah sie in seine Augen, konnte den Blick aber nicht standhalten und schloss sie stattdessen kurz wieder, und lehnte sich etwas an. Dennoch wisperte sie: „Ryan,... Es tut mir leid... ich...“, hauchte sie merklich nervös. „Du hast nicht... du brauchst nicht...“, das Atmen fiel ihr wieder etwas schwerer, „ich wollte dir das nicht antun... Es... es war nur so das... ich wurde... die drei haben...“, mit einen Keuchen brach sie den Erklärungsversuch ab. Dafür kuschelte sie sich wieder an ihn und wischte sich die aufkommende Tränen weg. Als er endlich wieder ihre Stimme an sich gerichtet hörte schnürten ihre Worte beinahe augenblicklich erneut seine Kehle zu. Der Soldat presste die kleine Frau daraufhin förmlich an sich, sie sicher an seiner Brust zu wissen beruhigte ihn selbst, ebenso wie es ihr Trost zu spenden schien. „Ich weiß, Viki, du musst nichts erklären… Aber entschuldige dich nicht… dich trifft doch absolut keine Schuld.“ Nur ein kleines Nicken kam als Antwort. Entzwei gerissen entschied sich Ryan dazu sie einfach weiter fest zu halten, wollte sie am liebsten nie mehr los lassen. Einerseits beruhigte es ihn, dass sie wenigstens wieder im hier und jetzt zu sein schien, für ihn erreichbar. Den Eindruck hatte er am Anfang ihrer Panikattacke nicht gehabt. Dennoch sah er all den Horror, den sie ihm gegenüber gerade gezeigt hatte, noch allzu präsent, sie hatte unvorstellbares durchstehen müssen… Diese besondere, starke, Frau die er Nichtmal seit einem Tag nun kannte. Sie schien ihm nun so unheimlich vertraut. Ihr Leid schien bereits sein Leid zu sein. Mit traurigen Augen sah er auf Vik herunter, deren Kopf noch immer an seiner Brust vergraben zu sein schien. Seine Hand fuhr weiterhin zärtlich über ihr Haupt. Ein tiefes Seufzen entfuhr ihm. Sie hatte ihm gesagt, sie hatte nach einem Wohnsitz zum Studieren gesucht. Normalerweise müsste sie auf irgendeinem Unigelände sein, unter einem Baum mit Freunden lernen, auf irgendeiner Studentenparty feiernd und das Leben genießend. Stattdessen war ein ehemaliger Soldat ihre Gesellschaft und sie war gezwungen einen wahren Alptraum durchzustehen… Das war derzeit anscheinend der Preis wenn man Überlebte… Die Tränen versiegten anscheinend allmählich, wurden nach und nach weniger. Last und die Sorge nahmen nach und nach ebenso ab je mehr sich Viktoria beruhigte. Die unsichtbare Schnur die ihm den Atem beinahe geraubt hatte, konnte er bereits kurz danach nicht mehr spüren. Seine Vorwürfe sich selbst gegenüber rückten merklich in den Hintergrund, was bezweckte es auch? Er hatte diese Panikattacke ausgelöst, die Zeit zurückdrehen, um den Fehler zu verhindern lag nun mal nicht in seiner Macht. Ein kleiner, egoistischer Teil genoss einfach nur ebenfalls die Nähe, die dadurch für den Moment ermöglicht wurde, genoss ihre warme Hand die über seine bloße, lädierte Seite strich, sanft und bedacht darauf die empfindliche Stelle nicht mehr zu belasten. Etwas schämte er sich für diese schwache Seite in ihm, die beinahe leise nach mehr rief. Auch seine Gedanken drifteten für einen Augenblick etwas ab. Hinter geschlossenen Lidern rief er sich für einen Sekundenbruchteil Verflossene in Erinnerung. Er stellte sich vor seinem inneren Auge die Gesichter von Samantha und Kirby vor. Die eine tot die andere wahrscheinlich ebenfalls… Augenblicklich öffnete er seine Augen und die Gedanken rissen ab, als er Viktorias Stimme vernahm. Hier war nun sein Platz… „Du schuldest mir eine Dose Pfirsiche...“, murmelte sie und fügte zögerlich hinzu: „Bei unserer ersten Begegnung konnte ich sie nicht aufessen...“ Sein Blick war immer noch eine Mischung aus Trauer und Besorgnis über die Entdeckung, die ihm Viktoria offenbart hatte. Dennoch als er ihren Satz vernahm, stahl sich wieder ein zögerliches Lächeln auf sein Gesicht. Hatte sie den Sturm des Horrors allmählich überwunden? Erleichtert drückte er sie erneut an sich, versenkte sein Gesicht daraufhin neben ihrem eigenen Haupt. „Oh Gott, Viki, du sollst jede Pfirsichdose bekommen die wir ab nun finden, okay? Vielleicht finden wir ja sogar einen Pfirsichbaum irgendwo, dann kriegst du auch die frischen.“ Erleichterung fiel von ihm ab, als er nach solchen Schreckensmoment wieder einen, vielleicht etwas fehl platzierten, aber immerhin ungezwungenen Satz von ihr vernahm. „Ich werde ab jetzt für dich auf absolute Pfirsichdiät gehen. Nur schick mich nicht zurück in dieses Haus, um deine angebrochene Dose zu holen.“ Weiterhin streichelte seine Hand über ihren Rücken während er sprach, machte keine Anstalten sie je wieder los zu lassen. „Zum Teufel, Ich würde sie sogar für dich holen…“ Seine Stimme war selbst kaum mehr als ein Flüstern, war mehr auch nicht nötig bei ihrer Nähe. Dennoch hörte man deutlich die Erleichterung aus seinen Worten. „Ein paar darfst du dennoch ab haben...“, sagte sie mit leiser Stimme. Sie drehte sich etwas in einen Arm, sodass sie ihn nun auch mit beiden Händen umfassen konnte. Eine legte sich nun in seinen tiefen Rücken, fing an ihn leicht zu kraulen. „Großzügig von dir…“, erwiderte er. Wohlig schloss er erneut die Augen als er ihre Hände an seinem Körper spürte, atmete ruhig und gleichmäßig während ihre zweite Hand seinen Oberkörper erforschte. Ihre Hand wanderte hinauf, über seine Brust und Hals bis zu seiner Wange. „Ryan, sieh mich an“, verlangte sie mit einen gerade noch hörbaren Wispern. Auch sieh sah ihm nun mit verlegenen Lächeln in sein braunen Augen. „Ich werd‘ dich nirgends hinschicken“ , versprach sie. „Aber die nächste Dose gehört definitiv mir“, meinte sie dann mit einem kleinen, aufgesetzten, frecheren Grinsen. Sobald ihre Stimme wieder ertönte, folgte er ihrem Wunsch ohne zu zögern, hob seinen Kopf erneut etwas, ohne den Kontakt zu ihrer Hand zu verlieren, die mittlerweile an seinem Bart angekommen war. Seine Augen zeugten von blanker Erleichterung als er in ihre klaren Augen blickte. Hörte ihren Worten zu während er ihre zarte Hand, die ihre Runden an seinem Rücken fuhr, genoss. „Die Dose sollst du ruhig haben und meinetwegen noch alles andere was ich dir ermöglichen kann.“ Seine Hand die auf ihrem Kopf ruhte glitt nun in die entgegengesetzte Richtung als die Hand Viktorias, bis sie langsam auf ihrer Wange zur Ruhe kam, seine Augen waren unverwandt in die ihren gerichtet, verloren sich in diesen kleinen Kugeln. Keinen ganzen Tag kannte er sie und dennoch kam sie ihm bereits so vertraut vor, obwohl sie gleichzeitig wie ein tiefer See für ihn wirkte, auf dessen Grund man nicht mal im Ansatz gucken konnte. War es verrückt? Vermutlich. Dennoch war Viktoria seine erste Bekanntschaft seit dem Ausbruch, die er nicht bereits vor dem Virus kannte, von daher konnte er es nicht allzu genau beurteilen. Es kam ihm vor als würde er in diesen Augen versinken können. Welche Ungeheuer wohl noch in diesen dunklen Tiefen versteckt lagen? Ryan konnte es noch nicht sagen, fühlte sich aber gewappnet dafür mit der Zeit hinab zu tauchen und die Erfahrungen zu machen… Seine Gedanken brachen ab, gaben für einen Moment Ruhe als er dem Impuls einfach nachgeben musste. Langsam senkte er seinen Kopf hinab, ohne den Blickkontakt zu verlieren, hielt sich selbst kurz vor Viktorias Kopf zurück. Was machte er da nun schon wieder? Reichte es ihm den nicht, sie einmal diesem Wahnsinn ausgesetzt zu haben? Er kniff kurz seine Augen zusammen, suchte einen klaren Kopf, ehe er wieder unverwandt in ihre Augen sah. Sein Daumen der auf ihrem Gesicht lag koste kurz ihre Wange. „Entschuldige… Ein alter Hund lernt wohl wirklich nicht mehr aus seinen Fehlern“, murmelte er leise, nur einen Hauch von ihrem Gesicht entfernt, schenkte ihr aber dennoch ein warmes Lächeln. Ihre Hand wanderte in seinen Nacken, während sie sich sehnsüchtig ihm entgegen bewegte. Aber auch sie stoppte mit einen Keuchen kurz vor ihm, erzitterte kurz am ganzen Körper und schloss die Augen. Sie öffnete die Augen kurz darauf wieder und sah ihn mit einer Mischung aus Scham und Enttäuschung an. Mit einem kurzen Bedauern sah er ihre Reaktion, schien sie verständlicher Weise immer noch bei seinem Voranschreiten zu hadern. So knapp vor ihrem Gesicht kam es ihm vor als könnte er jeden ihrer Gesichtsmuskeln zucken sehen. Sie schien in einem Zwiespalt zu stecken, schien mehr zu wollen aber nicht zu können. Sein Verlangen nach diesen Lippen wuchs, doch hielt er sich zurück, immerhin konnte er sie mittlerweile in den Armen halten, er würde sich gedulden… Dann legte sich doch ein kleines freches Schmunzeln auf ihre Lippen. Sie richtete sich etwas mehr auf, ließ dabei offensichtlich nicht ganz unabsichtlich ihren Körper an ihm reiben, und näherte sich mit ihren Mund seinem Ohr. Verwunderung machte sich breit als er einen Wandel in ihrer Mimik feststellte, er lockerte seinen Griff etwas als sie sich aufrichtete, fuhr mit seiner Handfläche die auf ihrer Wange ruhte langsam ihren schlanken Hals entlang, ihrer Bewegung folgend. Ihr Körper, der sich an seinen geschmiegt bewegte, ließ sein Verlangen aufs Neue auflodern. „Beweg‘ dich nicht“, bat sie ihn mit leisen Flüstern. Ein verwunderter Ausdruck legte sich auf sein Gesicht bei ihrer Forderung, die so nah an seinem Ohr gehaucht ihren warmen Atem hinterließ. Was hatte sie nur vor? Er war bereit ihrer Forderung blind nachzugeben und abzuwarten welche Pläne sie hatte, als er auch schon ihre Lippen neben seinem Ohr spürte, das gerade noch von ihren flüsternden Worten widerhallte. Ein kehliger Laut der Wonne entrann ihm bei ihrer Liebkosung. Ehe er hätte reagieren können schickte auch schon ein zweiter Kuss auf seiner Wange wohlige beruhigende Wellen aus, welche seine Haut kribbeln ließ. Ein zuversichtliches Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, welches einen sanften Rotton bekam. Noch ehe er seinen Kopf dem dritten Kuss neben seinen Mundwinkel zuwenden konnte, um ihn zu erwidern, war sie ihm bereits wieder entschwunden. Anscheinend war sie mit ihrem Plan noch nicht durch, fiel es ihm nun aber ersichtlich schwerer sich an ihren Wunsch sich nicht zu bewegen zu halten. Er hielt ihrem durchdringenden Blick stand, sah ihre leichte, erneute Röte im Gesicht, dessen sie sich diesmal jedoch nicht zu schämen schien, ehe seine Augen die weichen Lippen fixierte nach dessen Berührung seine Haut nun schon wieder zu schreien schien. Selbst seine Hand auf ihrem Rücken begnügte sich derzeit damit auf eben diesem zu ruhen, mit den Fingern, die Stelle unter seine Hand leicht kribbelnd. Ein Funkenflug von Emotionen schien in ihm zu explodieren, als ihre zarten Lippen endlich die seinen trafen als sie sich schon wieder von ihm entfernen wollte… Sein Kopf folgte ihrem einige Zentimeter um den Kuss für Augenblicke zu verlängern, innehaltend als ihr Blick ihm zum weiteren Stillhalten ermahnte, ehe ihre Finger an seinen Hinterkopf wanderten und ihn sanft fixierten. Was hatte sie nur vor? Dachte er beinahe entsetzt, sich aber dennoch vollkommen ihr hingebend. Wieder bewegten sich ihre Lippen auf die seinen zu, versiegelten seinen Atem in einem weiteren Kuss. Überrascht, aber nicht abgeneigt, ließ er Viktorias Zunge auf ihrer Erkundungstour passieren, hieß sie bereitwillig mit seiner Zunge in seinem Mund willkommen. Sie keuchte begierig in den Kuss und ließ ihn nochmals leidenschaftlicher werden. Ihre andere Hand zog sich vom Rücken zurück, streichelte hauchzart seine Brust wieder hinauf und legte sich auf seine Schulter. Vorsichtig und langsam kroch sie Stück für Stück auf seinen Schoß, trennte dabei den Kuss nicht. Ryans Hände verließen ihren Hals und Rücken, glitten langsam nach unten, strichen zärtlich über ihre Taille, ehe er sie auf ihrer Hüfte ruhen ließ. Er unterstützte sie dort etwas, um sie näher zu sich zu heben und an sich heran zu ziehen, ehe er wieder ihre Taille entlang strich, diesmal jedoch auf ihrer nackten Haut, als seine Hände unter ihrem Hemd verschwanden. Seine Nervenenden schienen alle wie geschärft, empfand jede Kontur ihres Körpers an der er entlang fuhr, den Temperaturunterschied zwischen den beiden, schien jedes elektrisierende aufgerichtete Haar zu spüren. Seine Zunge ging einen sanften Tanz mit der ihrigen ein, hielt ihn ihr Griff in seinen Haaren noch weitläufig zurück. Sie schmiegte sich mit ganzen Körper an, keuchte ein weiteres mal. Ihre Finger erforschten Hals, Schulter, Arm und Brust. Streichelten dabei vorsichtig über seine Muskeln, begrüßten jeden Zentimeter neu. Längst war sie über alle Zweifel hinweg, presste ihre Hüfte wieder an ihn, wobei wieder ein leises Stöhnen ihrer Kehle entwich. Ihr scheinbarer nun losgelöster endloser Hunger schwabte über ihn herüber, während er mit seiner linken Hand weiter die ihm unbekannten Konturen unter ihrem Hemd erforschte, kurz hielt er inne als sie hadernd ihre Hände für einen Moment in seinen Haaren vergrub, wanderte weiter als er ihre Leidenschaft erneut aufflammen spürte, von der Taille über ihren definierten Bauch. Seine rechte Hand griff stattdessen hinter ihrem Rücken hoch zu ihrem Schulterblatt, sie somit komplett umhüllend. Und doch zog sie leicht verzweifelt die Augenbrauen zusammen, als er zum Bauch und Schulterblatt kam. Die Narben die sie dort bisher so gut versteckt hatte wurden zwangsläufig von ihm entdeckt. Die eine, die quer über den Rücken verlief, wurde nicht ganz von den Verbänden verborgen, die andere am Bauch von einem kleineren Streifschuss, welche ebenfalls zu offensichtlich war. Ihre Scham für diese Entstellung trug sie mit einem Zögern in den sonst doch hemmungslos wirkenden Kuss hinein. Ihr Zögern und der zweifelnde Gesichtsausdruck entgingen Ryan nicht, der jede Regung von ihr so knapp er vor ihrem Gesicht gebeugt war, in sich aufnahm. Verschob eine Reaktion darauf jedoch auf einen späteren Zeitpunkt. Seine Augen fixierten ihr Gesicht, beobachten all ihre noch so kleinen Gesichtszüge und die leichte Röte auf ihren Wangen. Sah so die wahre Viktoria hinter ihren bisher scheinbar unüberwindbaren Mauern, erstellt zum Selbstschutz, aus? Er hatte das Gefühl sie vorher nie so klar gesehen zu haben. Den Gedanken an die Dauer ihrer Bekanntschaft wischte er beiseite, war sich seiner Sache im Augenblick zu sicher, selbst nach nur einem Tag. Ihr intensiver Herzschlag pochte stark an seiner Brust, er starrte wieder verloren in ihre Augen, in diese tiefen Fenster und während ihre Münder das feuchtfröhliche Spiel weiter betrieben, war Ryan überzeugt davon, das er jede noch so kleine Ecke erkunden wollte, wenn es in seiner Macht lag auch wieder ein wenig Licht in die Tiefen zu tragen… Seine linke Hand fuhr nach oben, kam bald an der Grenze des alten Verbandes an, respektierte diese Grenze und wechselte wieder an ihre schlanke Seite, Liebkoste dort ihre zarte Haut. Nun lockerte sie auch den Griff an seinem Hinterkopf und führte ihre Hand zu der anderen in seinen Nacken. Sie gab ihn damit frei. Als sie ihre Hand von seinem Hinterkopf löste, löste er selbst den innigen Kuss zögerlich, hauchte noch ein kurzes Echo des Kusses auf ihre Lippen nach dem sie noch gierte, ehe er durch die Ekstase der Luft beraubt, tief einatmete, sog dabei ihren Geruch nur allzu gerne in sich auf. Ohne ein Wort zu sprechen nutzte er seinen Arm hinter ihrem Rücken um sie ein Stück hochzuheben und sanft von seinem Schoß auf den Teppich zu legen. Den Schmerz der ihn dabei durchschoss nur allzu gerne dafür ertragend. Nun stützte er sich auf seinem linken Arm, hielt sich knapp über ihr in der Schwebe. Sie hielt sich mit den rechten Arm, welcher noch um seinen Nacken lag, an ihm fest, versuchte ihn aber ansonsten so gut es ging zu entlasten, als er sie auf den Teppich legte. Sofort suchte ihre linke Hand wieder seinen blanken Rücken auf, verwöhnten ihn wieder mit sanften Druck. Doch auch ihre Augen suchten direkt seine Verletzung. Ihre rechte Hand verließ seinen Nacken, strich zärtlich mit dem Handrücken über seine Brust und legte sich vorsichtig auf seine bunte Haut. Ihre Fingerkuppen berührten ihn kaum, als sie mit bedacht darüber strich und danach seine Seite und Bauch auf der gleichen Art erforschten. Noch immer war ihr Blick auf seinen Körper gerichtet. Mit einem Beben welches durch seinen Körper zu wandern schien ließ er sich nach und nach immer näher über ihr nieder, hüllte sie so immer mehr mit seinem Körper ein. Viki ließ ihre rechte Hand nun auch zu seinen Schulterblättern gleiten, drückte dann sehnsüchtig ihren Rücken leicht durch, um ihn schon einen kleinen Moment früher an sich fühlen zu können, als sein Körper ihr immer näher kam. Seine Gedanken vergaßen nur allzu gerne das Umfeld, in dem die beiden sich befanden, gab sich stattdessen im Ganzen dem sinnlichen Moment hin. Jede ihrer hauchzarten Berührungen sandten warme Wellen, durch seinen Körper. Jeder verspannte oder überstrapazierte Muskel in ihm, jeder lädierte Knochen schien sich für den Moment zu entspannen, zu bessern. Jeder unterschwellige Schmerz rückte weiter in den Hintergrund bei den sanften Berührungen ihrer Hände. Ryan fuhr ihr mit der rechten durch die Haarsträhnen die auf ihrer Stirn lagen, ehe er ihren Hals mit einigen Küssen bedeckte, sich in kleinen Schritten hoch arbeitend, jede Stelle mit seinem warmen Atem benetzend. Viktoria neigte den Kopf mit genüsslichen Stöhnen auf die andere Seite, machte ihn Platz für mehr, während sich ihr Körper leicht unter ihm wand und ihre Hand den Druck auf seinen Rücken kurz verstärkte, ehe er über sie gebeugt erneut ihre Lippen mit seinen eigenen versiegelte. Diesmal mit seiner Zunge auf eine eigene langsame Erkundungstour gehend, während die rechte Hand nun wieder an ihrer Wange lag, ihr Gesicht umhüllend. Mit einer Hand streichelte Viktoria wieder über seinen Bauch, fuhr frech einige Runden um seinen Bauchnabel bevor sie wieder zu seiner Brust wanderte. Die andere streichelte noch immer über den Rücken, aber auch hier spielten sie mit ihre Finger neckend entlang seines Hosenbundes. Dann streichelte sie mit der linken Hand zu seinem Hintern, drängte ihn dann leicht an sich, während sie diesen leicht streichelte und massierte. Sie keuchte kurz in den intensiven Kuss, da sie ihn deutlich an sich spürte und konnte offensichtlich das wachsende Verlangen nicht unterdrücken, sich kurz und frech an ihn zu reiben. Es verzehrte Ryan sprichwörtlich nach dieser Frau die sich unter ihm wand. Als sie ihn fordernd an sich drängte, ihren Körper dabei an seinen rieb, hätte er beinahe die Kontrolle über sich verlieren können, welche Wirkung Viktoria jedoch bei ihm hinterließ dürfte ihr nun klar sein. Wie lang war es mittlerweile her? Vor dem Ausbruch? Das Konzentrieren fiel ihm bereits schwerer. Seine rechte Hand floss in einer fließenden Bewegung von ihrer Wange, den Hals hinab, den er zuvor noch mit seinen Lippen bedeckt hatte, strichen über die empfindliche Stelle wo der Hals ins Brustbein übergeht, ruhten für einige weitere Windungen seiner Zunge dort, ehe sie sich an den obersten Knöpfen ihres Hemdes zu schaffen machten. Eine Art der Aufregung fuhr in ihm hoch, die er bereits länger nicht mehr gespürt hatte, die Spannung einer neuen Bekanntschaft, nein mehr noch, sich einem anderen Menschen so komplett hinzugeben… Jedes Opfer einzugehen nur ihm sie glücklich zu machen, sie zu erkunden, ihre Emotionen sowie jeden Zentimeter ihres Körpers mit seinen Lippen und Händen bedecken… Seine Hand hatte bereits die obersten Knöpfe geöffnet und gaben nun ihren Verband frei. Sein Kuss wurde ein weiteres Mal intensiver, hungriger und nach Verlangen rufend, ehe er ihn erneut zögerlich beendete, seinen Kopf atemlos etwas anhob. Seine Augen verließen langsam ihr Gesicht, wanderten an ihrem Körper hinab. Während er nun seinen Blick wandern ließ, lehnte Viktoria ihren Kopf leicht nervös zurück und schloss die Augen. Wie lange war es zwischen ihnen schon still? Er überlegte sich Worte die es zu sprechen wert waren, verwarf seine Ideen jedoch, entschied sich den Moment für sich sprechen zu lassen und das erste Mal, durch die physische Distanz, sah er sie im ganzen an, wie sie unter ihm lag, schloss jede Windung die ihr Körper beschriebt tief in sich ein. Aus seinem Blick sprach das pure Verlangen nach ihr, seine Hand legte nun zögerlich ihre Schulter frei, strich mit seinen Fingerkuppen kaum spürbar über ihre Narbe. Mit einem Schmunzeln beugte er sich wieder zu ihr hinunter, bedeckte das Narbengewebe mit seinen Lippen, über das verhärtete Fleisch, welches sie wohl immer zur Vorsicht ermahnen würde, wenn es um das Vertrauen zu einem anderen Menschen ging. Er wünschte sich nur ihr mit seinen Lippen genauso viel Erleichterung und Trost zu spenden, wie sie es bei ihm mit der Leichtigkeit ihrer Berührung erreichte. Viktoria atmete tief durch. Sie hob ihren Kopf, hauchte ihm einen Kuss auf seine Wange und konnte sein Ohrläppchen mit ihren Lippen erreichen, an dem sie kurz knabberte. Dann lehnte sie sich wieder zurück, kraulte leicht mit der rechten Hand seinen Nacken. Währenddessen kam Ryans Hand auf ihrer Brust zur Ruhe, die unter dem Verband versteckt lag, als seine Küsse langsam ihrem zarten Schlüsselbein entlangwanderten. Bald waren seine Küsse an ihrer Kehle angekommen aus der bisher hin und wieder ein Keuchen entrungen war, ein Geräusch welches ihm jedes Mal einen wohltuenden Schauer über sein Rückgrat hinweg entsandte, zusammen mit ihren Händen, die unentwegt über seine Haut glitten, schien sie ihm jegliche körperliche und seelische Last zu erleichtern. Langsam und zögerlich verließ Vikis rechte Hand seinen Nacken und suchte die Stelle neben ihrer rechten Brust auf. Dort fand sie die Sicherheitsnadel, die das Ende des Verbandes versiegelte. Erst beim dritten Versuch wurde diese durch ihre vor Aufregung zitternde Hand gelöst und achtlos weg geworfen. Seine sanften Küsse hielten an ihrem Hals inne, seine Lippen lagen noch auf ihrer Haut auf als er aus dem Augenwinkel ihre rechte Hand beobachtet, die ihre Arbeit in seinem Nacken eingestellt und den Hautkontakt verloren hatte. So sehr sie sich ihm körperlich öffnete so mysteriöser wurde sie ihm im ersten Augenblick. Er wusste nicht wie viel er mit diesem Wandel in ihr zu tun hatte oder ob es gar kein Wandel war, sondern nur die wahre Viktoria, sobald man ihren äußeren Wall an Distanz überwunden hatte? Als er realisierte was sie dort mit ihrer nun recht unruhigen rechten Hand anstellte, ließ er seine Hand von ihrer Brust ab, unterstützte sie stattdessen unter ihren Schulterblättern, ehe er ihr mit einer Hand half den Verband nach unten zu streifen. Seine Lippen die weiterhin an ihren Hals geruht lagen, verließen ihre Position auf eben diesem, als der Versuch sie von dem Verband zu befreien geglückt war, sein erster Blick galt jedoch Viktorias errötetem Gesicht. Ein warmes Schmunzeln konnte er bei ihrem Anblick nicht zurückhalten, die Röte zu sehen die sie bisher immer so tunlichst zu verstecken versucht hat… Sie erwiderte sein Schmunzeln mit einen sanften Lächeln, auch wenn sich eine leichte Nervosität hineinmischte. Er beugte sich zu einem kurzen aber recht sinnlichen Kuss zu ihr runter, versiegelte für einen Moment ihre weichen Lippen erneut mit seinen, ehe er sich wieder zögerlich von ihr löste. Nun freigelegte, recht interessante Körperpartien warteten darauf entdeckt zu werden, hatte der Verband bisher doch jede Mutmaßung ziemlich schwierig gemacht. Als er seinen Blick genießerisch wandern ließ, fielen ihm jedoch nicht als erstes die freigelegten Brüste auf, die die bisher zurückgehaltene Weiblichkeit von Viktoria, nun stark zum Vorschein brachten, ein Wunder fast, dass der Verband hielt und sie sich weiter als Viktor vorstellen konnte. Nein, etwas anderes fiel ihm als erstes in die Augen: Eine Narbe an ihrem Brustbein entlang. Eine kurze, intensive Welle zielloser Wut stieg in ihm auf. Waren das auch diese Drei gewesen, von den Viktoria angefangen hatte? Was hatten die ihr bloß angetan? Einen Moment hielt er inne als ihm in den Sinn kam wie sein Blick auf Viki wirken mochte. Von jetzt auf gleich wich die Wut, sein Gesicht wurde wieder sanfter von dem Vorsatz ersetzt, das er das nächste Mal da sein würde und so etwas bei allem in seiner Macht stehende verhindern würde. Aber ihr kleines Lächeln erstarb, als sie den Wandel seiner Mimik sah. Ihre vor Tränen glänzenden Augen starrten stur zur Decke, während ihre rechte Hand sich auf die Narbe legte. Sein Blick hatte sie natürlich aus der Bahn geworfen, das war Ryan schmerzlich klar geworden. Innerlich verfluchte er sich für seine Reaktion auf die Narbe, hatte sein Anblick sie etwa erschreckt? Oder wieder in schlechte Erinnerungen mit seiner Reaktion zurückgeworfen? Kein guter Start wenn er seine Vorsätze, die er vor kurzem noch geschworen hatte, sie zu schützen bedachte. Seine rechte Hand wanderte von ihren Schultern wieder zu ihrem Gesicht, umspielte mitfühlend ihre Wange. Sofort suchten ihre Augen die seinen, woraufhin sein sanfter Blick sie doch wieder etwas beruhigte. Viki schloss die Augen und schmiegte sich an seine Hand, auf der sie nun auch ihre linke legte und dann einige Küsse in seine rechte Handfläche hauchte. Jeglicher Rest seiner Wut verrauchte augenblicklich bei dem Anblick Viktorias und somit rutschte er ein wenig tiefer um seinen Kopf zwischen ihren Brüsten herab zu bringen, wo er damit begann zarte Küsse die Narbe entlang zu hauchen, wie er es Augenblicke zuvor bei ihrer Schulter getan hatte und ihre Hand machte ihm erst zögerlich, dann bereitwillig Platz, bevor sie sich auf seine Schulter legte. Seine linke Hand strich derweil sanft und langsam ihre rechte Seite hoch, fast schon genießerisch als er sich der Zone näherte, die bisher von dem Verband verhüllt war. Ryans Küsse erreichten das Ende ihrer Narbe, leidlich versuchte er seinen Fehler wieder gut zu machen, wollte ihr die Sorge wieder nehmen, die er ihr unabsichtlich erneut aufgelegt hatte, war bemüht darauf ihr… Seine besorgten Gedanken wurden von ihren Fingernägeln, welche sich leicht in seine Schulter bohrten, und ihrem genüsslichen Stöhnen unterbrochen, wie eine stumme Antwort auf seine Hand, die nun auf ihrer Brust zur Ruhe fand. Ehe er seine Gedanken wieder ordnen konnte, raubte sie ihm bereits schon wieder den Verstand, als ihre Lippen ihr Spiel an seinen Fingern begannen. Verwundert genoss Ryan ihre Liebkosung, nahm es als erstrebendes Versprechen für einen späteren Zeitpunkt. Eine angenehme Welle der Erregung schwappte über ihn, als sein Finger in dieser feucht warmen Höhle willkommen geheißen wurde, das Ergebnis war, dass der Kuss, den er gerade auf ihren Bauch setzen wollte, von einem stummen Stöhnen unterbrochen wurde. … Die Lust war beiden wohl noch erhalten geblieben, dachte er schmunzelnd. Kapitel 9: Der Aufbruch - Ryan ------------------------------ Ryan hielt seine Augen geschlossen, während er ruhig da lag, sein rechter Arm verlief unter Viktoria seine Fingerspitzen glitten abwesend über ihre Flanke, sein Atem ging dabei flach. Seine Gedanken hielten beinahe lethargisch still, genossen Viktorias Nähe vollkommen… Noch immer lag Viki an seiner rechter Seite gekuschelt. Ihr Atem hatte sich langsam wieder beruhigt. Ihr Kopf lag noch an seiner Brust und mit der rechten Hand streichelte sie vorsichtig über seine verletzte Seite. Ryan genoss die Hitze, die noch in der Luft hing und von den beiden ausging, den Geruch, der in der Luft lag, ihre sanfte Hand, die auf seiner Haut entlangfuhr, dies alles schien seinen Körper jegliche Anspannung vergessen zu lassen. Dabei ließ er die angenehme Beschäftigung, die die beiden in den letzten Minuten miteinander geteilt hatten, ein weiteres Mal Revue passieren. Gedankenversunken und immer noch mit geschlossenen Augen ließ er seine Lippen einen angedeuteten Kuss auf ihr Haupt hauchen, wollte ihr weitere Versprechungen und Versicherungen ins Ohr flüstern. Entschied sich jedoch dagegen, kostete viel lieber die ruhige Zweisamkeit aus, die ihnen derzeit noch zum Geschenk gehalten war. Als Viktoria sich wieder leicht an ihn schmiegte und leise seufzte, stellten sich seine Haare in einer wohligen Gänsehaut auf, während ihr warmer Atem über seine Brust wehte. Zögerlich öffnete Ryan die Augen, als dann ihre Stimme ertönte. „Ich wünschte, wir könnten uns ewig hier verkriechen...“, sprach sie geistesabwesend ihre Gedanken aus und durchbrach die Stille. Ihm erging es ähnlich, würde er sich am liebsten für immer in diesem Moment aufhalten, mit Viki, zusammen in diesem Teppichgeschäft. Schmerzlich war ihm bewusst dass dies natürlich keinesfalls möglich wäre. Als sie bemerkte wie bitter das geklungen haben musste, sah sie ihn mit einem sanften Lächeln an, das langsam etwas frecher wurde. „... dann würd‘ ich dich jeden Tag so vernaschen“, versprach sie, während sie nun über sein Brustbein hinauf leckte. Seine Kehle bedeckte sie mit zärtlichen Küssen, knabberte vorsichtig einmal an ihr und küsste sich zu seinen Lippen hoch. Den Kuss, den sie ihm noch schenkte war sanft, genügsam und liebevoll. Ryan sah in ihr sanftes Lächeln, welches er ebenso warm erwiderte, ehe er sich etwas tiefer in den Teppich sinken ließ, als er ihre feuchte Zunge auf seinem Körper spürte. Ein genießendes und zustimmendes „Hmh“ entrann seiner Kehle, als sie ihm den nur allzu verführerischen Vorschlag machte immer so weiter zu machen. Verstärkt wurde diese Sehnsucht nach weiterer Geborgenheit nur noch extremer, durch ihre neckende Zunge und die samtigen Küsse die ihm hinauf wanderten. Er richtete seinen Oberkörper ein wenig auf, reckte sich so ihrem abschließenden Kuss entgegen, den er nur zu gerne kurz und zärtlich erwiderte. Seine rechte Hand streichelte unentwegt über ihre Seite. Danach sah sie ihm wieder tief in die Augen, während sie ihm eine Strähne aus den Gesicht streichelt, senkte aber dann wieder ihren Blick. Mit seiner bisher tatenlosen, linken Hand strich er über ihre Wange, bis er sanft ihr Kinn erreichte und sie ohne viel Nachdruck mit einem Finger aufforderte ihn erneut anzusehen, damit er ihr ein weiteres Lächeln schenken konnte. „Das Versprechen klingt doch gut, wir werden zwar nicht hier sein, aber mit solch einer Belohnung im Hinterkopf werde ich doch nur zu gerne dafür Sorgen, dass wir irgendwo immer sicher unterkommen.“ Er ergriff kurzum ihre Hand die zuvor noch vor seinem Gesicht war, hakte sich in ihre Finger ein und drückte sanft ihre Hand. „Zusammen sollten wir das doch nur zu gut schaffen können.“ Seine Worte zusammen mit dem Drücken ihrer Hand ließ sie doch leicht verlegen Blick senken. „Ich hoffe es“, murmelte sie. Wieder einmal kam ihm in den Sinn, dass er Viktoria erst seit einem Tag kannte, dennoch war er sich für seinen Teil sicher, dass er ohne zu zögern sein Leben in ihre Hand legen würde, dass er ihr bereits komplett Vertrauen würde und das war nicht einmal nur der vergangenen Intimität verschuldet, er hörte bei diesen Gedanken einfach auf sein Bauchgefühl… Viki drückte nun ebenfalls fest seine Hand. „Zumindest sind wir ein recht gutes Team“, wiederholte sie seine Worte vom frühen Abend. „Das beste Team und dabei stehen wir noch am Anfang.“ Die Bemerkung war beiläufig an ihre Aussage angeknüpft, seine Augen waren dabei unentwegt stur auf Viktoria gerichtet. „Ein ziemlich lädiertes Team, aber es kann ja nur besser werden“, nuschelnd sie noch an seiner Brust, aber zog ihre ineinander verschränkten Hände näher zu sich und hauchte einen kleinen Kuss auf seinen Handrücken, um die kleine Verbindung zu besiegeln. Die kleine Geste, Viktorias Lippen auf seiner Hand registrierte er mit Wohlwollen. Gab sie ihm doch aus einem Grund Zuversicht für die Zukunft. Einen Moment lagen die beiden wieder nur still dort und genossen die Nähe des anderen. „Pratt!“, sagte Viki plötzlich eindringlich, während sie ihm in die Augen sah. „Ich... mein... mein Name... Ich heiße Viktoria Pratt“, stammelte sie nun verlegen. Sofort wendete sie ihren Blick dann leicht ab und lehnte ihren Kopf doch wieder beschämt an seine Brust. Als ihre Worte nun so unerwartet ins Holpern kamen musste Ryan unwillkürlich schmunzeln. Nur zu gerne wüsste er was gerade in ihr vor ging, kam die hervorgeschossene Vorstellung doch ein wenig unerwartet für ihn. Unverwandt streichelte seine rechte Hand über ihre Haut, hielt sich so ein kleines Echo ihrer vergangenen Zweisamkeit aufrecht. Sein Blick war weiterhin ruhig auf ihr Haar gerichtet, schien sie sich beinahe schon schamvoll an seiner Brust verstecken zu wollen. Der Anblick Viktorias lies sein Lächeln nur noch breiter werden, dachte er für einen kurzen Moment an die Entwicklung, die die beiden bis hier her nun schon durchgemacht hatten. Wie zur Bestätigung drückte er erneut sanft ihre Hand „Freut mich Frau Pratt, Operator Ryan Bradon für meinen Teil. Aber ich hoffe ich darf bei Viki oder Viktoria bleiben?“ „Natürlich...“, murmelte sie sofort als Antwort auf die rhetorische Frage. Bereits in seinen eigenen Ohren hörte sich sein voller Name ungewohnt an, schon vor dem Ausbruch hat er nur auf Dokumenten seinen vollen Namen angegeben, ließ sich sogar von neuen Rekruten mit Ryan anreden, solang der Anlass nicht zu offiziell war, was ihm von seinen Kameraden immer augenrollende Blicke eingebracht hatte. Seit dem der Virus grassierte hatte er seinen Nachnamen gar nicht mehr benutzt, wie viel waren Nachnamen in dieser Welt schon noch Wert? Ein kurzes Bedauern durchfuhr ihn: Soweit er es wusste, war er aus seinem Stammbaum der letzte Bradon, wenn er sterben würde, dann wäre es mit diesem Baum ebenfalls am Ende, er würde dann keine neuen Äste mehr sprießen lassen. Außer Viktoria vielleicht, seit diesem Augenblick nun, würde sich keiner an den Namen erinnern. Oder glaubte er noch daran seine verschollenen, letzten Kumpanen lebend finden zu können? Er verdrängte diese Gedanken schleunigst wieder, wollte keine weitere Beunruhigung in Viktoria wecken, stattdessen lächelte er unentwegt. „Ich würde es begrüßen wenn du auch bei Ryan bleibst, aber wahrscheinlich werde ich mich bei jedem deiner Worte angesprochen fühlen, egal ob du mich direkt ansprichst oder nicht.“ „Jeden meiner Worte? Hmm... Hast du denn schon ‘nen peinlichen Spitznamen oder muss ich mir selbst einen ausdenken?“, fragte sie nun doch wieder frech und sah sogar kurz mit kleinen entschuldigenden Lächeln wieder zu ihm auf, bevor sie abermals den Blick abwendete. Schmunzelnd versank er für einen Augenblick erneut in der Vergangenheit bei der Frage nach Spitznamen. Allein in seiner Zeit im Beruf hatten sich einige Spitznamen angesammelt wovon jedoch nur wenige sich fest eingebürgert hatten. Ein paar weitere aus seiner Kindheit, die er aber seit Jahren nicht mehr gehört hatte. Seine rechte Hand verließ ihre Haut, wollte er ihre Hand doch am liebsten gar nicht mehr los lassen, strahlte sie doch für ihn eine gewisse Verbundenheit aus. Stattdessen fand seine rechte zu ihrem Haar, durch welches er nun langsam streichelte, während sie immer noch beschämt auf seiner Brust ruhte, als er wieder das Wort ergriff: „Peinlich sind mir glaub ich beinahe alle Spitznamen, die ich je besessen habe, aber ich würde mich über einen neuen mit Viki-Siegel sicherlich freuen… In meiner Einheit hing mir ziemlich schnell der Name Sergeant Smile nach… Der dürfte ziemlich selbsterklärend sein.“ Sein in die Vergangenheit gerichtetes Schmunzeln schien wie zur Bestätigung kurz breiter zu werden, als sie sich erneut etwas enger an ihn schmiegte. „Und mein Bruder brachte mich gerne durch ein kitschig säuselndes Ryry auf die Palme. Familie eben…“ Ryan wurde für einige Sekunden still, hing nun sichtlich der nächsten Erinnerung hinterher. Seine Hand strich weiter abwesend durch ihre Haare, während ein kleines Schmunzeln über seine Spitznamen über Viktorias Lippen huschte, doch auch noch immer schien sie beschämt ihren Blick verbergen zu wollen. „Einen Penny für deine Gedanken Viki… Kein Grund Trübsal zu blasen und ebenso kein Grund für dich sich in meiner Gegenwart unbehaglich zu fühlen.“ Sein Blick war genügsam auf sie gerichtet, aus seiner Stimme sprach kein Nachdruck, wenn sie ihre Gedanken für sich behalten wolle, würde Ryan es akzeptiere. „Ich hab Angst das ich dich enttäusche, wenn du mich kennen lernst... Oder du gar keine Gelegenheit dazu hast“, sprach sie nun knapp ihre Gedanken aus und verstärkte kurz den sanften Druck in seiner Hand. Mit Nachdruck erwiderte er ihr Händedrücken. Ihre Befürchtungen waren naheliegend, wenn auch Ryan ihr am liebsten ein Versprechen gegen beides ausgesprochen hätte. Ohne ein direktes Wort zu sprechen verließ seine Hand ihre Haare und umgriffen stattdessen ihren Körper um sie etwas zu ihm hochzuziehen, damit er für einen kurzen Moment ihre Lippen mit seinen erreichen und ihr ein stummes Versprechen auf die Lippen zu legen konnte, ehe er sich wieder von ihr löste und sie warm anlächelte. „Weißt du… In solchen Extremsituationen, die wir in der kurzen Zeit schon durchstanden haben, geben die Menschen meist viel mehr von ihrem innersten Wesen Preis als nach monatelangen Gesprächen in ruhiger Umgebung. Meistens unbewusst, aber dadurch auch meist kaum verschleiert oder beschönigend. Ich glaube enttäuschen kannst du mich kaum noch…“ Mit seinen Zeigefinger der rechten Hand strich er kurz über die soeben geküssten Lippen. „Und deine andere Befürchtung werden wir zu zweit schon zu verhindern wissen, ich werde definitiv zur Stelle sein wenn es gefährlich wird und mein bestes geben.“ Die Gefahr war natürlich präsent, alles andere zu behaupten wäre heuchlerisch gewesen, so wollte er Viktoria wenigstens das versprechen, was er einhalten konnte, auch wenn es vielleicht nicht viel war. Mit sanften Lächeln sah sie ihn dankbar an, schloss kurz die Augen, als sie seinen Finger auf den Lippen spürte und sah ihn danach wieder zu ihm auf. Sie reckte sich kurz und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich danke dir... für alles“, flüsterte sie und sah ihn dann eindringlich an. „Ich werde ebenfalls alles tun was ich kann, damit wir so viel Zeit wie möglich zusammen in Sicherheit genießen können.“ Nun war sie es, die ihr Versprechen mit zärtlichen Kuss auf seine Lippen gab. Kurzes Erstaunen legte sich auf seinen Ausdruck als sie ihm dankte und küsste, ließ sein Lächeln für einen Moment sprachlos werden. „Du, musst mir doch nicht…“ Er brach den Satz ab, nickte nur knapp, während er ihren Kuss für einen Moment erwiderte. „Aber wirklich kein Grund mir zu danken. Ich wüsste nicht mals wofür…“ Etwas aus der Fassung gebracht überschlug er sich etwas, warf ihr ein entschuldigendes Lächeln zu, hatte er doch nicht damit gerechnet das seine Handlungen ein bedanken nötig machten. Nun konnte sie über sein entschuldigendes Lächeln nur leicht Grinsen. „Weil du einfach da bist...“ Weil er einfach nur da war? So einfach war es mitunter schon heutzutage. „Mit welchen Spitznamen darf ich dich den zudecken? Gefährliche Schönheit? Die mit den Dolchen tanzt?“ Knapp zwinkerte er ihr lächelnd zu. Auf ihr Gesicht legte sich erst ein Lächeln, was dann doch zu einem kleinen Grinsen würde. „Gefährliche Schönheit? Ganz wie du meinst... ist zumindest was anderes als 'Krümel' oder 'Vizzi'“, meinte sie mit zurückhaltenden Kichern, bevor sie ihre Spitznamen erklärte: „Naja... ich war ein Einzelkind bis ich zehn war. Mein Vater sagte immer stolz zu Anderen 'unser Krümel geht schon in die Schule!' oder 'unser Krümel ist nun auch im Verein' oder so. Ich war ja nie die Größte und so hat es sich statt 'unsere Kleine' eingebürgert. Und Elli konnte damals kein 'K' aussprechen, wobei aus Viki dann Vizzi wurde, wobei es ebenfalls jahrelang geblieben ist.“ Nur einen Moment hing sie mit melancholischen Lächeln ihrer Erinnerung nach. Als sie ihm von ihrem Spitznamen erzählte nahm er die Ablenkung nur zu gerne an, ließ sein Grinsen breiter werden, ein kurzen leises Auflachen entrann seiner Kehle. Seine Hand fuhr wilder durch ihre Haare, sorgte dafür eine kleine Unordnung zu hinterlassen als er die Spitznamen hörte „Krümel gefällt mir… Aber auch Vizzi, Vizz hat seinen nicht von der Hand zu weisenden Charme. Vielleicht werde ich die in meinen Wortschatz für dich aufnehmen.“ Er zwinkerte ihr knapp zu und als er ihr Lächeln sah wurde seine Hand in ihrem Haar auch wieder sanfter, und strich danach einige durcheinandergebrachte Strähnen wieder in die richtige Bahn. Wieder färbten sich ihre Wangen leicht rot, sah ihn nur mit leicht schmollenden Grinsen an, während ihr abermals nur ein kleines protestierendes „Hey“ über die Lippen kam. „Ich hatte so etwas befürchtet, aber ich werd‘ mich dagegen auch nicht wehren“, sagte sie mit leichten Kichern, schwieg dann aber doch eine Zeit lang. Ob sie grade an die erwähnte Elli dachte? Aus dem Zusammenhang dachte Ryan an eine jüngere Schwester, gönnte Viki für einen Moment aber diese Erinnerung, wusste er doch selbst zu gut, dass es auch gut tun konnte an die Verflossenen zu denken, auch wenn es immer einen bitteren Nachklang hatte. Doch dann sah sie ihn wieder frech an. „Aber 'Gefährliche Schönheit' oder 'die mit den Dolchen tanzt' klingt auch nicht schlecht, wobei du wohl erst mal nichts vor meinen Klingen zu befürchten hast, wenn du brav ist...“ , sagte sie. Ihr nächster Blick ging danach automatisch zu seiner verletzten Seite, bevor sie ihn wieder besorgt ansah. „Wie geht es dir überhaupt? Ist es schlimmer geworden?“, fragte sie fast schon schuldbewusst. „Okay, ab nun werde ich brav sein und mich bemühen artig zu bleiben.“ Er machte bei ihrer sorgenvollen Nachfrage eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, lass uns da drüber nicht reden. Kein Grund das du dir Sorgen machen solltest. Hauptsache dein Bein ist belastbar genug das wir uns nachher Wasser holen können, vorher kriegst du aber noch ein Schmerzmittel, damit du es etwas belasten kannst.“ Tatsächlich hatte er das blitzartige Stechen bei ihrem kurzen Abenteuer einige Male gespürt, war aber wohl abgelenkt genug gewesen, um es sich nicht anmerken zu lassen, dennoch wollte er Viktorias sorgenvollen Blick nur ungern strapazieren, auch weil er vermutete nach der Pause nun wieder ausreichend belastbar zu sein. Viktoria sah ihn einen Moment skeptisch an, sagte jedoch dazu nichts weiter. Als er sie allerdings auf ihr Bein ansprach presste sie nur kurz die Lippen zusammen. „Naja, ich kann es auch erst mal ohne probieren. Bisher musste ich es ja noch nicht belasten. Was sagt denn mein Leibarzt, wie lange werde ich denn mit der Verletzung zu kämpfen haben? Oder musst du erst neue Doktorspielchen durchführen, bevor du das beurteilen kannst?“, fragte sie nun frech, aber eine ernste Antwort erhoffte sie sich scheinbar trotzdem. Diagnostik… Nicht gerade seine Spezialität, er verstand sich eher auf die erste und gröbste Versorgung von groben Schäden. Dennoch wollte er Viktorias Bitte nach einer Prognose nicht enttäuschen. „Ich flicke eher als das ich genaue Prognosen stelle, aber einige Wochen kann es unbehandelt schon noch Probleme machen… Das Antibiotikum ist nicht gerade das Mittel der Wahl, verhindert es einfach nur das die Entzündung nicht systemisch wird, also auf deinen ganzen Kreislauf übergreift. Wenn wir jedoch noch irgendwo Cortison oder ein NSAR wie Aspirin finden würden, würde es ziemlich zügig wieder voll belastbar sein.“ Einen Moment schwieg er nach seiner Ausführung, dachte kurz darüber nach was das medizinische Geschwätz bringen sollte, ein weiterer Automatismus der ihm herausgerutscht war. Drum zwinkerte er Viktoria nun knapp zu ehe er seinen Satz beendete „Wobei weitere Doktorspielchen einer genaueren Diagnose sicherlich hilfreich wären.“ Viki runzelte die Stirn, sagte aber vorerst nichts dazu, sah sie doch einen Moment recht nachdenklich aus. „Apropos, sollten wir uns glaub ich demnächst noch aufmachen, die Dämmerung sollten wir ausnutzen können: Einigermaßen gute Sicht, aber genug um sich effektiv vor fremden Augen verbergen zu können“, gab Ryan zu bedenken, worauf hin ihr nur ein Seufzen entwich. Über ihre Hände, die immer noch miteinander verschränkt waren, zog er Viktoria ein wenig mehr zu sich und lächelte ihr schnurgerade ins Gesicht. „Wobei es mir schon ziemlich schwerfällt wieder in Bewegung zu kommen…“ Bei diesem Lächeln konnte sie nicht anders als es mit frechen Blick zu erwidern. Viki legte sich wieder gänzlich auf ihn, schmiegte sich leicht an und wisperte sinnlich: „Zu schade, aber ich kenne noch Aktivitäten, wo nur ich mich Bewegen muss, falls dir das lieber ist...“ Zärtliche Küsse verteile sie nun von seinen Lippen, Mundwinkel, Wange bis zu seinen Ohr. „Ich hätte zudem nichts dagegen einfach einen Tag länger hier zu bleiben und einfach so weiter zumachen“, flüsterte sie und beugte sich wieder über seinen Hals, auf den sie nun einige sanfte Küsse hauchte und hier und da mal daran knabberte. Ryan schloss erneut seine Augen, erwiderte ihren Kuss auf seine Lippen nur zu gerne, hielt sie kurz bei ihm, als er ihre Lippen für einen Moment zwischen seinen gefangen hielt. „Ein wirklich sehr verlocken…“, sein Satz wurde von einem kurzem Ächzen unterbrochen welches er nicht mehr unterdrücken konnte als Viki sich seinem Hals widmete, „…verlockendes Angebot von dir Vizz.“ Auf Viktorias Lippen legte sich dann erneut ein freches Lächeln: „Hmm~ ... Aber ohne Wasser krieg‘ ich die nächsten 'Ryan-Burger' wirklich nicht runter...“ Als sie ihn wieder ansah schenkte sie ihm ein Zwinkern und einen kurzen Kuss, bevor sie sich langsam aufrichtete und dabei ihre Fingerspitzen der linken Hand von seiner Schulter bis zu seinen Bauch streichelte. Sichtlich genoss sie kurz den Anblick, wie er unter ihr lag, bevor sie sich zögerlich von ihm löste. Während sie im zuzwinkerte antwortete er mit einem warmen Lächeln, streckte seinen Hals weit vor um dem Kuss so lang es ging zu folgen ehe er sich unter ihrer Berührung wieder sinken ließ, dabei mit einem genießenden Grinsen zu ihr aufsehend. Jedoch entfuhr ihm ein kurzes missfallendes Seufzen als Viktoria sich nun von ihm löste, widerwillig setzte er sich langsam auf, konnte eine schmerzvolle Bewegung dadurch das er sich nun die Zeit nahm und auf seine Bewegungen achtete, verhindern. „Du hast gesagt, dass wir gleich los müssen“, erinnerte sie ihn mit einen Schmunzeln. „Im nächsten Versteck können wir das gerne weiter fortführen“, meinte sie noch. „Bevor wir uns aber aufmachen möchte ich dir noch meinen größten Schatz zeigen“, sagte sie mit einem Schmunzeln und sah sich dann nach ihren Schuhen um, während sie ganz von ihm abließ. Als sie sich den achtlos weggeworfenen Schuhen zuwendete und sie zu sich zog. Sie entfernte die Einlegesohlen und zauberte dann jeweils eine Hälfte einer Stadtkarte aus jedem Schuh, ordentlich in Folie vor Nässe und Gerüchen geschützt. Mit diesen Karten kroch sie wieder zu ihm und breitete sie neben ihnen aus. Das er ständig im Gebrauch war, sah man dem Plan durchaus an, da er ziemlich abgegriffen, an einigen Stellen eingerissen und mit Tesafilm erneut geflickt worden war. „Ich bewahr‘ sie lieber da auf, bevor sie mir mit dem Rucksack geklaut werden“, sagte sie schon mal mit einem entschuldigenden Lächeln. Gespannt beobachtete er seine Partnerin, was sie da wohl aus kramte? Als er einen Stadtplan erkannte legte sich seine Spannung für einen Moment, hatte er doch nicht mit solch einem akribisch geführten Plan gerechnet, wie ihm im nächsten Moment von ihr offenbart wurde. Es war ein detaillierter Straßenplan, auf denen mit Bleistift einige Kreise gezogen waren, an denen sich Kürzel befanden. Zudem waren viele Häuser mit einem 'x' weg gekreuzt, einige mit Rufzeichen markiert und andere mit Kreisen umkringelt. Auffällig war, das die meisten dieser Informationen sich nur auf die Bereiche des südlich gelegenen, mittelständischen Evans und südöstlich gelegenen, wohlhabenden McNamara-Viertel, sowie ein wenig auf die südlichen Bereiche des nordöstlich gelegenen, Unterhaltungs- und Bildungszentrums des Dickinson-Viertels und westlichen Teil des ärmlichen Douglass-Viertels, welches östlich vom mittelständischen Evans-Viertel lag, bezogen. Im südöstlichen Teil des nordwestlich gelegenen Ford-Industriegebiets waren ebenfalls einige Informationen versammelt, auch wenn es deutlich weniger war. Einen Moment wanderten Viktorias Augen selbst über die Karte, bevor sie ihn einweihte und dabei hin und wieder mit dem Finger über die Karte fuhr: „Wir haben recht früh angefangen Informationen hier einzutragen. Meine Freunde und ich haben schon abgeklapperte Häuser, in denen nichts mehr zu finden waren, weg gekreuzt. Andere Häuser mit Essensvorräten haben wir mit Kreisen markiert, damit wir wussten zu welchen Häusern wir zurück können, um sie irgendwann erneut auszuspionieren, wenn wir von dort übereilt aufbrechen mussten, so wie heute morgen zum Beispiel. Größere Gang-Gebiete zeichne ich mit Bleistift ein und kann zumindest sehen welche Bereiche ich meiden muss, wenn ich lange nicht mehr in der Gegend war. So kann ich auch bis auf die Straße genau Auffälligkeiten eintragen und schauen welche Banden an Macht gewinnen oder verlieren. Im Evans- und McNamara-Viertel bin ich am häufigsten, früher war ich mit Freunden im Ford-Industriegebiet. Wir befinden uns hier bei dem Rufzeichen, die ein paar meiner Verstecke markieren. Also wir sind direkt am Stadtrand des McNamara-Viertels, recht zentral auf Höhe des südlichen Endes des Parks, wo es noch sehr ruhig ist. Wie du hier siehst, sind die 'Wölfe' im Zentrum vom Park, sowie östlich davon recht aktiv. Wir sollten also das Gebiet weiträumig umgehen und uns höchstens an den westlichen Rand des Parks wagen, um Wasser zu suchen. Die Wölfe sind fast noch umgängliche Gesellen, aber sie fackeln nicht lange, wenn sie vermuten, dass jemand das Virus hat... daher könnte es gefährlich werden, wenn sie sehen, das wir verletzt sind. ... Naja, also wir könnten hier im Südwesten vom Dickinson-Viertel an der Uni entlang gehen, kommen aber dann an der U-Bahnstation vorbei. Der ist leider auch kein schöner Ort, weil viele Leute die U-Bahnen-Tunnel nutzen. Klüger wäre es wohl, nach dem Park den langen Weg um die Uni herum an den Grenzen entlang zu gehen. Am südlichen Parkende gibt es aber Gerüchte über eine neue Gang, die ich leider noch gar nicht einschätzen kann. Aber erst mal... wo willst du überhaupt hin?“, fragte sie dann mit kleinem Schmunzeln und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Voller erstaunen hörte er sich Viktorias Legendenerklärung an, während er wie gebannt auf den Plan starrte. Wie wertvoll solche Informationen waren lag auf der Hand, dennoch führten die wenigsten solch ausführlichen Pläne, weshalb er erstaunt war, das solch eine unerfahrene, zusammengewürfelte Gruppe, wie Viktoria sie bisher geschildert hatte, an so etwas gedacht hatte. Als sie bemerkte, wie sein anfangs fast desinteressierter Blick sich änderte, wurde ihr Grinsen nur noch breiter. „Beeindruckt?“, fragte sie knapp mit einen Schmunzeln. „Die Karte ist zumindest ein guter Zeitvertreib für lange Nächte. Die Straßen hier in Süden kenn‘ ich eigentlich alle blind“, sagte sie noch mit einen Schulterzucken. Ein kurzes Lächeln erschien auf seinem Gesicht als sie nun seinen verwunderten Blick über die Karte bemerkte. „Ziemlich beeindruckt, von einem Krümel hätte ich etwas anderes erwartet, ich sehe schließlich gar keine Smiles eingezeichnet… Aber Ich hoffe das wir in langen Nächten andere Ablenkungen finden als in Karten rumzukritzeln…“ Ein kurzes, keckes Zwinkern galt ihr noch ehe er sich seinen Erklärungen auf der Karte widmete. Als er an ihre Frage nach seinem nächsten Ziel dachte, seufzte er knapp und wand seinen Blick von der Karte ab. „Naja, ich war dabei die größeren Gebäude abzusuchen, weshalb ich eine Weile mit meinem Bruder im Einkaufzentrum festhing… Sicher nicht die sichersten Orte, aber wenn es noch Reste von meinem Trupp, dem Militär und der Polizei als solches außerhalb von dem Militärstützpunkt gäbe, hätten sie sicher eines der größeren Gebäude als eine Art Notfallzentrum gesichert. Dort hätte man Platz für Material, Versorgung und Menschen die Unterschlupf suchen, ebenfalls wäre es gut zu sichern und gegen die Gangs zu verteidigen solang man eine ausreichend große Truppenstärke hat…“ Kurz tippte er auf die größeren Zentren auf der Karte: Das Einkaufzentrum, die Universität, das Stadion, das Fabrikgebäude und das Krankenhaus. Ehe er mit seinen Finger einen Kreis gegen den Uhrzeigersinn zog. „Ich wäre nun in Richtung der Universität vorgegangen, Stadion, Krankenhaus und so weiter. Bezüglich der Medikamente wäre das Krankenhaus eine gute Anlaufstelle. Dort wurde sicher als erstes geplündert jedoch wäre dies ebenfalls der Ort wo das Militär nach dem Ausbruch als erstes aufgetaucht wäre, die Frage ist nur ob sie rechtzeitig und mit ausreichend Mann dort waren…“ „Also willst du zum Krankenhaus...“, wiederholte sie kurz und schaute wieder auf den Plan. „Von der Ecke weiß ich nicht so viel, aber wir können uns vorher schon mal einen Weg überlegen. Am besten gehen wir hier im Viertel noch an der Grenze zum Zentrum vorbei, dann ist an der Ecke zum Evans-Viertel noch ein Versteck. Ich weiß nicht ob es sicher ist, aber ein paar Dosen und Packungen Zigaretten hab ich da zurück gelassen und wenn es gut läuft können wir dort wieder eine längere Pause einlegen. Von dort können wir direkt beim Zentrum weiter und ins nächste Gebiet. So umgehen wir zumindest wieder die U-Bahnstation. Aber alles jenseits des Verstecks ist für mich auch wieder Neuland und einige Gangs könnten uns zu Umwegen zwingen“, überlegte sie nun laut und ließ ihren Blick weiter wandern. „Meinst du wir finden im Krankenhaus deine Leute? Oder vielleicht noch was von dem NASIR-Cortion-Zeugs für mich?“, fragte sie erst hoffnungsvoll, konnte sich aber seine Antwort auf letzteres schon denken. Vermutlich würde es im Krankenhaus nicht mal mehr einen Verband geben. Als er geendet hatte, hörte er sich geduldig Viktorias Vorschlag für den einzuschlagenden Weg an, wurde für einen Moment hellhöriger als sie von dem Versteck und den gelagerten Zigaretten sprach. Folgte dem Weg den sie beschrieb mit seinen Augen auf der Karte, laut ihrer Beschreibung war es wohl möglich nah an dem Gebiet der Wölfen vorbei zu kommen, eine weitere Gefahrenquelle. Sein Blick wandte sich von dem Plan ab, mit einem kleinen Schmunzeln über Vikis Versuch die Medikamente zu beschreiben. Dennoch zuckte er nur kurz mit den Schultern. „Ehrlich gesagt sehe ich für beides die Chance, aber in der Universität darauf zu stoßen ist wahrscheinlicher. Bis die Regierung das Militär mobilisiert bekommen hat, war das Krankenhaus sicher schon komplett leer geräumt, das war sicher das erste Ziel der ganzen Plünderungen, wie ich gerade schon angedacht hatte.“ Er tippte knapp auf die Uni, sah daraufhin wieder zu Viktoria. „Ich denke dort sind die Erfolgsaussichten mit am größten. Wie gesagt, gut zu verteidigen und viel Platz. Am Anfang des Ausbruchs für Plünderungen sicher kein lohnendes Ziel. Wer will schon zurück in die Universität? Vielleicht wurde dort ein wenig randaliert und die Mensa leergeräumt. Alles flüchtig genug, das es sich für das Militär lohnen würde es wieder herzurichten und in ein Fort zu verwandeln. Viel Platz für Verletzte und so weiter. Auch ist in solch einer großen Universität meist ein kleines Krankenzimmer mit ein wenig Erste Hilfe Zubehör.“ Sein Blick zögerte kurz ratlos, war dies alles nicht mehr als eine Schätzung. Das wahrscheinlichste war, dass seine Kameraden wohl bereits tot waren und das es in der Stadt allerhöchstens im abgeriegelten Militärstützpunkt noch Ordnungskräfte gab… „Vielleicht wurde etwas von den Medikamenten übersehen, bis auf das die Medikamente tolle Fachwörter haben, ist an ihnen nichts Besonderes, stinknormales Ibuprofen, Aspirin und so weiter, auf Cortison kann man gut verzichten.“ „Hmm... so wie du das sagst klingt die Uni sogar recht logisch. Ich wär‘ da wohl auch nicht drauf gekommen“, gab sie zu. „Wenn es nur um Aspirin geht, dann sollten wir unterwegs in einigen Häusern vorbei schauen. Einige Häuser sind so gut ausgestattet, wie ‘ne kleine Apotheke, man muss dabei nur Glück haben.“ Er senkte seinen Blick kurz, konnte Viktoria bei seiner nächsten Schlussfolgerung nicht in die Augen sehen, wollte aber ihr gegenüber mit nichts hinter dem Berg halten. „Ich will ehrlich sein, das alles ist nur eine Idee, nicht mehr nicht weniger. Eine kleine Hoffnung und Spekulation meinerseits… Wahrscheinlich ist es alles nur eine Seifenblase, die ich mir Wünsche. Eventuell, eher sogar wahrscheinlich, gibt es meine Einheit gar nicht mehr, auch das es noch eine Obrigkeit gibt die alles wieder versucht unter Kontrolle zu bringen bezweifle ich.“ Ein Seufzer entfuhr ihm, ehe er wieder die Worte fand. „Mein Plan ist wahrscheinlich dumm und auch alles andere als ungefährlich, zu mindestens deutlich gefährlicher als nur von Versteck zu Versteck zu pendeln… und das nicht mal mit einer großen Chance auf Erfolg…“ Dennoch wollte Ryan nichts unversucht lassen, war ein ständiges Versteckspiel nicht seine Traumvorstellung. Auch wenn er die neugewonnene Beziehung zu Viktoria ungern weiteren Gefahren aussetzte… Besorgt sah sie ihn an. Nun nahm sie wieder seine Hand und drückte sie, während sie ihm mit aufmunternden Blick ansah: „Ist schon okay. Ich würde es genauso machen. Irgendwann sind die Häuser im Süden eh alles abgegrast, dann hätte ich auch weiter ziehen müssen. Soweit es geht werde ich dich begleiten und dir helfen. Wer weiß, vielleicht haben wir ja tatsächlich noch etwas Glück und finden jemanden. Mich hast du ja auch gefunden, auch wenn du nach mir nicht direkt gesucht hast... und vermutlich sind meine Chancen bei dir immer noch besser, als wenn ich weiter allein rumziehe“, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. Nun war Ryan es der Viktorias Hand hochzog und einen knappen dankbaren Kuss auf ihre Hand pflanzte, ehe er die Kraft fand ihren Blick wieder zu erwidern, woraufhin ein warmes Lächeln auf ihrer Lippen auftauchte. „Und wie froh ich bin dich gefunden zu haben… Ob deine Chancen mit mir sehr viel besser werden kann ich dir jedoch nicht versprechen, wenn wir wirklich diese Route nehmen wollen, wird es auf jeden Fall gefährlicher werden als bisher in deinen Verstecken.“ Ein weiteres zögerliches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Wir werden auf jeden Fall gegenseitig auf uns aufpassen, das kann uns ja eigentlich nur noch besser gelingen als bisher… Aber das wir die Häuser, die sicher aussehen auf den Kopf stellen sollten klingt nach einem guten Plan, grade weil die Medikamente ja doch ziemlich geläufig sind und für Junkies dann ja doch eher in die uninteressante Sparte fallen.“ Viki nickte nur bei seinen Worten. „Zusammen schaffen wir das“, sagte sie nur bestätigend. Dass er nur auf sie aufpassen würde war wohl untertrieben. Wollte er das Mädchen was ihm bereits nach solch einer kurzen Zeit so nahe war nur ungern in Gefahr bringen, würde er dennoch nichts unversucht lassen sie vor weiterem Schaden so gut es ging zu bewahren. Das es jedoch nicht in seiner Macht lag die Gefahr auf Null zu reduzieren war ihm nur zu schmerzlich bewusst. Für einen Moment erwiderte er ihren Händedruck, ehe er sich ein letztes Mal der Karte zuwandte. „Also du meinst am sichersten wäre es als erstes nun westlich am Park entlang zu gehen und nach Wasserstellen zum Auffüllen Ausschau halten, zweitens vor der U-Bahn Station östlich, Richtung Universität und dann nördlich in dem Versteck untertauchen ehe wir die Uni in Angriff nehmen?“ Während er sprach zeichnete sein Finger auf dem Plan die Strecke ab so wie er Viktoria davor in ihren Ausführungen verstanden hatte. Kurz sah sie noch besorgt zu ihm, aber er wandte sich schon der Karte zu. So verfolgte sie nun wieder die Route mit den Augen und nickte. „Das wäre wohl die beste Möglichkeit. Wir könnten auch an der äußeren Grenze vom McNamara-Viertel entlanggehen. Der Weg wäre kürzer, aber ich weiß nicht wie groß der Einfluss der Wölfe im östlichen Park schon ist. Das herauszufinden hatte ich mir für nächste Woche vorgenommen...“, gab sie schmunzelnd zu. „Ich denke wir sollten westlich im Park vorangehen, dort hätten wir eine höhere Chance auf saubere Wasservorräte. Ich denke speziell an Brunnen, die nun das Regenwasser aufgefangen haben. Und wir könnten uns so eventuell länger vor den Wölfen versteckt halten“, schlug Ryan abermals vor und Viktoria nickte nur zustimmend. Langsam wurde der Plan greifbar und nur allzu bald würden sie aufbrechen und sich erneut den Gefahren auf den Straßen dort draußen aussetzen. Er wandte sich wieder Viki zu ohne jedoch das Wort zu ergreifen. Ryan konnte sich selbst nicht Mal erklären warum er das Risiko unbedingt eingehen wollte, würde es ihn derzeit doch viel glücklicher machen sich hin und wieder mit Vorräten einzudecken und sich den Rest der Zeit mit Viki zu verkriechen… Eigentlich wusste er es ganz genau, stellte er mit einem leisen Seufzen fest. Die Chance bestand, dass noch jemand aus seinem Team lebte und er war lang genug Soldat gewesen, um zu wissen, das dies hieß er musste sie finden, denn schließlich wurde niemand zurück gelassen, das selbe würden schließlich seine alten Kameraden für ihn tun. Viktoria sah ihn nochmals eindringlich an, während sie seine Hand drückte und auch ihre andere auf seine legte. „Ryan, ich weiß wie wichtig es für dich ist. Und bitte... denk immer dran, falls... falls doch was passiert... ich weiß das es gefährlich wird und es ist meine eigene Entscheidung mit dir zu kommen.“ Sein Blick wurde sichtlich weicher als seine Hand erneut gedrückt wurde und er ihrem Anliegen lauschte. Sein erster Impuls war es ihr ins Wort zu fallen, ihr zu sagen das es abstrus war, dass etwas geschehen sollte. Es wäre doch schließlich nicht fair, wenn ihre so junge Beziehung schon wieder entzwei gerissen werden würde...Tja… Die Welt um sie herum war nun einmal manchmal nicht sehr fair. Drum behielt er seinen bitteren Gedanken für sich und deutete nur ein Nicken an, welches Ausdrücken sollte das er ihre Aussage verstanden hatte. Das er alles einsetzen würde um ihre Zweisamkeit zu sichern und wenn es hieß seine Gesundheit weiter zu riskieren ließ er unausgesprochen. Ryan beugte sich über ihrer beiden Hände hinweg, um ihr nun einen kurzen Kuss auf ihre Lippen zu hauchen, der zwar nicht vor verlangender Leidenschaft strotzte, aber mit der er ihre Verbundenheit erneut besiegelte. Danach ließ Viktoria ihren Blick nochmals über die Karte schweifen, als ihr scheinbar noch etwas anderes einfiel: „Hast du bei den anderen möglichen Stützpunkten Nachrichten hinterlassen? Ich mein,... wenn nun ebenfalls einzelne Personen nach der Einheit suchen, könnten sie zumindest sehen, dass du schon da gewesen bist. Wir könnten in den Häusern auch nach Farbe oder Sprühflaschen suchen und zumindest an der Uni eine Botschaft hinterlassen, die nur deine Einheit versteht. Vielleicht so etwas wie 'Sergeant Smile' und die Richtung in der wir unterwegs sind oder ein Datum. Es ist doch möglich, dass ihr nur aneinander vorbei lauft...“, gab sie zu bedenken. „Nach Farbe Ausschau zu halten ist sicher eine gute Idee, bis jetzt war ich ja von den ganzen möglichen Punkten nur im Kaufhaus…“ Für einen Augenblick schwieg er, als er sich in eine Vergangenheit, die gar nicht so fern lag, zurückversetzt fühlte. „Leider waren wir nicht so sonderlich gut vorbereitet gewesen, wir standen wohl auch etwas unter Druck und die Umstände waren schwierig… Ich konnte immerhin ein Protokoll zurücklassen, nicht die längste Nachricht, aber wer danach sucht müsste es finden und für Eingeweihte dürfte die Nachricht ziemlich klar sein.“ „Nur im Kaufhaus...“, wiederholte sie leise mit einen flüchtigen Blick über die Karte. „Das ist ja zumindest ein Anfang.“ Für eine Weile saß er nun schweigend da, war in Gedanken wieder in der Tiefgarage über den kleinen Block, der auf der Werkbank lag, gebeugt, brachte seine Gedanken zu Papier, den Verlauf und seine nächsten Pläne, während er hin und wieder auf die Pritsche neben ihm schielte von wo zeitweise ein dumpfes Stöhnen entwich. „Wenn wir sie nicht finden, dann finden sie uns. Dafür werden wir schon sorgen,“ murmelte Viki noch. Ryan schüttelte diese Gedanken wieder ab, drückte wie zu seiner Bestätigung Viktorias Hand, um sich von ihrer Anwesenheit zu überzeugen und sie erwiderte die kleine Geste, indem sie über seine Hand streichelte. Ihre aufmunternden Worte und ihr sanftes Streicheln über seine Hand erreichten ihn, jedoch spürte er auch ihre Sorge die darin wieder sprach. Irgendwann würde er sich seinen Dämonen stellen müssen, im Moment war die Flucht aber noch die bessere Wahl, fühlte er sich derzeit kaum in der Lage dazu, außerdem war derzeit nicht der Platz dafür… Sie sollten wieder in Bewegung kommen, er sollte wieder in Bewegung kommen bevor die Bilder wieder Platz in seinen Gedanken fanden, die Dämonen ihn wieder einholen konnten… Langsam richtete Ryan sich nun komplett auf, half Viktoria in derselben Bewegung mit auf die Beine als er sie an ihrer Hand mit hoch zog. Sie sollten sich wirklich anfangen in Bewegung setzen, bevor sie wirklich noch den besten Zeitpunkt verpassten. „Lass uns langsam unsere Sachen zusammenpacken und uns wieder anziehen, es hilft ja leider alles nichts, aber wir sollten nun los…“ „Du hast wohl recht...“, gab sie noch zu und versuchte nun, da er ihr hoch geholfen hatte, vorsichtig ihr linkes Bein zu belasten und etwas auszutesten, während sie sich noch kurz an ihm festhielt. Skeptisch sah er ihrem ersten Belastungsversuch mit an, die Sorge konnte er nicht wirklich effektiv in seinem Blick verbergen. „Solang ich keinen Hindernisparktour in Bestzeit bewältigen muss, werd‘ ich es bis zum Versteck noch schaffen“, sagte sie mit beschwichtigenden Schmunzeln und ließ ihn dann erst los. Viki sah sich nach ihren Sachen um und zog sich dann zuerst die Hosen wieder an, bevor sie ihren restlichen Kram bei ihren Rucksack versammelte. „Spiel aber bloß nicht die Heldin, dafür sind Krümel nicht gemacht…“, mit einem Schmunzeln genoss er noch den Anblick, wie sie ihre Haut wieder mit der Hose bedeckte. Frech streckte sie ihm kurz die Zunge raus. „Ich werd‘ mich schon melden bevor ich vollkommen zerbrösel“, erwiderte sie mit einem Schmunzeln. Dennoch wollte es Ryan dabei nicht belassen: „Wenn es zu schlimm wird, lass dir von mir etwas geben. Sonst könnte ich dir noch eine Schiene zurecht bauen, was eine weitere Fehlbelastung verhindern würde und die Stelle vielleicht etwas schont, würde dich aber in deiner Beweglichkeit ziemlich einschränken…“ „‘ne Schiene?“, wiederholte sie nur fast entsetzt, „Das... das wird nicht nötig sein“, sagte sie schnell. Ohne ein weiteres Kommentar setzte auch Ryan sich in Bewegung, um sich Shorts und Hose anzuziehen, ehe er sich nach dem verschwundenen Revolver umsah. „Ach, ähm... die Pistole hab ich dort über das 'Kopfkissen' gelegt“, sagte sie fast verlegen nebenbei, als sie hockend alles im Rucksack verstaute. War sie ihm aus dem Bund gerutscht als er seinem unruhigen Schlaf nachgehangen war? Hatte sie Viktoria dann nach hier hinten gelegt? Der Gedanke lag ihm nahe, weshalb er es dabei beließ. Er hob den erwähnten Revolver auf und kontrollierte wie automatisch die Kammern und die Sicherung, ehe er ihn erneut in den Bund schob. Kurz überprüfte er den Sitz der Waffe ehe er sich seinen Schuhen zuwandte und nun gewissenhaft die Messerschneide festzurrte und auch dessen Sitz ein weiteres Mal kontrollierte. Er konnte schließlich gut darauf verzichten es ein weiteres Mal zu verlieren… Viktoria packte unterdessen auch erst die Karte wieder weg, bevor sie sich nochmal auf den Teppich setzte, die Schuhe anzog und den Verband in die Hand nahm. Ihre linke Hand fuhr kurz über die Narbe zwischen ihren Brüsten. Dann begann sie damit, den Verband auf zu rollen. Dennoch sah sie kurz schmunzelnd über ihre Schulter zu ihm. „Ich hätte nicht gedacht, das ich das heute zwei mal machen muss. Das erste Mal hast du ja verschlafen...“, sagte sie frech und sah dann wieder leicht nervös auf den eingerollten Verband. Gerade als er sich seinem Hemd auf dem Tisch zuwenden wollte, hielt er bei Vikis Satz inne und drehte sich zu ihr um, sah mit einem verwunderten Grinsen auf ihren Rücken und dem Gesicht welches sie ihm nun zuwandte. „Wie bitte? Das du das Hemd gewechselt hattest war mir aufgefallen, aber den Anblick hab ich 'Nachts' wirklich verpasst? Du hättest mich wirklich wecken sollen… Hab ich noch mehr spannende Augenblicke verpasst die du mir gestehen solltest?“ Nur bedingt konnte er ein Lachen unterdrücken. Aus den Augenwinkeln grinste sie ihn breit an. „Nichts wichtiges, nur wie ich dich von der Waffe befreite und mich gänzlich frisch gemacht hab. Aber sei nicht traurig, beim nächsten Mal lass ich dich bestimmt helfen. Falls es dich tröstet: Es hat mich ziemlich viel Überwindung und Nerven gekostet“, gab sie mit einem Zwinkern zu, bevor sie sich wieder abwendete. Also hatte sich der Sitz der Waffe doch nicht von selbst gelockert, das er sie im Schlaf verloren hatte. „Ich frage besser gar nicht was du mit der Pistole vorhattest, aber ich scheine ja diese Nacht wirklich etwas verpasst zu haben. Freut mich das ich das nächste Mal teilhaben darf.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Viktoria drehte sich wieder um, zögerte etwas, begann aber dann doch damit sich abermals fest einzuwickeln. Zwischendurch zog sie mit sanfter Gewalt den Verband stramm. „Wirklich Viki?“, seufzte er, als er ihr zusah. „Nein, das klingt falsch…Zu mindestens nicht wie ich es meine.“ Er kratzte sich kurz am Kopf, überlegte sich einen Moment die passenden Worte die er ihr nun schuldete nachdem er unüberlegt, impulsiv das Wort ergriffen hatte. „Ich mein ich versteh den Sinn der Mimikry, eventuell ist man sicherer, wenn man als Mann gehandelt wird… aber schränken dieses enge Wickeln nicht ziemlich ein?“ Er zuckte nur knapp die Schultern, sah ihr weiterhin bei dem fortführen ihres Werkes zu, vielleicht sollte er sich bei solchen Problemen doch lieber nicht einmischen. Viktorias Hände hielten kurz mitten in der Bewegung still. Schweigend wickelte sie dann doch den letzten Rest um sich und machte das Ende wieder fest. Mit leicht gesenkten Kopf zog sie ihr Hemd an. „Man gewöhnt sich dran“, sagte sie trocken und griff sich nun auch Jacke und Schal, um sie anzulegen. Kurz darauf erhob sie sich und schulterte ihren Rucksack. Ausdruckslos sah sie Ryan an. „Ein Sommerkleid wär‘ mir auch lieber, aber bevor ich wieder wie ein hilfloses Stück Fleisch, an dem man sich jederzeit bedienen kann, von irgendwelchen notgeilen Säcken angeglotzt oder gar angefasst werde, bevorzuge ich diese Variante“, sagte sie scharf und mit kurzen durchbohrenden Blick. Danach sah sie sich flüchtig im Raum um, ob sie etwas vergessen hatte. Ihre scharfe aber verständliche Reaktion traf ihn sichtlich, er blieb einige Momente wie angewurzelt stehen, ehe er die Schultern mit einem Seufzer hängen ließ. „Schon okay… Sorry, ich hatte wirklich nicht nachgedacht. Es tut mir Leid…“ Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten wandte Ryan sich ab und zog sich nun auch sein getrocknetes Hemd über. Sammelte noch seine Wasserflasche und die Tüte die gegen das Hyperventilieren benutzt wurde, viel mehr hatte er während ihrem kurzen Aufenthalt nicht ausgepackt. Über seinen Rucksack gebeugt versuchte er für eine kurze Weile seine Erinnerungsstücke ein wenig zu ordnen ehe er sich frustran damit zufrieden gab das sie nun zurück in ihrer Tüte nun immerhin vor Wind und Wetter geschützt waren. „Ich... es...“, stammelte Viktoria plötzlich leise und vermied es ihn anzusehen, auch wenn ihr Blick, der stur auf den Boden gerichtet war, etwas weicher, sowie bereuend wurde. Mit einem Seufzen schloss die Augen. „Es ist besser so...“, murmelte sie dennoch entschlossen und ging zum Metallschrank der vor dem Ausgang stand und begann diesen langsam zur Seite zu schieben. Weiterhin schweigend schulterte Ryan dann sein weniges Hab und Gut, welches bequem in dem Rucksack Platz hatte und machte sich dazu auf Viktoria zum Ausgang zu folgen. Als er sie an dem schweren Metallschrank sah, machte er sich etwas zu übereilt dazu auf ihr bei dem massiven Schrank zu helfen, was ihn auch sogleich mit dem bekannten, stechenden Schmerz belohnte, welchen er jedoch noch gekonnt zu ignorieren in der Lage war. Waren sie durch dieses Hindernis auch hineingekommen? Ryan wusste es zu mindestens nicht mehr mit Sicherheit zu sagen. Lag der Weg hierher doch weiterhin in einem Nebel, sprangen seine Erinnerungen von einem zum nächsten lichten Moment. Fast schon verstohlen versuchte er bei ihrer Tätigkeit, den Schrank aus dem Weg zu schaffen, Viktorias Blick zu erhaschen, sah sich jedoch nicht in der Lage das Eis zu brechen, da er sich in Gedanken immer noch über seine unüberlegte Bemerkung ärgerte. Mit einem plötzlichen Ruck überwand der Schrank auch das letzte Stück. Leicht überrascht schien Viki erst jetzt seine Hände neben ihren zu bemerken. Nun rutschten ihre Hände wenige Zentimeter am Schrank hinab, während sie ihre Stirn an das kühle Metall lehnte, bevor sie ihren Rucksack von der Schulter in ihre Hand rutschen ließ und sich dabei mit den Rücken an den Schrank lehnte. Ihren Blick hielt sie noch gesenkt. Einen Moment presste das Mädchen die Lippen zusammen, bevor sie leise zu sprechen begann: „Es... es tut mir Leid. Ich wollte nicht... ich bin nur leicht nervös...“ bei der Erklärung, versuchte sie zwischenzeitlich in seine Augen zu sehen, auch wenn sie den Blick nicht lange stand hielt. „Du weißt schon,... erstes mal so weit von Zuhause weg und niemand der meine Ratten füttert oder meine Pilze gießt...“, versuchte sie mit einem missglückten, aufgesetzten Lächeln zu ergänzen. Anstatt direkt durch die frei gelegte Tür zu schreiten wartete Ryan geduldig auf ihre Ausführung, seine Augen ruhten ruhig auf Viktorias Gesicht, welches nur hin und wieder seinen Blick direkt erwiderte. Wie sehr sie es bereute in welcher Weise ihre Worte ausgesprochen worden waren, konnte man beinahe schon fühlen. „Schon okay… hör auf. Ich hatte nicht nachgedacht… und du musst dich am wenigsten von uns beiden entschuldigen.“ Ryan hatte deutlich weniger Probleme damit sie geduldig abwartend anzusehen, wobei er ihr wieder ein entschuldigendes angedeutetes Lächeln schenkte, ehe er ihr für einen kurzen Moment seine Hand auf ihre Schulter legte und diese in einer Zustimmenden Geste sanft drückte. Viki legte ihre Hand auf die seine und hauchte einen kurzen Kuss auf diese, bevor Ryan erneut das Wort ergriff: „Manchmal ist mein Mundwerk zu schnell für meine Gedanken, weißt du? Dann spreche ich Sachen aus, weshalb ich mir Sekunden später am liebsten vor den Kopf schlagen möchte… Ich hoffe nur deine Ratten werden ihr Futter schon finden.“ Nicht nur einmal hatte ihn dieser Charakterzug in Schwierigkeiten gebracht, jedoch meistens nur in Zwischenmenschlichen Beziehungen. Seine Arbeit war selten durch seine Impulsive Art negativ beeinflusst worden. Erst bei seiner Erklärung schlich sich wieder ein kleines Schmunzeln auf ihr Gesicht. „Mir geht es genauso. Das hab ich heute doch auch schon oft bewiesen“, sagte leicht verlegen. Leicht bedrückt, sah sie zu ihm auf, während sie ihm ihren Rucksack hinhielt und vorsichtshalber erklärte, was sie jetzt vor hatte: „Nimm am besten meinen Rucksack schon mal mit. Ich schieb‘ das Ding dann wieder vor die Tür, damit sich hier kein Anderer breit macht und folge dir dann durchs kleine Fenster nebenan.“ Danach schaffte sie es sogar ein schwaches, entschuldigendes Lächeln hin zu kriegen, während sie in seine Augen sah. Mit einem kurzen Nicken ließ er ihre Schulter wieder los, um ihren Rucksack entgegen zu nehmen, ehe er einen kurzen Blick auf den Schrank warf. „Sicher dass es mit deinem Bein klappt? Oder soll ich das übernehmen? Oder pass‘ ich nicht durch dieses Fenster nebenan?“ Anscheinend hatte das Eintreten in den Laden, welches nun bereits schon seit einer Ewigkeit her zu sein schien, doch eine akrobatischere Leistung zu Grunde gehabt als er sich gedacht hatte. Viki deutete auf seine Frage hin nur ein Kopf schütteln an. „Nein ich schaff das schon. Ich hab es ja selbst vorhin geschafft und da war ich wesentlich angeschlagener“, meinte sie entschlossen. Dennoch musterte sie ihn kurz mit einem amüsierten Lächeln. „Zudem bin ich mir wirklich gerade nicht sicher ob du durch dieses Fenster kommst. Eigentlich hatte ich nur an deine Verletzung gedacht, aber vermutlich bist du doch zu groß und ungelenk.“ „Zu ungelenkig, eh?“ Ein Schmunzeln glitt über sein Gesicht, ehe er sich aber dennoch willig zum Gehen wandte. Das Versteck schien durch Vik ziemlich gut vor einer versehentlichen Entdeckung geschützt worden zu sein. Ein weiterer Wermutstropfen auf seinem Gemüt, dass sie wegen ihm nun solch ein gut organisiertes Versteck zurücklassen mussten war eine Verschwendung. Als Viki jedoch sah wie Ryan sich dann zur Tür wandte, wurde sie wieder unruhig. „Warte!“, rief plötzlich und schob sich zwischen ihm und die Tür, während sie ihn am Kragen seiner Jacke zu sich zog und sich auf ihre Zehnspitzen stellte. Ihre Lippen versiegelten seinen Atem abrupt, als sich ihre Zunge sanft durch seine Lippen schob, um mit seiner leidenschaftlich zu tanzen. Ihre Hände wanderten dabei in seinen Nacken und seine Haare, während sie den Kuss sichtlich genoss. Als Viki sich ihm in den Weg stellte zog er nur fragend eine Augenbraue hoch ehe er sichtlich überrascht und überrumpelt zu ihr gezogen wurde. Er war froh über Viktorias neu erwachte Forschheit, hatte er doch selbst nach ihrem scharfen Satz den Mut zu so einer Tat nicht mehr aufbringen können, brachte es doch nun wieder etwas Klarheit zwischen ihnen. Für einen Sekundenbruchteil erlag Ryan dem aufwallenden Verlangen und lies ihr Fordern nur zu gerne über sich ergehen, erwiderte den Kuss augenblicklich, ehe sie sich erneut von ihm löste. Viktoria drückte ihn noch einen Moment umarmend an sich: „Egal was du sagst, es tut mir Leid. Dennoch kann ich im Moment nicht anders, ich brauche die Verbände und ich brauch 'Viktor' noch da draußen. Aber hier bei dir ist es was anders. 'Viki' gehört nur dir... Ich gehöre nur dir und das werd‘ ich im jeden Versteck aufs Neue beweisen...“, wisperte nah an seinem Ohr und hauchte noch einen Kuss auf seine Wange, bevor sie sich etwas von ihm löste und einen weiteren kurzen Kuss auf seine Lippen gab. Erst dann ließ sie von ihm ab und ließ ihn vorbei. „Sei vorsichtig“, murmelte sie. Er stand dort wie versteinert, blickte noch einige Momente zu Viktoria hinab, klangen ihre Worte wie ein Echo einige Male in seinen Ohren wieder, ehe er nach dem weiteren Satz sich wieder fing. „Sei du aber auch vorsichtig…Wir sehen uns auf der anderen Seite“, erwiderte er die Floskel ehe er immer noch perplex, von dem plötzlichen Wechsel, vorsichtig nach draußen schritt. Er sah sich gründlich um konnte aber derweil nichts entdecken, hörte nur den Schrank hinter sich der wieder vor die Tür geschoben wurde. Ryan warf seinen Körper an die kühle Steinwand, blickte nachdem er sich davon überzeugt hatte dass die Luft wirklich rein war hinauf in den klaren Himmel. Früher hatte er die Dämmerung fader in Erinnerung, als die Metropole noch bewohnt war und selbst schon abends die Straßen hell erleuchtet waren, konnte man den Zeitpunkt der Dämmerung meistens nicht mal genau ausmachen. Heute kam es einem vor als könnte man noch Meilenweit sehen, die Sonne die im Begriff war am Horizont zu verschwinden tauchte bereits alles in ein fades Licht. ‚Ich gehöre nur dir‘, hallte es in seinen Gedanken wieder und wieder, während er auf Viktoria wartete, ehe er von dem scheppern der Rollladen aufgeschreckt wurde. „Zuerst da lang, alles klar so weit?“, fragte sie leicht nervös. Sein Blick galt Viktoria als er sich von der Wand löste und sich langsam in Bewegung setzte, um ihr ihren Rucksack zu geben. „Du kannst auf mich zählen Krümel. Ich bin soweit fertig und freue mich bei den Versprechungen sogar schon auf das nächste Versteck, aber ich hoffe dass ich dich nicht teilen muss solange du als Viktor unterwegs bist.“ Mit einem Lächeln überquerte er bereits die erste Straße, immer in den Schutz der schattenwerfenden Häuserwände gedrückt. „Es kommt drauf an, Ryry. Wenn du drauf stehst, können wir gerne im Park ‘ne Pause machen und schauen, ob wir jemand drittes finden... Aber leider hast du ja deine Kamera noch nicht...“, erwiderte sie nun mit frechen Grinsen gerade noch laut genug, dass er es mitbekam, während sie ihm folgte. Kapitel 10: Der Aufbruch - Vik ------------------------------ Noch immer lag sie an Ryans rechter Seite gekuschelt. Ihr Herz und Atem hatte sich langsam wieder beruhigt, aber das warme, geborgene Gefühl war ihr geblieben. Viki lauschte seinem kräftigen Herzschlag, während ihr Kopf noch an seiner Brust lag und sie mit der rechten Hand vorsichtig über seine verletzte Seite streichelte. Auch Ryan hielt seine Augen geschlossen während er ruhig da lag, sein rechter Arm verlief unter Viktoria, seine Fingerspitzen glitten abwesend über ihre Flanke, sein Atem ging dabei flach. Hoffentlich hatte er sich dabei nicht zu viel zugemutet. Selbst wenn er es währenddessen nicht gemerkt hatte, so würde sich das später vielleicht rächen. Keiner von den beiden hatte bisher viel gesprochen. Einzig sein Name war ihr stöhnend über die Lippen gekommen. Es war nicht nötig gewesen etwas zusagen, denn das Verlangen nacheinander hatte sie gleichermaßen befallen. So ganz verstand sie immer noch nicht was passiert war. Erst heulte sie bei der kleinsten Berührung, ließ sich dann in seinen Armen trösten und dann fielen sie übereinander her. Bei der ganzen Sache kam sie sich schon ziemlich dumm vor. Seit Monaten hatte sie versucht jedes Gefühl zu unterdrücken, sodass es nun plötzlich alles auf einmal über sie herein brach. Sie seufzte einmal tief, wobei ihr warmer Atem über seine Haut wehte. Es war sonst nicht ihre Art sich gleich irgendjemanden an den Hals zu werfen. Selbst Leon musste zwei Monate auf sie warten, bis sie zum ersten Mal bereit war. Wieder schlich sich ein drückendes Gefühl in ihr Herz, als hätte sie Leon eben betrogen, aber er war nicht mehr da, wie sie sich schmerzlich versuchte klar zumachen. Und nun lag sie bei Ryan, von dem sie nicht viel mehr als seinen Vornamen und seinen Beruf kannte. Dennoch bereute sie es nicht schon jetzt mit ihm geschlafen zu haben. Wer wusste schon, was in zwei Monaten war. Früher hatte man doch alle Zeit der Welt und jetzt konnte man froh sein, wenn man die nächste Woche überlebte. Sie schmiegte sich wieder leicht an Ryan, um den letzten Gedanken los zu werden. Sein Streicheln half ihr dabei, sich wieder zu entspannen. Am liebsten hätte sie hier für immer in seinen Armen gelegen. Die Welt schien so weit weg, genauso wie die ganze Angst, die Gefahr und die Brutalität, die draußen herrschten. Wieder ließ sie ihren Blick zu seinen Hämatomen wandern. Er würde nicht mal Zeit haben es richtig verheilen zu lassen, bevor sie wieder kämpfen mussten. „Ich wünschte, wir könnten uns ewig hier verkriechen...“, sprach sie geistesabwesend ihre Gedanken aus und durchbrach die Stille. Nur ein genießendes und zustimmendes „Hmh“ entrann seiner Kehle. Als sie bemerkte wie bitter ihre Worte geklungen haben musste, sah sie ihn mit einem sanften Lächeln an, das langsam etwas frecher wurde. „... dann würd‘ ich dich jeden Tag so vernaschen“, versprach sie, während sie nun über sein Brustbein hinauf leckte, welches noch angenehm salzig schmeckte. Seine Kehle bedeckte sie mit zärtlichen Küssen, knabberte vorsichtig einmal an ihr und küsste sich zu seinen Lippen hoch. Den Kuss, den sie ihm noch schenkte war sanft, genügsam und liebevoll. Er richtete seinen Oberkörper ein wenig auf, reckte sich so ihrem abschließenden Kuss entgegen, den er nur zu gerne kurz und zärtlich erwiderte. Seine rechte Hand streichelte unentwegt über ihre Seite. Danach sah sie ihm wieder tief in die Augen, während sie ihm eine Strähne aus den Gesicht streichelte, senkte aber dann wieder ihren Blick. Sie wusste genau, dass sie hier nicht für immer liegen konnten. Ihre Wasservorräte war leer und wenn es stockfinster war konnten sie nicht sehen, ob eine Quelle sauber genug wäre, um sie wieder aufzufüllen. Zudem würden Nachts einige Banden wieder aus ihren Verstecken kriechen, um auf Beutezug zu gehen. Denen wollte sie auch nicht gerade in die Arme laufen. Allgemein müssten sie nun zusammen planen, was sie in der nächsten Zeit machen wollten, wohin sie gingen und wo die besten Verstecke zu finden waren. In den südöstlichen Gebieten kannte sie sich noch aus, in den anderen wäre sie auf Ryan oder ihr Glück angewiesen. Noch immer fühlte es sich so an, als könnte alles nur ein Traum sein. Das sanfte Streicheln, der zarte Kuss und wie es überhaupt zu allen gekommen war... es wirkte zu irreal für diese Zeiten. Wenn dem so wäre, wollte Viktoria nie wieder erwachen. Und doch drehten sich ihre Gedanken schon wieder darum, wie sie weiter überleben konnten. Verstecke, Nahrung und die Banden, das alles würde ihr Leben deutlich erschweren. Als Viktoria ihren Blick von ihm abwandte, strich Ryan mit seiner bisher tatenlosen, linken Hand über ihre Wange, bis er sanft ihr Kinn erreichte und sie ohne viel Nachdruck mit einem Finger aufforderte ihn erneut anzusehen, damit er ihr ein weiteres Lächeln schenken konnte. „Das Versprechen klingt doch gut, wir werden zwar nicht hier sein, aber mit solch einer Belohnung im Hinterkopf werde ich doch nur zu gerne dafür Sorgen, dass wir irgendwo immer sicher unter kommen.“ Er ergriff kurzum ihre Hand die zuvor noch vor seinem Gesicht war, hakte sich in ihre Finger ein und drückte sanft ihre Hand. „Zusammen sollten wir das doch nur zu gut schaffen können…“ Als sie warme Hand an ihrer Wange spürte, ließ sie die Bedenken fürs erste wieder fallen und schloss genüsslich die Augen. Ohne zu zögern kam sie der Aufforderung seiner Finger nach, dachte nur leicht beschämt daran, das eine ähnliche Geste vorhin eine ganz andere Wirkung gehabt hatten und das es sie vermutlich erst hierzu geführt hatte. Seine Worte zusammen mit dem Drücken ihrer Hand ließ sie doch leicht verlegen Blick senken. „Ich hoffe es...“, murmelte sie. Es war seltsam sich wieder auf jemanden zu verlassen, aber sie hatte ebenfalls Angst davor ihn verlieren zu können. Dabei kannten sie sich doch kaum, auch wenn sie ihm schon komplett vertraute. Woran das lag wusste sie selbst nicht. Es war wohl sein warmes Lächeln, sein fürsorgliches Wesen, seine humorvolle Art. Alles an ihm hatte sie langsam oder eher schnell in seinen Bann gezogen und nun glaubte sie alles was ihr Soldat ihr versprach. Bei dem Gedanken musste sie doch leicht Schmunzeln. Viki drückte nun ebenfalls fest seine Hand. „Zumindest sind wir ein recht gutes Team“, wiederholte sie seine Worte vom frühen Abend. „Das beste Team und dabei stehen wir noch am Anfang.“ Die Bemerkung war beiläufig an ihre Aussage angeknüpft, seine Augen waren dabei unentwegt stur auf ihr gerichtet. „ ...ein ziemlich lädiertes Team, aber es kann ja nur besser werden“, nuschelnd sie noch an seiner Brust, aber zog ihre ineinander verschränkten Hände näher zu sich und hauchte einen kleinen Kuss auf seinen Handrücken, um die kleine Verbindung zu besiegeln. Kaum zu glauben, das sie heute morgen noch Angst vor der Person hinter der geschlossenen Tür gehabt hatte und sogar überlegt hatte mit den Dolchen auf ihn los zu gehen. Seit dem war so viel passiert und alles hatte sie so überrumpelt. Wenn sie daran dachte war sie noch immer verwirrt. Vor Sonnenaufgang hatte sie alles noch tief in sich vergraben, jedes Gefühl so weit es ging verdrängt, vor jeden Menschen in ihrer Nähe versteckt, um irgendwie überleben zu können und nun lag sie hier an Ryan gekuschelt. Dabei wusste er von ihr genauso wenig, wie sie von ihm. Ihren Vornamen, das sie studieren wollte, eine Andeutung von ihrem Musikgeschmack, ein paar schlimme Geschichten zu ihren Narben, aber mehr auch nicht. Nichtmal ihren Nachnamen kannte er, auch wenn es in dieser Welt irgendwie bedeutungslos war. Was er wohl von ihr nun dachte? Ob er ein ganz anderes Bild von ihr hatte? Was wenn die ganze Sache einfach schief ging, weil sie zu verschieden waren? In ihr machte sich eine andere Art der Unsicherheit breit. „Pratt!“, sagte sie plötzlich eindringlich, während sie ihm in die Augen sah. „Ich... mein... mein Name... Ich heiße Viktoria Pratt“, stammelte sie nun verlegen. Irgendwie war es ihr gerade wichtig gewesen, dass er zumindest das wusste. Ansonsten kam sie sich erst recht vor wie ein billiges Flittchen. Nun fühlte sie sich aber genauso dumm, wie bei der Pfirsich-Sache. Also wendete sie ihren Blick leicht ab und lehnte ihren Kopf doch wieder beschämt an seine Brust und hoffte einfach das er es ignorieren würde oder sie im Boden versank. Unverwandt streichelte seine rechte Hand über ihre Haut, hielt sich so ein kleines Echo ihrer vergangenen Zweisamkeit aufrecht. Wie zur Bestätigung drückte er erneut sanft ihre Hand. „Freut mich Frau Pratt, Operator Ryan Bradon für meinen Teil. Aber Ich hoffe ich darf bei Viki oder Viktoria bleiben?“ Das Streicheln und seine Hand in ihrer zu spüren half zumindest, dass sie sich wieder entspannte. Auch sie genoss die Nähe und das Gefühl nicht mehr allein sein zu müssen. Ihre linke Hand hatte noch an seiner Schulter geruht, fing aber nun doch leicht an mit seinen Haaren zu spielen, als Viki sich einbildete sein Schmunzeln aufgrund ihres Satzes fast schon hören zu können. Zumindest konnte sie sich sein Gesicht dazu schon gut vorstellen. „Natürlich...“, murmelte sie sofort als Antwort auf die rhetorische Frage und war irgendwie erleichtert auch seinen Namen zu erfahren, warum wusste selbst nicht mal genau. „Ich würde es begrüßen, wenn du auch bei Ryan bleibst, aber wahrscheinlich werde ich mich bei jedem deiner Worte angesprochen fühlen, egal ob du mich direkt ansprichst oder nicht.“, fügte Ryan hinzu. „Jeden meiner Worte? Hmm... Hast du denn schon ‘nen peinlichen Spitznamen oder muss ich mir selbst einen ausdenken?“, fragte sie nun doch wieder frech und sah sogar kurz mit kleinen entschuldigenden Lächeln wieder zu ihm auf, bevor sie abermals den Blick abwendete, konnte aber kurz noch sein Schmunzeln erhaschen. Seine rechte Hand strich weiter abwesend über ihre Haut, während er wieder das Wort ergriff: „Peinlich sind mir glaub ich beinahe alle Spitznamen, die ich je besessen habe, aber ich würde mich über einen neuen mit Viki-Siegel sicherlich freuen… In meiner Einheit hing mir ziemlich schnell der Name Sergeant Smile nach… Der dürfte ziemlich selbsterklärend sein.“ Sein in die Vergangenheit gerichtetes Schmunzeln schien wie zur Bestätigung kurz breiter zu werden, besonders als sie sich erneut etwas enger an in schmiegte. „Und mein Bruder brachte mich gerne durch ein kitschig säuselndes Ryry auf die Palme. Familie eben…“, sagte Ryan und wurde daraufhin für einige Sekunden still. Seine Spitznamen zuhören zauberten auch auf ihre Lippen ein kleines Grinsen, wobei sie sich Ryan bei seiner Einheit und bei seinem Bruder vorstellte. Danach drifteten Viktorias Gedanken auch zu ihren Spitznamen, ihrer Familie und den anderen Dingen ab, die sie ihm erzählen wollte. Wahrscheinlich würde es nun so weiter gehen. Stück für Stück würden sie dem anderen mehr von sich erzählen. Dabei lag Viki doch so viel auf der Zunge, was sie am liebsten alles auf einmal los werden wollte. Vom Lieblingsessen, über Hobbys und Familiengeschichten. War es denn überhaupt wichtig, das sie mehr von sich erzählten? Immerhin würde sich alles was sie sagen wollte nur auf ihr 'altes Ich' beziehen und welchen Sinn würde das schon haben? Viki wollte sich ihm noch näher fühlen, aber ging das im Moment überhaupt? Bei dem Gedanken schmiegte sie sich wieder etwas an, als wollte sie ebenfalls an der trauten Zweisamkeit festhalten, Seine rechte Hand verließ ihre Haut, stattdessen fand seine rechte zu ihrem Haar, durch welches er nun langsam streichelte, während sie immer noch beschämt auf seiner Brust ruhte. „Einen Penny für deine Gedanken Viki… Kein Grund Trübsal zu blasen und ebenso kein Grund für dich sich in meiner Gegenwart unbehaglich zu fühlen.“ Viktoria zögerte noch seiner indirekten Bitte nachzukommen, während sie einfach nur mit geschlossenen Augen sein Streicheln genoss. „Ich hab Angst das ich dich enttäusche, wenn du mich kennenlernst... oder du gar keine Gelegenheit dazu hast“, sprach sie nun knapp ihre Gedanken aus und verstärkte kurz den sanften Druck in seiner Hand. Beide Befürchtungen waren durchaus möglich. Das sie starben, bevor sie viel von einander wussten, war wohl wahrscheinlicher, als dass er sie nicht mögen könnte, wenn er mehr von ihr erfuhr, aber für Viktoria waren sie gerade gleich schlimm. Sie erwartete zwar nicht direkt vor der Tür niedergeschossen zu werden, aber des öfteren war sie nur wegen ihrem Glück überhaupt noch am Leben geblieben. Zumindest zweimal hatte man sie hilflos am Boden liegend zurück gelassen, obwohl man sie auch mit Leichtigkeit hätte umbringen können. Ihre Narben zeugten doch auch davon, das sie in diese Welt nicht hingehörte. Bisher kam sie nur relativ gut durch, weil sie sich fast immer an den gleichen Orten versteckte, aber Ryan wollte doch nach jemanden suchen und sie würde ihm nun bedingungslos folgen. Dennoch würde die Umstellung schwierig werden. Unbekannte Gebiete mit neuen Banden, keine bekannten Verstecke, vermutlich mehr Kämpfe, ungewisse Nahrungsversorgung, weniger Schlaf durch die Gefahr... Mal ganz davon abgesehen, dass sie plötzlich wieder ständig jemanden um sich hatte und selbst noch nicht wusste wie sie überhaupt damit klar kam. Trotzdem wollte Viki für ihn das Risiko eingehen. Seit langem hatte sie sich nicht mehr so gut, so lebendig gefühlt und unter keinen Umständen wollte sie das wieder verlieren und sie wollte alles dafür tun, damit es so lang wie möglich so blieb. Innerlich wurde sie leicht nervös, als sie die Worte aussprach und nicht wusste wie Ryan darauf reagieren würde. Ohne ein direktes Wort zu sprechen verließ seine Hand ihre Haare und umgriffen stattdessen ihren Körper um sie etwas zu ihm hochzuziehen, damit er für einen kurzen Moment ihre Lippen mit seinen erreichen konnte, ihr ein stummes Versprechen auf die Lippen zu legen, ehe er sich wieder von ihr löste und sie warm anlächelte. „Weißt du… In solchen Extremsituationen, die wir in der kurzen Zeit schon durchstanden haben, geben die Menschen meist viel mehr von ihrem innersten Wesen Preis als nach monatelangen Gesprächen in ruhiger Umgebung. Meistens unbewusst, aber dadurch auch meist kaum verschleiert oder beschönigend. Ich glaube enttäuschen kannst du mich kaum noch…“ Mit seinen Zeigefinger der rechten Hand strich er kurz über die soeben geküssten Lippen. „Und deine andere Befürchtung werden wir zu zweit schon zu verhindern wissen, ich werde definitiv zur Stelle sein wenn es gefährlich wird und mein bestes geben.“ Das er den Händedruck erwiderte und für einen weiteren Kuss hoch zog ließ sie zumindest die meiste Anspannung von ihr abfallen. Zu gern ging sie auf den kurzen Kuss sein, obwohl ihr Blick noch immer leicht bedrückt war. Seine nächsten Sätze nahmen ihr dann endgültig alle Bedenken. Vermutlich hatte er mit seinen Worten recht. Ihr ging es doch genauso, dass sie glaubte Ryan schon besser als manch anderen zu kennen. Einerseits freute sie sich schon darauf mehr Zeit mit ihm verbringen zu können, selbst wenn es gefährlicher wäre, als sich hier alleine zu verkriechen. Mit sanften Lächeln sah sie ihn dankbar an, schloss kurz die Augen, als sie seinen Finger auf den Lippen spürte und sah ihn danach wieder zu ihm auf. Sie reckte sich kurz und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich danke dir... für alles“, flüsterte sie und sah ihn dann eindringlich an. „Ich werde ebenfalls alles tun was ich kann, damit wir so viel Zeit wie möglich zusammen in Sicherheit genießen können.“ Nun war sie es, die ihr Versprechen mit zärtlichen Kuss auf seine Lippen gab. Kurzes Erstaunen legte sich auf seinen Ausdruck als sie ihm dankte und küsste, ließ sein Lächeln für einen Moment sprachlos werden. „Du, musst mir doch nicht…“ Er brach den Satz ab, nickte nur knapp, während er ihren Kuss für einen Moment erwiderte. „Aber wirklich kein Grund mir zu danken… Ich wüsste nicht mal wofür…“ Das Ryan nun etwas irritiert wirkte, amüsierte sie ein wenig. Immerhin war es ernst gemeint, wo er sie doch aus der selbst auferlegten Einsamkeit geholt hatte. Auch wenn ihre Ängste sie ziemlich mitgenommen hatten, war alles andere es durchaus Wert gewesen. Viki hoffte, dass er ihr weiterhin half ihre Schrecken zu ertragen. Nun konnte sie über sein entschuldigendes Lächeln nur leicht Grinsen. „Weil du einfach da bist...“, sagte sie nur noch. Lächelnd ließ Ryan es darauf beruhen, auch wenn er noch immer etwas verwirrt erschien. „Mit welchen Spitznamen darf ich dich den zudecken? Gefährliche Schönheit? Die mit den Dolchen tanzt?“ Knapp zwinkerte er ihr lächelnd zu. „Gefährliche Schönheit? Ganz wie du meinst... ist zumindest was anderes als 'Krümel' oder 'Vizzi'“, meinte sie mit zurückhaltenden Kichern, bevor sie ihre Spitznamen erklärte. „Naja... ich war ein Einzelkind bis ich zehn war. Mein Vater sagte immer stolz zu Anderen 'unser Krümel geht schon in die Schule!' oder 'unser Krümel ist nun auch im Verein' oder so. Ich war ja nie die Größte und so hat es sich statt 'unsere Kleine' eingebürgert. Und Elli konnte damals kein 'K' aussprechen, wobei aus Viki dann Vizzi wurde, wobei es ebenfalls jahrelang geblieben ist.“ Nur einen Moment hing sie mit melancholischen Lächeln ihrer Erinnerung nach, bis sie ihn wieder frech ansah. „Aber 'Gefährliche Schönheit' oder 'die mit den Dolchen tanzt' klingt auch nicht schlecht, wobei du wohl erstmal nichts vor meinen Klingen zu befürchten hast, wenn du brav bist.“ Ryan Grinsen wurde bei der Erklärung breiter, sogar ein kurzen leises Auflachen entrann seiner Kehle. Seine Hand fuhr wilder durch ihre Haare, sorgte dafür eine kleine Unordnung zu hinterlassen als er die Spitznamen hörte. „Krümel gefällt mir… Aber auch Vizzi, Vizz hat seinen nicht von der Hand zu weisenden Charme. Vielleicht werde ich die in meinen Wortschatz für dich aufnehmen.“ Er zwinkerte ihr knapp zu als er ihr Lächeln sah, wurde seine Hand in ihrem Haar auch wieder sanfter und strich einige durcheinandergebrachte Strähnen wieder in die richtige Bahn. Vik bereute es dann etwas, als er zu Lachen begann und sich ihre Wangen wieder leicht rot färbten. Auch wenn er gerade wieder, wie heute morgen, ihre Haare zerzauste, sah sie ihn nur mit leicht schmollenden Grinsen an, während ihr abermals nur ein kleines protestierendes „Hey“ über die Lippen kam. Ihre Namen waren Viktoria eigentlich ziemlich peinlich, aber irgendwie auch die schönsten die sie zu bieten hatte neben ihren normalen 'Viki'. „Ich hatte so etwas befürchtet, aber ich werd' mich dagegen auch nicht wehren“, sagte sie mit leichten Kichern, während sie die kleine Berührung genoss, als er die Haare wieder in Ordnung brachte. Sie hätte aber nichts dagegen, wenn er den Namen gebrauchen würde, denn ansonsten würden auch diese für immer vergessen werden. „Okay, ab nun werde ich brav sein und mich bemühen artig zu bleiben, nicht das ich doch noch ein Schlag gegen die Rippen bekomme“, stichelte er. Dabei fiel ihr wieder ein, das er zwar von ihr nicht abgestochen werden würde, aber er ja immer noch verletzt war. So ging ihr Blick danach automatisch zu seiner verletzten Seite, bevor sie ihn wieder besorgt ansah. „Wie geht es dir überhaupt? Ist es schlimmer geworden?“, fragte sie fast schon schuldbewusst. Sie hätten sich vielleicht doch noch etwas schonen sollen. Er machte bei ihrer sorgenvollen Nachfrage eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, lass uns da drüber nicht reden. Kein Grund, dass du dir Sorgen machen solltest. Hauptsache dein Bein ist belastbar genug, dass wir uns nachher Wasser holen können, vorher kriegst du aber noch ein Schmerzmittel, damit du es etwas belasten kannst.“ Ob sie Ryan nun glauben sollte, das mit seiner Verletzung alles in Ordnung war, wusste sie nicht. Daher sah sie ihn einen Moment skeptisch an, sagte jedoch dazu nichts weiter. Ein kleines schlechtes Gewissen schlich sich in ihre Gedanken, auch wenn sie ihr kleines Spiel jederzeit gerne wiederholen würde. Als er sie allerdings auf ihr Bein ansprach presste sie nur kurz die Lippen zusammen. „Naja, ich kann es auch erst mal ohne probieren. Bisher musste ich es ja noch nicht belasten. Was sagt denn mein Leibarzt, wie lange werde ich denn mit der Verletzung zu kämpfen haben? Oder musst du erst neue Doktorspielchen durchführen, bevor du das beurteilen kannst?“, fragte sie nun frech, aber eine ernste Antwort erhoffte sie sich trotzdem. Gerade ihre Agilität war ihre größte Stärke, wenn sie die auf Dauer einbüßen musste, würde die nächste Zeit kompliziert werden. „Ich flicke eher als das ich genaue Prognosen stelle, aber einige Wochen kann es unbehandelt schon noch Probleme machen… Das Antibiotikum ist nicht gerade das Mittel der Wahl, verhindert es einfach nur das die Entzündung nicht systemisch wird, also auf deinen ganzen Kreislauf übergreift. Wenn wir jedoch noch irgendwo Cortison oder ein NSAR wie Aspirin finden würden. Würde es ziemlich zügig wieder voll belastbar sein.“ Einen Moment schwieg er nach seiner Ausführung nachdenklich, ehe er Viktoria nun knapp zu zwinkerte und er seinen Satz beendete: „Wobei weitere Doktorspielchen einer genaueren Diagnose sicherlich hilfreich wären.“ Viki runzelte die Stirn. Das es einige Wochen dauern könnte, gefiel ihr gar nicht und so wie es klang, wäre das andere Zeug wohl schwerer zu besorgen. Zumindest verstand sie wieder kein Wort von seinem Gefasel, außer das sie ohne die Sachen Ryan sicherlich nur bei seiner Reise aufhielt. Sein nächster Satz lenkte sie jedoch hinreichend von diesen trüben Gedanken ab, wo sie doch an den 'Doktorspielchen' mit ihm durchaus gefallen gefunden hatte. „Apropos, sollten wir uns glaub ich demnächst noch aufmachen, die Dämmerung sollten wir ausnutzen können: Einigermaßen gute Sicht, aber genug um sich effektiv vor fremden Augen verbergen zu können.“, gab Ryan zu bedenken. Über ihre Hände, die immer noch miteinander verschränkt waren, zog er Viktoria ein wenig mehr zu sich. Lächelte ihr schnurgerade ins Gesicht. „Wobei es mir schon ziemlich schwerfällt wieder in Bewegung zu kommen…“ Während Ryan nun das Thema ansprach, das sie am liebsten verdrängt hätte, entwich ihr ein Seufzen. Anscheinend hatte die harte Realität sie wieder. Dennoch nickte sie nur bei seinem Vorschlag, klang es doch recht vernünftig bald aufzubrechen. Umso überraschter war sie, als er sie zu sich zog. Bei diesem Lächeln konnte sie nicht anders als es mit frechen Blick zu erwidern. Viki legte sich wieder gänzlich auf ihn, schmiegte sich leicht an und wisperte sinnlich: „Zu schade, aber ich kenne noch Aktivitäten wo nur ich mich Bewegen muss, falls dir das lieber ist.“ Zärtliche Küsse verteile sie nun von seinen Lippen, Mundwinkel, Wange bis zu seinen Ohr. „Ich hätte zudem nichts dagegen einfach einen Tag länger hier zu bleiben und einfach so weiter zumachen“, flüsterte sie und beugte sich wieder über seinen Hals, auf den sie nun einige sanfte Küsse hauchte und hier und da mal daran knabberte. Ryan schloss erneut seine Augen, erwiderte ihren Kuss auf seine Lippen nur zu gerne, hielt sie kurz bei ihm, als er ihre Lippen für einen Moment zwischen seinen gefangen hielt. „Ein wirklich sehr verlocken…“ Sein Satz wurde von einem kurzem Ächzen unterbrochen, als Viki sich seinem Hals widmete. „…verlockendes Angebot von dir Vizz.“ Besonders, dass sie es geschafft hatte seinen Satz zu unterbrechen ließ sie zwischendurch frech grinsen, bevor sie noch einen Augenblick weiter seinen Hals liebkoste. Auch das er sie nun tatsächlich 'Vizz' nannte brachte sie noch kurz zum leisen Kichern. Dann legte sich wieder ein freches Lächeln auf ihre Lippen: „Hmm~. ... aber ohne Wasser krieg‘ ich die nächsten 'Ryan-Burger' wirklich nicht runter.“ Als sie ihn wieder ansah schenkte sie ihm ein Zwinkern und einen kurzen Kuss, bevor sie sich langsam aufrichtete und dabei ihre Fingerspitzen der linken Hand von seiner Schulter bis zu seinen Bauch streichelten. Nun genoss sie kurz den Anblick, wie er unter ihr lag und verschob die Gedanken, die ihr gerade in den Sinn kamen widerwillig auf ein anderes Mal, als sie sich von ihm löste. Während sie im zuzwinkerte antwortete er mit einem warmen Lächeln, streckte seinen Hals weit vor um dem Kuss so lang es ging zu folgen ehe er sich unter ihrer Berührung wieder sinken ließ, dabei mit einem genießenden Grinsen zu ihr aufsehend. Jedoch entfuhr ihm ein kurzes missfallendes Seufzen als Viktoria sich nun von ihm löste, widerwillig setzte auch er sich langsam auf. Ryans Missfallen teilte sie durchaus, aber die Dämmerung setzte schon bald ein. „Du hast gesagt, dass wir gleich los müssen“, erinnerte sie ihn mit einen Schmunzeln. „Im nächsten Versteck können wir das gerne weiter fortführen...“, meinte sie noch. „Bevor wir uns aber aufmachen möchte ich dir noch meinen größten Schatz zeigen“, sprach sie mit einem Schmunzeln weiter und sah sich dann nach ihren Schuhen um, während sie sich gänzlich von ihm löste. Als sie sich den achtlos weggeworfenen Schuhen zuwendete und sie zu sich zog, konnte sie sich seine Verwirrung schon vorstellen. Dennoch sagte sie erst mal nichts, entfernte die Einlegesohlen und zauberte dann jeweils eine Hälfte einer Stadtkarte aus jedem Schuh, ordentlich in Folie vor Nässe und Gerüchen geschützt. Mit diesen Karten kroch sie wieder zu ihm und breitete sie neben ihnen aus. Das er ständig im Gebrauch war, sah man dem Plan durchaus an, da er ziemlich abgegriffen, an einigen Stellen eingerissen und mit Tesafilm erneut geflickt worden war. „Ich bewahr‘ sie lieber da auf, bevor sie mir mit dem Rucksack geklaut werden“, sagte sie schon mal mit einem entschuldigenden Lächeln. Zuerst sah Ryan noch gespannt zu, was sie nun herauszog, aber sein Blick wurde merklich desinteressierter, als er die Karte erkannte. Es war ein detaillierter Straßenplan, auf denen mit Bleistift einige Kreise gezogen waren, an denen sich Kürzel befanden. Zudem waren viele Häuser mit einem 'x' weg gekreuzt, einige mit Rufzeichen markiert und andere mit Kreisen umkringelt. Auffällig war, das die meisten dieser Informationen sich nur auf die Bereiche des südwestlich gelegenen, mittelständischen Evans und südöstlichen gelegenen, wohlhabenden McNamara-Viertel, sowie ein wenig auf die südöstlichen Bereiche des nordöstlich gelegenen, Unterhaltungs- und Bildungszentrums des Dickinson-Viertels und östlichen Teil des ärmlichen Douglass-Viertels, welches westlich vom mittelständischen Evans-Viertel lag, bezogen. Im südöstlichen Teil des nordwestlich gelegenen Ford-Industriegebiets waren ebenfalls einige Informationen versammelt, auch wenn es deutlich weniger war. Einen Moment wanderten ihre Augen selbst über die Karte, bevor sie ihn einweihte und dabei hin und wieder mit dem Finger über die Karte fuhr: „Wir haben recht früh angefangen Informationen hier einzutragen. Meine Freunde und ich haben schon abgeklapperte Häuser, in denen nichts mehr zu finden war, weg gekreuzt. Andere Häuser mit Essensvorräten haben wir mit Kreisen markiert, damit wir wussten zu welchen Häusern wir zurück können, um sie irgendwann erneut auszuspionieren, wenn wir von dort übereilt aufbrechen mussten, so wie heute morgen zum Beispiel. Größere Gang-gebiete zeichne ich mit Bleistift ein und kann zumindest sehen welche Bereiche ich meiden muss, wenn ich lange nicht mehr in der Gegend war. So kann ich auch bis auf die Straße genau Auffälligkeiten eintragen und schauen welche Banden an Macht gewinnen oder verlieren. Im Evans- und McNamara-Viertel bin ich am häufigsten, früher war ich mit Freunden im Ford-Industriegebiet. Wir befinden uns hier bei dem Rufzeichen, die einige meine Verstecke markieren. Also wir sind direkt am Stadtrand des McNamara-Viertels, recht zentral auf Höhe des südlichen Endes des Parks, wo es noch sehr ruhig ist. Wie du hier siehst, sind die 'Wölfe' im Zentrum vom Park, sowie östlich davon recht aktiv. Wir sollten also das Gebiet weiträumig umgehen und uns höchstens an den westlichen Rand des Parks wagen, um Wasser zu suchen. Die Wölfe sind fast noch umgängliche Gesellen, aber sie fackeln nicht lange, wenn sie vermuten, dass jemand das Virus hat... daher könnte es gefährlich werden, wenn sie sehen das wir verletzt sind. ... Naja, also wir könnten hier im Südwesten der Universität entlang gehen, kommen aber dann an der U- Bahnstation vorbei. Der ist leider auch kein schöner Ort, weil viele Leute die U-Bahnen-Tunnel nutzen. Klüger wäre es wohl, nach dem Park den langen Weg um die Uni herum an den Grenzen entlang zu gehen. Am südlichen Parkende gibt es aber Gerüchte über eine neue Gang, die ich leider noch gar nicht einschätzen kann. Aber erst mal... wo willst du überhaupt hin?“, fragte sie dann mit kleinem Schmunzeln und sah ihn aus den Augenwinkeln an, als ihr einfiel, dass sie ja keine Ahnung hatte, was er nun eigentlich vor hatte. Dabei bemerkte sie, wie sein anfangs fast gelangweilter Blick sich änderte und ihr Grinsen wurde nur noch breiter. Er schien überrascht zu sein, dass sie auf die Idee mit der Karte gekommen waren, dabei war es doch durchaus praktisch, um den Überblick über durchsuchten Gebäude zu behalten. „Beeindruckt?“, fragte sie knapp mit einen Schmunzeln. „Die Karte ist zumindest ein guter Zeitvertreib für lange Nächte. Die Straßen hier in Süden kenn‘ ich eigentlich alle blind“, sagte sie noch mit einen Schulterzucken. Ein kurzes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.„Ziemlich Beeindruckt, von einem Krümel hätte ich etwas anderes erwartet, ich sehe schließlich gar keine Smiles eingezeichnet… Aber ich hoffe, dass wir in langen Nächten andere Ablenkungen finden als in Karten rumzukritzeln…“ Ein kurzes, keckes Zwinkern galt ihr noch, ehe er sich seinen Erklärungen auf der Karte widmete. Dennoch wand seinen Blick von der Karte ab, als er weiter sprach: „Naja, ich war dabei die größeren Gebäude abzusuchen, weshalb ich eine Weile mit meinem Bruder im Einkaufzentrum festhing… Sicher nicht die sichersten Orte, aber wenn es noch Reste von meinem Trupp, dem Militär und der Polizei als solches außerhalb von dem Militärstützpunkt gäbe, hätten sie sicher eines der größeren Gebäude als eine Art Notfallzentrum gesichert. Dort hätte man Platz für Material, Versorgung und Menschen, die Unterschlupf suchen, ebenfalls wäre es gut zu sichern und gegen die Gangs zu verteidigen solang man eine ausreichend große Truppenstärke hat…“ Kurz tippte er auf die größeren Zentren auf der Karte: Das Einkaufzentrum, die Universität, das Stadion, das Fabrikgebäude und das Krankenhaus. Ehe er mit seinem Finger einen Kreis gegen den Uhrzeigersinn zog. „Ich wäre nun in Richtung der Universität vorgegangen, Stadion, Krankenhaus und so weiter. Bezüglich der Medikamente wäre das Krankenhaus eine gute Anlaufstelle. Dort wurde sicher als erstes geplündert, jedoch wäre dies ebenfalls der Ort wo das Militär nach dem Ausbruch als erstes aufgetaucht wäre, die Frage ist nur ob sie rechtzeitig und mit ausreichend Mann dort waren…“ Erst als er von seinen Plänen erzählte, konnte sie sich ihn wieder besser als Soldat vorstellen, aber Vik fragte sich ein wenig, wie es weiterging, wenn er seine Leute fand. Würde er allein mit ihnen weiter ziehen oder versuchen die Stadt irgendwie wieder unter Kontrolle zu bringen? Was würde dann mit ihr passieren? Würde sie bei anderen 'Zivilisten' irgendwo abgeschoben? Auch wenn sich gerade ein mulmiges Gefühl in ihr breit machte, war sie es nun, die konzentriert seinem Finger auf der Karte mit den Augen verfolgte. „Also willst du zum Krankenhaus...“, wiederholte sie kurz und schaute wieder auf den Plan. „Von der Ecke weiß ich nicht so viel, aber wir können uns vorher schon mal einen Weg überlegen. Am besten gehen wir hier im Viertel noch an der Grenze zum Zentrum vorbei, dann ist an der Ecke zum Evans-Viertel noch ein Versteck. Ich weiß nicht ob es sicher ist, aber ein paar Dosen und Packungen Zigaretten hab ich da zurückgelassen und wenn es gut läuft, können wir dort wieder eine längere Pause einlegen. Von dort können wir direkt beim Zentrum weiter und ins nächste Gebiet. So umgehen wir zumindest wieder die U-Bahnstation. Aber alles jenseits des Verstecks ist für mich auch wieder Neuland und einige Gangs könnten uns zu Umwegen zwingen“, überlegte sie nun laut und ließ ihren Blick weiter wandern. „Meinst du wir finden im Krankenhaus deine Leute? Oder vielleicht noch was von dem NASIR-Cortion-Zeugs für mich?“, fragte sie erst hoffnungsvoll, konnte sich aber seine Antwort auf letzteres schon denken. Vermutlich würde es im Krankenhaus nicht mal mehr einen Verband geben. „Ehrlich gesagt sehe ich für beides die Chance, in der Universität darauf zu stoßen für wahrscheinlicher. Bis die Regierung das Militär mobilisiert bekommen hat war das Krankenhaus sicher schon komplett leer geräumt, das war sicher das erste Ziel der ganzen Plünderungen, wie ich gerade schon angedacht hatte.“ Er tippte knapp auf die Uni, sah daraufhin wieder zu Viktoria. „Ich denke dort sind die Erfolgsaussichten mit am größten. Wie gesagt, gut zu verteidigen und viel Platz. Am Anfang des Ausbruchs für Plünderungen sicher kein lohnendes Ziel. Wer will schon zurück in die Universität? Vielleicht wurde dort ein wenig randaliert und die Mensa leergeräumt. Alles flüchtig genug, das es sich für das Militär lohnen würde es wieder herzurichten und in ein Fort zu verwandeln. Viel Platz für Verletzte und so weiter. Auch ist in solch einer großen Universität meist ein kleines Krankenzimmer mit ein wenig Erste Hilfe Zubehör.“ Kurz schmunzelte er, bevor er ihr erklärte: „Vielleicht wurde etwas von den Medikamenten übersehen, bis auf das die Medikamente tolle Fachwörter haben ist an ihnen nichts besonderes, stinknormales Ibuprofen, Aspirin und so weiter, auf Cortison kann man gut verzichten.“ „Hmm... so wie du das sagst, klingt die Uni sogar recht logisch. Ich wär‘ da wohl auch nicht drauf gekommen“, gab sie zu. Eine Universität hatte wirklich nichts was noch groß interessant war. In Sporthallen wurden ja auch bei anderen Katastrophen oft die Bevölkerung untergebracht, in den Unterrichtsräumen war ebenfalls Platz. Kurz kam ihr die Musikfakultät in den Sinn. Ob es dort noch Instrumente gab? Vielleicht sogar eine Violine? In ihr wuchs plötzlich der Wunsch das unbedingt herauszufinden, wenn sie eh schon dahin unterwegs waren! Aber das Krankenzimmer war gerade ebenso interessant, obwohl da wohl noch weniger Chancen waren etwas zu finden. Es wäre aber auch möglich, dass sie in einen der Häuser noch etwas fanden. „Wenn es nur um Aspirin geht, dann sollten wir unterwegs in einigen Häusern vorbei schauen. Einige Häuser sind so gut ausgestattet, wie ‘ne kleine Apotheke, man muss dabei nur Glück haben.“ Auch diese Häuser warteten nun darauf entdeckt zu werden. Gerade in dem Bereich hatte sie kaum gesucht und hatte es eigentlich auch nicht vorgehabt. Immerhin hatte sie im südöstlichen Bereich des Industriegebiets gewohnt, welches direkt neben dem Dickinson-Viertel lag, und hatte etwas Angst wieder in die vertrauten Straßen zurück zu kehren. Plötzlich senkte Ryan wieder kurz einen Blick. „Ich will ehrlich sein, das alles ist nur eine Idee, nicht mehr, nicht weniger. Eine kleine Hoffnung und Spekulation meinerseits… Wahrscheinlich ist es alles nur eine Seifenblase, die ich mir Wünsche. Eventuell, eher sogar wahrscheinlich, gibt es meine Einheit gar nicht mehr, auch das es noch eine Obrigkeit gibt die alles wieder versucht unter Kontrolle zu bringen bezweifle ich“, ein Seufzer entfuhr ihm ehe er wieder die Worte fand, „Mein Plan ist wahrscheinlich dumm und auch alles andere als ungefährlich, zu mindestens deutlich gefährlicher als nur von Versteck zu Versteck zu pendeln… Und das nicht mal mit einer großen Chance auf Erfolg…“ Besorgt sah sie ihn an, konnte sie seine Bedenken durchaus verstehen. Hätte sie noch jemanden gehabt nachdem sie hätte suchen können, hätte sie es vermutlich ebenfalls gemacht. Nun nahm sie wieder seine Hand und drückte sie, während sie ihm mit aufmunternden Blick ansah: „Ist schon okay. Ich würde es genauso machen. Irgendwann sind die Häuser im Süden eh alles abgegrast, dann hätte ich auch weiter ziehen müssen. Soweit es geht werde ich dich begleiten und dir helfen. Wer weiß, vielleicht haben wir ja tatsächlich noch etwas Glück und finden jemanden. Mich hast du ja auch gefunden, auch wenn du nach mir nicht direkt gesucht hast... und vermutlich sind meine Chancen bei dir immer noch besser, als wenn ich weiter allein ‘rumziehe“, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. Hoffentlich konnte sie Ryan ein klein wenig beruhigen. Immerhin meinte sie jedes Wort so, wie sie es sagte. Alleine würde sie auf Dauer wirklich nicht durchhalten, aber mit ihm fühlte sie sich sicher. Allein die paar gemeinsamen Stunden waren alle kommende Gefahren schon Wert gewesen. Nun war Ryan es, der Viktorias Hand hochzog und einen knappen dankbaren Kuss auf ihre Hand pflanzte, ehe er die Kraft fand ihren Blick wieder zu erwidern. Viki konnte sich kaum vorstellen, wie es sein musste in dieser Stadt noch nach jemand suchen zu müssen. Allein die Größe machte so ein Unterfangen fast unmöglich. Mit den ganzen Gefahren sank die Wahrscheinlichkeit wohl wirklich gegen Null, noch jemand lebend zu treffen. Dennoch konnte sie verstehen, das Ryan die Hoffnung nicht aufgeben konnte. Vielleicht konnte sie ihm ein wenig Trost und Beistand wiedergeben, den er ihr schon geschenkt hatte und es ihm so etwas leichter machen. Daher legte sich aufgrund seines Handkusses nun ein warmes Lächeln auf ihrer Lippen und Erleichterung machte sich in ihr breit, als er sie endlich wieder ansah. „Und wie froh ich bin dich gefunden zu haben… Ob deine Chancen mit mir sehr viel besser werden kann ich dir jedoch nicht versprechen, wenn wir wirklich diese Route nehmen wollen wird es auf jeden Fall gefährlicher werden als bisher in deinen Verstecken.“ Ein weiteres zögerliches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Wir werden auf jeden Fall gegenseitig auf uns aufpassen, das kann uns ja eigentlich nur noch besser gelingen als bisher… Aber das wir die Häuser, die sicher aussehen auf den Kopf stellen sollten, klingt nach einem guten Plan, grade weil die Medikamente ja doch ziemlich geläufig sind und für Junkies dann ja doch eher in die uninteressante Sparte fallen.“ Viki nickte nur bei seinen Worten. „Zusammen schaffen wir das“, sagte sie nur bestätigend, auch wenn sich wieder ein kleines mulmiges Gefühl in ihr ausbreitete. Sie hatten beide schon so viel schlimmes erlebt, mehr würde zumindest Viki nicht verkraften. Für einen Moment erwiderte er ihren Händedruck, ehe er sich ein letztes Mal der Karte zuwandte. „Also du meinst am sichersten wäre es als erstes nun westlich am Park entlang zu gehen und nach Wasserstellen zum Auffüllen Ausschau halten, zweitens vor der U-Bahn Station östlich, Richtung Universität und dann nördlich in dem Versteck untertauchen, ehe wir die Uni in Angriff nehmen?“ Während er sprach zeichnete sein Finger auf dem Plan die Strecke ab so wie er Viktoria davor in ihren Ausführungen verstanden hatte. Kurz sah sie noch besorgt zu ihm, aber er wandte sich schon der Karte zu. So verfolgte sie nun wieder die Route mit den Augen und nickte. „Das wäre wohl die beste Möglichkeit. Wir könnten auch an der äußeren Grenze vom McNamara-Viertel entlanggehen. Der Weg wäre kürzer, aber ich weiß nicht wie groß der Einfluss der Wölfe im östlichen Park schon ist. Das herauszufinden hatte ich mir für nächste Woche vorgenommen“, gab sie schmunzelnd zu. Sie war aber auch nicht böse drum, zumindest dieser selbst gestellten Aufgabe aus den Weg zu gehen. Die nächste Zeit würde aber schon aufregend genug werden. „Ich denke wir sollten westlich im Park vorangehen, dort hätten wir eine höhere Chance auf saubere Wasservorräte. Ich denke speziell an Brunnen die nun das Regenwasser aufgefangen haben und wir könnten uns so eventuell länger vor den Wölfen versteckt halten“, schlug Ryan abermals vor und Viktoria nickte nur zustimmend, als er nochmals den westlichen Weg vorschlug. Vermutlich hatten sie da wirklich die besten Chancen schnell und ohne Zwischenfälle zum nächsten Versteck zu kommen. Als Ryan sich ihr wieder zuwandte und leise seufzte, sah sie ihn nochmals eindringlich an, während sie seine Hand drückte und auch ihre andere auf seine legte. „Ryan, ich weiß wie wichtig es für dich ist. Und bitte... denk immer dran, falls... falls doch was passiert... ich weiß das es gefährlich wird und es ist meine eigene Entscheidung mit dir zu kommen.“ Es war ihr wichtig, dass er das auch wirklich realisierte. Wenn wirklich etwas passieren sollte, wollte sie auf gar keinen Fall, dass er sich auch noch Vorwürfe machte. Vermutlich würde er es dennoch machen, aber sie wollte es unbedingt gesagt haben. Viki konnte es ihm schon ansehen, dass er es darauf nicht beruhen lassen wollte. Umso dankbarer war sie, als er dann doch nur nickte und sie nochmals seine Lippen spüren durfte. Erst dann machte sich auf ihren ernsten Gesicht ebenfalls wieder ein kleines Lächeln breit. Sie ließ ihren Blick nochmals über die Karte schweifen, als ihr noch etwas anderes einfiel: „Hast du bei den anderen möglichen Stützpunkten Nachrichten hinterlassen? Ich mein,... wenn nun ebenfalls einzelne Personen nach der Einheit suchen, könnten sie zumindest sehen, dass du schon da gewesen bist. Wir könnten in den Häusern auch nach Farbe oder Sprühflaschen suchen und zumindest an der Uni eine Botschaft hinterlassen, die nur deine Einheit versteht. Vielleicht so etwas wie 'Sergeant Smile' und die Richtung in der wir unterwegs sind oder ein Datum. Es ist doch möglich, dass ihr nur aneinander vorbei lauft...“, gab sie zu bedenken. Für sie klang es zumindest recht logisch. Man versuchte ja so schon sich vor allen und jeden zu verstecken, wie sollte man da jemanden ernsthaft wieder finden oder gar selbst gefunden werden, wenn man keine Brotkrumen auslegte? „Nach Farbe Ausschau zu halten ist sicher eine gute Idee, bis jetzt war ich ja von den ganzen möglichen Punkten nur im Kaufhaus…“ Für einen Augenblick schwieg er bedrückt ehe er zögerlich weiter sprach: „Leider waren wir nicht so sonderlich gut vorbereitet gewesen, wir standen wohl auch etwas unter Druck und die Umstände waren schwierig… Ich konnte immerhin ein Protokoll zurücklassen, nicht die längste Nachricht, aber wer danach sucht müsste es finden und für Eingeweihte dürfte die Nachricht ziemlich klar sein.“ Auch danach saß er für eine Weile nun schweigend da. „Nur im Kaufhaus..“, wiederholte sie leise in Gedanken. „Das ist ja zumindest ein Anfang“, aber mit einen flüchtigen Blick über die Karte wurde ihr wieder bewusst, dass es so viele verschiedene Orte gab, wo sich seine Einheit aufhalten konnte. Dennoch wollte sie ihm so gut es ging helfen das meiste schnell abzulaufen. Mit den jetzigen Vorräten würden sie erst mal ein gutes Stück voran kommen, bevor sie regelmäßig gezwungen waren nach neuen Konserven Ausschau zu halten. Erst als Ryan von der Nachricht erzählte, schlich sich ihr ein leiser Gedanke ein, warum er erst jetzt nach seiner Einheit suchte. Er hatte doch gesagt, dass im Kaufhaus sein Bruder noch bei ihm gewesen war, den er anscheinend erst vor Kurzem verloren hatte. Das er nun schwieg ließ sein Leid und die dunkle Ahnung, was passiert war nur noch greifbarer werden, woraufhin Viki nichts anderes zu tun wusste, als über seine Hand zu streicheln. Sollte sie danach fragen? Aber er schien so schon damit zu kämpfen, sie wollte ihn nicht weiter damit konfrontieren. Sollte sie ihn ablenken? Aber wie und womit? „Wenn wir sie nicht finden, dann finden sie uns. Dafür werden wir schon sorgen,“ murmelte sie noch aufmunternd, um überhaupt irgendwas zu sagen, auch wenn sie nicht wusste ob es überhaupt half. Langsam richtete Ryan sich nun komplett auf, nachdem er ihre Hand nochmals gedrückt hatte und half Viktoria dann in derselben Bewegung mit auf die Beine, als er sie an ihrer Hand mit hoch zog. „Lass uns langsam unsere Sachen zusammenpacken und uns wieder anziehen, es hilft ja leider alles nichts, aber wir sollten nun los.“ Ihre Sorgen wurden von seinem Druck etwas unterbrochen. Wie zur Bestätigung erwiderte sie die kleine Geste. Sie war erleichtert und enttäuscht zu gleich, als er zum Aufbruch drängte. „Du hast wohl recht...“, gab sie noch zu und versuchte nun, da er ihr hoch geholfen hatte, vorsichtig mehr ihr linkes Bein zu belasten und etwas auszutesten, während sie sich noch kurz an ihm festhielt. Auch wenn die lange Pause durchaus gut getan hatte, so war die stärkere Belastung, als sie Ryan gestützt hatte, wohl nicht sehr förderlich gewesen. Zumindest tat es noch immer etwas weh, großartige Sprünge oder Klettern würden wohl schwieriger werden. Laufen würde aber vielleicht noch gehen. „Solang ich keinen Hindernisparktour in Bestzeit bewältigen muss, werd‘ ich es bis zum Versteck noch schaffen“, sagte sie mit beschwichtigenden Schmunzeln und ließ ihn dann erst los, nachdem sie seinen sorgenvollen Blick bemerkt hatte. Viki sah sich nach ihren Sachen um und zog sich dann zuerst die Hosen wieder an, bevor sie ihren restlichen Kram bei ihren Rucksack versammelte. „Spiel aber bloß nicht die Heldin, dafür sind Krümel nicht gemacht…“, sagte er mit einem Schmunzeln und beobachtete sie kurz dabei, wie sie sich anzog. Frech streckte sie ihm kurz die Zunge raus. „Ich werd‘ mich schon melden bevor ich vollkommen zerbrösel“, erwiderte sie mit einem Schmunzeln. Dennoch wollte es Ryan darauf nicht belassen: „Wenn es zu schlimm wird, lass dir von mir etwas geben… Sonst könnte ich dir noch eine Schiene zurecht bauen, was eine weitere Fehlbelastung verhindern würde und die Stelle vielleicht etwas schont, würde dich aber in deiner Beweglichkeit ziemlich einschränken.“ Viktoria war doch leicht sprachlos als er die Schiene ansprach. „‘ne Schiene?“, wiederholte sie nur fast entsetzt. „Das... das wird nicht nötig sein“, sagte sie schnell. Da könnte sie sich ja gleich von ihm tragen lassen oder als Schießübung an die Straße stellen. Viki würde schon dafür sorgen, dass sie bald das dumme Aspirin in die Hände bekamen und wenn sie dafür jedes Haus umkrempelten, an dem sie vorbei gingen. „Ach, ähm... die Pistole hab ich dort über das 'Kopfkissen' hingelegt“, sagte sie fast verlegen nebenbei und hoffte das er nicht weiter darauf einging. Während sie hockend alles im Rucksack verstaute, was sie nicht mehr brauchte, achtete sie darauf,das die Wasserflasche und das weiße Hemd schnell erreichbar waren. Vielleicht hatte sie Glück und konnte das Hemd draußen noch irgendwo auswaschen, wenn sie eine Stelle fanden, die zwar zum trinken zu verschmutzt, aber ansonsten noch in Ordnung war. Ohne ein weiteres Kommentar setzte auch Ryan sich in Bewegung sich Shorts und Hose anzuziehen, ehe er den erwähnten Revolver aufhob und wie automatisch die Kammern und die Sicherung kontrollierte, bevor er ihn erneut in den Bund schob. Kurz überprüfte er den Sitz der Waffe, ehe er sich seinen Schuhen zuwandte und nun gewissenhaft die Messerschneide festzurrte und auch dessen Sitz ein weiteres Mal kontrollierte Viki packte die Karte wieder weg, bevor sie sich nochmal auf den Teppich setzte, die Schuhe anzog und den Verband in die Hand nahm. Es war wirklich seltsam gewesen, wie schnell sie Ryan vertraut hatte und sich ihm gänzlich zeigte. Ihre linke Hand fuhr kurz über die Narbe zwischen ihren Brüsten, während ihr diesmal nur die Bilder in den Kopf kamen, wie er sie zärtlich liebkost hatte. Langsam begann sie mit gemischten Gefühlen den Verband aufzurollen. Dennoch sah sie kurz schmunzelnd über ihre Schulter zu ihm. „Ich hätte nicht gedacht, das ich das heute zwei mal machen muss. Das erste Mal hast du ja verschlafen“, sagte sie frech und sah dann wieder leicht nervös auf den eingerollten Verband. Gerade als er sich seinem Hemd auf dem Tisch zuwenden wollte, hielt er bei Vikis Satz inne und drehte sich zu ihr um, sah mit einem verwunderten Grinsen auf ihren Rücken und dem Gesicht welches sie ihm nun zuwandte. „Wie bitte? Das du das Hemd gewechselt hattest war mir aufgefallen, aber den Anblick hab ich 'Nachts' wirklich verpasst? Du hättest mich wirklich wecken sollen… Hab ich noch mehr Spannende Augenblicke verpasst, die du mir gestehen solltest?“ Nur bedingt konnte er ein Lachen unterdrücken. Noch war sie dabei den Verband auf zu wickeln, als er wie erwartet ziemlich verwundert reagierte. Bei seiner Frage und dem Lachen konnte sie nicht anders, als nochmal aus den Augenwinkeln mit breiten Grinsen zu ihm zu sehen. „Nichts wichtiges, nur wie ich dich von der Waffe befreite und mich gänzlich frisch gemacht hab. Aber sei nicht traurig, beim nächsten Mal lass ich dich bestimmt helfen. Falls es dich tröstet: Es hat mich ziemlich viel Überwindung und Nerven gekostet“, gab sie mit einem Zwinkern zu, bevor sie sich wieder abwendete. „Ich frage besser gar nicht was du mit der Pistole vorhattest, aber ich scheine ja diese Nacht wirklich etwas verpasst zu haben. Freut mich das ich das nächste Mal teilhaben darf“, sagte er mit heiterer Stimme. Sie zögerte etwas, begann aber dann doch damit sich abermals fest einzuwickeln. Zwischendurch zog sie mit sanfter Gewalt den Verband stramm, sodass ihr schon fast selbst die Luft weg blieb. Sie würde sich besser fühlen, es gab ihr mehr Sicherheit, es würde alles da draußen einfacher machen, zumindest redete Vik sich das und andere, ähnliche Sachen währenddessen selbst ein. Auch wenn Ryan ihr für den Moment geholfen hatte, die Ängste waren nicht weg, aber es würde nun leichter werden. Das kleine Wortgefecht hatte sie hinreichend von trüben Gedanken abgelenkt, aber nun begannen sich doch wieder so viele Dinge im Kopf zu kreisen. Auch wenn Ryan auf sie aufpassen wollte, wusste sie genau, das es so weniger Ärger geben würde. Leon und Xander hatten doch auch schon auf sie Acht gegeben und dennoch war es zu ein paar Zwischenfällen gekommen. Auch Christina und Vanessa hatten mal ähnliche Erfahrungen gemacht. Es war einfach sicherer für Ryan und für sie. Wenn sie als Frau los ging, würde man schneller darauf kommen, dass sie mehr als nur Freunde oder ein zufällige Bekanntschaft mit Zweckbündnis waren. Sie würden mit ihnen spielen und versuchen... sie wollte gar nicht weiter denken. Jedenfalls war sie gerade froh ihn nicht direkt ansehen zu müssen, während sie den Verband anlegte. Denn jetzt, wo sie nur noch Hemd, Schal und Jacke vor sich liegen hatte, wurde sie innerlich doch wieder etwas unruhig. Vik konnte nur beten, dass sie ihn nicht doch aufhielt und das alles gut gehen würde. Hoffentlich liefen sie keiner Gang in die Arme, hoffentlich war das Militär an der Uni, hoffentlich mussten sie nicht in die Nähe der Fabrik. Bei ihrem letzten Gedanken musste sie erst mal tief durchatmen. Als sie sich jedoch wieder abgewandt hatte und die Arbeit mit dem Verband begann sah sie seine sich hebende Augenbraue nicht mehr. „Wirklich Viki?“, seuftzte er, als er ihr zusah. „Nein, das klingt falsch…Zu mindestens nicht wie ich es meine.“ Kurz wurde es still, während Ryan scheinbar nach Worten suchte. Viktorias Gedanken wurden von seiner Stimme unterbrochen, auch ihre Hände hielten kurz mitten in der Bewegung still. Leicht irritiert zog sie die Augenbrauen zusammen, auch wenn sie sich noch abwendete. Hatte er nicht verstanden warum sie das tat? Sie würde sich eher umbringen, bevor ihr das noch mal passierte, was in dieser beschissenen Welt nicht mal unwahrscheinlich war. Auch wenn der Vorfall im Ford-Viertel durchaus zeigte, dass es nicht unbedingt half, so war es noch immer besser als nichts zu tun. Schweigend wickelte sie auch den letzten Rest um sich und machte das Ende wieder fest, während sie nochmals Ryans Stimme vernahm: „Ich mein ich versteh den Sinn der Mimikry, eventuell ist man sicherer wenn man als Mann gehandelt wird… aber schränken dieses enge Wickeln nicht ziemlich ein?“ Mit leicht gesenkten Kopf zog sie ihr Hemd an. „Man gewöhnt sich dran“, sagte sie trocken und griff sich nun auch Jacke und Schal, um sie anzulegen. Kurz darauf erhob sie sich und schulterte ihren Rucksack. Ausdruckslos sah sie ihn an. „Ein Sommerkleid wär‘ mir auch lieber, aber bevor ich wieder wie ein hilfloses Stück Fleisch, an dem man sich jederzeit bedienen kann, von irgendwelchen notgeilen Säcken an geglotzt oder gar angefasst werde, bevorzuge ich diese Variante“, sagte sie scharf und mit kurzen durchbohrenden Blick. Danach sah sie sich flüchtig im Raum um, ob sie etwas vergessen hatte. Ihre scharfe aber verständliche Reaktion traf ihn sichtlich, er blieb einige Momente wie angewurzelt stehen, ehe er die Schultern mit einem Seufzer hängen ließ. „Schon okay… Sorry, Ich hatte wirklich nicht nachgedacht. Es tut mir Leid…“ Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten wandte Ryan sich ab und zog sich nun auch sein getrocknetes Hemd über. Sammelte noch seine Wasserflasche und die Tüte die gegen das Hyperventilieren benutzt wurde, viel mehr hatte er während ihrem kurzen Aufenthalt nicht ausgepackt. Über seinen Rucksack gebeugt versuchte er für eine kurze Weile seine Erinnerungsstücke ein wenig zu ordnen ehe er sich frustran damit zufrieden gab das sie nun zurück in ihrer Tüte nun immerhin vor Wind und Wetter geschützt waren. Als Viki bemerkte, was sie gerade und vor allen Dingen wie sie es gesagt hatte, taten ihr die Worte schon Leid. „Ich... es...“, stammelte sie leise, bei dem Versuch eine Entschuldigung über die Lippen zu kriegen und vermied es ihn anzusehen, auch wenn ihr Blick, der stur auf den Boden gerichtet war, etwas weicher, sowie bereuend wurde. Mit einem Seufzen gab sie es auf und schloss die Augen. „Es ist besser so...“, murmelte sie dennoch entschlossen und ging zum Metallschrank der vor dem Ausgang stand und begann diesen langsam zur Seite zu schieben. Einen Moment fragte sie sich, ob Ryan überhaupt wusste wie sie in das Gebäude gekommen waren. Als Ryan sich entschuldigte und dann schwieg, wurde ihr schlechtes Gewissen nur noch größer. Dennoch schwieg sie ebenfalls und ließ ihre Enttäuschung und Wut über sich selbst eher am Schrank aus, während sie versuchte ihn zu bewegen. Mit nur einen Bein als Stütze ging es doch schwerer als sonst, wobei ihre Gedanken sie ebenfalls etwas ablenkten und sie sich fühlte, als könnte sie jeden Moment wieder los heulen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht ihn so an zu keifen? Er konnte doch am wenigsten etwas dafür! Dennoch hatte seine Reaktion sie am wunden Punkt getroffen. Sie würde sich 'ohne Viktor' nicht mehr aus dem Versteck trauen, nie wieder würde sie ein Kleid oder Rock tragen, sich nie wieder wie früher für irgendwas hübsch machen ohne Angst haben zu müssen, dass ihr was schlimmes zu stieß. Da konnte er versprechen was er wollte. Es lag nun mal nicht in seiner Macht zu bestimmen was da draußen passierte. Das sie sich aus den bekannten Bereichen herauswagen wollte, kostete Viki schon eine Menge Überwindung. Sie wollte ihm ja vertrauen. Sie wollte es unbedingt! Aber... so einfach war es nicht. Mit einem plötzlichen Ruck überwand der Schrank auch das letzte Stück. Leicht überrascht bemerkte Viki erst jetzt die starken Hände neben ihren. Sie war mal wieder so in ihre Gedanken abgedriftet, das sie nicht mal gemerkt hatte, wie er zu ihr gekommen war. Nun rutschten ihre Hände wenige Zentimeter am Schrank hinab, während sie ihre Stirn an das kühle Metall lehnte und nach dem Mut suchte, sich wieder zu ihm um zudrehen. Es half zumindest ihre Gedanken zu ordnen, bevor sie ihren Rucksack von der Schulter in ihre Hand rutschen ließ und sich dabei mit den Rücken an den Schrank lehnte. Ihren Blick hielt Viki noch gesenkt, wobei sie fast enttäuscht feststellte, das Ryan sein Hemd wieder angezogen hatte... natürlich hatte er das, doch stahl es ihr gerade etwas von der Vertrautheit, die sie eben noch geteilt hatten. Einen Moment presste sie die Lippen zusammen und suchte noch nach Worten, bevor sie einfach leise zu sprechen begann: „Es... es tut mir Leid. Ich wollte nicht... ich bin nur leicht nervös...“, bei der Erklärung, die wohl ziemlich untertrieben war, versuchte sie zwischenzeitlich in seine geduldig abwartenden Augen zu sehen, auch wenn sie den Blick nicht lange stand hielt. „Du weißt schon,... erstes mal so weit von Zuhause weg und niemand der meine Ratten füttert oder meine Pilze gießt...“, versuchte sie mit einem missglückten, aufgesetzten Lächeln zu ergänzen, als würden sie nur in die Ferien fahren, um doch irgendwie wieder abzulenken. Es war ein schlechter Versuch, wie sie selbst feststellte. „Schon okay… hör auf. Ich hatte nicht nachgedacht… und du musst dich am wenigsten von uns beiden entschuldigen…“, sagte Ryan, wobei er ihr wieder ein entschuldigendes angedeutetes Lächeln schenkte, ehe er ihr für einen kurzen Moment seine Hand auf ihre Schulter legte und diese in einer Zustimmenden Geste sanft drückte. „Manchmal ist mein Mundwerk zu schnell für meine Gedanken, weißt du? Dann spreche ich Sachen aus, weshalb ich mir Sekunden später am liebsten vor den Kopf schlagen möchte… Ich hoffe nur deine Ratten werden ihr Futter schon finden.“ Noch immer fühlte sie sich mies, was auch nicht viel besser wurde, als sie sein schwaches Lächeln sah und seine Hand auf der Schulter spürte. Viki legte ihre Hand auf die seine und hauchte einen kurzen Kuss auf diese. Damit hoffte sie zumindest etwas wieder gut zu machen. Immerhin kam es ihr so vor, als hätte sie mit so wenig Worten wieder eine riesige Kluft zwischen ihnen gerissen. Erst bei seiner Erklärung schlich sich wieder ein kleines Schmunzeln auf ihr Gesicht. „Mir geht es genauso. Das hab ich heute doch auch schon oft bewiesen...“, sagte leicht verlegen und dachte an den unbedachten Pfirsich-Satz, die Vorstellung mit ihren Namen und nun an diesen Zwischenfall. Das war zumindest schon mal eine Gemeinsamkeit, die sie entdeckt hatten, auch wenn es wohl nicht die unkomplizierteste werden würde. Vielleicht war es auch besser einfach los zu gehen. Immerhin hatten sie schon genug Zeit vertrödelt. Leicht bedrückt, sah sie zu ihm auf, während sie ihm ihren Rucksack hinhielt und vorsichtshalber erklärte, was sie jetzt vor hatte: „Nimm am besten meinen Rucksack schon mal mit. Ich schieb‘ das Ding dann wieder vor die Tür, damit sich hier kein Anderer breit macht und folge dir dann durchs kleine Fenster nebenan.“ Danach schaffte sie es sogar ein schwaches, entschuldigendes Lächeln hin zu kriegen, während sie in seine Augen sah. Mit einem kurzen Nicken ließ er ihre Schulter wieder los, um ihren Rucksack entgegen zu nehmen, ehe er einen kurzen Blick auf den Schrank warf. „Sicher dass es mit deinem Bein klappt? Oder soll Ich das übernehmen? Oder pass‘ ich nicht durch dieses Fenster nebenan?“ Mit einem Seufzen entschwand ihr Ryans Hand wieder, während sie seinem Blick zum Schrank bemerkte. Viki deutete auf seine Frage hin nur ein Kopf schütteln an. „Nein ich schaff das schon. Ich hab es ja selbst vorhin geschafft und da war ich wesentlich angeschlagener...“, meinte sie entschlossen. Dennoch musterte sie ihn kurz mit einem amüsierten Lächeln. „Zudem bin ich mir wirklich gerade nicht sicher ob du durch dieses Fenster kommst. Eigentlich hatte ich nur an deine Verletzung gedacht, aber vermutlich bist du doch zu groß und ungelenk.“ Bei der Vorstellung wie er versuchte durchs Fenster zu kommen, musste sie wieder leicht schmunzeln. „Zu ungelenkig eh?“ Ein Schmunzeln glitt auch über sein Gesicht, ehe er sich aber dennoch willig zum Gehen wandte. Nun wurde Viktoria plötzlich wieder unruhig. So konnte sie ihn nicht gehen lassen, nicht wenn sie noch immer dieses schlechte Gewissen hatte! „Warte!“, rief plötzlich und schob sich zwischen ihm und die Tür, während sie ihn am Kragen seiner Jacke zu sich zog und sich auf die Zehnspitzen stellte, um seinen Mund besser erreichen zu können Als Viki sich ihm in den Weg stellte zog er nur fragend eine Augenbraue hoch, wehrte sich aber nicht dagegen. Ihre Lippen versiegelten seinen Atem abrupt, als sich ihre Zunge sanft durch seine Lippen schob, um mit seiner leidenschaftlich zu tanzen. Ihre Hände wanderten dabei in seinen Nacken und seine Haare, während sie den vorerst letzten Kuss in Sicherheit genoss. Hier, wo es nur ihn und sie gab und sie auf nichts anderes achten mussten. Als sie den Kuss nach einiger Zeit wieder löste, drückte sie ihn noch einen Moment umarmend an sich. „Egal was du sagst, es tut mir Leid. Dennoch kann ich im Moment nicht anders, ich brauche die Verbände und ich brauch 'Viktor' noch da draußen. Aber hier bei dir ist es was anders. 'Viki' gehört nur dir... Ich gehöre nur dir und das werd‘ ich im jeden Versteck aufs neue beweisen...“, wisperte nah an seinem Ohr und hauchte noch einen Kuss auf seine Wange, bevor sie sich etwas von ihm löste und einen weiteren kurzen Kuss auf seine Lippen gab, welchen er augenblicklich erwiderte. Als sie sich wieder von ihm löste, stand er dort wie versteinert. „Sei vorsichtig“, murmelte sie. „Sei du aber auch vorsichtig…Wir sehen uns auf der anderen Seite“, erwiderte er die Floskel, ehe er immer noch perplex, vorsichtig nach draußen schritt. Viki war erleichtert, als er ihren Kuss ebenso erwiderte. Vielleicht hatte sie sich doch zu viele Sorgen gemacht. Aber dennoch schien Ryan ziemlich verwirrt, als sie sich von ihm löste und er dann nach draußen verschwand. Während sie den Schrank vor die Tür schob, schlichen sich schon wieder Zweifel in ihre Gedanken. Hatte sie was falsches gesagt? Irgendwie schien alles schief zu gehen. Sie schien sich selbst nicht mehr zu verstehen. War sie schon so lange allein gewesen, dass sie nicht mal mehr merkte, wenn sie was seltsames sagte? Aber für so was war jetzt keine Zeit. Sie mussten konzentriert sein, wenn sie draußen um diese Zeit herum schlichen. Unverzüglich machte sie sich daran den Schrank wieder vor die Tür zu schieben und hastete danach zum besagten Fenster, welches sie öffnete, auf den Stuhl stieg und sich dann am Fensterbrett hoch zog. Dort sitzend schob sie die Rollläden wieder hoch, zwängte sich auf die andere Seite nach draußen, während sie die Rollläden mit den Schultern stützte und versuchte so gut es ging das Fenster mit etwas Schwung hinter sich wieder zufallen zu lassen, bis es leicht einrastete, damit es nicht beim kleinsten Windstoß auf ging. Als sie dann vom Fensterbrett auf die Mülltonne fallen ließ, die noch draußen unterm Fenster stand, fielen die Rollläden wieder polternd hinab und verbargen somit den leichten Eingang. Dann stieg sie auch von dort zu Ryan hinab und nahm ihren Rucksack entgegen, während sie mit Kopf in die Richtung des Parks nickte. „Zuerst da lang, alles klar so weit?“, murmelte sie und sah sich nun nervös selbst kurz um. „Du kannst auf mich zählen Krümel. Ich bin soweit fertig und freue mich bei den Versprechungen sogar schon auf das nächste Versteck, aber ich hoffe dass ich dich nicht teilen muss solange du als Viktor unterwegs bist“ Mit einem Lächeln überquerte er bereits die erste Straße, immer in den Schutz der schattenwerfenden Häuserwände gedrückt. Leicht unbehaglich war ihr noch, da sie nicht ganz wusste warum er so reagiert hatte. Jedoch folgte sie ihm unverzüglich, nachdem sie ihren Rucksack aufgesetzt hatte. Jeder Zweifel wurde wieder verdrängt, als sie doch noch eine Antwort bekam. „Es kommt drauf an, Ryry. Wenn du drauf stehst, können wir gerne im Park ‘ne Pause machen und schauen, ob wir jemand drittes finden... Aber leider hast du ja deine Kamera noch nicht...“, erwiderte sie nun mit frechen Grinsen gerade noch laut genug, dass er es mitbekam. Noch bevor das Teppichgeschäft ganz aus ihren Augen verschwand, sah sie sich nochmal danach um. Da drinnen war wirklich viel passiert und das auch ziemlich schnell. Einerseits lag das wohl an ihrer launischen Art, andererseits das sie sich immer wieder in seiner Nähe überfordert vorkam. Hoffentlich würde sich das noch bald einpendeln, sonst würde sie selbst irgendwann noch wahnsinnig werden, aber selbst das war ihr egal. Mit einem Lächeln auf den Lippen, folgte sie ihm. Kapitel 11: Die Suche nach Wasser --------------------------------- Vik richtete ihren Blick nach vorn, versuchte sich nicht weiter abzulenken und huschte wieder von Schatten zu Schatten. An der Kreuzung blieb sie an einer Ecke stehen und schaute vorsichtig in die nächste Straße. Aber sie war scheinbar frei und somit überquerten die beiden auch diese Stelle. Damit kamen sie an den Rand des Parks, der von einer Mauer umgeben war. Selbst der ehemals tadellos gepflegte Steinwand sah man den Zahn der Zeit an, im fahlen Licht der Dämmerung konnte man die Moos überwachsene Oberfläche erkennen, einige der Steine wurden bereits aus der massiven Formation heraus gesprengt. Dort blieb Viktoria kurz stehen. „Der Haupteingang für den südlichen Teil des Parks liegt noch ein Stück geradeaus. Dort müsste es auch eine Karte von dem Park geben, aber so weit ich weiß ist hier hinter gleich der Rosengarten. Da müsste es ebenfalls einen Brunnen geben, daher könnten wir auch direkt über die Mauer...“, schlug sie vor und sah den Soldaten einen Moment erwartungsvoll an. „Wir können auch gern drinnen ein Stück zurück gehen, aber ich weiß nicht wie sicher der Eingang ist. Zumindest wäre es wohl auch ‘ne gute Stelle um Leute abzufangen, die in den Park wollen...“, gab sie kurz zu bedenken. Sie war zwar nicht so oft im südlichen Park unterwegs, aber auch hier waren ihr schon seltsame Typen und teilweise auch die Wölfe begegnet. Ihr Vorteil war, das sie bisher immer alleine über die Mauer kam und somit schneller flüchten konnte. Mit ihrer kleinen Verletzung würde es vielleicht schwieriger werden, aber dafür konnte ihr Ryan zur Not auch helfen. Dieser nickte ihr knapp zu. So drückte Ryan seinen Rücken an die Wand und sorgte um einen festen Stand, ehe er leicht in die Hocke ging und seine Handflächen zu einer Räuberleiter zusammenschloss. Er bedachte Vik mit einem Lächeln, ehe er das Wort ergriff: „Okay Vizzy, diesmal bist du zuerst dran. Denk dran was dein Hausarzt dir gesagt hat: Schonen ist das A und O! Denk nur daran mir noch eine Hand zu reichen wenn du oben bist…“ „Dann tu ich doch lieber, was mein Hausarzt mir sagt, bevor es schlimmer wird. So viele Dosen hat die privat Patientin dann doch nicht dabei, um mehr 'Doktorspielchen' zu bezahlen“, erwiderte sie noch mit frechen Grinsen, während sie mit den gesunden Bein auf seine Hände stieg, um mit den Fingerspitzen den Rand der Mauer zu erreichen. Als Vik den kalten Stein zu fassen bekam, zog sie sich ohne große Probleme ein Stück hoch, sodass sie über die Mauer blicken konnte. Auf der andere Seite standen mit einem kleinen Abstand einige Bäume und Büsche, wodurch niemand im Park sie auf der Mauer sehen konnte. „Die Luft ist rein“, murmelte sie ihm zu, zog sich dann gänzlich hoch und setzte sich rittlings hin, um Ryan nun ebenfalls zu helfen. Nervös ließ sie kurz den Blick über die Straße und die anliegenden Häuser wandern, doch noch immer war alles still. Erst dann beugte sie sich so weit es ging zu ihm hinab und streckte die Hände nach ihm aus. Während sie ihm zu sich zog, hoffte sie, dass seine geprellten Rippen ihn dabei nicht zu sehr quälten. Als sie ihn dann wieder so nah bei sich hatte, versuchte sie den Impuls zu unterdrücken, ihren Soldaten mit einem Kuss hier oben zu empfangen und sah doch lieber fast verlegen auf die andere Seite der Mauer hinunter. Oben angekommen nutzte Ryan einen kurzen Augenblick die erhöhte Position, um flüchtig den Park zu überblicken. Auch dem Park an sich sah man das vergangene, schwarze Jahr der Menschheitsgeschichte seit dem Ausbruch an. Es war noch kein Urwald, aber die ehemals begrenzten Grünflächen hatten sich schon ohne einen wachsamen, fleißigen Gärtner die Gehwege zurückerobert, die früher akkurat geschnittenen Wiesen wucherten unregelmäßig. Durch das dichte Buschwerk war die Sicht trotz dem Licht der Dämmerung stark eingeschränkt. Währenddessen sah Vik die Mauer hinab und so machte sich wieder die Sorge in ihr breit. Mit seiner Verletzung wäre es nicht einfach schmerzfrei runter zu kommen. Abschätzend sah sie ihn kurz an. „Schaffst du das?“, fragte Viki ihn zur Sicherheit und musste doch leicht schmunzeln, als sie bemerkte, wie ähnlich die Situation zu heute morgen war, wo sie an einer eingestürzten Treppe runter gesprungen waren. Allerdings hatten sie da beide noch nicht diese Verletzungen. „Ich komme zumindest ohne Hilfe da runter, soll ich dir von unten irgendwie helfen? Kurz werd‘ ich dich auf meinen Schultern schon aushalten...“, schlug sie vor und meinte das auch durchaus ernst. Auch wenn es schon eine Weile her war, bei ihren Sportkursen hatten sie ähnliche Spielchen gemacht. „Klar, du kannst mich ja auffangen und ich spring dir von hier oben in die Arme, das dankt dir sicher auch dein Bein. Ich bin ja nur doppelt so schwer wie du… Nein, du weißt doch, grazil wie eine Katze, ich lande immer auf den Füßen…“ Bei den Worten zeigte er spaßeshalber mit dem Daumen auf sich selbst. „Wie grazil du fallen kannst, hab ich durchaus gemerkt“, antwortete Viki schon fast gekränkt, als er ihre Hilfe zurückwies. Diese Aktion hier war unnötig. Er hielt ihr noch vor, dass sie sich schonen sollte und er selbst machte das Gegenteil. Da konnte auch sein Zwinkern nicht verhindern, dass sie ihn kurz missbilligend ansah, bevor er schon von der Mauer sprang. „Aber herunter kommen wir ja alle, Schwerkraft sei Dank“, mit den Worten stieß er sich bereits von der Mauer ab, um auf der anderen Seite auf einer weicheren Wiese tief in die Knie zu gehen, um dem Sprung den größten Teil der Energie zu nehmen. Als er dann unten ankam, zog Viki besorgt die Stirn in falten. In einer stillen, gespielt überschwänglichen, triumphalen Geste, als er die Arme hochriss, feierte Ryan seine geglückte Landung, ehe er zur Mauer schritt und nun derjenige war, der die Hilfestellung beim Hinabsteigen anbot. „Du solltest dich vielleicht mal an deine eigenen Ratschläge halten“, warf Vik ihn doch noch vor. Seufzend schüttelte sie nur den Kopf, während sich doch wieder ein Schmunzeln auf ihre Lippen schlich, als er seinen erfolgreichen Sprung feierte. Dann zog sie ihren Rücksack von den Schultern und ließ ihn in seine Arme fallen. „Ich zeig dir mal wie sowas geht“, meinte sie noch mit frechen Blick, als sie sich auf der Mauer hinstellte. Kurz schloss sie konzentriert die Augen, während sie schmerzlich etwas Anlauf vermisste. Auch ihr linkes Knie wäre wohl hinderlich, aber einen kurzen Sprung wollte sie nun doch riskieren - sei es nur um Ryan kurz zu ärgern und zu beweisen, dass sie nicht so hilflos war, wie er sie einschätzte. Ohne zu zögern sprang Viktoria ab, machte sogar noch einen Salto und landete hauptsächlich auf den rechten Bein, wobei sie sich über die Schulter weiter abrollte und hockend zum Stillstand kam. Ein leises, erleichtertes Keuchen entwich ihr, als die Nervosität von ihr ab fiel. Kunststückchen wie einen Salto hatte sie sich seit einem Jahr verkniffen, aber es schien noch zu klappen. Den kleinen, pochenden Schmerz im Knie, nahm sie dafür gern in kauf. Nun war sie es, die mit einem triumphierenden Lächeln über ihre Schulter sah, bevor sie aufstand und sich grinsend ihren Rucksack zusammen mit einen kurzen Küsschen wieder abholte. Langsam ließ Ryan von der Wand ab und mit Viktorias Rucksack in den Händen schritt er ihr einige Meter entgegen, wobei er mit dem Rucksack in den Händen ein stummes Klatschen andeutete. Sein Gesicht strahlte von einem beinahe schon erstaunten Lächeln. „Alte Angeberin…“, flüsterte er leise, während er ihr den Rucksack überreichte und immer noch lächelnd den kurzen Kuss in Empfang nahm. Mit einem Schmunzeln nahm Viki sein leichtes Erstaunen zur Kenntnis. „Das war doch gar nichts. Aber vielleicht würde dir ein Turnkurs auch gut tun“, erwiderte sie nur frech. Viki hatte natürlich noch mehr Tricks drauf, aber mit dem Bein konnte sie ja schlecht mit den anderen Sachen angeben. „So viel zum Betreten des Parks, als nächstes den Rand entlang in nördliche Richtung und nach Wasserquellen Ausschau halten… Ich hoffe nur es hatten nach dem Regenfall nicht allzu viele um diese Uhrzeit dieselbe Idee…“, überlegte Ryan. Mit einem kurzen Griff kontrollierte er den Sitz des halb geladenen Revolvers, den er vor kurzem erbeutet hatte und sah an seinem Bein hinab auf die Messerscheide, die immer noch sicher verschlossen war. Mit Ryan setzte sie sich in Bewegung und versuchte erstmal irgendwie zum Hauptweg zu kommen. Nebenbei sah sie sich weiter wachsam um, sah sogar hoch in die Bäume. Wer wusste schon wer oder was sich hier alles aufhielt? Die Büsche waren auch ein gutes Versteck, um sie erst zu beobachten und dann irgendwann anzufallen. Den östlichen Teil sollten sie auf jeden Fall meiden. Dort war sie einer kleineren Gang mal begegnet, die sich dort breit machte. „Dein Plan klingt ganz gut. Sicher gibt es hier irgendwo irgendeinen kitschigen Brunnen mit Engelchen oder so. Aber ich mach mir nicht nur wegen den Leuten sorgen ... Ich hab hier schon mal ein paar Tiere aus den ehemaligen Zoo gesehen ...“, Vik warf ihm aus den Augenwinkel noch einen Blick zu, der ihm versichern sollte, das dies kein Scherz war. Zumindest Wölfe hatte sie hier schon gesehen und war dann geflüchtet. Wer wusste was hier noch laute? Vielleicht sogar Affen oder andere Raubtiere? Ihr reichten schon die Miniausgaben in den betretbaren Gehegen. Diese Mistviecher hatten ihr damals schon fast das hüftlange Haar ausgerissen. Sie wollte nicht wissen, was die großen mit ihnen anstellen würden. Ryans Blick wanderte unablässig und etwas hektisch über das Buschwerk um sie herum, solange bis er ihr kurz einen verwunderten Blick zu warf. „Na… einen Giraffenhals hatte ich bisher noch nicht erblicken können… Schade eigentlich, vielleicht könnte man sich eine als Reittier domestizieren“, erwiderte er schmunzelnd. Viktoria sah sich genauso vorsichtig um. Ihr war der Park einfach nicht geheuert, da es so viele mögliche Gefahren gab. Sie folgte dem Soldaten so dicht wie möglich und noch immer ging ihr Blick dabei des öfteren in die Baumkronen, war sie doch gar nicht scharf drauf auch noch von oben angegriffen zu werden. Zudem sah sie einfach weniger als Ryan, wenn sie versuchte über die Büsche hinweg zu sehen, da ihr doch merklich ein paar Zentimeter ihm Vergleich zu ihm fehlten. Die Vorstellung von der Giraffe lies sie ebenfalls kurz schmunzeln, auch wenn sie weiterhin nervös auf alles um sich achtete. Eine Giraffe wäre wenigstens noch ein Tier, was sie gerne hätte treffen wollen. Da fielen ihr schon ein paar schlimmere Exemplare ein. Aber ein Reittier wäre in dieser Stadt bestimmt hilfreich, am besten noch eines, was andere noch von einem fern hielt. „Ein Tiger wäre da aber doch schon cooler. Wenn wir einen finden kannst du mir den ja- ...“, sie verstummte sofort, als Ryan sie mit einem stummen Handzeichen zum Stillstand aufforderte. Als er den nächsten Busch durchschritten hatte, ging Ryan instinktiv in die Hocke. Sein Lächeln war nun verschwunden, eine konzentrierte Miene war an ihren Platz gewichen. Viktoria sah, dass sie an eine Lichtung kamen und hockte sich neben ihn. „… zähmen“, beendete sie murmelnd ihren Satz während sie ihren Blick nun über den Platz schweifen ließ. Ein neues Bild hatte sich vor den beiden aufgetan. Der Rasen war vor ihnen von jeglichem Buschwerk befreit, eine Kreisrunde Lichtung auf der der Rasen kurz gehalten war, war nicht gemäht aber von vielen Schuhen und eventuell Pfoten und Hufen platt getrampelt. Auf den ersten Blick schien die Lichtung derzeit verlassen, in der Mitte türmte die Quelle, die solch eine Fluktuation anzog: Ein tiefer Brunnen. Auch ihn hatte der Zahn der Zeit gezeichnet. Drei Löwen, die als Wasserspeier fungierten, zierten den Rand, sie alle waren enthauptet worden und offenbarten angerostete Kupferrohre, die aus den offenen Hälsen ragten. Verschiedene Schmierereien und Graffitis zierten die Löwen sowie die Ränder des Brunnens, ein mögliches Zeichen für anwesende Gangs, die sich eventuell in der Nähe aufhielten. An diesem Brunnen war Viktoria vor einiger Zeit schon gewesen, aber das letzte Mal war nun einige Wochen her. Die Graffitis waren bei jedem Besuch andere. Dieses Mal dominierte ein rotes Zeichen, was über die meisten anderen gemalt war. Der Anblick des kaputten Brunnens ließ sie manches Mal etwas wehleidig an früher denken. Damals war sie ein paar Mal mit ihren Geschwistern hier gewesen, die an heißen Sommertagen nur zu gern auf den Löwen herumgeturnt waren und dabei klitschnass wurden. Ryans Hand wanderte zu seinem Hosenbund, aus dem er langsam den Revolver befreite, welchen er sogleich entsicherte. Für einen Moment wandte er den Blick von der Lichtung ab und sah Viktoria an. „Was meinst du? Einer gibt Deckung von hier, der andere füllt die Flaschen? Sagen dir von den Graffitis irgendwelche etwas? Eine bekannte Gang?“ Seine Stimme war kaum ein Flüstern, seine Frage aber durchaus interessiert gestellt. Ernst sah Vik ihn aus den Augenwinkel an, während sie ein Nicken andeutete. „Das rote kenne ich. Es ist von einer Gruppe, die sich 'die Wölfe' nennen. Sie sind, soweit ich weiß, zehn bis fünfzehn Personen und hauptsächlich im östlichen Bereich des Parks unterwegs. Meist bewaffnen sie sich mit Sachen aus der Umgebung, wie Rohren, ein Brecheisen, Kanthölzern, Nagelkeulen, sogar Heckenscheren und Gartenhaken haben ich gesehen. Zumindest einer hatte ‘ne auch Knarre. Ich hab schon öfters gesehen, dass sie kurzen Prozess machen, wenn sie vermuten das man das Virus hat. Ansonsten kann man fast mit ihnen auskommen, sogar mit ihnen handeln. Dennoch, mit einem Husten sollte man nicht in ihre Nähe“, ihre Worte waren ebenso leise wie seine. Nochmals sah sie über den Platz und starrte zum Brunnen, während sie zögerlich auf ihrer Unterlippe ‘rumkaute. „Ich gehe“, sagte sie dann bestimmend, aber deutlich angespannt. „Mit dem Ding kann ich nicht umgehen und bestenfalls bin ich schneller am Brunnen als du“, meinte sie mit einem Nicken zu seiner Waffe. Bevor Vik damit irgendwas traf, hätte sie sich schon selbst angeschossen. Schon zog sie den Rucksack von den Schultern und kramte ihre Flasche raus. Mit einem knappen Nicken bestätigte er ihre angedachte Aufteilung. Ohne den Revolver abzulegen ließ auch er nun seinen Rucksack von seiner Schulter in das Gras vor ihm gleiten. Seine Stimme die im selben Moment ertönte war weiterhin kaum zu verstehen, so leise flüsterte er. „Pass auf dich auf, ja? Sollte es ganz schlecht laufen, pfeif‘ aufs Auffüllen und mach dich aus dem Staub, ja?“ Ein gedämpfter Seufzer entfuhr ihm, „Aber was versuch‘ ich dir schon zu erklären, hm? Keine Sorge, du weißt ja was mir an deinem Hintern liegt, ich werde schon darauf aufpassen, ich bin kein schlechter Schütze, also sei unbesorgt.“ Mit einem Schmunzeln wandte er sich knapp seiner Tasche zu, kramte nur kurz, ehe er ihr auch seine eigene leere Wasserflasche anreichte und daraufhin den Rucksack wieder auf seinen Rücken warf. Vik kramte weiter in ihrer Tasche, war doch die Flasche nicht das einzige, was sie gerade suchte. Als sie die Antibiotika endlich gefunden hatte, nahm sie eine Tablette und ließ sie in die Hosentasche gleiten. Immerhin hatte ihr Arzt gesagt, dass sie die Abends noch einnehmen sollte und wenn sie gleich schon das Wasser testete, dann konnte sie die ebenso gut kurz ‘runterspülen. Fast amüsiert sah sie Ryan aus den Augenwinkeln an, als sie gleichzeitig schon den Deckel von ihrer Falsche abschraubte und zur Tablette in die Hose steckte. „Ist schon okay und mach dir mal keine Gedanken! Ich bin schneller wieder da, als du meinen Hintern vermissen kannst“, flüsterte sie frech, auch wenn sie leicht nervös war. Sein Ausdruck versteinerte Augenblicklich, als er sich erneut umsah und die Waffe wieder in Anschlag nahm. „Die Luft scheint derzeit frei zu sein, schnell rein und wieder raus, okay?“ Viktorias Blick blieb leicht skeptisch an seiner Pistole hängen. „Spar‘ dir deine Kugeln, ich glaub dir auch so, dass du damit umgehen kannst“, meinte sie ernst. Zudem wollte sie auch nicht aus versehen eine im Rücken haben und das ging auch schneller als man dachte. Nebenbei nahm sie ihm die Wasserflasche ab und öffnete diese ebenfalls schon, während er ihren Rucksack nahm. Danach sah sie sich wieder auf der Lichtung um. Letztes Mal war das hier noch nicht so eindeutig das Gebiet der Wölfe gewesen, die anscheinend ihr Revier vergrößert hatten. Nochmals starrte sie kurz auf das rote Zeichen an den Löwenstatuen, bevor sie mit ein paar tiefen Atemzügen ihre Konzentration wieder fand. Ryan gab ihr ein kurzes Handzeichen und nur noch ein Nicken kam von ihr als Antwort, als sie schon los sprintete. Nebenbei schlug sie doch ein paar Haken, aber es fiel kein Schuss aus irgendeiner Richtung. Dennoch sah sie sich beim Rennen etwas an den Rändern um, konnte aber nichts in den Büschen oder Bäumen sehen. Schon kam sie am Brunnen an, warf sich auf ihr rechtes Knie, als sie hinter der kleinen Brunnenmauer Deckung suchte. Keuchend sah sie sich abermals um, aber noch immer war es still. Viki war trotzdem angespannt. Ohne weiter zu zögern nahm sie ihre Plastikflasche, füllte diese etwas auf, während die rechte Hand kurz Ryans Flasche los ließ und die Tablette ‘rauskramte. Viel war in ihrer Flasche noch nicht drin, als sie diese aus dem Wasser nahm und sich die Flüssigkeit kurz genauer ansah, während sie gleichzeitig schon die Tablette in den Mund legte. Bisher sah es durchaus brauchbar aus, sie hoffte nur im Stillen, dass es nicht verseucht war, als sie den ersten Schluck nahm. Genießbar war es jedenfalls schon mal, stellte sie fest. Nun nahm sie beide Flaschen wieder zur Hand und tauchte sie unter. Was sie nicht bemerkte war, dass sich zwei Gestalten von der anderen Seite der Lichtung gerade ebenfalls zum Brunnen aufmachten. Genau in Viks Sichtfeld stand noch eine der große Statuen, die diese Leute verdeckte. Glücklicherweise hatten sie Viki deswegen ebenfalls noch nicht bemerkt, die nun die vollen Flaschen zwischen ihre Beine klemmte, um sie wieder zu verschließen. Erst als sie die Stimmen der Unbekannten plötzlich hörte, fuhr ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sofort rutschte sie ein Stück tiefer, presste sich an die kalte Steinmauer und wandte ihr Gesicht zu Ryan. Mit einer beschwichtigenden Handbewegung versuchte sie ihn zu beruhigen. Vielleicht konnte sie die Sache schlicht aussitzen. Vik konnte nur hoffen, das sie nicht zusehen war, zumindest wäre ihr Gesicht ebenso bleich wie der Stein hinter ihr. Ihr Atem ging flach, während ihr Herz wild gegen die Brust hämmerte. Wieder versuchte sie nicht in Panik zu geraten und zu verstehen was die beiden da redeten. Einer schien sich darüber zu beschweren, das sie Wasser holen mussten, der andere erwiderte nur, dass sie auch die Grenzen kontrollieren sollten. Seltsamerweise kam Vik die eine Stimme durchaus bekannt vor, wagte es aber nicht zu den beiden zu sehen. Als sie merkte, das die beiden langsam um den Brunnen herum gingen, presste sie so lautlos wie möglich die Flaschen mit dem linken Arm an sich, währen die vorsichtig rückwärts um den Brunnen kroch. Noch immer faselten die beiden irgendwas darüber, das sie bald neue Markierungen außerhalb der Mauer machen wollten, was Vik aber gerade nicht mehr interessierte. Das Gespräch der beiden endete abrupt, als sie mit den Fuß leicht gegen die Mauer kam und ein loser Stein daraus zu Boden polterte. „Was war das?“, rief einer aus, während beide ihre Waffen zogen. Nur einen flüchtigen Blick riskierte Vik. Der Dunkelhaarige, scheinbar ältere Typ hatte ein Messer dabei, der andere blonde eine Brechstange. „Komm raus! Zeig dich!“, orderte der ältere Vik auf. Nun bekam sie wirklich Angst, aber es war nicht das erste Mal, dass sie in solch einer Situation war. Sie machte sich eher Sorgen darum, das Ryan jetzt die Nerven verlor, wo ein Schuss bestimmt mehr Leute anlocken würde, zumindest mehr von den Wölfen, die Wissen wollten, was in ihrem Gebiet los war. Mit der freien, rechten Hand zog sie ihren Dolch, sammelte sich kurz und sprang mit einem Satz aus ihrer Deckung, den Dolch dabei drohend vor sich haltend. Als der Dunkelhaarige sie sah, senkte er leicht verwundert ein wenig sein Messer. „Vik! Was machst du hier? Ich dachte wir hätten klar gemacht, dass du dich hier nicht mehr ‘rumtreiben sollst“, meinte er etwas grimmig, bedeutete dem anderen aber die Brechstange ebenfalls etwas runter zu nehmen. Auch Viki gab ihre Kampfhaltung etwas auf und hoffte, das Ryan bemerkte was los war. „Hi Marko. Ich hatte Durst ...“, meinte sie knapp und deutete mit einem Nicken auf die Flaschen in ihren Arm. „Ich wusste ja nicht, das ihr schon wieder so expandiert habt. Scheinbar habt ihr auch ein paar Neue ... dieses Mal hab ich aber leider nichts zum tauschen dabei. Hätt‘ ich gewusst, das du in der Nähe bist, hätt‘ ich die Zigaretten doch noch mit genommen ...“, meinte sie leicht nervös und ging doch lieber noch ein paar Schritte zurück. Als der jüngere Marko fragend ansah, erklärte dieser nur: „Vik hat in den letzten Monaten hin und wieder mit mir Sachen getauscht, schon bevor ich zu den Wölfen kam. Der Typ ist in Ordnung und bisher sauber.“ Dennoch sah der Blonde sie skeptisch an. „Vielleicht war er sauber. Jetzt hat er vielleicht den Brunnen vergiftet“, meinte der Jüngere und nickte zu ihrem Bein. Wieder ging Viki ein Zittern durch den Körper. Woher wusste der Typ, dass sie verletzt war? Sie hatte darauf geachtet nicht falsch aufzutreten und zumindest bewusst hatte sie das Bein nicht nachgezogen oder Schmerzen gezeigt. „Was?“, rief Marko ungläubig und sah nun auch den Verband durch die kaputte Hose durchschimmern. Vik nahm ihren Dolch wieder hoch und ging ein paar weitere Schritte zurück. „Jungs, macht nun keinen Scheiß. Ich bin heute beim Gewitter nur auf die Fresse gefallen. Also lasst mich einfach gehen, ansonsten wird mein Freund mit der Knarre hinten im Gebüsch vielleicht nervös“, versuchte sie zu erklären und deutete erneut mit den Kopf in Richtung Ryan. Doch die beiden kamen langsam hinter ihr her, wollten nicht mal in die angedeutete Richtung schauen. „Vik, wir können kein Risiko eingehen, das weißt du. Zudem hast du immer darauf bestanden, alleine ‘rumzuziehen. Warum sollte das nun anders sein?“, meinte Marko ruhig, während er sein Messer ebenfalls wieder kampfbereit hoch nahm. Das war nicht gut, das war ganz und gar nicht gut, stellte Viki fest. Im Kopf ging sie wieder verschiedene Möglichkeiten durch. Wenn sie einen der beiden angriff, dann würde Ryan den anderen erschießen, das würde mehr Leute anlocken, die sie bis ans Ende der Stadt verfolgten. Sie könnte noch versuchen Marko zu überzeugen, dieser schien aber gerade gar nicht auf ein Gespräch aus zu sein und sich für den auszuziehen, nur um ihre Wunde zu zeigen und zu beweisen, das sie gesund war, kam erst recht nicht in Frage. Blieb nur noch rennen. So schnell und weit es ging ... Das klang doch gar nicht so schlecht ... Bevor sie weiter überlegte, drehte sie sich um und rannte zu Ryan zurück, wobei sie nur noch hoffen konnte, nicht gleich Markos Messer im Rücken zu spüren. In ihrem Rücken spürte sie ein Kribbeln, als würde sie jede Sekunde dort ein Messer erwarten. Doch sie wusste auch, dass Marko kein guter Werfer war, zumindest vor einiger Zeit noch nicht. Das hielt sie aber nicht davon ab den Abstand zwischen ihnen weiter vergrößern zu wollen. Daher versuchte sie nochmals ihr Tempo zu steigern und das Letzte aus sich raus zu holen. Dabei bekam sie nicht mit, wie Ryan sich aus ganz anderer Richtung näherte. Die beiden Männer waren kurz von Viks plötzlichen Drehen überrascht gewesen, einen kurzen Moment hatten beide gezögert, ehe sie ihre Verfolgung aufnahmen. Viktoria hatte in dem kurzen Augenblick schon eine gewisse Distanz zwischen ihren Verfolgern gebracht. Reaktionsschnell verließ Ryan seine Deckung hinter der Gruppe. Kurz nachdem Viktoria ihn zurück gelassen hatte, hatte sich auch Ryan in Bewegung gesetzt, jedoch deutlich bedachter, nur ein kleines Stück am Rande der Lichtung entlang, nicht das seine Position für jemanden der Viktoria gesehen hatte offenbart wurde. Als er sah wie Viktoria sich von den beiden Männern abwandte und los rannte, rannte er nun selbst, aus dem entstandenen spitzeren Winkel den Personen entgegen. Den Abstand den Viktoria gewann, verkürzte Ryan seinerseits in einem ähnlichen Tempo. Von der Seite aus schloss er stetig zu Vikis Verfolgern auf, schienen sie tatsächlich so engstirnig zu sein, dass sie ihn noch nicht realisiert hatten. Auch Viki bekam zuerst nicht mit, dass Ryan sich ihr aus ganz anderer Richtung näherte. Erst als Vik hinter sich jemanden zu Boden fallen hörte, wagte sie erschrocken ein Blick über die Schulter. Als sie Ryan dann entdeckte, stolperte sie selbst fast wegen dem unerwarteten Schock. Das plötzliche Abbremsen sorgte zumindest dafür, das ihr Knie kurz schmerzhaft weg knickte, doch Vik biss nur die Zähne zusammen, um jetzt nicht doch noch zu fallen. Einen Moment blieb sie verwirrt stehen, wobei sie hastig atmend die neue Szene vor sich anstarrte. Es dauerte ein paar Sekunden, in den sie versuchte den entgangenen Zusammenhang zu begreifen. Der Mann am Boden war vermutlich wegen Ryan gefallen und hatte sein Stahlrohr verloren. Vielleicht geschlagen, umgeschubst oder gar mit ganzen Körper umgeworfen? Letzteres jagte ihr einen kalten Schauer durch den Rücken. Wehe Ryan hätte wegen ihr seine Rippen weiter strapaziert! Das hätte er auch sicher anders lösen können. Es reichte wenn sie schon an ihre Grenzen ging. Jedenfalls müsste er für diese Aktion selbst von hinten oder der Seite gekommen sein, wobei er vermutlich zuvor am Rand entlang geschlichen war. „Woawoa! Halt die Klinge im Zaun und lass uns ziehen! Ich würd‘ nur ungern einen meiner fixen, kleinen Freunde losschicken, die allesamt recht tödlich sind.“ Ryans Stimme war fest und bestimmend ohne laut zu werden, seine Schritte setzte er rückwärts unbeirrt fort, um die Distanz zu Viktoria zu verkürzen, während er die Waffe auf Marko richtete, der sein Messer nun verdutzt sinken ließ. Erst die Drohung ihres Soldaten riss sie aus den Gedanken. Sie ziehen lassen, … genau … sie sollten hier weg. Mit den dummen Flaschen in den Händen war sie ihm so keine Hilfe, also blieb ihr weiterhin nichts übrig, als auf die abschreckende Wirkung der Waffe in Ryans Händen zu vertrauen. Mit einem stechenden „ich hab dich ja gewarnt“-Blick sah sie den perplexen Marko an, bevor sie weiter zu dem schützenden Gebüschen sprintete. Dieses Mal zog sie aber doch ihr Bein zwei, drei Schritte nach, bevor sie normal weiter lief. Hinter dem Blattwerk angekommen, blieb sie stehen und lehnte sich schwer keuchend mit der Schulter an einem Baum, während sie zu sah, wie Ryan vorsichtig, aber so schnell wie möglich rückwärts zu ihr kam. Immerhin ermöglichte er es ihr kurz Luft zu holen und ihren Dolch endlich weg zu stecken. Kurz legte sie auch die Hand auf ihr schmerzendes Bein. Damit konnte sie nicht wie gewohnt flüchten. Meist hing sie die Verfolger durch Hindernisse ab, aber mit Ryan würde das eh nicht gehen, da müssten sie sich was anderes einfallen lassen. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, erreichte Ryan sie schon. Mit einem kurzen Blick sah Viki, dass er weiter rennen wollte, daher drehte auch sie sich um und suchte einen Weg durchs Unterholz. Am liebsten hätte sie erst die Flaschen in die Rucksäcke gesteckt oder zumindest ihren Rucksack wieder von Ryan abgenommen, um ihn zu entlasten, aber er bedeutete direkt weiter zu wollen. Er hatte ja recht, erst wenn sie die beiden abgehängt hatten, würde sie sich ein paar Sekunden Zeit nehmen. Viki bezweifelte dennoch, das sie ihnen nun direkt folgten. Vermutlich würden sie eher den anderen Wölfen Bescheid geben und dann versuchen sie aufzuspüren. Ryan sollte das wissen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie mussten sich unbedingt weiter absprechen, aber zuerst sollten sie zur Vorsicht doch weiter. Viktoria drehte sich dauernd um, einerseits wegen den Wölfen, andererseits um Ryan nicht zu verlieren. Ohne Gepäck kam sie zwar schneller voran, dennoch machte der weiche Boden und die unter dem Laub versteckten Wurzeln und Äste es ihr schon nach kurzem schwer auf dem linken Bein die Stabilität zu behalten. Als sie dann wieder plötzlich zu stolpern drohte, ließ sie ihre Flasche fallen, um sich am nächsten Baum fest zu halten. Immerhin konnte sie so einen Sturz verhindern und die ungeplante Pause nutzen, um sich gleichzeitig nochmal nach Ryan und den Verfolgern umzuschauen. Die Wölfe waren nicht zu sehen, aber Ryan blieb nun auch kurz stehen. „Mir … mir geht’s … gut … ehrlich!“, sagte sie sofort, während sie noch keuchend nach Atem rang. Von dem ganzen Rennen brannte ihre Lunge bereits, aber mehr Sorgen machte sie sich im Stillen doch um ihr Bein, nur zugeben würde sie wieder nicht, dass es gerade schmerzte. „Ich sollte nur … vielleicht wieder auf die Straße … oder Parkweg …“, gab sie dann doch zu. „Gib mir den Rucksack … ich muss diese … Flaschen los werden … ich brauch zur Not freie Hände …“, verlangte sie dann keuchend. Ryan sagte nichts dazu, aber sein skeptischer Blick verriet, dass er ihr nicht glaubte. Er verstaute bereits wieder die gesicherte Waffe und nahm seine nun gefüllte Flasche von Vik entgegen, die er ebenfalls wegsteckte. Während sie ihm seine wieder gab, packte sie ihre ein. Um keine Zeit zu verlieren versuchte sie ihm gleichzeitig mehr über die Situation aufzuerklären: „Die Wölfe haben mich ‘ne Weile toleriert … Ich hab Waren getauscht … jedoch gab es da ein kleines Missverständnis … sie jagten mich raus und ich bin über die Mauer, … später bin ich dennoch wieder gekommen und wieder über die Mauer … Da wird Marko uns jetzt vermutlich als erstes suchen … Zuerst trommelt er schnell einige seine Kollegen zusammen … wir können versuchen schneller weg zu sein und in die Viertel flüchten oder hier im Gestrüpp weiter nach Norden durch zuschlagen, bis es zu dunkel wird und hoffen, das sie uns hier nicht suchen.“ Das war zumindest alles was ihr auf die schnelle einfiel und auch alles was er vorerst wissen musste. Ryan hörte nun aufmerksam ihrem kurzen Anschnitt von den Geschehnissen zu, während er sich selbst eine kurze Verschnaufpause gönnte, seine Arme auf seinen Oberschenkeln abstützte und die kühle Nachtluft tief inhalierte, bemüht dabei wieder zur Ruhe zu kommen. Seine Sätze kamen abgehakt heraus, wurden durch seine unregelmäßigen Atemzüge unterbrochen. „Missverständnis, eh?“, wiederholte Ryan. Als er das Missverständnis ansprach, konnte sie nur kurz entschuldigend Lächeln, wobei ihr Atem ebenfalls noch beschleunigt war. „Später … “, meinte sie beschwichtigend. Wenn sie mehr Zeit hatten, würde sie ihm das vielleicht erklären, aber so interessant war die Geschichte auch nicht. Immerhin waren alle lebend davon gekommen, so weit sie wusste. Einen kurzen Moment überlegte er, bevor er seine Entscheidung traf: „Ich würde die Mauer wählen,… wir haben einen gewissen Vorsprung, besonders wenn dieser Marko erst seine Kumpanen zusammentrommeln wird… Ich denke unsere Chancen unbemerkt zu fliehen sind dort am größten…“ Noch während er sprach richtete Ryan sich langsam wieder auf und stieß ein weiteres angestrengtes Mal die Luft aus. Nun setzte Viktoria sich den Rucksack wieder auf, während sie kurz seinen Vorschlag mit einem Nicken bestätigte. Wenn sie Glück hatten, dann würde an der Mauer wirklich keiner auf sie warten, dennoch hatte sie leichte Bedenken. „Ich hoffe du hast recht. Sie sind recht schnell, wenn sie ihre Leute rufen“, meinte sie nur zwischen den hastigen Atemzügen. Welche Mittel sie zur schnellen Kommunikation benutzten oder ob sie feste Punkte hatten, wo sie sich aufhielten, dass hatte sie noch nicht rausbekommen. Als Viktoria bemerkte, wie er mit seiner Atmung und der Verletzung kämpfte, blieb ihr Blick besorgt an seinen Rippen hängen. Doch bevor sie ihn darauf ansprechen konnte, drängte er sie wieder zum Aufbruch. „Dann bleibt uns leider nur keine Zeit zum Verschnaufen Vizz, wenn wir den Vorsprung auch nutzen wollen…“ Sein Rucksack befand sich bereits wieder auf seinem Rücken, sein Blick war mit noch leicht sorgenverhangener Miene auf Viktoria geheftet. „Ich weiß“, gab sie zu, denn jetzt nachlässig zu werden wäre wirklich gefährlich. So wandte sie sich selbst schon zum gehen, bevor sie noch über die Schulter zu ihm zurück sah. „Geht’s wirklich noch gut? Sag am besten Bescheid, wenn es nicht mehr reicht um mich abzuhängen.“ Unter einem gezwungenen Lächeln wandte er sich weiterhin schwer atmend ab und ging in Richtung Mauer davon. „Sag das dann bloß früh genug, um planen können…“ Bei seinem ebenso sorgenvollen Blick konnte sie nicht anders als kurz bitter zu schmunzeln. „Es wird schon gehen, es muss einfach. Kommst du denn überhaupt über die Mauer?“, fragte sie und wusste eigentlich schon, was er sagen würde. In der Hinsicht schien er genauso stur wie sie zu sein. Also blieb wieder nichts anders übrig, als darauf zu vertrauen, dass sie beide sich nicht zu viel zumuteten. Als er dann los ging, setzte sie sich auch wieder in Bewegung. Das Tempo der beiden zog wieder merklich an. Mehr als einmal kam Ryan bei dem feuchten Boden und dem dichten Buschwerk ins Straucheln, blieb aber von verhängnisvolleren Stürzen verschont, sodass sie nach kurzem Lauf bereits in Sichtweite der Mauer kamen. So schnell wie sonst, kam Viktoria auch nicht voran. Sie hielt sich dicht in seiner Nähe und ließ ihn durch die Sträucher vorgehen, damit sie sich nicht ebenfalls schwer durch kämpfen musste. Zudem konnte sie sich ein paarmal an ihm fest halten, als sie selbst wieder wegzurutschen drohte. Kurz darauf zügelte Ryan sein Tempo, bewegte sich auf die Mauer zu und stützte sich schwer atmend gegen eben jene, um das Kunststück zu wiederholen mit dem sie schon in den Park hineinkamen. Etwas erleichtert, war Viki schon, als die beiden endlich an der Mauer ankamen. Wenn sie Glück hatten, dann würde sie gleich wieder die Straße unter sich haben, was ihr gerade doch deutlich lieber war. Dennoch machte sich die Anspannung in ihr breit. Die Wölfe kannten sich hier sicherlich besser aus, hatten vielleicht schon ihre Trampelpfade, die an Büschen vorbei führten. Möglich wäre es, dass sie Ryan und Vik eingeholt hatten. Nervös sah sich Viki um, aber viel konnte sie wegen den Büschen und Sträuchern eh nicht sehen. Mit mulmigen Gefühl, sah sie wie Ryan ihr wieder an der Mauer hoch helfen wollte. Schnell stieg sie auf seine Hände, erreichte wieder den Rand der Mauer und zog sich hoch. Um sich oben großartig umzusehen, war keine Zeit. Entweder kamen sie nun über diese Parkgrenze oder sie waren in Schwierigkeiten. Nur einen flüchten Blick hatte Viki gerade für die scheinbar ruhige Umgebung in und außerhalb des Parks übrig, bevor sie sich schon zu Ryan runter beugte, um ihn zu helfen. Sie zog ihn ein Stück an den Händen hoch bis er den Rand selbst zu fassen bekam und versuchte ihn dann weiter zu unterstützen, auch wenn sie ihm dadurch den Schmerz wohl nicht ersparen konnte. Nebenbei ging ihr Blick nervös in den Park hinein. Viel konnte sie zwischen den Blättern nicht erkennen. Doch plötzlich meinte sie eine Bewegung zu sehen. „Ryan … “, sagte sie mit leicht zitternder Stimme, die doch ein wenig höher war als sonst. „Ryan, sie kommen …“, meinte sie mit leichter Panik, während sie einen Moment fast starr auf der Mauer saß. Kapitel 12: Durch dunkle Gassen ------------------------------- Ryan sprang von der Mauer, ging erneut tief in die Hocke und versuchte den stechenden Schmerz abermals zu ignorieren. Auch Viktoria versuchte so schnell es ginge runter zu kommen, verzichtete aber scheinbar auf große Risiken, als sie sich an der Mauer runter hängen ließ, während sie sich mit den Händen fest hielt. Zumindest konnte sie so die Höhe etwas verkürzen, als sie los ließ. Als sie auf ihren rechten Bein hockend landete und noch versuchte das Gleichgewicht zu halten, kam Ryan ihr zur Hilfe, um ihr aufzuhelfen. „Geht schon“, murmelte sie nur, während sie mit seiner Hilfe aufstand. „Wir könnten rechts die Straße ein Stück runter, … nächste links, in die Gasse rein … Vielleicht können wir sie im Schatten abhängen … außer du hast 'ne bessere Idee?“, keuchte sie angestrengt mit ernsten Blick, als sie bemerkte, dass er sich weiter um sah. „Egal wo lang, Hauptsache wir kommen hier schnell weg!“, lautete seine raus geschnellte Antwort. Als er gerade oben auf der Mauer gewesen war, hatte er mit einem kurzen Blick bereits mehr als zehn Leute ausmachen können, wer weiß wie viele es wirklich waren oder noch werden sollten, auf alle Fälle war es eine Zahl, mit der Ryan sich nicht unbedingt anlegen wollte, selbst wenn er Viktoria sicher an seiner Seite wusste. Überrascht sah er für einen Augenblick an seiner Seite herunter, als Viktoria seine Hand ergriff. „Damit ich dich nicht abhänge … “, nuschelte sie etwas verlegen als Erklärung, wobei eine leichte Röte auf ihren Wangen kam. Ihre Geste brachte ihn für einen Sekundenbruchteil aus dem Tritt, zauberte aber dennoch ein warmes Lächeln auf sein Gesicht. Ehe sie sich in Bewegung setzten, drückte er ihre Hand mit Nachdruck. Danach ließ er seinen Blick beim Laufen zurückwandern und er vermutete erste Fingerknöchel an der Mauer zu sehen. Die ersten Wölfe schienen die Verfolgung durch die Mauer alleine nicht aufgeben zu wollen. Anscheinend nahm diese Bande von Herumtreiber eine Territoriumsverletzung sehr ernst. Verständlich, war der Ruf, den eine Gang hatte, wohl doch ihr wichtigstes Aushängeschild… Durch die verschränkten Hände kamen sie etwas langsamer voran als es zuvor der Fall war, dennoch wollte Ryan die trügerische Sicherheit und Vertrautheit, die die Geste spendete, nicht aufgeben. Der beinahe befürchtete und fast schon erwartete peitschende Knall eines Schusses blieb zum Glück aus, selbst als sie bereits die erste Gasse erreichten. Hoffnung keimte in ihm auf, vielleicht hatten sie wirklich eine Chance?! Die hektischen Rufe und lautstarken Koordinierungsversuche der Wölfe konnte Ryan zwischen seinen schnaufenden Atemzügen kaum deuten, besorgt ließ er seinen Blick schweifen, dicht hinter ihnen konnte er noch niemanden ausmachen, schienen die Stimmen jedoch nicht sehr weit entfernt. Auch Viktoria schien mit der Dauerbelastung bereits zu kämpfen, knickte sie doch selbst auf dem festen Boden hin und wieder mit ihrem Knie weg, sodass er sie kurz mitziehen musste. Blieb nur zu hoffen, dass dieses Pack ihre Verfolgung doch bald schon aufgeben würde, wer wusste schon wann das erste Stolpern oder die erste Sackgasse, in die sie eventuell liefen, ihren Untergang bedeuten konnten. Sein besorgniserregender Gedankengang wurde abgerissen als Viktoria ihn mit sich in den Schutz einer dunklen Hauswand zog. Schnaufend, mit belegter Stimme, bereits bemüht seine Atmung zu beruhigen, erkundigte sich Ryan leise nach Viktorias Wohlbefinden. „Ist alles in Ordnung? Wie geht’s deinem Bein?“, brachte er unter angestrengtem Atemzügen heraus. Vik schüttelte nur den Kopf, fing dann leise an zu erklären: „Ich weiß nicht ob i- …“ Doch noch bevor sie ihm antworten konnte ließ ein prominentes Geräusch Ryan herumwirbeln: Ein kehliges, bedrohliches Brummen. Ryan zog seine Hand aus dem Griff von Viktoria, um nach dem verstauten Revolver zu greifen, doch das Biest war schneller. Eventuell wurde es durch Ryans erschrockene, hektische Bewegung zum schnellen Angriff erst recht provoziert. Ein Wolf war das Tier, welches durch einen gewaltigen Satz Ryan umriss, unter sich begrub zwar nicht, aber dennoch legte das Halsband des geifernden Monster nahe, dass er zu ihren Verfolgern gehörte. Der Revolver schlitterte einige Meter weiter, als Ryan ihn fallen ließ, um die Schnauze des Tieres mit den beeindruckenden und gefährlichen Zähnen von sich abzuhalten. Das Tier machte wirklich keine halben Sachen, schien es wirklich für diesen Zweck von den Wölfen trainiert worden zu sein. Die eh schon tödlichen Reißzähne waren nicht das einzig Gefährliche vor dem Ryan sich nun in Acht nehmen musste, galten Tiere schon sehr früh, bereits in seinem ersten Briefing, als Idee und Warnung angemerkt, zwar als immun, aber als potenzieller und gefährlicher Überträger des Virus. So konzentrierte er seine gänzlichen Bemühungen auf das Verhindern der Raserei ähnlichen Angriffe des Tieres, nahm nur noch die geifernde, fletschende Fratze dieses Ungeheuers wahr, die er mit aller Kraft versuchte von sich zu drücken, doch schienen die blutrünstigen Versuche des Tieres kaum aufzuhalten zu sein und vor Kraft nur so zu strotzen. Ryans Welt schien zu dem Zeitpunkt nur aus den blitzenden Reißzähnen, an denen sich der Geifer entlanghangelte, ehe er auf ihn niederfiel, zu bestehen, dem feindlichen Knurren, welches das Tier ausstieß, das laute Klacken, wenn der kräftige Kiefer zuschnappte, wenn die Zähne nur Luft trafen und verheißend kraftvoll aufeinander schlugen. Die Gewissheit, dass dieser Kiefer so muskulös war, das er problemlos seinen Knochen durchmalmen würde, schoss Ryan unwillkürlich durch den Kopf, während er angestrengt weiter versuchte eben jenes Ereignis zu verhindern. Die Schnauze angestrengt wegdrückend und nach Möglichkeiten seine Reflexe zum ausweichen benutzend, doch wie lange würde das noch ausreichen, würde es noch gut gehen? Plötzlich zerriss ein Knall dieses kleine Fenster der Welt, in der sich Ryan gerade aufhielt. Die dunkle Gasse wurde wie von einem Blitz für einen Sekundenbruchteil erhellt, ehe die Bemühungen des Tieres an Ryans Kehle zu kommen abrupt nachließen. Anstatt nur von den Pranken niedergehalten zu werden, lag Urplötzlich das ganze Gewicht des warmen Felles auf ihm. Flüssige, zähfließende Wärme rann an seinem Kinn und Hals entlang. Für eine gefühlte Ewigkeit wagte es Ryan nicht sich zu bewegen, nur mit Schwierigkeiten konnte er die Geschehnisse einordnen. Erst Viktorias Stimme riss ihn aus der Apathie. Kraftlos war auch Viki auf die Knie gesunken und ließ dann den Revolver fallen. Die zitternden Hände wischten die aufkommenden Tränen weg. „Das … das ist nicht fair … auf sowas war ich nicht- … sowas kann es nicht geben …“, nuschelte sie für sich. Panisch ging ihr Blick zu den beiden Enden der Gasse, versuchte sich dabei übereilt wieder zu erheben, wobei sie wegen der Verletzung wieder wegrutschte und auf den Boden landete. Hilfe suchend blieb ihr Blick dabei an Ryan hängen. „Oh Gott, Ryan! Geht es dir gut? Bitte, bitte sag, dass es dir gut geht! Bitte, es … es tut mir Leid. Ich wusste nicht … ich hatte keine ja Ahnung … es ist meine Schuld … bitte … es … es tut mir Leid. Er hat dir nichts getan, oder? Bitte sag, dass alles okay ist … sag, dass ich nicht zu langsam war …“, versuchte sie sich gleichzeitig flehend zu vergewissern, dass der Wolf ihn nicht doch gebissen hatte und zu entschuldigen, während schon die nächsten Tränen über ihr Gesicht liefen. Mit einem Grunzen stemmte er den leblosen Kadaver, des ungefähr 50 Kilo schweren Biestes von einem Hund, von sich. Die unnachgiebigen Versuche des Viehs, ein Stück aus Ryan zu holen, hatten Kräfte gekostet. Doch sie waren weit entfernt davon in Sicherheit zu sein, keine Zeit für Schwäche… Kurz tastete Ryan nach der sich bereits erkaltende Flüssigkeit auf seinem Hals. Blut, doch es schien nicht seines zu sein, zu mindestens spürte er derzeit keine neu gewonnene Wunde. Er verkürzte die restliche Distanz zu Viktoria, schloss sie intuitiv und innig in die Arme, darauf bedacht dies nicht mit der blutverschmierten Seite seines Gesichtes zu tun. „Shhhh, Viktoria… Ich bin unverletzt… Beruhige dich, du hast mir das Leben gerettet. Wir müssen noch etwas weiter… Sie sind noch hinter uns her, Okay? Nur noch ein bisschen weiter, weg von hier und dann verziehen wir uns in irgendein Haus…“ Seine Stimme überschlug sich förmlich bei den Beruhigungsversuchen, rasten seine Gedanken doch bereits um das Geschehene und das was noch vor ihnen lag aufzuarbeiten. Der Schuss wird ihre Position verraten haben, sie mussten es wenigstens noch ungesehen eine oder zwei Ecken weiter schaffen, wenn sie sich dann in irgendeinen der vielen Häuser verkrochen, würde diese Gang kaum die Möglichkeiten haben jede Wohnung nach ihnen zu durchsuchen. Zumindest hoffte Ryan, dass sie nicht die Truppenstärke für solch eine Aufgabe hatten… Viktoria klammerte sich leicht zitternd an ihn fest und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter, doch sie beruhigte sich zusehend. Zumindest die Panik fiel langsam von ihr ab, obwohl sie noch immer hastig nach Luft rang. Dennoch konnte sie nicht aufhören vor sich hin zu murmeln: „Ich wusste es nicht, … ich hätte dich nicht zum Park bringen sollen … Es tut mir Leid … ich hätte nicht in ihr Gebiet … das wollt ich nicht … wir hätten das Wasser auch wo anders …“ Ryan hauchte einen kurzen Kuss auf ihre Wange, ließ mit einer Hand kurz von Viktoria ab, um nach der Waffe zu greifen, die er knapp neben ihr ausmachte, diese sicherte er kurzerhand und verstaute sie zügig, ehe er die fehlende Hand wieder um Vik schloss und sie langsam mit sich zusammen aufrichtete. „Komm, nur noch ein paar Ecken weiter… Wäre doch schade, wenn das alles umsonst gewesen sein sollte… Komm du schaffst das… Wir schaffen das!“ Sie hatten wahrlich keine andere Wahl, die Rücksicht die sie in diesem Augenblick nehmen konnten waren beinahe gleich Null, so hart es klang. Ein angestrengtes Lächeln, welches er Viktoria schenkte, blitzte auf, sein Atem war immer noch beschleunigt, während er weiterhin mit Viktoria im Arm die Flucht wieder aufnahm. Anscheinend wurden sie bisher noch nicht verfolgt, hatte der ganze Angriff scheinbar nur einen Bruchteil der Zeit gekostet, anstatt der Ewigkeiten die Ryan empfunden hatte. Zögerlich löste sich auch einer ihre Hände, die nun die Tränen weg wischte. Ein wenig unsicher erwiderte sie sein Lächeln, als sie schon wieder los rannten. Mit einem schmerzvollen Keuchen trat sie wieder fester auf. „Tut mir Leid, … will keine Last sein …“, presste sie noch zwischen den heftigen Atemzügen hervor. „Nächste rechts … die zweite links … drei Straßen weiter gerade aus … dann wieder rechts … dort sind die ersten … großen Hotels … hoffentlich … wittern die Biester … uns nicht …“ „Nichts hiervon hättest du voraussehen können, komm schon konzentrier‘ dich! Dich trifft keine Schuld! Wir können uns nun nicht hängen lassen.“ Die Worte die eigentlich Aufbauen sollten, wurden in Eile hervor gepresst. So viel hatten sie durchgestanden, sie mussten hier einfach lebend raus! Das Ziel, welches Viktoria beschrieb klang noch so unglaublich fern… aber umso ferner es lag desto größer waren die Chancen, das ihre Verfolger die Jagd einfach aufgaben, schließlich gab es für sie keine allzu große Motivation sie zu schnappen. Dennoch, die Stimmen wurden lauter, durch den Schuss hektischer, aber unbeirrt näher heranrückend. Er hatte weiterhin Viki mit im Arm, sie dabei so gut es ging stützend. Sie tat sich mit ihrem Bein definitiv schwerer, waren die vergangenen Ereignisse wohl zu viel Belastung gewesen. Sorge machte sich in Ryan breit, sackte seine Partnerin doch immer häufiger zusammen, wenn ihr Bein immer häufiger der Belastung nachgab. Sie bogen bereits um die nächste Ecke, erneut nahmen die beiden eine gewisse Geschwindigkeit auf, etwas langsamer als zuvor, jedoch immer noch schneller als die physische Verfassung es für die beiden eigentlich zuließ. Auf Dauer würden sie dieses Tempo wohl nicht mehr lange halten können. Das ausgeschüttete Adrenalin würde sich schnell verbrauchen, das dumpfe Pochen in seiner Seite würde bald schon wieder ein grelles, heißes Eisen sein, was fähig war ihm die Luft zu rauben. Noch während er seinen Gedanken nachhing bogen die beiden erneut ab, nun drei Straßen gerade aus, nicht gerade ungefährlich, die hektischen Rufe klangen immer noch nah, was Ryan jedoch mehr Sorgen machte als die Lautstärke war, das die Rufe, die ihnen hinterher hallten keineswegs mehr hektisch waren… Wenn sie Glück hatten, gaben ihre Verfolger gerade auf, wenn sie jedoch Pech hatten, hieß es nur dass sie sich besser organisierten. Ein lautes Blaffen hallte von den Häuserwänden wieder, gefolgt von einem Ruf und dem Rasseln von Ketten. Viktoria erzitterte und als sie erschrocken zurück sah, knickte sie abermals etwas ein. Als Ryan daraufhin einen Blick über die Schulter warf, liefen in seinem Kopf bereits die Möglichkeiten ab, die ihnen blieben. Knappe 200 Meter von ihnen entfernt, am Anfang der soeben eingebogenen Straße, hatte sie einer der Gangmitglieder eingeholt und war nun auf Sicht. Seine Waffe war, zu Ryans Bestürzung, jedoch ein recht großer Rottweiler, der gerade von seiner Eisenkette befreit wurde. Zweifelslos würde der Hund schneller als die beiden sein, nicht mehr viel Handlungsspielraum stand ihnen zur Verfügung. In Eile riss er sich etwas unsanft von Viktoria los, die einen Sturz so eben noch verhindern konnte, und wandte sich somit befreit im vollen Lauf um, zog und entsicherte bereits den Revolver, um den heran preschenden Hund aufs Korn nehmen zu können, sobald Ryan in Viktorias Rücken zum Stillstand gekommen war. Ein tiefes kontrolliertes Ausatmen wurde von dem vorschnellen des Hahnes begleitet. KLICK – 100 Meter… Ryans Augen weiteten sich erschrocken aufgrund des ausgebliebenen Knalls, leichte Panik stieg in ihm auf. Die Trommel musste sich irgendwann weitergedreht haben… ein kurzer Blick auf die vollen Kammern, die an der Seite sichtbar waren, bestätigten diese Befürchtung. „Lauf, lauf, lauf, lauf weiter Vik!“, schrie Ryan, worauf hin sie nur zögerlich reagierte und los lief. Der Soldat machte sich ebenfalls daran sich rückwärts in Bewegung zu setzen, mit zwei weiteren Klicks, schickte er die Trommel einige Umdrehungen weiter. Bereits einzelne Fangzähne konnte Ryan an dem Tier ausmachen, keine fünfzig Meter waren mehr zwischen ihnen, als der Hahn der Waffe abermals auf eine leere Kammer traf. Bei jedem der achtlosen Schussversuche hielt er die sich drehende Trommel im Auge. Mit einem fast schon erleichterten Seufzer nahm er die Waffe nun in beide Hände und versuchte ihr Stabilität zu geben, als beim nächsten Drücken des Abzugs der fast schon ersehnte Rückstoß durch seinen Arm ging und das Tier beinahe augenblicklich zu Boden ging, seine Ohren dabei vom Knall nur so pfiffen. Die Waffe schwenkte sofort weiter, zum Führer des Hundes, doch dieser hatte sich kaum bewegt, zu weit entfernt um seine Mimik zu erkennen, doch schien er wie vor Schreck erstarrt zu sein. Kein Ziel für diese wertvolle, letzte Patrone… Sie mussten Weg von hier, um jeden Preis. Schnell wandte er sich wieder um, darauf aus wieder zu seiner Partnerin aufzuschließen. Weit war Viktoria allein nicht voraus gelaufen. Schnell kam sie alleine anscheinend nicht mehr voran, war es doch fast nur noch ein Schritttempo. Viktoria letztendlich wieder eingeholt zu haben und ihre Hand in seiner zu spüren beruhigte ihn zusehends, in der anderen hielt er immer noch den Revolver, dessen erhitzter Lauf ein dünner Qualmstrang entstieg. Es hielt ihn jedoch nicht davon ab mit weiteren, nervösen Schulterblicken nach Verfolgern Ausschau zu halten. Zusammen schafften sie auch das nächste Stück und kamen zu der Ecke, wo sie abermals abbiegen wollten. Dort sah Vik sich wieder vorsichtig um, wobei die nächste Straße ebenfalls frei war und sie schon die vier hohen Gebäude vor sich erkennen konnten. Jedes hatte mindestens fünf bis zehn Stockwerke und wohl zusammen einige Hundert mögliche Zimmer, in denen sie verschwinden konnten, bis sie beide in der Lage waren in ihr sicheres Versteck weiter zu ziehen. Mit den wenigen Mitgliedern würden sie ewig brauchen, bis sie Ryan und Vik fanden, aber mit den Hunden wäre das für sie vielleicht kein Problem. „Dort vorn… da sind wir… erstmal sicher… vor denen… Meinst du sie… haben noch mehr? … Denkst du... die spüren uns auf? … Geben sie auf?“, fragte Viki hoffnungsvoll keuchend. Wieder richtete sie ihren Blick auf die Hotels und lief zum dritten auf dieser Straße. Es war das zweit höchste und schien zumindest genauso verlassen wie die anderen. Vorerst hatte Ryan bei ihren Fragen geschwiegen, konzentrierte sich lieber auf den restlichen Weg, der noch vor ihnen war und welche Antworten hätte er ihr schon bieten können? Jeder seiner nun angestrengten Atemzüge sandte dumpfe Wogen des Schmerzes seinen Körper entlang. Sein Blut zirkulierte angetrieben vom Adrenalin, pochte schwer in seiner Schläfe, half ihm dabei fokussiert zu bleiben. Mit Ryans Hilfe kam Vik auch wieder besser voran und eine Weile liefen sie schweigend den Hotels entgegen. „Ich bring ihn um“, flüsterte Viki dann schließlich gedankenverloren mit bitteren Ton, während sie die letzten hundert Meter zum Hotel hinter sich brachten und ihre Augen nur noch auf die kaputte Eingangstür starrten. „Irgendwann bring ich sie alle um! … Sie und ihre verfluchten Biester…“, fügte sie leise hinzu, während sich die ersten Tränen aus den Augenwinkeln schlichen, die sie schnell wegzuwischen versuchte. Als er Viktorias hervor gemurmelte Drohungen vernahm hielt es ihn jedoch nicht davon ab, ihr einen knappen, aber besorgten Seitenblick zuzuwerfen. „Keine Sorge Krümel, sie werden sicher vorsichtiger sein, die können ja schließlich nicht ahnen, dass wir nur noch eine Kugel haben und zwei von diesen Hunden zu verlieren dürfte an denen auch nicht spurlos vorbei gehen“ , sagte Ryan, woraufhin nur ein kurzes, bitteres Lächeln auf Viktorias Lippen erschien. Wahrlich, hatte er bei seinen kurzen Schulterblicken niemanden ausmachen können, doch das würde wohl nichts bedeuten, der Heimvorteil war hier schließlich nicht auf der Seite der beiden Flüchtlinge. Mit einem weiteren drücken ihrer Hand nahm er ihre Stimmungslage zur Kenntnis, sie wirkte kraftlos auf ihn. Hoffentlich lag sie mit der Vermutung, das dieses Hotel vor ihnen von keiner weiteren Gang besetzt wurde, richtig, sie würden beide eine Erholung benötigen… Zusammen betraten sie endlich die Lobby des Luxushotels. Schon vor Ewigkeiten musste man sich hier gewaltsam Zugriff verschafft haben, denn vom früheren Glanz war hier nicht mehr viel zu sehen. Vik zog schon allein aus Gewohnheit einen ihrer Dolche und ging mit Ryan zum Treppenhaus. „Vermutlich sind einige wenige Zimmer schon 'belegt', … dennoch können wir hier etwas Ruhe haben … wir sollten nur die Türen verbarrikadieren …“, erklärte sie noch knapp zwischen ihren flachen Atemzügen. Vik löste sich von Ryan und hielt sich mit einer Hand an der Wand fest, während er die Tür öffnete. Als sie lauschte, konnte sie nichts verdächtiges hören. Daher ging sie direkt zum Geländer, steckte den Dolch doch vorerst wieder weg und zog sich Stufe für Stufe etwas daran hoch, um ihr Bein zu entlasten. Ryan folgte ihr mit gezogener Waffe zum Treppenabsatz, doch bereits nach einigen Stufen sah er weit häufiger nach Viki, als das er sich auf die Treppe vor ihm konzentrieren konnte und eigentlich auch musste, darum legte er schließlich seinen linken Arm um ihre Hüfte um sie zusätzlich zu stützen. Die Waffe, nun in seiner rechten, weiter wachsam von sich gestreckt. „Komm schon, weiter Viki… vier Etagen sollten doch noch drin sein, normalerweise würdest du die doch sicher an der Fassade entlanghangelnd meistern!“ Leicht beschämt hielt sie den Blick auf die Stufen gesenkt, legte ihre rechte Hand aber dennoch auf seine Schulter, um sich weiter hoch zu ziehen. Auf seine Worte hin nickte sie nur ohne ihn anzusehen. „Normalerweise … werd‘ ich auch nicht von … tollwütigen Viechern gejagt, … - aber … Vier Etagen, … dass schaff ich! … Nur vier …“, presste sie zwischen den keuchenden Atemzügen hervor. Kapitel 13: Zimmer Nummer 317 ----------------------------- Kurz bevor sie die erste Etage erreichten löste Ryan sich für einen Moment von Vik, um sich einen kurzen Überblick des Flures zu verschaffen. War ihnen nun doch schlussendlich das Glück hold? Der Flur wirkte verlassen, auch von den Verfolgern vernahm Ryan derzeit nichts… Er wandte sich wiederholt zu Viktoria um, die sich kurzzeitig am Geländer festhielt, bevor er ihr erneut helfen konnte und so wiederholten sie das Procedere für die nächste Etage. Leise Stimmen waren in dieser Etage zu vernehmen. Einen zögerlichen Blick den Flur entlang enthüllte aber keine Gangmitglieder, anscheinend waren hier wirklich noch andere Streuner untergetaucht, das dürfte ihre Verfolgung erschweren. Die Neugier herauszufinden zu wem diese Stimmen gehörten kam in Ryan nicht auf, er hatte genug der Überraschungen erlebt… Mit der Geste seinen Finger auf die Lippen zu legen, hielt er Viktoria zur Stille an, nicht das sie noch mehr unliebsame Bekanntschaften machten. Vik nickte, als sie Ryans Warnung sah und die nächste Etage kamen sie etwas besser voran. Immerhin war auch die dritte Etage wieder still, sodass sie direkt weiter konnten. Zwischen den Etagen knickte ihr Bein kraftlos ein und Vik sackte plötzlich etwas weg. Nur Ryan verhinderte noch den Sturz, da sie sich allein nicht mehr hätte abfangen können. „Tut mir Leid“, murmelte sie sofort. „Es tut mir Leid … ich … Die paar Stufen … die paar Stufen schaff ich noch…“, fügte sie leise hinzu und überwand nun auch das letzte Stück. Endlich waren sie im vierten Stock angekommen, waren sie nun doch endlich erfolgreich entkommen? Seine ganze Brust brannte mittlerweile, Lungen, Herz und seine Rippen verschwammen zu einem einzigen schmerzenden Klumpen. Die ehemalige Touristenunterkunft hatte definitiv auch schon bessere Zeiten gesehen, hier und da waren Schmierereien auf den Wänden. Viki hielt sich etwas an den Wänden fest, sah dann Ryan kurz fragend an. „Am besten wir suchen ein Zimmer … hinten bei der Feuerleiter … Wir sollten dennoch die 'Nachbarn' abchecken… Ich hör' mich bei den linken Türen um, … du bei den rechten?!“, schlug sie leise vor, wobei ihre Stimme kaum lauter als die hastigen Atemzüge waren. Mit einem knappen wortlosen Nicken bestätigte er Viktorias Frage und machte sich augenblicklich daran die Türen auf der rechten Seite zu inspizieren. Auf dieser Seite sahen die Zimmertüren nicht besser aus als auf Viktorias Seite, der Großteil aus den Angeln gerissen oder anderweitig beschädigt, von einer Tür fehlte sogar jegliche Spur, die vorherrschende Dunkelheit machte es aber beinahe unmöglich etwas in dem Zimmer zu erkennen. Nur eine weitere Tür auf seiner Seite war geschlossen, für einen Moment horchte er an der abgeschlossenen Türe, konnte jedoch keine anderen Geräusche ausmachen neben dem pulsieren in seinem Ohr. Vik lehnte sich neben ihn an die Wand bei dem Zimmer mit der Nummer 317 und fragte leise: „Hier?“ Bevor Ryan sich der Tür zuwenden konnte, holte sie einen der Dolche raus und führte die Spitze zwischen den Türspalt ein. Seine Partnerin machte sich bereits an der Verriegelung zu schaffen, er ließ sie gewähren und im selben Moment sprang die Tür auch schon auf. Mit kurzen, müden Schmunzeln ließ Vik ihm dann den Vortritt und kurz huschte ihm der Gedanke durch den Kopf, das er nun wahrscheinlich der Erste seit einem Jahr war, der diese Schwelle überschritt. Sein Blick sah sich in der neuen Umgebung um, fuhr über die wellige Tapete und den Schimmel an den Wänden, als er das Klicken des Schlosses hörte, dieses doch ach so schönes, vertrautes Geräusch, ein weiteres Hindernis zwischen ihnen und ihren Verfolgern, erwartet hatte er nicht dass das Schloss noch funktionieren würde. Ryan entledigte sich nun seines Rucksackes noch ehe er sich zu Viki umdrehte und sie bereits atemlos mit offener Jacke und gelockerten Schal an der Wand neben der schweren Kommode sitzen sah, was sie gerade wohl probiert hatte war jedoch schon auf den ersten Blick zu erahnen. „Jetzt schon… unzufrieden mit der Einrichtung?“, probierte er atemlos zu witzeln, ehe er sich nun selbst mit dem Rücken an die Kommode stemmte und sie keuchend mit einem lauten Quietschen als Holz über Holz schliff ein weiteres Stück vor die Tür schob und sie mit einem weiteren Druck die Tür vollständig blockierte, gefolgt von einem angestrengten Ausatmen. Mit leichten Schmunzeln sah Viktoria wieder zu ihm auf. „Es stört den Chi-Fluss ... Vor der Tür verbreitet es … bessere Schwingungen …“, erklärte sie mit einem schwachen Grinsen, während sie ihm dabei zu sah, wie er nun das Möbelstück verrückte. „Danke“, murmelte sie noch, als die Kommode am neuem Fleck stand. Prüfend wanderte ihr Blick über Ryan, bevor sie auf ihre Hände starrte, die wieder an einem Ende des Schals spielten. Mit einem tiefen Seufzen lehnte sie den Kopf an die Wand und sah hinauf zur Decke, ehe sie doch wieder erschöpft die Augen schloss. Anstatt sich ebenfalls sofort auszuruhen, stand der Soldat bereits wieder und bewegte sich auf den einzigen weiteren Raum im Zimmer zu, mit ziemlicher Sicherheit das Bad. Erinnerungstücke schossen ihm durch den Kopf, von dem Schlafzimmer was er vor kurzem erst durchsucht hatte, die fleischige Fratze, der Geruch, der fortgeschrittenen Verwesung, die Körpermasse die an der Tagesdecke festhing… Ein unbewusster Griff ging an seine linke Flanke, bevor er die Tür zum Bad öffnete. In dem Bad selber herrschte ein ziemlicher Gestank, beinahe wie in einer Kanalisation, doch blieb er von anderen Überraschungen verschont, immerhin etwas. Kurz darauf stand er auch schon wieder im Hotelzimmer und zog dort seine Jacke aus, die er achtlos auf das Bett im Zimmer warf, bevor er sich mit dem Saum seines Hemdes begann den Schweiß und das Blut des Tieres von Stirn und Hals zu wischen, so gut es ihm möglich war. Sein Blick war auf Viktoria gerichtet, sie sah wahrlich nicht gut aus. Blieb zu hoffen, dass den beiden wenigstens ein wenig Ruhe gegönnt wurde. Die Stimme die sich erhob war leise, immer noch von tiefen, angestrengten Atemzügen unterbrochen, die kleine, stechende Wellen entsandten:„Wie geht’s dir?“, waren die platten und knappen Worte die er hervor brachte. Viele Gedanken drehten sich in seinem Geiste. Wo genau hatte sie ihre Flucht hingebracht? Hatten sie ihre Verfolger abgehängt? Waren die anderen Personen im Hotel eine direkte Gefahr? Knapp, präzise und fokussiert Fragen zu stellen war ihm mehr als einmal ans Herz gelegt worden, drum stellte er geradeheraus die Frage, auf die es ihm im Augenblick ankam. Als sie beobachtete wie er versuchte das Blut los zu werden, zog sie ihren Rucksack näher zu sich und begann etwas zu suchen. Die Wasserflasche stellte sie neben sich, wühlte kurz mit den Arm tiefer in ihrer Tasche. Ihr anderes Hemd legte sie neben sich, packte ein paar Dosen aus und holte auch den kleinen Gefrierbeutel mit ihren übrig gebliebenen Fotos, Briefen, Perso und Andenken raus. Vikis eifrige Suche wurde von seiner Frage unterbrochen. Kurz sah sie ihm in die Augen, bevor sie doch den Blick mit schwachen, verzogenen Lächeln senkte und sich ihre Hand auf ihr Knie legte. „Hast du die Säge noch?“, kam ebenso leise als Antwort, bevor sie fast vorsichtig wieder zu ihm sah. „Verrat es meinem Arzt nicht, aber ich hab es wohl übertrieben. Aber du hast mich ja gewarnt, wolltest mir ja was geben… “, meinte sie mit einem etwas aufgesetzten Lächeln, bevor sie seinem Blick wieder auswich. „…nur das ich uns damit fast umgebracht hätte“, murmelte sie kaum hörbar und wühlte abermals in ihrem Rucksack, fand aber noch immer nicht, was sie suchte. Nun zog sie die Tüte mit dem Schreibblog heraus und kramte dann noch die zwei Packung Zigaretten hervor, bevor sie endlich die Tüte fand, in der sich noch ihre feuchten Waschlappen befanden, die sie dann heraus holte. „Hier, damit geht es wohl besser, aber du musst den dir leider abholen“, sagte sie überspielenden Lächeln, während sie ihm das Stückchen Stoff entgegen hielt. Seine Atmung normalisierte sich zusehends, doch sein Herz pumpte weiterhin hektisch vor sich hin. Seinen besorgten Gesichtsausdruck konnte er nicht wirklich gut verstecken, als er die Distanz zu Vik verkürzte, wobei er den Saum seines Hemdes losließ, die Versuche das Blut zu entfernen vorerst pausierend. Aufgewirbelter Staub hing in der Luft des dunklen Zimmers, während die Dämmerung langsam der Nacht weichen musste. Auf dem Weg nahm er seinen Rucksack auf, den er knapp über dem Boden schliff, ehe er ihn bei Viki abstellte, sich selbst neben ihr an der Wand niederließ und ihr den Waschlappen mit einem knappen ‚Danke‘ abnahm und sie daraufhin nur zufrieden lächelte. „Wenn ich durchgeatmet habe nehm‘ ich dir das Bein ab, ich glaub gerade kann ich meine Hände nicht ruhig genug halten…“ Mit einem neuen Lächeln fing er bereits beim Sprechen an das Blut an seinem Hals abzuwischen, ihre Schuldaufladungen quittierte er mit einem knappen Stirnrunzeln, wobei Vik nur ihren Blick senkte und ihre nervösen Hände begannen das Loch an der aufgerissenen Stelle ihrer Hose zu inspizieren. „Huh? Wo hast du uns den fast umgebracht? Du hast die Zähne so gut es ging zusammengebissen und schließlich sind wir wohlauf hinter einer verschlossenen Tür und Mann… Das Feng Shui hier ist unglaublich!“ Erst bei seinen erneuten Kommentar zum Feng Shui sah sie mit knappen Schmunzeln zu ihm. „Dann hoff‘ ich, dass das Feng Shui deinen Händen schnell hilft. Im Moment ist es doch schon … nicht angenehm. Noch so einen Sprint krieg‘ ich heute nicht mehr hin, auch wenn ich am liebsten weiter und in mein eigenes Versteck wäre …“, murmelte sie. Sie schien sich Vorwürfe zu machen, bei ihrer Verfassung an irgendetwas von der ganzen Scheiße Schuld zu sein. Prüfend sah er in der Dunkelheit auf den Waschlappen. Umrisse vom verschmierten Blut waren auf ihm erkennbar. Mit einem Seufzen legte er den Waschlappen ab, ehe er einen Arm um Viktorias Hals legte, wobei sie ihren Kopf bei ihm leicht anlehnte und mit erschöpften Seufzen die Augen schloss. Wieder redete Ryan sanft auf sie ein: „Ich bleib dabei: Wir geben ein ganz gutes Team ab und haben anscheinend was Zeit gewonnen… Der Flur ist ruhig, zumindest etwas verschnaufen können wir nun. Und du lässt mich nochmal ein Blick auf dein Bein werfen und kriegst etwas gegen die Schmerzen, – warte…“ Zumindest bei den erneuten Angebot sie zu versorgen nickte sie brav und legte ihren Hand an seine Seite, um sich gleichzeitig näher an zu kuscheln, bei seinem „warte“ öffnete sie doch wieder die Augen und sah ihn schon verwirrt an. Mit seiner freien, linken Hand griff er über Vik hinweg nach dem kleinen Haufen, den Viktoria hergestellt hatte, und sah schweigsam für einen kurzen Moment auf das oberste Bild in der Gefriertüte, die er nun in der Hand hielt. Fünf Personen unterschiedlichen Alters waren drauf zu sehen. Viktoria mit ihrer Familie? Eine gewisse Ähnlichkeit war vorhanden. Ein melancholisches Lächeln war zu sehen. Als er sich plötzlich ihr Tütchen mit Andenken griff, wurde sie erneut rot und auch nervös. Dennoch folgte sie seinem Blick auf das Foto. Mit eigenem Lächeln blieb sie kurz an der Erinnerung hängen. Es zeigte eine Familie im Radisson Rigde Ride-Freizeitpark, im Hintergrund war deutlich die Achterbahn mit Looping zu sehen. Ein kleiner Junge sah genervt und trotzig mit verschränkten Armen etwas zur Seite, wurde mit sanften Griff im Nacken von dem Vater an der Flucht vor dem Foto gehindert. Ein Mädchen, das vermutlich nur wenige Jahre älter war, schien hingegen von einem Ohr bis zum anderen zu grinsen und kaum still stehen zu können. Zudem hatte sie ihre Hände wie Pfötchen erhoben, passend zu ihren plüschigen Hasenohren auf dem Kopf. Die Person, die Viki am ähnlichsten sah, hatte mit einen unbeschwerten, breiten Lachen einen Arm um die Mutter gelegt. Auch Viki trug weißen Katzenöhrchen mit roter Schleife, die sie ebenfalls mit Haarspangen auf dem Kopf festgemacht hatte. Das hüftlange, schwarze Haar fiel ihr teilweise über die Schulter und schmiegte sich an ihre recht üppigen Kurven. Auch wenn sie noch immer schlank und ziemlich sportlich war, sah man ihr die paar gesunden Pfunde mehr auf den Rippen deutlich an. Dabei trug sie ein knielanges, rotes Sommerkleid, mit fast gewagten Ausblick auf ihr Dekolletee. Ihre Hand, an der sie noch eine Handgelenkschienen trug, lag noch an ihrer schwarzen, gehäkelten Handtasche mit roten Perlen, wobei sie aber noch einen von den knallbunten Bechern mit übertrieben verdrehten Strohhalm vom Park in der Hand hatte. Einen Moment hatte Viki schweigend das Bild betrachtet, bevor sie mit leiser Stimme zu erzählen begann: „Das… das ist meine Familie … letzten Frühsommer, als wir zu sechst im R3 waren.“ Sie schwieg eine Zeit, bevor sie weiter sprach: „Also zu sechst weil … also … mein …“, ein paar Sekunden zögerte sie und presste kurz die Lippen zusammen. „Mein … letzter Freund, Leon, hat das Foto gemacht“, gab sie dann etwas leiser zu. Viki atmete einmal tief durch und zwang sich dann doch wieder zu einem kleinen Lächeln, was schon bald wieder herzlich wurde, als sie erneut zu erzählen begann. „Das ist Elisabeth oder auch Elli, sie war gerade zwölf geworden. Sie war wie immer total aufgedreht und hat mich zu den dämlichen Ohren überredet, da sie ihre unbedingt haben wollte, ihr es aber zu peinlich war alleine damit ‘rum zu laufen. Das hier ist Jay, eigentlich James, zehn Jahre. Er war da etwas patzig und sauer. Er durfte nicht mit auf die Achterbahn weil er noch ein paar Zentimeter – …“, plötzlich verstumme Viktoria. Das Lächeln sollte auch Ryan im nächsten Moment schon auf dem Gesicht einfrieren, als er undeutliche Rufe vernahm, kurz gefolgt von mehreren Beinen die lautstark die Treppe hoch rannten. Waren das Mitglieder der Wölfe? Wurden sie gesehen? Wussten die wo sie beide Unterschlupf gesucht haben? Fragen über Fragen. Den Gefrierbeutel legte er wieder sachte zurück, ehe er den Revolver erneut mit der linken Hand aus seinem Hosenbund zog. Ryan brannten noch so viele Fragen zu dem Bild auf der Zunge, dieses Bild, welches an eine doch so idyllische Vergangenheit erinnerte, die mittlerweile jedoch so fern schien. Man erkannte die Gesichtszüge wieder, doch hatte sie sich wahrlich extrem verändert, gerade das Haar ließ ihn, bevor er ihre Erklärung hörte, zögern. Doch dann ließ ihn bereits der Krach im Treppenhaus, seinen Revolver ziehen, das Stück Metall, gefüllt mit einer mageren Patrone. Vielleicht waren es nur irgendwelche Flüchtlinge... den Ball flach halten war vielleicht keine schlechte Idee… Genauso überrascht sah der schweigsame Blick aus, den er Vik zuwarf. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, während ihr Lächeln von einem panischen Blick abgelöst wurde. Hektisch begann sie so leise wie möglich all ihre Sachen wieder in den Rucksack zu stopfen, wobei sie die Fotos behutsam oben drauf legte. „Bitte nicht! Bitte! Bitte nicht schon wieder! … Ich halt das nicht mehr aus … Bitte nicht!“, flehte sie leise dabei. Noch immer waren die Rufe undeutlich, doch man hörte, wie sie in ihren Flur kamen. Etwas polterte gegen die entfernten Türen, die Stimmen kamen nun aus den Zimmern, während sie scheinbar etwas oder jemanden in den Zimmern suchten. Die zittrige Hand vor ihrem Mund führend, versuchte Viktoria sich zu sammeln und nachzudenken. Ihr Blick ging zu den Fenstern und so presste sie sich an Ryans Schulter hoch, hielt sich gleichzeitig an der Wand fest. „Vielleicht seh‘ ich unten was“, erklärte sie nur knapp und humpelte so leise und schnell es noch ging zu den Fenstern. Am Fenster angekommen, stemmte sie sich am Fensterbrett leicht hoch, versuchte in den dunkler werdenden Abend unten auf den Straßen noch was zu erkennen. „Ich seh‘ nichts, es ist alles schwarz … ich weiß nicht ob sie es sind“, wisperte sie verzweifelt. „Aber … draußen ist ein Vorsprung, schmaler Sims, vielleicht dreißig bis fünfzig Zentimeter breit. Man könnte versuchen außen bis zur Feuerleiter zu kommen. Selbst du müsstest das schaffen …“ , meinte sie leicht neckend, aber deutlich angespannt. Ryan blieb an der Tür positioniert, horchte auf die Schritte im Flur, während seine Augen Viktoria folgten, die sich zum Fenster schleppte. Sie wirkte so schrecklich aufgebraucht, doch war es ihr zu verübeln? Wohl eher nicht… doch ihren Vorschlag den Sims zu benutzen, um bis zur Feuerleiter zu kommen, schien ihm bei ihrem Zustand etwas abwegig. Knapp schüttelte er den Kopf, die Zeit drängte, doch ihre Möglichkeiten waren mehr als nur begrenzt. Seine Gedanken rasten ebenso wie die Viks, fanden aber keinen wirklichen Plan zur Flucht. Ihre Chancen lagen anscheinend zu großen Teilen nicht mehr in ihren Händen, wurden durch Glück und diese verdammten Wölfe bestimmt…Was sollten sie nur tun? Viele Optionen blieben ihnen nicht, gab es doch nur diese zwei Ausgänge, Fenster oder Tür… oder sie blieben hier und hofften einfach, dass die Leute im Flur nicht ihre Verfolger waren. Erneut kam ein Krach aus dem Nachbarzimmer. Wieder begann Vik leicht zu zittern, sodass sich sich an der Fensterbank festhalten musste. Hilflos sah sie zu Ryan. Undeutlich, aber laut hallten die Rufe über den Flur. Alles schien Viktoria zu überfordern, als ihre weichen Knie langsam nachgaben. An der Wand ließ sie sich zu Boden gleiten, kauerte sich leicht ängstlich etwas vom Bett verborgen zusammen. „Bitte nicht! … ich kann das nicht mehr … ich schaff das heut‘ nicht mehr … ich kann nicht …“, wisperte sie mit Tränen in den Augen vor sich hin, bis Schritte sich ihrer Tür näherten. Ihre Augen fixierten den Türknauf, während ihre Hände wie automatisch zu ihren Dolchen wanderten und sie dann drohend, aber doch deutlich zitternd vor sich hielt. In dem Augenblick wurde der Türknauf langsam gedreht, gefolgt von einem ungeduldigen Rütteln, als die verschlossene Tür nicht aufsprang. Ein lauter Ruf drang durch die Türe „Kommt raus, wir suchen jemanden und werden euch nichts tun, wenn ihr euch zeigt!“ Gefolgt wurde der Ruf von wütenden Tritten gegen die Tür. Wie lange würde die Tür nur halten? Die Kommode gab zusätzliche Stabilität, aber wenn ihre Verfolger unnachgiebig genug waren, würde auch dieses Hindernis nicht ewig halten… Sie würden in diesem Raum in die Enge getrieben werden... Langsam löste sich der Soldat von seiner Position an der Seite der Tür, durchschritt den Raum und ging vor Viktoria in die Knie, die sich daraufhin ein wenig beruhigte. „Ich werde die Typen ablenken, du hältst hier die Stellung, passt auf unsere Sachen auf und hältst dich bereit, aber bleib in Deckung!“ Seine energische Stimme blieb unter den Umständen gedämpft, nach kurzem Zögern fügte er noch einen weiteren Satz leise hinzu: „Wenn du eine Chance siehst, flieh…“ Er musste Handeln, das Risiko abzuwarten und hoffen, das sie aufgaben konnte er nicht eingehen, wollte er nicht eingehen. Unterbrochen von einem weiteren Tritt gegen die Tür wurde Ryan zur Eile angetrieben, wandte sich dem Fenster zu um es im selben Atemzug aufzustemmen. Einen Moment starrte sie ihn sprachlos an. „A … aber …! Du kannst doch nicht …!“, flüsterte sie heiser, während er schon da Fenster öffnete. „Das ist Selbstmord! Seh‘ zu das du verschwindest! Ryan, bitte. Ich hab dir schon genug Ärger gemacht…“, zischte sie eindringlich, als er schon aus dem Fenster stieg. Der Soldat stemmte sich selbst durch das Fenster, das Ziehen in seinen Brustkorb probierte er durch flaches Atmen zu ignorieren, keine Zeit für die Schmerzen, die er sich nicht erlauben durfte, während er sich durch die Öffnung langsam auf den Sims schob, sein Blick in die schwindelerregende Tiefe gerichtet. Vorsichtig und an die Wand gedrückt begann er die Strecke zurückzulegen, jedoch nicht in die Richtung in der die Feuertreppe lag. Der kalte Luftzug in seinen Haaren, der im vierten Stock deutlich spürbar war erinnerte ihn: Nun ein falscher Schritt und alles war aus, der Aufschlag würde ihn sicher töten und wenn nicht, sicher mit Hirnblutung und Knochenbrüchen zurücklassen, also ein direktes oder indirektes Todesurteil… Doch er schaffte es unbeschadet durch das Fenster des Nachbarzimmers, hoffte darauf, das Vik ihre Nerven behielt, es reichte wenn einer von ihnen beiden Dummheiten machte… Behutsam schlich er sich durch das dunkle Zimmer, sah sich zögerlich in dem Raum um, die Sicht auf den Flur schien frei zu sein. Anscheinend war dies das Zimmer aus der die Tür komplett entfernt wurde. Ein vorsichtiger Blick in den Flur zeigte ihm ihre Situation: Einer ihrer Verfolger fing an mit einem Handbeil auf die Tür einzuschlagen, offenbar hatte er gerade erst damit angefangen. Eine weitere Person hielt ihm den Rücken frei, dieser stand an der Treppe mit einem Messer bewaffnet auf der obersten Stufe. Ryan bewegte sich in gebeugter Haltung in den Flur, angestrengt darauf bedacht keine Geräusche zu verursachen, bis er beinahe hinter dem beilschwingenden Fremden stand. Dort ließ er den massiven Holzgriff des Revolvers auf den Hinterkopf der Bedrohung schnellen. Ein schmatzendes Knacken wurde gefolgt von dem abrupten Zusammensacken des schweren Körpers, das Beil fiel klingend zu Boden. Während Ryan sich bereits zu dem Schmiere-Stehenden umdrehte, zuckte dieser zusammen, ehe er sich mit einem Aufschrei in Bewegung setzte. Ohne weitere unnötige Bewegungen wurde der Lauf auf das herbeieilenden Gangmitglied ausgerichtet, der Hahn spannte sich bereits als der Abzug nach kurzem Stabilisieren abgedrückt wurde. Die Explosion, zu laut. Der Rückstoß, zu wuchtig. Der starke Funkenflug nahm ihm die Sicht. Gleisende Hitze versengte seine Hand, die den Revolver hielt. Glühendes Metall streifte seine Wange und seinen ausgestreckten Arm, als der Hahn und die Trommel des Revolvers zersprang. War die Patrone überladen gewesen? War die Waffe nicht ausreichend gepflegt? Hatte der Lauf durch den Hieb Schaden genommen? Nebensächlich, er schien nun einen glühenden Klumpen Metall in der Hand zu halten… Seine Sinne waren zu überrascht, zu aufgeputscht, um die Hitze und das Brennen bewusst wahrzunehmen. Ein Aufschrei war zu hören und Ryan glaubte auch einen weiteren Körper, der zu Boden ging, zu hören, doch seine Ohren waren von dem Klingen der Zündung erfüllt. Dem Aufschrei zu Folge, hatte er den anvisierten Kopf verfehlt. Ein warmes Rinnsal ran an seiner Wange hinab… Ein grelles Pfeifen umhüllte seine Umgebung, seine Orientierung war von der Explosion benebelt. Was war nur passiert? Immer noch hielt er die qualmenden Überreste der Waffe fest umklammert. Darum war er indoktriniert worden, seine Waffe immer regelmäßig und gründlich zu warten und zu pflegen. Starr stand er dort wie festgewurzelt im Flur, die Verbrennung seiner Hand spürte er derzeit kaum. Die Rufe Viktorias gingen im Pfeifen unter, drangen nur dumpf, zu dumpf, an ihn heran. „Ryan!“, schrie sie zuerst panisch aus dem anderen Zimmer. „Ryan was ist passiert?“, fügte sie hinzu, „Oh Gott, nein!“,kam es etwas näher an der Tür, bevor wieder Schleifgeräusche hörbar waren. „Ryan! Geht es dir gut? sag was!“, verlangte sie, während sie die Tür öffnete und auf das Szenario sah. „Verdammt!“, murmelte sie noch. Während seiner Einsätze hatte er viele Fehlfunktionen dieser fortschrittlichen Tötungsmaschinen gesehen und erlebt: Blindgänger, verschiedene klemmende Mechaniken, verzogene Läufe … Unzählige Male hatte er verschiedene Waffen in ihre Einzelteile zerlegt und wieder zusammengebaut. Aber noch nie war ihm eine um die Ohren geflogen… Plötzlich wurde ihm die Waffe entnommen, für einen Sekundenbruchteil verspannten sich seine Muskeln, bereit sein Werkzeug zu verteidigen, ehe die Überreste des Revolvers zu Boden fielen und sich der Nebel der Orientierungslosigkeit langsam lichtete. Seine Augen suchten hektisch nach Fixpunkten, bevor er Viktoria vor sich erkannte. „Kannst, kannst du die Finger noch bewegen? Spürst du noch was?“, fragte sie sofort. Zögerlich kam er ihrer Aufforderung nach, das Krümmen der Finger bereitete etwas Schmerzen, ließ sich aber immerhin durchführen. „Ist sonst alles in Ordnung? Hast du mehr abbekommen?“, fragte sie sogleich besorgt und ließ die eine Hand über seinen Oberkörper wandern, während die andere über seine Wange strich. Er wollte ihr versichern dass es ihm gut ginge, doch es war als würde ihm die Zunge am Gaumen festkleben. So blieb er ihr die Antwort schuldig, sah ihr nur stumm in die besorgten Augen, während ihre Finger und Hände ihn prüfend abtasteten. Ein kleines Rinnsal Blut rann sofort wieder seine Wange hinab, nachdem Viks Finger sie verließen. Erst danach, schloss sie ihn in fest in ihre Arme. „Jage mir nie wieder so‘n Schrecken ein …“, hauchte sie, während sie ihn einen Moment an sich drückte. Als Viktoria ihn umarmte, fand er an ihrer Schulter seine Stimme leise wieder. „Ich…Ich… Scheiße. Tut mir Leid, Krümel…“ Der Schleier des Schockes viel vollends von dem Soldaten ab. Als Viki sich wieder von ihm löste, sah sie wieder auf seine Hand, wobei sie sein Handgelenk sacht umfasste. „Wir sollten das versorgen und dann weiter. Hierher zu kommen war ‘ne blöde Idee. Wenn … wenn du mir etwas gibst, dann halt ich länger durch. Wir könnten zu meinen Versteck an der Uni oder du übernimmst besser die Führung, immerhin bring ich uns doch nur in Schwierigkeiten“, sagte sie nun doch wieder leicht hektisch. Ein leichtes beginnendes Zittern wurde von Vikis Griff unterbrochen, mit einem Nicken deutete er an zurück ins Hotelzimmer zu wollen, zurück zu ihren Habseligkeiten, da ihre Widersacher ausgeschaltet waren sollten sie sich wirklich dem Versorgen ihrer Wunden widmen. „Ich gebe dir zuerst etwas, damit wir für den Fall der Fälle Aufbruch bereit sind. Aber du behältst besser die Führung, du kennst dich immerhin etwas hier aus im Gegensatz zu mir… und mach dich nicht verantwortlich für Geschehnisse, die du nicht beeinflussen kannst, okay?“ Auf seine Frage hin brachte Vik selbst nur ein schwaches „Okay“ raus. Zusammen gingen die beiden wieder zurück ins Zimmer, wo Ryan sich sofort an seinem Rucksack zu schaffen machte, doch bereits sein Rucksack schien ihn vor ein Problem zu stellen, dessen Reißverschluss er letztlich mit seiner linken Hand und seinen Zähnen öffnete. Er sah ein, dass es so wohl kaum schnell genug von statten gehen würde, weshalb er sich mit einem aufgesetzten Lächeln zu Vik umdrehte. „Könntest du mir hier kurz zur Hand gehen?“ Viktoria war direkt zu der Kommode geeilt und durchsuchte diese. Als sie einige Streichhölzer fand, eilte sie weiter zum Fenster, wo sie kurz innehielt. „Tut mir Leid, ich dachte sich such‘ noch nach Licht“, murmelte sie hektisch, da es doch schon dunkel geworden war. „Bin gleich bei dir“, fügte sie dann noch hinzu, während sie schon die erste Kerze auf den Boden abstellte, anzündete und dann schnell die schweren Vorhänge zu zog, damit das Kerzenlicht sie draußen nicht verriet. Mit der brennenden Kerze in der einen und den zwei übrigen Kerzen in der anderen Hand, eilte sie dann so schnell es ihr Bein noch zu ließ wieder zu ihm. Während Viki sich vor ihm setzte und auch die anderen Kerzen anzündete und sie rechts neben sich stellte, fing sie nun doch an genauer darauf einzugehen, dass sie sich nicht für alles verantwortlich machen sollte: „Es tut mir Leid, wenn ich heute etwas überreagiere. Normalerweise trag‘ ich die Konsequenzen für meine Entscheidungen allein … Also auch wohin ich geh, welches Risiko ich eingehe, wenn ich jemanden treffe. Naja … auch wenn ich nichts dafür kann, wenn irgendwas unvorhergesehenes passiert, war ich weitestgehend selbst Schuld und hab auch nie lange drüber nachgedacht… aber jetzt… es ist nur… ich weiß nicht … es ist ‘ne Weile her, seit ich mit jemanden zusammen unterwegs und für jemand anderen irgendwie mitverantwortlich war… früher war es anders… glaub ich… Jedenfalls, ein paar Sachen hätten wir heute vielleicht vermeiden können, wenn ich mehr nachgedacht hätte… Ich glaub, … ich hab irgendwie … … ich will nichts falsch machen und dich enttäuschen, wenn du dich auf mich verlässt..“ Ryan schwieg vorerst dazu. Über seine eigene Unfähigkeit verärgert, gab er seiner Begleiterin an welche Utensilien er aus seinem Koffer benötigen würde. Kurz darauf zog er schon einhändig eine der Einwegspritzen mit dem Medikament auf, die Vik mit unsicheren Blick anstarrte. „Da ich dir das Mitelchen direkt in die Blutbahn spritze, sollte es recht zügig wirken. Es ist ein Opioid, wie Morphin. Das hier wirkt nur länger und macht nicht so müde, also perfekt für unseren Fall…“ Mit einem Lächeln quittierte er diesen eingefleischten Automatismus, sein Vorhaben genau zu erklären und band bereits mit einem kurzen Stück Gummischlauch Viktorias Arm ab, den er vorher vom Kleidungsstoff frei gemacht hatte. Sein Lächeln ließ sie doch leicht Schmunzeln. „Okay. Sollte ich sonst noch was wissen? Muss ich mich wundern, wenn ich plötzlich rosa Elefanten sehe oder so?“, erwiderte sie leicht frech und doch hörbar nervös. Stockend löste sich seine Zunge erneut von seinem Gaumen, träge, zu träge… „Ne…Nein bei rosa Elefanten musst du dich nicht wundern, das wäre ganz normal bei dem Medikament. Nur wenn du einen blauen, französisch sprechenden Kojoten siehst musst du mir sofort Bescheid sagen… Der hat mich mal um ‘ne Stange Geld betrogen…“ Sein Lächeln welches er sich abrang wirkte fast schon teilnahmslos, auch wenn der Soldat es eigentlich ehrlich meine. „Die französischen sind immer die schlimmsten… “, murmelte sie nervös. Als er die Nadel vorsichtig mit seiner linken, unversehrten Hand, in Position brachte, war erneut das leichte Zittern seiner Hand sichtbar. „Scheiße… nicht grade vertrauenerweckend, was? Aber keine Sorge, so sind die Chirurgen im Operationssaal auch, wenn sie noch nüchtern sind.“ Ein zerknirschtes Lachen entwich ihm, ehe er sich zur Ruhe zwang und die Substanz danach mit ruhiger Hand injizierte. Mit einem kurzen, unsicheren Blick sah sie zu ihm auf. „A… also… an der Uni hab ich noch zwei oder drei Flaschen Bier, bis dahin halt ich vielleicht noch durch…“, bot sie mit scherzhaften Unterton und zaghaften Lächeln an. Warum gehorchte sein Körper ihm nicht mehr richtig? War es doch sonst seine Fähigkeit, selbst unter Granatenbeschuss seinen Job ruhig zu erledigen, die ihm in der Army einen solchen rasanten Aufstieg ermöglicht hatte. Anscheinend hatte ihn der Vorfall auf dem Flur doch etwas mehr mitgenommen als er sich selbst zugestand. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt. Um nun seine Wunden besser sehen zu können, umfasste sie seinen Unterarm und zog seine Hand näher zum Licht. Als sie ihre Finger betrachtete, sah sie sein Blut daran. Zuerst schweigsam folgten seine Augen Viktorias Händen, nachdem er ihr die Injektion verabreicht hatte und die Einwegspritze entsorgte. Blieb ihr einer Antwort dabei vorerst schuldig. Erst als sie seinen Unterarm zu sich zog, spürte er einen unterschwelligen Schmerz der ihm die Zähne aufeinander trieb. Anscheinend hielt der Schock das gröbste bisher unter einem dunklen Mantel abgeschirmt. „Nun bist du aber dran. Doch zuvor ziehen wir dir mal das Hemd aus. Es ist ja auch dein letztes und das sollte wohl nicht weiter versaut werden. Und ohne siehst du eh viel besser aus…“, sagte sie mit unsicheren Lächeln, wobei sie gleichzeitig schon sein Hemd aufknöpfte „ …immerhin bist du so schön bunt“, ergänzte sie murmelnd, als ihr beklommener Blick flüchtig über seine Hämatome wanderte. Folgsam rückte er etwas näher ans Licht, ließ sich widerspruchslos entkleiden, nur hin und wieder von einem knappen Verziehen seiner Mimik unterbrochen. Vorsichtig schälte sie erst seinen linken Arm aus dem Hemd, darauf bedacht, dass er sich so wenig wie möglich selbst bewegen musste. Dennoch murmelte sie jedes Mal, wenn er nur andeutete vor Schmerz das Gesicht zu verziehen oder auch die Stirn runzelte eine vorschnelle Entschuldigung. Er wusste um die Notwendigkeit, dass seine Wunden versorgt werden sollten nur zu gut Bescheid. Dennoch fühlte er sich nicht sonderlich wohl dabei sie aufzuhalten, hatte er doch kaum Beschwerden, bis auf den ärgerlichen Punkt, das ihn seine Motorik anscheinend etwas im Stich lassen wollte. Viki ging wirklich vorsichtig, fast schon zögerlich mit ihm um. Obwohl kein Luftzug spürbar war flackerte das Kerzenlicht in dem dunklen Hotelzimmer hektisch, eventuell nur angetrieben durch den Atem der beiden. Nachdem sein unversehrter linker Arm frei war, umschloss er Viktorias Schulter, unterbrach für einen Moment ihre Arbeit, um diese in einer kurzen Geste sanft zu drücken. „Mir geht’s gut Vik… Ich bin nur etwas mitgenommen, so eine Fehlzündung hab ich bisher noch nie erlebt. Hat mir wohl den Atem verschlagen und vor allem der Punkt, so unbeschadet davon gekommen zu sein.“ Erst nach einigen, wenigen Sekunden erwiderte sie die Umarmung für einen Moment, wobei sie ihren Kopf leicht bei ihm anlehnte. „Ist schon okay… aber… nicht ganz unbeschadet“, antwortete sie leise, als sie sich wieder von ihm löste und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. Das folgende Lächeln gelang Ryan schon weitaus besser, während er seine Hand wieder sinken ließ und sie nicht mehr daran hinderte, ihm auch den Rest des Hemdes auszuziehen. Ihre rechte Hand glitt, vom Kragen aus oben in seinen Ärmel. Ihre Finger versuchten den klebrigen Stoff vorsichtig von der Haut zu trennen, schoben ihn dabei in der Hand zusammen, während sie versuchte damit beim Ausziehen nicht über die frischen Wunden zu streifen. Als er sein Hemd los war, starrte sie einen Augenblick ratlos auf die Wunden. „Sag mir was ich machen soll!“, verlangte sie plötzlich mit eindringlichen Blick. „Mein Wissen und Materialien beschränken sich nur auf waschen und verbinden. Mit deinem Wunderkoffer können wir sicher mehr machen, besonders wegen der Verbrennung… Aber ich weiß nicht wie… Wag‘ es aber ja nicht bei dir selbst an irgendwas zu sparen! Ansonsten… ansonsten werd‘ ich doch noch sauer und nur brave Patienten bekommen hinterher ein Bier“, plapperte sie vor sich hin. Vik war nervös und das Ganze war sichtlich unangenehm. „Ich tu‘ fast alles… nur nähen… das kann ich nicht… wirklich nicht!“, warnte sie Ryan etwas leiser vor. Der zweite Arm machte ihm mehr Probleme, da er nun die Verletzung deutlicher zu empfinden anfing, nun wo der Schock allmählich nachließ. Ein deutliches Pochen entsandte ihm der Arm, der anscheinend wirklich einige Metallsplitter abbekommen hatte. Mit einem stummen Nicken nahm er ihre Drohung zur Kenntnis, dass er an sich selbst nicht sparen sollte, während er seinen nun entkleideten rechten Arm im Schein der Kerze langsam drehte und begutachtete. „Reich mir bitte das Fläschchen Desinfektionsmittel, dann desinfizier‘ ich den Arm, du ziehst die gröbsten Splitter und dann einfach eine Mullbinde drum“ Seinen Versuch auf die Desinfektionsflasche zu zeigen unterließ er zügig wieder, als sein lädierter Arm erneut zu zittern anfing, so ließ er ihn schnell wieder sinken. „Okay, das krieg‘ ich hin“, sagte sie nun doch mit kleinen Schmunzeln und nahm schon das besagte Desinfektionsmittel, eine Pinzette und ein steriles Tuch zur Hand. „Ab…Aber selbstverständlich kriegst du das hin!“ Seine Worte kamen zögerlich, aber klar betont heraus. „Ich sehe doch sofort, wenn jemand mit Instrumenten umgehen kann“, sagte er mit einem Zwinkern. „Mit Streichinstrumenten vielleicht“, murmelte sie nur. Danach nahm er das ihm dargereichte Fläschchen entgegen. Dessen Inhalt verteilte Ryan über den Arm. Das Napalm ähnliche Brennen titulierte der Soldat mit einem scharfen Zischen, während seine Kiefer sich verkrampften. Sein Blick war während der Prozedur starr auf den Boden gerichtet bis das letzte Brennen langsam verebbte und er mit einem aufgezwungenen Lächeln zu Viktoria aufsehen konnte. Viktoria hatte ihn nur mitleidig angesehen. Mit eigenem bitteren Lächeln wendete sie den Blick ab und sah sich nun die Wunden genauer an. „Du lächelst wohl wirklich immer, hm?“, fragte sie leise, während sie ihm eine der Kerzen in die Hand drückte, um dann selbst mehr sehen zu können. „Klar lächle ich ständig! Solch einen Spitznamen muss man sich in der Army schließlich schwer verdienen…“ Seine unversehrte Hand ließ das Licht der Kerze kurz wild Flackern, als er für einen Moment mit seinem Daumen ein paar der Glieder seiner Kette gedankenverloren entlang strich, an dessen Ende die beiden, von Silikon umschlossenen Erkennungsmarken baumelten. Wie gebräuchlich waren seine wichtigsten Daten auf den beiden Plättchen in leicht erhobener Schrift festgehalten: Name, Sozialversicherungsnummer, Blutgruppe und seine Religion. Nur die Erkennungsmarke, die an der längeren Kette hing, wies ein weiteres Merkmal auf: Diese war zusätzlich mit einem grob eingeritzten Smiley versehen worden. Es war eine Anspielung auf den Spitznamen „Sergeant Smile“. Ihre Augen folgten der Kerzenflamme zu den Erkennungsmarken und ein verwunderter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, sie sagte aber erstmal nichts dazu. „Wenn du eine Betäubung willst, dann sag Bescheid. Wenn du mir sagst wie, wo, wie viel ich spritzen soll, dann mach ich das auch“, murmelte sie und sah kurz ernst zu ihm auf, bevor sie sich wieder der Wunde widmete. Als sie sich mit der Pinzette dem ersten Splitter näherte, brauchte sie doch zwei, drei Anläufe, bevor sie ihn ‘rausziehen konnte. Ihre Frage nach einer Betäubung lehnte er mit einem knapp angedeuteten Kopfschütteln ab. Dem einfachen Fakt folgend, das sein Köfferchen bereits keine Medikamente mehr zur örtlichen Betäubung beinhaltete und ein Schmerzmittel oder leichtes Narkosemittel die Notwendigkeit dann doch bei weitem überstiegen. „Keine Sorge, ich bin kein rohes Ei, Vizz“ Wieder sah er mit einem Lächeln auf den leicht vorgebeugten Hinterkopf der Studentin. „Wenn du meinst…“, war alles, was Vik dazu noch unsicher sagte. Doch als das widerspenstige Metall nur durch energischere Versuche in Bewegung kam, wurde ihm das Lächeln doch baldig vertrieben. Während dem zweiten Splitter legte er seinen Kopf mit geschlossenen Augen in seinen Nacken zurück. Ein emotionsloses „Autsch“ konnte er sich dennoch nicht verkneifen. „Okay, okay wenn dich mein Lächeln stört, sag es einfach, kein Grund mir weh zu tun… Nein Spaß beiseite, ich denke nur, dass die Welt schon hart genug ist. Da schadet ein bisschen Freude doch eigentlich nicht?“ „Tut mir Leid“, murmelte sie, bevor sie weiter machte. „Scheint dir aber nicht gerade Freude zu machen. Zudem ist das Lächeln eher gruselig, wenn es nicht echt ist“, gestand sie ihm mit eigenen aufgezwungenen Lächeln, dass er wohl nicht mehr sah, als sie mit einem Zittern versuchte die kleineren Splitter zu fassen zu bekommen. Während der kurzen Verschnaufpause, die nach den kleinen Splittern eintrat, sah Ryan kurz auf seinen Arm, anscheinend hatte sie sich noch einen letzten Brocken für den krönenden Abschluss aufgehoben. Kurz sah er sie noch schweigend an, bevor er erneut das Wort ergriff: „Nun trage ich auch die Konsequenzen mit, das stimmt wohl, aber auch ich gehe das Risiko ganz bewusst ein, du bist also nicht auch noch für mich verantwortlich. Die Verantwortung trag‘ ich gerne selber mit der Entscheidung deinen Kenntnissen zu vertrauen. Womit ich bisher auch gut gefahren bin… Du kannst schließlich kaum etwas in dieser Welt hier beeinflussen, was um uns herum passiert. Also mach dir keinen Kopf für sowas, so läuft unser Team nicht…“ Als er dann doch auf ihr Gestammel von eben einging, sah sie ihn kurz verwundert an, senkte aber doch verlegen den Blick, auch wenn sie noch immer nicht sofort weiter machte und ihre Augen dabei dennoch auf die Wunde starrten. „Ich weiß, … aber… ich…“, stammelte sie. „Ich weiß dass ich nicht viel dafür kann aber… heute ist einfach so viel passiert… und jetzt wo du so verletzt bist… wenn… wenn jetzt noch was passiert…“, bevor sie weiter sprach biss sie sich lieber selbst auf die Lippe. „Ich weiß nicht wie es bei dir ist, aber es… es ist nicht gerade ein normaler Tag für mich… selbst für diese Umstände. Naja… Ich bin einfach etwas… überfordert, das ist alles“, nuschelte sie. „Hey, hey, wenn noch etwas passieren sollte, Gott behüte, werden wir das auch noch irgendwie handeln, so wie wir bisher den ganzen anderen Scheiß irgendwie geschafft haben. Wir hören einfach nicht damit auf das gewinnende Team zu sein. Wir sind quasi die Underdogs hier und werden einen Batzen abräumen, wenn wir das alles hinter uns gebracht haben! Okay?“ Er war gerade dabei die Kerze abzustellen, um sich ihren Augenkontakt wenn nötig einzufordern, als sie ihn von sich aus schon entschuldigend ansah, um erneut in das immerwährende warme Lächeln zu blicken. „Wenn es nur so einfach wäre…“, murmelte sie noch. Ihr entschuldigender Blick wurde doch weicher. „Zum Teufel, ich wäre schockiert über deine Abgebrühtheit, wenn dich das alles kalt lassen würde… Mir geht es doch nicht anders.“ Zum Beweis hob er kurz den leicht zitternden Arm, aus dessen nun Metallsplitter freien Wunden sich kleine Rinnsale Blut entlang schlängelten, ehe er ihn wieder ruhig hielt. Mit Sorge sah sie sein erneutes Zittern, legte dann das Tuch in ihren Schoß und ihre nun freie Hand auf sein Schulterblatt. Dann beugte sie sich zu ihm und hauchte einen sanften Kuss noch über seinen Wunden auf den Oberarm, während sie tief in seine Augen sah. „In meinem nächsten Versteck lassen wir den ganzen Mist hinter uns und dort können wir bleiben, bis es uns ein wenig besser geht“, versprach sie und streichelte noch behutsam über seinen Rücken, bevor sie den letzten Splitter wieder ansah. „Das wird nicht angenehm, aber ich versuch es schnell zu machen“, warnte sie ihn vor, als sie schon ihr Tuch wieder zur Hand nahm. Die Pinzette umklammerte das Metall. Es war anscheinend ein gebogenes Stück, dass sich tief hinein gebohrt hatte. Vik hielt selbst nervös den Atem an, als ihre zitternde Hand es langsam raus zog. Die Entfernung des Splitters ließ dem Soldaten doch erneut das Lächeln rauben und seine Zähne zwangen sich aufeinander, um einen eventuellen Aufschrei in ein dumpfes Stöhnen abzumildern. Sein angehaltener Atem wurde hörbar ausgestoßen, als seine Haut schlussendlich den größeren Splitter freigab. Nochmals sah sie sich die Wunden an, um sicher zu gehen, dass sie nichts übersehen hatte. „Ich glaub das war‘s…“, sagte sie leise, während sie jeden einzelnen Kratzer noch untersuchte. Die Tortur hatte einen sichtbaren Schweißfilm bei Ryan hinterlassen, seine Augen hatten sich geschlossen und blickten Viktoria erst wieder an als sie den Arm bereits fertig verbunden hatte. „Fuck… Danke…Das war gute Arbeit Viki…Nun nur noch die Hand verbinden, nicht das die Desinfektion doch noch umsonst gewesen sein sollte…“ „Ich hab nicht viel gemacht“, sagte sie nur kopfschüttelnd, als sie sich nun seiner Hand zu wandte. Nochmal sah sie ihn zweifelnd an: „Bist du sicher? Hast du keine Salbe oder so?“ Ryan schüttelte nur stumm den Kopf. Nachdem er die Kerze nun abstellte nahm er sich selbst die verbliebenen, sterilen Kompressen des geöffneten Paketes und legte sie auf die verbrannte Haut seiner rechten Hand, ehe er sich von Viktoria helfen ließ seine rechte Hand zu verbinden. Nicht ohne etwas verbittert an den zukünftigen Moment zu denken, wo diese Kompressen wieder von seiner verbrannten Haut getrennt werden mussten. Auch das leichter werdende Zittern hinterließ in ihm zerknirschte Gedanken. Er wusste, dass es durchaus wahrscheinlich durch den Schock, den Verletzungen und dem ausgeschütteten Adrenalin herrührte und sich bald wieder von selbst beruhigen würde. Aber was wenn nicht? „Vielleicht sollten wir doch noch einige Häuser nach Medikamenten filzen. Aspirin brauch ich eh, da sollten wir auch anderes Zeug gegen Verbrennungen und so finden, auch wenn es nicht unbedingt so Profikram ist“, sagte sie und machte sich dann daran seine Sachen wieder einzupacken, nachdem sie seine Hand verbunden hatte. Als sie zu ihm sah, legte sie doch die Stirn in Falten. „Den schlimmsten Kratzer hab ich wohl übersehen...“, meinte sie mit einem Schmunzeln. Sie öffnete ihren eigenen Rucksack und holte ein sauberes Tuch raus, was sie mit etwas Wasser benetzte und wischte dann das Blut von seiner Wange, bevor sie noch ein Pflaster hervor holte und auf die Wunde klebte. „Ich hoffe das reicht“, sagte sie mit verlegenen Grinsen, während sie vorsichtig mit ihrem Daumen darüber fuhr. „Wenn du willst, schau ich, ob ich noch Fan-pflaster von den Radisson Crows hab. Wäre doch passend, wenn wir schon zum Stadion gehen“, fügte sie noch frech hinzu und fuhr noch mit einer sauberen Ecke des Tuches über die verschwitzte Stirn, während sie ihm ein weiteres Lächeln schenkte. Bei ihrer Erwähnung von einem Pflaster in Farben der Radisson Crows konnte er sich bei der Vorstellung an ein solches ein Schmunzeln nicht verkneifen. Unvermittelt spannte er sich die Vorstellung, das er am Zielort seiner Mission, dem Stadion, vielleicht den Helden seiner Kindheit, den einst legendären Quarterback Scott Dunn treffen würde. Die Vorstellung ließ das Lächeln nur noch breiter werden, auch wenn er als Fan wusste, dass Dunn Jahre vor der Pandemie bei einem Autounfall ums Leben kam. Nach einem kurzen, intensiven und schnellen Leben, wohl der Preis für die Berühmtheit, den man zahlen musste… „Die meisten Salben taugen nichts bei Verbrennungen, aber nach Medikamenten sollten wir uns dennoch umschauen, auch weil mein Vorrat wohl recht bald zu Neige geht, nur meine Bestecke sind noch unangetastet, hoffen wir das bleibt so, auch wenn die keine Streichinstrumente sind. Welches Streichinstrument beherrscht…“ Sein Versuch etwas Beiläufiges mit rein zu bringen und dadurch seine Partnerin etwas besser kennen zu lernen, eine Gemeinschaft die überraschenderweise immer noch keinen ganzen Tag alt war, wurde von dem plötzlichen Geräusch im Flur unterbrochen, oder kam es von der Treppe? Auch Vik hielt mitten in der Bewegung inne, als sie ihre Sachen wegpackte. Zähne knirschend sah sie sich zu Ryan um. „Hast du das auch gehört?“, flüsterte sie. „Wir sollten uns jedenfalls beeilen. Hier ‘rumzulungern ist nicht die beste Idee. Vor allen Dingen mit den Typen vor der Tür“, sagte sie, half ihm dann wieder vorsichtig in sein Hemd und knöpfte es zu. Seine Mimik war für einen Moment wie versteinert, ehe er Viktorias Frage, die das Geräusch auch gehört hatte, mit einem Nicken bestätigte. Als sich die Versorgung seiner Wunden eine Ende neigte wurde in Ryan selbst der Drang vorherrschender, das sie ziemlich bald wieder aufbrechen sollten, die beiden hatten schon Glück genug so lange ohne eine Konfrontation mit den restlichen Wölfen ausgekommen zu sein. Hatten diese vielleicht doch aufgegeben nachdem sie von den letzten beiden Spähern, die noch immer vor dem Hotelzimmer lagen, keine Meldung erhalten haben? Viktoria stand wieder auf und teste ihr Bein aus. „Wow… nicht schlecht…“, meinte sie grinsend eher für sich, als sie ihr Bein prüfend belastete. Mit schnelleren Schritten holte sie seine Jacke vom Bett. Augenblicke später wurde ihm schon wie einem alten Mann in seine Jacke hinein geholfen, doch für dämlichen und unplatzierten Stolz war gerade nicht die richtige Zeit. „Bereit?“, fragte sie dann noch, als sie schon die Kerzen aus blies und kurz umkippte, damit der flüssige Wachs abtropfte. Die Kerzen stopfte sie mit in ihren Rucksack, bevor sie ihn auf den Rücken zog. Danach schlich sie zur Tür, sah vorsichtig in den Flur, doch dieser schien ruhig zu sein. „Am besten gehen wir über die Feuertreppe. Es müsste dunkel genug sein, damit man uns nicht sieht. Wenn noch Wölfe im Treppenhaus sind oder uns entgegen kommen wäre das wohl schlimmer“, schlug sie vor, während sie sich noch mal zu ihm umsah. Sie atmete noch mal durch und lief dann wieder los, worauf hin Ryan ihr auf dem Fuße folgte. Wenn es wirklich wieder diese Gang war, die ihnen dann anscheinend wieder dicht auf den Fersen war, lag ihr Heil am ehesten in der Flucht. Die Handicaps der beiden würden sich bei einem erneuten Kampf wahrscheinlich deutlich bemerkbar machen und wer konnte schon voraussehen wie dieser dann ausgehen würde? Vorsichtig stieg auch er über den Toten an der Tür und warf einen prüfenden Blick auf ihren zweiten Verfolger. Anscheinend hatte das Projektil auch hier, trotz der Explosion, Schaden angerichtet, hatte er die Laufbahn der Kugel doch nach dem Abfeuern aus dem Auge verloren. Mittlerweile lag er regungslos in seiner Blutlache. Jedoch nahm der Sanitäter sich nicht die Zeit, um seinen Tod festzustellen, als er auf dem Absatz kehrt machte und Vik nach draußen folgte, bewusstlos würde ebenfalls für einen kleinen Vorsprung reichen. Vielleicht wäre es sogar ein Vorteil für die beiden, wenn sich ihre Verfolger erst um den Verwundeten kümmern mussten. Ob diese Wölfe jedoch so sozial eingestellt waren konnte Ryan nicht sagten. Weit war es nicht mehr bis zur Treppe und als Viktoria die Tür öffnete, schlug ihnen die kalte Nachtluft entgegen. Ihre Augen wanderten einen Moment skeptisch über das Metall. „Ich würd‘ mich nicht auf das Geländer verlassen“, meinte sie noch mit einem bitteren Schmunzeln, als sie sich schon an den Abstieg machte. Das war zugegeben doch eine wackelige Angelegenheit und immer wieder sah sie widerwillig nach unten, um nach irgendwelchen Anzeichen der Wölfe Ausschau zu halten. Fast schon erschreckend Laut hallten ihre Absätze von der blanken Metalltreppe wieder, als die beiden unter dem fahlen Mondlicht hinab stiegen. Das letzte Stück von der Feuerleiter, mussten sie wohl hin abspringen, was Vik auch ohne zu zögern tat. Der Absprung erfolgte auch bei Ryan problemlos und ohne ein Zögern, auch wenn die Landung ihm trotz der geringen Höhe für eine Sekunde die Luft aus den Lungen trieb, fing er sich augenblicklich wieder. Viktoria sah sich derweil weiter nervös um. „Alles okay?“, fragte sie dennoch, als er wieder bei ihr war. „Wir müssen ein Stück in die Richtung“, sagte sie und deutete nach Nordosten. Nach Nordosten sollte ihre Odyssee also gehen? Auch wenn er nie studiert hatte, wusste der Soldat doch von damaligen Studentenfeiern, das die Uni gar nicht so weit vom östlichen Park entfernt war, vielleicht hatten sie wirklich eine Chance zu entkommen, wenn Viks Versteck dort ähnlich vorbereitet war wie das letzte im Teppichladen und so wie er sie bisher kennen gelernt hatte, war sie organisiert genug, das dies der Fall seien würde. Nach einem kurzen Sondieren der näheren Umgebung gingen die beiden auch schon im zügigen Tempo weiter, deutlich bedacht darauf ihre Kraftreserven sparsam zu rationieren, sollte doch bei einem Angriff noch genug Energien für eine Gegenwehr vorhanden sein. „Du scheinst dein Bein wieder besser belasten zu können? Ist es besser geworden? Hat dich denn der Kojote schon besucht?“, fragte er neckend mit einem Lächeln. Dieses mal musste sie doch Schmunzeln, als er den Kojoten erwähnte. „Um einiges besser. Ich denke jetzt werden wir es sicher bis zu mir schaffen. Zudem ist mir auch noch kein französischer Kojote über den Weg gelaufen… ich glaub‘ irgendwo was spanisches gehört zu haben… Wie hat er dir den dein Geld abgeknöpft? Hat er beim Kartenspiel betrogen?“, fragte sie nun frech. Ryans Grinsen wurde breiter als Viktoria erneut auf den Kojoten einging, vielleicht hatten sie ja doch noch eine Chance die Sache wenigstens Mental unbeschadet zu überstehen. Jeder Schwachsinn den man mit einem zwanglosen Lächeln erzählen konnte, war in dieser Zeit doch wirklich ein wahrer Segen. „Spanisch, eh? Das klingt nach Mauro, das ist ein cooler Typ. Aber nein, nicht beim Kartenspiel, Kojoten können doch keine Karten halten ohne Daumen, das ist ja albern… Er hat mir einen angeblichen Neuwagen verkauft, stellte sich heraus, das die Schrottkiste gar nicht existierte“ Viki konnte nicht anders, bei dieser Vorstellung musste sie einfach lauthals los kichern. „Oh, natürlich können sie das nicht! Wie dumm von mir… Also an deiner Stelle hätte ich mir den Wagen erst zeigen lassen. Bist du sicher, dass er den nicht nur woanders geparkt war?“, meinte sie grinsend. Das sich andeutende Lächeln von Ryan erfror noch während seiner Entstehung, als der kühle Nachtwind entfernte Musikklänge zu ihnen transportierte, aber auch Vik verging das Lächeln schnell, als sie die Musik vernahm. „I dream of rain - I dream of gardens in the desert sand - I wake in vain -I dream of love as time runs through my hand“, ertönte leise Desert Rose von Sting aus Richtung des Parks. Für den musikliebenden Ryan war es einerseits schön nach so langer Zeit wieder einige melodische Klänge zu vernehmen, die er sich nicht selbst vor summte, doch in ihrer aktuellen Situation wirkte es mehr als grotesk. Drum formte sich sein erstarrtes Lächeln nun zu einer überraschten Grimasse. „Sieht so aus als stimmen sie sich mit einer eigenwilliger Jagdmusik ein… Schade das sie nicht unser Lied spielen, was Viki?“ Diese Albernheit konnte er sich trotz der seltsam bedrückenden Stimmung, die für ihn durch die entfernten Strophen hervorgerufen, wurden nicht verkneifen. Wäre in dieser bisher musiklosen Welt wohl „Smells Like Teen Spirit“ als erstes erwähntes Lied zwischen den beiden als ihr Lied zu bezeichnen? Zögerlich sah Viki zu ihrem Soldaten, bekam dabei selbst nicht mehr als ein durch Angst verzogenes Schmunzeln hin. „Wenn wir das überstehen und eine Violine finden, dann spiel‘ ich es liebend gern nur für dich…“, flüsterte sie nun und beantwortete noch damit seine letzte Frage aus dem Hotel. Nach einer Violine musste er also Ausschau halten? Die Vorstellung einer Privatvorstellung von Viktorias Musik gefiel ihm doch ausgesprochen gut. „Vielleicht finden wir ja ein noch nicht vollends geplündertes Musikgeschäft, Musikinstrumente dürften zu mindestens nicht ganz oben auf der Liste für plündernwerten Kram stehen, vielleicht haben wir Glück. Ich hoffe du nimmst dann Musikwünsche aus dem Publikum entgegen? Mir fallen sicher einige Songs ein, die ich liebend gerne mal wieder hören würde“ „Erwarte nicht zu viel, seit einem Jahr hatte ich keine Violine in der Hand, aber versuchen würde ich es. Ich hatte auch gedacht, dass wir vielleicht an der Uni in der Musikfakul- …“, abrupt war sie verstummt, als ein Pfeil an ihr vorbei flog und die zwanghaft aufrecht erhaltende Normalität unterbrach. Kapitel 14: Hetzjagd -------------------- Gerade wollte sie weiter rennen, als knapp an ihrem Kopf ein scharfer Luftzug zu spüren war und ein zischendes Surren wie ein Echo in ihren Ohren nach klang. „Was zum …?!“, keuchte Vik, stolperte erschrocken einige Schritte zurück und sah sich verwirrt danach um, was eigentlich an ihr vorbei flogen war. Sie spürte wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich, als sie den Pfeil neben ihr in der Wand bemerkte. Ruckartig sah sie in die andere Richtung und auch Ryan wirbelte herum. „Sie … sie … das … nein … !“, stammelte Vik heiser schon mit panischen Blick, als sie die zwei Personen und deren Wölfsbegleiter sah. Der Mann im schwarzen Anzug und weißer Krawatte hielt den Bogen in der Hand, während die große Rothaarige neben ihm, ein Katana dabei hatte. Wieder ging Viktoria rückwärts einige Meter, schob dabei Ryan mit zurück, während sie dennoch gleichzeitig ihre beiden Dolche zog. Verzweifelt versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen. Die Wölfe waren hier, sie hatten sie gefunden und dieses Mal hatten sie keinen abschreckenden Revolver mehr. Allein das schnürte ihr bereits die Kehle zu. Ganz davon abgesehen, dass sie diese Monster ohne den Revolver nicht erledigen konnten. Sie würden bei lebendigen Leib zerfleischt werden, wenn diese Biester sie erreichten! Zudem hatten sie diesen Bogen, der vermutlich schon wieder gespannt wurde, während sie hier noch rumstand. „Lauf … lauf … Wir müssen weg!“, schrie sie nun doch und zog Ryan am Ärmel des verletzten Armes mit. Dass sie ihm gerade weh tun könnte, daran dachte sie nicht einmal mehr, denn alles was noch zählte war, dass sie um die nächste Ecke bogen. Die Gang würde sie jagen, wenn es sein musste bis ans Ende der Stadt, so wie sie es schon im Park befürchtet hatte. Der Pfeil hätte sie schon treffen können - treffen müssen, aber scheinbar fühlten sie sich so überlegen, dass sie sich den Spaß der Hetze wohl nicht entgehen lassen wollten, dachte sie bitte. Die Tiere würden sie hinter der nächsten Ecke noch immer erreichen, aber zumindest den Pfeilen würden sie vorerst ausweichen können. Zum Glück ging es ihrem Knie nach dem Schmerzmittel insofern besser, dass sie sich zutraute gegen diese Viecher noch antreten zu können. Unbeschadet würde sie es nicht überstehen, aber wenn es sein musste, dann wollte sie nicht kampflos untergehen. Vielleicht konnten sie zumindest Ryan zur Flucht verhelfen. Sie hätte ihn nicht zum Park bringen sollen. Alles andere wäre besser gewesen. Warum mussten sie unbedingt in den Park? Immer noch konnte sie nicht glauben, dass man sie töten wollte, wegen zwei verdammten Flaschen Wasser! Keine Zeit für Vorwürfe und keine Zeit für die aufsteigenden Tränen, die sie mühsam wieder zu verdrängen versuchte. Lange würden die Wölfe nicht brauchen, bis sie Ryan und Viki eingeholt hatten. Niemals hätte sie gedacht, dass die Wölfe schon wieder so nah waren! Dass sie sie jagten, davon war sie ausgegangen, aber nicht, dass sie ihnen schon wieder so gefährlich werden konnten. Ryan schien ebenso überrascht wie sie selbst, als sie sich schon wieder zum nächsten Sprint durchrangen. „Die Wölfe übernehm‘ ich - keine Widerrede!“, zischte sie ihm entschlossen zu, während sie nun um das Haus in die nächste Gasse bogen. Während sie rannten griff auch Ryan an die tiefsitzende Messerscheide, um das verzierte Kampfmesser einsatzbereit zu haben. „Scheiße, dass das geschieht glaubst du doch nicht im ernst oder? Und ich soll einfach weiter rennen und dich zurücklassen? Wenn die uns einholen sollten, werden die schon zumindest einen teuren Preis bezahlen müssen…“ Im Lauf fiel Viki durchaus auf, das Ryan zum ersten Mal seine wohlbehütete Klinge zog. Selbst als sie am Mittag auf die vierköpfige Gruppe getroffen waren, hatte der Soldat die Angreifer waffenlos nieder gerungen und den Revolver erobert. Was auch immer es mit diesen Messer auf sich hatte, sie hoffte noch eine Gelegenheit zu haben, danach zu fragen. Mit zerknirschten Blick sah sie Ryan aus den Augenwinkeln an, als dieser ihren Plan zurückwies. „Ich kann wenigstens über Mauer und Dächer verschwinden. Wenn ich dir für ‘nen normalen Weg einen Vorsprung ‘rausholen kann, dann tue ich es auch. Zudem hast du für einen Kampf keine Kraft. Kannst du überhaupt dein Messer halten?!“, warf sie vor Anstrengung keuchend ein. So wie sein Arm und besonders seine Hände vor wenigen Minuten gezittert hatten, zweifelte sie ernsthaft daran. Dennoch konnte sie es Ryan nicht übel nehmen. Auch sie wäre jetzt nicht alleine verschwunden… „Keine Sorge, ich habe ja noch meinen linken Arm und du ahnst noch gar nicht wie viel ungeahnte Kräfte ich noch mobilisiert kriege“, versicherte er ihr. Zum Glück kannte sie sich hier ein wenig aus. Die Gassen die nun folgten waren verwinkelt und zahlreich. Vielleicht konnten sie zumindest ihre menschlichen Verfolger fürs erste abhängen, aber ein lautes, imitiertes Wolfsgeheul hallte plötzlich durch die Gassen und versprach ihnen, dass die Wölfe es ihnen nicht einfach machen würden. Zusammen rannten sie weiter und kamen bald an eine kleine Kreuzung. Mit einen Kopfknicken bedeutete Vik abbiegen zu wollen. Auch diese Gasse rannten sie entlang, wollte dann weiter nach links, aber gerade als sie einbogen, sah sie eine weitere Person am anderen Ende stehen. Also dann lieber nach rechts, aber auch dort stand schon bereits jemand. Die Erkenntnis traf Vik wie ein Schlag. Sie waren bereits eingekesselt! Sie hatten keine Chance mehr! Obwohl,… eine gab es noch. „Feuerleiter rauf!“, zischte sie Ryan an. „Müssen durch die Häuser“, kam es knapp als Erklärung, die wohl nicht mehr nötig war. Bevor sie die Treppe überhaupt erreichten, waren die Verfolger wieder hinter ihnen und Vik konnte die hastigen Schritte von Tier und Mensch hinter sich hören. Ryan riskierte einen Schulterblick und drängte Vik plötzlich zur Seite. „Deckung Vik!“ rief er knapp aus, als ein Pfeil nur knapp neben ihn die Luft durchschnitt, dort wo sich eben noch seine rechte Körperhälfte befunden hatte. Bereits ein zweiter, schnell angelegter Pfeil zischte nah Ryan vorbei als er sich mit Vik, in eine gekauerte Position begab, die ihnen dennoch ein zügiges vorankommen erlaubte. „Ryan!“, kreischte Viki panisch, als er auch dem zweiten Pfeil auswich. Nun blickte auch Viktoria kurz zurück. Mit Schrecken sah sie, wie der Typ, den nächsten Pfeil anlegte und sein Tier wieder auf Ryan zu stürmte. Es war aus! Sie würden hier sterben! Einen Moment war Viktoria selbst erstarrt, als der Wolf zielstrebig auf Ryan zu hielt und schon zum Sprung ansetzte. Bevor er Ryan erreichte wurde der Wolf von dem Pfeil seines Herrchens am Hinterbein getroffen, aber dennoch kam kein Laut von ihm. Für Erleichterung war keine Zeit, da das Tier Ryan trotzdem zu Boden brachte und nun auf seinen Rücken stand. Viktoria wollte ihm zu Hilfe kommen, aber da kam schon die Rothaarige genau auf sie zu! Vik warf ihren Rucksack achtlos zur Seite, der scheppernd die Mülltonnen aus Blech umwarf. Nun brauchte sie ihre ganze Bewegungsfreiheit und ohne Kampf würden sie hier nicht raus kommen, wenn überhaupt. Auch dieses rothaarige Biest hatte ein riesigen, schwarzen Schoßhund, der direkt auf sie zu kam. Ihr vor Angst wild pochendes Herz überschlug sich fast, bei diesem Anblick. Dennoch versuchte sie mit ein paar tiefen Atemzügen sich zu konzentrieren. Das Tier sprang, Vik versuchte zur rechten Seite auszuweichen. Ihre Messer noch dabei erhoben, erwischte sie das Tier noch an der Schulter, bevor der Wolf wegen dem plötzlichen Schmerz nicht ganz so elegant landete. Sein wütendes Knurren verriet Vik aber schon, dass es wohl nicht tief genug gewesen war, um ihn ernsthaft zu verletzten. Vik spannte sich an, wartete schon darauf, das dieses Vieh sie erneut ansprang, aber dazu kam es nicht. Stattdessen wurde sie von hinten überrascht, als sie plötzlich Hände auf sich spürte. Alles was danach passierte ging zu schnell, um es zu realisieren. Sie verlor die Orientierung, als sie quasi von den Füßen gerissen würde, knallte nur mit erschrockenen und schmerzverzerrten Aufschrei gegen die Wand. Der Aufprall war hart gewesen und als sie schnaufend aufsah, erblickte sie die eiskalten, blauen Augen der Wolfsfrau, welche soeben ihr Schwert zog und ihrem Wolf mit einem Handzeichen zu verstehen gab, dass er sich zurück halten sollte. Mit verzweifelten Lächeln sah Viki sie einen Moment an, während sie noch nach Atem rang. „Ich versteh nicht was das soll, ich hab doch früher schon mit euch gehandelt. Hättet ihr wegen zwei belanglosen Flaschen Wasser nicht so einen Aufstand gemacht, wäre es nie so weit gekommen. Aber Marko ist wirklich zu dumm ein aufgeschlagenes Knie vom Virus zu unterscheiden“, sagte sie bitter. Vermutlich würde sie das nicht interessieren, aber aussprechen wollte Viki es dennoch. Gab es in dieser Stadt denn nur noch Irre? Aber so leicht würde sie es ihr nicht machen, immerhin hatte sie selbst noch ein paar Asse im Ärmel… Vik stieß sich von der Wand ab, rannte der Frau zunächst entgegen, ließ sich dann auf ihr rechtes Bein fallen, um an ihr vorbei zu rutschen. Die Dolche hatte sie dabei vor sich gekreuzt, um dem Schwert zu entgehen, das nun von Viks Klingen abgelenkt wurde. Hinter der Frau wirbelte sie herum, versuchte noch ihr die Sehnen an den Waden zu zerschneiden, musste aber dann doch mit schräger Rolle ausweichen. In der Hocke kam sie zum Stillstand, richtete sich dabei wieder auf und sah hinter der Frau, wie Ryan mit einem anscheinend stummen Wolf rang, was dieses Bild noch unheimlicher machte Rücklings schlug Ryan mit dem Messer blind in die Richtung, aus der der Geifer des Tieres in seinen Nacken tropfte. Dabei trieb er tief das Messer in die Haut des Wolfes und sogleich rann warmes Blut über den Schaft an seiner Hand entlang. Das schwarz-weiße Fell färbte sich am Hals des Wolfes rot, doch noch immer war kein Jaulen oder Knurren zu hören. Schon kam die Wolfsfrau mit erhobenen Schwert auf Viktoria zu. Vik beugte den Oberkörper nach hinten, um den Schwert zu entgehen, ihre Hände legte sie dabei auf den Boden, stieß sich dabei weiter mit den Beinen ab, um dann mit einen leicht schiefen Salto nach hinten auszuweichen. Dabei traf sie die Frau mit dem rechten Fuß hart unter ihr zartes Kinn, worauf sie kurz zurück taumelte. Währenddessen landete Vik unsanft auf den rechten Knie, ging aber sofort in die Hocke und sprintete zur Wand, wobei sie gleichzeitig die Dolche weg steckte. Sie sprang mit den rechten Fuß dagegen, drückte sich auch mit den linken weiter hoch, bis ihre Finger die unterste Sprosse der Feuerleiter erreichten. Dort versuchte sie etwas Schwung zu holen. Am Reck war sie beim Turnen immer schlecht gewesen, wo ihr doch das Bodenturnen und auch die paar Monate Parkour um einiges lieber waren, doch für diese Zwecke musste es einfach reichen. Nochmal holte sie Schwung, wobei das Schwert dieser Irren ihre Beine nur knapp verfehlte. Doch einen weiteren Versuch würde Vik ihr nicht geben. Sie ließ los, wirbelte einem gehockten Salto in Ryans Richtung und kam hart mit den linken Knie auf den Boden neben ihn auf. Der Wolf wich vor Verwunderung kurz zurück. Mehr brauchte Vik nicht, um ihre Dolche wieder zu ziehen und nach dem Tier zu stechen. Doch er war zu schnell und Vik erwischte es nur oberflächlich an der Schnauze. Dennoch wollte sie eigentlich nur Zeit gewinnen und Ryan die Möglichkeit geben, sich aufzurichten. Dieses mal wollte sie nicht einfach nur zusehen, wenn er mit einem Wolf um sein Leben rang. Aber aus den Augenwinkeln war die Wölfin schon zu ihr unterwegs, erinnerte sie daran, das sie ihren eigenen Kampf hatte. Vik wich vor der schnappenden Schnauze des Wolfes mit ein paar weiteren Rückwertssaltos aus, ohne dabei sich mit den Händen an den Boden zusätzlich abzustoßen, rannte dann wieder in die Richtung der Frau, hielt aber wieder auf die Hauswand zu. Sie sprang dagegen, erst mit den rechten Fuß, stieß sich weiter mit den linken ab, um hinter sie zu kommen und ihr in den Rücken zu schneiden. Das war ihre einzige Möglichkeit, sie zu treffen und gleichzeitig dem Schwert zu entgehen, aber soweit kam es gar nicht. Als sie sich mit den linken Fuß ab stieß, merkte sie schon, dass sie zu wenig Kraft im verletzten Knie hatte und auch der letzte Aufprall darauf alles andere als förderlich gewesen war. Sie kam nicht so hoch wie sie wollte, rutschte zudem etwas ab und knallte somit hart auf ihrer Seite auf, wobei sie ihren linken Dolch verlor. Bevor sie diesen wieder aufnehmen konnte, musste sie sich zur Seite rollen, um nicht von dem Schwert getroffen zu werden. Mit schmerzvollen Stöhnen rappelte sich Vik wieder auf, hielt sich kampfbereit mit nur einen ihrer Dolche und wartete vorerst ab, da für sie keine größeren Sprünge mehr drin waren, wenn es nicht unbedingt nötig wurde. Wieder griff die Frau an und Viki parierte nur mit ihren Dolch, stolperte dabei etwas zurück, wich auch dem nächsten Schlag aus, wehrte den nächsten mit den Dolch ab. Unter angestrengten Atemzügen, versuchte sie sich nicht treffen zu lassen, doch die Wölfin war ihr in Sachen Gewandtheit und Schnelligkeit durchaus ebenbürtig, wenn nicht sogar mittlerweile überlegen. Ihr musste unbedingt was einfallen, lange würde sie das nicht mehr durchhalten. Unauffällig und hastig sah sie sich aus den Augenwinkeln um, aber nichts in der Nähe würde ihr helfen können. Wieder wich sie der Wölfin aus, wurde einen Moment von Ryans Kampf abgelenkt. Ryan hatte es geschafft sich aufzurichten, doch ein wuchtiges Projektil riss ihn erneut von den Beinen, wobei er mit einem Grunzen erneut mit dem Rücken auf den Boden prallte und sein Messer ihm dabei seinem Griff entglitt. Der Pfeil, der sich nun tief in seine rechte Schulter gebohrt hatte, erinnerte daran, dass er mehr als nur einen Gegner hatte. Sogleich nagelte der Wolf ihn wieder unter sich fest. Ein kraftvoller Schlag seiner linken Faust traf den Kopf des Wolfes wuchtig, der sich davon jedoch relativ unbeeindruckt zeigte. Nun unbewaffnet konzentrierte Ryan sich darauf, die Zähne des Wolfes, wie beim ersten der ihn angegriffen hatte, von seiner Kehle fern zu halten, während seine kraftlose rechte Hand verzweifelt versuchte Halt am Hals des Tieres zu finden. Als Viktoria nach Ryan sah, bekam sie sofort die Klinge des Schwertes an ihrem rechten Oberarm zu spüren. Der Schmerz zog sich durch den ganzen Arm und veranlasste sie auch den verbliebenen Dolch plötzlich fallen zu lassen, während sich ihre linke Hand schon auf die Wunde drückte. Vik versuchte dennoch auszuweichen, doch die Panik stieg in ihr hoch und ihr verletztes Knie knickte wieder weg, sodass sie ins Stolpern geriet und auf den Rücken fiel. Sofort spürte sie, den Fuß der Fremden auf sich, die sie ans weitere Ausweichen hinderte. Das war es dann wohl. Sie hatte versagt… Der Kloß im Hals schmerzte, die Farbe war ihr aus dem Gesicht gewichen und ein Zittern ging durch ihren Körper, während die Angst ihren Atem beschleunigte. Kurz sah sie der Wölfin in die wütenden, kalten Augen, doch sie wusste, dass es keine Gnade geben würde. Also wendete sie sich ab, wollte wenigstens Ryan noch sehen, auch wenn ihr die aufsteigenden Tränen langsam die Sicht verschleierten. „Ryan,… es tut mir Leid. Ich hätte dich nicht zum Park bringen sollen. Es ist alles meine Schuld… Verzeih mir…“, wimmerte sie leise, auch wenn er es niemals hören würde. Sie schloss die Augen, erwartete schon, wie das Schwert sie durchbohren oder aufschlitzen würde, doch sie schrie nicht. Alles woran sie noch denken und was sie noch hoffen konnte war, das Ryan das nicht sah. Viki dachte an ihre Liebsten. An ihre Eltern, an ihre Geschwister und an Leon, aber dennoch blieben ihre Gedanken bei Ryan hängen. Sie dachte an die paar wenigen Stunden mit ihm, die sie heute mit ihm verbringen durfte. Gedanklich war sie wieder im Teppichgeschäft, am frühen Abend, was doch nur wenige Stunden her war. Viki hatte sich bei ihm so geborgen und so sicher gefühlt, wie seit Monaten nicht mehr. Der leidenschaftliche Kuss und die weiteren Zärtlichkeiten hatte sie alle Sorgen und Zweifel vergessen lassen. Auch jetzt ließ die Angst etwas von ihr ab, während Vik die Wölfe versuchte zu vergessen und sie sich doch nur auf dieses Gefühl mit Ryan konzentrierte. Aber dennoch stahl sich eine weitere Träne aus den Augenwinkel, bei der Erkenntnis, dass ihr mehr Zeit mit ihm wohl nicht vergönnt war… „Viki, Nein! Wehr dich, verdammt, Kämpfe… Fuck…Lass das nicht...“, schrie Ryan plötzlich. Ryan Rufe ließ Vik vor Schock die Augen aufreißen. Scheinbar hatte er sie gehört, wo doch nur das Schnappen der Kiefer des Wolfes und Ryans eigene angestrengte Laute die Stille durchbrachen. Sein erster zögerlicher Seitenblick hatte seine Pupillen sich vor Schreck weiten lassen. Hektisch wechselte seine Perspektive, aufgescheucht zu Viktoria und zurück zu dem stummen Wolf, Viktoria – Wolf, immer und immer wieder. Verzweifelt probierte er sich gegen das Gewicht des Wolfes zu stemmen, sich irgendwie aufzurichten, doch es gelang ihm nicht. Ein frustrierter Schrei entrann sich seiner Kehle, bildete keine Silben, drückte nur seine niedere, animalische Verzweiflung aus, während er zwei bis drei weitere Hiebe gegen den Kopf des Wolfes ausführte. Sein linker Arm fand den Kopf des Wolfes, panisch drückte er seinen Daumen mit Anspannung in das blaue Auge welches ihn mit Mordlust an funkelte. Der Druck auf das empfindliche Organ schien dem Wolf zu missfallen, doch schien er nicht bereit zu sein zurückzuweichen… Ryan kämpfte, kämpfte für sie, um ihr helfen zu können, doch es war sinnlos. Weitere Tränen rannten über Viktoria Wangen, als ihr klar wurde, dass er nun mit ansehen würde, wie man sie hinrichtete. Schau weg! Sieh mich nicht an! Bitte, tu dir das nicht an! In Gedanken schrie und flehte sie ihn an, aber um es wirklich auszusprechen fehlte es ihr an Kraft und Mut. Mit dem Schwert an der Kehle konnte sie nichts anders tun, außer zu heulen und zuzusehen, wie er verzweifelt mit dem Wolf kämpfte. Der Schrei von ihm, ließ sie selbst verzweifeln. Sie wollte ihm helfen, wollte irgendwas tun, aber sobald sie sich bewegte, war sie tot. Warum war sie es nicht schon längst? Zögerlich sah sie kurz zur Wölfin hoch, musste jedoch zurück sehen, als sie weitere Schritte hörte. Die zwei weiteren Wolfsmitglieder kamen, die Ryan und ihr den Weg abgeschnitten hatten. Einer mit einer Brechstange, der andere mit einem Baseballschläger bewaffnet. „Fenrir!“, rief der Bogenschütze seinem Tier entgegen, welches sofort von Ryan abließ und auf ihn zu rannte. Die beiden Wölfe gaben Ryan keine Chance noch einmal auf die Beine zu kommen und prügelten hart auf ihn ein, wobei einer ihm grob den Pfeil aus der Schulter zog. Es folgten einige Hiebe und Tritte, die ihn dazu veranlassten mit den Armen seinen Kopf zu schützen. „Ryan!“, schrie Viki unter weiteren Tränen. Ihr hastiger Atem überschlug sich fast, sie versuchte sich ein Stück aufzurichten, wurde aber von dem Gewicht der Frau am Boden gehalten, wobei auch das Schwert sich etwas in ihren Hals schnitt. Er war doch schon verletzt, er konnte sich nicht mehr wehren. Sie würden ihn umbringen und das war alles ihre Schuld! Flehend sah sie nun zu der Frau über ihr. „Lasst ihn gehen, er hat nichts damit zu tun. Ich hab ihn in den Park gebracht, ich war es. Er ist mir nur gefolgt… bitte lasst ihn einfach gehen… es… es war doch alles meine Idee…“, hauchte sie. Ihre wimmernde Stimme drohte immer wieder weg zu brechen. Viki war nicht mal sicher, ob sie laut genug war, damit sie es verstand. Sie fühlte sich so hilflos, aber sie konnte doch nicht einfach zu sehen, wie sie ihn um brachten. Sie war sich nicht sicher, ob die Frau sie nicht verstanden hatte oder ob sie nichts tun wollte. Die Männer prügelten weiter, bis der Bogenschütze selbst sie mit einem „Es reicht!“ wieder zurück pfiff. Dieser kam nun zu der kleinen Truppe und befahl: „Richtet sie auf und haltet ihre Hände hinterm Rücken fest! Duke, du nimmst den Mann.“ Duke war scheinbar der größere und breitere von den beiden und zog nun Ryan wieder hoch, während der andere auf Viktoria zu kam. Die Frau zog sich zurück und Viki wurde grob hoch gerissen. Warum taten sie das? Warum brachten sie die beiden nicht einfach um? Was wollten sie denn noch? Sie hatte panische Angst vor der Antwort. Kurz sah sie zu Ryan, sah wie schlecht es ihm selbst ging, bis sie selbst nur noch den Blick senkte und stur auf den Boden starrte. Ihr ganzer Körper konnte einfach nicht mehr aufhören zu zittern, während ihr die Hände von einem dieser Ekel auf den Rücken festgehalten wurde. Allein das war schon unerträglich, doch die Vorstellung was man noch mit ihr machen würde, brachte sie fast schon um den Verstand. Der schwarzhaarige Bogenschütze ging direkt auf Ryan zu, der nur besorgt zu Viktoria sah. „Du hast meinen Wolf verletzt, Arschloch“, knurrte er ihn an und wurde dann von der Nase seiner Wolfes unterbrochen, der ihn mit Ryans Kampfmesser in der Schnauze leicht anstubste. Der Typ nahm das Messer und betrachtete es kurz, wobei er lange auf die Gravur „R.B“ starrte. „Also, Drecksack, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, fragte er abfällig, doch noch immer reagierte Ryan nicht, sah weiterhin besorgt zu Vik. Nach der einer ausgebliebenen Antwort seines Gegenübers rammte er Ryan das Kampfmesser in die rechte Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: „Niemand greift meinen Wolf an. Merk‘s dir, Arschloch.“ Ryan keuchte gequält auf, während der Bogenschütze sich den Blickkontakt durch den Dolch erzwang, während Vik gleichzeitig ein verzweifeltes „Nein!“ entwich und sie sich recht kraftlos versuchte von dem Griff des Mannes zu befreien. „Fick dich ins Knie, Penner!“, schrie Ryan plötzlich in seiner Wut. Der Bogenschütze zog das Messer wieder heraus und Blut lief aus der Verletzung. Danach warf er die Waffe achtlos zu Boden und begann vor den Gefangenen auf und ab zu laufen. „Ich frag‘ es nur einmal, also hört gut zu“, sagte er ruhig, „Wer von euch beiden hat den Wolf erschossen?“ Das er sich so über seine beschissenen Flohsäcke aufregte, verstand Vik nicht. Seine verlorenen Männer schienen ihm kaum zu interessieren. Hilflos sah sie zu Ryan. Sollte sie antworten? Was sollten sie antworten? Viki war sich nicht mal sicher ob sie überhaupt noch ein Wort raus brächte und auch Rayn blieb stumm. Der Bogenschütze lachte verächtlich. „Keine Freiwilligen, die vortreten wollen? Nun, dann rate ich doch einfach mal.“ Er ging einige Schritte auf Ryan zu, neigte den Oberkörper leicht nach unten und begann an ihm zu schnuppern, wobei Ryan sogar genug Kraft fand, sich ein gezwungenes Lächeln abzukämpfen. „Na gefall‘ ich dir oder was? Sorry, ich bin leider nicht von der Sorte, außerdem vergeben. Ich hoffe das schmälert meine Chancen nicht…“, sagte Ryan, aber erntete darauf hin einen Magenhieb, welchen er augenscheinlich mit Genugtuung hin nahm, auch wenn es ihm erneut die Luft aus den Lungen trieb. Als der Wolf wieder seinen Kopf erhob und dem Eindringling in die Augen sah, lag ein kaltes Lächeln auf seinen Lippen. „Wir riechen nach Schießpulver? Du warst es also“, erneut lachte er freudlos, „Hast dein kleines Lamm vor dem großen, bösen Wolf beschützt, was? War es nicht so, Arschloch? Gib es zu, nur um die Schlampe zu beschützen, hast du einen Wolf geopfert? Für dieses wertlose Stück Scheiße?“ Ryans trotzige Antworten jagten Viktoria einen weiteren kalten Schauer über den Rücken. Er sollte verdammt noch mal aufhören sie zu provozieren! Wer weiß was diesen Psycho als nächstes einfiel, der Ryan nun schon mordlüstern ansah. Viki wurde nervös. Er würde wieder zustechen, da war sie sich sicher. Vielleicht dieses mal direkt in Herz oder Lunge. Die Vorstellung ertrug sie nicht. Hätte sie Ryan doch nie zum Park gebracht, wäre sie doch wirklich irgendwann verschwunden und hätte ihn allein weiter ziehen lassen... „Nein! Ich war es!“, schrie sie ihm panisch entgegen und versuchte abermals sich loszureißen, während Ryans Mimik fast augenblicklich gefror. Plötzlich kam er auf sie zu. Mehr noch, der kam ihr so nah, dass Viki erstarrte. Sie konnte nur noch panisch in seine Augen sehen, wie ein Kaninchen vor der Schlange. Er beugte sich zu ihr, roch an ihr und sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren. Ihre Knie zittern stark, fühlten sich so schwach an, als würden sie gleich einfach nachgeben. Mit ängstlichen Keuchen kniff sie die Augen zu und dann waren die anderen Bilder wieder da… Der blonde Typ mit diesen unmenschlichen Grinsen, den die anderen beiden Foras genannt hatten, hatte das auch getan. Er hatte an ihr gerochen wie ein Tier, hatte sie geschlagen und gefesselt, um ihr anschließend das Hemd zu zerreißen. Dann hatte er das Messer genommen und die Verbände zerschnitten, die sie doch vor so etwas beschützen sollten. Die Schrecken die folgten, wollte sie nie wieder durchmachen. Nie wieder! Und nun war da dieser schwarzhaarige Bogenschütze und beschloss vermutlich das selbe zu tun. Was… was wenn er ihr vor Ryan nun einfach das Hemd zerriss? Was wenn er ihr das vor Ryan antat? Viki verkrampfte sich nur noch mehr, während sie erneut anfing viel zu viel und viel zu flach zu atmen. Nicht jetzt… sie konnte nicht jetzt einfach hyperventilieren und umkippen… sie würde nie wieder aufwachen, dafür würden die Wölfe schon sorgen. Erst als sie das schmerzhafte Klopfen an ihrem Knie spürte, drangen auch die Worte des Mannes wieder zu ihr durch. „Du warst es also, Miststück?“, fragte er. Doch noch immer war ihre Kehle wie zugeschnürt und so konnte sie nur zögerlich nicken, woraufhin sich der Typ wieder entfernte. Vikis Anspannung fiel leicht von ihr hab, zitternd sackte sie kurz etwas weg. Was dann geschah, dass hatte sie nicht kommen sehen. Der Bogenschütze atmete einmal tief durch entfernte sich einige Schritte von ihr und zog dann blitzschnell einen Pfeil aus dem Köcher und schoss auf ihr Knie. Der Schmerz ließ sie aus Leibeskräften aufschreien. Hätte sie der Typ hinter ihr nicht fest gehalten, dann wäre sie nun auf den Boden zusammen gesackt. Sie biss die Zähne zusammen, versuchte den Schmerz irgendwie zu ignorieren, es irgendwie auszuhalten. Allein um Ryan nicht weiter zu beunruhigen, der nun tobte, fluchte und seinerseits ‘rumschrie. Der Mann kam wieder auf Viki zu, knurrte sie an, fragte sie irgendwas. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. „Wie fühlt es sich an, Miststück? Häh? Wie fühlt es sich an, von einem Geschoss durchbohrt zu werden? Wie?“, knurrte er sie gefährlich an. Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie gerade nichts erwidern können. Noch immer ging ihr Atem stoßweise. Immerhin schien er sonst kein Interesse an ihr zu haben. Alles worum es ihn ging waren diese verdammten Köter. Als eine Antwort ausblieb, ging er auf ein Knie herunter, packte den Pfeil und schob ihn tiefer ins Fleisch. Unter dem nächsten Aufschrei versuchte sie ihr Bein irgendwie mit zu bewegen, den Schmerz erfolglos irgendwie zu verringern. Heiße Tränen suchten sich den Weg aus den schon rot verheulten Augen hinab. Wieder forderte er sie auf ihn zu antworten, aber sie hatte zu viel Angst, dass sie etwas falsches sagte. Dennoch kannte sie das Spiel, sie sollte tun was er sagt, so wie es Foras schon von ihr verlangt hatte. „Na? Fühlt es sich gut an, wenn es sich tiefer in den Körper bohrt? Los, Schlampe, sag was!“, verlangte er erneut. „Bitte… hör auf… bitte… es… es ist… es ist…“, begann sie stammelnd, doch bevor sie weiter kam, drehte er schon den Pfeil hinaus, damit die Wunde, die er zurückließ, größer wurde. Wieder schrie sie. Schrie bis ihr auch der Hals schon schmerzte. Kraftlos ließ sie sich unter weiteren Tränen nur noch hängen. Währenddessen tobte Ryan, sträubte sich wild und ungelenk gegen die Arme die ihn festhielten, bis zur völligen Verausgabung, schrie und fluchte lautstark dabei. Doch Ryans Schreie hallten gerade nur noch dumpf zu ihr durch, stachen ihr dennoch mitten ins Herz, als sie daran dachte, dass er das mit ansah. Ihr stand mittlerweile kalter Schweiß auf der Stirn, der Körper erzitterte unter dem Schmerz nur noch mehr, auch wenn sie ihr Bein gerade nicht belastete. Der Wolf richtete sich wieder auf und flüsterte in ihr Ohr: „Los, sag es mir, Miststück, wie fühlt es sich an, wenn das Blut aus dem Körper fließt? Sag was, elende Missgeburt!“ Dieses mal antwortete sie sofort: „Unerträglich! … es… es ist unerträglich… ich wär‘ lieber sofort gestorben, wie dein geliebter Wolf…“, zischte sie noch leise, war sich aber sicher, dass er es hörte. Sein Vieh hatte es wesentlich besser gehabt, immerhin war er sofort tot auf Ryan zusammen gebrochen. Der Typ war krank und Abschaum! Wen interessierten denn schon diese Bestien?! Aber er würde sie weiter quälen, da war sie sich sicher. Zögerlich sah sie wieder zu ihm auf und sah es in seinen kalten, braunen Augen, dass er nicht aufhören würde, bis er seine Rache bekommen hatte. Das hier war doch nur der Anfang. Er warf den blutigen Pfeil achtlos über die Schulter und sah ihr wieder in die Augen. „Du wagst es nicht noch einmal, einem Wolf zu schaden“, sagte er mit kaltem Hass in der Stimme. Dann spuckte er sie auch noch an und wieder brachen die Tränen vor Schmerz und Angst aus ihr. Schamvoll wendete sie den Blick unter Schluchzen von ihm und auch von Ryan ab, der sich ein letztes Mal aufbäumte, aber sich bei seinen schwindenden Kräften nicht losreißen konnte. „Cerberus!“, kam es im Befehlston von der rothaarigen Frau und der Bogenschütze ließ sofort von den Gefangenen ab und wendete sich zu seinem Wolf, der den blutigen Pfeil in der Schnauze hatte. Ein warmes Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Du willst spielen?“, fragte Cerberus seinen Wolf und nahm den Pfeil ab, drehte sich um, warf den Pfeil und ging dann. Der Blick der Frau wanderte von Ryan zu Viktoria, ehe sie verächtlich schnaubte. Ihr schwarzer Wolf kam lautlos aus dem Schatten an geschlichen und drückte sich an ihr Bein. Ihre Hand ruhte auf dessen Kopf, genüsslich schloss der nachtschwarze Wolf halb seine Augen, als seine Herrin ihm sanft den Kopf kraulte. „Sperrt sie in zwei verschiedene Käfige, soweit voneinander entfernt, dass keine Art der Kommunikation zwischen den beiden stattfinden kann“, bellte sie den Befehl, welchem sogleich Folge geleistet wurde. „Vik! Vik… halt nur durch, du musst es irgendwie wegschaffen, du bist flink genug!“, rief Ryan noch knapp ehe er fortgeschleppt wurde. Viki sah wieder ruckartig zu Ryan. Panisch und hilflos sah sie in seine Augen, wurde aber sogleich von dem Mann hinter ihr in Bewegung gesetzt. Der Schmerz im Knie war höllisch, dennoch versuchte sie sich dagegen zu wehren, wenigstens ein paar Sekunden mehr bei Ryan zu haben. „Ryan… mein Knie…“, schluchzte sie und befürchtete, dass sie nicht mal mehr richtig Laufen können würde, wenn es abgeheilt war. Wie sollte sie damit entkommen?! Es war unmöglich. Dennoch wollte sie ihm unbedingt was sagen. Wenn er zumindest eine Chance hatte hier weg zu kommen, dann musste er sich irgendwo verkriechen und versorgen. „Zurück zum… zum Blumengeschäft. Über den Sonnenblumen sind Notreserven für ein paar Tage“, schrie sie hastig und hoffte, dass er dann nach den hässlichsten Teppich in Braun-Gelbtönen Ausschau halten würde. Noch immer wehrte sie sich, war sie sich doch sicher, dass sie ihn nicht wieder sehen würde. Doch er verschwand schon aus ihren Augen. „Ryan! Vergiss mich nicht! Bitte… Finney Street 415 - Fort-Viertel, da hab ich gewohnt… Bitte! Ich… Ich liebe dich!“, schrie sie noch so laut sie konnte, hoffte er würde es noch hören. Gerade war sie zu feige gewesen es auszusprechen, dachte er würde es eh nicht hören, aber jetzt wollte sie, dass er es hörte. Egal, ob sie sich nur einen Tag kannten, so war sie sich doch sicher in dem was sie fühlte und eine weitere Möglichkeit würde es wohl nicht geben. Viki hoffte auch er würde sie wenigstens durch einen Besuch bei ihr Zuhause doch noch näher kennenlernen können oder ein Foto holen. Sie wollte nicht einfach vergessen werden. Er war der Letzte, der sich überhaupt noch an sie erinnerte. Wenn er sie vergaß, dann war es so, als hätte sie nie gelebt. Gern hätte sie auch mehr von ihm gewusst, mehr von seiner Familie erfahren, von seinen Hobbies und Freunden gehört, doch alles was sie jetzt hatte, war die Erinnerung an sein Lächeln und die paar gemeinsamen Stunden. Kapitel 15: Einsame Nächte -------------------------- „Vik! Vik … halt nur durch, du musst es irgendwie wegschaffen, du bist flink genug!“, rief er noch knapp, ehe er fortgeschleppt wurde. Ein nur allzu bekannter Abschiedsschmerz kam in ihm auf, als er Viktoria aus seinem Blickfeld verlor, seine letzten Abschiede waren ebenso kurz und abrupt von statten gegangen, nicht weniger belastend. „Ryan … mein Knie …“, schluchzte sie, während sie sich dagegen wehrte fortgeschleppt zu werden. Das ist übel, dachte er bei sich. Ein ungutes Gefühl und die Befürchtung, dass dies sein eventuell letzter Blickkontakt mit seiner Begleiterin war. Seine letzten Kraftreserven verließen ihn bei seinen pessimistischen Vorstellungen. „Zurück zum … zum Blumengeschäft. Über den Sonnenblumen sind Notreserven für ein paar Tage“, schrie sie hastig. „Ryan! Vergiss mich nicht! Bitte … Finney Street 415 -- Fort-Viertel, da hab ich gewohnt … Bitte! Ich … Ich liebe dich!“, hallte es aus der größer werdenden Entfernung zu ihm. Der schwarzhaarige Bogenschütze, den die Frau Cerberus genannt hatte, hatte seine Schritte verlangsamt, um auf Ryans Höhe zu kommen. Er holte eine Zigarettenschachtel aus der Jacketttasche und zündete sich eine an. „Mir kommen gleich die Tränen. Herzzerreißend, mein Gott. Muss sich scheiße anfühlen, auf so was keine Antwort geben zu können“, sagte er kalt lächelnd an Ryan gewandt und blies ihm den Rauch direkt ins Gesicht. Nun wurde ihm, während er fortgeschleift wurde, doch intermittierend schwarz vor den Augen. Wie weit er geschleppt wurde konnte er nicht sagen, noch wie viel Zeit vergangen war seit er Viki aus den Augen verlor. Schlussendlich landete er wie ein Tier in einen Käfig, seine Ausrüstung war ihm abgenommen worden und er wurde mit seinen Wunden vorerst alleine zurückgelassen, irgendwo in der Nähe des Parks wie er vermutete. Seine Gedanken hingen bei Viktoria, wurde sie ähnlich behandelt? Würde er sie wiedersehen? Gelang ihr wahnwitziger Weise vielleicht sogar die Flucht? Er hoffte es inständig, wer weiß was sie sonst noch bei diesem Kranken erleiden mussten … Während er seinen Gedanken nachhing wickelte er beiläufig eine Schicht seines Verbandes von seinem rechten Arm ab, um mit dem so gewonnenen Mull die blutende Schulterwunde abzudrücken. Der Rest des Verbandes hatte sich bereits wieder an sporadischen Stellen mit Blut vollgesogen. Erst als er die Schritte der hochgewachsenen Schwertträgerin hörte, sah er von seiner Wunde auf. Vor seinem Käfig teilte seine Wache der rothaarigen Frau mit: „Die Frau ist weiter hinten, im Nordbereich“, und machte nach ihrem knappen Nicken reumütig davon. „Sprich, wer hat die Wölfe ermordet? Die volle und wahre Geschichte!“, verlangte die Frau zu wissen. „Lüg nicht, glaube mir, ihr werdet sonst beide teuer bezahlen“, ergänzte sie ernst und sah Ryan forschend an. Glaubte sie ernsthaft, dass er sich selbst zu liebe Vik über die Klinge springen lassen würde? „Ryan Bradon Delta Force Operator, Dienstnummer 52239495.“ Mit einem verächtlichen Schnauben spuckte er einen Klumpen geronnenem Blutes aus. „Wie geht es meiner Partnerin? Wo ist sie und was haben Sie ihr angetan?“ Der Sanitäter war angestrengt bemüht seine Emotionen zu kontrollieren. Wut, Angst, Verachtung und Hass trieben in seinem Inneren ihr Unwesen. „Ihr geht es soweit gut, mehr brauchst du nicht zu wissen“, gab sie ihre knappe Antwort, ehe sie weiter sprach, „Nun sprich oder wir machen weiter mit der Folter!“ „Das nennt ihr Folter? Wenn ihr wollt, dass ich von der wahren Geschichte abweiche, müsst ihr euch schon etwas mehr anstrengen. Was glaub ihr den neues zu erfahren?“ Prüfend nahm er kurz den Mull von seiner Schulter, ehe er doch weiter Druck auf die Wunde ausübte. Fast schon resigniert wiederholte er den Anfang ihrer Geschichte wahrheitsgemäß: „Wir wollten uns Wasser holen und haben versucht uns zurückzuziehen als bereits diese Biester auftauchten, die ihr uns nachgeschickt hattet, was hätten wir tun sollen? Uns kampflos zerfleischen lassen, nur weil wir zwei Flaschen Regenwasser abgeschöpft haben?“ Wie schnell würde das Ende wohl kommen? Die Frau schien humaner als der Schwarzhaarige, wenn auch nicht minder wütend auf die Eindringlinge. Vielleicht würde sie wenigstens von weiterer Folter absehen? Ohne ein weiteres Wort der anscheinenden Anführerin von diesem Pack wurde er wieder alleine zurück gelassen. Immerhin hatte sie ihm verraten, dass es Viktoria derzeit noch gut ging und er musste an der einzigen Hoffnung festhalten, dass er ihren wenigen Worten Glauben schenken durfte. Reglos sah er dem sich entfernenden Rücken hinterher. Nun blieb er wieder einmal alleine mit seinen Gedanken, hatte er dieses Gefühl doch in den letzten 24 Stunden noch nicht missen gelernt. Gerade die letzten, von Viktoria vernommenen Worte zwangen ihn dazu seine Hoffnung nicht fahren zu lassen. Musste er sie doch einfach wiedersehen, allein um seiner schuldigen Antwort quitt zu werden. Es bestand einfach keine andere Möglichkeit! Schritte, die näher kamen, ermahnten ihn dazu wachsam zu bleiben. Wenn sich ihm auch nur eine einzige Möglichkeit bot, musste er bereit sein sie zu ergreifen … Doch sein neuer Gast schien nicht darauf erpicht zu sein, ihm das Käfigtor zu öffnen, schob er nur einen Teller, etwas zu Trinken und ein Fell durch die blanken Gitterstäbe. Auch Ryans Fragen und Rufe wurden von dem Gangmitglied ignoriert. Wozu diente der Zweck von diesen Rationen? Wollten sie Vertrauen erschleichen? Als gute Wohltäter dastehen? Zuvorkommende Gastgeber spielen? Sollte es eine Art Henkersmahlzeit darstellen? War der Besuch der Anführerin nur eine Farce und ihr eigentliches Urteil war längst gefallen? Oder war diese Gang doch tatsächlich so feige und setzte ihnen infizierte Nahrung vor? Ohne etwas anzurühren zog Ryan sich in die vom Tor entfernteste Ecke zurück und ließ sich dort nieder, überprüfte ein weiteres Mal seine frische Wunde, deren Blutfluss noch nicht komplett abreißen wollte. Aus gegebenen Anlässen musste er an den dunklen kahlen Keller denken, dort wo er an dem einzigen Möbelstück gefesselt gewesen war, einem einfachen Metallstuhl ohne Armlehnen. Tief im Erdreich, abgeschnitten von allen Verbündeten, von allen Freunden. So tief, dass von der schwellenden Wüstensonne keine Wärme den Raum erreichen wollte. Fünf Tage lang hatten sie ihn kaum Schlafen lassen, in undefinierbaren Abständen hatte er Besuch bekommen, hatten ihm immer wieder, einem magischen Mantra gleich, nichts weiteres als seine Militärdaten entlocken können, so wie er es ihm im SERE Training gelehrt wurde. Er erlag nicht dem Glauben, dass er nicht brechen würde. Er wusste genau, das es nur eine Frage der Zeit war, eine Frage wie häufig sie noch den Stuhl umstießen, um ihn mit Wasser zu überschütten, wie häufig sie ihm auf die grob versorgte und frische Wunde schlagen würden, ihn verbrennen würden. Doch soweit kam es nicht … Bruchstückhaft erlebte er die Unruhen vor seiner Zelle, erwachte gerade rechtzeitig aus einer sporadischen Bewusstlosigkeit, als das laute Wiederhallen des Knalles einiger Blendgranaten von den Wänden des engen Raumes ihm sofort wieder seiner Orientierung beraubten … Das Quietschen der verrosteten Scharniere, ließen den weißen Nebel vergessen, holten den Sanitäter ins hier und jetzt zurück. Ein groß gewachsener, kräftiger Mann hatte seinen Käfig betreten. Ryan wollte sich bereits aufrichten, sich zur Gegenwehr vorbereiten, die eventuelle aufkommende Chance ergreifen, als er angesprochen wurde: „Lass das lieber bleiben, Arschloch. Ich bin hier um deine Wunde zu versorgen. Auch wenn ich dich liebend gerne hier und jetzt verbluten lassen würde …“ Mit einem Kopfnicken wies der Fremde ihn zusätzlich noch auf den zweiten Mann, der außerhalb des Käfigs geblieben war, hin, er hatte ein altes Repetiergewehr im Anschlag und schien sich zum Feuern bereit zu halten. „Das wird dein neuer Begleiter bleiben, auf Anordnung des Second.“ Somit schwanden wohl seine Chancen, widerwillig ließ er sich erneut auf dem Boden nieder. Seine Augen waren auf den Neuankömmling geheftet, als dieser neben ihm einige Utensilien aus einer Tasche holte und anfing die Wunde grob zu desinfizieren. Das diese Behandlung nur widerwillig und zum Missfallen des Fremden durchgeführt wurde, war zu offensichtlich. Die Konversation beschränkte sich ebenfalls auf kurze Anweisungen. Zügig war die frische Wunde versorgt. Die Naht war unsauber gesetzt worden und mit mehr Stichen als Ryan für nötig hielt durchgeführt. Entweder aus Rachsucht des Arztes oder auch mangelnder Erfahrung, es spielte keine Rolle und war auch schnell vergessen, als der Arzt ohne ein weiteres Wort aus dem Käfig verschwand. Seine neue Wache sprach ebenso wenig, schien aber deutlich entspannter, als das Schloss wieder einrastete, nahm erst dann die Waffe aus dem Anschlag und schulterte das Gewehr, ehe er sich auf den Weg machte in endlosen Kreisen um den Käfig herum zu patrouillieren. Wie es wohl Viktoria erging? Wurde sie gerade auch versorgt? Hätte er doch nur nicht darauf bestanden seine Mission fortzusetzen … Sie würden noch im Teppichgeschäft sein, in Sicherheit. Eng umschlungen könnte er sie nun im Arm halten … sie würden sich darauf begnügen nur für kleinere Plündertouren das Versteck zu verlassen. Ryans Augen schlossen sich, als er an seine Partnerin dachte, an Schlaf war nicht zu denken. Doch gaben ihm die geschlossenen Augen die Gelegenheit sich an diesen Ort am frühen Abend zurück zu versetzen, die gemeinsamen Stunden Revue passieren zu lassen. Was ihm nicht auffiel war, dass er das erste Mal seit Tagen alleine seine Augen schließen konnte, ohne von seinen eigenen Dämonen heimgesucht zu werden, ohne von den Schatten der Vergangenheit verschlungen zu werden. Die Geister blieben stumm. Auch Vik gab auf sich zu wehren, als man sie zu ihrem Käfig führte, wo ihr doch bewusst wurde, dass Ryan weg war und das vermutlich für immer. Sie ließ sich mehr mit ziehen, als dass sie selbst ging. Jeder Schritt quälte sie mehr, weckte den Wunsch, dass die Frau sie einfach sofort erstochen hätte. Irgendwann kamen sie wieder im Park an. Vik achtete schon lange nicht mehr auf ihre Umgebung und ließ sich einfach zu den „Käfigen“ bringen, wo sie unsanft hinein gestoßen wurde. Der Käfig war 3x3 Meter groß und aus dem Zaun, das vielleicht einmal ein Basketballfeld umgeben hatte, gebaut worden. Drähte und ein leises Summen verrieten Vik schon, dass der Zaun zusätzlich unter Strom gesetzt wurde. Kurz blieb sie einfach nur heulend am Boden liegen, zog ihren Schal über Mund und Nase, als könnte sie sich darin verkriechen, beschloss aber doch, sich zumindest um die neue Wunde am Bein zu kümmern, auch wenn ihr das in dieser Situation recht überflüssig erschien. Vorsichtig krempelte sie das Hosenbein hoch und begann den Verband abzuwickeln. Die neue Wunde sah übel aus. Der Pfeil hatte wohl direkt in ihr Gelenk getroffen. Dann wickelte Vik den Verband neu darum, dieses mal um einiges strammer, um die Blutung richtig abzudrücken und eventuell das Bein gleich etwas mit abzubinden. Auch hoffte sie damit, das Gelenk so ruhig stellen zu können, falls man sie wieder zum Laufen zwang. Danach zog sie ihr gesundes Bein näher heran und lehnte ihren Kopf dagegen, während sie es mit den Armen umschlang. So einsam hatte sie sich lange nicht mehr gefühlt. Wie es Ryan ging? Ob er noch lebte? So etwas durfte sie nicht denken. Dennoch, sie wünschte, sie hätte mehr Zeit mit ihm gehabt. Aber vielleicht war es besser so. Ob es einfacher wäre, wenn er sie nur so kurz kannte? Vielleicht war es doch besser er würde sie und den ganzen Tag vergessen. Zumindest sie würde das nicht können. Dafür war zu viel passiert. Sie hatte noch so viele Versprechen einzulösen, sollte ihm doch noch so viel zeigen, ihm Lieder vorspielen, von sich erzählen, sie wollte ihn noch verwöhnen. Irgendwie hatte sie es geahnt, als sie hinterher noch nackt bei ihm gelegen und sich vorschnell mit ganzen Namen vorgestellt hatte, weil sie Angst gehabt hatte, keine Gelegenheit mehr dazu zu bekommen. Noch immer weinte sie still und sehnte sich nach ihm, ihren zu Hause, nach etwas vertrauten. Etwas was sie von allem ablenkte. Viki neigte ihren Kopf, erhob die Arme, als ob sie ihre Violine wieder in den Händen hielt und fing an zu spielen, so wie sie es immer tat, wenn sie nicht mehr weiter wusste. Immer wenn sie traurig, einsam oder wütend war spielte sie ihre Violine. Diese Angewohnheit hatte sich auch nach dem Virus nicht geändert, auch wenn sie schon lange kein echtes Instrument mehr in den Händen hielt. Dennoch hallten die Klänge so lebhaft in ihren Kopf wieder. Dieses mal die Musik zu „Nothing Else Matters“. Das Spielen half ihr nicht. Die Hände zitterten und noch immer konnte sie an nichts anderes denken als an Ryan oder was man noch mit ihr tun würde. Wieder kauerte sie auf den kalten Boden zusammen. Hier alleine in der Dunkelheit zu sitzen machte alles nur noch schlimmer und langsam fror sie darüber hinaus noch. Hätte sie zumindest ihren Rucksack, da hatte sie noch eine dünne Decke drin, aber vermutlich würde sie den nie wieder sehen, selbst wenn sie hier raus käme. Damit wären dann auch ihre Fotos, Briefe und Andenken für immer verloren. Allein das ließ sie erneut leise Schluchzen. Ihren Personalausweis und Führerschein waren da drin und diese Sachen hätte sie noch gebraucht, wenn sie doch zur Militärstation wollte, auch wenn die bisherigen Gerüchte sie davor abgeschreckt hatten. Jetzt hatte sie wohl keine Möglichkeit da irgendwie reingelassen zu werden, nicht ohne Personalien. Zudem waren all die kleinen Andenken weg. Die Feenkette von Leon, die er ihr geschenkt hatte. Er hatte sie ihr umgelegt und dann hatten sie sich das erste Mal geküsst. Es war Vikis erster Kuss gewesen und nur selten, hatte sie die Kette seitdem abgenommen. Aber heute leider schon, als sie sich im Teppichgeschäft gewaschen hatte. Sie wusste selbst nicht, warum sie das getan hatte, aber nachdem sie die Kette betrachtet hatte, war sie in diese Tüte gewandert. Von ihrem Bruder Jay war ein kleiner, selbst gehäkelter Drache dabei gewesen, den er in der Schule für sie gemacht hatte. Er hatte sie immer getröstet, wenn sie sich mies gefühlt hatte. Von Elli hatte sie ihr kleines Bettelarmband, mit kleinen Musikinstrumenten und Tieren dran. Viki wollte nicht, dass es kaputt ging, daher trug sie es seit dem Virus nicht mehr. Zudem war auch Ellis Lieblings-Plektrum in knallrot mit schwarzen Sternen dabei. Elli hatte doch erst vor ein paar Jahren mit der E-Gitarre angefangen, aber damals war sie schon richtig gut gewesen. Von ihrer Mutter hatte sie eine kleine, leere Flasche Parfüm dabei, dass sie damals jeden Tag benutzt hatte. Von ihrem Vater hatte sie kein kleines Andenken. Er war ja noch am Leben gewesen, als sie die Tüte mit den Rest ihrer Sachen gepackt hatte. Zusammen hatten sie vor zur Militärbasis zu gehen, auch wenn Viki lieber bei Leon bleiben wollte, der da schon allein gewesen war. Leon ließ sich aber nicht überreden mit ihnen zu kommen. Die zwei Tage, nachdem ihre Mutter ebenfalls gestorben war und ihr Vater beschlossen hatte, dass sie bald gehen würden, kam Leon vorbei, brachte sogar noch Essen mit – woher er das auch immer hatte – und versuchte noch erfolglos auf ihren Vater einzureden. Aber Viki wollte auch unter allen Umständen bei ihrem Dad bleiben, daher hatte sie sich schon von Leon verabschiedet. Da konnte sie aber noch nicht wissen, dass in der gleichen Nacht, bevor sie mit ihren Dad aufbrechen wollte, Plünderer kamen. Ihr Vater versuchte sie noch zu vertreiben, wurde dabei aber selbst erschlagen und fiel leblos auf den Flurboden, wo er vermutlich immer noch liegt, dachte Viki bitter. Sie war panisch durch die Terrassentür geflüchtet und hatte sich, wie immer auf dem Dach der Stadtbibliothek mit Leon getroffen. Seitdem hatte sie nie wieder ihr eigenes Haus betreten und hatte es auch nicht mehr vor. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie Ryan ja mehr oder minder dort hin geschickt hatte. Hoffentlich erschrak er nicht, wenn er ihre Eltern fand. Ihre Mutter war wohl auch noch im Elternschlafzimmer im ersten Stock, direkt neben Vikis Zimmer, da ihr Vater sie erst kurz vor dem Aufbruch zum Militär beerdigen wollte. Er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht und schon bei Elli und Jay war es für sie alle traumatisch gewesen. Nun ruhten die beiden unter dem Baum im Garten, der durch die großen Glasfenster im Wohnzimmer zu sehen waren. Viki wollte gar nicht wissen wie es für Außenstehende sein musste in das Haus zu gehen. Vermutlich würden sie ebenso schamlos alles durchwühlen, wie sie es selbst es in anderen Häusern tat, und ihr Haus in Chaos und Zerstörung stützen. Immerhin wären für die Plünderer nicht alles im Haus interessant. Sie fragte sich eh, was von ihren Sachen noch vorhanden war. Im Wohnzimmer würde Ryan aber wohl trotzdem im Regal neben dem großen, schwarzen Klavier und im Vikis Zimmer Fotoalben finden können, falls er wirklich welche holen wollen würde, denn niemand wollte wirklich wissen, wen man die Sachen gerade stahl. Dennoch waren einige Fotos wohl verloren und zwar diese, die sie dabei gehabt hatte. Zum einen eines mit ihrer Familie im Radisson Freizeitpark, eines nach der Siegerehrung beim Turnwettbewerb, wo sie nur Zweite geworden war. Auf dem Foto hielten Jay und Elli zusammen den Pokal hoch, während ihre Eltern Vik schon fast tröstend im Arm hatten, dennoch sichtlich stolz auf ihre älteste Tochter waren. Ein Foto zeigte Viki mit ihren drei Freundinnen, wie sie im Streichquartett auf einer Hochzeit spielten. Ein weiteres Bild zeigte Viki und Leon auf dem Schulabschluss in Abendgarderobe, wobei Viki ein langes, rotes, Schulter-freies Kleid trug und ihre damals langen Haare hoch gesteckt hatte. Ein weiteres Bild war zu sehen, wo sie mit ihren Freundinnen shoppen war und eines wo sie mit Freunden abends Videospiele spielten und Pizza aßen. Dann waren noch einige Bilder, die Elli und Jay aus Spaß gemacht hatten. Diese waren merklich aus einem niedrigeren Blickwinkel aufgenommen und zeigten ihren Vater beim Krimi lesen im Kaminzimmer, ihre Mutter beim Kochen, wobei Elli noch einige Möhren stahl, Viki wie sie ziemlich genervt mit Jogginghose und schlabber T-Shirt am Klavier übte und dann noch eines, wie Jay wieder den Wecker aus Vikis Zimmer stahl. Der Wecker war ein Kuscheldino mit einer Uhr im Bauch und eines der letzten Überbleibsel ihres Dinosaurierwahns, denn sie mit dem Alter von 5 Jahren verfallen war. Jay und Elli hatten sich immer wieder einen Spaß daraus gemacht den zu klauen. Dabei hatten sie Vikis Zimmer mit der üblichen Unordnung erwischt: Saubere und dreckige Wäsche lagen zusammen mit Schulheften und Notenblättern am Boden. Neben dem Bett lehnte ihr Geigenkasten an ihrem ziemlich großen CD-Schrank mit Glastüren. Über den Bett waren noch Regalbretter angebracht, auf denen ein paar Pokale vom Sport sowie auch Fotos von Vorspielen mit der Violine standen. Ihr Schreibtisch war fast unbenutzbar, so wie sich dort noch Geschirr, Bücher und sonstiger Krempel stapelte. Immerhin war ihr kleiner, kaum benutzter Schminktisch nicht zu sehen, auf dem es ähnlich chaotisch ausgesehen hatte. Aber auch ihre prächtige Musikanlage war nicht zu sehen, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. So chaotisch das Zimmer auch immer gewesen war, wenn sich Besuch androhte, war es das sauberste Zimmer im ganzen Haus gewesen. Auch als sie beschlossen hatten ihr Zuhause zu verlassen, hatte Viki es noch einmal aufgeräumt. Das letzte Bild, war ihr auch sehr wichtig gewesen, da es Viki und Leon im Zoo zeigte, wie er sie innig im Arm hielt. All die Bilder aus einem normalen, einen glücklichen Leben, lagen nun wahrscheinlich irgendwo im Dreck zwischen Müll zusammen mit dem Abschiedsbrief von Leon. Sie hatte ihn erst gefunden, als sein Körper schon kalt war, nachdem ein Mann sein Messer in Leons Lunge gestochen hatte. Leon hatte den Brief scheinbar für so einen Fall schon im voraus geschrieben und Viki war froh, dass er das getan hatte. Lang war der Brief nicht gewesen. Es waren einige Zeilen, wie sehr er die Zeit mit ihr genossen hatte, dass sie stark sein sollte und es auch alleine schaffen wird. Viki sollte aufpassen, wem sie vertraute, aber jemanden suchen, dem sie sich anschließen konnte. Leon war nie ein Fan des Militärs gewesen, daher folgten einige Warnungen, dass sie nicht zur Militärstation gehen sollte und auch keinen Soldaten trauen durfte. Bei dem Gedanken schlich sich ihr ein bitteres Lächeln auf die Lippen, da sie sich doch ausgerechnet einen Sanitäter ausgesucht hatte, dem sie bedingungslos vertrauen wollte. Aber Leon würde das verstehen, da war sie sich sicher. Bestimmt hätte er Ryan dennoch nicht gemocht, aber er hätte eingesehen, dass er ein guter Mensch war. Auch der Abschiedsbrief ihrer Mutter war weg. Sie hatte ihn geschrieben, als sie schon infiziert gewesen war. Viki durfte nicht mehr zu ihr, da ihre Eltern fürchteten, dass auch sie sich anstecken könnte, als ihre Mutter, wie ihre bereits toten Geschwister, schon die roten Punkte auf den Armen bekommen hatte. Ihre Mutter hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen, das auch ein eigenes Bad besaß. Daher hatte Viki keine Möglichkeit mehr sie zu sehen. Ihr Vater hatte ihre Mum lange versorgt und vermutlich irgendwann ans Bett fesseln müssen, als auch sie anfing zu schreien und zu toben. Die Zeit war einfach schrecklich gewesen und mit ihrem Dad hatte sie nicht mehr viel geredet, dafür fast pausenlos auf ihrer Violine, manchmal sogar am Klavier gespielt, wenn sie nicht gerade aus dem Haus schlich, um sich mit Leon auf dem Dach der Bibliothek zu treffen. Alles war so belastend und Viki war sauer, weil sie nicht mehr zu Mum durfte. Immerhin gab ihr ihr Dad einen Brief, als es plötzlich im Haus still wurde, doch Viki fragte nicht was passiert war, immerhin hatte sie Angst davor, dass er ihr gestand, ihre Mutter erlöst zu haben. Ihr Dad hatte ihrer Mutter versprochen den Brief Viki erst zu geben, wenn sie tot war. Darin standen vier Seiten lang, wie sehr sie Mum geliebt hatte, dass sie für ihren Dad nun da sein musste und ihn keinen Vorwurf machen sollte. Sie hatte versucht sie zu beruhigen, dass alles wieder gut werden würde, sie ein neues Leben mit ihren Dad anfangen sollte, sobald die Seuche vorüber war und dass sie stolz auf ihr Mädchen gewesen ist. Viki würde irgendwann eine gute Mutter abgeben, sie sollte nie ihre Träume aufgeben und auch immer vorsichtig sein. Ihre Mum gab ihr noch viele Tipps fürs Leben, schrieb sich alles von der Seele und beichtete noch einige lustige und peinliche Sachen aus ihrer Jugend. Viki hatte dieser Brief alles bedeutet, ihn verloren zu haben schmerzte besonders. Noch immer kämpfte Vik mit den Tränen und ihrer Angst. Ihr Schal war dabei halb übers Gesicht gezogen, spendete ihr zumindest ein wenig Geborgenheit, während sie nun sogar anfing vor und zurück zu wippen. Das stoppte jedoch sofort, als Schritte die Stille durchbrachen. Ängstlich robbte Vik weiter von der Tür weg, auch wenn das nicht viel bringen würde. Anscheinend war die Ruhe vorbei, was auch immer sie nun von ihr wollten, sie würde es wohl bald erfahren. Verzweifelt starrte sie auf die schwarze Gestalt am Tor, die gerade aufschloss. „Bitte, was habt … wie geht es Ryan? W-was habt ihr mit dem Mann gemacht?“, fragte sie als erstes, während sie ihren Schal etwas herunter zog. Das schien ihr gerade die wichtigste Frage zu sein, doch es kam keine Antwort, als sich die Gitter öffneten. „Bitte … was ist mit ihm? Was habt ihr mit uns vor?“, versuchte sie abermals rauszukriegen, aber schweigend kam der Mann auf sie zu. „Bleib stehen! Bitte! Komm nicht näher!“, flehte sie nun doch leicht panisch und hob abwehrend die Hände vor sich. „Du bist echt erbärmlich. Ich hätte nie gedacht, dass du mal unsere Leute killst“, sagte ihr eine tiefe Stimme und warf ihr eine kleine Flasche Wasser sowie eine kleine Schale Cornflakes vor die Füße, dessen Inhalt sich darauf hin auf den Boden verteilte. Vik zuckte dabei vom Krach nur zusammen, starrte dann auf die Nahrung und das Wolfsfell, was der Mann dazu legte. „Ihr habt uns zuerst gejagt“, verteidigte sie sich wieder und sah nun doch etwas genauer zu ihm auf. In dem schlechten Licht meinte sie doch sein Gesicht zu erkennen und war sich dann sicher ihn schon mal getroffen zu haben, auch wenn sie den Namen nicht mehr wusste. „Ihr seid in unser Gebiet eingedrungen und das obwohl wir dich schon mal gewarnt haben, Viktor“, schnaubte er verächtlich. „Immerhin lässt du die dumme Maskerade endlich weg“, fügte er noch hinzu. Vik biss sich leicht auf die Unterlippe. Marko hatte also vermutlich auch gewusst, dass sie eine Frau war. Gut, so schwer war das auch nicht gewesen, Ryan hatte es auch sofort gewusst. „Ich … ich kenn‘ dich. Wir haben schon gehandelt, oder? Du bist ein Freund von dem Bastard, nicht? Von Marko mein ich. Warum … Warum bringst du mir das Zeug? Was habt ihr mit mir vor?“, fragte Viki unsicher, aber auch wenn sie ihn noch kannte war sie angespannt und noch immer verwundert über die Verpflegung. „Ich war ein Freund. Wegen dir haben sie ihn infiziert“, sagte er nur giftig und ging bereits wieder hinaus, um die Tür zu schließen. „Warte! Warum? Wie? Was passiert mit mir?“, fragte sie, doch der Mann schloss bereits die Türen wieder ab. „Bitte, wir sind doch gut miteinander ausgekommen! Ich hab dir diese Jacke gebracht! Bitte! Sag doch was! Warte! Was ist mit den Essen? Was passiert mit mir? Wie geht es Ryan?! Warte gefälligst! Bitte!“, flehte sie nun, als einfach ohne ein weitere Wort zu sagen ging. Wieder blieb sie allein im Käfig zurück und starte auf ihr Essen und die Wasserflasche. Gegessen hatte sie genug, daher wollte sie das Risiko nicht eingehen, das Zeug der Wölfe zu essen, aber sie musste sich eingestehen, dass sie langsam Durst bekam. Doch gerade Wasser war gefährlich, da es leichter zu verseuchen war. Hatten sie auch so Marko infiziert? Warum hatte sie das getan? Hatten Ryan und sie doch noch eine Chance hier heil raus zu kommen oder hatte es einen ganz anderen Grund, warum sie ihn so töteten? Also hatte Marko doch gewusst das sie kein Mann war. Das würde auch erklären, warum er ihr so oft einen besseren Preis machte und immer wieder fragte, ob sie ihn vielleicht begleiten wolle. Vik hatte einfach gedacht, dass er alleine nicht zurecht kam und sie ihn deswegen praktischer Weise mit versorgen sollte. Er war ihr unheimlich und unsympathisch, doch als sie aus dem Industriegebiet kam und noch immer schwer verletzt war, hatte er mit ihr gehandelt, woraus sich erst regelmäßige Tauschtage entwickelt hatten. Zigaretten, Deo, Sprühfarbe und Klebstoff konnte sie gut los werden, schien er doch gerade an Zigaretten und alles was den Verstand vernebelte interessiert zu sein. Vermutlich war er deswegen so seltsam oder aber er tauschte das Zeug selbst weiter. Zudem hatte Viki durch ihn den Tipp bekommen, mit wem sie ihr ganzes, damaliges, kleines Not-Lager gegen die Dolche eintauschen konnte. Einerseits war sie Marko dafür dankbar gewesen und hatte sich hin und wieder ein paar Minuten mit ihm über die neusten Gerüchte unterhalten, aber dennoch hatte sie ihm nie voll vertrauen können. Besonders als er erzählte, dass er plötzlich zu den Wölfen gehörte, war Vik weiter auf Abstand gegangen. Mit Gangs wollte sie erst recht nichts zu tun haben, nachdem was die Laughing Demons ihr angetan hatten. Dennoch war sie einige Male zu den Wölfen gegangen, um Zigaretten und Alkohol einzutauschen. Manchmal nahm sie sogar kleine Suchaufträge auf, wenn sie dafür gute Sachen wiederbekam. Die Wölfe waren ihr bisher noch human und harmlos vorgekommen, auch wenn sie Vik einmal aus dem Gebiet gescheucht hatten. Eine kleine Narbe am tiefen Rücken hatte sie davon noch zurück behalten, als einer der Kerle sie mit dem Kantholz und den Nägeln getroffen hatte. Aber von deren Viechern hatte sie dennoch nichts gewusst. Dabei ging ihr Blick zu den Wolfsfell, dass der Mann ihr gebracht hatte. Zugegeben, langsam wurde es doch ziemlich kalt, immerhin war es schon Mitte September. Der Wind pfiff durch ihren Käfig und die Temperaturen waren auch deutlich gefallen. Wenn sie sich nun auch noch eine Erkältung einfing, dann würden die Wölfe sie sofort hinrichten. Selbst wenn noch eine kleine Chance bestand hier raus zu kommen, dann wäre sie damit verspielt. Aber irgendeinen Grund musste es ja haben, dass sie selbst Marko schon mehr oder minder getötet hatten. Glaubte man ihnen vielleicht doch? Die Frau schien zumindest etwas beherrschter als der Wolfs-Fetischist. Vermutlich würde man sie aber bis zum Morgen im unklaren lassen, ansonsten hätte man ihr die Sachen nicht gebracht. Zögerlich griff ihre zitternde Hand nach dem Fell und legte ihn sich um die Schultern. Es war wirklich besser, aber trotzdem würde sie nichts von dem Essen oder Wasser anrühren. Lieber würde sie verdursten, bevor sie das Risiko einging sich doch zu infizieren. Kauernd hockte Viki weiter am Boden und versuchte erfolglos nicht daran zu denken, was morgen mit ihr passieren könnte. Ob sie Ryan die Sachen auch gebracht hatten? Wie es ihm wohl nun ging? Hoffentlich würden sie ihn wenigstens gehen lassen. Wenn sie die Chance bekam, dann würde sie alles auf sich nehmen, damit wenigstens Ryan raus kam und draußen noch nach seinen Kameraden suchen konnte. Auf sie wartete ansonsten niemand mehr und solange er weg kam, war ihr alles egal, auch wenn sie wahnsinnige Angst davor hatte, mehr erleiden zu müssen. Mit dem Fell um den Körper konnte man es besser aushalten. Dennoch sehnte sie sich zum Teppichgeschäft mit Ryan zurück. Allein um nun bei ihm zu sein, hätte sie fast alles getan. Mit einer Hand rieb sie sich über die erschöpften Augen, aber an Schlaf war in dieser Situation gar nicht zu denken. Als Vik wieder hoch sah, erblickte sie plötzlich die Frau, mit der sie gekämpft hatte. Stark zuckte sie bei dem unerwarteten Schock zusammen. Viki hatte nicht damit gerechnet, dass überhaupt noch jemand kam, geschweige denn, dass sie schon vor ihr war und sah nun leicht ängstlich zu ihr auf. Dass es dieses mal die Frau war beruhigte sie etwas, nicht dass Vik sie weniger gefährlich einschätzte, aber bei Männern war es halt doch etwas anders. „Bitte, was ist mit …?“, fragte sie sofort wieder, wurde aber abrupt unterbrochen. „Wieso habt ihr die Flaschen gestohlen, anstelle danach zu fragen? Außerdem, wer von euch hat unsere Mitglieder umgebracht?“, fragte die Frau und klang forsch, aber sanfter, als bei Ryan, während sie Vik ebenfalls genau musterte. Vik zögerte zu antworten, wusste sie doch nicht was sie sagen sollte, da sie fürchtete etwas Falsches sagen zu können. Nervös spielte sie am Ende ihres Schals ‘rum, sah immer wieder kurz zu der Anführerin hoch, hielt aber den Blick nicht lange stand. „Zuerst wusste ich nicht, dass ihr nun auch im Westen seid“, gab sie leise zu. „und … und wegen dem letzten Mal hatte ich Angst, dass ihr es verweigert. Eine dreier Gruppe hatte mich ‘rausgejagt, sagten ich hätte sie betrogen, aber ich hab nicht gesehen, dass die Zigarettenpackungen zu schimmeln anfing! Ich schwör‘ es!“, sagte sie hastig mit Nachdruck, sprach aber auch sofort weiter: „Aber sie haben mich am Rücken erwischt mit einer Nagelkeule. Ich wusste, dass es bei manchen Ärger geben könnte, wenn mich die Falschen sehen, aber ich hatte Hoffnung, dass sie sich auch beruhigt haben könnten. Wollte ihnen nächstes Mal einen besseren Preis machen. Aber nun brauchten wir doch nur Wasser. Ich wollte doch nur kurz zum Brunnen und zurück. Ich brauchte nur zwei Minuten, vielleicht weniger und … und dann wäre ich wieder weg gewesen, aber Marko tauchte auf und er hatte den Blonden dabei, der deutete auf mein Knie, sah nur den Verband und dann … dann sah Marko mich so komisch an … aa-anders als sonst … u-und ich hab Panik bekommen! Ich sagte noch, dass ich … ich bei dem Gewitter hingefallen bin … Ich hatte Schutt im Knie, hatte Splitter eingefangen, die Ryan ‘rausgeholt hat und … ich versuchte noch ihnen Zigaretten für das Wasser anzudrehen … aber er kam auf mich zu, mit diesen komischen Blick … sie sind dann einfach auf mich los … und ich bin nur noch gerannt, weg von Marko, einfach nur über die Mauer und weg!“, immer schneller plapperte sie durch die Nervosität, kämpfte dabei schon mit den Tränen. „Aber … aber die Tiere … sie holten uns in der Gasse ein! Der Wolf … er sprang Ryan an und … ich …ich wusste nicht … er hat immer wieder zugeschnappt … so knapp vor seinen Gesicht …wollte ihn … er wollte ihn … ich sah nur die Waffe und hab abgedrückt … ich konnte doch nicht zulassen …“, stotterte sie nun schon unter einzelnen Tränen, während ihre Stimme wieder panisch höher rutschte und kämpfte sichtlich um ihre Beherrschung. Nach einen weiteren Schluchzen wischte sie die Tränen weg und versuchte mit zitternder Stimme weiter zu erzählen. „Der Wolf brach sofort tot über ihn zusammen. Wir rannten weiter so gut es noch ging. Ryan hatte schon geprellte Rippen, mein Knie hat sich noch eine Entzündung eingefangen und schon am Morgen mussten wir kämpfen und fliehen. Ich kam nicht mehr gut voran und dann tauchte der Kerl mit dem zweiten Tier auf … und … und uns blieb keine Wahl! Wir wollten doch nur weg … ich dachte die Hotels wären sicher. Es gab dort so viele Möglichkeiten und so viele andere Personen dort, die euch abschrecken. Ich wusste nicht, dass ihr uns bis dahin folgen würdet! Wir saßen noch keine zehn Minuten, da hörten wir sie schon im Flur und wie sie die Zimmer durchsuchten. Ich bin zum Fenster, sah den schmalen Sims und hab Ryan angefleht dass er über die Feuerleiter flieht … aber …aber er wollte nicht … er wollte mich nicht zurück lassen … einer war schon an der Tür, versuchte sie einzutreten, nahm das Handbeil und …Sie wollten uns umbringen! Ich hab alles versucht, wollte unbedingt das er geht, aber nur wegen mir ist er nicht weg ,… er wusste, dass ich sonst sterben würde … ich konnte keinen Schritt weiter gehen, für Schmerzmittel war es zu spät, zur Feuerleiter hätte ich es nicht geschafft … wir hatte keine Wahl … wegen mir … allein wegen mir … es … es ist alles meine Schuld. Ich hätte ihn niemals zum Park bringen dürfen! Ich hätte ihn nicht zu den Hotels führen dürfen … alles war meine Schuld … ich hätte es wissen müssen … ich hätte ihn warnen sollen …“, wieder brachen die Tränen aus ihr heraus und kurz versteckte sie ihr Gesicht in den Händen. „Bitte lasst ihn gehen … ohne mich wäre es nie so weit gekommen … er hat noch Freunde nach denen er sucht … ich hab niemanden mehr … bitte … ich … ich bin an allem Schuld … nur weil ich mit der Verletzung … ich hätte es besser wissen müssen … er kann doch nichts dafür … er kennt sich hier nicht aus …es war allein meine Idee …“, bettelte sie nun wieder verzweifelt unter Tränen, während sie der Frau flehend in die Augen sah. Doch die Frau reagierte nicht. Sie stand nur da und sah auf sie herab. Was sollte Vik denn noch sagen, damit wenigstens Ryan gehen konnte? „Rogen!“, bellte sie plötzlich. Vik zuckte stark zusammen, als die Anführerin plötzlich die Stimme erhob. Zuerst überlegte, sie ob sie jetzt gemeint war, da stolperte schon ein Mann auf sie zu, der in der Nähe gewartet hatte. Wieder kauerte sich Vik schweigend mehr zusammen. Sie wagte es nicht irgendwas zu sagen, da sie damit rechnete schon ein Urteil zu hören. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während ihr ganzer Körper leicht zitterte und ihre Hände weiter am Schal spielten. „Hohl den Arzt, er soll sich um ihre Wundern kümmern und sie versorgen. Beweg‘ dich oder soll ich dir Beine machen du Nichtsnutz!“, befahl sie ihm. Knurrend stand sie auf. Vik war sichtlich irritiert. Sie zog die Augenbrauen zusammen und sah sie fragend an, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Natürlich würde sie sich darüber nicht beschweren. „Viktoria, wenn ich mich recht erinnere. Vorerst werden sowohl du, wie auch dein lieber Freund, in den Käfigen bleiben, das passiert mit euch. Zwar seid ihr nicht vollkommen schuldig, doch ohne weiteres kann ich euch nach all den Morden auch nicht ziehen lassen.“, knurrte sie leise zu ihr und ging dann ohne eine Reaktion abzuwarten davon. Viki nickte nur bestätigend, als die Anführerin sie mit Namen ansprach, bevor sie sie hörte, dass man sie nicht gehen lassen wollte. Schlagartig war sie bleich, starrte sie nur einen Moment an, bevor sie erneut anfing zu flehen: „Bitte nicht! Wir wollten nur Wasser! Wir wollten doch nur leben! Bitte lasst ihn gehen, er hat nichts damit zu tun! Ich war es! Ich hab sie ermordet! Bitte, lasst ihn einfach gehen! Bestraft mich, aber nicht ihn! Bitte … ich flehe sie an … bitte …“, doch die Frau blieb nicht mehr stehen und vermutlich hörte sie nicht mal ihren Worten zu. Wieder gab sie sich ihren Weinkrampf hin, auch wenn ihr mittlerweile die Augen brannten. Immer wieder kreisten die selben Gedanken in ihrem Kopf: Ryan würde sterben, nur weil sie ihm am Morgen versichert hatte, dass die Gegend um dem Park sicher war und ohne sie wäre er direkt zur Uni durch gelaufen. Diese Gedanken konnte sie einfach nicht ertragen. Es dauerte wieder eine Weile, bis sie sich halbwegs beruhigt hatte. Viki wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, bevor erneut Schritte sich näherten. Die Person trug einen Koffer mit sich und Vik vermutete, dass es sich dabei um den Arzt handeln müsse. Sie sprach nicht mit ihm, da er wie alle anderen ihr eh nicht zuhören und er ihr nichts verraten würde. Dennoch verkrampfte sie sich stark als er ihr näher kam und versuchte nicht panisch los zu schreien oder ihn weg zu treten. Immerhin sollte sie hier versorgt werden und wenn sie ihn verärgerte, dann würde sie vielleicht doch verbluten. Seine Behandlung tat weh, aber auch darüber beschwerte sie sich nicht, half ihr der Schmerz doch dabei nicht durchzudrehen. Dennoch meinte sie zu sehen, dass er sich nicht die größte Mühe gab, sondern selbst wieder schnell weg wollte. Als er ihr den alten Verband wieder umlegte, vermutlich um selbst Material zu sparen, murmelte Viki noch ein leises „Danke“, worauf er ebenfalls nicht reagierte. Schweigend ging ihr Arzt und sah auch nicht mehr zu ihr zurück. Wieder saß Vik mit sich und ihren Gedanken allein in ihrem Käfig. Kapitel 16: Besuch ------------------ Die ganze Nacht hatte Viktoria kein Auge zu getan. Die Sorgen und Ängste hätten es selbst dann nicht zugelassen, wenn sie es wirklich gewollt hätte. Immer wieder spielten sich verschiedenste Horrorszenarien in ihrem Kopf ab, einer schrecklicher als die andere und dennoch hoffte Viki, dass sie Ryan frei lassen würden und sich begnügten die Wut an ihr abzulassen. Ihr war klar das sie es nicht überstehen würde, weder körperlich noch mental, aber ihn dafür in Sicherheit zu wissen würde ihr zumindest ein wenig Trost geben. Eine Stimme riss sie aus den trüben Gedanken, sorgte dafür, dass ein kalter Schauer über ihren Rücken jagte, als sie diese erkannte. „Rogen!“, bellte Cerberus Viktorias Wache an, „Geh ein paar Schritte.“ Die Stimme des Wolfsbastards, der ihr gestern Abend den Pfeil ins Knie geschossen hatte. Warum wollte er mit ihr alleine sein? Schon das konnte kein gutes Zeichen sein. Sofort war sie hellwach, kroch schon bevor er den Käfig überhaupt erreichte etwas zurück. Cerberus schloss die Tür auf und trat ein. Als sein Wolf auf Viktoria zu kam erstarrte sie ganz, wagte es nicht sich zu bewegen, während das Monster an ihr schnüffelte. Als er scheinbar still zu knurren schien, konnte Vik nur die Reizzähne mit den Augen fixieren und meinte sich vorstellen zu können, wie sich diese in ihre Kehle schlugen. Aber der Wolf ging einfach zurück, während der Mann weiter gedankenverloren auf sie nieder sah. Einen Moment starrte sie ihn an. Seit gestern hatte er nun an seinem Kinn ein Hämatom und auch die Lippe war leicht aufgesprungen. Noch dazu besaß er Kratzspuren am Hals. Was das zu bedeuten hatte, wollte Vik lieber nicht wissen ... Auch so hatte Viki zu viel Angst davor sich zu bewegen oder irgendwas zu sagen. Was sollte das Ganze? Warum hatte der Wolf an ihr gerochen? Warum stand der Psycho einfach nur da und starrte sie an? Was wollte er von ihr? Was würde nun mit ihr passieren? Ob er sich nun überlegte, wie er sie als nächstes quälen könnte? Ihre Nervosität wuchs zusammen mit einem leichten Zittern und sie traute sich nicht ihm in die Augen zu sehen, starrte ihrerseits stur auf den Boden als versuchte sie krampfhaft nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dennoch war er allein wegen ihr hier und verstecken konnte sie sich erst recht nicht. Würde er das Urteil verkünden? Würde er es gar nun gleich vollstrecken? Was war mit Ryan? Ob die Frau auf ihr Flehen gehört hätte? Ob sie es überhaupt erfahren würde? Sie würde nicht nachfragen, nicht bei dem Typen. Noch immer tat sie so, als wäre sie gar nicht da, aber der Wolf stubste sein Herrchen an, dieser schüttelte den Kopf und kam nun mit ausgestreckten Armen auf sie zu. „Miststück!“, sagte er freundlich, fast als wäre es ein Kosename wie Schatz oder Mausi, „Du bist wach! Na das passt doch super. Ich hab extra Frühstück gemacht. Wollte dir ja den Kaffee ans Bett bringen, aber ohne Bett macht sich das halt immer so schlecht.“ Er ging weiter auf sie zu, sein Wolf hinter ihm maß die komplette Breite des Käfigs aus. Vik konnte nicht anders als nun auf zuspringen und einige Schritte von ihm zurück zu weichen. Die gespielt Freundlichkeit ließ ihre Panik nur noch weiter steigen. Ihr Blick ging hinter dem Bastard vorbei zur offenen Tür, sah aber gleichzeitig den stummen Wolf hinter ihm. Sie konnte hier nicht weg und noch immer kam er auf sie zu! Weiter stolperte sie zurück, bis sie das leise Knistern des Elektrozauns hinter sich hörte. Kurz sah sie über die Schulter, sah dass sie kaum weiter zurück konnte und starrte dann wieder auf den Mann, der so knapp vor ihr stehen blieb, dass die Nähe ihr die Luft zu rauben schien. Wollte… wollte er sie nun doch …? Hatte er den anderen deswegen weg geschickt? Wieder gingen die Nerven mit ihr durch, als sie anfing zu erstarren und zu hyperventilieren. Viki versuchte den Drang zu unterdrückten sich mit ihren zitternden Händen weiter zu bedecken, sich an das bisschen Stoff zu klammern, was ihr noch Schutz versprach, um ihn nicht auf falsche Gedanken zu bringen. Besonders als sein Gesicht so knapp vor ihr war und er ihr mit seinen kalten Augen in ihre starrte, musste sie einfach ein paar weitere, wenige Zentimeter vor ihm zurück weichen, wohl bewusst, das nicht mehr viel fehlte, bis sie den Zaun berührte. Cerberus kam ihr nach und auch sein Atem wehte ihr ins Gesicht, als er seine Frage stellte: „Beantworte mir eine Frage, Miststück: Glaubst du, es gibt einen Gott?“ Seine Worte hallten noch in ihrem Kopf, doch brauchte sie einen Moment, um den Inhalt zu begreifen, konnte aber dennoch nicht antworten. Vik hatte nicht mal mehr eine Antwort auf so eine Frage, war sie doch nie sonderlich religiös gewesen, auch wenn Weihnachten bei ihnen immer gefeiert wurde. Seit dem Virus hatte sich eh alles geändert. Jetzt konnte sie aber nur noch an eines denken: Dass er sie nicht anfassen sollte! Egal was passierte, er durfte sie einfach nicht anfassen, durfte ihr das nicht antun! Nicht jetzt! Nicht heute! Wo sie doch eben erst mit Ryan alle Ängste und Leiden überwunden hatte. Aber sie sah es in seinen Augen, sah wie er es genoss sie so in die Enge zu treiben und das er vermutlich genau deswegen hier war, nur um sie weiter zu quälen. Sie wollte schreien, ihn weg schubsen, sich Platz verschaffen, ihn anbrüllen und drohen, aber man hatte es ihr schon einmal schmerzvoll ein geprügelt und immer wieder neu in die frische Wunde zwischen ihren Brüsten geritzt: Wenn sie still war, wenn sie sich nicht wehrte, dann würde alles bald vorbei sein und sie würde noch relativ unbeschadet davon kommen. Wieder spürte sie die Schläge und die Schmerzen auf ihrem Brustbein, als wäre es erst gestern gewesen, als die drei Demons sie wie Spielzeug benutzt und zurückgelassen hatten. Aber das hier … das war anders … der Wolfsbastard würde sie nicht davon kommen lassen … Er sah ihr kalt in die Augen, atmete noch einmal tief durch und begann erneut zu sprechen: „Ich fürchte beinahe, dass unsere gemeinsame Zeit in nicht allzu ferner Zukunft ihr Ende findet – was wirklich ärgerlich wäre. Solltest du also tatsächlich in einem Stück hier raus marschieren, sage ich dir: Fang an zu beten. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde. Bete, dass wir uns nicht wieder begegnen, denn wenn ich dich das nächste Mal treffe, werde ich dich töten. Aber vorher werde ich dir alles nehmen, was du noch hast. Mit deinem Freund fang‘ ich an, dein Körper wird das nächste sein, was ich mir hole. Du wirst Schmerzen erfahren von denen du nicht einmal geahnt hast. Ich werde dir jede gute Erinnerung nehmen, bis nur noch die schlechten übrig bleiben und dich in die vollkommene Dunkelheit ziehen. Deine Seele werde ich erst zerstören und sie dir dann nehmen. Du wirst mich anbetteln, dass ich dich töte. Wirst in deiner eigenen Pisse und in deinem eigenen Blut flehen, dass ich dir diese Erlösung schenke und ich werde sie dir – gnädig wie ich bin – gewähren.“ Das Lächeln auf seinen Lippen lud sie direkt in die Hölle ein, doch entging ihr nicht, dass scheinbar ihr Urteil von der Anführerin noch nicht gefällt wurde. Es würde Cerberus aber nicht aufhalten, der in seinen Taschen wühlte. Vik erwartete schon Kabelbinder oder ähnliches zu sehen, wimmerte nun doch leise, während verzweifelt Tränen über ihre Wange rannen: „Bitte nicht … bitte … ich kann nicht … d-d-das … fass … fass mich nicht an … bitte … ich … ich …“ Alles was er herauszog waren alte Gummihandschuhe, die er sich überzog. Es verwirrte sie nur noch mehr, aber das leise Surren hinter ihr ließ sie schon erahnen was er vor hatte. Die Panik beherrschte ihre Gedanken, umklammerte sie so stark, dass sie keine Luft mehr zu bekommen schien. Aber Schmerz war okay, mit Schmerz konnte sie umgehen, aber nicht mit der Drohung die noch immer im Kopf herum schwirrte und erst langsam begriff sie was es bedeutete: Er … er wollte Ryan … er wollte ihn … er würde sie jagen, würde sie quälen, sie foltern bis sie am Ende war und nichts von ihr übrig blieb. Auch wenn ihr die Tränen bereits die Sicht nahmen starrte sie ihn weiter an, doch langsam wurde ihr schwindelig und schwarz vor Augen. Bald würde sie zusammen sacken, das merkte sie jetzt bereits. Und doch versuchte sie nicht durchzudrehen, sich zu beruhigen. Ryan würde sich verteidigen! Ryan würde überleben! Er musste einfach weg kommen und dann würde er den Bastard selbst zur Hölle jagen! Der Gedanke half. Zumindest solange bis sie seine Hand auf ihren Bauch spürte. Dann wanderten Zeige- und Mittelfinger ihren Körper hinauf und danach legte sich seine flache Hand auf ihren Körper, zwischen ihren Brüsten. Wieder wich sie einen Zentimeter zurück und konnte nicht anders als ihn anzuflehen, auch wenn sie wusste, das es nichts bringen würde: „Nein! Fass mich nicht an! Lass mich los! Bitte … ich … ich kann das nicht! Ich will das nicht … Bitte nicht! Oh Gott, … bitte … bitte … nicht … ich kann nicht nochmal … bitte … lass mich los …“ Noch immer flehend sah sie ihn mit verheulten Augen an, erwartete dabei schon, wie er sie nun entweder gegen den Zaun drückte oder ihr doch die Klamotten vom Leib riss. Oh Gott, vielleicht würde er erst das eine und dann das andere an tun! Hilflos stand sie da, spürte seine Hand zwischen ihren abgebundenen Brüsten und hoffte, dass er es nicht bemerkte, nicht neugierig wurde und ihr nun doch das Hemd zerriss. „Ich … ich bin ein Nichts … du bist … ich schenk‘ dir … demütig …“, stammelte sie leise unter Schluchzen das Mantra, dass ihr Foras gelehrt hatte, als ihre Gedanken nun völlig panisch wurden. Doch bevor sie erneut versuchen konnte ihn ganz über die Lippen zu kriegen, spürte sie nur noch einen Stoß. Mit den Rücken prallte sie gegen den Elektrozaun und das schrille, schmerzvolle Kreischen, was ihrer Kehle entwich, hörte sich selbst in ihren Ohren fremd an, verebbte aber, als sie keine Luft mehr bekam und sich ihre Zähne krampfend aufeinander trieben. Alle Muskeln zogen sich qualvoll zusammen. Das Brennen auf dem Rücken nahm all ihre Gedanken ein. Sie roch ihr eigenes verbranntes Fleisch und alles was sie fühlte, alles was ihre Welt gerade ausmachte war dieser Schmerz im gesamten Körper. Er hörte nicht auf! Es tat so weh und es hörte einfach nicht auf! Die Zeit schien einfach still zu stehen! Noch immer bekam sie keine Luft und sie konnte nichts dagegen machen. Ihr Herz raste, schien unnatürlich schnell in ihrer Brust zu zucken. Das Gefühl der Panik stieg hoch, als alles um sie herum langsam im schwarzen Schleier verschwand. Kurz war sie davor sich einfach in die süße, schmerzfreie Dunkelheit fallen zu lassen, da wurde sie schon von daraus gerissen. Ihr Körper knallte bewegungslos auf dem Boden auf und Vik blieb auf ihren Bauch liegen. Endlich konnte sie wieder hastig nach Luft ringen, doch alle anderen Muskeln verweigerten ihren Dienst. Ihr Herz überschlug sich förmlich, setzte kurzzeitig aus, schmerzte dabei höllisch, doch Vik schaffte es nicht, ihre Hand bis zur Brust zu bewegen. Wie gelähmt lag sie da, vergaß bei ihren stillen Qualen ihren Peiniger, der noch neben ihr stand. Ihr Rücken brannte vor Schmerz und es war kaum auszuhalten. Als Vik wieder das verbrannte Fleisch roch und ihr bewusst wurde, dass es von ihrem Rücken kam, wurde ihr schlecht. Noch immer krampfte ihr gesamter Körper, schmerzte jeder ihrer Muskeln und nur dumpf vernahm sie plötzlich irgendwelche Worte, die nah an ihrem Ohr wieder hallten. „Fang an zu beten!“, knurrte er leise. Sie öffnete die zusammengekniffenen Augen, sah nur die Schuhe und wie man ihr so knapp vor ihr Gesicht rotzte. Sie wollte schreien, sie wollte heulen aber es ging nicht. Ihre Augen starrten nur den Schuhen und Tatzen hinterher, von dem ein fröhliches Pfeifen ausging als sie sich entfernten, wohl bewusst, dass sie wieder kommen würden und das es noch schlimmer werden würde, noch viel schlimmer. Nur langsam entspannte sich ihr Körper ein wenig und zitternd krallte sich ihre Hand über ihren Herzen in ihr Hemd. Doch jede kleinste Bewegung bracht mehr Schmerzen. Dennoch zog Viki nur irgendwann die Knie an den Körper heran und starrte unter Schock auf die Gitter, fühlte dabei erneut wie es sich an gefühlt hatte, als sie dagegen gedrückt wurde. Sie schloss nun doch die Augen, doch alles was ihr durch den Kopf ging war, dass er wieder kommen würde. Doch zuvor würde er Ryan töten und dann kam er wieder … Die Verzweiflung die ihr bei der Erkenntnis den Verstand vernebelte ließen doch vereinzelte Tränen aufsteigen. Beim nächsten Mal würde er sich nicht zurück halten. Beim nächsten Mal würde er sie benutzen und dann langsam zu Tode foltern … und nichts würde sie dagegen tun können … Ryan beobachtete wie fast schon zögerlich die ersten Sonnenstrahlen durch die wuchernden Baumwipfel brachen. Ein weiterer Tag brach an, ein weiteres Mal ging die Sonne in dieser Hölle auf. Würde dieser eventuell die Wende bringen? Geschlafen hatte er nicht, seine Lider nur sporadisch geschlossen, jedes Mal wenn seine Wache auf Abstand war … Seine Gedanken wanderten weiterhin, hatten sich auf eine wohlbekannte Lichtung zurückgezogen, die ihm bereits vor einigen Jahren bei Verstand gehalten hatte. Eine Lichtung die noch von den vergangenen Berührungen im Teppichgeschäft erhellt wurde. Auch Viki war dort, leistete ihm Gesellschaft, spendete Wärme. Wie es ihr wohl erging? Konnte sie fliehen? Wurde eventuell freigelassen? Lebte sie überhaupt noch? Bedrückende Gedanken, die ihm eine Rückkehr in seine Zuflucht erschwerten. Jegliches Zeitgefühl war ihm bereits trotz seiner lauernden Wachsamkeit abhanden gekommen bis ein schriller Schrei, aus der Ferne herangetragen, ihn aus seiner Lethargie riss. Augenblicklich stand er auf den Beinen, ignorierte den Protest, den sein Körper ihm dabei entsandte. Nur knapp wurde er von einem elektrostatischen Knistern abgehalten seine Hände zwischen die Gitterstäbe zu legen. Er war sich sicher dass es Ihre Stimme war … Das es Viktorias Schmerzensschrei war. Er wusste es einfach … Was musste sie nur ertragen? Er schrie nach der Patrouille, forderte Informationen ein, wurde aber weiterhin nur mit Schweigen gestraft und von seiner Wache ignoriert, auch wenn er glaubte ein hämisch spottendes Grinsen zu erkennen. Dennoch schrie er seiner Wache einige wüste Beschimpfungen entgegen, sie prallten anscheinend ohne Wirkung von diesem Mantel des Schweigens ab, waren aber ein wirksames Ventil für den Soldaten. Ein Quell neuer Kraft, die auf Rachegelüsten gründete. Einige Minuten nach dem Schrei, kam der schwarzhaarige Sadist auf ihn zu. Zufall? Wohl kaum … Cerberus kam an Ryans Käfig an und sah direkt zu ihm. „Bro, alles klar bei dir? Hoffe es gefällt dir bei uns, haben immerhin das beste Plätzchen für dich rausgesucht. Guck dich um, überall Natur und dann noch das Vogelgezwitscher – ein absoluter Traum, findest du nicht?“ Der Second grinste dreckig vor sich hin. „Was wollte ich denn eigentlich nochmal hier? Was war denn das, was war denn das?“ Der Wolf strich sich über’s Kinn, als würde er tatsächlich Schwierigkeit haben sich daran zu erinnern. „Was habt ihr Viktoria angetan? Ich scheiß auf deinen idyllischen Ort, wenn du ihr auch nur ein Haar gekrümmt hast …“ Die Stimme des Soldaten hatte sich erhoben, seine Hände waren zu Fäusten geballt, pumpten förmlich, kanalisierten seine Wut, während der Wolf unbeeindruckt weiter sprach und durch seine Worte Ryan schlussendlich die Sprache verschlug, ihn augenblicklich verstummen ließ. „Ach ja, jetzt weiß ich’s wieder. Ich wollte dir zu deinem guten Geschmack gratulieren. Deine kleine Olle ist ja echt nicht von schlechten Eltern. Und ihre Titten sind der Wahnsinn, Mann, liegen super in der Hand. Und sie fühlen sich echt an. Sind sie echt? Müssen die kleinen Dinger ja wohl, welcher Arzt würde schon so ‘ne Minititte formen, was? Aber du stehst wahrscheinlich drauf. ‘Ne gute Hand voll reicht, und so.“ Sein Grinsen war während seiner Ausführungen immer breiter geworden. Ryans Hände sanken herab, verloren den Mut, den Katalysator, der sie antrieb. Er log! Er musste einfach lügen, das hat er nicht, kann er nicht ... Doch was sollte diesen kranken Sodomisten davon abhalten? „Wenn du sie angepackt hast … Ich werde dich umbringen … Ich schwöre es dir, ihr solltet euren Job richtig machen, sonst leg ich dich und dein beschissenes Fellknäul um!“ Seine Stimme wurde nach und nach leiser, musste sich um seine Fassung bemühen, sein letztes „Ich bring dich um“ war nicht mehr als ein Flüstern. Als der Wolf sich mit einem Grinsen abwandte entschwand ihm die Kraft aus den Beinen, ließ ihn beinahe verzweifelt in die Knie gehen. Seine Fäuste schlugen trotzig auf den unnachgiebigen Betonboden des Käfigs. Fanden kein anderes Ventil mehr, mussten den Zorn irgendwie nach draußen leiten. Nun war Viktoria dazu verdammt diesen Alptraum ein weiteres Mal zu durchleben, obwohl er ihr versprochen hatte sie vor solchen Qualen zu beschützen. Er, der sie aus ihrem Versteck getrieben hatte, um Wunschträumen nachzujagen, um Tote zu suchen … Ein Schrei entwich ihm, sollten diese Wichser die Genugtuung doch erhalten, es scherte ihn nicht. Er hatte seinen Vorsatz getroffen. Nach einer Weile ließ er sich vollkommen sinken, ließ sich bereitwillig von der Melancholie zerfressen, grämte sich in Mitleid. Nicht einmal seine Antwort hatte er Viktoria mitteilen können … Wie lange er auf dem nackten Boden lag vermochte er nicht zu sagen, ehe er den nächsten Besuch bemerkte. Sie war zu dem Zeitpunkt bereits in seinem Käfig! Beinahe zu spät hatte er den Neuankömmling bemerkt, doch er würde die Chance ergreifen! Nachdem er allen Lädierungen zum Trotz aufgesprungen war, konnte er sie sogar unter sich festnageln, es war erneut die rothaarige Frau, die Anführerin. Sie hatte das alles veranlasst, mit ihr würde er nun anfangen … Seine Wut setzte ihm Scheuklappen auf, sein belasteter Körper tat das übrige, so verkrampften sich seine Muskeln schmerzhaft bei dem effizienten knappen Schlag auf die verletzte Schulter, gaben die Vormachtstellung auf, verspielten die gute Position. Blitzschnell wandte sich das Blatt, von jetzt auf gleich saß sie nun auf ihm, drückte ihm ein Tuch auf das Gesicht, betäubte ihn. Seine Muskeln arbeiteten nur noch halbherzig bei den Befreiungsversuchen mit. Verloren … Aus … „Hilf mir den Lumpenhaufen zu dem Käfig der Bastardin zu schleifen“, knurrte sie ihren Befehl Cerberus entgegen, „Ich gebe dir das Recht, alles mit der Frau anzustellen was du willst. Ich will sie leiden hören, auf jede erdenklich Weise. Doch zerstöre dazu nicht größtenteils ihren Körper, sondern ihren Geist, ihre Seele und ihren Willen. Ich kümmere mich um ihn währenddessen.“ Kapitel 17: Das Spiel der Wölfe ------------------------------- Irgendwann hörte Viktoria Schritte. Anscheinend waren es diesmal mehr als nur eine Person. Zögerlich blickte sie auf und sah einige dieser Wölfe, vielleicht sogar die ganze verdammte Bande und… „Ryan!“, kreischte sie sofort. „Lasst ihn frei! Ich war es! Lasst ihn doch laufen! Bitte!“, wieder flehte sie die Anführerin an, richtete sich dabei unter schmerzvollen Stöhnen etwas auf und kroch nun doch näher an den Zaun. Ryan war gefesselt, aber es schien ihn so weit gut zu gehen, soweit sie es beurteilen konnte. Zumindest sah sie keine weiteren Wunden an seinem Körper, aber er war bewusstlos! Warum war er bewusstlos? „Was ist mit ihm?! Was habt ihr mit ihm gemacht?“, kreischte sie doch wieder ängstlich. Plötzlich kam weitere Bewegung in die Gruppe. Sie zogen ihn an zwei eisernen Pfosten hoch, wobei er an seinen Armen und Beinen festgezurrt wurde. Die Anführerin holte eine Spritze hervor und zog etwas auf. Sie spritzte die Flüssigkeit intra musculär, wodurch Ryan langsam aufzuwachen schien... Dumpf kratzten Worte an die Hülle des unnatürlichen Schlafes, versuchten ihn zu durchbrechen doch es gelang nicht. Ryan schwamm in diesem schwarzen Nichts, drohte zu ertrinken. Rief dort Viktoria? Augenblicklich wurde er aus dem Dämmerzustand gerissen, er hing irgendwo, festgebunden… Seinem Körper schien die Kraft zu fehlen, um an seinen Ketten zu zerren, wollte ihm nicht mehr gehorchen. Er vernahm eine vertraute Stimme, nichts als Dunkelheit umgab ihn. „Hmghlf!“ Auch dies war zwecklos, war der Knebel doch ein zu großes Hindernis um klare Worte zu bilden. Aber zweifelsohne, Viktoria befand sich nicht unweit von ihm entfernt. Ryan kämpfte schwach und verwirrt gegen den Knebel in seinen Mund an, als er den Kopf etwas hob und aufgrund der Augenbinde doch nichts sah. Kraftlos versuchte er sich gegen die Fixierungen aufzulehnen, doch es war zwecklos. „Hör gut zu Militärmann, deine ‚Geliebte‘ ist als erstes dran“, verkündete jemand. Die Versprechung, die aus dem Mund der Frau kam, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Mit geweiteten Pupillen, die Augen weit hinter der dunklen Augenbinde aufgerissen, realisierte er aus dem Augenwinkeln oder eher dem Rand seiner beschränkten Sinneseindrücke, vornehmlich seinem Gehör, dass die Worte von der rothaarigen Anführerin kamen, die nicht weit von ihm entfernt stand und das Schauspiel anscheinend nur zu sehr genoss. Blankes entsetzten durchfuhr ihn. Ein Grauen was er sich nicht vorstellen konnte blühte ihm. Er hatte ihre Gegner anscheinend unterschätzt. Seine Hoffnung schwand zusehends. Kraftlos versuchte er sich erneut gegen die Fixierungen aufzulehnen, zwecklos. Sein Herz hämmerte schmerzhaft in seiner Brust. Sein Körper schmerzte bei der Belastung. Der Sanitäter fühlte sich nutzlos, hilflos und ausgeliefert… Der Plan der Wölfe war anscheinend aufgegangen. Was hatten ihre Peiniger vor? Wollten sie Vik vor seinen untätigen Ohren foltern? Töten? Vergewaltigen? Oder etwa all dies zusammen? Könnte er ihr doch wenigstens Mut zu sprechen, ihren Liebesbeweis erwidern. „Hört auf! Er hat doch nichts getan! Bitte! Ihr… Ihr könnt doch nicht…“, wieder stieg die Verzweiflung in Viktoria hoch, besonders als sie hörte, dass Ryan wohl später ebenfalls die Folter über sich ergehen lassen musste. Die Peitsche, die die Rothaarige in die Hand nahm ließ nichts Gutes erahnen. Was sie sonst noch in der Tasche mit dabei hatte, wollte Viktoria gar nicht wissen. „Das… das ist nicht fair! Wir wollten nur Wasser! Wir haben uns nur verteidigt! Bitte… bitte es reicht, bitte… wir kommen nicht wieder, nie wieder… bitte… lasst doch zumindest ihn gehen“, wimmerte sie, doch es hatte keinen Zweck. Cerberus kam in den Käfig und schloss die Tür hinter sich. „Miststück“, begrüßte er sie wieder freundlich und ging einige Schritte auf sie zu. Als Ryan die Stimme erkannte und bemerkte, dass dieser Bogenschütze bei Viktoria war, spannten sich seine Muskeln erneut an, als er wieder voller Zorn an den Fesseln zu zerren begann, bevor ihm die Kraft nur allzu schnell wieder entschwand und seine Gliedmaßen erschlafften. Sofort wich Viktoria wieder zurück. Es reichte nicht, dass sie nun leiden sollte, es musste auch noch durch diesen Bastard geschehen! Sie schüttelte nur den Kopf, starrte ihn geschockt an und hauchte nur mit heiserer Stimme: „Nein, nein bitte… bitte nicht, ich fleh‘ dich an… bitte …“ Doch Cerberus grinste kurz, bevor er zu sprechen begann: „Du flehst also? Jetzt schon? Heb‘ dir das für später auf.“ Sein Blick wanderte zur Anführerin, die ihm stumm das Zeichen zum Anfangen gab. Aus den Augenwinkeln sah Viktoria zu Ryan. Was auch immer geschah, er würde alles mitkriegen. Schlimmer konnte es doch nicht werden! Er würde… würde ihre Schreie hören, würde hören wie sie… Sie musste stark sein. Fürs erste musste sie es ertragen, um Ryans Willen. Er wurde schon gefoltert, er hatte es ausgehalten und überlebt… das musste sie auch schaffen. Es blieb ihr keine Wahl! Aber… aber ewig würde sie das nicht durchhalten, das war ihr durchaus bewusst. „Ryan! Bitte! Hör mir zu! Ich werde schreien, ich werde wimmern und flehen, aber… aber es ist okay… ich wusste das es soweit kommen kann. Ich bin dir freiwillig gefolgt. Ich… ich bereue nichts. Bitte, hör nicht hin… schalt ab, denk an gestern… bitte… ich… ich hab jede Minute bei dir genossen. Ich… es ist okay, hör nicht hin…“, presste sie nun noch hastig hervor, während sie aufstand und wieder vor dem Wolfsmitglied zurück wich und ihre Stimme doch immer wieder weg zu brechen drohte. Was hatte diese verdammte Greenpeace Gang nur vor? Für einen Augenblick hielt Ryan inne als er leise das nicht ihm geltende „Miststück“ vernahm. Es klang nach diesem schwarzhaarigen Arschloch. Erneut stieg der Zorn in ihm auf, als er an seine Bemerkung zurückdachte. Wollte er sich erneut an Vik vergreifen? Sollte er dazu Verdammt sein tatenlos zuzuhören? War das der Grund für seine Anwesenheit? Erneut versuchte er sich aufzurichten, sich gegen die Fesseln, die ihn in der Luft fixierten, aufzulehnen, doch es wollte ihm einfach nicht mehr gelingen. Seine Schulter wurde schmerzhaft gedehnt und auch seine Rippen protestierten aufgrund der ungünstigen Position. Doch die Schmerzen wurden von diesem präsenten Gefühl des ausgeliefert sein, der Handlungsunfähigkeit überschattet. Viktorias Worte drangen nur dumpf in sein Bewusstsein vor, verfehlten ihren Zweck, spiegelten nur zu schmerzhaft ihre Panik, ihren Schmerz wieder und er sollte sich zurücklehnen und die Show genießen? Ein erneutes schwaches von Panik angetriebenes Auflehnen gegen die Ketten war die Folge. Warum gehorchten ihm seine Muskeln nicht? Seine Muskeln spannten sich an, als er erneut an den Fesseln zu zerren begann, doch schnell machte sich der medikamentöse Teil der Fixierung bemerkbar, dem er zusätzlich ausgesetzt war, als die Kraft nur allzu schnell wieder entschwand und seine Gliedmaßen erneut erschlafften. Seine Zähne mahlten zerknirscht und verzweifelt auf dem Knebel herum, aber es war zwecklos… Plötzlich vernahm er wieder die Stimme der Frau nah bei ihm, wie sie anscheinend einer weiteren Person einige Befehle gab. „Zane!“, kam es von der Anführerin, gefolgt von einigen Schritten, die sich ihnen näherten. „Ja, Herrin“, antwortete ein Mann mit rauer Stimme. „Postiere dich vor dem Käfig. Fenrir sitzt zwar davor doch ist er nicht abgeschlossen, es soll doch keiner unverhofft fliehen können“, sprach sie den Befehl aus. So sollte derjenige wohl als Wache fungieren. Eine gefühlte, fast schon quälend lange Ewigkeit vernahm er nichts außer verschiedene Fußschritte und Hintergrundgeräusche… In dem Käfig ging der Bogenschütze langsam auf Viktoria zu. Kurz hielt Cerberus an, atmete drei Mal kurz durch die Nase ein, so als würde er einen Geruch wahrnehmen. „Bin ich das oder riecht es hier nach gegrilltem Hühnchen?“, fragte er lächelnd. Er trat wieder nah an sie heran, beugte seinen Kopf neben ihr Ohr und fragte flüsternd: „Hast du gebetet?“ Diesmal wich Vik nicht bis zum Zaun zurück, aus Angst er würde sie nochmal gegen den Elektrozaun drücken. Ob ihr Körper das aushielt konnte sie nicht sagen. Ihre Muskeln schmerzten noch und auch ihr Herz würde die Belastung auf Dauer nicht aushalten. Als er die Anspielung auf die vorherige Folter dann auch noch aussprach, brannte ihr Rücken nur umso mehr. Doch Vik blieb still, verharrte wieder, als er ihr nahe kam. Sie schloss die Augen, versuchte nicht daran zu denken, dass er direkt vor ihr stand, aber sein Atem schlug ihr heiß an ihr Ohr. Automatisch erzitterte Vik, presste nur fester ihre Lippen aufeinander, während sie fast die Luft anhielt. Erst als er sich wieder zwei Schritte entfernte atmete sie wieder durch und sah ihn mittlerweile aus einer Mischung von Angst und Trotz an. Danach sprach Cerberus, während er auf die Anführerin deutete: „Siehst du die junge Frau da drüben? Das ist Luana. Die meisten, die uns beide zusammen treffen, halten sie für die nettere von uns beiden. Und das ist sie, wirklich sweet und so. Aber siehst du die Dinger, die sie da in den Händen hält? Sie weiß damit umzugehen und sie zögert auch nicht, sie zu benutzen.“ Der Kerl zuckte bei seinen Worten selbst zusammen, warum war Viki egal. Ihr Blick wanderte zögerlich zur Luana, als er von ihr erzählte. Vik sah, dass sie eine Peitsche in den Händen hielt und eine dunkle Vorahnung machte sich in ihr breit. Wenn sie sich nicht fügte, würden sie auch Ryan foltern und dabei waren seine Narben auf den Rücken durch seine Folter in Gefangenschaft nie verheilt. Erneut stieg die Verzweiflung in ihr hoch, doch auch wenn ihre Lippen wieder bebten, wieder um Gnade flehen wollten, bliebt sie stumm. Es hätte nichts geändert und die kranken Spielchen kannte sie. Wenn sie nicht tat was sie wollten, würde man sie bestrafen. Dass hatten die Laughing Demons nicht anders gemacht, nur dieses mal sollte sie nicht selbst die Konsequenzen tragen. Noch einmal atmete der Wolf tief durch, dann wand er sich wieder Viktoria zu. „Du denkst jetzt sicherlich, wir spielen hier gute Bulle, böser Bulle, aber wir haben das etwas abgeändert. Wir spielen böser Bulle und kranker Bastard-Psychopathen-Bulle. Und jetzt rate, welcher ich bin?“ Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen, die Hände in den Hosentaschen, während er mit den Füßen auf und ab wippte. „Gut, Miststück, kommen wir zum Punkt. Wir zwei hier werden ein Spiel spielen. Ich sage dir, was du machen sollst und du tust es – simple as that. Machst du es nicht, wird Lu‘ deinen Freund bestrafen. Sind die Regeln klar? Gut, fangen wir an.“ Als der Wolf wieder das Wort ergriff sah Viktoria zurück zu ihm, konnte aber doch nichts machen als nervös herum zu stehen. Ihre Hände zitterten bereits und immer wieder ging ihr Blick zu Ryan, der hilflos an die Pfosten gekettet war. Was hatte dieses Tier nur mit ihr vor? Sie wollte es nicht wissen und doch hielt sie die Ungewissheit nicht aus! Würde er sie tatsächlich vor der versammelten Gang missbrauchen? Würde er ihr nur wehtun wollen? Sie demütigen? Auch aus seinen Spielregeln wurde sie nicht schlau, immerhin hatte sie sich das schon gedacht. Aber eines war sicher: Alle würden sich köstlich bei der Show amüsieren und sie war hier die Hauptattraktion! Nichts konnte sie dagegen machen, aber so lang es ging musste sie einfach mitspielen oder war es besser gleich aufzugeben und ihnen zu geben was sie wollten? Wenn sie gleich schon nervlich am Ende war, wenn sie zusammenbrach, was würden sie dann tun? Ryan foltern, weil sie mit ihr keinen Spaß haben konnten? Sie wollte es nicht herausfinden… Er holte seine Schachtel heraus und zündete sich eine Zigarette an. Zwei Mal zog er daran, bevor er erneut zu sprechen begann: „Level eins: Ich will, dass du mich küsst. Und nicht auf die Wange oder die Stirn oder so einen Mist, nein, auf die Lippen.“ Er verkürzte den Abstand zwischen ihnen und neigte den Kopf leicht zur Seite. „Mit Zunge, versteht sich. Wir sind hier ja alle älter als zwölf.“ Er sah sie direkt an, grinste breit und genoss offensichtlich das Schauspiel, welches sich ihm bot. Leicht geschockt starrte Viki in seine Augen, bevor er ihr wieder so nah kam, dass sie einfach instinktiv ein paar Zentimeter zurück weichen musste, während sich erneut ihr Atem leicht beschleunigte und er das Ganze nur mit einen Schmunzeln quittierte. Er… er wollte…? Aber… nein… schon das konnte sie nicht. Warum wollte er es überhaupt? Vermutlich wusste er es… sie hatte sich selbst verraten, als sie ihn schon eben angefleht hatte. Er würde sich ein Spaß daraus machen sie in den Wahnsinn zu treiben, nun da er wusste, dass sie missbraucht worden war. Der Kuss war der Anfang… dann würde er sie zwingen sich auszuziehen, da war sie sich sicher. Dennoch, sie konnte nicht jetzt schon an der ersten Aufgabe scheitern. Aus den Augenwinkeln sah sie zu Ryan und weiter zur Peitsche in Luanas Hand. Viki hatte keine Wahl. Ihr Herz raste erneut in ihrer Brust, schmerzte bei den Gedanken daran, dieses Ekel nun küssen zu müssen, das sie so hämisch angrinste. Du machst es dir nur selbst schwer… du kennst das Spiel doch… mach mit und umso schneller ist es vorbei… tu es für Ryan… Wieder sah sie ihn voller Hass an, unterdrückte die neuen Tränen, als sie sich zitternd und zögerlich nun selbst auf ihn zu bewegte, währen er sie nur dreckig angrinste. Allein bei seinem Gestank wurde ihr schon schlecht, roch er doch nur nach nassen Fell und Rauch. Viktoria stellte sich auf die Zehenspitzen, erreichte das Gesicht des Wolfes aber immer noch nicht, also beugte er sich ein Stück hinunter und hielt kurz vor ihrem Gesicht inne. Ihre Hände schlangen sich etwas um ihren Bauch, krallten sich in den weiten Stoff ihres Hemdes, als sie nun die Augen schloss und zuerst nur ihre Lippen recht lieblos auf seine presste. Es kostete sie einiges an Überwindung nun auch ihre Zunge durch seine Lippen zu schieben und seinen Kuss einzugehen. Er schmeckte sogar nach Asche und ihr Magen verkrampfte sich augenblicklich. Ihr ganzer Körper erzitterte, während die erste Träne über ihre Wange kullerte. Sie hoffte im stillen, dass es ihm als Kuss reichte, er nicht einfach zu biss, es endlich bald vorbei war. Denn sie traute sich nicht den Kuss ihrerseits zu lösen, aus Angst er würde Luana doch noch ein Zeichen geben, um Ryan zu foltern. Dass er sie damit aufziehen würde, war ihr aber durchaus bewusst. Der Wolf genoss sein Spiel sichtlich, als sie sich überwinden musste sich ihm zu nähern. Jede Faser, jeder Muskel ihres Körpers schrie danach, einfach auf Abstand zu gehen, ihn weg zu stoßen, dieses widerliche Arschloch selbst gegen den Zaun zu drücken, doch Vik zwang sich einfach starr stehen zu bleiben, lieblos mit zu spielen und ihn dabei nicht mehr als nötig anzusehen… Dennoch konnte sie ein Zusammenzucken mit einem kurzen, ängstlichen Keuchen nicht verhindern, der einen Moment den Kuss unterbrach, als sie seine Hand, in der er seine Zigarette hielt, an der Wange spürte, wobei sein Daumen kurz über ihre Wange strich, bevor sie dann in den Nacken wanderte. Gefangen in seinen Griff wusste sie nicht wohin mit ihren zitternden Händen, die noch an seiner Brust lagen, um sich von ihm abzustoßen, doch das durfte sie nicht. Ryan würde dafür bestraft werden. Ryan würde leiden, wenn sie jetzt schon durchdrehte. Wäre sie allein, hätte sie die Schmerzen gewählt, um von dem Wahnsinnigen los zukommen. Doch unablässig betrieben ihre Münder das gestellte, feuchte Spiel, welches er mit Grinsen genoss. Es war widerlich und erniedrigend zu gleich und ihr einziger Trost war, dass Ryan es nicht wirklich sehen musste. Aber die Angst, dass er weiter ging, angefeuert von den jubelnden Männern, die dieses Spektakel mit ansahen und schon mehr verlangten, ließen Viktorias Arme sich anspannen, bereit sich von ihm abzustoßen. Plötzlich spürte sie auch seine andere Hand an der Hüfte, nur um kurz darauf auf ihren Rücken zu wandern, bis er schließlich die Hand flach knapp über ihrem Steißbein ablegte und sie an sich drückte. Die Schmerzen dabei waren unerträglich. Ihr rasendes Herz überschlug sich erneut bei der aufkommenden Panik. Vor ihren Augen verschwand Cerberus‘ Gestalt und wurde durch den Blonden mit den unnatürlichen Grinsen ersetzt, der sie vor Monaten auf den Boden zwang, ihren Kopf zurück riss, um gierig in ihren Hals zu beißen und ihren Körper mit festen Griff an der Hüfte packte, um sich schon wollüstig an ihr zu reiben. Nun konnte sie nicht anders: Vik versuchte ihn hektisch von sich zu drücken, unterbrach den Kuss mit einen leisen, wimmernden „Nein! Lass mich!“, bevor sie erneut seine Hand an ihren verletzten Rücken spürte und sie unter kurzen, schmerzvollen Stöhnen zurück ins hier und jetzt fand. Sofort ging sie erneut auf seine Lippen ein, leidlich versucht ihr Bocken wieder gut zu machen, es ein wenig leidenschaftlicher zu erwidern, auch wenn nur das Brennen in ihrem Rücken sie davor bewahrte bei seiner Nähe nicht wieder komplett durch zu drehen. Der kleine, strafende, aber noch sanfte Biss in ihre Unterlippe ließ sie erneut kurz nach Luft ringen, wo sie doch damit rechnete, dass er noch schmerzhafter werden würde. Angestrengt versuchte sie das Ekelgefühl, das Gefühl von Schmutz auf sich zu verdrängen, konzentrierte sich dabei nur noch auf den Schmerz im Rücken und Knie. „Hmmmmgrrnf!!“, schrie Ryan plötzlich durch den Knebel gedämpft. Als Viki den erstickten Schrei von Ryan bemerkte, erzitterte sie erneut. Ihr durch Angst beschleunigter Atem setzte dabei vor Verzweiflung kurz aus. Mir geht es gut. Das ist alles nicht echt. Es ist alles Okay. Das hier bedeutet nichts. Es bedeutet gar nichts... Das und anderes hätte sie ihm am liebsten gesagt. Sie wollte ihn beruhigen, doch sie war machtlos gegenüber den Wölfen. Was sollte sie denn tun? Sie konnte nur sein dämliches Spiel soweit es ging mitspielen, was er so sehr genoss und in die Länge zog. Nach einer gefühlten Ewigkeit löste er den Kuss und die Hand im Nacken, um einen tiefen Zug seiner Zigarette zu nehmen. Sofort drehte sie den Kopf etwas von ihm weg, legte eine Hand auf ihr Herz und versuchte sich wieder zu beruhigen. Doch noch immer war er ihr zu nah und seine rechte Hand zwang sie erneut ihn anzusehen. Dann küsst er sie noch einmal kurz und begann zu singen: „And that's why I'm gon' take a good girl. I know you want it.“ Während er die paar Liedzeilen dreckig grinsend vor sich hin sang, fing er an sich zu bewegen. Alles ließ sie teilnahmslos über sich ergehen, besonders den kleinen Tanz, bei dem sie abermals versuchte zumindest ein wenig Abstand von ihm zu bekommen. Dennoch verkrampfte sie sich zitternd, als seine Hand zu ihrem Hintern fuhr. „Du hast deinen verdammten Kuss bekommen. Jetzt lass mich los!“, verlangte sie, wobei es weniger scharf klang, als es eigentlich sollte. Viel mehr war ihre zittrige Stimme doch leicht in einen flehenden Unterton gerutscht. Wieder drückt er ihr einen Kuss auf die Lippen, bevor er sie frei gab und sich endlich von ihm entfernte. Mit einem etwas erleichterten Keuchen wischte sie sich mit kurzem Schniefen die Tränen vom Gesicht. Erst jetzt bemerkte sie Lua direkt bei Ryan, die ihre Hand hinter seinem Rücken hatte. Was hatte sie gemacht? Was hatte sie vor? Vik hatte nicht mitbekommen, wie Lua mit amüsierter, süßer Stimme Ryan die Folter ins Ohr geflüstert hatte. Ryans restlichen Sinne, die er zur Verfügung hatte, gaben ihm keine Anhaltspunkte was um ihn geschah, bis die fremde Frau nah an seinem linken Ohr das Wort ergriff. Nah! Er konnte ihren Atem spüren. So nah und dennoch konnte er nichts unternehmen, ihm wollte plötzlich kein spontaner und realistischer Plan in den Sinn kommen. Man konnte den Spaß in der Stimme der Frau förmlich hören, wie sie das Geschehen unablässig ruhig kommentierte. Ihm sogar die Folgen genüsslich und mit ruhiger Stimme erklärte. Die säuselnde Stimme die ihm die schmerzhafte Botschaft, einer Pfeilspitze gleich direkt in sein Herz sandte… „Schau gut zu... ach ja stimmt, das ist dir im Moment versagt. Nun, dann hör gut zu. Ich frage mich, wie lange deine Freundin die ganze Tortur aushält. Wie viel sie wimmern, wie sehr sie leiden und wie oft sie flehen wird. Jede Berührung meines Seconds wird sich in die kleinste Pore und Faser ihres Körpers brennen. Bis tief in ihre Seele. Solltet ihr wirklich das Glück besitzen, fliehen zu können“, ein amüsiertes Lachen drang aus ihrem Munde, „so wird die Kleine ein seelisches Frack sein. Sie wird zerstört sein, irreversibel, seelisch am Ende. Du wirst dann selbst ihr Leiden beenden, zumal sie das Ganze nur deinetwegen durchstehen muss. Es ist deine Schuld. Nur deinetwegen wird sie nun gequält… Uh, es hat schon angefangen. Sehr schön und so voller Leidenschaft. Wie ihre Münder sich aufeinander drücken, sie sich bewegen, um die Lippen des anderen zu liebkosen. Ihr zitternder Körper welcher sich weigerlich an den des Mannes drängt. Die Träne, welche sich qualvoll ihren heißen Weg über die, von der Kälte geröteten Wange, bahnt. Ohja, Viktoria wird Leiden, und dies alles nur deinetwegen“, Sanft strich sie mit ihrem Fingernagel über Ryans Rücken. Wegen ihm musste Vik die Hölle erneut durchleben, weil er Gespenstern nachjagen wollte, sich an ein Fünkchen Hoffnung klammern musste… Sie hätten für sich bleiben sollen, in sicherem Umfeld. Aber er musste auf seinen Auftrag bestehen, erteilt von einer Befehlsgewalt die es wahrscheinlich gar nicht mehr gab, tot wie seine Kameraden… „Hmmmmgrrnf!!“ Ein beinahe stummer, durch den Knebel dumpfer, verzweifelter Schrei entwich ihm, so angestrengt versucht er das Hindernis zu überwinden, dass seine Halsvenen angestrengt hervortraten. Während er erneut mit seinen knappen Energiereserven und erschlafften Gliedmaßen kümmerlich an den Fesseln zerrte, hatte die Anführerin sich an seine rechte Seite begeben, er spürte ihre Fingernägel an seinen teils tauben Malen nach oben wandern, während sie beinahe schon lieblich Viktorias Treue in Frage stellte. „So sehr zittert die kleine Viktoria, windet sich unter der Berührung meines Seconds, welcher die Berührungen nur allzu gerne Willkommen heißt. Zumal sie alles nur auf eine Bitte seinerseits ausführt. Besitzt sie sowenig Rückgrat? Liebt sie dich so wenig? Nein, wohl kaum, wieso tut sie es wohl dann? Er steht nur da, wartet ab und genießt die Berührungen deiner Freundin, welche eben erst noch behauptet hatte, sie würde dich lieben. Armer kleiner Soldat, seiner Liebe beraubt… Wie sehr liebst du denn die kleine Prinzessin?“, fragte sie, als ihre Hände Ryans Rücken hinauf wanderten und ihre Nägel sich in die Wunde des Soldaten bohrten. Die vermutliche Wahrheit hinter Vikis Handeln schmerzte Ryan noch mehr. Wie er Vik kennengelernt hatte, versuchte sie ihn wahrscheinlich zu schützen, wollte sich aufopfern… Für ihn. Und wieder war es seine Schuld, dass sie die Folter nun ertrug, eine Qual, die für Vik wahrlich einer Hölle gleichkommen musste. Hätte er doch bloß in diesem Haus vor knappen 24 Stunden auf seiner Seite der Tür gewartet… wäre dann verschwunden und irgendwem bei seiner ach so „glorreichen“ Mission in die Arme gelaufen. Hätte er doch bloß Viktoria nicht mit da rein gezogen… Die scharfen Fingernägel, die sich Dornen gleich in die frische Wunde bohrten, rissen ihn aus seinen Gedanken, verbannten ihn zurück in die grausame Realität, in der er dazu verbannt war ein teilnahmsloser Zuschauer zu sein… Er vernahm sogar den Speichel, als sie sich nah an seinem Ohr darauf vorbereitete das weitere Geschehen zu kommentieren. Er hing in den Seilen, nicht nur körperlich auch emotional, konnte sie nicht aufhalten, konnte Vik nicht wie versprochen beschützen… Nun war er es, dem eine stumme Träne entwich. Seine Mimik schien nie ferner eines Lächeln gewesen zu sein. Die Sorge um Ryan sah man Viktoria bestimmt an. Also wendete sie den Blick kurz ab, als wäre sie mit sich selbst und dem eben erlebten noch beschäftigt. „Mir geht‘s gut. Es ist alles okay… alles okay… Es war nur ein Kuss“, sagte sie mit leicht entschlosseneren Stimme und hoffte, dass ihr diese Worte erlaubt waren. Aber niemand hatte ihr bisher das Reden verboten und eigentlich könnten sie genauso gut für sich selbst bestimmt sein. Dennoch hoffte sie, das Ryan verstand, es ihm zumindest ein wenig beruhigte. Cerberus sah sie scharf an und knurrte: „Wenn ich deinem Freund ein Update geben will, mache ich es selbst! Noch eine solche Verfehlung und ihr werdet beide leiden, habe ich mich klar ausgedrückt?“ Viktoria zuckte zusammen und blieb stumm aufgrund der Warnung. Ryan war versucht sich erneut gegen die Ketten zu sträuben. Doch ihm fiel es schwer die nötige Kraft, die er dazu benötigte, noch zu mobilisieren, es änderte nichts… Resignation stellte sich bei dem Soldaten ein. Wohin sollte es noch führen? Würden sie hier überhaupt lebend rauskommen? Auch nur irgendeiner von den beiden? Langsam zweifelte er ernsthaft daran. Viks Stimme zerschnitt seine gesponnene Gedankenwelt, als sie ihn direkt anzusprechen schien. Nein… nicht schien. Für einige Momente hielt er inne, wollte ihre Worte genau verstehen, die Worte, die ihm erneut bewusst machten, weshalb Viktoria diese Folter durchstand, weshalb sie diese Qualen erduldete. Er war Schuld, würde sie ihn doch einfach nur ausliefern… sich gegen ihre Folter wehren. Erst jetzt bemerkte Viktoria, dass ein weiterer Mann mit in dem Käfig vor der Tür stand. Natürlich wurde sie dadurch nur noch nervöser und fragte sich, welchen Grund es dafür gab. Dennoch beherrschte die Angst vor dem eigentlichen Peiniger all ihre Gedanken. Dieser sah nun ebenfalls den anderen Mann und warf ihn einen hasserfüllten Blick zu. Cerberus sah sich hastig um, ging zu seinem Tier, das einen Maulkorb trug, an den Zaun und sprach wohl auf dieses ein. Dann drehte er sich zu Luana um. Was nun in der Zwischenzeit los war, interessierte Viktoria kaum, aber selbstverständlich ließ sie den Kerl nie ganz aus den Augen, bis er sich ihnen wieder widmete. „Level eins erfolgreich abgeschlossen“, sagte er zu Viktoria und wand sich dann an Ryan: „Hast du gehört, Bro? Deine Olle hat mich ganz ordentlich geküsst, dir passiert also nichts. Obwohl, ich hatte auch schon bessere. Aber wer weiß, vielleicht sind ihre Fähigkeiten auf anderen oralen Sektoren besser.“ Im Augenwinkel beobachtete er, ob Viktoria auf seine Anspielung reagierte. Die Bemerkung von Cerberus, zwang Ryans Erinnerung an ihr kurzes Zusammentreffen am Rande des Käfigs zurück, wo er ihn bereits vor kurzem angestachelt hatte. Auch diesmal traf ihn die Provokation ins Schwarze, als Ryan sich trotz schwindender Kräfte erneut gegen die Ketten auflehnte, wobei diese sich schmerzhaft in seine Gelenke gruben. „Runde Nummer zwei, ich schenke dir… einen Teil deines Augenlichtes.“ Nur nach einer kurzen Vorwarnung von Seiten Luas brannte auch schon das morgendliche Licht in seinem rechten Auge. Seine Pupille benötigte einige Sekunden, um sich an den plötzlichen Lichteinfall zu gewöhnen. Einige Momente wanderte sein Auge hektisch zu den verschiedensten Fixpunkten die er fand hin und her, versuchten sich ein Bild zu verschaffen. Seine Orientierung wieder zu erlangen. Luas Worte vernahm er kaum, konzentrierte er sich doch nun auf die Gestalten im Käfig, sobald er sie ausmachte. Erneuter Hass loderte auch in Viki auf, als er sein Wort an Ryan richtete, aber sie senkte den Blick und unterdrückte den Drang vor dem Wolf zu flüchten. Sie sollten Ryan in Ruhe lassen, ihn gehen lassen, immerhin war sie doch hier, damit sich alle amüsierten… Als er jedoch von anderen oralen Sektoren sprach, starrte sie weiterhin stur auf den Boden, versuchte sich das leichte Zittern nicht an merken zu lassen, die durch die neuen Bilder aufkamen, die er ihr in den Kopf setzte. Ihre bebenden Lippen pressten sich zusammen, als sie gedanklich kurz davor war in ihren Alptraum zu stürzen. „Gut, dann kommen wir zu Level zwei, einfacher in der Ausführung, aber schwieriger in der Umsetzung. Die gute Nachricht für dich: Du musst mich dafür nicht einmal berühren. Also du kannst, wäre vielleicht sogar förderlich, aber du musst es nicht.“ Er nahm noch einen Zug und ging weiter auf Viktoria zu – ein Schritt trennte die zwei. „Ich will, dass du sagst, dass du mich liebst. Sag »Lex, ich liebe dich«.“ Noch ein letzter Zug, dann ließ er die Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus. Ausdruckslos sah Viki ihn an. Er wollte also nur diese Worte hören? Sie hatte schon so viele Sätze in den Mund gelegt bekommen, sie ohne Bedeutung raus gewürgt. „Ich bin ein Nichts, du bist ein Gott, demütig schenk‘ ich dir meinen Körper“, ein Satz der ihr ewig in Erinnerung bleiben würde. Selbst dass er seinen wahren Namen hören wollte, interessierte sie kaum. Er war ein Monster, egal wie er genannt werden wollte. Ob nun Cerberus, Foras, Asta, Marax oder Lex, es war doch egal wie sie sich nannten, sie waren alle nichts weiter als Tiere. Alle wollten nur ihren Spaß, ihnen war egal was mit ihr war. Was war bei solchen Leuten nach dem Virus passiert, dass sie auch den Rest ihrer Menschlichkeit gänzlich vergaßen? Auch wenn alles in ihr widerstrebte ihm ausgerechnet diese Worte zu sagen, so würde sie es tun. Ryan würde wissen, dass es nicht echt war. Ihm müsste klar sein, dass das hier etwas anderes war, sie ihn doch nur damit vor Schmerzen beschützen wollte. Auch wenn es nur ein Tag gedauert hatte, bis sie sich ihm anvertraut hatte, so musste er gemerkt haben, dass sie nicht jeden an sich ran lassen würde, wie viel Schwierigkeiten sie hatte wirklich jemanden zu vertrauen. Selbst bei seinen Berührungen war sie vorerst zusammen gezuckt und hatte auch vor ihrem ersten Kuss gezögert. Es kostete sie Kraft und Überwindung das hier für ihn zu ertragen, aber vielleicht wäre es für sie einfacher, wenn sie wie damals alles ausblendete und innerlich abzuschalten würde. Das sollte nicht sonderlich schwer sein, ging sie doch fast immer als 'Viktor' durch die Straßen. Viki hatte Ryan gewarnt, dass sie nicht sie selbst sein wollte, wenn sie das Versteck verließ. In ihren Ohren klangen noch die Worte deutlich nach, die sie ihm am Ausgang vom Teppichgeschäft zu geflüstert hatte, die sie mit einen sanften Kuss auf seine Lippen besiegelte und Ryan so verwirrt hatte: Ich brauche die Verbände und ich brauch 'Viktor' noch da draußen. Aber hier bei dir ist es was anderes. 'Viki' gehört nur dir… Ich gehöre nur dir und das werd‘ ich im jeden Versteck aufs neue beweisen… Hier war sie nicht 'Viktor', aber auch nicht Viki. Hier stand nicht Ryans Vizzy, die an seiner Seite gekuschelt gestand, dass sie am liebsten ewig so mit ihm da liegen würde. Dieser Lex wollte ihre Worte hören im Glauben, dass sie Ryan und sie selbst damit tief treffen würde. Aber hier war doch nur irgendein Mädchen mit dem er spielte, eine seelenloses Wesen, wenn er es wollte. Solange Ryan von Schmerz verschont blieb, würde sie ihm alles nach plappern. Viktoria hoffte nur, dass es nicht die letzten Worte waren, die Ryan hören sollte. Diese Vorstellung würde sie dann doch nicht ertragen. Sie wollte die Worte fast schon aussprechen, als Cerberus sie plötzlich am Kragen packte und zu sich zog. „Und du sagst es besser so, dass ich es dir wirklich glaube und dass es dein Freund auch gut hört“, knurrt er, nahm die Hände von ihrem Kragen und stieß sie dabei leicht zurück. Mit erschrockenen Blick konnte sie ein flehendes „Nein!“, nicht unterdrücken, bevor sie seine Drohung vernahm. Viktoria wurde weggestoßen und stolperte leicht zurück, wobei ihr Knie schmerzhaft einknickte und sie zu Boden fiel, wodurch Lex nur erneut wölfisch grinste. Zögerlich stand sie wieder auf, versuchte dabei ihr Bein so wenig wie möglich zu belasten und sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. „Bro, du spitzt besser die Ohren, immerhin hat mir deine Olle was wichtiges zu sagen. Wär‘ doch ärgerlich, würdest du es verpassen.“ Lex streckte Viktoria die linke Hand entgegen. „Na, willst du mein kleines, zartes Händchen halten, wenn du es sagst?“, fragte er dämonisch grinsend. Hinter sich konnte er einige Wölfe dreckig lachen hören. „Ich lausche, mein Herz.“ Wieder starrte sie ihn einen Moment an. Sie sollte also überzeugend sein, das würde sie wohl hin kriegen. Aber er sollte nicht merken, dass sie damit weniger Probleme hatte diese vier Wörter zu sagen. Viel dafür tun musste sie nicht. Noch immer zitterte sie und besonders als er die Hand nach ihr ausstreckte, konnte sie ein erneutes instinktives zurückweichen nicht verhindern. Sein dreckiges Grinsen hätte sie gern mit ihren Dolchen aus seinem Gesicht geschnitten. Der Hass in ihren Augen hielt nicht lang. Immerhin sollte sie hier ihre Rolle spielen. Mehr war es doch hier nicht. Sie stand mitten auf der 'Bühne' und sollte weiterhin wie eine Marionette nach seiner Pfeife tanzen. „Ich…“ , begann sie mit leiser zitternder Stimme und deutete ein weiteres, diesmal gespieltes, leicht geschocktes Kopf schütteln an. Dennoch kam sie ihm wieder ein Schritt näher, und sah auf seine ausgestreckte Hand. Wenn er überzeugt werden wollte, dann würde sie zumindest dieses mal noch mitspielen. Zögerlich und langsam erhob sie ihre rechte Hand, die einige wenige Zentimeter vor seiner inne hielt. Vik wollte nicht daran zu denken, wer vor ihr stand. Vielleicht war es einfacher, wenn sie versuchte sich vorzustellen, dass diese zu jemand anderen gehörte. Ihren Vater oder Leon vielleicht… Nun umfasste sie zitternd doch seine Hand, erstarrte aber bei dieser ungewollten Berührung und blieb ansonsten noch auf Abstand. „Lex, ich…“, fing sie leise an, aber es klang noch nach nichts, das wusste sie selbst. Sie musste überzeugen, sie musste zeigen, dass sie das Lügen hier auf den Straßen gelernt hatte. „Miststück, wir haben nicht ewig Zeit. Ich werde nicht jünger, komm auf den Punkt!“, forderte er sie gelangweilt auf. Widerwillig sah sie ihn in die Augen und ihre Lippen pressten sich aufeinander, als sie versuchte nicht wieder wegzusehen. „Lex…“, sagte sie im sanften, entschlossenen Ton, während sie sich zu einem kleinen Lächeln ab rang, welches ehrlicher wurde, als sie daran dachte, wie sie es Ryan sagen würde. Noch immer sahen ihre Augen in seine, doch nun sah sie mehr durch ihn hindurch. „Lex…“, wiederholte sie sanft und dachte doch nur an ihren Soldaten. „Ich liebe dich“, säuselte sie in zärtlich lächelnd, während sie zitternd seine Hand drückte. „ …so wahr ich hier draußen stehe“, fügte sie hinzu und hoffte, dass Ryan sich dran erinnerte, was sie mit 'draußen' in Verbindung brachte: Nichts als ein Kampf um das Überleben und eine Maskerade, die sie niemals aufgeben würde. Noch einen Moment hielt sie an dem falsche Lächeln fest, bevor sie auch seine Hand erneut los ließ, auch wieder zum ausdruckslosen Blick zurückkehrte und einen Schritt zurück humpelte. Nachdem sie die zweite Aufgabe beendet hatte, sah sie wieder zu Ryan. Doch als sie dann bemerkte, dass Luana ihm die Augenbinde teilweise abgenommen hatte, war sie einen Moment wie erstarrt. War es ein gutes Zeichen, dass er nun sehen durfte oder sollte es als Strafe gelten? Alles was ihr im Kopf herumschwirrte war, dass Ryan vermutlich gesehen hatte, wie sie Lex 'ihre Liebe gestanden' hatte, so wie sie es bei Ryan bisher noch nicht getan hatte. Das schlechte Gewissen was nun folgte, schien ihr Herz fast zu erdrücken. Ryan wusste doch, dass sie es nur getan hatte, damit die Wölfe ihm nichts antaten, oder? Sie… sie hatte doch keine Wahl gehabt! Als Ryan wieder sehen konnte, erkannte er Viktoria vor sich. Sie nahm gerade die Hand des Folterknechtes in die ihre. Der Sanitäter konnte dabei kurze Bruchstücke ihres erzwungenen Liebesgeständnissen ausmachen. Es waren nur Worte, leere Worte, wie er ganz genau wusste und dennoch… Sie schienen kleine Nadeln in ihn treiben zu können, wenn er es zuließe… „Mein Gott, Miststück, dass war ja echt herzerwärmend. Ich meine, „Ich liebe dich“ ist ja schon etwas, was man nicht jedem x-beliebigen sagt, und dabei kennen wir uns doch gerade erst einen Tag.“ Cerberus drehte seinen Kopf in Richtung Ryan: „Sag mal, Bro, wie lange kennt ihr euch denn schon? Ich meine, scheint ja so, als würde sie es zu jedem sagen. Man muss nur danach fragen.“ Die abermalige Stichelei hallte noch in Ryans Ohren wieder, schaffte es sich sogar über die brennenden Schmerzen hinweg in ihn zu fressen und fest zu setzen. Auch wenn das ernsthafte in Betracht ziehen von Viktorias letzter Liebesbezeugung wahnwitzig war, die höhnenden Worte des Schwarzhaarigen taten dennoch ihre Wirkung. Lex weitere Worte trafen auch Viki tief. Sie versuchte sich zwanghaft zu beherrschen, aber ihr war wieder zum heulen zu mute. Lex sollte nicht merken, dass Ryan und sie sich wirklich nur einen Tag kannten. Aber… aber so eine war sie nicht! Sie war keine von diesen Schlampen, die sich jeden an den Hals warfen, die jedem leichtfertig diesen Satz sagte. Dennoch hatte sie beides heute bei Ryan getan. Im Teppichgeschäft hatte sie versucht es ihm zu erklären, nachdem sie mit ihm geschlafen hatte, aber… aber was dachte er nun wirklich von ihr? Die Unsicherheit zerfraß sie innerlich. Viki musste was sagen! Sie musste einfach! „Ryan…“, begann sie mit zitternder Stimme. Sie wollte es erklären, sie wollte sich entschuldigen, aber angesichts ihrer Peiniger wagte sie es nicht. Noch zu deutlich klang die Warnung von Cerberus in ihrem Ohr, dass sie kein Wort an ihn richten sollte. Viktoria konnte einfach nichts tun, außer ihn entschuldigend, besorgt und verzweifelt gleichzeitig an zusehen. Nach diesen Worten drehte Cerberus sein Gesicht wieder der jungen Frau zu und lächelte. „Und doch…“, er fuhr sich mit den Fingern ans Kinn und tat so, als ob er nachdachte, „ ich meine, ich hätte es dich schon Mal aufrichtiger sagen hören. Wo war das nur? Wo war das nur?“ Der Wolf begann vor ihr auf und ab zu schreiten, immer wieder die eine Frage wiederholend. Dann verkürzte er den Abstand wieder zwischen den beiden und sah sie an. „Jetzt weiß ich es wieder! Es war gestern Nacht, nicht wahr? Zu deinem kleinen Soldatenfreund, nicht?“ Er lächelte sie bösartig an und begann dann, sie in einer höheren Stimme nachzuäffen: „Bitte! Ich… ich liebe dich!“ Danach begann er leise zu lachen. „Bei ihm klang es so viel ehrlicher als bei mir. Liebst du mich denn nicht, auf dieselbe Weise, auf die du deinen kleinen Soldaten liebst, Miststück? Und dabei gebe ich mir so viel Mühe.“ Erst als Lex wieder mit ihr sprach konnte sie ihren Blick von Ryan abwenden. Doch bei den Worten lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken. Er glaubte ihr nicht! Natürlich nicht! Sie hatte schon verloren, bevor das Spiel begonnen hatte! Wieder kämpfte sie mit den Tränen, als er sie auslachte.„Nein! Ich… ich hab alles getan! Ich schwör‘ es! Ich… ich hab… ich geb‘ mein Bestes! I-ich… ich hab alles gemacht was du wolltest!“, stammelte sie energisch, mit viel zu schnellen Kopfschütteln, während ihr Blick Lex noch immer fixierte. Noch einmal lachte der Second und immer noch stand er nah vor Viktoria, dann begann er erneut zu sprechen: „Lua, ich glaub‘ ihr kein beschissenes…“ Obwohl Luas Stimme so nahe bei Ryan war, wurde sie von ihm unwillkürlich in den Hintergrund verdrängt. Alles, worauf Ryan sich konzentrieren konnte, war das, was sich direkt vor seinen Augen abspielte, wie Cerberus vor ihr auf und abging, sie verzweifelt versuchte auf ihn einzureden. Nur nebenbei bekam er Luas Worte mit: „Leider muss ich sagen, dass deine allerliebste Viki, nicht zu Hundertprozent gibt was ich mir so vorgestellt habe, immer wieder zeigt sie ihr Widerstreben gegenüber der gesetzten Aufgabe, bevor sie diese ausführt, doch ganz schlecht ist sie nicht. Man kann etwas damit Anfangen, sie hat Potential… zum Teil jeden falls.“ Er hörte den Knall der Peitsche noch lang bevor er den bekannten Schmerz spürte. Ein schmerzerfüllter und überraschter Schrei entwich ihm, wurde von dem Knebel jedoch deutlich gedämpft. Er spürte bereits das heiße Blut fließen, schien die Peitsche die Wunde bereits mit ihrem ersten Schwung erneut geöffnet zu haben, auch war der Schmerz noch intensiver als er ihn in Erinnerung hatte. Nun fungierte der Knebel als Beißschutz, als der Schmerz seine Zähne zusammen trieb. Er versuchte seinen Schmerz angestrengt und schnell hervor gepresst, gegen den Stoff ab zu atmen. Einen weiteren Schrei nur leidig unterdrückend. Er musste sich zusammenreißen, er hatte schon einmal solche Schläge ertragen können, er würde es wieder können, er musste… Wenigstens Viki zu liebe, es dürfte schon so schwer genug für sie sein. Seine Wunde brannte enorm, er konnte nicht wirklich einschätzen welchen Schaden die Peitsche angerichtet hatte. Doch anstatt erneut zu schreien, lehnte er sich erneut in seinem Schmerz gegen die Fixierungen auf, auch wenn der Druck den dieses Vorhaben auf seinen Thorax auslöste, der seine Rippen erneut ächzen ließ, von der frisch zugefügten Wunde übertönt wurde. Viktorias Augen weiteten sich vor Entsetzten und sie wurde totenbleich, als Luanas Peitsche auf Ryan niedersauste und mit einem grauenhaften Knall Lex unterbrach, der scheinbar ebenso zusammen zuckte wie sie. Der stumpfe Schrei, der darauf folgte, ließ ihr Blut in den Adern gefrieren. „Nein! Ryan! Oh Gott, nein! Nein!“, Viki kreischte und schrie geschockt all ihre Verzweiflung hinaus, während sie so gut es ging einige Schritte zum Zaun eilte, aber doch nur untätig davor stehen bleiben konnte, bevor ihre hilflosen, erhobenen Hände verbrannt wurden. Da war Blut! Überall! Es benetzte die Anführerin, es tropfte auf den Boden und auch die Peitsche besaß einen roten Schimmer. „Ryan, es tut mir Leid! Ich wollte es nicht! Ich wollte das alles nicht! Es tut mir Leid… ich wollte doch… ich kann nur nicht… ich weiß nicht was ich…“, wimmerte sie nun wieder unter Tränen, doch das Gefühl der Schuld wegen seinen Schmerzen schnürte ihr die Kehle zu. Noch immer rang er mit sich, biss dabei fest auf den Knebel, und sein schmerzverzerrtes Gesicht, sowie die hastige Atmung machte ihr nur bewusst welche Tortour er nun ausstand und auch sein gequälter Anblick brannte sich förmlich in ihr ein. Viki trieb ihn zurück in seine Hölle, in seinen Alptraum, als er in Gefangenschaft schon mal auf die Art gefoltert wurde, und das nur weil sie zu unfähig war, einfach das zu tun was man von ihr verlangte! Sie hielt es nicht länger aus mit anzusehen wie Ryan litt, sodass sie wieder auf den Boden starrte und ihr Gesicht in den zitternden Händen verbarg, aber dennoch hörte sie, wie er erneut an seinen Fesseln zerrte. Er hatte verdammt große Schmerzen! Er litt nur ihretwegen! Wie sollte sie den Gedanken ertragen?! Sie hatte doch das dreckige Spiel mitgespielt. Vik hatte Lex trotz ihrer Angst geküsst, hatte sich zusammen gerissen, aber er nutzte ihren Alptraum aus und das würde er auch weiterhin tun. Was wenn sie wieder austickte? Wenn sie nicht anders konnte, als sich los zu reißen? Egal was sie tat, es würde dieser Luana nicht reichen. Sie sollte besser sein?! Wie sollte sie das machen? Sie ging jetzt schon über ihre Grenzen hinaus! So hilflos und verzweifelt hatte sie sich lange nicht gefühlt. Auch wenn sie es nie geglaubt hätte, aber das hier würde schlimmer werden, als ihre Begegnung mit den Demons. Viki war allein für Ryan verantwortlich und dabei wusste sie noch immer nicht, was die Psychopathen von ihr wollten! Würden die Wölfe sie umbringen? Die Demons hatten sie zurück gelassen, als sie ihren Spaß gehabt hatten. Vik war ihnen egal gewesen und sie hatte gehofft, dass sie schnell das Interesse an ihr verloren, wenn sie fertig waren und sie hatte doch nur deshalb das Ganze durchstehen können. Aber hier… hier wusste sie nicht, was sie erwarten würde, wie weit sie gingen, was sie sich noch ausdachten… Doch schon jetzt wollte die Wölfin, dass Vik sich mehr Mühe gab. „Ich kann es nicht! Ich hab alles getan und ich kann es nicht besser! Das ist nicht fair! Ich hab doch alles gemacht was ihr wolltet!“, schrie sie Lua verzweifelt entgegen. „Ihr… ihr verdammten …! Euch ist doch eh nichts gut genug! Habt ihr gar kein Mitleid mehr? Habt ihr all eure Menschlichkeit verloren? Ihr seid… seid doch nur noch …! Ist denn nichts mehr übrig von den Menschen, dir ihr vor dem Virus wart?! Ihr solltet… ihr verfi-… das ist nicht fair!“, schrie sie in ihrer Wut und verkniff sich zumindest die wüsten Beleidigungen, die ihr im Kopf ‘rumschwirrten, indem sie sich widerwillig auf die Lippen biss, krallte sich dabei mit den Händen in ihren Haaren fest, während sie um ihre Fassung rang. Auch wenn sie es los werden musste, das Ganze war nicht schlau und es hatte keinen Sinn, das wusste sie selbst, und Ryan würde wieder leiden… Ryan würde wegen ihrer Blödheit wieder bestraft werden, wenn sie so weiter machte! Ihre zitternden Knie gaben nach und ihre Hände fielen untätig in ihren Schoß, wo sie sich noch immer zitternd zu Fäusten ballten. Fast erwartete sie schon den nächsten Knall zu hören. Kniend saß Viktoria vor dem Zaun und sah die Anführerin wieder flehend an. „Bitte! Tut ihm nichts! Ich flehe Sie an… bitte… bitte, Miss Luana!? Es war meine Idee hier her zu kommen, ganz allein meine Idee. Er kennt sich hier nicht aus, ich hab gesagt die Gegend beim Park wäre sicher! Wir wollten nur Wasser, wir wollten niemanden verletzten, wir wollten schnell wieder weg. Bitte! Bitte lasst zumindest ihn gehen! Er hat noch Freunde, er hat noch Leute, die nach ihm suchen!“, flehte sie, wobei nicht mal Lex sie unterbrechen konnte. „Das hatten wir alles schon, Miststück.“, sagte er leise vor sich hin. Doch Viktoria fuhr unbeirrt fort: „Ich bitte Sie, Miss Luana, wir werden nie wieder in ihr Gebiet kommen, nie wieder in dieses Viertel! Lassen sie ihn zumin-“ , ihre erneute hastige Bettelei wurde abrupt von der Anführerin unterbrochen, während Lex einfach nur zu lachen anfing und sich eine neue Zigarette anzündete. „Halt deinen verdammten Mund und lebe mit den Konsequenzen“, knurrte sie drohend und doch in leisem Ton. Auch das Gesicht der Wölfin versprach ihr schon, dass sie keine Gnade finden würde, dass tatsächlich nichts menschliches da war und das Viki es mit jedem Wort nur schlimmer machen würde. Viktoria sah wieder zu Ryan auf. Wenn sie doch nur wüsste was sie nun machen sollte! Hilflos und verzweifelt suchte sie nach irgendwas in seinem Blick. Irgendwas, dass ihr verriet wie sie sich nun verhalten sollte. Tief in ihr wusste sie aber bereits die Antwort und bei der Erkenntnis schloss Viki die Augen, wobei sich weitere Tränen den Weg über ihre Wange suchten. Vik musste mitspielen, alles tun was sie verlangten, einfach ohne zu zögern machen, was man ihr sagte. Ryan würde alles mit ansehen, aber wenn sie alles mit sich machen ließ, dann hatte zumindest Ryan eine Chance lebend davon zu kommen. Hatte er das wirklich? Was wenn sie logen und ihn schließlich doch um brächten? Konnte sie überhaupt wirklich alles für ihn tun? Hatte sie eine Wahl? Nein, die hatte sie nicht. Vermutlich würde sie hier sterben, so wie Lex es ihr angedroht hatte: Nach ihren Tod bettelnd, während sie in ihrem eigenen Dreck und Blut lag. Sie senkte ergeben den Kopf, während die Tränen schwer auf ihre verkrampften Hände fielen und sie darauf wartete, das Lex sie rief, um ihr die nächste Aufgabe zu geben. Viktorias Resignation und ihr Flehen, ihre Verzweiflung nach dem Peitschenhieb drohten Ryan zu zerreißen, ebenso wie die abermaligen Schuldzuweisungen, nun direkt an Lua gewandt. Der pulsierende Schmerz an seiner Schulter war beinahe ein willkommener Rückzugsort, in den man sich zu leicht verlieren konnte, dem stetigen Fluss der warmen Röte folgend… Eingeständnisse die herbeigezogen waren und doch nichts auslösen würden, soweit war Ryan sich sicher. All das während der Knecht die nächste Aufgabe stellte, Viktoria tiefer in ihre persönliche Hölle sandte… Kapitel 18: Next Level ---------------------- Lex pfiff einen der Wolfsmitglieder zu sich an das Käfiggitter, dem er etwas zuflüsterte und der dann wegrannte. Nachdem der Wolf außer Sichtweite war und er nur einen kurzen Blick auf Lua geworfen hatte, richtete er sich wieder an Viktoria vor sich: „Tja, Miststück, sieht so aus, als hättest du Level zwei leider nicht erfolgreich bestanden. Luana hat das genauso erkannt wie ich. Aber ich bin kein Unmensch, du darfst das Level wiederholen und diesmal vielleicht deinen kleinen Soldaten vor schlimmeren Strafen bewahren.“ Der Second entfernte sich wieder ein bisschen vom Gitter und lief in die Mitte des Käfigs. „Hatte ich erwähnt, dass das Wiederholungslevel immer ein bisschen schwieriger als das eigentliche Level ist?“, fragte er gespielt unschuldig, „Habe ich wohl vergessen.“ Lex zuckte mit den Achseln. „Shit happens.“ Als Viktoria seine Stimme hörte erhob sie sich umständlich von selbst, konnte den Schmerz im Knie und Rücken dennoch nicht ganz verhindern, auch wenn es teilweise in den Hintergrund gerückt war. Ihr war bewusst, dass es weiter ging und das es nicht aufhören würde, bevor er nicht seinen Willen bekommen hatte. Zögern durfte sie anscheinend auch nicht mehr. Widerwillig drehte sie sich zu ihm um, vernahm dabei nur dumpf irgendwelches Gefasel wegen 'Wiederholung', aber so ganz kam sie da nicht mehr mit und sie versuchte es nicht einmal mehr. Lex kam wieder auf sie zu, aber Viktorias Blick blieb resigniert auf den Boden gerichtet. Auch wenn es diesmal nicht so nahe war wie beim letzten Mal, wuchs wieder die Angst vor der Aufgabe. Wieder ging der Wolf auf sie zu, kam allerdings in einer weit größeren Entfernung zum Stehen, als er es bisher getan hatte. Wieder lag das wölfische Grinsen auf seine Lippen. „Ich will, dass du dich ausziehst. Langsam, schnell, lasziv, pragmatisch – das ist mir eigentlich recht egal, so lange das Ergebnis stimmt. Luana und ich werden es auch deutlich einfacher entscheiden können, ob du die Aufgabe zu unserer Zufriedenheit erfüllt hast oder nicht. Nackt – bestanden, nicht nackt – nicht bestanden. Ist es nicht schön, wenn das Leben so einfach ist?“ Als er die Aufgabe aussprach, hallte es in ihren Gedanken einige Male nach: Ich will, dass du dich ausziehst. Ihr Körper zitterte nun wieder stärker vor Panik, wobei sie noch immer den Blick gesenkt hielt und die Lippen aufeinander presste. Ihr Atem beschleunigte sich leicht, während sich die Fingernägel der rechten Hand tief in ihr Fleisch der linken grub, wodurch sie versuchte nicht durchzudrehen. Vik versuchte ruhig zu bleiben, Ryan und alle anderen zu ignorieren, die außerhalb ihres Gefängnisses waren, die aber schon jubelnd ihre Begeisterung kund taten. Vik hatte es gewusst. Von Anfang an stand doch fest, wohin das hier führen sollte. Komplette Demütigung, vielleicht auch Wiederholung ihrer persönlichen Hölle und nichts konnte sie dagegen tun! Wenn doch nur Ryan nicht hier wäre, wenn sie doch einfach allein wäre, sie würde jetzt schon nach ihrem Tod betteln. Ryans stumme Rufe wurden durch den Knebel zurückgehalten, sollten Unterstützung und Verständnis ausdrücken, erstickt wie sie waren klangen sie in seinen eigenen Ohren nur nach Verzweiflung… Nun entfernte Lex sich einige Schritte von Viktoria und ging auf die Käfigtür zu. „Wenn du damit fertig bist, Miststück und damit Level zwei endlich erfolgreich abgeschlossen hast, folgt Level drei. Ja, du hörst richtig, ich sage dir schon die nächste Aufgabe, einfach weil ich fest an dich glaube“, er lachte kurz leise auf und fuhr dann fort, „Also, Level drei, besteht darin, dass du dich auf deine wunderschöne Knie begibst und deine oralen Fähigkeit unter Beweis stellst.“ Lex sah sie direkt an, wobei keinen einzigen Moment das dreckige Grinsen seine Lippen verließ. „Keine Panik, Miststück, du musst es nicht bei mir machen. Ich dachte da eher an meinen guten alten Freund hier.“ Cerberus deutete auf den Mann, der an der Tür stand. „Sein Name ist Zane, sei sanft mit ihm“, fügte er noch hinzu, „Und damit Zane keine Angst haben muss, dass sein Türsteherjob nicht ausgeführt wird, werde ich mich opfern. Ich sehe auch sehr gut von hier.“ Er ging noch einige Schritte auf den Wolf zu und flüsterte ihm etwas zu, wobei Lex‘ Grinsen noch breiter wurde, als er seinen Gegenüber ansah. Überrascht sah Vik jedoch auf, als er schon von der darauf folgenden Aufgabe anfing, dessen Inhalt konnte sie dann nicht fassen. „Nein!“, schrie sie sofort. „Ich… ich will nicht… ich… ich kann das nicht! Bitte… bitte… ich kann nicht…“, verstört sah sie zu Luana. Die Anführerin konnte doch nicht zulassen, dass er so etwas befahl? So über ihre Leute bestimmte? Immerhin schien der Typ genauso perplex wie sie. Die Pupille seines freigelegten Auges weitete sich, als Ryan die nächste Aufgabe vernahm, bereits gestellt bevor die vorhergehende überhaupt ausgeführt wurde. Das durfte nicht passieren, konnte nicht… Ein kurzes aufblitzen von Widerstand ging von Viktoria aus. Grund zur Hoffnung? Hatte sie sich wenigstens noch nicht vollkommen aufgegeben? Seine eigenen Kräfte waren erschöpft, verbraucht, schafften es kaum mehr sich zu mobilisieren, demoralisiert fanden sie nicht den geeigneten Treibstoff. Lex lachte leise auf, blieb allerdings neben Zane stehen. Danach machte er ein besorgtes Gesicht und begann mit sanfter, fast verständnisvoller Stimme sie anzusprechen: „Hey, Miststück, das kann ich verstehen. Du willst nicht. Du kannst nicht. Ist in Ordnung. Dann machen wir einfach was anderes, bin doch kein Unmensch. Mal sehen, was könnten wir da machen?“ Wieder begann er sich am Kinn zu reiben und so zu tun, als würde er nachdenken. „Wir könnten zusammen durch den Park streifen und einen schönen Blumenstrauß für Luana sammeln, da freut sie sich bestimmt riesig. Dann füttern wir noch ein paar Enten am Teich und dann lassen wir Steine über’s Wasser flitschen, wie findest du das?“ Cerberus hörte das Lachen seiner Männer hinter sich und auch er bekam das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht. „Oder… und da folge ich einfach mal einem spontanen Impuls, wir bestrafen meinen Kumpel Ryan dafür. Jep, finde ich besser. Wir nehmen das.“ Viki hoffte es, hoffte das irgendein Widerspruch von der Anführerin kam. Sie wollte nicht! Sie konnte nicht… Besonders nicht vor Ryan! Hektisch sah sie wieder zu ihm, sah ihn gleichermaßen flehend wie entschuldigend an. „Bitte… ich kann nicht… Es tut mir Leid. Es tut mir Leid… ich werd‘ nicht… ich kann nicht…“, flehte sie erneut mit zitternder Stimme. Ryan musste verstehen… er musste es einfach verstehen, dass sie nicht soweit gehen konnte! Aber damit würde er bestraft. Ryan würde wieder für ihre Sturheit bestraft. Aber dennoch… selbst ohne ihr Trauma… Ryan… er konnte doch nicht wollen, dass seine Freundin nackt, vor lauter Fremden, diesen Wichser wirklich einen blies, nur um anschließend von Lex oder gar den ganzen Rest vergewaltigt zu werden? Allein der Gedanke ließ sie hastig nach Luft schnappen. Wieder kam die Panik in ihr durch, als sie hyperventilierte. Langsam wurde ihr schwarz vor Augen, sodass sie sich erst hinhockte, sich aber dann doch auf den Boden setzte, sich zusammen kauerte und versuchte sich wieder einzukriegen. Vik biss sich in den Handrücken, konzentrierte sich nur auf den Schmerz im Körper, doch noch immer rasten ihre Gedanken, fanden keinen Ausweg aus der beschissenen Situation. Immer wieder konnte sie nur daran denken, was man von ihr verlangte, dass Ryan dafür ausgepeitscht wurde, wenn sie es nicht tat oder mit ansehen musste wie sie es taten. Was auch passierte, ihr Körper würde vorerst unversehrt bleiben. Was wusste sie schon welche Schmerzen Ryan durch machte? Wenn sie sich weiter so weigerte würde er dort einfach verbluten. Doch vorher würde er sie hassen! Vielleicht tat er es jetzt schon? Nur weil sie zu prüde war sich auszuziehen, würde er Schmerzen erdulden müssen, die für sie nicht mal vorstellbar waren. Vielleicht… vielleicht machte ihm das alles nichts aus sie so zu sehen? Sie hatten nicht drüber gesprochen, sie wusste nicht direkt wie er zu ihr stand. Bestimmt hatte sie zu viel hinein interpretiert und jetzt konnte er sie doch nur noch hassen! Sie wollte heulen, wollte weinen, doch ihre roten Augen hatten gerade keine Tränen mehr. Von der Anführerin kam kein Widerspruch. Sie würde es zulassen. Sie würde daneben stehen und zusehen, wie Lex sie zwang es einen dieser Perversen zu besorgen, bevor sie vielleicht weiter gingen, weiter sich mit ihr vergnügten, sie benutzten. Ryans verzweifelte Schreie zu hören, die sie daran erinnerten, dass er alles mit ansehen würde, war allein schon unerträglich. Die Gewissheit es wirklich unter seinen Augen tun zu müssen, raubte ihr jeglichen klaren Gedanken. Lex war klar gewesen, dass Lua nichts dagegen sagen würde, wurde Viktoria bewusst. Besonders als er anfing sie zu verhöhnen und sie mit seinen Männern aus zu lachen, wusste sie was für ein jämmerliches Bild sie abgeben musste. Vik senkte den Blick, verbarg ihr Gesicht hinter den zitternden Händen, kämpfte mit den Tränen und wollte nicht mehr dieses Grinsen sehen, während er ihr nun klar machte, was es bedeutete sich zu weigern: Luana würde Ryan bestrafen, ihn abermals auspeitschen und foltern, weil sie nicht das tat, was Lex ihr befahl. Ryan würde wieder leiden, weil sie zu unfähig war und sie schließlich hassen, weil sie zuließ, dass er die Peitsche der Wölfe erneut spürte. Dennoch wollte Viki lieber sterben, als sich nochmal solchen Monstern auszuliefern. Immerhin wusste sie welche Demütigung und Schmerzen folgen würden, wenn sie wie die Tiere über sie herfielen. Sie konnte das unmöglich nochmal durchstehen! Cerberus entfernte sich von Zane und ging ein paar Schritte auf Viktoria zu. Das Lächeln war verschwunden. „Ryan, es tut mir Leid! Ich wollte es nicht! Ich wollte das alles nicht! Es tut mir Leid… ich wollte doch… ich kann nur nicht… ich weiß nicht was ich…“, äffte er sie nach und sah sie wieder grinsend an, „Hast du noch vor ein paar Minuten deinem Kollegen entgegen geschrien, erinnerst du dich?“ Der Second ging einige Meter auf das Gitter des Käfigs zu. „Bro, das sieht schlecht für dich aus. Die Kleine scheint ja ‘ne Aufmerksamkeitsspanne von einer Fliege zu haben. Muss hart sein, wenn das eigene Leben in derart unfähigen Händen liegt. Und wir können doch ehrlich sein Bro, würde sie dich wirklich lieben, sie würde nicht zögern, denkst du nicht? Frag‘ dich selbst, Mann, hättest du auch nur einen Augenblick gezögert, um ihr Leben zu verschonen? Natürlich hättest du das nicht. Ich weiß es. Viktoria weiß es“, er machte eine kurze Pause und sprach dann ernst weiter, „Und du weißt es auch.“ Wieder drehte sich der Wolf zu Viktoria um, sah sie diabolisch an und kehrte zu seinem angestammten Platz neben Zane zurück. Die Argumente des Folterknechtes waren nur schwer von der Hand zu weißen, doch Ryan war Soldat, Viktoria nur eine Zivilistin. Er selbst hatte ein SERE Training abgeschlossen, wusste worauf es ankam und wie man die Chancen es zu überstehen erhöht. Er war vorbereitet worden, Viki nicht… Lex sprach die bittere Wahrheit aus, die Viki nun am wenigsten hören wollte. Er hatte recht, sie war unfähig, sie war feige und belog sich doch selbst. Ryan hätte nicht gezögert, er hätte alles getan und doch konnte sie hier nur ‘rumjammern und heulen, während sie ihm versichert hatte ihn zu lieben. Sie biss sich auf die Lippe, doch es nahm ihr nicht die Last, die ihr Herz, dass noch panisch in ihrer Brust hämmerte, so schwer werden ließ. Sie hasste sich selbst, kam sich so falsch vor, während sie noch immer untätig da saß und sich vor Angst nicht mal bewegen konnte. Ryan würde bluten und sie dafür hassen, dass sie dabei nichts anderes tat als zu zusehen und nicht mal versuchte ihn zu retten. Der kurze, vorsichtige Blick in Ryans Richtung, schien den Gedanken schon zu bestätigen, als sie in sein vor Wut verzerrtes Gesicht blickte, wobei er scheinbar versuchte den Knebel durch zu beißen. Hatte sie ihn enttäuscht? Hasst er sie wirklich schon? Galt sein Blick überhaupt ihr? Das konnte nicht sein! Das durfte es einfach nicht! Er wollte nur nicht, das Lex so etwas sagte, wollte sie nicht dabei sehen, das sie seiner Forderung nachgab. Aber... aber was wenn er wirklich glaubte, sie würde ihn nicht lieben und sie ihn einfach eiskalt auslieferte, weil er ihr egal war? Die ersten Klänge des Tages ertönten aus den Lautsprechern. Die ersten Töne von Joe Cockers „You can leave your head on“ liefen aus den Boxen und Lex grinste breit. „Wie du siehst, Miststück, wären wir dann soweit.“ Die Musik erinnerte sie daran, das man ungeduldig den nächsten Schritt von ihr erwartete. Viktoria zog die Knie näher ran, verbarg ihr Gesicht und konnte doch nur den Kopf schütteln. Das war ein schlechter Scherz. Das konnte nicht real sein. Sie war noch immer im Teppichgeschäft und hatte diesen Alptraum. Doch immer größer wurde der Druck, je mehr Sekunden verstrichen, je länger sie warteten und ihr Körper verkrampfte sich zitternd… Doch sie konnte nicht! Sie wollte nicht mehr! Warum sollte sie das überhaupt tun? Es hatte keinen Sinn! „Ihr bringt und ja doch um!“, schrie sie plötzlich. „Das… das alles… das alles hat keinen Sinn… Warum sollte ich mitspielen? Warum sollte ich noch irgendwas machen? Tötet mich doch gleich! Tötet mich… bringt mich doch einfach um“, fügte sie verzweifelt, immer leiser werdend, hinzu, wusste aber doch genau, dass die Wölfe sie weiter dazu zwingen würden, das zu tun was sie wollten. Weiterhin saß sie nur da, konnte sich einfach nicht bewegen. Selbst wenn sie es noch wollte, ihr Körper ließ es nicht mehr zu. Das ganze war ein Alptraum, nur ein Alptraum… irgendwann würde sie aufwachen und nichts wäre passiert. Es war alles in Ordnung. Das hier war nur ein böser Traum. Viki wollte daran glauben, wollte nichts mehr sehen, nicht mehr hören oder fühlen. Einzig und allein wollte sie nur noch aufwachen… Lex kam auf sie zu, hockte sich neben sie und strich ihr, etwas fester als es nötig war, über den Rücken. Für Außenstehende würde es wahrscheinlich nach einer tröstenden Geste aussehen – er und Viktoria wussten es besser. „Ach, Miststück, das brächte ich nicht über mein kleines Herz, dich einfach hier und jetzt umzubringen.“ Er verstummte für einen Augenblick und griff sich wirklich mit der freien Hand an seine Brust. „Nein, das könnte ich wirklich nicht. Es schockiert mich, dass du glaubst, ich könnte es. Denkst du denn, ich habe gar kein Mitleid? Glaubst du, ich habe all meine Menschlichkeit verloren? Dass nichts mehr von dem Menschen übrig ist, der ich vor Ausbruch des Virus war?“ Er hörte das dreckige Lachen seiner Wölfe im Hintergrund und auch ihm lag wieder ein Grinsen auf den Lippen. Vik zuckte bei seiner Berührung zusammen, verkrampfte sich, während sie kurzes einen schmerzvolles „Bitte nicht!“, wimmerte. Doch sie wehrte sich nicht, saß nur weiterhin da, hoffte das alles bald vorbei war. Aber machte sich abermals über sie Lustig, während er sein Spiel weiter trieb. Man merkte wie viel Freude es ihm machte, welches Vergnügen er empfand sie so zu quälen und nichts konnte sie dagegen machen, niemand würde einschreiten, niemand würde ihr und Ryan noch helfen. Er näherte sich ihrem Ohr und flüsterte nun: „Außerdem habe ich dir bereits gesagt, wie du sterben wirst. Nicht während du mich aufforderst es zu tun. Es war flehend, nachdem du alles verloren hast – auch deinen Freund. In deinem Blut, deinem Erbrochenen und wahrscheinlich in deiner eigener Pisse. Ganz allein. Mit nicht mehr als diesen wunderschönen Erinnerungen, die ich dir hier gerade beschere“, kurz machte er Pause, zog an der Zigarette und fuhr unbeirrt fort, „Aber bleib ruhig hier sitzen, wenn du willst. Jammere noch ein bisschen vor dich hin, ich bin der Letzte, der dich davon abhalten wird – dafür genieße ich den Anblick viel zu sehr, weißt du? Und in der Zwischenzeit werde ich zusehen, wie Luana deinen Soldaten bestraft. Wie immer wieder ihre Peitsche auf ihn niederfahren wird, tiefe Risse in seiner Haut hinterlassen wird. Seine dumpfen, lautlosen und ungehörten Schreie werden an mein Ohr dringen. Ich werde zusehen, was Luana außer der Peitsche sonst noch für ihn hat. Und dann, liebste Viktoria, werde ich zusehen, wie er stirbt. Wie er langsam ausblutet, wie er röcheln wird, wie er sich instinktiv an sein Leben klammern wird, in tiefer Gewissheit, dass er es verlieren wird und viel wichtiger, wem er das zu verdanken hat. Bleib sitzen, Viktoria, das scheint mir tatsächlich eine gute Entscheidung zu sein. Bleib wo du bist, beginn zu beten und erwarte erst seinen und dann deinen sicheren Tod. Es lohnt sich nicht zu kämpfen, nicht wahr? Sicher, ihr könntet frei kommen, wenn du brav bist, aber du hast Recht, wenn du diese Chance nicht einmal nutzen willst. Er ist doch nur irgendjemand, da lohnt sich die Mühe gar nicht. Oder doch, Viktoria? Willst du ein braves Mädchen sein, Viktoria? Willst du?“ Lexington nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette, sah die offene Stelle an der Hose, wo Viktorias verletztes Knie war und drückte die Kippe darauf aus. Wieder zitterte Viktoria vor Angst, die sie fast um den Verstand brachte, als er ihr so nahe kam und weitere Versprechungen machte, wie sie sterben würde. Das Bild was er ihr beschrieb fraß sich förmlich in sie ein. „Hör auf! Bitte!“, wimmerte sie leise. Sie wollte es nicht hören! Wollte es nicht vor ihren geschlossenen Augen sehen und doch wusste sie, dass es genauso kommen würde wie er es beschrieb: Ryan würde wegen ihr sterben, würde mit zerfetzten Rücken ausbluten, würde schreien, sich vor Schmerzen in den Ketten auflehnen und doch nur aufgeben können, mit dem Wissen, dass sie allein an allen Schuld war. Er würde sich wünschen sie nie getroffen zu haben, würde sie hassen und mit den Gedanken sterben. Erst dann würde Lex auch ihr einen langsamen Tod bescheren. Der Wolf sprach weiter auf sie ein, redete ihr weiter ins Gewissen und jede Frage hallte schwer in Gedanken nach, während sie noch schmerzvoll zusammen zuckte, als er die Zigarette an ihr ausdrückte: Es lohnt sich nicht zu kämpfen, nicht wahr? Er ist doch nur irgendjemand, da lohnt sich die Mühe gar nicht. Oder doch, Viktoria? Willst du ein braves Mädchen sein, Viktoria? Willst du? Sie wollte die Chance nutzen, aber er log! Er würde sie nicht gehen lassen, er würde sie umbringen! Oder nicht? Sie sah es doch! Sie sah es an seinen Augen! Er wollte Rache, wollte sie umbringen! Er hatte es ihr doch angedroht, dass er sie selbst jagen würde, wenn sie flohen! Es hatte keinen Sinn, absolut keinen Sinn. Aber… man hatte sie schon mal gehen lassen, damals bei den Demons. Sie war brav gewesen, hatte alles gemacht was sie wollten, hatte es still über sich ergehen lassen, bis sie das Interesse an ihr verloren hatten. Was, wenn es dieses mal genauso war? Wenn er nicht log, wenn sie wirklich eine Chance hatten? Ryan war nicht irgendjemand! Nicht für sie! Nicht mehr! Nicht nach diesem Tag! Er hatte sie versorgt, beschützt, getröstet, er war für sie da gewesen, er war der Einzige, der sich noch für sie interessierte! Kurz war Vik davor ihm zu antworten, einfach leise vor sich hinzu murmeln, dass sie ein braves Mädchen sein wollte, doch hörte sie plötzlich Ryans Schrei und nur ein leises Wimmern kam über ihre Lippen. Der Schrei war für sie unerträglich. Ryan hasste sie. Es ging nicht anders, er musste sie hassen… Doch sie sah nicht auf, wollte nicht wissen, was da gerade passierte… Er sollte still sein! Sie alle sollten einfach still sein! Sie in Ruhe lassen! Was sollte sie denn tun? Alles was sie tat war falsch! Dennoch wurde sie von der Schuld an seinen Schmerzen erdrückt. Sie wollte nicht, dass er litt. Sie wollte nicht, dass es so weit kam. Wären sie doch nur im Teppichgeschäft geblieben, hätte sie ihn doch nie dahin gebracht, hätte sie ihn einfach auf der Straße liegen lassen, wäre ihm nie in das Haus zurück gefolgt, hätte ihn ihr Messer in den Rücken gerammt, als sie auf der Flucht vorbei gerannt war… Alles… Alles wäre besser gewesen. Hätte sie sich doch nie in ihn verliebt! Doch es war zu spät. Sie ertrug es nicht… sie ertrug es nicht ihn ein weiteres mal schreien zu hören… wie weit würde sie gehen? So weit sie konnte… Hauptsache sie müsste ihn nicht wieder Schreien hören… Ryan betete, dass Viktoria sich nicht von diesen Sticheleien beeindrucken lassen würde, fixierte den rauchenden Handlanger, wetzte erneut gegen den Knebel, wollte im Gift und Galle entgegenspucken, ihn erneut an sein Versprechen erinnern, welches er verfolgen würde wenn er hier rauskommt. Doch mit einem Mal ließ ihn eine Ohrfeige sich aufbäumen, seine Sicht für einen Moment verschwimmen, als er stumm und erschrocken aufschrie, nein mehr als eine simple Ohrfeige. Ein kurzer Ruck der Anführerin an seinem Gesicht folgte, ein weiteres Feuer gesellte sich in die Reihen seines geschundenen Körpers, nahe von seinem verbundenen Auge. Fuck! Er hatte die Frau beinahe komplett vergessen, spürte nun die warme Flüssigkeit auch an seinem Gesicht entlang rinnen. Was war geschehen? Sein Blickfeld war getrübt, verschwommen, die Welt um ihn nur durch einen roten Schleier zu erahnen… Kurz ließ er sich in den Ketten hängen, hätte sich am liebsten um die neue Blutungsquelle gekümmert. Er spürte das Blut bereits von seinem Kinn tropfen. Der Initial, durch den Schrecken versäumte Schmerz, schien sich nun pochend von Sekunde zu Sekunde zu verdoppeln, stetig zu steigern. „Siehst du, Viktoria, es hat begonnen. Das Ende deines Soldaten wird gerade eingeläutet. Was meinst du, wie lange hält er durch. Du kennst ihn länger und besser als ich. Glaubst du, er wird stumm deinen Namen schreien? Dein Name, die letzten Worte auf seinen Lippen? Welch ein romantischer Gedanke und wie dumm er gleichzeitig ist, nicht wahr? Immerhin wirfst du ihn hier den Wölfen zum Fraß vor. Aber du hast ja bereits durch deine Weigerung bewiesen, dass du ihn nicht sonderlich liebst. Solltet ihr das hier wirklich überleben und du tust gerade alles, um das Gegenteil herbei zu führen, wird er das sicherlich nicht vergessen. Wie könnte man das auch? Wenn man so im Stich gelassen wurde, wenn ein Mensch einen so – Obacht – hängen gelassen hat?“, der Second lachte kurz und richtete sich wieder zu voller Größe auf. Wieder ging er in die Richtung der Käfigtür. Lex weitere Worte machten es nicht besser. Erneut sprach er aus, was sie eh schon dachte: Sie hatte ihn ausgeliefert, hatte ihn im Stich gelassen, gerade jetzt wo er auf sie angewiesen war und das nur weil sie sich weigerte sich auszuziehen. Doch Lex hatte unrecht! Sie liebte ihn! Sie liebte ihn wirklich! Auch nach nur einen Tag war sie sich da sicher. Selbst wenn er ihr nie verzeihen würde, selbst wenn er bereute sie je getroffen zu haben, Viki wollte ihn nicht mehr schreien hören. Ihre Hände fanden ihren Weg ganz von allein zu ihrem Hemd. Langsam begann sie damit es auf zu Knöpfen, auch wenn ihre zitternden Hände es ihr nicht einfach machten. Ebenso zögerlich begann sie es zusammen mit ihrer Jacke auszuziehen, stockte aber einige male, als ihr verbrannter Rücken sie quälte. Das sie somit Ryan und auch Lua die Folgen der ersten, kurzen Folter präsentierte, daran dachte sie nicht mal. Eigentlich waren ihre Gedanken einfach still, als sie die Schuhe und Socken ebenso abzustreifen, um dann auch Gürtel und Knopf der Hose zu öffnen, damit sie auch diese, von ihrer Knieverletzung etwas behindert, ausziehen konnte. Schon jetzt spürte sie die Blicke wie Messerstiche auf ihren Körper. Wieder zögerte sie kurz, als sie nur mit Schal, Verbänden und Unterhose da saß und noch immer nicht wagte aufzuschauen. Apathisch begann sie leicht mit den Oberkörper vor und zurück zu wippen. Stumm machte sie sich daran den Verband abzuwickeln, wobei sie routinemäßig den Verband in ihrer Hand gleichzeitig wieder aufrollte. Es war leichter, wenn sie an der Gewohnheit festhielt. Als der Druck der Wickel am nackten Oberkörper fehlte, sich wieder das ungewohnte Gefühl der Blöße und Schutzlosigkeit einstellte, versuchte sie nur daran zu denken, wie Ryan sie verwöhnt hatte. Wie er liebevoll über ihren Körper streichelte. Dennoch zitterte ihr Körper vor Angst. Besonders als sie sich auch ihrer Unterwäsche entledigte fing ihr Herz wieder an zu rasen. Kurz schloss sie die Augen, kuschelte sich regelrecht in ihren Schal, das einzige Kleidungsstück was ihr noch trügerische Sicherheit suggerierte. Zögerlich und langsam zog sie auch diesen weg und legte ihn zu den anderen Sachen neben sich. Die dreckigen Rufe der Männer, das Grölen und Jubeln um sich versuchte sie zu ignorieren, aber es gelang ihr nicht völlig. Wieder kauerte sie sich komplett zusammen und wollte vor Scham und Angst im Boden versinken. „Shhh, es ist nur ein Traum, Vik. Wir sind hier in Sicherheit“, sagte sie laut zu sich, um alles andere zu übertönen und wiederholte nur die Worte in dem Laden, als Ryan sie in ihrem unruhigen Schlaf beruhigen wollte. „Jetzt dreht sie durch“, sagte Lex vor sich hin, als er Viktorias Worte hörte. „Viktoria, es ist nichts passiert… Du hattest einen Albtraum“, sprach sie weiter und hoffte einfach aufzuwachen, doch es klappte nicht. Viki zitterte vor Angst und nun auch vor Kälte. Doch ihre Zuflucht half ihr irgendwie. In Gedanken war sie wieder in Ryans warmen Armen, wo sie sich so geboren gefühlt hatte, nachdem sie vor Angst fast zusammen gebrochen war. „Ich bin da, du bist hier in Sicherheit, Ich werde dir kein Leid zufügen… niemals. Ich lass nicht zu das dir hier etwas passiert, ich bleib bei dir, du bist hier in Sicherheit...“, wiederholte sie weiter laut und wollte daran glauben. Wollte so sehr glauben, dass alles noch in Ordnung war. Abgelenkt durch die Schmerzen wurde Ryan nun, angespornt durch die jubelnde Geräuschkulisse um ihn herum, erneut auf das Geschehen im Käfig aufmerksam. Viktoria hatte sich doch tatsächlich in der Mitte der Meute entkleidet… Nun war der Treibstoff gefunden, erneut rasselte er an seinen Ketten, schrie gegen einen Knebel an, der sich bereits rötlich mit der allgegenwärtigen Flüssigkeit vollsog. Sie dürfte doch nicht kapitulieren… nicht einknicken. Joe Cockers bekannte Melodie, die makaber im Hintergrund lief vernahm Ryan erst jetzt. Es gelang Viktoria nicht Ryans neue, wütende Schreie zu ignorieren. Wieder ging ein Zittern durch ihren Körper, als sie hörte wie er sich plötzlich gegen die Ketten auflehnte, wie er lauthals schrie und es doch nur dumpf zu ihr durchdrang. Noch immer traute sie sich nicht auf zusehen, um zu erfahren welche Qualen er nun durch machte, was sie ihn diesmal angetan hatten, warum er nun noch wilder wurde. Viki wollte es nicht wissen, sie wollte alles vergessen, wollte glauben, dass es nur ein Alptraum war, dass alles hier bald vorbei war… „Aufstehen!“, befahl Lex. Ausdruckslos sah sie auf und erst zu Lex und auch zu Luana, nur Ryan sah sie nicht mehr an. Viki hätte es nicht ertragen können den Hass nun auch in seinen Augen zu sehen. Die Wölfe waren nicht mit ihr fertig, das wusste sie und sie würde sich weiter fügen. Je eher sie weiter machten, desto eher wäre alles vorbei, so einfach war es doch? Bis dahin sollte zumindest Ryan nicht unnötig leiden müssen. Sie wollte nicht das Gefühl haben seine Wunden eigenhändig aufzureißen, ihre Hände mit seinem Blut zu beschmutzen. Bevor die Wölfe die Gelegenheit bekamen in wieder zu bestrafen, stand Viktoria mit leicht schmerzverzerrten Gesicht wieder auf, als sie ihr Knie falsch belastete. Aber der Schmerz war nichts im Vergleich zu dem was Ryan durch stand. Das hielt sie sich immer weiter vor Augen, während sie kläglich versuchte sich noch irgendwie mit den Händen zu bedecken. Lex musterte sie von oben bis unten. Er sah in ihre Augen, lächelte erneut als er sagte: „Viktoria, es ist etwas passiert… Du hattest keinen Alptraum.“, wiederholte er abgewandelt ihre eigenen Worte. Wieder hörte er das Gelächter hinter sich. „Nun denn, dann kann das nächste Level ja beginnen.“ Doch Ryan schrie weiter wie am Spieß, wehrte sich weiter gegen die Fessel und Viki hielt es nun doch nicht länger aus und wagte zögerlich einen Blick. Als sie nun doch zu Ryan sah, wusste sie plötzlich den Grund für sein toben. Einen Moment konnte sie nicht anders, als ihn geschockt anzusehen und auf die Blut getränkte Augenbinde und Knebel zu starren. Vik wurde noch bleicher und fing etwas stärker an zu zittern, als ihr bewusst wurde, dass sie ihm sein linkes Auge ausgestochen haben mussten! Sein Blut lief hinter der Augenbinde sein Gesicht hinab und tropfte auf die Erde, wo es sich langsam zu sammeln begann. Ihr wurde schlecht, als sie daran dachte welche Schmerzen er haben musste und welches Bild sich ihr ohne Augenbinde bieten würde. Wegen ihr hatten sie ihm das angetan, weil sie sich geweigert hatte, weil sie sich nicht ausziehen wollte. Hätte sie doch gleich getan was sie verlangt hatten! Es war ihre Schuld… allein ihre Schuld… Den Blick leer auf den Boden gerichtet, ließ sie auch die nächsten Sticheleien von Lex an sich vorbei ziehen, machte stattdessen die ersten zögerlichen, schmerzvollen Schritte auf Zane zu, um die nächste Aufgabe hinter sich zu bringen. Vik würde sich nicht mehr wehren, nicht mehr schreien und um Gnade betteln. Sie hatte schon verloren und war entschlossen wirklich alles zu tun, alles was er verlangte, solange er Ryan nun verschonen würde. Wer wusste schon, was Lua ihm sonst noch alles antun würden? Vielleicht hatten sie wirklich Glück und konnten das hier irgendwie überleben? Auch wenn sie selbst nicht mehr daran glaubte. Viktoria versuchte es auszublenden, nicht weiter nachzudenken, flüchtete sich gedanklich zurück an ihre letzte glückliche Erinnerung ins Teppichgeschäft mit Ryan, die doch noch immer so frisch und unwirklich zu sein schien. Dabei hörte sie für sich wohl vertraute Klänge, spielte dabei erneut die Töne mit, während ganz leicht ihre linken Finger zuckten, als würde sie die Seiten der Violine greifen. Es war seltsam, dass ihr in der Situation nichts besseres in den Sinn kam als „fear not this night“, ein Lied zu einem Spiel, welches sie niemals wie versprochen zu Weihnachten bekommen würde, dennoch gern für ihre Geschwister gespielt hatte, als diese erkrankt waren. Wie bei dem letzten durchlebten Alptraum, flüchtete sie vollkommen in ihre Gedanken, in denen es nichts anders außer ihre Musik und dieses mal auch Ryan gab. Nach wenigen Schritten war sie bei Zane angekommen, ging vor ihm auf die Knie und öffnete mit zitternden Händen seine Hose … Kapitel 19: Der Gott des Chaos ------------------------------ „Nicht so schnell!“, hörte Ryan plötzlich. Ein lautstarkes intervenieren von Seiten der Anführerin ließ seine Rage für einen Moment erlöschen. Hatte sie sich nun doch ein Herz gefasst? Vik zog daraufhin erschrocken ihre Hände zurück, während Zane sich bekleidete. „Zieh dich wieder an Mädchen“, zischte Zane zu Viki, die daraufhin vom Boden auf sprang und ihn verstört fragend ansah. Unsicher suchten ihre Augen erst Cerberus und dann Luana, bevor sich ihr verwirrter, leerer Blick wieder auf den Boden vor Zane richtete und sie sich noch immer nicht bewegte. Plötzlich weiteten sich ihre Augen und ihre Hände bedeckten sofort ihre Narben an Brustbein und Bauch. Gedemütigt und verwirrt wendete sie sich etwas von ihm ab. Zane stellte sich Cerberus in den Weg, dessen Grinsen ebenso seiner Verwunderung gewichen war. Fassungslos sah Cerberus die Anführerin an, während Zane sich direkt an Luana wandte: „Herrin, gebt Ihr Eure Zustimmung, dass während des Aufenthalts in diesem Käfig jegliche Machtunterschiede aufgehoben sind?“ Während der Folterknecht erst fragend zu Zane und dann zu Luana sah, nickte diese: „Ja, ich gebe meine Zustimmung.“ Ryan sah ebenso verwirrt auf die neue Szenerie vor ihm. Anscheinend schien die Anführerin noch etwas anderes zu planen oder schon die ganze Zeit geplant zu haben? Aufmerksam und verwundert sah er dem bizarren Schauspiel vor ihm zu, so abstrus, dass er seine Wunden für einen Augenblick vergaß. Was passierte dort? „Wir sind wie zwei Frischlinge. Das hier wird kein Machtkampf, ich will nur Gerechtigkeit“, mit einem Ruck beförderte Zane, den sichtlich überraschten Folterknecht drei Meter nach hinten. Fast hätte er sogar das Gitter gestreift, konnte sich aber noch rechtzeitig abfangen. Vik war unterdessen mit einem kurzen, erschrockenen Aufschrei vor den beiden zurück gewichen, kam dabei dem Elektrozaun fast zu nahe und stolperte wieder ein paar Schritte nach vorn, bevor sie weiter irritiert den Männern zu sah. „Du wirst dir wünschen meiner Schwester niemals begegnet zu sein“, knurrte der Türsteher. Cerberus fing an zu lachen. „Darum geht es?“, fragte er und sah Luana lächelnd an, „Ist das dein Ernst?“ Cerberus blickte wieder zu Zane und sah ihn herablassend an. „Als wäre es die Kleine „Wert. Sie hat es gewollt, Zane. Zahara hat sich’s auf mir besorgt, wie eine läufige Hündin. Hat meinen Namen geschrien, immer und immer wieder. Glaub mir, sie hat es gewollt.“ Zane begann nach ihm auszuholen und wand sich zugleich immer wieder davon, wenn Cerberus einen Gegenangriff startete. Zunächst wichen sie sich immer wieder aus, anschließend kassierte Zane mehre Hiebe seitens Cerberus. Immer wieder verfehlte Zane den Folterknecht und bekam selbst einen tief sitzenden Schlag ab. Fassungslos starrte Ryan weiter auf die sich prügelnden Wölfe. Der Türsteher nahm sich den Folterknecht vor, eine unerklärliche Wendung der Geschehnisse und wäre der Knebel nicht im Weg gewesen, dann hätte der Soldat dem Schauspiel nun stumm mit offenem Mund beigewohnt. Während Cerberus Zane traf, ergriff der Türsteher den Arm seines Gegners mit festem Griff. Seine linke Hand krampfte sich in den Oberarm des Folterknechts, die rechte in seinen Unterarm. Mit einem Ruck, wobei er sein eigenes Körpergewicht zum schleudern einsetzte, warf er Cerberus durch das gesamte Arsenal. Der Folterknecht schlug hart auf dem Boden auf, wirbelte um sich selbst und hielt nicht einmal vor dem, unter Strom gesetzten, Zaun inne. Schmerzvoll jaulte Cerberus auf, als sein linker Arm an den Elektrozaun kam und der Strom durch seinen Körper jagte. Mit Mühe schaffte er es, die nötigen Zentimeter Abstand zwischen sich und den Zaun zu bringen. Dennoch zuckte der Körper unwillkürlich, während die Stromschläge weiter durch seinen Körper zuckten und ihn lähmten. Zane schritt auf ihn zu, zog ihn an den Haaren herbei und hinter sich her bis zu Viki. „Willst du dich rächen? Ich gebe dir die Möglichkeit ihm wenigstens eine Ohrfeige zu geben, wenn du dies willst.“ Abwehrend hob Vik ihre Hände und sah hektisch zwischen Lua und Zane hin und her, humpelte dennoch ein paar weitere Schritte am Zaun entlang, um zurück zu weichen, bis sie völlig in der Ecke gedrängt stand. Immer noch von der plötzlichen Prügelei verstört, starrte sie Zane mit überforderten Blick an, sah dann kurz ängstlich auf Cerberus, bevor sie Zane erneut anstarrte, rührte sich aber nicht weiter. Ihr leerer Blick wandte sich erneut von den Männern ab, während ihr gesamter Körper vor Angst zitterte. „Du mieses Schwein!“, schrie Zane, wollte erneut auf den Folterknecht ein prügeln, bis Luas Stimme erneut ertönte. „Aufhören!“, schrie die Anführerin der Wölfe plötzlich und Zane ging sofort auf Abstand, während sich Cerberus mit zittrigen Gliedern erhob. Kurz blickte dieser hinab in das verstörte Gesicht seiner Gefangenen und schenkte ihr ein kleines Lächeln. „So ist das manchmal unter Tieren“, erklärte er ihr, während sie zitternd einen Schritt von ihm weg machen wollte, aber doch nur regungslos stehen blieb. Keiner der Wolfsmitglieder wagte es einen Mucks von sich zu geben, während das Tier der Anführerin aus den Gebüsch auftauchte. Seine Lefzen hochgezogen präsentierte er knurrend seine messerscharfen Reißzähne. Er warnte vor jemanden, welcher ohne Scham und ohne Furcht in ihre Mitte trat. Es war ein blonder Mann, der feste Lederkleidung trug und eine Tätowierung am Unterarm hatte. Gefühlte Minuten waren für den Soldaten vergangen, auch wenn die Keilerei sicherlich nur Momente dauerte. Doch plötzlich war Stille eingekehrt und Ryan spürte wieder wie sein Blut an ihn hin ablief, sah, wie es zu seinen Füßen in den Boden versickerte. Die Ereignisse überschlugen sich, als die Aufmerksamkeit aller sich vom Käfig entfernte und zu irgendwelchen Neuankömmlingen wandten. „Was suchst du hier, Asgard?“, fragte Luana den blonden Mann sogleich forsch. Das Misstrauen war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ihr habt hier nichts zu suchen“, knurrte Luana leise, als sie die Verletzungen und blutverschmierte Kleidung der Frau betrachtete, die dem Neuankömmling folgte. Als Ryan sich zu der Blickrichtung, in die jeder sah, umwandet, dem neuen Zentrum der Obacht aller, konnte er zwei Personen aus dem begrenzten Augenwinkel ausmachen, die nach der Reaktion ihrer Wärter weder eingeplant noch erwünscht waren. Wage Hoffnung keimte auf, vielleicht war das ihre Chance? Mit leicht schmerzverzerrten Gesicht stand Vik noch nackt in der Kälte, als sie versuchte ihr verletztes Bein nicht weiter zu belasten. Ihr Körper zitterte, aber ihr Blick war weiterhin teilnahmslos auf den Boden gerichtet. Sie sah nicht einmal mehr auf, um zu sehen, was gerade um sie herum passierte. „Zieh dich gefälligst an!“, knurrte Cerberus ihr entgegen, wobei sie panisch zusammen zuckte. Ihr Peiniger war von dem Auftauchen des Asgard-Mitglieds sichtlich verärgert, versuchte nun den Blick von diesem auf Viktoria zu blockieren, indem er Viktoria hinter sich schob. Vik zuckte bei der Berührung ängstlich zusammen, sah Cerberus einen Moment verständnislos an, begann aber dann langsam sich wieder zu bekleiden, während der Wolf immer wieder nervös zu ihr sah, ob sie endlich fertig war. Der Neuankömmling genoss sichtlich die Aufmerksamkeit der ganzen Gang, lächelte, trotz der feindseligen Blicke, freundlich vor sich hin. Als er dann Ryan erblickte verfinsterte sich sein Gesicht. Danach drehte er sich zu Luana um und betrachtete sie. „Guten Tag. Sie müssen Luana sein, stimmt‘s? Mein Name ist Loki, linke Hand des Gottvaters Odin. Ich bin hier um mit Ihnen zu sprechen, in friedlicher Absicht. Ich hoffe ich störe nicht?“ Dann hob er seine linke Hand, in welcher er eine Granate hielt und zeigte sie herum, woraufhin ein schockiertes und alarmiertes Raunen hörbar wurde. „Dies ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, für den Fall das Ihr oder Eure Leute meine friedlichen Absichten verkennen. Also bleiben wir lieber gesittet, schließlich sind wir alle erwachsen. Heute muss niemand sterben, aber es könnten viele. Also bleibt hier, denkt nicht daran zu gehen bevor wir unser Gespräch zu Ende geführt haben.“ Lokis Gesicht blieb freundlich, ein makelloses Lächeln zierte seine Züge und seine Stimme blieb vollkommen ruhig. „Nun, ich bin mir sicher, Sie sind eine vielbeschäftigte Frau, Luana. Also will ich mal gleich zur Sache kommen. Sie haben gefragt was ich will? Ich will und werde Eure beiden Gefangenen mitnehmen. Mehr nicht.“ Ein spöttisches Lächeln legte sich auf die Lippen von Cerberus. Die Worte, welche der Neuankömmling sprach, ließen auch Ryan für einen Moment an seiner Vigilanz zweifeln. Dieser Loki wollte sie hier ‘rausholen? Konnte das wahr sein? Oder spielten ihm seine Sinne und Gedanken nur einen makaberen Streich? Woher wusste er, dass sie hier gefangen waren? Und weshalb sollte er bestrebt sein sie mit sich zu nehmen? Hieße es für Viktoria und ihn vielleicht gar keine Besserung der Umstände? Schließlich sprach er von einem Göttervater, nicht gerade vertrauenerweckend. Es sprach doch eher für einen weiteren Verrückten, dieser Gedanke wurde auch von seiner offen präsentierten Granate nicht gerade entkräftet. Viele Fragen dieser Art kreisten in seinem Kopf, doch die müssten warten, zu viel geschah derzeit zu schnell… Sein Auge verließ für einen Augenblick den Fokus des Geschehens und blickte zu Viktoria in dem Käfig, sie war sichtlich mitgenommen, wirkte klein und verloren zwischen den offen einsehbaren Gitterstäben. Realisierte sie überhaupt noch was um sie herum geschah? Er hatte dies schon einige Male während seiner Einsätze gesehen, wie Leute abschalteten, wenn sie traumatischen Ereignissen ausgesetzt waren, Personen die sich wie bei einem ausgelösten Sicherheitsmechanismus ins Innere zurückzogen und in einem katatonischen Zustand abdrifteten… Er hoffte nur dass man sie dort wieder herausholen konnte, dass es nur einen kurzfristigen Rückzug darstellte. Plötzlich ergriff eine ihm unbekannte Frauenstimme das Wort und lenkten seine Aufmerksamkeit wieder auf das vor ihm liegende Geschehen. Sie gehörte zu einer mitgenommenen, unscheinbaren Frau, die bei weitem keinen so sicheren Eindruck machte, wie der Mann hinter dem sie stand. Sie trug viele Verbände, ihr Gesicht war übersät mit blauen Flecken und hatte, dem blutigen Verband nach zu urteilen, erst vor kurzem den kleinen Finger an der Hand verloren. Hatte er sie so zugerichtet? Aber dann würde sie ihm wohl nicht unbedingt in dieses Wolfsrudel folgen oder? „Uh … hey“, erübrigte sie schließlich kleinlaut und hob winkend die Hand. „Nines hier. Einfach nur Nines, passt schon.“ Ihre Granate fest in einer Hand gepackt, hob die junge Frau seufzend eine Hand an ihre Stirn. „Ich will mich nicht einmischen und so, echt nicht. Aber … ich kenn‘ den. Also, den hier, Loki.“ Sie deutete mit einem Finger auf den blonden Asen. „Der macht bei sowas echt keine Witze. Ich würd’s nicht ausprobieren wollen, wenn ich Sie wär; Miss. Der ist der Meinung, er wär’n Gott; der bringt’s auch fertig und sprengt sich selbst und uns alle anderen in ein neues Zeitalter, wenn es sein muss.“ Sie trat einen kleinen Schritt von Loki weg, stellte sich auf die Zehenspitzen und warf einen genaueren Blick rüber zu dem Käfig und zu Ryan, der in direkter Nähe angebunden war. „Können die Leute, die hier weg wollen, sich kurz melden?“, rief sie und behielt dabei vor allem den Käfig im Auge. „Also… alle außer der Vogelscheuche. Ich glaub, bei dem isses klar. Wäre echt unheimlich nett. Ich geb‘ zu, ich hab nicht gerade den Durchblick“, sagte sie und erntete von Loki einen missbilligenden Blick. Diese Worte rangen Cerberus ein deutliches Lächeln ab. Er drehte sich zu Viktoria um, suchte ihren Blick und fand ihn schließlich. „Wenn du es auch nur wagst einen Mucks von dir zu geben oder gar nur zu zucken, verspreche ich dir, Miststück, wird alles, was du bis jetzt erlebt hast, ein Spaziergang gewesen sein gegen das, was ich dir dann antun werde“, knurrte er ihr leise entgegen und Viktoria nickte nur eifrig zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte. Ihre Vorstellung und Frage wirkte für Ryan beinahe wie eine schlechte Slapstick-Einlage, meinten die beiden das wirklich ernst? Sprach sie ihn gerade wirklich mit Vogelscheuche an? Er musste sich ernsthaft überlegen, ob nicht doch vielleicht er es war, der noch vor allen anderen Anwesenden übergeschnappt war und sich diese ganze Show einbildete. „Meine Gefangenen? Ja natürlich, ein möchtegern Gott wie du einer bist, muss natürlich darum fragen“, kam es spöttisch von der Anführerin der Wölfe. „Zane, lass beide Gefangenen aus dem Käfig. McClean, hohl‘ mir den Mann von den Pfählen runter. Und pass‘ auf, wir wollen ja nicht das Loki einen seiner drei erschlichenen Gefangenen verliert.“ Ihr Blick war kalt und auf die Granate geheftet, während für einen kurzen Moment, Cerberus der Mund offen stehen blieb und Nines erleichtert aufatmete. Aber Loki schien kurz verwirrt, bevor er zu seinen überheblichen Lächeln zurück fand. Anscheinend zog Lua es tatsächlich vor sich keiner riskanten Auseinandersetzung entgegen zu werfen. Sie ordnete doch tatsächlich an sie frei zu lassen... Moment… warum sprach sie von drei Gefangenen? Hatte sie wirklich vor ihren Folterknecht mitzuschicken? Ryan konnte sich die Idee dahinter nicht wirklich erklären. Wollte sie ihn loswerden? Er selbst würde sicherlich mitspielen, bis sie etwas Zeit zwischen sich und diesem Pack gebracht hätten und dann wären diesmal sie in der Überzahl… Und tatsächlich, dieser McClean begann seine Fesseln zu lösen. Ungeduldig zog er bereits an den Strängen noch bevor er von ihnen befreit war, fühlte wie die Einschränkungen sich nach und nach lockerten. Als sich die letzte Schlinge löste und Ryan schlussendlich wieder Freiheit genoss, hatte ihn jedoch auch die Schwerkraft wieder. Nun nicht mehr von den Pfählen gestützt, gaben seine immer noch leicht relaxierten Beine der plötzlichen Belastung nach, was ihn veranlasste in die Knie zu gehen. Seine Hände arbeiteten derzeit hektisch an dem Knebel, bestrebt diesen zu lösen, zog er ihn nach einem ersten Lockern aus dem Mund. Sein erster Versuch nach Viktoria zu rufen kam kaum mehr als einem Krächzen gleich aus seiner Kehle. Sie kamen hier wirklich lebend raus wie es schien, die Tatsache der Granate und dem immer noch vorhandenen Risiko rutschte nach hinten, wurden von einer aufkeimenden Euphorie verdrängt. Einer Euphorie der sein Körper noch nicht vollkommen gerecht werden konnte. Sein zweiter Versuch sich aufzurichten schlug erneut fehl, als sein Blick kurzweilig auf den Boden sank, sah er die deutlichen Blutspuren, die nicht vollkommen versickern wollten, spürte ebenfalls das noch immer herab rinnende Blut an seinem Gesicht, ein weiteren Fakt den er verdrängte. Er musste nach Viktoria sehen! „VIK!“ Nun lauter, sicherer, auch wenn seine Stimme noch mitgenommen klang war es besser… Seine Augen, oder vielmehr sein rechtes Auge ruhte auf Viktoria. Sein linkes hielt er reflexartig geschlossen, da das Rinnsal Blut weiterhin über das geschlossene Lied floss, welches von Lua durch einen Schlag mit einem Spezialring, dessen Spitze sich knapp über Ryans Auge, aber dennoch tief in sein Gesicht, grub, verletzt wurde. Viktoria, die mittlerweile wieder angezogen war, stand weiterhin teilnahmslos im Käfig. Die Geschehnisse schienen sich zähflüssig und in Zeitlupe abzuspielen, während er gefühlte Minuten auf eine Reaktion wartete, das Geschehen um ihn herum rückte in den Hintergrund, drang nur dumpf zu dem Soldaten durch. Für einen kurzen Moment erwiderte seine Viki den Blick. Was ihn unwillkürlich dazu veranlasste seine Statur ein wenig aufzurichten, soweit es ihm möglich war. Ihre Lippen begannen ein Wort zu formen, dessen Laut nie bei ihm ankam, stattdessen schloss sich der Mund wieder und sie wand sich in schmerzhafter Langsamkeit von ihm ab. Ein dumpfer diffuser Schmerz gesellte sich zu seinen anderen, deutlich schärfer begrenzten Leiden, tiefer… Vik war sichtlich nicht vollständig anwesend, wirkte apathisch. Ein Schutzmechanismus des Geistes schien sie wieder vom Geschehen entfernt zu haben. Auf was für eine Lichtung sie sich wohl zurückgezogen hatte? Würde sie überhaupt fähig sein wieder zurück zu finden? Der Sanitäter vermutete in ihr diesen Zustand, durch den leeren Blick, den er bei der ehemaligen Studentin feststellte, sollte durch dieses Wissen eigentlich gar nicht diesen Hintergründigen seelischen Schmerz spüren… Doch die spöttischen, herausfordernden Worte des Schwarzhaarigen, der sich vor Viktoria in sein Blickfeld schob, hallten in seinem Bewusstsein wieder. Die Worte die versuchten jegliche Gefühle in Frage zu stellen: Und wir können doch ehrlich sein Bro, würde sie dich wirklich lieben, sie würde nicht zögern, denkst du nicht? … Schwachsinn… aber dennoch, das nachäffen des Schwarzhaarigen, als er die Aufopferungsbereitschaft in Frage stellte, gepaart mit dem Lachen, es wiederholte sich stetig in seinen Gedanken. Schwachsinn! Der Cerberus ergriff die Hand Viktorias und lächelte sie an. „Du hast gehört, was der Onkel und die zwei netten Tanten gesagt haben, wir verschwinden jetzt.“ Dann zog er sie hinter sich her, wobei sie vor Schmerzen aufstöhnte, und ging auf die Käfigtür zu, die Zane ihnen öffnete. Gemischte Gefühle kamen in Ryan auf. Hoffnung auf eine reelle Chance zur Flucht, gepaart mit Unglauben und einer steigenden Skepsis. Konnte es wirklich so glatt laufen, wie dieser Ase es vorsah? Ryan glaubte nicht daran. Langsam richtete der Soldat sich auf, zu mindestens funktionierte dies mit einem Knie. Blutverlust, Verletzungen, die Relaxantien und die vorangegangene Fixierung hatten jegliches Körpergefühl aus ihm verbannt. Nur langsam fingen seine Muskeln wieder an ihm zu gehorchen, auch wenn er sie dazu zwingen musste. Er war an einem Punkt angekommen, an dem er sich seines eigenen körperlichen Zustandes nicht mehr vollständig bewusst war. Die Erschöpfung zusammen mit dem, durch einen ureigenen Überlebenswillen vorherrschendem Wissen, dass dies nun die einzige und letzte Chance für sie war, sorgte dafür, dass er die meisten Handicaps überwinden konnte um zu überleben. Von dem Schwarzhaarigen, der begonnen hatte mit gespanntem Bogen die Neuankömmlinge zu bedrohen, bekam Ryan nur am Rande etwas mit. Ryans Aufmerksamkeit ruhte weiterhin auf der allein zurückgelassenen Viktoria vor der Tür des Käfigs. Sie stand immer noch dort, wo der Wolf sie allein gelassen hatte, um sich den Neuankömmlingen zu widmen und starrte zitternd zu Boden, sichtlich überfordert mit der Situation. Er musste aufstehen und zu ihr! Ihr helfen von dieser Lichtung wieder zurück in die Realität zu finden! Er musste... ! Gerade als er den scheinbar unüberwindbaren Widerstand, den ihm seine Muskeln boten, brechen wollte, brach um ihnen herum die Hölle aus. Was war passiert? Gangmitglieder setzten sich in Bewegung… War ihre Chance schon vertan? Sollte es das gewesen sein? Hatten sie zu viele Sekunden ungenutzt verstreichen lassen? Doch sie schienen gar nicht das Ziel der Umstehenden zu sein. Schienen beinahe am Seitenrand vergessen worden zu sein. Die Wölfe nahmen anscheinend die Verfolgung der plötzlich und überstürzt fliehenden Neuankömmlinge auf. Was war genau passiert? Unwichtig für Viktoria und für ihn. Wichtig war nur das sie die große Chance nutzten die sich ihnen jetzt bot. Und tatsächlich, gerade als er den Widerstand der Medikamente brechen wollte, warf sich eine Gestalt vor ihm auf den Boden. Viktoria! Sie hatte anscheinend aus eigenem Antrieb die Lethargie überwunden. Sie sah ihn noch immer mitleidig und schuldbewusst an, während ihr erneut die Tränen kamen. Ihre Hände hingen noch in der Luft, da sie sich nicht traute ihn anzufassen. „Ryan, ich…“, begann sie zögerlich und leise, doch weiter kam sie nicht, bevor ihre Stimme weg brach und sie sich weinen an seine linke Schulter lehnte. Ihre linke Hand legte sich an seine Hüfte, die rechte wanderte an sein linkes Schulterblatt, drückte ihn zumindest ein wenig an sich. Zitternd und weinend krallte sie sich leicht in seine Sachen. Ryan sah ihre Tränen und die Trauer in ihren Augen, ehe er ihre Berührung spürte, einen Kontakt den er nicht mehr erwartet hatte je wieder spüren zu können. Ein Kloß setzte sich in seinem Hals fest. Damit gerechnet hatte er keineswegs mehr, erst jetzt wurde im vollends klar wie nah er innerlich schon gewesen war einfach abzuschließen. Seine Arme, trotz schmerzender Schulter, umschlossen ebenso Viktoria wie sie ihn umschloss. Wieder vereint! Doch dafür waren weder der richtige Ort und vor allem nicht die richtige Zeit, um den Moment zu genießen. Sie mussten handeln. Das Wiedersehen musste warten. Als Viktoria ihre Sprache wieder fand, brach es einfach aus ihr heraus, auch wenn ihre Stimme die ganze Zeit über eher ein fast tonloses Flüstern war: „Es tut mir Leid, ich wollte nie das es so weit kommt, wollte nicht das sie dir was tun. Ich hatte keine Ahnung. Bitte verzeih mir! Ich werd‘ nicht mehr zulassen, das sie dir weh tun, ich werd‘ ein braves Mädchen sein, werd‘ tun was sie sagen, bitte hass‘ mich nicht! Ich wollte das nicht, aber er hat gesagt er wird‘ uns jagen, er wird uns finden und er wird‘ dich töten! Er sagte er will mir alles nehmen, will mich zerstören, will dass ich im eigenen Dreck und Blut um meinen Tod bettel‘, aber erst wird er dich töten! Er will dich töten und sich dann meinen Körper nehmen. Ich wusst‘ nicht was ich tun sollte! Ich wollte nicht das sie dir das antun! Bitte hass‘ mich nicht, bitte… Er wird dich jagen, du musst hier weg! Vielleicht, wenn ich hier bleib, wenn ich brav bin, dann wird er dich vergessen. Du musst hier weg, darfst nicht sterben, musst zum Versteck nordwestlich der Uni, Tempeltonstreet 83, mit Efeu bewachsenen Haus, durch den Keller in den Dachboden gehen. Unter den Dielen sind Vorräte für ‘ne Woche und Verbandszeug. Bitte du musst gehen, er darf dich nicht… er darf nicht… ich will nicht das du… ich wollte nie dass sie dir das an tun… bitte verzeih mir! Ich werd‘ brav sein, ich werd‘ ein braves Mädchen sein… sie dürfen dir nichts mehr tun, ich will nicht dass sie dir wieder weh tun…“ Langsam richtete er sich mit ihr zusammen auf, gemeinsam viel es ihm leichter die Kontrolle über seine betäubte Motorik zu finden. Doch das wirre Gestammel seiner Partnerin ließ Sorge in ihm aufkeimen. Sie schien die Chance nicht zu sehen, wirkte gebrochen… Anscheinend hatte dieser Cerberus sein Ziel erreicht… Zögerlich ließ er von Viktoria ab, hielt sie an ihren Schultern für einen Moment auf Abstand, als er ihn ihre Augen blickte. Was er sah schmerzte ihn, die Leere, Verzweiflung und Resignation. Der Druck auf seine Schultern wurde energischer, zwingender. Sie mussten handeln, ihre Chance nutzen! „Vik! Hör auf! Vik, bitte… Wir müssen hier jetzt weg! Gemeinsam… Du musst dich nicht entschuldigen…“ Doch es schien kaum zu ihr durchzudringen, ihre Entschuldigungen und ihr ständiges Versprechen brav zu sein und hier zu bleiben, damit er verschont wurde, sprudelten aus ihr hervor. Es wiederholten sich ständig. Sein eigener Ausdruck war gequält, seine Stirn lag sorgenvoll in Falten. Doch sie sprach unter Tränen ununterbrochen weiter: „...sie dürfen dir nichts mehr tun, ich will nicht dass sie dir wieder weh tun! Er wird kommen, will dich umbringen, nur wegen mir! Er sagte er will mir mehr als weh tun, will meine Seele zerstören, will mich quälen bis er mir erlaubt zu sterben, er wird nicht aufhören zu jagen bis er seinen Willen hat. Ich solle beten, beten das er uns nicht schnell wieder findet... ich wusste nicht weiter... wollte das alles nicht mehr... aber er... er hat dir... du hast meintet wegen... es... es tut mir Leid... ich werd‘ tun was er sagt, werd‘ brav sein, dann kannst du weg! Bitte... ich kann nicht ertragen wenn er dich – “ Hektisch sah er sich über seine Schulter hinweg um. Noch schien keine Aufmerksamkeit auf den beiden zu liegen, aber wie lange war dies noch der Fall? Sie mussten hier weg, schnell! Wie in Trance, verließ seine linke, unversehrte Hand ihre Schulter und schlug zu, nicht mit Kraft aber mit Nachdruck. Eine verzweifelte Kurzschlussreaktion, die Ryans Herz unverzüglich schwer in seiner Brust liegen ließ, selbst betroffen über seinen Ausfall. Sein Mund stand offen beim Versuch Worte für seine Tat zu finden, sich in irgendeiner Weise zu rechtfertigen, doch kein Wort entwich ihm im ersten Augenblick, kein Argument für seine Handlung. Bestürzt über sein eigenes Handeln, kamen ihm selbst die Worte für eine Entschuldigung, die so zwingend in ihm Aufstieg, nicht über die Lippen. Nur zögerlich richteten sich Viktorias Augen wieder auf Ryan, der mit einem Schlag den Redefluss unterbrochen hatte. Noch erschrocken sah sie ihn schweigend an, während sich ihr Atem sich sichtlich beschleunigte und ihr Blick sich veränderte. Verwirrung und Angst spiegelten sich gleichermaßen in ihrem Gesicht wieder. Ihre rechte Hand löste sich von ihm, legte sich auf die neue schmerzende Stelle. Ihr Atem überschlug sich förmlich, während sie noch immer anstarrte und ihn völlig los ließ. Seine Stimme, die darauf folgte war nicht laut, um weitere Beachtung durch die in der Nähe befindlichen Wölfe zu vermeiden. „Viki! Reiß dich zusammen! Ich brauche dich jetzt! Ich brauche dich hier! Wir müssen hier weg! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich werde nicht ohne dich gehen!“ Es Dauerte einen Augenblick, bis sie daraufhin etwas erwidern konnte. „O-okay... ich... o-o-okay...“, hauchte sie nur zögerlich mit einem angedeuteten Nicken. Langsam setzte er sich in Bewegung, seinen linken Arm um Viktoria gelegt, sich teilweise abstützend und sie mit sich mit ziehend, mit stetigem Druck, ihren Verbrennungen zum Trotz. Doch es ging langsam voran, seine eigenen Kräfte und die nötige Kontrolle reichten nicht aus, um sie schnell genug zu bewegen. Es war zu langsam… Er benötigte wirklich ihre Unterstützung, um das Gebiet in ausreichender Geschwindigkeit zu verlassen. Durchgehend sprach er auf Viktoria ein, nutzlose, sich ständig wiederholende Phrasen... „Vik. Vik! Krümel! Komm schon, ein paar Meter und wir sind hier raus, in Sicherheit. Gemeinsam!“ Noch bevor Lex aus dem Käfig getreten war, kam auch schon sein Wolf auf ihn zu gerannt und sprang ihn an. Ganz instinktiv streichelte er ihn. „Guter Junge, ja, guter Junge.“, sagte er und erstarrte. Dann nahm er den Maulkorb seines Tieres ab und sah zu dem Asen. „Sieht so aus, als wäre meine Tarnung aufgeflogen. Ich hoffe, du bist nicht zu enttäuscht, Blondie, dass es am Ende doch nur zwei sind.“ Der Wolf fand wieder seinen Weg zur Erde und Lex griff zu den Sachen, die neben dem Käfig lagen. Zuerst schwang er sich seine Ledertasche mit seinen Habseligkeiten um, dann griff er nach dem Köcher voller Pfeile, den er mit dem angebrachten Karabinerhaken an einer hinteren Gürtelschlaufe befestigte. Nun sah er ein letztes Mal in Viktorias Richtung. Sie war wirklich brav gewesen, hatte jeden seiner Befehle sofort ausgeführt, keinen Mucks von sich gegeben, so wie er es ihr gesagt hatte – ja, am Ende war sie wirklich noch ein braves Mädchen gewesen. Fast war es schade, dass sich ihre Wege wohl trennen würden, aber Lex wusste, er war nie weit weg. Er war in ihren Verstand eingedrungen, in ihre Gedanken und ihre Seele, ja, er würde immer da sein, sie könnte seine Präsenz nie leugnen können, egal wie sehr sie sich bemühte. Und Ryan, nun, er bekam ein kaputtes Spielzeug zurück. Nach der ganzen Heularie die er sich hier hatte anhören müssen, würde ein romantisch-verklärter Geist vielleicht denken, die zwei würden es trotzdem schaffen – allen Hindernissen zum Trotz und dem ganzen kitschigen Mist. Lex glaubte nicht daran, er war gründlich gewesen. Der Soldat würde eine andere Viktoria zurückbekommen. Ein letztes wölfisches Grinsen warf er ihr entgegen, als er ihr tief in ihre Augen sah und dann wandte er sich ab, bereit sein neues Spielzeug in Empfang zu nehmen. Er zog einen Pfeil heraus, nahm seinen Bogen und spannte die Sehne. Gemütlich drehte er sich um und ging nun mit gespanntem Bogen langsam auf die beiden Eindringlinge zu. Die Hand an seiner gezogenen Waffe völlig ruhig. „So, Blondie, ich will ehrlich sein, ich habe da noch die eine oder andere Frage. Ich sehe das richtig, dass du in unser Gebiet eindringst, um unsere Gefangen mitzunehmen, bedrohst deshalb unser Rudel mit einer Granate und wir sollen da stehen und einfach tun, was du von uns verlangst? Ist das der diabolische Plan?“, Lex lächelte kurz und fuhr dann fort, „Da muss ich dich leider enttäuschen, Blondie. Du kannst hier nicht einfach rein spazieren und dir nehmen, was du willst. Wir sind hier nicht bei Wünsch dir was. Noch dazu, befriedige meine Neugier, nachdem wir dir also gegeben haben, was du verlangst, wie geht es dann weiter? Willst du mir wirklich erklären, du nimmst die zwei und gehst dann mit deiner scharfen Granate nach Hause und zündest sie dort? Oder kann ich es mir eher so vorstellen, dass du ein wenig Abstand zwischen dich und das Rudel bringst und sie dann auf uns wirfst und versucht aus dem Radius mit den Gefangenen zu fliehen? Variante zwei klingt nämlich eher für mich wie die eines Lügengottes. Ich verliere also nicht nur meine Gefangenen, sondern auch noch Teile meines Rudels? Kein besonders guter Deal, den du hier vorschlägst, Münchhausen.“ Der Verlust seiner Gefangenen war Cerberus mittlerweile egal. An Ryan hatte er überhaupt kein Interesse gehabt, da er keinen Wolf getötet hatte und Viktoria hatte er doch zumindest ein bisschen quälen können. Nein, der Wolf hatte ein ungefähres Gleichgewicht wieder hergestellt. Sie hatte einen Wolf getötet und im Gegenzug, hatte er sie ein bisschen gefoltert und hatte sich auf ewig einen Platz in ihren Albträumen gesichert. Ja, ein ungefähres Gleichgewicht war da. Nun galt seine Aufmerksamkeit einzig den beiden Eindringlingen und auch hier hatte er vor für Gerechtigkeit zu sorgen. Niemand drang ungestraft in ihr Gebiet, forderte etwas ein, was ihm nicht zustand und bedrohte dann ganz und gar noch sein Rudel. Und auch während er dauerhaft mit Loki gesprochen hatte, war sein Blick immer wieder auf Nines gefallen. Sie war das Opfer, das er auserkoren hatte. Der Ase hatte seinen Hass und seine Wut deutlich mehr verdient, aber nach all den unverhofften Ereignissen des heutigen Tages, war ihm einfache Beute lieber. Und die beiden waren es gewesen, die sich so freiwillig in ihre Mitte begeben hatten. Beute sollte sich nicht beschweren, wenn sie sich zu einem Rudel Wölfe gesellte und sie dann auch gejagt wurden. Schritt für Schritt ging der Second mit gespannten Bogen auf den Asen zu, sein Wolf hinter ihm lief auf und ab, die Lefzen hochgezogen, die Nackenhaare aufgestellt – kein Mucks war zu hören, wie es sich eben für einen stummen Wolf ziemte. Lex spürte, wie sein Rudel unruhig wurde, das war ausgezeichnet. „Jesus Fucking Christus auf ‘nem Pogostock …“, murmelte Nines und schob sich wieder ein Stück hinter Loki, als Cerberus mit dem gespannten Bogen auf sie zu kam. Mit zitternden Fingern umschloss sie die Granate in ihrer Hand und versuchte, ihre Hand vor den Blicken der Leute um sie herum zu verbergen. Langsam, mit gespanntem Bogen ging er auf den Asen zu, der es wagte sein Rudel zu bedrohen und sich einfach nehmen wollte, was ihm nicht gehörte. Während Lex ihm sagte, dass er ihm kein Wort glaubte, dass er nicht einfach gehen würde und seinem Rudel nichts tun würde, ließ keiner der beiden Männer den anderen aus den Augen. Der Ase strahlte Ruhe aus, Selbstvertrauen, nun, davon hatte auch der Wolf genug, im Gegensatz zu ihm, war er nur nicht in der Unterzahl. Loki war ein nicht zu unterschätzender Gegner, auch ohne die Granate, man erkannte es an seinem Blick. Wie immer diese Sache auch ausgehen würde, sollte der Asgard überleben, Cerberus würde sich auf ein Wiedersehen freuen, bei dem er ihm die verlogene Zunge aus seinem Maul schneiden und sie Fenrir danach zum Fraß vorwerfen würde. „Dürstest du so nach Blut, Köter, dass du bereit bist dein Rudel zu opfern? Bist du so wahnsinnig, dass du dich nach Krieg sehnst? Dann schieß', Hund! Tu uns beiden den Gefallen und bring uns zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung!“, schrie Loki ihm entgegen. Lex‘ Blut geriet vor Wut in Wallung. „Wie hast du mich genannt, Münchhausen?! Ich bin weder ein Köter, noch bin ich ein Hund – ich bin ein Wolf. Und du merkst es dir besser, Drecksack. Diese Warnung ist einmalig, noch einmal, Arschloch, und ich reiße dich in Stücke, also merk dir meine Worte, Münchhausen.“ Lex wusste, er sollte sich nicht von ihm provozieren lassen, hätte eher auf die anderen Sachen eingehen sollen, die er gesagt hatte, aber es ging nicht. Er war kein Hund, den man abrichten konnte, der brav folgte und wieder zurückkam, nachdem man ihm mit der Zeitung eine auf die Nase gegeben hatte. Der Second war ein stolzer Wolf. Und wie konnte es dieser Bengel wagen zu glauben, ausgerechnet Cerberus würde sein Rudel in Gefahr bringen? Der Lügengott würde so oder so die Granate im Wolfsgebiet zünden, nichts anderes würde Sinn ergeben und wenn er es schon tat, dann sollte er sein eigenes verdammtes Leben hergeben, während er von mehreren Pfeilen durchbohrt auf dem Boden lag und seine letzten Atemzüge röchelte. „Tu dir und Lilian einen Gefallen und verschwinde aus unserem Gebiet. Such dir andere Leute, denen du die Gefangenen stehlen kannst und wage es nicht, nur einen Fuß nochmal in unseren Park zu setzen. Ich zähle bis drei, Lügenbaron, und wenn du dann nicht weg bist, wirst du es bereuen.“ Geschockt musterte Nines den Wolf zum ersten Mal genauer, als er sie Lilian nannte. Der Second blieb in einiger Entfernung stehen und sah ihn wölfisch grinsend an. „Eins“, begann der Wolf zu zählen und bereits während er die Zahl aussprach, verließ der Pfeil den Bogen und traf Loki an seiner rechten – nicht seiner linken – Schulter. Niemand konnte es gebrauchen, dass er aus einem Reflex die Granate fallen ließ. Denn ob sie wirklich Schaden anrichtete oder nicht, war nicht gewiss. Lex versuchte eine Unschuldsmiene aufzusetzen, was ihm allerdings überhaupt nicht gelang, schon allein, weil er das Grinsen nicht von seinen Lippen bekam. „Ups“, sagte er gespielt. Aus Reflex drehte Loki sich ein Stück zur Seite und verhinderte einen Volltreffer, doch der Pfeil schrammte quer über Lokis rechte Schulter und hinterließ eine hässliche Wunde. Loki biss die Zähne zusammen. Sofort stürzten die Wölfe los, waren scheinbar derart erpicht darauf, den Gott zu erlegen, dass sie die Granate vollkommen vergaßen. Loki fuhr herum und stand direkt vor Nines, blickte ihr einen Moment lang in ihre ängstlichen Augen. Also zischte er ihr nur zu „Viel Spaß, Miststück!“, und versetzte ihr einen heftigen Stoß. Sie schrie vor Schmerz auf, als er ihr einen heftigen Stoß versetzte, der sie straucheln und fallen ließ. Mit einer Genugtuung, die Cerberus so noch nie empfunden hatte, sah er den arroganten Mistkerl weglaufen. Während seiner Flucht hatte er sogar die kleine Sammlerin über den Haufen gerannt, die vor Schmerzen aufgeschrien hatte, als er sie zur Seite geschubst hatte, um seinen eigenen, armseligen Arsch zu retten. Seht ihn euch an, den großen Gott, wie er vor lauter Schiss sogar ein kleines Mädchen umrennt, weil er nichts anderes als Panik hat. Lauf weg, Lügenbaron, und vergiss nie wer es war, vor dem du weggelaufen bist. Ich rate dir dasselbe wie Viktoria: Fang an zu beten. „Wenn wir Hunde sind, Münchhausen, bist du ein ängstliches Kätzchen, was vor uns davon läuft“, flüsterte der Second leise vor sich hin und widmete sich nun der Sammlerin, die sich, seitdem die Tarnung des Seconds ’aufgeflogen‘ und er mit gespanntem Bogen auf den Eindringling zugegangen war, immer weiter hinter dem Lügengott versteckt hatte. Sorry, Lilian, bist mir gleich aufgefallen und auch wenn meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit nicht dir gegolten hat, ich hab dich nie aus den Augen gelassen und jetzt, jetzt gehört meine Aufmerksamkeit ganz dir, dachte Cerberus. Er sah auf die junge Sammlerin hinunter, blieb ruhig, während sein Rudel um ihn herum der Beute Loki nachjagte. Sie zitterte und blickte ihn bittend an. Lex kannte diesen Blick, er hatte ihn schon oft gesehen, auch Viktoria hatte ihn einmal so angesehen, wenn es ihr in diesem Fall auch nicht um ihr eigenes Leben gegangen war, aber es war der gleiche – es war die Bitte um Gnade. Schon allein ihr Blick hätte ihn auf die Weise Lächeln lassen, auf die er es bereits tat, aber allein die Aussicht auf eine Jagd, vor allem auf eine derart einfache, hatten seine Mundwinkel bereits nach oben fahren lassen. „Lauf weg, Kleines“, sagte er an die Sammlerin gewandt. Sie brauchte einen Vorsprung, um es überhaupt zu einer Jagd zu machen, ansonsten hätte er sie nach drei Schritten bereits gehabt und dann hätte es mehr einem Fangen spielen unter Kinder geähnelt, als einem Wolf der seine Beute verfolgte. „Verstanden, Sir. Danke, Sir“, sagte sie, rappelte sich auf und rannte mehr schlecht als Recht los. Der Wolf war für einen Augenblick sprachlos gewesen und seine Gesichtszüge waren ihm komplett entglitten. Dann begann er zu lachen. Das war nicht ihr verdammtes Ernst?! Das konnte sie nicht glauben! Sie dachte wirklich, er würde sie gehen lassen? „Kannst du das glauben, mein Freund?“, fragte er Fenrir und kraulte ihn hinter den Ohren. „Was sind das für Menschen? Erst Viktoria, die mir hundert Mal denselben Witz von Ryan, dem Brunnen und dem Wolf erzählt, über den schon beim ersten Mal keiner gelacht und jetzt diese dumme Sammlerin, die wirklich denkt, ich gebe ihr hier die Erlaubnis unversehrt zu verschwinden. Es gibt schon kranke Menschen auf dieser Welt, Fenrir.“ „Zane! Lass einige Tiere auf indirektem Weg seine Fährte aufnehmen! Ich will diesen Ego-Arschloch-Gott zum Frühstück verspeisen. Diese kleine miserable Kreatur. Loki, der Name passt, der Wurm und das Elend der Götter, der Verstoßene, der Trickser! Ich werde ihm die Haut abziehen! Lex! Mach mit der Sammlerin was du willst“, schrie Luana, als sie sich selbst auf die Jagd machte. Der Second nickte, wenn er auch innerlich wusste, dass er nie etwas anderes vorgehabt hatte und es auch ohne ihren Befehl getan hätte. Aber es war gut so, besser, entschied der Wolf, die Erlaubnis seiner Anführerin zu haben. „Hol sie dir!“, befahl Lex seinen Wolf und lief gemeinsam mit seinem Wolf in die Richtung, in die Lilian verschwunden war, nachdem er ihr einen angemessen Vorsprung gegeben hatte. Kapitel 20: Die Stimmen ----------------------- Der verständnislose Blick, der ihn aus Viktorias Augen traf, nachdem er zugeschlagen hatte, nagte noch an ihm. Diese großen, tiefen Augen, die all das nicht wahrhaben wollten, so schien es ihm. Nach der Ohrfeige schien sie etwas aus der Lethargie zu erwecken, doch sie wirkte weiterhin noch so schrecklich verängstigt und unerreichbar fern … Das alles kreiste noch immer in Ryans Gedankenwelt, als sie sich langsam von der Richtstätte der Wölfe entfernten. Langsam, viel zu langsam jedoch, wie zwei Betrunkene, die sich nach einer durchzechten Nacht Arm in Arm nach Hause schleppten. Doch anstatt vor Kälte und Müdigkeit zu fliehen, um sicher Zuhause anzukommen, ging es ihm ihren Fall um Leben und Tod. Bis jetzt schienen die Wölfe ihre Aufmerksamkeit weiterhin kaum ihnen teil werden zu lassen, ein Glück für die beiden, dass die Neuankömmlinge scheinbar so viele der Blicke auf sich zogen. Niemand schien ihnen zu folgen. Zu mindestens bisher nicht, doch das war nur eine Frage der Zeit, wenn sich das Durcheinander legen würde und irgendjemand ihr verschwinden bemerken würde, dessen war sich der Soldat sicher. Die beiden kamen nur schleppend voran, ständig die flüsternden Mantras wiederholend, nun kamen sie auch aus Viktorias Mund, was Ryan einen Hauch Hoffnung über ihren Zustand einflößte. „Gemeinsam... nur ein paar Meter... gemeinsam...“, hörte Ryan sie sagen. Das ungleiche Paar war gerade einmal zwei Minuten entfernt, als ein Knall die Hektik und lautstarken Rufe übertönte. Augenblicklich spürte er wie sich Viktorias Arm schmerzhaft an ihm verspannte, spürte ihre zitternde Hand, die seine ergriffen hatte. Also hatte dieser Loki seine Drohung wahr gemacht und tatsächlich die Granate gezündet? Ryan hoffte inständig, dass er damit einen Großteil von diesem verdammten Rudel ausgelöscht hat! Mit Ausnahme von dem Schwarzhaarigen… Ryan würde ihn nur zu gerne selbst in die Finger bekommen und ihn bluten lassen für das was er getan hatte. Erneut schossen ihm die Sticheleien, die er ihm an seinem Käfig gesagt hatte, durch den Kopf: „Ich wollte dir zu deinem guten Geschmack gratulieren. Deine kleine Olle ist ja echt nicht von schlechten Eltern. Und ihre Titten sind der Wahnsinn, Mann, liegen super in der Hand. Und sie fühlen sich echt an. Sind sie echt? Müssen die kleinen Dinger ja wohl, welcher Arzt würde schon so ‘ne Minititte formen, was? Aber du stehst wahrscheinlich drauf. ‘Ne gute Hand voll reicht, und so.“ Hatte er wirklich… ? Mit sanftem Druck umschloss er nun ihre zitternde linke Hand. Er musste sich weiter vorwärts bewegen, auch wenn sein Körper sich sträubte, für sie beide! Egal wohin der Weg sie führen würde, Hauptsache dieser Weg würde Distanz zwischen den Wölfen und ihnen herstellen. Er musste nur weiter durchha… Stimmen ertönten direkt vor ihnen, nicht allzu weit entfernt und sie näherten sich! Sollte es doch alles vergebens sein? Nein! Sie durften einfach nicht aufgeben! Dafür waren sie viel zu weit gekommen… verdammt! „Ryan…“ , hörte er leise Viktorias Stimme seinen Namen hauchen, eine tiefe Angst schwang in ihr mit… Mit einem knappen „Shht!“ forderte er sie unsanft zur Ruhe auf, wobei sie kurz zusammenzuckte, und löste sich im gleichen Atemzug bereits aus der körperlichen Umklammerung, die die beiden eingegangen waren. Sollte es zum Kampf kommen würde er komplette Handlungsfreiheit brauchen. Nicht dass er in seinem Zustand dazu in der Lage wäre… selbst in einem fairen Kampf würde er wohl unterlegen sein. Aber wenn er alles mobilisieren würde, was ihm noch blieb? Vielleicht könnte er wenigstens Viktoria noch einige wertvolle Sekunden verschaffen? Viki starrte nur zu dem Punkt an dem sie bald auftauchen würden, sah dann hektisch zu Ryan, öffnete dann kurz ihren Mund um etwas zu sagen, blieb aber doch stumm. Stattdessen sah sie nur recht verzweifelt und hilflos zu ihn, bevor ihr Blick zurück zum Ursprung der Stimmen wanderte. Währenddessen sah sich Ryan kurz um, welches ihm durch seine veränderte Tiefenwahrnehmung überraschend schwer fiel und auch Schwindel umschloss ihn für einen Augenblick. Danach schob er Viktoria umsichtig aber drängend in die Richtung der mutierten Vegetation, die den Wegesrand mittlerweile umschloss. Verwirrt sah sie ihn kurz an, ging dann aber mit knappen Nicken als erste ins Gebüsch. Umständlich drückten die beiden sich in das mutierte und knarzende Dickicht. Das Vik etwas kleiner und zierlicher war, half dabei etwas geschickter hindurch zu kommen und einige Äste besser aus den Weg drängen zu können, um so auch für Ryan eine leichtere, schnellere Möglichkeit hinein zu bieten, während die Stimmen schnell näher kamen. Das würde knapp werden! Der Trupp schien sich direkt auf sie zuzubewegen… Würde das immer noch knackende Gestrüpp dicht genug sein, um sie vor den Blicken zu beschützen? Ryan konnte keine potenzielle Waffe ausmachen, kein stabiler Holzscheit oder ähnliches weit und breit, nur ungeeignetes Gestrüpp und Kiesel… Ohne sich zu Viktoria umzusehen flüsterte er knapp „Lauf wenn sie uns sehen, so schnell es dein Knie zulässt! Ich…“ Doch er brach mitten im Satz ab als er drei Menschen ausmachte, die in Sicht kamen. Sie rannten in Richtung der Käfige. Vielleicht waren sie in ausreichender Eile? Nun waren sie bereits auf gleicher Höhe mit ihnen und keiner schien sie zu bemerken! Für einen kurzen Moment ließ Ryan seine Obacht sinken, warf einen kurzen Schulterblick auf Viktoria, die knapp hinter ihm war. Viktorias Augen folgten den Männern, während sie wie erstarrt im Busch hockte und die Angst ihr die Luft zum Atmen zu rauben schien. Ihre Augen weiteten sich plötzlich, als die Stimme von einem der Männer auch Ryans Blut stocken ließ: „Hey! Wartet mal, ich glaube ich habe etwas gehört!“ Die Patrouille hatte den Busch in dem sie saßen bereits passiert, doch der kleinste der drei war stehengeblieben und hatte sich nun in einiger Entfernung von den anderen umgedreht. Langsam bewegte er sich direkt auf Viktoria und Ryans Versteck zu. Mist! Geräuschlos schirmte er Viktoria mit seinem linken Arm für einen Augenblick ab, mehr eine Geste um ihr zu signalisieren, dass sie sich bereithalten sollte. Doch durchschnitt plötzlich eine weitere Explosion die angespannte Stille, sie schien weiter entfernt aber ungleich heftiger zu sein als die vorherige… Wieder fuhr Viktoria von einer Explosion erschrocken leicht zusammen, konnte ein ersticktes Keuchen nicht zurück halten, bevor sie Ryan daraufhin ängstlich und entschuldigend ansah. „Komm schon Jose! Wir haben wichtigeres zu tun als Wildschweine zu jagen! Die anderen brauchen uns!“, sagte einer der Männer. Für eine schmerzhaft lange Zeit schien der Kurzgewachsene zu warten, spähte angestrengt in den Busch, dass Ryan sich bereits sicher war, das sie entdeckt wurden, ehe er sich schlussendlich doch umdrehte und die bereits vergrößerte Distanz zwischen sich und seiner Gruppe verkürzte. Die Anspannung wich in solch einem Schwall von Ryan, dass er sich für einen kurzen Moment auf den dreckigen Boden sinken ließ. Ein tiefer Atemzug entwich ihm, als er die für die letzten Momente unwissend angehaltene Luft in seinen Lungen ausstieß, was ihn gleich mit einem bereits bekannten stechenden Schmerz belohnte. „Fuck… das war knapp…“, entwich es ihm flüsternd während er ein unwirkliches Lächeln auf seinen Lippen spürte, als seine Endorphine voll einsetzten. Nur mit Mühe hielt er ein, vor Erleichterung, hysterisch wirkendes Lachen zurück. Ryan ahnte nur zu gut welchen Eindruck er, zu dem Zeitpunkt, auf Viktoria machen musste. Ein irre anmutendes Lächeln in solch einer Situation, sie musste wirklich denken das er durchgedreht war. Dennoch wurde sein Grinsen zögerlich von seiner Partnerin erwidert, nachdem diese den Männern noch lange durch das Gebüsch nachgesehen hatte. Eine Gefühlsregung von ihr auf die Ryan schon die ganze Zeit gehofft hatte, jedoch nicht so bald erwartet hätte. Seine ursprüngliche hysterische Freude wandelte sich allmählich in ein Glücksgefühl über Viks bessernden Zustand um. Vik rutschte unterdessen auf ihn zu, umschloss ihn daraufhin bedächtig mit ihren Armen, während sie sich an seiner linken Schulter anlehnte. Einen Moment lang war Ryan zu perplex um sich zu rühren, genoss nur die überraschende Nähe die Viktoria ihm zuteilwerden ließ, was Ryan durchaus für ein weiteres gutes Zeichen hielt. Die Uhr lief weiterhin gegen sie, die Zeit rannte ihnen nur so davon, wenn sich erst einmal das Chaos gelegt hatte und die Wölfe sich neu sammeln könnten, würde es für die beiden schwieriger werden, bis hin zu unmöglich, so wie ihr beider Zustand derzeit war. Dennoch wollte der Soldat diesen intimen Moment nicht zerstören. „Es tut mir Leid“, hauchte sie wieder. Als er ihre anfängliche Entschuldigung vernahm, brach Ryan aus seiner kurzweiligen Versteinerung, ließ seine unversehrte linke Hand an ihren Hinterkopf wandern, vergrub seine Hand in ihren Haaren, um sie an eben jene unversehrte Schulter zu drücken. Kein Wort kam ihm über seine Lippen, auch wenn ihm tausende durch die Gedanken schossen, hielt sie nur an sich gedrückt. Er vereinnahmte diese wohltuende Wärme, die Wärme, die er vor kurzem noch abgeschrieben hatte je wieder zu fühlen. Die Dringlichkeit ihres Aufbruchs rutschte bei dieser Umarmung in den Hintergrund, die beiden, die sich erst seit so kurzer Zeit kannten, noch kürzere Zeit waren sie getrennt und doch fühlte sich die verlorene Zeit für Ryan an wie Welten die nachgeholt werden wollten. Erst langsam spürte er erneut die Müdigkeit in seinen Gliedern aufsteigen, wo das Adrenalin nun langsam versackte. Fast schon bestürzt ließ er von Viktoria ab, als diese sich langsam von ihm löste. Abwartend sah er sie aus seinem rechten Auge an, das linke hielt er weiterhin kontinuierlich, gehindert durch den Blutfilm, geschlossen. Ryan meinte Bestürzung und Bedauern hinter ihrem Blick zu lesen. Sollte sie sich etwa Vorwürfe machen? Schockierte sie sein Anblick? Sah er so mitgenommen aus? Sanft fühlte er ihre Hand auf seiner Wange, wie sie prüfend über das Pflaster strich, sah wie ihre Augen sich langsam mit Tränen füllten. „Ich... es...“, hörte er sie erneut sagen, während nun doch die ersten Tränen über ihre Wange liefen, gerade als er sie beschwichtigen wollte, weshalb er vorerst stumm blieb. Doch sie brachte kaum einen Satz heraus, bevor sie sich vorbeugte und ihm einen Kuss auf die Stirn schenkte. Er wollte gerade ihren Blick heben, hatte seine Hand bereits sanft an ihr Kinn gelegt. Wollte ihren Kuss erwidern, ihr die Tränen aus den Augen wischen und ihr dabei versichern das alles gut werden würde, sie keine Schuld für das Geschehene traf. Dass sie das alles gemeinsam überstehen würden. Doch bevor er all seine Gedanken in Worte kleiden konnte, sich Viktoria hätte mitteilen können, ließ sie bereits komplett von ihm ab… entglitt ihm wieder, brachte wieder etwas der überbrückten Distanz zwischen die beiden. Nach nur einigen Augenblicken war die Geborgenheit wieder verpufft, die Gefahr mehr als präsent, die Zeit schien gerade nur so zu rennen, jeder Augenblick wirkte so unendlich kostbar und vergänglich… Vik kämpfte um ihre Beherrschung, wischte sich die Tränen weg und holte stumm den Verband aus ihrer Jacke, den sie ihm entgegen hielt. „Für draußen“, murmelte sie nur. Mit einem Nicken nahm Ryan den Verband entgegen und verstaute ihn in seiner Jackentasche. Rucksack und sein sonstiges Hab und Gut würde er wohl erst einmal abschreiben müssen, in dieser Situation erneut für das Messer zurückzukehren wäre Wahnsinn… Sein Gedankengang riss urplötzlich ab, als Viktoria ihn drängend mitzog, auch wenn seine Muskeln protestierten. Sie hatte recht, die beiden mussten in Bewegung bleiben, hatten sie doch bereits länger gerastet als es gut für die beiden war. Dennoch… wer wusste schon wie lange sie gemeinsam haben würden? Langsam setzten die beiden sich in Bewegung, die kleinere Viktoria nahm aus dem Gebüsch heraus die Führung an sich. Zurück auf den Weg blieb Vik mit gesenkten Blick stehen. Erst als Ryan sie umschlang und sich mit ihr in Bewegung setzte, sah sie erneut auf, warf dann sie einen langen Blick über ihre Schulter, bevor sie ihre Augen wieder auf den Boden vor ihnen richtete. Nach einigen Metern, in denen sie sich erneut gegenseitig stützen, ergriff Ryan leise flüsternd das Wort, ständig während den Wortpausen auf die Umgebung achtend. „Viki… Hör bitte auf dich zu entschuldigen… Dich trifft keine Schuld…“ War das wirklich so? Erneut hörte er die höhnende Stimme des Schwarzhaarigen in seinem Gedächtnis: „Muss hart sein, wenn das eigene Leben in derart unfähigen Händen liegt. Und wir können doch ehrlich sein Bro, würde sie dich wirklich lieben, sie würde nicht zögern, denkst du nicht? Frag‘ dich selbst, Mann, hättest du auch nur einen Augenblick gezögert, um ihr Leben zu verschonen?“ Ihre Lippen blieben stumm, während sie beschämt den Kopf weiter senkte. „Wir schaffen das schon hier raus…“, versicherte er ihr leise. Einige weitere, quälend langsame, Schritte später ohne weitere Reaktionen konnte Ryan nicht an sich halten und beugte sich nach links runter um ihr einen kurzen bestätigenden Kuss auf ihre rechte Wange zu geben. Erneut verkrampfte sie sich leicht und drehte sie den Kopf ein wenig weg. Doch Viki wehrte sich nicht weiter und als seine Lippen sanft ihre Haut trafen, schloss sie die Augen und entspannte sie sich etwas. „Gemeinsam… Wie wir es ausgemacht haben, als Team“, sagte Ryan. Doch noch ehe er die Worte vollkommen ausgesprochen hatte kam der Weg an der Mauer, die den Park umschloss, an und verlief mit dieser Parallel. Eventuell war es nun nicht mehr weit bis zu einem der Ausgänge, doch wie würde dieser bewacht sein? Viktoria, die noch nicht bemerkt hatte, dass die Mauer in Blick kam, sah das erste mal wieder zu ihm auf, während sie zögerliche seine linke Hand ergriff und wiederholte: „Als Team.“ Mit leichten Nachdruck umschloss sich ihre Hand enger um seine, wobei sie aber doch nur ein klägliches, unsicheres Lächeln zu Stande bringen konnte. Ein kurzer Seitenblick von Ryan glitt über Viktorias lädiertes Knie und ihr starkes Humpeln. Seinen zu vorigen Worten zuwider schoss ihm sofort eine Überlegung durch den Kopf: Käme sie vielleicht mit seiner Hilfe über die Mauer? Vielleicht keine gute Idee, der Sprung auf die anderen Seite würde die Verletzung nur massiv verschlimmern oder weitere Verletzungen provozieren… Vorsichtig zog er seine Partnerin mit sich zusammen runter vom Hauptweg, an den Rand der Botanik. Nach einer Weile kam auch der ersehnte Bogen in Blick, der Ausgang war tatsächlich erreicht! Und dennoch die Gefahr noch lange nicht vorbei. Mit sanften Druck zwang der Soldat seine Begleitung in die Knie. Umständlich ging diese mit ihm in die Hocke, wobei sie versuchte ihr Knie so wenig wie möglich zu beugen. Fragend sah sie ihn an, versuchte sich dann selbst genauer umzusehen, wobei sie als erstes doch nach hinten sah. Ryan setzte sich selbständig und alleine in geduckter Haltung, am Boden abstützend, langsam in Bewegung, näher an den Ausgang heran, während Vik, die noch verzweifelt versucht hatte den Körperkontakt so lang wie möglich zu erhalten, ihm nur hinterher sehen konnte. Früher war in dem großen Bogen wohl ein Stahltor eingearbeitet gewesen, doch schien das Material vor Jahren bereits abtransportiert und für andere Sachen Verwendung gefunden zu haben. Je näher Ryan dem Tor kam, desto deutlicher wich die Anspannung von ihm. Es schien tatsächlich unbewacht! Niemand war weit und breit zu sehen! Mit einem Lächeln wandte er sich erneut zu der Studentin um und winkte sie mit einer Geste herbei. Es würde tatsächlich klappen! Sie würden doch noch aus dieser Todesfalle entkommen! Er stand einige Meter von der Pforte entfernt, wartete dort beinahe ungeduldig auf Viktoria. War die Freiheit wirklich in solch greifbarer Nähe? Doch was war das, zögerte seine Partnerin etwa? Sie schien wie versteinert an Ort und Stelle stehen zu bleiben und sich immer wieder zu dem zurückgelegten Weg umzusehen. Was ging wohl gerade durch ihren Kopf? Die beiden mussten hier doch schleunigst weg... Sie musste doch wissen wie sehr die Zeit drängte? Ungeduld breitete sich in ihm aus, so kurz vor dem Ausgang des Parks. Sie kamen weiterhin nur langsam voran und wahrscheinlich waren die Wölfe so aufgebracht, dass sie auch außerhalb ihres Territoriums die Verfolgung ihrer entflohenen Gefangenen nicht aufgeben würden. Dennoch… Dieses ehemalige Tor schien für Ryan beinahe symbolisch für den Erfolg ihrer Flucht zu stehen. Wenn sie diese Grenze durchschritten… Sie würden bestimmt entkommen, dessen war sich Ryan sicher und doch zögerte sie in diesem entscheidenden Moment. Endlich setzte Viktoria sich in Bewegung. Eine unbewusst aufgebaute Spannung löste sich in ihm. Hatte er tatsächlich daran gezweifelt? Hatte er ernsthaft erwartet, dass sie, dem Folterknecht hörig, nun doch noch umdrehen würde, zurück in die Hände ihrer Peiniger? Nein, dennoch machte sich Erleichterung in ihm breit als seine Partnerin sich auf ihn zu bewegte. Aufs erneue vereint setzten die beiden sich langsam in Bewegung, verließen den Park und Vik hielt weiterhin beschämt und erschöpft den Kopf gesenkt. Nach einigen Metern ertönte zögerlich Viktorias Frage nahe seinem Ohr: „Ist .. ist es wirklich sicher?“, fragte sie leise. Waren sie nun sicher? Was bedeutete Sicherheit heutzutage noch? Gab es Sicherheit überhaupt noch? „Wir schaffen das, Die Wölfe haben scheinbar derzeit noch andere Probleme…“, versicherte er ihr. Stimmte das wirklich, was er da versprach? Er spürte merklich wie seine Kräfte schwanden, den Strapazen des Tages und dem Blutverlust verschuldet. Auch seine Begleiterin schien müde zu werden… Immer öfter nun, wandte der Soldat seine Augen von dem Weg vor ihnen ab, um Viktoria sorgenvoll zu mustern. Auch für sie war es ein langer Tag, voller körperlicher Belastung. Die mentale Belastung, die auf ihr ruhte, konnte der Sanitäter nur abschätzen, doch sie musste enorm sein. Vik versuchte sich umzusehen. Mit der linken Hand rieb sie sich über die Augen, die danach länger geschlossen blieben, bevor sie sich im Gehen nochmals umschaute. „Nordosten“, murmelte sie dann plötzlich. „Wir sind im Nordosten ‘rausgekommen“, ergänzte sie. „Wir müssen nach links. In Richtung Norden liegt die Uni. Bis zur Stelle, wo sie Straße nach rechts in die Kurve geht. Da müssen wir weiter nach Westen, glaub ich“, murmelte sie unsicher. Ryan war erleichtert, als sie sich scheinbar an ihre Umgebung erinnerte und eine ungefähre Richtung vorschlug. So wanderte das Gespann eine Weile durch die verschiedenen Straßen und Gassen. Die Reserven, die Ryan noch aufbringen konnte, schwanden merklich, auch Vik schien sich immer häufiger zurück zu ziehen, sich fallen zu lassen, während sie die Augen schloss und von ihm mitziehen ließ. Auch verkrampfte sie sich bei jedem Schritt, den sie mit den verletzten Knie machte, mehr und immer häufiger kamen die beiden ins Stolpern, schleppten sich nur so dahin. Wie weit war das Unigelände wohl noch? Sollten sie vielleicht in einem der unbekannten Häuser Rast machen? Der Gedanke war verführerisch, doch was wenn sie auf eventuelle Bewohner trafen? Oder keinerlei Vorräte oder Wasser vorfanden? Schwer abzuwägen wie lange sich die Versorgung ihrer Wunden noch aufschieben ließ, Ryan fürchtete, dass diese Zeitspanne nicht mehr all zu groß war. Das gesicherte Versteck mit seinen Vorräten zügig zu erreichen war unabdingbar, sie würden durchhalten müssen… Ein stetig wechselnder Druck von Viks Fingern auf seine Hand ließ ihn einen weiteren besorgten Seitenblick zu seiner Partnerin werfen, die erneut die Augen geschlossen hielt und nun leise eine Melodie zu summen schien. Unachtsam und kraftlos wie er war, ließ ihn der unebene Schuttboden erneut wanken und stolpern, riss dabei die angeschlagene Studentin unsanft mit. Viki schlug erschrocken die Augen auf, wobei ihr erneut ein gequältes Stöhnen entwich, als sie versuchte sich mit dem verletzten Bein zu fangen, als sie zu stolpern drohten, sich jedoch ein paar Augenblicke später doch auf den Schuttboden wiederfand. Ihre leicht zitternden Hände hielten noch ihr Knie fest, während sie das Gesicht verzog und ihr Tränen in die Augen stiegen. Ryan war knapp selbst einem unsanften Sturz entkommen, ließ sich kurz Zeit durchzuatmen „Sorry… Vielleicht sollten wir uns doch in eines der Häuser….“ Hektisch presste Vik hervor als er schon zu sprechen begann: „Schon okay, ...aber ...aber wir können nicht... nicht wieder rasten... bitte... ich will weiter...“, sagte sie fast flehend und sah erneut über ihre Schulter zurück. Währenddessen wanderte Ryans Blick bereits durch die Umgebung, auf der Suche nach einem geeigneten Ziel als er ein vertrautes Schild erblickte, nur zu oft hatte es ihn vor einigen Jahren daran erinnert auf den Campus abzubiegen, als er Ausgang hatte und eine der Studentenpartys besuchte. „Vik! Komm schon, wir haben‘s geschafft!“ Überschwenkende Freude verlieh seiner Stimme erneute Kraft, während er der Streunerin aufhalf, die scharf die Luft zwischen den Zähnen einzog und noch kurz die Augen wieder zukniff. Erst langsam, als er Viktorias Arm ergriff und sie zu sich hoch zog, wurde im erneut schmerzhaft bewusst, wie mitgenommen sie von der vergangen Odyssee war, aber war es um ihn wirklich besser bestellt? Verwirrt sah sie sich um. Es dauerte etwas, dann realisierte auch sie das Schild und ein zögerliches Lächeln breitete sich auf ihren Gesicht aus. Sehnsüchtig starrte sie das Schild an. „Nicht mehr weit... es... es ist nicht mehr weit“, murmelte sie eher für sich. Danach ging ihr erster Blick wieder über die Schulter. „Home sweet home.“, sagte Ryan selbst mit einem Lächeln. Nochmals rieb Viki sich über die müden Augen, sah sie genau um, bevor sie sich an Ryan wandte: „Wir können ein Stück südwestlich über den Campus, es ist kürzer, aber... ich bin selten an der Uni... ich weiß nicht wie es da aussieht... zu viele Fenster und offene Plätze, aber... wir wären in zehn bis fünfzehn Minuten vom Campus runter, dann noch ungefähr fünf bis zehn Minuten bis zur Tempeltonstreet 83. Ansonsten links am Campus entlang und dann rechts abbiegen, jedoch wären wir noch eine Dreiviertelstunde unterwegs... Was... was denkst du?“ Wieder sah sie kurz zurück, bevor sie zum Schild sah. Ihr nahendes Ziel schien Vik genau wie ihn, aufs erneute zu beflügeln. Sie wirkte augenblicklich wacher… präsenter. Auch sie schien endlich neue Hoffnung zu schöpfen. Das Gespann war nun so weit gekommen, es schienen nur noch wenige Meter zu fehlen. Und doch schienen diese wenigen Schritte für den Soldaten ebenso fern wie nah zu sein, als er Viktorias Bedenken zu den unterschiedlichen Wegen, die noch vor ihnen lagen, lauschte. „Ich würd‘ es riskieren...“, murmelte sie. „Ich weiß nicht, wie weit ich noch komme... a-aber .. was ist mit dir? Was meinst du?“, fügte sie verlegen hinzu, bevor sie Ryan ebenfalls genauer musterte. Für einen Moment horchte er in sich, versuchte die in ihm verbliebenen Energien mit den unterschiedlichen Risiken abzuwägen. Sein Hemd klebte ihm klamm am Körper, Schweiß mischte sich mit seinem Blut, dessen warmen Fluss er noch immer, an den Konturen seines Rückens, entlanglaufen spüren konnte. Immerhin schien die blutende Wunde im Gesicht versiegt zu sein, auch wenn er wegen dem geronnen und getrockneten Blut weiterhin das Lid geschlossen hielt, auch um zu verhindern, dass sie aufs erneute aufbrach. Durch diese Umstände kam seine Antwort prompt und ohne zu zögern nachdem Viktorias Satz geendet hatte. „Lass es uns riskieren…“ Als er ihren bohrenden Blick spürte und sah wie sie ihn abschätzend musterte, versuchte er ihr ein erschöpftes Lächeln zu schenken. „Nur lass uns sofort los, Krümel, jedes Zögern würde das Risiko erhöhen.“ „Okay...“, murmelte sie nur mit gezwungenen Lächeln und senkte dann doch den Blick. Bereitwillig ließ er sich erneut von Viktoria stützen und so setzten sie den vermeintlichen Endspurt fort, man merkte deutlich wie sehr die Euphorie des nahenden Zieles die beiden ein weiteres Mal beflügelte, sie die letzten Reserven mobilisieren ließ. Nach einigen Minuten, als sie bereits über den Parkplatz auf das Unigelände eingebogen waren, stützten sie sich mehr oder weniger wieder gegenseitig. Viktorias Bein schien ihr immer regelmäßiger Probleme zu machen, zwischenzeitlich kamen die beiden häufiger zum kompletten Stillstand. Der Campus selbst wirkte verlassen, die Fassaden der einzelnen Komplexe, die in Sichtweite kamen, spiegelten das vertraute Bild der Vernachlässigung und verschiedenem Vandalismus wieder. Hier und da wurde etwas auf die Wände getagt oder geschmiert oder einige Fenster eingeworfen. Die ehemaligen gepflegten Grünanlagen, die für eine beruhigende und angenehme Atmosphäre sorgen sollten, eroberten sich bereits die angrenzenden Gebäude zurück, eine von Efeu durchzogene Wand war teilweise eingestürzt. Einige der klaffenden Löcher waren an manchen Stellen notdürftig mit Spanplatten abgedeckt worden. Ob dies bereits am Anfang des Ausbruchs oder erst vor kurzem geschehen war, war schwer zu sagen. Alles in allem wurde der Soldat das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurden, auch wenn die Fenster, die allesamt verdreckt waren, leer zu blieben schienen. Auch wenn er seinen Blick wachsam schweifen ließ, erblickte er keine fremde Gestalt. Doch musste er sich eingestehen, gab es hier genug Schlupfwinkel und Anhöhen, die seinem Blick entgingen, alles in allem war dies ein mehr als nachteiliger Ort für Viktoria und ihn, sie taten gut daran ihn so zügig wie es nur ging zu überbrücken. Gab es hier vielleicht mittlerweile eine Gang von der Viki nur noch nichts wusste? Ob sie dieses Gefühl beobachtet zu werden auch hatte? Er verzichtete darauf es auszusprechen um sie nicht zu beunruhigen. Vikis müde Augen wanderten aber ebenso nervös über die vielen Fenster. Sie fühlte sich sichtlich unwohl, sah dabei zwischendurch zu ihm, aber auch sie sagte nichts. So setzten sie ihren Weg weiterhin schweigend fort, jegliches Gespräch schien nur ihre Aufmerksamkeit zu reduzieren und man drohte den Fokus des nahen Zieles zu verlieren. In früheren Einsätzen hatte er sich meist auf seine Intuition verlassen können, doch bei seinem derzeitigen Zustand würde er sich nicht darauf verlassen, kein Grund ruhende Hunde zu wecken… Sie beide benötigten die trügerische Sicherheit des Versteckes, um neue Kräfte zu tanken. Kurz nachdem sie den Campus verließen, wurde Viktoria langsamer, bis sie schlussendlich anhielt um zu erneutem Atem zu gelangen. Auch der Soldat nahm nun die Luft geradezu gierig in sich auf, der Schmerz, den seine Rippen aussandten, wurde von dem Bedürfnis nach mehr Sauerstoff nahezu komplett überschattet. „Ich würd‘ mich nicht wundern, ...wenn wir nun noch mehr Verfolger haben... Aber, ...wir haben ja offensichtlich... nichts mehr, ...was den Aufwand wert wäre...“, keuchte sie erschöpft, aber doch mit einem bitteren Lächeln. Während sie sich wieder langsam in Bewegung setzten gingen Ryan noch immer ihre vorhergegangen Worte durch den Kopf. Sie hatten tatsächlich nichts mehr was den Aufwand für Banditen wert wäre, abgesehen von der Kleidung die sie trugen. Jedoch würde jeder, der sie einige Sekunden beobachtete, bereits erkennen, dass sie auch nicht mehr zu viel Widerstand fähig wären, leichte Beute für jemanden, der es auf die verdreckte Kleidung abgesehen hätte oder es vielleicht sogar nur aus Spaß tun würde? Sein Gedankengang riss ab als er die fast schon erlösenden Worte von Viktoria hörte. „Nur noch ein paar Häuser“, murmelte sie und hielt den Blick nun fest auf die Straße gerichtet. „Dort!“, sagte sie kurz darauf mit spürbarer Erleichterung. Waren sie wirklich da? Ihr Refugium erreicht? Es war ein sichtlich verfallenes Haus auf das sie zu hielten, das laut dem "zu verkaufen" Schild im Vorgarten wohl schon eine längere Zeit unbewohnt war. Nicht verwunderlich, dass die Pflanzen vermutlich länger als ein Jahr an dem Haus hoch krochen und es regelrecht zuwucherten. Die Eingangstür war kaum noch zu sehen und ein paar der Fenster waren scheinbar vor der Katastrophe schon von Kindern oder angetrunkenen Studenten eingeworfen worden. Das dort noch irgendetwas nützliches verborgen sein könnte, würde wohl kaum jemand denken. Von außen machte es nichts her, aber wie sollte dies auch möglich sein? Je verfallener und verlassener es wirkte, desto weniger Interesse und Aufmerksamkeit würde es auf herumstreunende Plünderer erzeugen. „Komm“, sagte Vik nur, nachdem sie sich noch mal auf der Straße umgesehen hatte. Anstatt ihn durch die zu gewucherte Haustür zu lotsen, folgte er ihr um die Ecke, wo zwischen den Häusern noch ein Müllcontainer stand. Viktoria löste sich von Ryan und schob den leeren Container mit letzter Kraft ein Stück zur Seite, bis ein schmales Kellerfenster, verborgen unter einem Gitter, zum Vorschein kam. So gut es noch ging, ließ sich Vik an der Mauer nieder, zog das Gitter weg und stieß das Fenster auf. „Schaffst du es noch runter?“, fragte sie leise zur Sicherheit, woraufhin der Soldat stumm nickte. Sie hatte sich wirklich perfekt auf ihr Leben als Streuner eingestellt, den Haupteingang unberührt gelassen und die zerworfenen Scheiben nicht verbarrikadiert. Alles um den Anschein eines unbewohnten, längst geplünderten Hauses zu erwecken. Der überlebende Teil der Menschheit hatte sich wirklich schnell angepasst und jeder war ein anderweitig spezialisierter Überlebenskünstler geworden. Seine Partnerin ließ ihm den Vortritt in den dunklen Keller, immerhin war der Abstieg durch einen vorausschauend platzierten Tisch nicht sonderlich tief, er konnte sich nur vorstellen, dass es jedoch für Viktorias Bein dennoch noch eine schlimmere Belastung wäre. Noch auf halben Weg hinab, zog sie das Gitter erneut vor das Fenster und verschloss dieses fest. In dem Keller erkannte man bei den Lichtverhältnissen wenig, Ryan stand leicht gebeugt, da die Decke hier nicht sonderlich hoch war. Schon bald war Viktoria wieder bei ihm, so dass ihm zu einer genaueren Inspektion nicht viel Zeit blieb. „Jetzt nur noch nach oben und hoffen, dass sonst niemand hier war“, murmelte sie mit hoffnungsvollen, sparsamen Schmunzeln und setzte sich in Bewegung. „Muss ich meine Schuhe ausziehen?“, fragte er schwach schmunzelnd, als Viktoria in erneut zusätzlich stützte und das obwohl sie selbst mehr als mitgenommen wirkte… „Oben vielleicht. Hab letzte Woche erst neues Parkett bekommen“, gab sie murmelnd als Antwort. Fast zu spät sagte sie plötzlich: „Vorsicht Rohre!“, während sie ihn durch den düsteren Keller führte und sagte noch einmal: „Achtung, ducken!“, als sie unter einem Türrahmen durchkamen,wobei sie noch klein genug war, um so hindurch zu gehen, bevor sie links an eine Treppe gelangten. „Fünfzehn Stufen“, murmelte sie ihrer Begleitung zu und begann während des Aufstiegs im halbdunklen leise mitzuzählen. Langsam krochen sie die Treppe hoch, die Art der Belastung musste eine Qual für seine Begleitung sein, dennoch stützte sie ihn weiterhin, bemüht ihm zusätzlichen Halt zu bieten. Kurz löste sie sich von ihm um sich im Erdgeschoss umzusehen, es fiel mittlerweile mehr Licht durch die verdreckten und Efeubehangenen Fenster. Durch das schummrige Licht, sah man, dass einige Möbelstücke wie vergessen noch in dem Haus standen. Auch war der Schimmel, der die Wände entlang kroch, unübersehbar. Doch bevor er sich ausführlich umsehen konnte, trieb ihn Viktoria wieder zu Eile an: „Scheinbar ist keiner hier gewesen. Wir müssen weiter unter‘s Dach.“ Also noch eine Etage? Diesmal bemühte er sich bei dem nächsten Treppensteig Viktoria so viel zu entlasten, wie es ihm möglich war. „Nicht mehr weit“, murmelte sie aufmunternd und blieb danach schnaufend auf dem Treppenabsatz stehen. Mehrere Zimmer gliederten sich an den Flur an, bei allen schien die Tür offen zu stehen. Keuchend ließ sie auch hier kurz die Augen in die angrenzenden Zimmer wandern. Zur linken ein altes Badezimmer, wo sogar zwei Eimer mit nicht ganz sauberen Wasser in der Badewanne standen, eine Küche, in der nur noch die Küchenzeile stand und ein Wohnzimmer, wo immerhin ein kaputter Schrank, ein Sofa und kleinere Kommoden standen. Doch Viktoria führte ihn direkt in ein kleines Schlafzimmer, das mittlerweile leergeräumt wirkte. Als sie das Zimmer durchquerten, überkam ihm ein kurzes Déjà-vu an das Schlafzimmer, welches er vor nicht allzu langer Zeit inspiziert hatte. Einem Trugbild gleich stieg ihm erneut der süß-säuerliche Fäulnisgeruch in der Nase auf, eine unbemerkter Schauer durchlief seinen Körper. Als er sich wieder einigermaßen von der Illusion befreit und seinen Körper wieder unter seiner Kontrolle hatte, konzentrierte er sich wieder auf den Weg der Studentin. Die einzige weitere Tür in diesem Zimmer führte zu einer noch vollen Abstellkammer voller Putzkram und Kisten mit unterschiedlichen, nun nutzlosen Zeug. „Jetzt, nur noch hoch“, sagte Vik erleichtert schmunzelnd und griff sich einen Stab mit Harken an der Spitze, der leicht verborgen hinter einer Platte lehnte. Etwas verzog sie schmerzvoll das Gesicht, als sie die Stange über ihren Kopf hob. Leicht übersehbar zog sie von oben eine Klappe herunter, die den Eingang zum Dachboden preisgab und zog dann die Leiter von oben zu sich. Mit einem erleichterten Lächeln drehte sie sich zu Ryan um, bevor sie sehr langsam und mit etwas zittrigen Gliedern auch das letzte Hindernis überwand. Mitten auf der Leiter hielt sie plötzlich inne und sah nochmals zu ihn hinab. Ihr Blick war voller Zweifel, aber ihre Wangen glühten wieder deutlich rot: „Ryan... ich... a-a-also, ich hab kein 'Besuch' erwartet und eigentlich... ich hab nie gedacht, dass jemand... ich mein... es ... es ist nun nicht gerade... ich mein...“, stammelte sie nun sichtlich nervös und verlegen. „Ach fu- ... verdammt“, fügte sie leise hinzu und stieg beschämt nach oben. „Hast du etwa dein Zimmer nicht aufgeräumt? Oder muss ich dir noch etwas Zeit geben deinen Schmuddelkram wegzuräumen?“ Er lächelte ihr hinterher während sie die letzten Sprossen erklomm. Sein Lächeln hielt weiter an, als sie schon außer Sicht war, ihre Reaktion hatte ihn verwundert, wirkte sie doch zu diesem Zeitpunkt mehr als fehlplatziert, dieses ernsthafte Bedenken, ließ sie mehr als niedlich wirken. Die Leiter bescherte ihm deutlich mehr Probleme mit seiner verwundeten Schulter, jede einzelne Sprosse verlangte ihm seine letzten Reserven ab. Mit beinahe kleinen Sprüngen gelangte er nun ebenfalls einige Momente nach Viktoria auf den Dachboden. Dort waren sie ziemlich Mittig auf einem großen Dachboden angekommen, der merklich in zwei Bereiche aufgeteilt war. Während rechts jede menge Krempel, wie alte Elektrogeräte, Möbel, Kisten und Tüten lagerten, wobei hier und da ein Eimer stand, um das Wasser, welches vom Dach durch tropfte aufzufangen, war der linke Bereich fast wohnlich hergerichtet. Abgetrennt wurden die Bereiche durch eine zerschnittene Blümchenbettwäsche, die an einen der recht niedrigen Querbalken genagelt wurde. An den Schrägen hatte Vik die Reste von bunten Tapeten aufgehängt. Am Dachgiebel war ein Fenster eingelassen, welches von außen mit Efeu zugewuchert war, vor dem ein alter Schreibtisch mit einem Kissen darauf stand. Von dem Platz aus, sah Viktoria scheinbar durch die Blätter auf die nahe Kreuzung. Davor stand ein Stuhl mit nur drei Beinen, wobei eine Kiste dem ganzen noch Stabilität gab. Rechts vom Schreibtisch standen noch ein paar Säcke mit alter, viel zu großer Kleidung und Decken, wobei an der rechten Dachschräge weitere Kisten aufgetürmt waren, die eine Matratze von drei Seiten umgaben. Über den Kisten war eine große Tischdecke gelegt, das die meisten Kisten damit verbarg und so auch den Inhalt von Plunder. Auf der Matratze lagen viele Kissen, dicke Decken und sogar ein grünes Drachenstofftier. Ein Schlitten diente Vik als Nachttisch, auf dem eine Kerze, ein Bleistift und verschiedene Bücher lagen. Unter anderem alte, kitschige Liebesromane, ein paar Harry Potter Bände, sowie ein Krimi. Gegenüber vom Bett, an der linken Schräge, stand eine kleine Kommode, auf dem weitere Kerzen, eine Bürste und Zahnbürste, sowie ein idyllisches Landschaftsbild standen. Links von der Kommode stand ein alter Fernseher, an dessen Scheibe Viki einfach nur ein Bild eines Kaminfeuers geklebt hatte. Rechts von der Kommode waren einige Töpfe mit unterschiedlich klaren Wasser und mit Handtüchern daneben. In der Ecke rechts von den Töpfen und links von dem Schreibtisch, stand ein großer Spiegel, dessen rechte, untere Ecke leicht zersplittert war. In der Mitte des 'Wohnraumes' lag ein alter, abgewetzter Perserteppich. Das einzige, was sonst noch auffiel war, das an den Querbalken, die vermutlich für Ryan wieder etwas zu tief hingen, Lichterketten und Weihnachtsgirlanden geschlungen worden waren. Auf einigen standen zudem noch nicht entzündete Kerzen. Fast schon Viktorias Warnung und Gedanken zum Trotz, blickte sich Ryan nun mehr als genau um, es fühlte sich beinahe so an als wäre man das erste Mal im Schlafzimmer seiner Freundin und eigenartigerweise war genau das der Fall, auch wenn der Ort und die Einrichtung ungewöhnlich war. Es schien als läge dieses Versteck Viktoria besonders am Herzen. Das Kuscheltier welches auf der Matraze rumlag, der Teppich und selbst der selbstgebaute „Kamin“ vermittelten ein angenehm heimisches Gefühl, auch wenn das abstrus wirkte. Fast peinlich berührt sah sich Viktoria selbst kurz um, wobei ihr Blick erst auf dem Stofftier und dann auf den Büchern hängen blieb, während Ryan die Treppe hinauf in ihre kleine, selbst errichtete Welt kam und sich umsah. „A-also... hm... Willkommen zu Hause?! Geh nicht in die Kram-Ecke, da... da ist das Holz, also der Boden... der ist morsch!“, warnte sie ihn noch und legte zögerlich den Stab zur Seite, den sie mit hoch geschleppt hatte, damit man es von unten schwieriger hatte zu ihnen zu kommen. „Und... und Vorsicht mit dem Kopf...“, murmelte sie, sah sich noch mal unsicher um und ging dann selbst schon zu der Hälfte mit allerlei Gerümpel hinüber. Ziemlich mittig schleppte sie sich auf den etwas stabiler aussenden Holzboden voran, wo vermutlich ein dickerer Holzbalken verborgen lag. Dennoch knarrte das Holz bedrohlich. Beiläufig nahm Ryan ihre Warnung zur Kenntnis, während er sich mit geducktem Kopf etwas weiter in den Dachboden hinein begab, während sie die Vorräte holte. An dem anderen Dachgiebel angekommen, schob sie ein paar Kisten zur Seite und löste einige Holzdielen. Dann holte sie einige unterschiedliche Metallkisten aus dem Zwischenboden und kam langsam und schwer beladen wieder zu Ryan. Umständlich stellte sie ihre Sachen auf den Teppich und ließ sich nun seufzend auf den ersehnten Boden nieder. „Ich... ich weiß, das hier ist nicht gerade... naja, aber... auch wenn es hier zieht... mit den Decken lässt es sich gut aushalten... und... bisher hat es niemand gefunden und... ich hatte Langeweile, daher hab ich... eigentlich wollt ich nicht... ich weiß es ist... ...“, wieder stotterte sie nervös herum, hielt dann doch den Blick gesenkt. Nebenbei öffnete sie etwas hektisch, mit nervösen Händen die Kisten: In der ersten lagen eine Packung Tampons, zwei Packungen Batterien, drei Verbände. Die zweite Kiste war mit einer kleinen Flasche Wasser, acht Kerzen, drei Packungen Zigaretten, zwei Packung Streichhölzer gefüllt. In der dritten waren eine Dose mit Hühnernudelsuppe, eine Packung Knäckebrot, eine Packung Trockenfrüchte, und in der Letzten vier Flaschen Bier. Mit einem breiten Lächeln hörte er ihrem Gestammel zu, sah ihr dabei zu, wie sie ihre Vorräte vor ihm ausbreitete. In ihrem eigenen Heim wirkte sie wie ausgewechselt, wirkte mehr wie eine Frau in ihrem Alter eigentlich wirken sollte. Wenn sie sich nicht zu diesem Überlebenskünstler hätte entwickeln müssen … „Nimm dir was du willst“, nuschelte sie noch verlegen. Sie bot ihm freie Auswahl über die Vorräte die nun vor ihm Lagen. Gerade beim Anblick der Wasserflasche fühlte sich sein Hals wie ausgetrocknet an und er sollte sich ebenfalls schleunigst um seine weiterhin blutende Wunde kümmern und ebenso um Viktorias … Doch die fast schon peinlich berührt wirkende Viktoria vor ihm, die bisher noch keinerlei Antwort von ihm erhalten hatte, ließ ihn all diese Prioritäten über Bord werfen. Stattdessen beugte er sich über die Vorräte hinweg, seine schmerzende Schulter ignorierend, bis er Viktorias Wange berühren konnte um sie sanft zu sich ziehen zu können. Endlich waren sie den Wölfen entkommen, hatten dieses scheinbar sichere Versteck, ihr kleines Zuhause, erreicht, allen Widrigkeiten zum Trotz, waren sie noch am Leben… Mit einem letzten Lächeln presste er seine Lippen auf die ihre um ihr einen Kuss zu schenken der schon so lange hat auf sich warten lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)