Nightcrawl von abgemeldet (Das ganz und gar nicht mystische Internat) ================================================================================ Kapitel 7: Superheld -------------------- Der Kunstkurs steht unter der Leitung von Mr. Altleben, bei dem ich mich immer noch frage ob das wirklich sein Nachname ist oder ob er Aufgrund seines Alters von stolzen 72 Jahren oder der tattrigen Erscheinung so genannt wird. Mr. Altleben ist einer der wenigen Lehrer denen ich mit Respekt begegne und das nicht, weil er eigentlich eine Respektsperson darstellen soll, sondern einfach weil er gut in Kunst ist und ich mich mit ihm tatsächlich unterhalten kann, und das länger als 5 Minuten ohne vor Langeweile oder Genervtheit zu sterben. Der Kunstunterricht von Mr. Altleben besteht zum Leidwesen der meisten Schüler nicht daraus irgendwelche Fakten über tote und bekannte, manchmal auch unbekannte, Maler zu lernen, sondern sich tatsächlich künstlerisch zu betätigen. Einer der Punkte die ich an diesem Lehrer schätze, denn ich kann mir etwas besseres vorstellen als in einem Kunstkurs schon wieder irgendwelche zum sterben langweilige Fakten auswendig lernen zu müssen. Kunst ist eines der Fächer in denen ich gut bin, einfach weil ich es kann. Zumindest sind meine Zeichnungen besser als Strichmännchen, was bei Mr. Altleben schon eine Art Jubelsturm auslöst im Anbetracht der Tatsache, dass die meisten in diesem Raum nicht mal einen Kreis hin bekommen. Unsere Aufgabe in den letzten und nächsten Wochen bestand darin, ein Gemälde des Malers Monet zu kopieren. Ich hab schon wieder vergessen wie es heißt, aber es gibt soviel ich weiß auch nur eins mit Seerosen. Das Gemälde mag ich ziemlich gerne, auch wenn ich nicht gerade ein Fan von Landschaftsbildern bin. Wenn ich ein künstlerisches Talent sehe dann nehme ich es wahr und respektiere es, auch wenn mein Stil ein absolut anderer ist. Mich macht man am glücklichsten wenn man mir mit Farbe gefüllte Luftballons an eine Leinwand hängt und ich sie zerschießen darf. Zwar hat noch niemand so richtig kapiert was ich damit ausdrücken will und ich hege auch nicht die Hoffnung dass das vor meinem Tod noch passieren wird, aber es ist Kunst. Auf eine seltsame Art und Weise. Ich meine, manche Leute machen Skulpturen aus Spagetti und das nennt man dann auch Kunst. Zu meinem Leidwesen geht der Kunstkurs einfach viel zu schnell vorbei. Ich bin sowieso der Meinung man sollte Mathematik, Geschichte und Physik durch Kunst ersetzen. Das würde manchen Leuten, wie mir zum Beispiel, das Schulleben enorm erleichtern. Dummerweise ist der Direktor dieses wundervollen Internats anderer Meinung. Nämlich der, dass wir alle geregelten und erfolgreichen Jobs nachgehen sollten und im besten Fall in die Fußstapfen unserer Eltern treten, worauf ich gut verzichten kann. Und ich kenne ein paar Leute die das ebenfalls könnten. Ich sehe keinen Sinn darin die Computerfirma meines Vaters weiter zu führen, zumal ich mir sicher bin das er hier und da noch die ein oder anderen unehelichen Kinder hat die sich ruhig damit abstrampeln könnten. Ich für meinen Teil sehe meine Berufung in etwas anderem. In was genau hab ich noch nicht heraus gefunden, aber ich habe immerhin noch zwei Jahre Zeit um das zu tun, weshalb ich im Moment wirklich alles habe, aber keine Panikattacken. Lustlos stopfe ich mein Zeug in meine Tasche und wappne mich schon mal für den anstrengenden Teil des Tages. Dem Sportunterricht. Ich bin auch der Meinung das Sportunterricht absolut überbewertet wird. Ich meine, würde ich Sport machen wollen, dann würde ich irgendeiner AG in dieser Richtung beitreten und mich nicht seit meiner Ankunft hier erfolgreich davor drücken. Zwar bin ich in Sport wirklich alles andere als schlecht, aber ich mag es trotzdem nicht. Körperliche Betätigung war noch nie mein Ding und wird es vermutlich auch niemals sein. Okay, Typen die Sport machen haben was, aber das heißt nicht das ich das auch haben muss oder will. Klar, ich steh drauf wenn Eric verschwitzt über das Basketballfeld hechelt, aber ich selbst will das nicht tun. „Was hast du jetzt?“, werde ich von hinten angesprochen kaum das ich das Klassenzimmer verlassen habe, und blicke über meine Schulter Taylor an, während ich „Sport.“, antworte und dabei angewidert das Gesicht verziehe. „Super! Ich auch, also lauf ich dir jetzt nach.“, kommt es gut gelaunt und ich kann nicht anders als schief grinsen. „Will ich wissen wie oft du dich heute schon verlaufen hast?“ „Ahm....nein, lieber nicht.“, lacht er etwas peinlich berührt und ich belasse es dabei. Es war klar das er sich verlaufen würde. Habe ich bei meiner Ankunft hier auch getan, Mac ebenfalls und Marvin sowieso. Wie das bei Kai aussieht will ich nicht wissen und von Marcel weiß ich, dass er aus irgendeinem Grund vorher schon einen Lageplan des Schulgeländes hatte, woher auch immer. Aber der gute Marcel ist im Allgemeinen ziemlich gut organisiert. Er organisiert so gut wie alles, außer die Ordnung in seinem Zimmer, denn dort sieht es aus als hätte der russische Scharfschützenverein seine Schießübungen abgehalten. Ich bin zwar auch nicht der Ordentlichste Mensch auf dieser Welt, aber wie Marcel überhaupt noch etwas findet übersteigt meinen Horizont. Was mich an Nightcrawl am meisten nervt ist die Tatsache, dass die Klassen nicht nach Alter unterteilt sind so wie es eigentlich sein sollte, sondern nach dem Können der jeweiligen Schüler. Das heißt also überall kreuchen Grundschüler und Oberschüler zusammen durch irgendwelche Kurse, weil sie entweder zurückgeblieben oder hochbegabt sind. Beim Sport ist das übrigens etwas, dass ich auf den Tod nicht ausstehen kann. Ich hasse Sport, das dürfte inzwischen so gut wie jedem klar sein. Dummerweise bin ich in Sport tatsächlich gut und hatte am Anfang auch kein Problem damit. Das dumme daran ist einfach nur, das Marcel, Eric und Kai ebenfalls gut sind und sich somit ausgerechnet in meinem Sportkurs befinden. Das ist wie mit Geschichte. Ich bin so gut das ich mich zusammen mit Kai und Eric in einen Kurs quetschen muss, aber Marcel ist in der Hinsicht dumm wie ein Meter Feldweg und sitzt deswegen in einem Kurs der hauptsächlich aus 14 – 16-jährigen besteht. Marvin ist zu meinem Leidwesen in diesem Fach so gut, das er der jüngste in seinem Kurs ist, eingepfercht von Leuten über zwanzig. Da Taylor meinen Sportkurs besucht, muss er in dem Fach ebenfalls gut sein, denn sonst wäre er wohl kaum hier. Zumal ihn die Basketballmannschaft ja angeworben hat, was für mich nur einen weiteren Beweis seiner Fähigkeiten darstellt. Falls man es noch nicht begriffen hat: Ich hasse Sport! In erster Linie übrigens weil Marcel mit mir dieselbe Luft atmen muss. Aber mich tröstet die Tatsache das er den Sportkurs deswegen ebenfalls hast, so ziemlich über das ganze Leid hinweg. Zum Sportunterricht erscheine ich schon aus Prinzip zu spät um mich nicht mit den Anderen umziehen zu müssen. Und um vorzubeugen das Eric sich eventuell verrät, da ich weiß wie er auf meine Piercings unterhalb meines Kopfes reagiert. Und nun stehe ich also hier in der Sporthalle und möchte mich gern übergeben. Ich bin mir nicht sicher ob man mir das wirklich so genau ansieht oder warum Taylor mich sonst so mitleidig mustert. Zu meinem Leidwesen geht es heute um Teamarbeit. Und als ob es nicht schon reichen würde das der Coach uns in Teams aufgeteilt hat, müssen es auch noch Zweierteams sein. Und als ob DAS nicht schon reichen würde, muss mein Partner ausgerechnet Marcel sein. Wenigstens scheint dieser genauso darüber erfreut zu sein wie ich, was mich tatsächlich leicht tröstet. Taylor wurde zu meiner großen Belustigung mit Kai zusammen geworfen, was diesem alles andere als angenehm zu sein scheint. Vielleicht liegt es an meinem boshaften Charakter das ich ihn am liebsten angrinsen und die Zunge raus strecken würde, was ich natürlich nicht tue. „Sag bloß du freust dich mit mir zusammen arbeiten zu müssen?!“ Ich blicke Marcel aus dem Augenwinkel an und schnaube abfällig während ich die Arme verschränke. „Vorher hol ich mir lieber eine Geschlechtskrankheit.“ „Hast du die nicht schon?“ Meine Augenbraue zuckt und ich wende mein Gesicht meinem liebreizenden Partner zu, ehe ich meine Mundwinkel hebe und ein „Willst du's testen?“, von mir gebe. Natürlich weiß ich dass das weder klug noch die richtige Strategie ist, aber ich kann mich bei Marcel einfach nicht zurück halten und auf meinen Verstand hören, der versucht mir klar und deutlich zu verstehen zu geben, dass ich lieber die Fresse halten und Marcel ignorieren soll. Es gab mal eine Zeit da habe ich tatsächlich versucht mit meinem Verstand zu handeln und nicht mit meinem Gefühl, aber irgendwann hab ich es einfach aufgegeben. „Schwuchtel!“ „Marcel! Das hab ich gehört! 20 Runden um den Platz nach dem Unterricht!“, brüllt Coach Vincent durch die Halle und ich hebe spöttisch eine Augenbraue, während ich mir ein Grinsen in Marcel's Richtung verkneife, der alles andere als erfreut aussieht. Aber hey, er ist im Basketballteam, er müsste Laufen ja gewohnt sein. Es geht um Dehnübungen. Dehnübungen sind so ziemlich das Schlimmste das ich mir in Zusammenarbeit mit Marcel vorstellen kann. Ich verziehe das Gesicht und stoße zischend die Luft aus, als Marcel sich etwas zu stark auf meinen Rücken lehnt und meine Sehnen überstrapaziert. Und ich weiß das er das mit Absicht macht, vermutlich aus Rache für die 20 Runden die er später laufen muss. „Au, verdammt!“, fluche ich und spüre gleichzeitig wie das Gewicht nach lässt und ein abwesendes „Sorry“, ertönt was mich die Stirn runzeln lässt. Ich drehe meinen Kopf leicht um Marcel über meine Schulter ansehen zu können und stelle fest, das er gar nicht auf mich konzentriert ist sondern auf irgendjemanden am Ende der Halle. Als ich seinem Blick folge, stelle ich fest das es sich dabei um Eric handelt, der hin und wieder zu uns hinüber sieht und ich runzle die Stirn erneut. „Was glotzt der eigentlich so?“, knurrt Marcel und über meinem Kopf bildet sich ein riesiges Fragezeichen. „Stress?“, gebe ich amüsiert von mir und ernte ein Schnauben, bevor ich wieder zu fluchen anfange als Marcel meine Sehnen schon wieder überstrapaziert indem er sich fast mit seinem gesamten Gewicht auf meinen Schultern ab stützt und mich so nach vorne biegt, was meine Oberschenkel nicht lustig finden. Ich übrigens auch nicht. „Das geht dich nichts an.“, wird mir ins Ohr gezischt und ich erliege fast der Versuchung mit dem Ellenbogen nach hinten aus zu schlagen und die Welt vor zukünftigen Marcel Juniors zu bewahren. Nachdem wir uns auch noch Bälle zuwerfen mussten, um angeblich unsere Reaktionsgeschwindigkeit zu verbessern, mache ich innerlich drei Kreuzzeichen als dieser verdammte Sportkurs endlich zu Ende ist. Coach Vincent ist ja ganz nett, aber ich verstehe immer noch nicht warum es für ihn nicht offensichtlich ist das Marcel und ich alles sind, aber definitiv weit entfernt davon so etwas wie Freunde oder gute Bekannte zu sein. Laut Marvin ist das für ihn sehr wohl offensichtlich und Marvin vertritt die Meinung, dass ich deswegen immer mit Marcel in einem Team lande, weil der Coach die Hoffnung hegt das zwischen uns alles gut werden könnte. Automatisch habe ich mich bei dieser Erläuterung gefragt ob er auch glaubt das Kinder vom Storch gebracht werden und unbefleckte Empfängnis tatsächlich existiert. Boshaft ich weiß. Nachdem ich mich umgezogen habe verabschiede ich mich von Taylor nachdem ich ihm erklärt habe wie er zu seinem Biologiekurs kommt, denn ich habe zu meiner großen Freude erst einmal zwei Freistunden und überlege mir ernsthaft ob ich diese nicht dafür nutzen sollte entweder etwas für die Musik AG zu tun oder aber um noch ein bisschen zu schlafen. Ich entscheide mich für die Musik AG und trete aus der Turnhalle um zum Westeingang des Hauptgebäudes zu kommen wo ich natürlich am Sportplatz vorbei muss, wenn ich nicht Lust habe das gesamte Gebäude einmal zu umrunden. Und ich habe keine Lust! Mit Musik in den Ohren laufe ich den Weg entlang, bis ich stehen bleibe und auf den Sportplatz runter sehe, auf dem sich auch die Laufbahnen befinden und ich Marcel sehe, der stur und mit finsterem Gesichtsausdruck seine Runden läuft. Eine Weile bleibe ich stehen, bis ich in die Hocke gehe um es mir bequemer zu machen und ihm ein bisschen zu zusehen. Auf mich macht Marcel nicht den Eindruck als würde er Strafrunden ablaufen, sondern als würde er vor etwas weg laufen wenn ich sein Tempo berücksichtige. Ich habe ihn schon öfter laufen sehen, denn immerhin bin ich auch schon lang genug in diesem wundervollen Käfig ansässig, aber diese Art zu Laufen ist mir an ihm neu. Ich weiß das er eigentlich ein ruhiger Läufer ist, der nicht so schnell außer Atem kommt und das sich sein Schwitzpensum auch auf ziemlich geringer Stufe befindet egal wie viel oder schnell er sich bewegt, aber im Moment scheint auch das anders zu sein, was mich abschätzend das Gesicht verziehen lässt. Ich blinzle als Marcel abrupt stehen bleibt und zu mir nach oben sieht, als hätte er bemerkt das er nicht allein ist. Anstatt mir also eine Beschimpfung entgegen zu schmeißen, womit ich ehrlich gesagt gerechnet habe, sieht er mich einfach nur eine Weile an bevor er den Blick wieder abwendet und sich mit dem Unterarm über die Stirn wischt. Gott, ich hasse es wenn er das macht. Also nicht sich den Schweiß abwischen, sondern einfach nichts tun. Ich hab es gestern schon erwähnt, aber ich erwähne es noch einmal: Ich hasse es wenn er nichts tut und mich sozusagen einfach stillschweigend akzeptiert anstatt wie sonst irgendwas zu sagen oder zu machen. Vielleicht bin ich wirklich nicht mehr ganz dicht, aber es macht mir Angst wenn er so ist wie gerade und mich einfach sein lässt, weswegen ich ihn meistens provoziere um die gewünschte Reaktion zu bekommen. Aber anstatt ihn nun zu provozieren wie immer stehe ich lediglich auf und greife in meine Umhängetasche, bevor ich ihm die Flasche Wasser nach unten werfe die ich mit mir herum trage, und er sie aus Reflex mit einer Hand auffängt und wieder zu mir nach oben sieht. Bevor er noch etwas sagen kann, drehe ich mich auf dem Absatz um und setze meinen Weg zum Raum der Musik AG fort, während ich mich innerlich winde und mich verfluche. Am Ende ist es so, das ich Mittags in der Mensa sitze, flankiert von Marvin und Mac, Kai gegenüber und mich in Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen suhle, warum ich so blöd war und auch noch im Ansatz nett zu Marcel gewesen bin. Gestern war ich noch der festen Überzeugung das ich alles tun würde um unsere Feindschaft aufrecht zu erhalten, und heute spendiere ich ihm Wasser weil er schwitzt wie eine Sau. Irgendwas passt da überhaupt nicht zusammen. Außerdem frage ich mich wie ich das wieder gerade bügeln soll damit alles wieder so ist wie sonst auch. Mein Glück ist nämlich nicht unbedingt sehr spendabel und deswegen habe ich die widerliche Befürchtung, dass Marcel denken könnte ich wäre nett zu ihm gewesen weil ich ihn mag. Das tu ich nicht. Ich hasse ihn! Oder zumindest tue ich alles dafür das er mich hasst, was im Prinzip ja dasselbe ist. „Ist mit ihm alles in Ordnung?“, höre ich Kai fragen während ich meinen Kopf in meinen Armen auf dem Tisch verborgen habe und mit mehr oder weniger Erfolg versuche alles und jeden auszublenden. „Sieht nicht so aus.“, kommentiert Marvin und ich kann die Besorgnis in seiner Stimme hören. „Das kommt wohl auf die Betrachtungsweise an was du als 'in Ordnung' definierst.“, erwidert Mac und ich gebe ihm im Stillen einfach recht. Wirklich 'in Ordnung' bin ich nie, deswegen ist das tatsächlich eine Sache der Betrachtungsweise, aber das werde ich Mr. Obercool garantiert nicht auf die Nase binden. Und für Mac hoffe ich das er das auch so handhabt. Ich spüre wie mich etwas in meinen Unterarm piekt und hebe den Kopf um zu sehen was es ist, nur um festzustellen, das Kai mich mit seiner Gabel über den Tisch hinweg gepiekt hat und mich zu allem Überfluss auch noch besorgt ansieht. Zumindest nehme ich an, dass das ein besorgter Ausdruck in seinem Gesicht ist. Ich bin mir da gerade nicht so ganz sicher, weswegen ich einfach die Klappe halte und stattdessen nur murre. „Was ist los?“ Diese Frage allein lässt mich schon fast an seiner geistigen Gesundheit zweifeln, aber Aufgrund der Tatsache das er letzte Nacht bei uns gepennt hat und einigermaßen umgänglich war, mache ich mir da weniger Sorgen, weshalb ich mit einem „Nichts.“, antworte. Mac räuspert sich, weil er diese Antwort einfach schon kennt und Kai hebt eine Augenbraue bevor er die Stirn runzelt. Ich habe die Vermutung das er mir nicht glaubt, hege aber die Hoffnung das er es einfach darauf beruhen lässt und nicht anfängt mir auf die Nerven zu gehen. „Du kannst mir ja viel erzählen, aber das nicht.“ Meine Hoffnung wurde soeben zerschmettert und in mir fängt es an zu brodeln. Wenn ich etwas nicht leiden kann, außer der inzwischen offensichtlichen Dingen, dann ist es wenn man mich unbedingt zum reden bewegen will, wenn ich definitiv NICHT reden will. Warum manche Menschen ihren Lebenssinn darin sehen andere zum reden zu bringen, die überhaupt nicht reden wollen. Ich meine ich renne ja auch nicht durch die Gegend und mische mich in die Privatangelegenheiten von irgendwelchen Leuten ein die ich nicht mal kenne. Na ja, um genau zu sein mische ich mich in überhaupt keine Angelegenheiten ein, außer ich werde darum gebeten. Wenn Eric also Stress mit seiner dummen Schnepfe hat interessiert mich das ungefähr so viel als wenn ich China ein Sack Reis umkippt. Okay, das mit Eric ist vermutlich ein echt beschissener Vergleich. Nehmen wir also an Mac hat mal wieder Stress mit seiner Oma mütterlicherseits, dann interessiert mich das ungefähr genauso wenig wie oben genanntes und ich mische mich auch nicht ein sondern lasse ihm sein Leid. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt an dem er mich um Hilfe bittet. Erst dann sehe ich mich gezwungen mich dafür zu interessieren und diverse Lösungswege zu entwerfen. Versteht man was ich meine? Natürlich kann man jetzt auch behaupten ich wäre an meiner Umwelt und meinen Mitmenschen desinteressiert, was in gewisser Weise sogar zutrifft, aber ich sehe nun einmal keinen Sinn darin Leuten meine Hilfe aufzuzwingen die sie überhaupt nicht wollen und nicht danach verlangt haben. Bis das der Fall ist kann ich mich auch getrost mit meinen eigenen Problemen auseinandersetzen. Also verstehe ich beim besten Willen nicht, was Kai jetzt eigentlich von mir erwartet. Soll ich ihm mein Herz ausschütten? Mich heulend an seine Brust werfen? Ihm beteuern das er der tollste und beste Freund ist den ich jemals hatte, die Tatsache ausgeschlossen das wir nicht befreundet sind? „Red mit mir!“ „Es ist nichts.“ „Du siehst nicht so aus als ob nichts wäre.“ Ich beiße die Zähne zusammen um Kai nicht anzuschreien oder ihm im besten Fall irgendetwas ins Gesicht zu werfen. Das wäre nicht fair, immerhin macht er sich nur Sorgen. Zumindest nehme ich das einfach mal an, auch wenn ich es mir wirklich nicht so richtig vorstellen kann das ausgerechnet Mr. Obercool sich Sorgen um mich macht. Zwar würde ich jetzt gern behaupten unser Verhältnis ist nicht das Beste, aber das wäre irgendwie auch nicht richtig, denn immerhin hat er mich als Kopfkissen benutzt und lebt noch. Außerdem frage ich mich gerade ernsthaft woher zur Hölle er wissen will wie ich aussehe, wenn 'nichts ist'. Gerade als ich mir überlege was ich sagen soll damit er endlich die Klappe hält und mich in Ruhe lässt, wird mir eine leere Petflasche vor die Nase geknallt und ich zucke unweigerlich zusammen. Über die Schulter hinweg sehe ich zu dem Störenfried der, ohne es zu ahnen, soeben meine Rettung ist. Meine Augenbraue zuckt kurz als ich direkt in Marcels Gesicht blicke der eine Hand in der Hosentasche hat, seine andere Hand langsam von der leeren Wasserflasche zurück zieht und auf mich runter sieht. Ich weiß nicht ob er Gedanken lesen kann, mein Gesichtsausdruck offensichtlich ist oder er es einfach so tut, aber er macht den Mund auf. „Nach der ersten Nacht schon Beziehungsstreit. Tz Tz.“ Ohne es zu wollen entspanne ich mich sofort und stoße die Luft aus während ich mit den Augen rolle und die Arme verschränke. „Wenigstens krieg ich von ihm keine aufs Maul im Gegensatz zu diversen Leuten hier.“, kontere ich und Marcel's Auge zuckt kurz während er seine freie Hand zu einer Faust ballt. „Hast du irgendein Problem?“ „Ja, steht vor mir und trägt hässliches orange.“ „Du reißt deine Fresse mal wieder zu sehr auf, Schwuchtel!“ Ich merke sehr wohl das Marcel wütend wird, so wie alle anderen am Tisch vermutlich auch. Das nehme ich deswegen an weil Mac sich verspannt, Marvin anfängt zu stottern und sich klein zu machen und Kai seine Augen verengt und die Hände zu Fäusten ballt als ich kurz zu ihm rüber sehe, bevor mein Blick sich wieder auf Marcel heftet und ich mich seitlich auf den Stuhl setze um die Beine zu überschlagen. „Oh! Hab ich deine zarte Seele verletzt? Entschuldige, das war keine Absicht, Waschlappen.“ „Was hältst du davon wenn du gehst?“, kommt es von Kai bevor Marcel und ich noch etwas sagen können und ich sehe Kai aus dem Augenwinkel an während Marcel seinen Blick auf ihn heftet. „Halt dich da raus.“, kommt es sowohl von mir als auch von Marcel gleichzeitig, was Mac mit einem Räuspern kommentiert das sein Auflachen kaschieren soll, weshalb er sich einen ziemlich finsteren Blick von meinem Gegenüber einhandelt, ehe dieser seine Aufmerksamkeit wieder mir widmet. Wie fühle ich mich doch geehrt! „Du bist doch schuld das mit ihm was nicht stimmt. Was hast du gemacht?“ Mir war irgendwie klar das Kai nicht seine Fresse halten würde, weshalb ich mit den Augen rolle. „Ich sagte du sollst die Klappe halten.“ „Werd ich nicht. Touji ist mein Freund.“ „Seit wann das denn?“, kommt es spöttisch von Marcel und ich murre nur ein „Ist mir auch neu.“, vor mich hin. „Du machst ihm Angst!“, echauffiert sich mein neuer 'Freund' und ich hebe interessiert eine Augenbraue während ich ihn ansehe. „Du hast keine Ahnung von ihm.“ „Du aber schon?“ Kai steht auf und stützt sich auf dem Tisch ab um sich zu uns rüber zu lehnen. Unter normalen Umständen hätte ich gesagt es sieht lächerlich aus, wie er halb über dem Tisch hängt und Marcel halb über mir als er sich an meiner Stuhllehne abstützt und sich ebenfalls nach vorne lehnt. Im Moment finde ich es aber alles andere als prickelnd dazwischen zu sitzen. „Mehr als du auf jeden Fall.“, knurrt Marcel und ich schiele zu ihm nach oben, bevor mein Blick wieder zu Kai wandert, der ein „Du hast doch eine Vollmeise!“, von sich gibt. Mein Instinkt sagt mir das ich ziemlich in der Scheiße sitze wenn das hier eskaliert und die Beiden aufeinander los gehen. Ich sollte zudem Hellseher werden und damit meine Kohle verdienen anstatt den Konzern meines Alten zu übernehmen. Denn kaum das ich mir sicher war in der Scheiße zu sitzen sollten sie aufeinander los gehen, wackelt der Tisch. Aus Reflex reiße ich einen Arm hoch und schlage ihn gegen Marcels Brust während ich gleichzeitig auf die Beine springe. Man kann es jetzt so auffassen das ich Marcel ein Stück weg geschubst habe. Zumindest sieht es vermutlich für Außenstehende so aus oder eben auch nicht. Ich bin kein Außenstehender und kann das deswegen nicht beurteilen. Fest steht jedoch das ich gleich mit weg taumle und gegen Marcel pralle, der mich eher aus Reflex als aus freiem Willen an den Oberarmen fest hält. Grund für meinen nicht gerade eleganten Abgang vom Tisch zu Marcel ist mein Fehler auf die Beine gesprungen zu sein und somit Kai's Faust direkt in die Fresse bekommen zu haben. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass er einen ganz schönen Schlag hat und mein Gesicht ziemlich weh tut. Und wenn auch nur ein einziger Kratzer zurück bleibt werde ich ihn dumm und dämlich verklagen. Ich merke wie mir etwas über die Oberlippe tropft und zu Boden fällt. Das es rot ist finde ich alles andere als lustig, denn das heißt nichts anderes als das ich irgendwo blute. Aus Reflex taste ich meine Nase ab und betrachte die rote Flüssigkeit an meinen Fingerspitzen während ich murre. „Lass ihn los!“ „Kai beruhig dich!“, höre ich Mac der ebenfalls auf die Beine kommt und sich an Kai's Arm hängt, als dieser über den Tisch gekrabbelt ist und auf uns zu kommt. Mein Blick wandert zu meinen Oberarmen an denen mich Marcel immer noch fest hält und ich vermute das er gerade irgendwie unter Schock steht oder irgendwas dergleichen, was sich bestätigt als ich in sein Gesicht sehe und er mich einfach nur fassungslos ansieht. Oder eben das Blut das durch meine Finger hindurch sickert. „Nimm deine Finger von ihm!“ Marcels Finger zucken, bevor sie sich fester um meine Oberarme liegen und ich einen protestierenden Laut von mir gebe, als er mich zur Seite und leicht hinter mich schiebt. „Alter, hast du ein Rad ab?!“, brüllt er zu Kai zurück und knackt mit den Fingerknöcheln. Ich bleibe einfach da stehen wo er mich hin geschoben hat und bin gerade etwas überfordert mit der ganzen Situation. Also ich bin es gewohnt das Marcel irgendwas tut. Dabei bin ich immer das Ziel, was für mich auch vollkommen okay ist. Aber mich überfordert gerade enorm das er mir keins auf die Fresse schlägt sondern stattdessen Kai im Visier hat, der mir lustigerweise eins auf die Schnauze gehauen hat, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin dass das keine Absicht war. Ich habs nicht so mit Superhelden, aber ich glaube es wird Zeit das ich einen brauche, weshalb ich Taylor für die perfekte Besetzung dafür halte, als dieser auf einmal da steht und sich zwischen die Beiden schiebt und sie an ihren Shirtkragen festhält, bevor er Kai auf einen der Stühle setzt, oder eher wirft, und Marcel auf dem Boden landet. Die Beiden sind viel zu überrascht um irgendwas zu tun oder auch nur zu sagen und sehen den Punk mit großen Augen an, wohl unfähig zu verstehen das irgendwer ausgerechnet sie so behandelt. „Ich wollte dich eigentlich fragen ob du mir den Weg zur Musik AG zeigst, aber ich glaube der Weg zur Krankenstation tut's auch.“, wendet sich Taylor mir grinsen zu und ich gebe ein Geräusch von mir das mit ganz viel Fantasie ein Lachen darstellen könnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)