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Kiss me hard before you go

von

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Die Komplexität der Einfachheit

Kapitel 23 Die Komplexität der Einfachheit
 

„Professor", murmele ich zur Kenntnis nehmend. Die dunklen Augen des älteren Mann mustern mich aufmerksam. Sie wirken seltsam wissend und verstehend. Doch er kann es nichts wissen. Woher sollte er auch?

Ein unangenehmes Schaudern erfasst mich und lässt meine Händen einen Augenblick lang zittern. Ob er solche Szenen öfter miterlebt? Die junge blonde Frau, die damals mit tränenfeuchten Wangen aus Antonys Büro stürmte, kommt mir in den Sinn. Ebenso kommt auch unser Gespräch über seine Beliebtheit. Ich erinnere mich an sein verschmitztes Lächeln und die Versicherung, dass er außer mir niemand anderen so an sich herangelassen hat. In dem Moment war es ein gutes Gefühl gewesen. Nun weiß ich nicht mehr, was ich davon halten soll. Professor Strout nickt und ich setze mich gerade in Bewegung als es in meinem Rücken mörderisch knallt. Die Tür zu Antonys Büro vibriert verräterisch und ich schrecke merklich zusammen. Ein weiteres Rumsen ertönt, gefolgt von einem Klirren.

Ich kann nicht verhindern, dass ich mich zur Tür meines Dozenten wende. Abgesehen von Stille folgt nichts. Unwillkürlich stelle mir vor, wie die Kaffeetasse, die eben noch auf seinem Schreibtisch gestanden hat in Scherben vor der Tür liegt, wie sie gegen das harte Holz prallte und dann in hunderten Bruchstücken zu Boden rieselt. Es ist als würde ich ihn leise Schimpfen und Murmeln hören. Sicher klaubt er in diesem Moment die Scherben wieder auf. Als ich mich abwende, blicke ich in Professor Strouds Gesicht. Sein erschrockener Gesichtsausdruck weicht augenblicklich einem Verwunderten. Ein lautes Raunen hinter der Tür ist zu hören, welches nur gedämpft zu uns dringt.

Welche Fragen sich nun in seinem Kopf abspielen müssen? Ich spüre, wie sich auf meinem gesamten Körper einen kribbelnde Gänsehaut bildet. Sie streicht über meine Glieder mit einem kühlen Prickeln der Erleichterung und einer Spur von tiefsitzenden Trauer. Uns beiden geht es schlecht mit dieser Situation und doch wissen wir uns nicht zu helfen. Ich schlucke schwer, weiche Strouds Blick aus und setze mich in Bewegung. Aus dem Augenwinkel heraus nehme ich wahr, wie er an Antonys Tür klopft.
 

Es ist niemand da als ich die Wohnungstür öffne. Die Zimmertüren meiner Mitbewohner stehen beide offen. Obwohl ich mir um deren sichere Abwesenheit bewusst bin, schaue ich in beide Räume und bin mir letztendlich nicht einmal sicher, was ich damit bezwecke. Meine Stimmung spricht gegen Gesellschaft. Ich verspüre nicht das geringste Bedürfnis zu kommunizieren oder irgendjemand Rede und Antwort zu stehen. Ein Blick in die Küche und dann erkläre ich mich selbst für bescheuert. Gesellschaft haben hin oder her aber die Stille der Wohnung macht mich nervös. Von der Küche mache ich einen Abstecher ins Badezimmer, trotte dann in mein Zimmer und öffne als Erstes das Fenster. Müdigkeit überfällt mich. Im Grunde begleitet sie mich schon die ganzen letzten Tage hindurch. Augenblicklich fällt mein Blick auf das Bett. Ich merke eine deutliche Anziehung, aber auch eine ebensolchen Widerstand. Seltsam hin und her gerissen, spüre ich, wie meine Glieder schwer werden und die andauernde Müdigkeit, wie ein Paukenschlag über mich hereinbricht. In meinem Kopf entfalten sich die Erinnerungen an die zweisamen Augenblicke zwischen mir und dem Portugiesen. Bilder entstehen, die meine Fingerspitzen pulsieren lassen und einen ergreifenden Schauer durch meinen Körper jagen. Nichts weiter als Fantasien und Sehnsüchte. Ich vermisse dieses wunderbare Gefühl, welches sich für ein paar Momente zwischen uns wähnte. Ein lauter Seufzer hallt durch den Raum, gefolgt von einem wütenden Knurren. Das muss aufhören. Diese deprimierenden und trübseligen Gedanken machen mich fertig. Der Stillstand bringt mich um den Verstand. Ich brauche Bewegung. Dringend.

Ich blicke auf die Uhr. Der Müdigkeit zum Trotz packe ich mir ein paar Trainingsklamotten zusammen und fahre zurück zur Uni.
 

Viele Leute kommen mir entgegen, als ich die Tür zum Fitnessbereich öffne. Auch an den Geräten ist einiges los. Mehr als bei den letzten Malen, die ich mit Anni hier gewesen bin. Ich ziehe mich um und bleibe unschlüssig stehen. Ich habe mir bisher nicht überlegt, was ich eigentlich machen will. Ausdauertraining? Ein paar Geräte? Erst mal aufwärmen. Meine Augen wandern die fleißigen Sportler ab. Schwitzende Körper. Angestrengte Gesichter. Bei einigen bin ich mir sicher, dass sie tatsächlich einen sportthematisierten Studiengang haben müssen. Andere sind einfach nur Poser. Ich schüttele meinen Kopf, weil ich jedes Mal aufs Neue nicht verstehe, was man daran toll findet. Eine schlanke Rothaarige sitzt auf einem der Fahrräder und die Blondine, mit der sie sich angeregt unterhält, arbeitet an den Kraftgeräten. Zwei junge Männer trainieren ihre Oberschenkel an der Presse.

Ich schwanke eine Weile zwischen Laufband und Fahrrad hin und her und entscheide mich letztendlich für das Laufen. Eine Route mit Höhen und Tiefen. Ein steigendes Tempo. Ich spüre die Hitze in meinem Körper und wie langsam mein Kopf immer leerer wird. Irgendwann summe ich unaufhörlich eine Melodie, die ich nicht wiedererkenne. Schon eigenartig. Ein Ohrwurm verursacht durch den ersehnten Leerlauf für das Gehirn. Genauso, wie ich es mir erhofft habe. Das Brennen in meinen Muskeln wird mit jedem Kilometer, den ich zurücklege, stärker. Ich konzentriere mich nur noch darauf und genieße es. Erst als auch meine Lunge zu pieken beginnt, drücke ich auf Stopp, laufe es aus und bleibe dann ermattet vor dem Trainingsgerät stehen. Fahrig angle ich nach meiner Wasserflasche und leere sie mit großzügigen Schlucken. Ich beuge mich nach vorn, spüre, wie bei jedem Luftzug meine Lungenflügel angestrengt flattern und brauche eine ganze Weile um mich wieder aufzurichten.

Ich sehe mich um. Mittlerweile sind nur noch wenige Leute übrig. Die Rothaarige vom Fahrrad ist auf einen diese mörderischen Stepper gewechselt. Von meiner Position aus kann ich ihr direkt auf den Hintern starren. Er scheint fest und gut trainiert, ist aber noch immer viel zu flach. Insgesamt ist sie eher von der zierlichen, fast burschikosen Körperform.
 

Unbewusst führe ich meine Trinkflasche zum Mund und stelle fest, dass sie sich trotz aller Anstrengung nicht wieder gefüllt hat. Ich wende mich den Versorgungsbereich zu und stelle fest, dass er gut belegt ist. Einer der übertrieben muskelbepackten Kerle steht zusammen mit einen erträglich gebauten Schwarzhaarigen an den Getränkespendern. Genau dort, wo ich eigentlich hin möchte. Sie unterhalten sich. Als ich nach kurzem Zögern auf sie zugehe, kann ich deutlich die gespannten, bläulichen Adern auf den Bizeps des blonden Mannes erkennen. Sie scheinen jeden Moment zu platzen und zeichnen seltsame Muster auf seine Haut.

„Wenn er dich derartig auf die Palme bringt, dann stopf ihm das Maul", gibt der Blonde gerade zum Besten und es ist als würde reines Testosteron von seinen Lippen fließen. Es scheint fast aus all seinen Poren zu tropfen. Der Blonde grinst übertrieben und sieht zu mir, als ich zu den verschiedenfarbigen Tornistern komme. Isotonischer Sirup in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ich hafte meinen Blick an die beschrifteten Zapfhähne und versuche, das Gespräch der beiden Männer nicht zu belauschen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Es passiert automatisch, vor allem, wenn man es derartig vorgesetzt bekommt.

"Übertreib nicht immer so", wiegelt der Angesprochene den Vorschlag ab. Ich starre gebannt auf die Beschriftung der Geschmackrichtungen. Erdbeere. Grüner Apfel vielleicht? Blaubeere ist mir zu bitter. Zu dem finde ich die blaue Färbung gruselig. Ich schiele unbewusst zu den beiden diskutierenden Männern.

„Ich weiß ja auch nicht, er benimmt sich manchmal, wie ein tollwütiger Piepmatz. Motz. Motz. Motz. Und er hat immer das letzte Wort", sagt der Schwarzhaarige weiter und sein Kopf macht bei den letzten Worten eine ulkige Wackelbewegung. Dazu verdrehen sich seine braunen Augen in spektakulärer Weise. Doch obwohl seine Worte eine gewisse Verärgerung ausdrücken sollen, schwingt in ihnen etwas ganz anderes.

„Noch schlimmer als dein rothaariger Drache?" Der Blonde grinst breit und neigt seinen Kopf in die Richtung der Ausdauergeräte. Auch seinem Gesprächspartner perlt ein charmantes Lachen von den Lippen. Unbewusst sehe ich zu dem Schwarzhaarigen, der seinen Blick unverhohlen auf die Rothaarige mit dem flachen Hintern richtet.

„Er macht mich auf eine andere Art verrückt. Irgendwie... schwer zu erklären. Egal, ich muss und will mit ihm auskommen, weil ich sonst meinen Mitbewohner lynche." Er wirkt nachdenklich und ich merke reichlich spät, dass er mit einem Mal zu mir sieht. Zitrone. Schnell wende ich meinen Blick wieder ab. Ich drücke einmal auf Geschmack mit der Citrusfrucht und sehe dabei zu, wie der isotonische Sirup in meine Flasche läuft.

„Kain, ganz ehrlich ich hätte Abel und diesen... Jack schon lange den Marsch geblasen", setzt der Muskelmann fort und nimmt einen großen Schluck aus seiner Trinkflasche.

"Jeff", berichtigt der Schwarzhaarige, doch der Blonde winkt nur ab.

„Warum treiben sie es nur bei euch?", fragt er weiter und ich werde unwillkürlich rot. Das war das Stichwort dafür, dass ich das Weite suchen sollte. Belauschen gehört sich einfach nicht.

„Es ist kompliziert." Es scheint sie nicht mal zu stören, dass ich alles mit anhören kann. Ich möchte noch Kirschgeschmack, aber sie lehnen direkt davor.

„Entschuldigt, darf ich mal?" Ich deute hinter den Schwarzhaarigen. Er macht lächelnd einen Schritt zur Seite und lässt mich damit an die anderen Geschmacksrichtungen. Ich drücke noch mal auf den Spender mit Kirche und fülle dann auch Wasser dazu. Ein bisschen schütteln und rütteln. Fertig! Ich spüre, wie sie mich beide dabei beobachten und in diesem Moment ihr Gespräch kurz einstellen. Noch im Trinken entferne ich mich von den beiden Männern und bin dankbar das mein Gesicht vor Anstrengung noch so erhitzt ist, dass niemand sehen kann, dass ich vor Scham rot wurde. An einem der Fahrräder bleibe ich stehe und trinke weiter. Ich mag den leicht sauren Geschmack und das erfrischende Gefühl, was mit den isotonischen Getränken einhergeht. Das angenehme Kribbeln in meinen Muskeln ist belebend. Jetzt noch eine erfrischende, warme Dusche und ich bin wieder halbwegs ein Mensch.

„Ben, oder?" Ich wende mich erschrocken der weiblichen Stimme zu und stoße mit dem Schulterblatt gegen eine der Lenkradstangen. Ich verkneife mir mit Mühe einen schmerzerfüllten Laut, schaffe es aber nicht den dazu gehörigen Gesichtsausdruck zu verhindern. Das gibt einen blauen Fleck. Als ich mich wieder konzentrieren kann, blicke ich in das hübsche Gesicht einer extrem zierlichen Frau. Ich weiß, dass ich ihr schon begegnet bin, aber ich kann mich nicht mehr erinnern wo. Ich muss dementsprechend fragend gucken, denn sie nennt mir ihren Namen.

„Lili", sagt sie erklärend, deutet mit winzigen, kleinen Händen kurz auf sich. Leider keine deutliche Zündung. Ich schaue weiter, wie ein nichts verstehendes Äffchen. Namen waren noch nie meine Stärke.

„Ich arbeite mit Luka in der Redaktion der Campuszeitung." Oh. Klick. Bei der Erwähnung von Lukas Namen wird mit ganz mulmig. Ich sehe, wie ihre aufgeweckten, rehbraunen Augen mein Gesicht mustern.

„Ja, die Bar. Ich erinnere mich", sage ich letztendlich und frage mich sofort, was sie von mir will. Kommt jetzt vielleicht die Ansage, dass ich mich von ihrem Kollegen fernhalten soll? Keine Sorge, das werde ich ab sofort. Sie beginnt zu lächeln. Mir wird immer mulmiger. Noch bevor sie den Mund aufmachen kann, kommt die Rothaarige von der anderen Seite und begrüßt sie überschwänglich. Lautes, quietschendes Getuschel. Küsschen. Wange zu Wange. Ich schiele kurz zur Seite und wäge ab, ob ich es schaffe zu verschwinden, bevor sie mit ihrem Mädchenritual fertig sind. Doch das passt einfach nicht zu mir. Ich gehöre zu der höflichen Sorte. Mein Blick wandert zu der Versorgungsstation. Noch immer stehen die beiden Männer dort. Auch keine Fluchtmöglichkeit. Erst als das Getuschel vor mir verstummt, sehe ich wieder zu den beiden Frauen zurück, die mir aufmerksam entgegen blicken. Diesmal beide. Die Rothaarige streckt mir ihre Hand entgegen.

"Hi, ich bin Merena." Ein Lächeln. Erst jetzt sehe ich, dass sie Trotz ausschweifenden Fitnessprogramm perfekt geschminkt ist. Nichts ist verlaufen oder verschmiert. Eine ziemliche Meisterleistung.

„Ben." Ein kurzes Schütteln. Ihre Hand ist leicht feucht. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich nur für wenige Sekunden auf mich und dann entspringt ihrem Mund ein Fluss an Worten, schnell und hektisch, der sich nicht an mich richtet. Ich kann nicht verhindern, dass ich kurz an Anni denke und mein Gehirn immer träger wird. Frauen sind mir ein Rätsel. Mittlerweile hat Anni verstanden, dass sie nicht so mit mir reden kann, aber das hat einige Zeit gedauert. Meine Aufmerksamkeit bleibt irgendwann einfach hängen und kommt dann vollständig zum Erliegen.

„Warte, warte. Dass können wir gleich besprechen. Ich möchte Ben vorher noch etwas fragen." Lili hält der Rothaarigen den Mund zu und sieht mich mit einem leichten Augenrollen an. Merena wird brav still und in meiner Magengegend beginnt es wieder leicht zu rumoren. Ich begradige unbewusst meine Schultern.

„Also, du weißt ja, dass ich für die Campus Zeitung arbeite."

„Ja."

„Und unser Korrespondent für Wirtschaft und Börse beendet dieses Jahr sein Studium und wir suchen jemand, der das übernehmen möchte. Luka meinte, dass du Wirtschaftsinformatik studierst." Ich sehe sie perplex an und spüre, wie meine Schultern wieder nach vorn kippen. Luka, also.

„Wirtschaftsingenieurswesen und ich bin erst im ersten Semester...", gebe ich zögerlich von mir und bin der Ansicht, dass ich der vollkommen Falsche dafür bin. Mir fehlt es an Fachwissen und auch Kompetenz.

„Das ist nicht so schlimm. Wir wollen ja keine hochtrabenden Fachanalysen von dir. Außerdem würde Maik dich einarbeiten und dich bis zum Ende des Semesters nicht allein lassen." Sie klingt völlig überzeugt. Ich schaue wieder, wie ein Äffchen. Ganz sicher.

„Ähm... also...lieber nicht...", versuche ich es wiederholt. Ihre Mund schiebt sich etwas zur Seite und sie beißt sich auf die Wange, während sich ihre Stirn runzelt. Vermutlich passiert es nicht, so oft, dass die Leute ihrem Charme widerstehen.

„Überleg es dir doch wenigstens. Vielleicht macht es dir ja mehr Spaß als du glaubst..." Sie lässt nicht locker und ich schlucke. Ich möchte ihr ungern mitteilen, dass ich vor allem Luka nicht begegnen möchte. Allein dieser Gedanken lässt mich innerliche erschaudern und beschwört Erpelpelle, die sich über meinen gesamten Körper quakt.

„Ben ist nur schüchtern und möchte dir nicht sagen, dass ich der Grund bin, aus dem er ablehnt. Nicht wahr?" Die bekannte, baritone Stimme Lukas verscheucht jedes noch so kleine Entchen von meiner Haut und macht einen kühlen Kribbeln Platz. Ich spüre, wie er mir von hinten einen Arm um die Hüfte legt und mir nach seinen Kommentar einen Kuss gegen das Ohrläppchen drückt. Seine Hand gleitet nach vorn, über meinen Bauch und bleibt oberhalb des Bauchnabels liegen. Ich versuche mich von ihm zu entfernen, doch er packt mich nur noch etwas fester.

„Lass mich los!", sage ich leise und schiebe seine Hand von meinem Bauch.

„Na, na. Wie unfreundlich. Hast du nicht eine Kleinigkeit vergessen?" Ein Raunen trifft erneut mein Ohr. Er haucht mir ein erklärendes Bitte entgegen. Luka spielt mit mir, weil er sauer ist.

„Nun, lass ihn los, Luka." Diesmal ist es Lili, die einschreitet und ihren Kollegen sachte wegschiebt. Von Luka keine Gegenwehr.

„Ist ja gut, ich mach doch gar nichts." Luka nimmt beide Hände abwehrend nach oben, setzt seinen Unschuldsblick auf und stellt sich dann auf die Seite der beiden Frauen. Seine Arme umfassen ihre Schultern und er drückt sie, wie ein Pascha an sich.

„So, Ladies, was kann ich euch heute Gutes tun?", flirtet er den beiden Frauen entgegen und ich sehe, wie Lili die Augen verdreht. Merena kichert.

Ich umfasse meine Trinkflasche fester und gehe ohne mich noch einmal umzudrehen in den Umkleideraum zurück. Das Bedürfnis nach einer langen, ausgiebigen Dusche ist verschwunden. Ich möchte nur zurück in die WG und das in Windeseile.
 

In Gedanken versunken krame ich meine Klamotten aus dem Spind und seufze schwer. Erst als die Spindtür schließe, merke ich dass sich Luka dahinter gegen die metallischen Schränke lehnt. Der Schreck sitzt tief. Mein Herz setzt einen Moment aus und schlägt dann im Marathonmodus weiter. Ich habe nicht mitbekommen, dass jemand rein gekommen ist. Noch, dass er mir so nah gekommen ist.

"Verdammt noch mal, Luka!!" Ich atme erregt aus, sammele mich. „Was willst du?", presse ich aus zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Schon wieder so unfreundlich. Was habe ich dir getan? Ich war doch ganz lieb." Er stößt sich von den Schränken ab und bleibt vor mir stehen. Ich verkneife mir ein leicht verächtliches Schnauben, weil ich mit seiner Aussage nicht vollkommen konform gehe.

„Was willst du von mir?", wiederhole ich. Doch diesmal ruhiger.

„Du gefällst mir einfach. Ist das ein Verbrechen?" Diese Worte werfen mich aus der Bahn und ich schaue ihn entgeistert an.

„Ich bin keines deiner dummen Spielzeuge, Luka." Ich wende mich von ihm ab und stopfe meine Sportklamotten in den Rucksack. Er fällt von der Holzbank, als mich der Blonde ruckartig gegen die Metallschränke drückt. Sofort spüre ich seine Lippen auf meinen, schmecke den metallischen Rauch der Zigaretten und bin zu überrascht um mich sofort zu wehren. Luka kostet das Überraschungsmoment aus, entlockt mir einen gering erwiderten Zungenkuss. Es dauert einen Moment bis ich endlich alle Sinne beieinander habe und ihn wegdrücke. Er zieht sich zurück.

„So viel Verzweiflung. Hin und hergerissen zwischen dem Verlangen nach Nähe und der Vernunft. Du magst ihn wirklich, nicht wahr?" Ich halte seinem intensiven Blick nicht stand.

"Was weißt du schon! Für dich ist doch alles nur ein Spiel", knalle ich ihm an den Kopf. Luka schnaubt.

„Spaß ist doch eine wichtige Komponente, oder? Ich kann dir viel besser geben, was du brauchst. Du musst mich nur lassen." Unbewusst halte ich die Luft an. Auf seinen Lippen liegt ein undefinierbares Lächeln, welches mir glauben machen soll, dass es ihm ernst ist. Doch ich bin nichts weiter für ihn als ein weiterer Name auf seiner Liste. Ein Name mit einem Sternchen, weil ich mich ihm nicht sofort willig hingegeben habe.

Mir geben, was ich brauche? Das ich nicht lache. Eine wahnwitzige Vorstellung, denn für Luka ist nichts wichtiger als er selbst. Nur seine eigenen Belange und Bedürfnisse zählen. Ein verächtlicher Laut flieht über meine Lippen als mir die Absurdität dieser Worte immer deutlicher wird.

„Und, was brauche ich, deiner Meinung nach?", frage ich interessiert und bin mir bereits sicher, dass die Antwort seine egomanischen und selbstüberschätzenden Tendenzen nur bestätigen wird. Luka ist ein Blender. Nichts anderes.

„Jemanden, der dich führt und vollkommen befriedigt. Keinen daher gelaufenen Akademiker, der vor lauter Selbstmitleid und Illusion den Schwanz einzieht." Erneut ein leises Schnaufen, denn er bestätigt mir nur das, was ich die gesamte Zeit denke.

„Ich habe keine Lust einer deiner Spielbälle zu sein. Du bist nur hier, weil du hoffst Antony weiter verletzten zu können. Nur warum? Hat er dir mehr als nur den Stolz angeknackst?" Lukas Augen verengen sich. Ich liege also richtig.

„Du weißt ja nicht, wovon du sprichst." Nur ein Flüstern. „Er hat mich direkt ins Messer laufen lassen. Ja, dein liebreizender Dozent ist nichts weiter als ein Feigling, der es nicht mal für nötig hielt mich vor seinem stalkenden Ex-Freund zu warnen. Schlimmer noch, er nutzte ihn um sich Ärger vom Hals zu schaffen", knurrt er mir deutlich aufgebracht entgegen. Ich schlucke entsetzt.

"Und du liegst falsch! Ich mag dich wirklich. Und glaub mir, Antony kann nur enttäuschen", sagt er in voller Überzeugung. Ich schlucke.

„Fick dich, Luka."

"So versaut. Ich steh drauf." Als er geht, zwinkert er mir noch zu und ich bleibe noch einen Moment ermattet gegen den Spind gelehnt stehen.
 

Bereits im Treppenhaus kann ich fröhlichen Stimmen aus unserer gemeinsamen Wohnung hören. Es sind deutlich mehr als gewöhnlich. Ich öffne die Wohnungstür und mir kommen Marie und ein fremdes Gesicht entgegen. Sie stellt ihn mir als einen Freund vor. Sie betont das Einen besonders und ich komme nicht umher zu schmunzeln. Ich bin dennoch überrascht. Rick und Cora sitzen in der Küche. Sie diskutieren lebhaft. Ich sage nur kurz Hallo und gehe unter die Dusche. Lange und ausgiebig. Ohne es zu wollen, denke ich über Lukas Worte nach. Ich wüsste nicht, wovon ich rede, wiederhole ich. Etwas Ähnliches hat er im Zusammenhang mit Mateo schon einmal gesagt. Hat Antony wirklich Mateo dazu benutzt Luka mundtot zu machen? So extrem waren Lukas Worte bei mir angekommen. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich will es nicht. Es ist so verwirrend. Eine ganze Weile lang hänge ich einfach nur meinen Gedanken nach, wälze eine These von der einen zur anderen Seite. Ohne Ergebnis.

Irgendwann klopft es wild an die Badezimmertür. Die weiblichen Anwesenden müssen dringend aufs Klo. Ich gebe mich schnell geschlagen, nach dem sie mir versichern, dass ich etwas vom Abendbrot abbekomme. Das hätte ich zwar auch so, aber es ist doch schön zu hören. Wir sitzen gemeinsam in der Küche. Reden und diskutieren. Maries "Kumpel" ist Physiker und er arbeitet als studentische Hilfskraft an der Universität. Nach dem Essen verschwinde ich auf mein Zimmer und mache meinen PC an.

„Hey, willst du wirklich nicht mitkommen?" Rick steckt seinen Kopf durch die Tür und ich sehe auf. Seit einer guten Stunde versucht er mich davon zu überzeugen mit ihm, Cora, Marie und ihrem "Nicht"-Freund ins Kino zu gehen. Beim Essen schwankte ich noch. Doch als sie mir erklärten, dass sie zu einer Marathonvorstellung von Harry Potter gehen, war mir sofort klar, dass mich keine zehn Pferde da hinbekommen. Alle acht Filme. Hintereinander. Mir wird bereits bei der Vorstellung ganz schummerig. Vielleicht habe ich Schlickschlupfe. Anni liebt die Bücher und sie hat mich schon des Öfteren mit den Filmen gequält. Mir fehlt es an der nötigen Fantasie. Auch jetzt schüttele ich demonstrativ den Kopf und das, obwohl mein Mitbewohner es nicht sehen kann. Als ich nicht sofort reagiere, öffnet er die Tür etwas weiter und macht einen Schritt in mein Zimmer. Ich sehe, wie Cora ihren schlanken Arm um seine Taille legt und ihn fast wieder herauszieht.

„Ben hat gesagt, er sympathisiert mit Voldemort. Ihn nehmen wir nicht mit", kommentiert sie wenig ernst gemeint. In Ricks Gesicht bildet sich ein höhnendes Grinsen.

„Er meinte nur, er mag Snape und wäre gern ein Slytherin. Ich gehe mit ihm konform, darf ich dann auch hier bleiben?", sagt Rick. Seine Freundin zieht sofort zischend die Luft ein. Sie ist hart getroffen.

„Nun musst du erst recht mit und die Filme so lange gucken bis du endlich ein Verfechter Gryffindors bist." Ricks Gesichtsausdruck wird schlagartig mitleidig.

„Ben,..." Flehend perlt mein Namen über die Lippen meines Mitbewohners.

„Ich würde ihr lieber gehorchen, wenn du jemals wieder mit deinem Zauberstab wedeln willst", gebe ich amüsiert von mir. Ricks Gesichtsausdruck ändert sich erneut. Diesmal zeichnet sich ein breites und verstehendes Grinsen ab. Bei Cora dauert es länger und zu meiner Freude ist es Rick, der dafür einen Schlag gegen den Arm kassiert. Wie lacht er auch darüber? Sträflich.

„Möge die Macht mit euch sein...", rufe ich den Beiden hinterher als sie mein Zimmer wieder verlassen und bin mir sehr wohl bewusst, dass es der falsche Film ist. Ich drehe mich bereits wieder zu meinem PC als Rick ein letztes Mal seinen Kopf durch meine Tür schiebt.

„Du noch viel lernen musst, junger Padawan." Er wirft mir einen Yoda-Blick zu und ich muss nun doch lachen. Ich höre, wie die Wohnungstür ins Schloss fällt und widme meine Aufmerksamkeit wieder der E-Mail. Seit geschlagenen 15 Minuten lasse ich den Mauszeiger auf dem Sendebutton hin und her schweben. Es ist eine Nachricht an den Kommilitonen, der mich wegen dem Seminarprojekt kontaktiert hat. Wenn ich meine vorige Ablehnung zurücknehme, dann entscheide ich mich dafür den Grundkurs fortzusetzen. Ich würde Antony sehen. In jeder Vorlesung und in jedem Seminar. Allein bei dem Gedanken daran, beginnen meine Finger leicht zu zittert. Selbst der Mousezeiger wuselt wild auf dem Bildschirm hin und her. Es wird nicht besser werden. Ich darf nicht davor wegrennen. Ich atme ein weiteres Mal tief durch und als ich zum Ausatmen ansetze, drücke ich auf senden.
 

Ich schiebe die Mouse von mir weg und trabe mit heftig schlagenden Herzen in den Flur. Antony Rochas wird nicht der Letzte gewesen sein, der mir das Herz bricht. Ich rede mir ein, dass ich es mir mit dieser negativen Einstellung einfacher mache, aber dem ist nicht so. Egal, wie sehr man sich davon überzeugen will, es schmerzt unendlich. Mein Herz krampft sich zusammen. Ich fasse mir mit der Hand gegen die Brust und seufze leicht. Das darf so nicht weitergehen. Das nur weil mein Körper und mein Verstand verrücktspielen. Ich höre eine Bewegung im Treppenhaus und bleibe stehen. Ich lausche. Schritte, die weder leiser noch lauter werden. Als wurde jemand der Tür hin und her laufen. Als ich durch den Spion sehe, erkenne ich nur Dunkelheit.

Ich mache die Tür auf und schaue in den Flur. Eine Gestalt im Dunkel. Das schwache Licht aus der Wohnung lässt mich die Person erst erkennen, als sie dicht vor mir steht. Der präzise gestutzte Bart rahmt das markante Kinn perfekt und zieht meinen Blick sofort auf diese verheißungsvollen Lippen. Seinen kühlen Finger legen sich an meine Wangen. Sie gleiten in meinen Nacken und dann spüre ich Antonys heiße Lippen auf meinen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Touki
2015-06-06T19:31:52+00:00 06.06.2015 21:31
Das ist wirklich fies an der Stelle aufzuhören aber es ist spannend und ich freue mich das Tony gekommen ist *_* Ich bin schon echt gespannt was jetzt kommt und ob Tony vielleicht etwas lockerer wird :3

Und es war auch das Kapitel mit Jeff, was mich so verwirrt hat aber auf eine deiner anderen FF's gebracht hat :3
Von:  tenshi_90
2015-06-04T07:12:17+00:00 04.06.2015 09:12
Welch eine Überraschung... Tony kann sich wohl auch nicht von Ben lösen...
Von:  nicki83
2015-05-30T19:07:02+00:00 30.05.2015 21:07
Gemeiner Cliffhänger

und wie süß lauter Nerds XD
Antwort von:  Karo_del_Green
30.05.2015 21:13
Was heißt denn hier nerds XD ?
Dein Kommentar hat mich gerade mitten in der Sbahn laut glucksen lassen. Schon seltsam mal diejenige zu seinndie komisch angeblickt wird.

Lieben dank für dein Kommie und ja, das mit den cliffhangern tut mir auch irgendwie Leid, aber sonst will es doch gar keiner lesen XD

Lieben Gruß und besten Dank,
Del
Antwort von:  nicki83
30.05.2015 21:18
Naja die waren sehr mit der Materie vertraut .
und das schlimme ich hab alles verstanden XD
Antwort von:  Karo_del_Green
30.05.2015 21:21
Falls es dich beruhigt, du bist nicht allein :D
Ich freue mich, aber umso mehr, wenn meine seltsamen Andeutungen auch noch verstehen werden! Also ein dickes Danke an dich <3
Von:  Morphia
2015-05-30T07:27:32+00:00 30.05.2015 09:27
Kain, Abel, Jeff?! Schleichwerbung! Sehr cool. :D
Antwort von:  Karo_del_Green
30.05.2015 09:34
Man gönnt sich als Autor ja sonst nichts XD hehe!

Danke für dein Kommie <3


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