Tears In Heaven von Niela_DeAhrel ([Marco x Jean]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Tears In Heaven Oneshot Marco x Jean ~-~-~-~-~-~-~ Hier stand Jean nun. Mitten in der Großküche, kaum zwei Meter von Marco entfernt. Die schwüle Hitze der aufwallenden, nach gekochtem Gemüse riechenden Dämpfe setzten sich unangenehm in Jeans Uniform fest. Es war schwül, die Kleidung klebte schon nach kürzester Zeit. Irgendwo hinter ihm, verdeckt vom Dunst hörte ein Messer auf, Kräuter zu hacken und mit einem verlegenen, leisen "V-Vorsicht, heiß." huschte Bertholdt bewaffnet mit einem übergroßen Topf voller Suppe oder Eintopf oder Was-auch-immer-das-für-eine-braune-Plörre-war durch die Lücke zwischen Jean und Marco. Marco,  der auf einer Holzkiste mit der Aufschrift "grüne Bohnen" saß und dessen Wangen durch die Überbleibsel kürzlich vergossener Tränen schimmerten. Marco, der so zerbrechlich wirkte in diesem Zustand, den er am liebsten tröstend in die Arme schließen würde, aber sich nicht sicher war, ob das von dem Jungen aus Jinae gewollt war. Außerdem, bislang hatte dieser die Anwesenheit seines Freundes noch nicht einmal bemerkt. Irgendwo neben Jean, an der eigentlichen Kochstelle, verzog Ymir angewidert das Gesicht, als Krista eine halbe Wagenladung gewürfelter Karotten in den pappigen Brei kippte, den ihr Bertholdt auf den Gasherd gestellt hatte. Sie versanken mit einem widerlich gurgelnden Geräusch. Wie surreal... Jean spürte den Zorn in sich aufwallen und in Rekordzeit durch seine Adern brodeln wie heißes Magma dass durch die Oberfläche brechen wollte um alles in einem Strudel aus Lava unter sich zu begraben. Wie konnte es angehen, dass alle seelenruhig ihrer Arbeit nachgingen, während Marco sich die Augen ausweinte? Hatte denn keiner Mitgefühl oder zumindest Anstand? Und das, nachdem Marco stets selbstlos DIE Schulter zum Ausweinen bot! Reiner fügte dem Sud, den sie heute allem Anschein nach zu essen bekommen würden, seine gehackten Kräuter hinzu und berieselte das Ganze mit der spärlichen Ration Salz, die Ihnen täglich zustand. Dann rührte er um und schmeckte ab. Er verzog das Gesicht und meinte, dass es der Suppe irgendwie an Geschmack und besonders an Fleisch mangelte. Derweil klangen die Schluchzer, die Marco von sich gab, so herzzerreißend wie das Wimmern eines geprügelten Welpen und so schnodderich wie chronischer Heuschnupfen zur Hochsaison des Pollenflugs. Der sommersprossige Kadett massierte sich die Innenwinkel seiner blutunterlaufenen Augen mit Daumen und Zeigefinger. Seine Schultern bebten leicht, während er durch den Mund zittrig nach Atem schnappte. Irgendwo in Jeans Herz gab es einen drückenden, schmerzenden Stich. Daz, Mina und Samuel klirrten im Hintergrund mit dem Geschirr und Besteck, um es im Essensaal zu verteilen. Jeans sowieso schon streng geschwungenen Augenbrauen zogen sich noch strenger zusammen. Warum, nocheins, half denn keiner? Warum stehst du selbst nur da, wie ein Vollidiot, anstatt deinen Freund zu trösten oder aufzuheitern? Ich kann nicht trösten... Versuch es wenigstens. Sei ein Mann. Los! Der innere Monolog wiederholte sich ständig in Jeans Kopf wie ein Mantra, eine Selbst-Motivation, aktiv zu werden. Stattdessen starrte er immer noch mit geballten Fäusten auf seinen Kumpel hinab und rührte sich nicht einen Millimeter.   Offensichtlicher Weise hatte Marco heute Küchendienst und Jean... nun, Jean war hier in der Großküche des Trainingslagers, weil ihm langweilig geworden war. Mit dem Manövertraining war er für heute durch und auf seinem Plan war nun Freizeit angesagt... naja, eigentlich war Konditionstraining angesagt, aber das konnte er ruhig mal schwänzen - Shadis tummelte sich schließlich immer noch beim Manövertraining herum und seine kleinen Stiefellecker, die aufpassten, dass alles weitere Training wie am Schnürchen verlief, hatten entweder keinen Bock die Anwesenheit zu kontrollieren oder aber es interessierte sie schlichtweg nicht. Außerdem, Kondition hatte Jean ausreichend. Freizeit allein war jedoch... blöd. Jean hatte zunächst überlegt etwas Schlaf nachzuholen, nachdem die Nächte mit Bertholdt und Reiner in einem Zimmer (und Bett!) langsam nervenaufreibend wurden für jede Person mit leichtem Schlaf und viel zu gutem Gehör. Doch irgendwie hatte er keine rechte Lust, seine spärliche und kostbare Freizeit damit zu vergeuden. Connie und Sascha, die einzigen, anderen Kadetten, die nicht mit Küchenarbeit betraut waren, und, die er so was wie seine Freunde schimpfte - auch wenn hyperaktive, verfressene Haustiere manchmal besser passte - waren noch mitten im Manövertraining. Der Rest der Kadetten, die nicht in irgendein Training eingebunden waren oder, wie er selbst, schwänzten, waren schlichtweg unter Jeans Niveau. Nervige prä-pubertäre Idioten, die unmöglich das Training durchstehen konnten, voraussichtlich nicht in den Top Ten landen würden oder aber Eren Jäger waren. Jäger... dieser suizidgefährdete, Moralpredigten haltende, kleine Ätzgnom. Allein der Gedanke an ihn ließ Jeans Gallenblase überschäumen. Aber das war jetzt ausnahmsweise nebensächlich... Das, jedenfalls, waren die Gründe, warum er hierher zu Marco gekommen war. Er wollte seinen einzigen, mehr oder weniger freien und zudem besten Freund, etwas von seinem Küchendienst ablenken. Gegebenenfalls wollte er auch vorzeitlich Essen erschnorren (auch wenn der braune Sud nicht wirklich als Essen zu bezeichnen war) und eventuell wollte er sogar soweit gehen, den sommersprossigen Jungen ein wenig zu ärgern. Natürlich rein kameradschaftlich. So unter besten Freunden war das üblich... da war Jean sich hundertprozentig sicher. Er hatte sich schon ausgemalt, wie Marco irgendwann so genervt von seinen Neckereien sein würde, dass er selbst frech und schnippisch wurde, ihm Kontra gab und zurück-ärgerte, eventuell sogar ein- oder zweimal herzhaft fluchte. Es war immer ein ganz besonderer Ohrenschmaus für Jean, wenn der beispielhafte Vorzeigekadett mit dem strahlenden Lächeln und dem ausgeglichenen Gemüt anfing, zu fluchen. Zikadenkonzerte im Spätsommer oder der Ruf der Nachtigall waren Latrinengeräusche dagegen. Und wenn Jean ganz besonders nervig war, würde Marco seine heitere Ausgeglichenheit zum Teufel scheren und seine Geduld verlieren. Das war überhaupt das Grandioseste an er Sache. Marco Bodt beim Explodieren zuzusehen hatte etwas von einem privaten Feuerwerk. Jean war der Einzige, der standhaft genug war, Sankt Marco auf die Palme bringen zu können. Vielleicht besaß er auch einfach nur das richtige Repertoire an nerviger Aufrichtigkeit (oder war es aufrichtige Nervigkeit?) und das rechte Insider-Wissen über Dinge, die den Farmerssohn aus Jinae zur Weißglut trieben. Wer weiß. De facto, war Jean jedenfalls der Einzige unter den Kadetten, der den sanftmütigen Top-Ten-Anwärter in Rage erlebt hatte und noch immer lebte, um die Legende weiterzutragen. Natürlich kaufte ihm nur keiner diese Geschichte ab. Sankt Marco war IMMER nett und gut gelaunt und höflich und er half, wo er konnte. Natürlich tat er das, es war quasi sein Naturell. Aber es wäre vermessen, zu glauben, dass Marco keine anderen, dunkleren Facetten hatte. Doch bitte... sollten sie alle an den Mythos Sankt Marco glauben, während er weiterhin das Leuchtfeuer des echten Marco Bodts aus erster Reihe genoss. Ganz exklusiv. Jean wurde regelrecht warm bei dem Gedanken. Jedenfalls, da gab es nur ein Problem... Dieser Marco da vor ihm schlug gerade vollkommen aus der Art. Er weinte. Der Sonnenschein des Trainingscamps, der ewig-optimistische standhafte Held der Herzen und feurige Gelegenheitshurrikan aus Jinae weinte. Dabei hatte er nicht einmal geweint, als er sich bei der dritten Trainingsstunde mit der Manövergear das Becken verdreht hatte, weil er nach einem hässlichen Aufprall gegen den Stamm einer Pappel irgendwie unglücklich in drei Metern Tiefe gelandet war. Die Sanitäter hatten ihm unter großen Schmerzen den Wirbel wieder eingerenkt und Shadis hatte ihm eine halbe Stunde lang einen Vortrag darüber gehalten, wie unfähig er angeblich sei, während er auf einer Trage zur Krankenstation transportiert wurde. Er hatte Tränen in den Augen gehabt, ja, doch er hatte sie hinuntergeschluckt und genickt. Auch wenn er noch Tage und Wochen später etwas demotivierter durchs Lager gehinkt war. Sein Lächeln, aber, und seine ansteckend gute Laune hatte er nicht einmal dann verloren. Entweder war das hier also ein manifestiertes Paradoxon, eine gottverdammte Fata Morgana oder jemand steckte gerade gewaltig in Schwierigkeiten.   Mach was! Warum interessiert sich keiner für Marcos Leid? Tu endlich was, Jean. Du bist sein bester Freund. Mach schon, es ist deine Aufgabe! "Wollt ihr mich alle verarschen? Was zum Teufel wird hier eigentlich gespielt?" röhrte Jeans Stimme also plötzlich durch den Dunst und das Geklimper der Küche. Schlagartig wurde es still und alle Augenpaare landeten auf dem Heißsporn, der zitternd vor Wut vor Marco stand, welcher wiederum ihn ebenso perplex ansah wie das berüchtigte Reh im Scheinwerferlicht. Ah, okay, er hatte ihn endlich bemerkt. "Uhm... J-Jean?" hickste der etwas Ältere der beiden. Er stand von seiner Sitzbank Schrägstrich Bohnenkiste auf und wischte sich mit der Handfläche hastig die letzten Tränenspuren vom Gesicht. Erst dann tat er einen Schritt nach vorne und räusperte sich, die Augenbrauen fragend zu einer Linie geschwungen. "W-was machst du hier? Hast du nicht eigentlich... T-Training?" Guter, tapferer Marco... selbst jetzt versuchte er noch den Anschein zu wahren, dass alles in Ordnung war; dass der einzige, seltsame Aspekt in diesem Raum Jeans Anwesenheit war und nicht seine eignen tränenverquollenen Augen oder sein Leid. Stets besorgt um seinen besten Freund und dessen Ausbildung. Und plötzlich, so heftig wie ein Blitzeinschlag in die Synapsen seiner Gehirnwindungen, kam Jean DIE Lösung. Es war alles glasklar. Es gab nur einen Idioten, der stur und verbohrt genug sein konnte, um auf Marcos Gefühlen herumzutrampeln... eben weil er stur und verbohrt genug war, um alle Kadetten zu terrorisieren mit seinen absurd-romantischen Ansicht, den Helden und Retter der Menschheit spielen zu müssen.   Jäger! Wer sonst? Es war so eindeutig. Jäger, mit seinen bescheuerten Idealen und irrationalen Überzeugungen, hatte sicherlich Marco mit seiner brüsken, radikalen Art in dieses weinende Häufchen Elend verwandelt. Vermutlich mit seiner Intoleranz Kadetten gegenüber, die nicht dem Untersuchungstrupp beitreten wollten, diesem Haufen absolut suizid-geiler Volltrottel. Jean konnte es sich schon förmlich ausmalen, wie Eren seine bescheuerte Standard-Moralpredigt a la "Die stärksten Absolventen sollten sich nicht feige hinter den Mauern verschanzen." und "vergeudetes Potential!" hielt. Hatte Jäger es vielleicht sogar gewagt, Enttäuschung über Marcos Disposition auszudrücken, der beharrlich daran festhielt, der Militärpolizei beizutreten, um dem König zu dienen? Wehe wenn, Jäger, wehe wenn... Marco war schließlich so feinfühlig... so sensibel. Natürlich würde ihm so eine Tirade ein schlechtes Gewissen einbläuen. Und er würde sich schlecht fühlen, so verantwortungslos und egoistisch gedacht zu haben, sich hinter die Sicherheit von Sinas Mauern retten zu wollen, anstatt den unvermeidlichen Märtyrertod auf dem Schlachtfeld jenseits der Mauern zu sterben. Definitiv, ganz klarer Fall von Psycho-Terror durch Jäger. Es konnte gar keinen anderen Grund geben. Jäger, die kleine Mistmade, war ein penetranter Dämon mit einer verräterischen Silberzunge, der Lügen um die unschuldigen Seelen sponn wie eine Schwarze Witwe ihre Fäden um Ehegatten. Vielleicht war er auch nur einfach ein manischer Irrer. Oder, besser noch, ein ansteckender Krankheitserreger im gesunden Korps der Trainingseinheit. Oh ja, das Jäger-Syndrom. Hochgradig infektiös und garantiert tödlich. "Ehm... Erde an Jean, bist du... noch da?" Eine Hand winkte vor Jeans glasig gewordenen Augen auf und ab. Marco stand nun vor ihm, seine Augen immer noch rot gerändert; das Schokoladenbraun seiner Iris gesprenkelt mit grünen Tupfen hier und dort wirkte noch dunkler denn je vor Besorgnis.   Wie nur konnte man einen so selbstlosen, jungen Mann wie Marco absichtlich zum weinen bringen? "Es war Jäger oder?" platzte es aus Jean heraus. Er tat einen Schritt vorwärts, legte beide Hände fest um Marcos Oberarme und schüttelte ihn sanft aber vehement. Marco selbst zuckte kurz vor Schreck zusammen und warf Jean dann einen skeptischen Blick zu. "Wovon redest du, bitte? Was soll Eren getan haben?" Sein Blick suchte den Kontakt zu den anderen, anwesenden Kadetten. Doch die Meisten von ihnen starrten nur, einige zuckten bloß desinteressiert mit den Achseln und Bertholdt starrte wie ein Fisch, der zu lange dem Wasser fern war - Mund weit zu einem stillen 'O' geöffnet und leicht vor Unverständnis den Kopf schüttelnd. "Ich wusste, dass es Jäger war! Dieser verdammte... argh! Wenn er nicht noch beim Manövertraining wäre und Shadis nicht ständig seine Argusaugen auf diesen hoffnungslosen Fall gerichtet hätte... ich würde... grrr... gnaaah!" Jean warf die Hände in die Luft vor angestauter Wut und Frustration. Er fluchte so farbenfroh, dass sämtlichen Beteiligten fast die Ohren bluteten. Und es war eine Mischung aus der allgemein gebräuchlichen Sprache, aber auch Worte, die Marco noch nie in seinem Leben gehört hatte, von denen er sich aber sicher war, dass keines davon eine mildere Bedeutung hatte als der restliche Schwall an Beleidigungen. "J-Jean... beruhige dich, b-bitte. Ich hab keine Ahnung wovon du redest und-" versuchte der Junge aus Jinae zu argumentieren - das Schniefen zwischen seinen Worten ging ihm dabei mehr auf den Senkel, als ihm dabei lieb war - wurde aber jäh von ein Schöpfkelle in seinem Gesicht unterbrochen. "Keine Sorge, Marco. Das gibt blutige Rache." verkündete besagter Kadett theatralisch. Dabei hatte er sich eine der sauberen Schöpfkellen geschnappt, die schon für das Verteilen des Eintopfs bereitlagen, und fuchtelte mit dem Löffelende vor Marcos Gesicht herum wie mit einem Majorenstab, bevor er ihn wieder zurückzog und damit nachdenklich gegen seine freie Handfläche klopfte.  "Jäger kriegt richtig schön sein Fett weg. Da reicht Verbmöbeln nicht mehr..." "Jean, was zum...?! E-Eren hat nichts-" "Bislang wurdest du doch immer von Jäger vermöbelt, Großmaul." mischte sich nun auch Ymir ein. Der Schalk blitzte in ihren Augen, während ihr Blick zwischen Jean und Marco hin und her schwenkte. Marco wurde das beunruhigende Gefühl nicht los, dass sie, wenn sie es schon nicht wusste, zumindest eine leise Ahnung hatte, warum Jean austickte, als hätte er einen Sonnenstich abbekommen. Sie strahlte regelrecht. Das war niemals ein gutes Zeichen... de facto, war es furchteinflößend. Aber Moment... war Sonnenstich eine Option? Marco sah fix zum Fenster hinüber. Trotz verschwommener Sicht konnte er erkennen: Nein. Das Wetter war immer noch genauso trüb und trist wie schon am Vormittag. Graue Wolkendecke, leichter Nieselregen, definitiv kein Sonnenschein. Er rieb sich über die schmerzenden, tränenden Augen. Diese furchtbare - Und plötzlich fiel der Groschen. Ihm dämmerte nun, warum Jean so einen Aufstand machte, als er die Flüssigkeit an seinen Fingerspitzen bewusst wahrnahm. Natürlich... "...Jäger irgendwie zu den Schießständen locken und rein zufällig...? Kniekappen sind hervorragende Übungsziele und Unfälle passieren...  Allerdings bist du der bessere Schütze, Marco. Und dich zu so etwas zu bewegen ist in etwa so unmöglich wie einen Esel die Mauern hochzureiten..." "Jean?" "...könnte seine Manöverausrüstung manipulieren. Irgendwas mit den Gurten verstellen. Allerdings, defekte Ausrüstung hatten wir bei Jäger bereits und wir alle wissen noch, wie dieser Dickschädel trotzdem nicht aufgegeben hat. Außerdem kontrolliert er immer so akribisch die Gurte seit dieser Sache... nee..." Mal abgesehen davon dass Jean sich wirklich Mühe gab in seiner Racheplanerei, waren die Ideen ausgesprochen hirnrissig. Liebenswert in der Absicht, aber absolut hirnrissig. "Jean." "Oh! Connie hat doch noch dieses Fläschchen Rizinusöl, das er mit Sascha aus der Krankenstation geschmuggelt hat - weiß der Geier wie die Zwei immer ungeschoren davon kommen..." Marco gluckste leise. Es war goldig wie sehr sich Jean da reinsteigerte, aber genug war genug. Immerhin hatte Eren Jäger nichts getan, um auch nur ansatzweise solche Torturen zu verdienen. Eren war ein anständiger junger Mann und Jean war verbohrt. Verbohrt in der Vorstellung, dass Marcos Tränen von jemandem ausgelöst worden waren und dass dieser jemand natürlich nur Jeans Erzrivale sein konnte. "...zur Not schlage ich ihm doch noch Eine rein. Ein blaues Auge kann dem nie schaden." "Jean." Schmunzelnd nahm Marco die linke Hand seines besten Freundes in seine eigene und drückte sie sanft. Sofort hatte er die Aufmerksamkeit des zornigen jungen Kadetten auf sich gezogen. Leider nicht nur seine. Jean verstummte schlagartig und starrte ihn mit Augen so groß wie bei einem Kauz an, begleitet von einem herrlichen Hauch von Röte auf den scharfkantigen Wangen. Ymir ließ einen Pfiff ertönen, gefolgt von einem 'ich hab's schon immer gewusst'. Und als Marco die Augen kopfschüttelnd verdrehte, sah er sogar, dass Bertholdt und Reiner wissende Blicke austauschten. Immer dieses Gekuppel und Gemunkel. Jean und Marco waren nur Freunde. Besonders enge, gute Freunde. Freunde die durch dick und dünn gingen und sich alles anvertrauten. Aber mehr auch nicht... auch wenn die homosexuelle Fanliga an der Kochstelle das gerne anders sah... Was da auch zwischen Ihnen war, zumindest gerade war es rein platonisch. "Kümmert euch um euren eigenen Dreck." knurrte Jean schließlich mit hochrotem Kopf und einem Blick, der Mord und Todschlag deklarierte. "Aasgeier. Voyeure." "Jean. Das ist nicht nett." sprach Marco mild glucksend und drückte die Hand seines Freundes erneut, bevor er in die Tasche seiner Schürze griff und etwas rundes hervorzog, das er in Jeans Hand platzierte. Während Jean das braunschalige Ungeheuer noch anstarrte als wäre es eine fremde Lebensform von einem anderen Planeten, drückte Marco dessen schlanke Finger um das Gemüse und lächelte. "Dein Beschützerinstinkt in allen Ehren. Aber wenn du einen Schuldigen suchst und Rache üben willst, für die bitteren Tränen deines Freundes," er warf einen betont strengen Blick zu der Liga der Schaulustigen, "...dann bitte sehr." Eine Zwiebel? Oh. Eine Zwiebel. Verdammt... Jean dämmerte es und gleichzeitig wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er sich gerade vor versammelter Mannschaft zum Affen gemacht hatte... wegen einer Zwiebel! "Ich war heute mit Zwiebelschälen und -schneiden dran. Meine Augen werden gewiss noch drei Tage hiernach tränen, bei den Mengen." lachte Marco amüsiert, was durchaus seltsam aussah, wegen der verquollenen, roten Augen und der triefenden, roten Nase, die er konsequent schniefte. Aber es war auch irgendwie... süß. "Oh..." steuerte Jean geistreich bei und, als hätte er mit diesem einen Auswurf einen imaginären Damm eingebrochen, schwallte schallendes Gelächter aus allen Ecken und Enden der Küche. Mina, Samuel und Daz hatten den Anstand für ihren Lachanfall in den Essensaal zu verschwinden, den sie immer noch nicht komplett eingedeckt hatten. Krista vertuschte ihr lautloses Lachen, indem sie ihr Gesicht gegen Ymirs Bauch presste. Nur das verräterische Zucken ihrer Schultern war offensichtlich. Ymir hingegen lachte schallender als Reiner, während sie sich über ihre heißgeliebte Krista beugte, die Stirn in deren unteren Rücken gedrückt und ihre flache Hand rhythmisch gegen die Küchenplatte schlagend. Bertholdt, halb abgewandt von den beiden Hauptakteuren, stützte sich mit einem Arm auf Reiners Schulter und gluckste in seine eigene Ellenbeuge, während der muskulöse Blonde den Kopf in den Nacken warf und ungehemmt, bellend-laut lachte. Arschlöcher. Allesamt. Marco tätschelte seinen Arm kameradschaftlich. Auch er gluckste erheitert, aber, als er sprach, waren seine Worte ehrlich und aufrichtig. "Danke. Auch wenn es ein Missverständnis war, du hast dich für mich eingesetzt und mich verteidigt wie ein echter Freund. Das weiß ich sehr zu schätzen." Schon wieder spürte Jean diese Hitze in seinen Wangen. Er wurde eindeutig zu schnell verlegen. Und auffällig oft in der Gegenwart dieses sommersprossigen, niedlichen, selbstlosen... Vollidioten. "Kein Ding." antwortete er mit betonter Lässigkeit in der Stimme. "Du würdest das Gleiche tun, wenn nicht noch mehr. Ehrensache." Er stützte die Hand in die Hüfte und warf die garstige Küchenzwiebel in seiner Hand auf und ab wie einen kleinen Trainingsball. Das wiederum brachte Marco auf eine Idee. Jean war gewiss nicht umsonst hier aufgetaucht. Er hatte schließlich nicht wissen können, dass er sich wegen Zwiebeln die Augen aus dem Kopf geweint hatte. Vermutlich war er hier, weil... ah ja. "Ich würde dich vorher aussprechen lassen, bevor ich fiese Rachepläne schmiede, aber, ja, ich würde versuchen, dich aufzuheitern und zu trösten, wenn das die eigentlich Intention hinter deinem Anfall war." meinte der Sommersprossige schelmisch. Dann wuselte er geschwind in der Küche herum und schnappte sich etwas würzigen Käse, einen Laib Brot und zwei Äpfel. Das alles wickelte er säuberlich in ein frisches Baumwolltuch, bevor er aus seiner Kochschürze schlüpfte und sie zurück an den Haken hängte. "Deal ist Deal. Ich hab dann ab jetzt Freizeit, richtig?" rief er über die Schultern, während er seine Hand auf Jeans unteren Rücken platzierte und ihn mit sanfter Bestimmtheit Richtung Türe schob. "Geht klar, Zwiebeljunge. Genieß deinen freien Nachmittag mit Kirschstein, aber entblättere nicht all deine Schichten auf einmal." rief Ymir den beiden hinterher. Es klang unangenehm zweideutig... und vermutlich war es auch so gemeint. Jean schien es ebenso aufgefasst zu haben, wenn man bedachte, dass seine Röte nun schon die Spitzen seiner Ohren erreicht hatte. Wie Rot konnte er noch werden, ohne, dass sein Kopf explodierte...? Schweigend gingen die zwei Jungen in Richtung Trainingswald. Das Manövertraining war immer noch in vollem Gange, wenn man den Geräuschen umhersurrender Gurte, sich in Holz bohrender Enterhaken und ausgestoßener Auspuffgasen nachgehen konnte. Doch dort wollten sie nicht hin. Marco führte Jean stattdessen zu einer Klippe oberhalb eines großen Sees, eine Stelle, die ihm Bertholdt und Reiner einmal gezeigt hatten. Ein wunderschöner Fleck Erde und der perfekte Platz für ein heimliches Picknick. Sie wechselten kein Wort während sie durchs Dickicht stiegen und Felswege hochkraxelten, jeder in Gedanken über den Anderen. Doch die Stille zwischen Ihnen war bei Weitem nicht unangenehm. Manchmal brauchten sie nicht miteinander reden. Manchmal reichte einfach die Gesellschaft des Anderen aus. So auch diesmal... bis sie an ihrem Zielort ankamen. Marco entpackte das Essen auf einem großen Stein, den er als Tisch auserkoren hatte und schaute hinüber zu Jean, der an die Klippe heranschritt und vorsichtig über dessen Rand linste. In seiner linken Hand sprang die Küchenzwiebel auf und ab. "Warum hast du die Zwiebel mitgenommen?" fragte der sommersprossige Kadett amüsiert, während er das Brot brach und den Käse in kleine, mundgerechte Stücke zerteilte. Jean schenkte seinem Kumpel ein schiefes Grinsen über die Schulter hinweg. "Ich hab dir Rache versprochen, oder nicht?" Noch bevor Marco nachhaken konnte, nahm der Heißsporn aus Trost ein paar Schritte Anlauf und warf das anstößige Subjekt über die Kante in den Abgrund. "DAS HAST DU DAVON, DASS DU MEINEN MARCO ZUM WEINEN BRINGST, DU INFERNALISCHES DRECKSGEMÜSE! WHOOO!" Als Zugabe, schnappte sich Jean noch taumelnd eine handvoll Kiesel vom Boden und warf sie ebenso energisch hinterher, bevor er sich lachend auf den Hintern plumpsen und die Beine von der Kante baumeln ließ. Marco spürte wie sein Herz kurz aufflatterte, bei den Worten 'mein Marco'. Doch bei dem Rest, der dann folgte, brach auch er in schallendes Gelächter aus. "Du bist manchmal so ein Trottel, Jean." "Du kannst mich mal. Ich mach das hier für dich." Wieder dieses Flattern im Herzen. Diesmal erfüllte es sogar den ganzen Brustkorb. "Undankbarer Sack." Und schon war es wieder fort. Trotz der absichtlich gewählte Schimpfworte, war Jeans Grinsen immer noch präsent, als er erneut über die Schulter blickte, Marco zu sich winkte und sanft sprach. "Komm her, setz dich zu mir." "Obwohl ich ein undankbarer Sack bin?" neckte der Kadett mit den Sommersprossen frech zurück, als er sich erhob und zu Jean schlenderte, um sich neben ihm niederzulassen; ein Bein über die Klippe baumelnd, dass Andere bis zur Brust angewinkelt, Arm auf dem Knie aufgestützt und Kopf in die Handfläche gebettet. Jean stupste ihn sanft mit dem Ellbogen in die Seite. "Du darfst nie wieder weinen." murmelte er und verknotete umständlich und nervös seine Finger auf dem Schoß. Als ober nicht wüsste wohin mit all den feinen Gliedmaßen. Erneut zeichnete sich eine leichte Röte auf seinen hohen Wangenknochen ab. All dies, waren deutliche Zeichen dafür, dass es ihm schwer fiel, solche Worte zu sagen. Jean war kein Gefühlsmensch. Jean war ein Pragmatiker, jemand, der die Initiative ergriff, wenn es sein musste, nicht jemand, der Anderen motivierend zureden konnte. Aber, wenn er den Mund aufmachte, dann war er von Grund auf ehrlich, selbst, wenn er Eren Jäger anbrüllte oder das Mann-gegen-Mann Training verfluchte oder generell vulgäre Kommentare von sich gab. Jean sagte stets was er dachte, und zwar ungefiltert. Eine Eigenschaft, die Marco besonders an ihm schätze. "...I-ich... du, du sahst so zerbrechlich und elend aus und das... es tat mir fast schon... fast schon körperlich weh, dich so zu sehen. Du bist doch... immer so stark... so fröhlich." Er hob den Blick, um Marco in die Augen zu sehen. Seine bernsteinfarbenen Augen schwammen ein wenig hinter einem dünnen, feuchten Schleier, während er seine trockenen Lippen mit Speichel benetzte. "Darum darfst du nicht mehr weinen." Marco lächelte sanft und zog auch das andere Bein an seine Brust, bevor er seine Schulter gegen die seines besten Freundes stupste und seinen Kopf auf dieser bettete. Jean schlang im Anschluss sogar einen Arm um seinen Rücken und zog ihn noch ein Stückchen näher an sich. Vielleicht hatten die Anderen recht. Vielleicht war es etwas mehr als nur eine Freundschaft zwischen Ihnen. Vielleicht war es auch nur rein platonisches Suchen nach Nähe in dieser grausamen Welt. Was es auch war, den Luxus der trauten Zweisamkeit, gönnten sie sich in diesem Augenblick. "Es waren doch nur Zwiebeln." wispert Marco mit einem leisen Lachen, das eigentlich eher nach einem amüsierten Ausatmen klang, nach einer kurzen Weile oder einer halben Ewigkeit - er konnte es nicht genau sagen. "Nächstes Mal, wenn ich beim Küchendienst Zwiebeln schneiden soll, warne ich dich vor, du Memme." "Halt die Klappe." antwortete Jean ebenso ruhig und amüsiert. "Und jetzt lass mal das gute Zeug rüberwachsen. ich hab Hunger!" Was es auch war zwischen Ihnen... beiden war es recht so, wie es war. "Und ich bleibe dabei, es war doch Jägers Schuld. Jäger ist IMMER Schuld." "Jeaaaaan!" ~-~-~-~-~-~-~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)