Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 116: CXVI – Nächtlicher Ausflug --------------------------------------- Donnerstag, 24.September 2015 – Stadtteil Mangetsu-ku Wohnsiedlung – später Abend Auf Zehenspitzen schlich sich der junge Mann mit den rotbraunen, zerzausten Haaren die Treppe hinunter; gut darauf bedacht ja keinen Mucks zu machen und dabei immer seine Umgebung, insbesondere die Türen, im Blick. Bepackt war er mit einem vollgestopften Rucksack, den er sich auf seine zierlichen Schultern geschnallt hatte. Endlich hatte er das Ende der Treppe erreicht und trat auf den vor sich befindlichen Fußboden, welcher jedoch sofort ein leicht knarzendes Geräusch von sich gab. Erschrocken zuckte der Junge zusammen und sah sich augenblicklich um, während er hoffte, dass niemand das Geräusch vernommen hatte. Dabei blieb sein Blick vor allem an der aus Milchglas bestehenden Wohnzimmertür hängen, durch welche das flackernde Licht des Fernsehers, sowie dessen leise Geräusche drangen. Widererwartend erschien niemand in der Tür, weshalb er erleichtert ausatmete und seinen Weg nun vorsichtig fortsetzte. Wenn er Glück hatte war sein Vater wieder einmal vor dem Fernseher eingeschlafen und seine Mutter in eines ihrer Bücher vertieft, sodass sie nicht mitbekommen hatten, wie er sich aus seinem Zimmer geschlichen hatte. Präzise hatte er sich auf den bevorstehenden Ausflug vorbereitet und sogar eine zusammengerollte Decke in sein Bett gelegt, für den Fall, dass seine Eltern auf die Idee kamen in sein Zimmer zu schauen. Natürlich würde er sich beeilen müssen, damit sein Verschwinden nicht auffallen würde, jedoch war er sich sicher, dass er so erst einmal durchkommen würde. Er hatte gerade das Ende des Flures erreicht und wollte in seine Turnschuhe schlüpfen, als plötzlich das Licht in der Küche anging, welche sich unmittelbar in der Nähe des Eingangs befand. Erschrocken drehte er sich um und erkannte einen schmalen Schatten im Türrahmen. „Ryu, wo willst du um diese Zeit noch hin?“, erklang leise eine weibliche Stimme, „Du weißt genau, dass du das Haus um diese Zeit nicht mehr verlassen sollst. Nicht nachdem das alles passiert ist.“ Obwohl die Anspannung in Ryu nicht gänzlich weichen wollte, so war er doch erleichtert, dass es sich bei der Person, die ihn ertappt hatte, um seine Mutter handelte. Sicher, sie ging nicht dazwischen, wenn sein Vater ihn schellte, jedoch war sie wesentlich lockerer als dieser. Letzten Endes gab sie ihm doch immer Recht. Traurig fand er allerdings, dass sie dies nie tat, wenn er mit seinem Vater aneinandergeriet. Trotzdem konnte es in diesem Moment nur von Vorteil sein. „Ähm… mir ist gerade eingefallen, dass ich vergessen habe einiges für das Schulfest zu besorgen, was ich holen sollte. Morgen früh habe ich dafür aber keine Zeit mehr, deshalb wollte ich es jetzt noch schnell holen“, versuchte sich der Brünette an einer Ausrede. „Um diese Uhrzeit?“, fragte die Ältere misstrauisch. „J-ja… es sind Dinge, die ich im Konbini bekomme…“, stotterte Ryu zurecht. Seine Mutter jedoch sah ihn nur eine ganze Weile schweigend an, bevor sie seufzte: „Also gut. Aber trödle nicht herum und pass auf, dass dein Vater nicht mitbekommt, wie du zurückkommst. Ich möchte nämlich auch keinen Ärger. Egal ob es für die Schule ist oder nicht. Er möchte nicht, dass du das Haus so spät noch verlässt.“ „Ich weiß“, murrte Ryu und zog die Schleife an seinem Turnschuh fest, bevor er sich erhob und seiner Mutter ein kleines Lächeln schenkte, „Ich beeile mich. Danke, Mama.“ Leise öffnete er die große Flügeltür und verließ das Haus; genau darauf achtend, die Tür so leise wie möglich ins Schloss fallen zu lassen. Er beeilte sich das Grundstück so schnell wie möglich zu verlassen, aus Angst sein Vater könnte von dem Gespräch etwas mitbekommen haben. Dann wollte er nämlich nicht mehr in der Nähe sein, auch wenn er wusste, dass seine Strafe damit nur aufgeschoben werden würde. Doch kaum hatte er das Tor des Grundstückes erreicht und war hinaus auf die Straße getreten, wurde er bereits wieder aufgehalten. „Wohin des Weges?“, fragte ihn eine ihm bekannte männliche Stimme. Wütend drehte er sich zu der sich ihm nährenden Person und erkannte den dunkelbrünetten Kommissar, welcher ihn erst vor kurzem vor einem anderen Polizisten gerettet hatte, der einige unangenehme Fragen stellen wollte. Auch wenn er dankbar über diese Rettung war, so war Ryu über das Auftauchen dieser Person alles andere als Begeistert. Sein Vater hatte also wirklich intensiv dafür gesorgt, dass er keine Sekunde aus den Augen gelassen wurde. Das könnte wirklich zu einem Problem werden. „Haben Sie um diese Zeit nichts Besseres zu tun, als mich zu überwachsen, Makoto-san?“, fragte er deshalb, während er den Rucksack auf seinen Schultern richtete, „Sie haben doch sicher Familie.“ Der ältere Mann seufzte genervt: „Glaub mir, mir macht das auch keinen Spaß. Es ist ja nichts so, als hätte ich nichts Besseres zu tun, als den Babysitter für dich zu spielen. Aber so lautet nun mal der Befehl von deinem Vater.“ „Kche… ja so egoistisch schätze ich ihn auch ein…“, murmelte der Oberschüler, „Aber Sie brauchen nicht an mir zu kleben, wie eine Klette. Ich habe die Erlaubnis meiner Mutter das Haus zu verlassen. Ich muss noch einige Dinge für das Schulfest besorgen, die ich vergessen habe. Und ehrlich gesagt habe ich keine Lust, Sie die ganze Zeit an mir kleben zu haben.“ „Wenns so einfach wäre…“, kam es von dem Erwachsenen, „Komm, ich bring dich zum Konbini…“ „Danke“, schien der Jüngere sich zu ergeben, doch nahm plötzlich die Beine in die Hand und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon, „Aber nein, danke!“ Perplex sah der Ältere ihm nach und nahm die Verfolgung auf, doch Ryu kannte sich in diesem Viertel besser aus, als in seiner Westentasche. Deshalb dauerte es nicht lange, bis er den Polizisten abgehängt hatte und sich auf den Weg zur U-Bahn machen konnte. Zur Sicherheit zog er die Kapuze seines blauen Pullis über, um nicht so schnell erkannt zu werden. Ein wenig tat ihm die Aktion ja schon leid, immerhin würde der Kommissar mächtigen Ärger bekommen, wenn sein Vater herausbekam, dass Ryu ihm entwischt war. Andererseits musste sein Vater endlich verstehen, dass er keinen Babysitter brauchte. Aber Ryu verstand ihn sowieso nicht. Zum einen wollte sein Vater, dass er seine Probleme in der Schule selber löste, zum anderen ließ er ihn nun überwachen, damit er nicht wieder einfach verschwinden konnte. Sicher, er hatte seinen Eltern vorgelogen, dass er weggelaufen war, aber so richtig glauben wollte ihm sein Vater das nicht. Ob er einfach der Meinung war, dass Ryu es sich nicht trauen würde einfach abzuhauen oder er irgendwie den Braten roch, konnte der Oberschüler nicht einschätzen. Aber er wusste, dass er seinem Vater gegenüber vorsichtig sein musste. Es dauerte nicht lange bis der Brünette das Stadtzentrum und kurz darauf auch das Einkaufszentrum erreicht hatte, welches mittlerweile still dastand. Nur vereinzelt erkannte man noch Licht in den einzelnen Geschäften, welches verhindern sollte, dass jemand einbrach. Ryu jedoch störte sich nicht daran, sondern lief an dem riesigen Gebäude vorbei zu der Stelle, an welcher er vor wenigen Tagen noch die Spiegelwelt gemeinsam mit seinen Senpais verlassen hatte. Angespannt sah er sich um und ging damit sicher, dass auch wirklich niemand mehr da war, der ihn beobachten konnte, bevor er an die verspiegelte Wand herantrat und kurz darauf darin verschwunden war. Spiegelwelt Zur selben Zeit ließ ein Schauer auf Mikas Rücken sie aufschauen. Wieso auch immer, aber sobald jemand die Welt, in der sie lebte, betrat, spürte sie dies sofort. Und genau das war soeben geschehen. Ein Umstand der sie beunruhigte, denn sie hatte mit ihren Freunden nicht ausgemacht, dass sie an diesem Tag hinüberkommen wollten. Zumal sie alle mitten in den Vorbereitungen zum Schulfest steckten, wie sie wusste. Ob es sich dabei um ein weiteres Opfer handelte? Ihr Blick ging nach oben in den Himmel, woraufhin sie feststellte, dass der Mond noch mitten in der abnehmenden Phase war. Die Zeit war also noch gar nicht ran. Was hatte das nur zu bedeuten? Sie drehte sich um, in die Richtung, in welcher das Einkaufszentrum lag. Sollte sie nachsehen? Besorgt blickte sie in den Himmel, bevor sie in den Ärmel ihres Kimonooberteils griff, in welchem sie den Handspiegel verwahrte, den ihr Mirâ geschenkt hatte. Doch sie zögerte noch den kleinen Gegenstand zu öffnen und nach ihrer Freundin zu rufen. Es war bereits spät. Wer wusste schon, ob sie sie überhaupt erreichte. Und was sollte sie sagen, wenn die Violetthaarige fragte, wieso sie sie rief? Der Griff um den kleinen runden Spiegel wurde stärker, während sie krampfhaft überlegte, was sie machen sollte. Doch plötzlich traf sie eine Entscheidung. Schnell steckte sie den Gegenstand in ihrer Hand wieder zurück an seinen Platz, ehe sie sich entschlossen in Bewegung setzte. Es dauerte eine Weile, bis sie am Einkaufszentrum angekommen war. Doch kaum hatte sie den großen Platz erreicht, blieb sie erschrocken stehen und starrte auf die Szene vor sich. Dort befand sich eine Horde von Shadows, welche es auf eine einzelne Person abgesehen hatte. Diese stand, umzingelt von der Masse an Gegnern, mitten auf der Freifläche und wehrte sich mit aller Kraft gegen die unzähligen Angriffe. Als Waffe nutzte er dafür kleine Wurfgeschosse, welche sich zwischen seinen Fingern befanden und die er mit gekonnten Handbewegungen gegen die Shadows feuerte. Mehr konnte das blauhaarige Mädchen jedoch nicht erkennen, da es dafür doch etwas zu dunkel war. Dass es sich bei besagter Person um Ryu handelte, erkannte sie jedoch ziemlich genau. Gewannt sprang der recht schmächtige Junge zur Seite, sobald einer seiner Gegner einen Angriff deklarierte und schaffte es so den meisten der Attacken zu entgehen. Von Vorteil war mit Sicherheit auch, dass es sich bei den Shadows um kleine, meist schwache Wesen handelte, sodass er mit diesen recht gut klarkam. Als die Anzahl jedoch überhand zu nehmen schien, erkannte Mika plötzlich einen leuchtenden Gegenstand in der Hand des jungen Mannes. Kurz darauf bildete sich um ihn eine blaue Aura, aus welcher sich nur einen Augenblick später seine Persona Heh bildete und sogleich einen mächtigen Angriff deklarierte. Am Himmel über dem Getümmel bildete sich plötzlich eine leuchtende Kugel, welche sich so anhörte als würde sie sich mit Energie füllen. Das Geräusch verstummte und genau in diesem Moment explodierte die Kugel mit einem lauten Knall. Um sich vor dem aufkommenden Staub zu schützen hatte die Blauhaarige die Arme vor ihr Gesicht genommen, aber auch so hatte sie leichte Probleme von der Druckwelle nicht von den Beinen gerissen zu werden. Dann kehrte tiefe Stille ein, während ein leichter Windstoß aufkam und so den aufgewirbelten Staub davonfegte. Vorsichtig öffnete Mika die Augen, woraufhin sie Ryu erblickte, der nun vollkommen alleine mitten auf dem leergefegten Platz stand. Überrascht sah er auf sein Smartphone, welches sein Gesicht erleuchtete, und schien vollkommen überrumpelt von der Macht, welche in ihm steckte. Verdenken konnte man es ihm nicht, immerhin hatte er soeben alle seine Gegner mit einem einzigen Schlag weggepustet. „Ryu-kun?“, Mika hatte endlich wieder Gewalt über ihren Körper und hatte sich in die Richtung des Brünetten in Bewegung gesetzt. Erschrocken blickte dieser auf, als er seinen Namen vernahm und starrte das kleine Mädchen einen Moment an. „Alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig, „Das war der Wahnsinn.“ Immer noch gab Ryu keinen Ton von sich und sah die Blauhaarige nur mit großen Augen an, bevor er seine Sprache wiederzufinden schien: „Mika-chan, ist… alles in Ordnung?“ Mika nickte: „Ja. Ich war nur etwas erschrocken. Aber… was machst du hier? Und das auch noch alleine. Hatten Mirâ und die anderen dir nicht gesagt, dass es gefährlich ist, alleine herzukommen?“ „Sagt diejenige, die hier alleine lebt…“, wandte der junge Mann den Blick wieder von ihr ab. Die Kleine seufzte mit einem leichten Lächeln und verschränkte die Arme hinter dem Rücken: „Ich kenne es doch nicht anders. Außerdem lassen mich die meisten Shadows ja in Ruhe.“ Ryu richtete sein Gesicht gen Himmel, doch bedachte sie mit einem Seitenblick: „Trotzdem…“ Das Lächeln von Mika wurde breiter: „Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet.“ Eine kurze Pause entstand, in welcher es keiner der beiden wagte seine Position zu ändern, die jedoch letzten Endes von Ryu unterbrochen wurde. Er seufzte plötzlich und nahm den Rucksack von seinem Rücken. In aller Seelenruhe begann er daraufhin diesen auszupacken, woraufhin ein paar recht klein wirkende Turnschuhe, ein T-Shirt und eine sehr große, aber dafür schön warm wirkende Strickjacke zum Vorschein kamen. „Ich wusste deine Größe nicht, hoffe aber, dass dir die Schuhe passen. Meine Cousine ist ungefähr genauso groß wie du. Ich habe mich an ihr orientiert“, murmelte der Braunhaarige ruhig, ohne den Blick von den Gegenständen vor sich zu nehmen. Verwirrt legte Mika den Kopf schief: „Was ist das alles?“ „N-naja… d-deine Sachen wirkten schon so kaputt… u-und du läufst die ganze Zeit barfuß herum… i-ich dachte dir könnte kalt sein. A-also habe ich dir ein paar Sachen zum drüberziehen mitgebracht“, stotterte Ryu, woraufhin ihn die Kleine überrascht ansah und dabei den leichten Rotschimmer auf seinen Wangen bemerkte. Auch ihr Gesicht begann kurz darauf zu glühen, als ihr richtig bewusstwurde, was der Oberschüler ihr gegenüber gerade gesagt hatte. Sie richtete ihren Blick auf die Gegenstände vor sich, um so von ihrer eigenen Scham abzulenken und betrachtete die Mitbringsel. Bei den Turnschuhen handelte sich um einfache Sneaker, wie sie auch Akane trug. Sie griff danach und betrachtete die Schuhe eingängig, welche wie sie schwer erkannte dunkelblau und mit einer weißen Spitze aus Gummi versehen waren, die im abnehmenden Licht des Mondes glänzte. Geschnürt wurden sie mit weißen Schnürsenkeln. „K-keine Sorge… d-die sind nicht gebraucht oder so“, versuchte Ryu die Blauhaarige zu beruhigen, da ihm anscheinend in diesem Moment einfiel, dass es wohl so rüberkommen musste. Ein erneut überraschter Blick traf ihn: „Hast du die… extra für mich gekauft?“ Das Glühen im Gesicht des Oberschülers wurde so intensiv, dass es selbst bei diesem fahlen Licht zu erkennen war. Doch trotzdem nickte er entschlossen, was Mika noch einmal verwundert auf die Mitbringsel schauen ließ, deren vorgebundene Schleifen sie daraufhin vorsichtig öffnete, nur um einen Moment später hineinzuschlüpfen. Ryu beobachtete sie dabei mit seinen großen rehbraunen Augen. Als sie beide Schuhe über die Füße gestreift hatte, stand Mika auf und tippte dann mit den Spitzen kurz auf den Boden, bevor sie einige Runden über den Platz lief. Der Oberschüler mit den rotbraunen Haaren ließ sie dabei keinen einzigen Moment aus den Augen und bemerkte dabei nicht einmal, wie sich unbemerkt ein kleines Lächeln auf seine Lippen schlich, als das kleine Mädchen begann regelrecht über die Freifläche zu hüpfen. „Die sind echt super bequem und passen perfekt“, freute sich die Blauhaarige und blieb kurz darauf erneut neben den restlichen Gegenständen stehen. Dabei blieb ihr Blick an der hellen Strickjacke hängen, deren Farbe sie nicht genau einschätzen konnte. Im Licht des Mondes wirkte sie leicht grünlich, allerdings konnte die Farbe auch täuschen. Sie griff danach und hob die Jacke an, während sie bemerkte, wie weich sich der Stoff zwischen ihren Fingern anfühlte. Auch dieses Mitbringsel begutachtete sie eingängig. Dabei war nicht wirklich schwer zu erkennen, dass diese Jacke definitiv zu groß war. Selbst für Ryu wirkte sie eindeutig zu groß, was die Blauhaarige etwas irritierte. Das Kleidungsstück hatte der junge Mann jedenfalls nicht für sie gekauft. Er hatte so eine genaue Vorstellung von der Größe der Schuhe, dass sich Mika nicht vorstellen konnte, dass er es bei einer Jacke so extrem verpatzen würde. Zumal es sich hierbei eindeutig um eine Männerjacke handelte. Mika hatte nicht wirklich viel Ahnung von Kleidung, wusste jedoch, dass diese unterschiedlich geschnitten war, je nachdem für welches Geschlecht sie waren. Trotzdem knöpfte sie die Jacke vorsichtig auf und zog sie sich über das Kimonooberteil. Dafür musste sie den Spiegel aus dem einen Ärmel nehmen und diese daraufhin um ihre Arme wickeln. Anders wäre sie nicht in das Kleidungsstück gekommen. Wie zu erwarten war ihr die Jacke wirklich viel zu groß und reichte ihr bis kurz über die Knie, sodass ihr türkisblauer Rock gerade so hervorlugte. Auch die Ärmel waren viel zu lang, weshalb sie sich ein wenig wie ein Clown vorkam. Trotzdem fand sie den Stoff der Jacke unglaublich bequem und obwohl sie in dieser Welt noch nie gefroren hatte wurde ihr sogleich viel wärmer. Entschlossen diese Jacke nicht wieder freiwillig auszuziehen krempelte sie die Ärmel so weit hoch, dass ihre kleinen Hände hervorlugten. Es sah damit nicht wirklich besser aus, doch das war Mika egal. Viel mehr freute sie sich über das Geschenk des Oberschülers, weshalb sie sich mit einem breiten Lächeln zu ihm herumdrehte. „Und? Wie findest du es?“, fragte sie. Überrascht sah Ryu sie mit immer noch knallrotem Gesicht an, doch konnte plötzlich ein Lachen nicht mehr verkneifen: „Sie ist dir wirklich viel zu groß…“ Beleidigt blähte die Blauhaarige die Wangen auf, doch ehe sie etwas sagen konnte hatte sich ihr Gegenüber bereits wieder beruhigt. Ein ebenso breites Lächeln, wie ihres kurz zuvor, lag auf seinem Gesicht: „Es steht dir wirklich gut.“ Leicht erschrocken über diese Reaktion zuckte Mika kurz zurück, während sie spürte, wie ihr Herz heftig gegen ihre Brust hämmerte. Ihr Gesicht glich mittlerweile wahrscheinlich wieder einer überreifen Tomate. Erst recht erschrocken war sie, als Ryu sich plötzlich erhob und auf sie zu kam. Kurz war sie zurückgewichen, doch blieb dann verwundert stehen, als dieser den Kragen der Strickjacke fasste, um ihn etwas umzuschlagen und somit zu richten. „Leider hatte ich nichts anderes mehr und es war mir zu peinlich in einen Laden zu gehen, um Mädchensachen zu kaufen. Dann fiel mir ein, dass ich diese Jacke noch im Schrank hängen hatte. Ich habe sie vor einiger Zeit gekauft, weil sie mir gefiel, aber es gab sie nur noch in dieser Größe. Irgendwie hatte ich die Hoffnung irgendwann hineinzuwachsen, aber viel wird bei mir wohl nicht mehr kommen. Deshalb bin ich froh, dass sie dir gefällt“, erklärte er die Jacke betrachtend. Dabei lag ein so sanfter Ausdruck in seinen Augen, dass es Mika für einen Moment die Sprache verschlug. Plötzlich wirkte der Brünette ihr gegenüber so erwachsen, dass es ihr Herz dazu veranlasste nochmal an Frequenz zuzulegen. So standen die beiden eine gefühlte Ewigkeit da und starrten sich an, während kein weiteres Wort über ihre Lippen kam. Eine Situation, welche Mika vollends verwirrte. Sie kannte dieses Gefühlschaos, welches sich in kürzester Zeit in ihr breit gemacht hatte, nicht und irgendwie machte ihr das etwas Angst. Es war nicht so, dass dieses Gefühl unangenehm war. Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall. Doch es brachte sie so durcheinander. Just in diesem Moment schien Ryu ihr Unbehagen zu bemerken und löste sich von ihn, um etwas Abstand zu nehmen. „Entschuldige“, murmelte er seinen Arm vor das Gesicht gelegt, „I-ich wollte nicht, d-dass du dich bedrängt fühlst. I-ich werde mich jetzt wieder auf den Heimweg machen. D-Das Shirt kannst du auch behalten und es unter die Jacke ziehen, wenn du magst.“ Während er seinen Rucksack wieder schulterte, wandte er sich ab und wollte sich gerade auf den Weg zum Ausgang machen, als Mika ihn noch einmal stoppte: „W-warte…“ Abrupt blieb der Brünette stehen, stand jedoch immer noch mit dem Rücken zu ihr. Das jedoch hielt sie nicht davon ab, zu sagen was sie zu sagen hatte: „D-du hast mich nicht bedrängt. I-ich habe nur nicht mit so einer Geste gerechnet. Vielen Dank für die Sachen. Ich werde gut drauf achtgeben. Versprochen!“ Nun sah Ryu doch noch einmal zu dem blauhaarigen Mädchen, welches ihm ein glückliches breites Lächeln schenkte, dass auch ihm ein kleines Lächeln auf das Gesicht zauberte: „Kein Problem. Ich freue mich, dass du glücklich bist. Bitte pass auf dich auf. Wir sehen uns dann zur nächsten Mission wieder.“ Mit diesen Worten hatte er sich endgültig abgewandt und kurz darauf bereits die Spiegelwelt verlassen. Mika sah ihm noch eine ganze Weile nach, selbst dann, als er schon längst nicht mehr zu sehen war. Unbewusst umarmte sie sich selbst und drückte so den weichen Stoff der hellen Strickjacke an sich. Sie wusste nicht wieso, aber seit sie wusste, dass diese ein privates Kleidungsstück von Ryu war, fühlte sie sich noch viel bequemer und wärmer an, als eh schon. Sie dankte dem Brünetten wirklich sehr für diese Geste, mit der sie niemals im Leben gerechnet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)