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Persona: Shadows of Mirror

Kagami no Kage
von

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CX – Freundschaften pflegen

Samstag, 19.September 2015
 

Es war früher Morgen in der Stadt Kagaminomachi. Die ersten Vögel zwitscherten, während das erste zarte Licht des Morgens sich langsam über die Berge rund um die Stadt schob. Noch waren die meisten Bewohner der Stadt in tiefem Schlaf und dachten noch nicht einmal daran sich für den Tag fertig zu machen. Doch im Shinzaro Tempel, welcher sich fast in der Mitte der Kleinstadt befand und etwas erhöht zu den restlichen Gebäuden rundherum stand, regte sich bereits das erste Leben. Der Besitzer des Komplexes und leitender Priester der Stadt war bereits auf dem Gelände unterwegs, um seine Gebete abzusetzen und danach nach dem Rechten zu sehen. Auch seine Frau, eine Miko in gestandenem Alter, war schon länger wach und fegte den großen Hof. In einem Zimmer im ersten Stockwerk des Wohnhauses, das am Rande des Tempelkomplexes stand, herrschte um diese Zeit noch tiefe Stille. Sanft wehten die vorgezogenen dunkelblauen Vorhänge im Wind, der durch das leicht geöffnete Fenster hineinzog. Jäh wurde diese Ruhe unterbrochen, als der kleine digitale Wecker auf dem niedrigen Nachttisch anfing penetrant zu piepen. Murrend bewegte sich die Person in dem danebenstehenden Bett und tastete dann nach dem nervigen Gegenstand. Es brauchte einige Versuche, in denen die suchende Hand daneben schlug, bis sie endlich den Wecker traf und damit zum Schweigen brachte.

„Ugrh…“, murrte der junge Mann mit den schwarzen Haaren, während er seinen Kopf im Kissen vergrub.

Dann kehrte für wenige Sekunden wieder Stille ein, bevor Masaru nun doch wieder Luft holen musste und somit seinen Kopf in Richtung seines Nachttisches drehte. Mit grünen, strahlenden Ziffern, die 5:15 Uhr anzeigten, mahnte ihn der schwarze Wecker schon regelrecht, dass es Zeit war endlich aufzustehen. Wieder murrte er und ließ sein Gesicht noch einmal in die Weichheit des Kissens sinken, bevor er sich endlich schwerfällig aufrichtete. Er war es ja gewohnt so zeitig aufzustehen, aber nachdem sie am Vortag doch erst ziemlich spät von ihrem Schulausflug wieder zurück waren und er danach auch noch einige Aufgaben im Tempel zu erledigen hatten, war er einfach nur noch gerädert. Wie gern hätte er sich jetzt wieder der Weichheit und Wärme seines Bettes ergeben, doch stattdessen stand er endlich auf, um sich anzuziehen.
 

Wenige Minuten später verließ er in seinen Hakama gekleidet sein Zimmer und stieß dabei beinahe mit einer jungen Frau zusammen, welche seinen Weg kreuzte. Überrascht blieb er abrupt stehen und sah auf die Grünhaarige, die völlig benommen an ihm vorbeitorkelte und sich die Augen rieb. Auch sie trug einen Hakama, allerdings in dunkelrot und dazu einen weißen Gi. Jedoch wirkte alles an ihr ziemlich durcheinander. Die Schleife ihres Hakamas hing schief und auch ihr Oberteil wirkte eher übergeschmissen, als ordentlich angezogen. Ihre teilweise zu einem lockeren Zopf zusammengebundenen türkisgrünen Haare waren wirr und durcheinander. Sie sah aus, als sei sie in Vollmontur ins Bett gegangen und so wieder aufgestanden, weshalb sich der Schwarzhaarige ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Auch schien sie ihn gar nicht wahrzunehmen, während sie an ihm vorbeiwandelte.

„Guten Morgen, Chisato-chan“, grüßte er deshalb, woraufhin die junge Frau plötzlich ruckartig stehen blieb.

Langsam drehte sie sich um und schien einen Moment zu brauchen, um ihn richtig zu registrieren.

Plötzlich jedoch stand sie aufrecht vor ihm: „Gu-guten Morgen, Masaru-san. Ha-hast du gut geschlafen?“

„Ja schon. Aber du siehst aus, als wärst du aus dem Bett gefallen“, sprach der junge Mann seine Gedanken direkt mit einem leichten Lächeln aus.

Überrascht sah Chisato ihn an, bevor sie an sich herunterschaute und dann bemerkte, wie unordentlich sie herumlief. Sofort lief ihr Gesicht rot an, während sie sich von ihm wegdrehte und versuchte alles so schnell wie möglich irgendwie zu richten. Wieder bildete sich ein kleines Lächeln auf Masarus Lippen, während er sein Gegenüber beobachtete. Chisato war noch in der Mittelschule und lebte eigentlich in Gyakuten-mura, einem kleinen Dorf westlich von der Stadt, in welchem der Fluss Gyakuryû entsprang, der durch Kagaminomachi floss. In den Ferien und am Wochenende kam sie aus dem kleinen Dorf hierher in den Tempel, um bereits erste Erfahrungen als Miko zu sammeln. In dieser Zeit wohnte sie auch bei seiner Familie, während seine Mutter sie unterrichtete. Nebenbei erledigte sie, wie eine Art Nebenjob, auch anstehende Arbeiten im Tempel und half hier und da aus. Jedoch hatte Masaru nicht den Eindruck, dass es ihr sonderlich viel Spaß machte; was er auch irgendwie nachvollziehen konnte. Doch da er sich nicht einmischen wollte, hatte er bisher nie die genauen Gründe hinterfragt, wieso sie die ganze Prozedur der Ausbildung einer Miko auf sich nahm. Er wusste nur, dass ihre Eltern mit seinen befreundet waren und sie wohl um diesen Gefallen gebeten hatten. Und so lebten sie immer mal wieder zusammen unter einem Dach, was jedoch nicht schlecht war, wie er fand. Chisato brachte durch ihre ungestüme Art immer wieder etwas frischen Wind in diese alten Gebäude. Das tat auch seinen Eltern manchmal gut, denn auch sie wirkten dann etwas lockerer. Immer noch war die junge Frau damit beschäftigt ihre Sachen zu richten, während Masaru sich langsam in Bewegung setzte:

„Wollen wir dann? Mein Vater wartet sicher schon im Dôjo auf uns.“

„Ah ha-hai!“, war die Türkis-grünhaarige sofort wieder bei der Sache und steckte noch schnell ihr letztes Stück Gi in den Gurt, bevor sie dem Schwarzhaarigen folgte.
 

Kurz darauf betraten beide mit einer Verbeugung die Kendohalle, in welcher sie bereits von Masarus Eltern erwartet wurden. Überrascht sah der Schwarzhaarige zu seiner Mutter, die ihm ein freundliches Lächeln schenkte. Mit ihr hatte er schon fast gar nicht mehr gerechnet, weil sie schon eine ganze Weile nicht mehr an der morgendlichen Meditation teilgenommen hatte. Meistens war sie mit anderen, wichtigeren Dingen beschäftigt. Sie heute wieder hier sitzen zu sehen, irritierte ihn ein wenig. Jedoch versuchte er sich nichts anmerken zu lassen, während er auf die beiden zuging und sich auf das bereitgelegte Sitzkissen kniete. Kaum hatte er eine sitzende Position eingenommen, verbeugte er sich erneut vor seinem Vater, was ihm Chisato gleichtat. Zufrieden nickte der alte Mann, bevor sich die vier Anwesenden aufrecht hinsetzten und mit dem morgendlichen Ritual begannen. Sofort kehrte Stille ein, in der man nur das gleichmäßige Atmen der vier vernahm. So blieb es eine Weile, bis man plötzlich ein ganz leises Schnarchen hörte. Leicht erschrocken zuckte Masaru zusammen, versuchte aber sich weiter zu konzentrieren, bis das Geräusch erneut ertönte. So lief es einige Male, bis seine Mutter sich nicht mehr zurückhalten konnte und plötzlich anfing zu kichern, was sowohl den Schwarzhaarigen, als auch seinen Vater, vollkommen aus dem Konzept brachte. Chisato wiederum erwachte plötzlich aus ihrem Nickerchen, in welches sie während der Meditation verfallen war, und schaute sich vollkommen irritiert um. Sie schien gar nicht zu wissen, worum es ging, weshalb sie umso mehr zusammenzuckte, als sie den leicht bösen Blick von Masarus Vater erkannte. Seine Mutter unterdessen lachte mittlerweile herzhaft vor sich hin, während der junge Mann versuchte sie wieder zu beruhigen.

„Ich weiß nicht, was daran so lustig ist“, knurrte der alte Priester und ließ seine Frau damit kurz verstummen.

Jedoch nur für einen Moment, denn kurz darauf kicherte sie erneut: „Ach Liebling, nun sei nicht so. Ich musste nur an unseren Masaru denken, als er noch klein war und auch bei der Meditation eingeschlafen ist.“

„MAMA!“, brachte gemeinter Junge nur mit hochrotem Kopf heraus, was die alte Dame nur wieder zum Lachen verleitete.

Hilfesuchend sah er zu seinem Vater. Dieser jedoch hatte nun auch ein leichtes Grinsen auf dem Gesicht und wirkte nicht so, als würde er etwas entgegensetzen. Irritiert blickte Chisato währenddessen zwischen allen anwesenden Parteien hin und her und schien immer noch zu überlegen, was überhaupt los war.
 

Kurz nach sieben verließ Masaru in seine Schuluniform gekleidet das Haus. Noch immer lag eine leichte Röte in seinem Gesicht, da das Thema auch beim Frühstück noch nicht gegessen war und seine Mutter Chisato so einiges aus seiner Kindheit erzählte. Dabei waren das Dinge, die man sich innerhalb der Familie erzählte und nicht irgendwelchen mehr oder weniger Fremden. Natürlich war die Jüngere nicht in diesem Sinne fremd, aber sie stand ihm auch nicht sonderlich nahe. Man konnte es wohl wie eine Art Freundschaft ansehen. Vielleicht war sie auch sowas wie eine Cousine für ihn. Er selbst hatte keine Cousinen und Cousins, deshalb wusste er auch nicht genau wie das war. Aber er konnte es sich so in der Art vorstellen.

„Viel Spaß in der Schule, mein Junge“, verabschiedete sich seine Mutter von ihm mit einem Lächeln.

„Ja danke“, murmelte der Schwarzhaarige und wollte los, bevor ihm etwas einfiel und er sich nochmal umdrehte, „Da fällt mir ein. Ich komme heute etwas später nach Hause. Ich wollte mich heute Nachmittag mal wieder mit Dai treffen. Wir haben schon eine ganze Weile nichts mehr zusammen gemacht.“

„Natürlich, mein Junge. Mach das ruhig. Und bestell ihm und seinen Eltern einen schönen Gruß“, sagte seine Mutter.

Masaru nickte und wollte sich auf den Weg machen, als auch sein Vater noch etwas zu sagen hatte:

„Denk bitte trotzdem auch an deine Aufgaben hier.“

Der Schwarzhaarige blieb kurz stehen und ging dann weiter: „Sicher. Bis heute Abend.“

Somit wandte er sich endgültig ab und ging; dabei jedoch seine Hände zu Fäusten geballt und zähneknirschend. Diesen Kommentar hätte sich sein Vater sparen können. Er wusste genau welche Aufgaben er zu erledigen hatte und diese hatte er bisher auch nie vernachlässigt. Und trotzdem... in solchen Situationen hatte er das Gefühl, dass er es seinem Vater nicht recht machen konnte. Er hatte sich die Position als Sohn eines Priesters nicht ausgesucht und trotzdem machte er immer das, was von ihm verlangt wurde. Umso nerviger war es, wenn sein alter Herr noch in der Wunde bohrte.

„Masaru-san“, holte ihn Chisatos Stimme aus den Gedanken.

Er drehte sich um und sah die junge Frau, wie sie auf ihn zugelaufen kam. Mit kleinen Schritten, um ihre Zori nicht zu verlieren, tippelte sie zu ihm und blieb dann leicht außer Atem vor ihm stehen.

„Was gibt es Chisato-chan?“, fragte der Schwarzhaarige leicht irritiert, aber auch erleichtert über die Unterbrechung seiner Gedanken.

„Haaaa“, atmete die Jüngere noch einmal richtig durch und hob dann wieder den Blick, „Also... wenn du möchtest, dann kann ich deine Aufgaben nachher auch erledigen. Dann kannst du mehr Zeit mit deinem Kumpel verbringen.“

Überrascht blickte er die junge Frau an. Das Angebot war wirklich nett und auch verlockend. Durch die Sache mit der Spiegelwelt hatte er in letzter Zeit noch weniger Zeit für Dai gehabt, als eh schon. Dabei hätte er gerne wieder mehr mit diesem unternommen, bekam es aber zeitlich nicht mehr so auf die Reihe. Trotzdem... auch wenn es nett gemeint war, so konnte er das Angebot nicht annehmen. Er konnte der jungen Frau nicht seine Aufgaben aufdrücken, nur damit er sich amüsieren konnte.

„Das ist lieb von dir Chisato-chan, aber ich muss das Angebot ablehnen. Ich bekomme das schon hin, aber danke, dass du an mich denkst“, lehnte der Ältere ab und wandte sich in Richtung der Treppe, die ihn hinunter zur Hauptstraße führte, „Bis dann.“

Er hob noch einmal zur Verabschiedung die Hand und stieg dann die steinerne Treppe hinunter, während ihm die Mittelschülerin nachsah.
 

Nach nur wenigen Schritten erkannte er bereits Dai am Ende stehen, der genüsslich gähnte und dann seinen Blick in Masarus Richtung wandte. Als er seinen Kumpel erkannte, hob er breit grinsend den Arm und wirkte ihm zu.

„Guten Morgen, Dai“, grüßte Masaru den Brünetten.

„Yo. Na alles klar?“, grüßte ihn auch dieser und klopfte ihm auf den Rücken.

Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern: „Wie immer halt. Und bei dir?“

Dai lachte: „Auch.“

Gemeinsam machten sich die beiden jungen Männer auf den Weg zur nahegelegenen U-Bahnstation, um von dort aus in die Schule zu fahren. Masaru genoss diese Zeit am Morgen, da es bisweilen die einzige Möglichkeit war mit seinem besten Kumpel in aller Ruhe zu sprechen. Seit sie sich kannten gingen sie den Schulweg zusammen, sodass es schon fast ungewohnt war, wenn er mal alleine gehen musste. Er war sich zwar nicht ganz sicher, aber Dai ging es wahrscheinlich genauso, wenn er mal nicht dabei war. In dieser Zeit konnten sie sich in aller Ruhe unterhalten; anders als in der Schule, wo immer irgendjemand kam und etwas von einem von ihnen wollte.

So war es auch nicht verwunderlich, dass, kaum hatten sie das Schulgelände betreten, eine Schülerin auf die beiden zukam und Masaru um einen Gefallen bat, der mit dem Schülerrat zu tun hatte. Deshalb seufzte der Schwarzhaarige und verabschiedete sich von seinem Kumpel, welcher zum Glück mal wieder Verständnis zeigte.
 

Erst kurz vor Schulbeginn sahen sich die beiden wieder, als Masaru endlich den Klassenraum betrat.

„Na was war so wichtig?“, fragte der Brünette grinsend, als sein Kumpel an ihm vorbei ging.

Dieser legte seine Tasche auf den Tisch und massierte sich die Nasenwurzel: „Nichts was nicht bis zur Mittagspause hätte warten können...“

Er packte seine Sachen aus und ließ sich dann auf seinen Stuhl nieder, während ihn sein Kumpel mahnte, dass er lernen müsse auch mal nein zu sagen.

„Aber so warst du schon immer...“, murmelte Dai.

Das stimmte. Es mochte vielleicht an seiner Erziehung liegen, aber er konnte einfach nicht nein sagen, wenn ihn jemand um Hilfe bat. Gerade wenn es um die Schülervertretung ging, sprang er ziemlich schnell, sobald es etwas gab. So sehr er diese Angewohnheit an sich hasste, er konnte es nicht ändern. War er doch mal kurz davor nein zu sagen, bekam er auch schon ein schlechtes Gewissen und machte es dann doch. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb er dann für andere Dinge keine Zeit mehr hatte. Aber was sollte er machen? So einfach verändern konnte er sich nicht. Trotzdem tat es ihm leid, dass er Dai deshalb häufig versetzen musste.

„Lass uns nachher zusammen Mittag essen. Ich lade dich auf ein Melonpan ein. Als Entschuldigung für vorhin“, bat er seinem Kumpel deshalb zur Beschwichtigung an.

Dieser grinste sofort breit und nahm das Angebot mit Freude an, nichts ahnend, was noch auf ihn zukommen würde.
 

Murrend saß der Brünette zur genannten Pause dann im Raum der Schülervertretung; vor sich sowohl sein Mittagessen, als auch zwei Melonpans und mehrere Blätter ausgebreitet. Mürrisch öffnete er die Verpackung seines versprochenen Brötchens und biss dann hinein, während er Masaru böse beobachtete. Dieser bemerkte den Blick seines besten Kumpels, versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen. Kurz bevor beide Jungs sich einen ruhigen Ort zum Essen suchen konnten, kam erneut jemand aus dem Schülerrat auf den Schwarzhaarigen zu; dieses Mal jedoch der Vorsitzende der Schülervertretung. So kam es, dass ungefragt auch Dais Hilfe in Anspruch genommen wurde, um einige Unterlagen zu sortieren, und sie deshalb nun zu dritt in dem kleinen Raum saßen. Es tat dem Schwarzhaarigen ja leid, denn so war das Ganze sicher nicht geplant gewesen. Trotzdem war er dem Brünetten dankbar, dass er mitgekommen war; wenn auch wahrscheinlich eher um seiner selbst willen, damit er nicht alleine essen musste. Masaru konnte nur hoffen, dass Dai auch dieses Mal wieder Verständnis zeigte.

„Dafür schuldest du mir nächstes Mal mehr, als nur zwei trockene Melonpan“, murrte dieser plötzlich und begann dann, die vor ihm liegenden Unterlagen nach Jahrgang zu sortieren.

Ein Lächeln legte sich auf das Gesicht des Schwarzhaarigen, während er nickte und sich dann seinem Stapel zuwandte.
 

Bereits kurz nach Ende der letzten Schulstunde waren die beiden jungen Männer auf dem Heimweg. Gekonnt hatte Masaru dieses Mal versucht jegliches Aufeinandertreffen mit seinen Kollegen aus dem Schülerrat zu vermeiden. Noch einmal wollte er seinen Kumpel an diesem Tag nicht enttäuschen. Und so saßen sie nur wenig später in der U-Bahn in Richtung Central Station, wo sie umsteigen und dann einige Stationen mit der Han'ei Linie fahren mussten. An der Haltestelle unterhalb des Tempels stiegen sie wie gewohnt aus, doch anders als an den anderen Tagen, schlug Masaru dieses Mal nicht den Heimweg ein. Stattdessen liefen sie gemeinsam am Tempel vorbei und danach über eine Brücke die über den Fluss führte. Kurz darauf kamen sie vor einem großen Haus mit außergewöhnlichen großen, runden Fenstern zum Stehen. Es unterschied sich auch allgemein durch seine architektonische Bauweise von den restlichen Häusern rundherum, welche eher im traditionellen Stil gebaut waren. Jedes Mal, wenn Masaru hierher kam staunte er über dieses extrem moderne Bauwerk. Er selbst lebte nur in einem alten Tempel, was man wohl als das genaue Gegenteil davon bezeichnen konnte. Es war aber auch kein Wunder, dass Dais Heim so außergewöhnlich aussah, denn dessen Eltern waren beide bekannte Architekten in der Stadt. Mit diesem Haus hatten sie sich selbst einen Lebenstraum erfüllt. Aus diesem Grund hatten sie auch nicht mit Extravaganz gespart, was letzten Endes auch auffiel. Das klappernde Geräusch eines Schlüssels holte ihn wieder aus seinen Gedanken, woraufhin er zu seinem Kumpel blickte, der gerade dabei war die Tür aufzuschließen. Mit einem Klicken öffnete sich diese, bevor er von dem Brünetten hereingebeten wurde. Er trat ein und befand sich kurz darauf in einem langen Lichtdurchfluteten Flur. Direkt links neben der Haustür führte eine Treppe die Wand entlang nach oben in das erste Stockwerk, in welchem sich das Schlafzimmer von Dais Eltern, sowie das Kinderzimmer seiner Schwester und ein geräumiges großes Badezimmer befanden. Dais Zimmer wiederum war noch ein Stockwerk höher unter dem Schrägdach. Dort hatte er die ganze Etage für sich. Gegenüber dem Eingang erstreckte sich ein langer Flur, an dessen Ende eine leicht geöffnete Tür war, die in die geräumige Küche führte. Zu beiden Seiten des Flures befanden sich jeweils zwei weitere Türen. Die erste auf der linken Seite führte in einen Keller, soweit Masaru wusste, und die dahinter in ein kleines Bad. Dagegen war hinter der ersten Tür rechts eine kleine Speisekammer, während die zweite in ein großes Wohnzimmer führte. Die beiden jungen Männer waren gerade eingetreten und hatten noch nicht mal ihre Schuhe ausgezogen, als plötzlich lautes Trampeln zu vernehmen war. Kurz darauf kam ein kleines Mädchen mit dunkelbraunen, kinnlangen Haaren aus dem Wohnzimmer geschossen und stürzte sich auf Dai.

„Okaeri nasai, Onii-chan“, rief sie fröhlich und drückte sich dabei an den Oberkörper des Brünetten.

„Uff“, dieser hatte Mühe nicht umgerissen zu werden und versuchte sich sogleich von seiner Schwester zu trennen, „Ja, schon gut Minami... lass los, ich bekomme keine Luft.“

„Minami, lass deinen Bruder los“, mahnte eine braunhaarige Frau im mittleren Alter, welche ebenfalls aus dem Wohnzimmer trat und daraufhin auch Masaru zu bemerken schien, „Masa-chan, schön dich mal wieder zu sehen.“

Lächelnd versuchte sich Masaru nicht anmerken lassen, dass ihm gar nicht gefiel mit seinem Kinderspitznamen angesprochen zu werden: „Guten Tag, Kazuma-san. Ich soll Ihnen einen schönen Gruß von meiner Mutter bestellen.“

„Ach das ist ja lieb. Bestell doch liebe Grüße zurück. Es wäre schön, wenn wir mal wieder einen Tee trinken könnten“, meinte sie und griff dann nach Minamis Hand, „Na los Minami. Lass deinen Bruder und Masa-chan alleine. Außerdem hast du Besuch. Du kannst deine Freunde doch nicht alleine sitzen lassen.“

Daraufhin zog sie das kleine Mädchen mit sanfter Gewalt zurück ins Wohnzimmer, während diese mit gezogener Schnute den beiden Jungs zuwinkte und sich von „Masanii“ verabschiedete.

Die beiden Jungs sahen ihnen nach, bevor Dai geschlagen seufzte:

„Lass uns hoch gehen... Masa-chan... AU!“

Eine Handkante traf den Brünetten am Hinterkopf, während sich der Schwarzhaarige an ihm vorbei die Treppe hochschlich: „Lass den Mist... „Onii-chan“.“

Lachend folgte ihm sein Kumpel, woraufhin sie kurz darauf dessen Zimmer betraten. Sofort ließ sich Masaru auf einen der beiden Sitzsäcke fallen, die inmitten des Raumes standen, während Dai seinen Rucksack auf den Schreibtischstuhl stellte.

„Ich hole uns noch schnell was zu trinken? Was möchtest du?“, fragte der Gastgeber, während er zurück zur Treppe ging, „Cola?“

„Ja gern“, nickte Masaru, woraufhin der Brünette wieder im unteren Stockwerk verschwand.

Dann seufzte der Schwarzhaarige und sah sich um. Der Raum hatte keine direkten Zimmertüren, die ihn mit anderen Räumen verband. Die Treppe, welche an der hinteren linken Wand hinunterführte, war der direkte Zugang. Dieser gegenüber stand ein, wie er fand, riesiger Kleiderschrank, an welchen Dai die Jacke seiner Uniform gehängt hatte. Masaru musste kurz überlegen, um dann festzustellen, dass sein Kumpel diese wohl nur zur Einschulung im ersten Jahr getragen hatte und danach nie wieder. Viel lieber trug er den alternativen weiß-schwarzen Pollunder. Dai meinte einmal er sei bequemer, als die Jacke. Der Schwarzhaarige konnte das jedoch nie bestätigen, da die alternativen Sachen noch immer eingeschweißt in seinem Kleiderschrank lagen. Er wandte den Blick von der Jacke ab und ließ ihn weiterwandern. In der Mitte des Raumes war eine kleine Sitzecke, die mit den zwei Sitzsäcken und einem kleinen Tisch, sowie mehreren Sitzkissen, ausgestattet war. Zu seiner Linken befand sich ein Lowboard, auf dem ein großer Fernseher und die aktuellste Spielekonsole stand. Dem Gegenüber, also zu seiner Rechten, war eine große Glastür, welche auf einen kleinen Balkon führte. Er überstreckte den Kopf und sah hinter sich, wo er auf gleicher Seite ein gemachtes Bett erblickte und daneben einen aufgeräumten Schreibtisch, auf welchem ein dunkelblauer Laptop stand. Dai lebte so völlig anders als er. Während der Brünette in einem hochmodernen Haus mit allen Annehmlichkeiten und einem riesigen Zimmer lebte, wohnte er in einem alten Tempelkomplex, mit einem ebenso alten Haus, in einem vergleichsweise winzigen Zimmer ohne großen Schnickschnack. Zwar hatte auch dort die Moderne schon größtenteils Einzug gehalten, aber trotz allem war es immer noch ein altes Gebäude. Im gesamten Haus gab es nur einen Fernseher und der stand im Wohnzimmer. Er erinnerte sich nur zu gut dran, dass es früher unter ihm und seinen Geschwistern häufig Streit darum gab, welches Programm geschaut wurde; und letzten Endes hatte sein Vater das letzte Wort gehabt. Er seufzte erneut. Es war nicht so, dass ihn stören würde, wie er lebte, oder dass er gar neidisch auf Dai war. Er hatte sich mit seinem Leben als Priestersohn arrangiert. Trotzdem wünschte er sich manchmal mehr ein eher normales Leben, in dem er frei entscheiden konnte, was er einmal machen wollte.

„Entschuldige, es hat etwas gedauert“, holte ihn Dais Stimme aus den Gedanken.

Kurz darauf erkannte er bereits den braunen Haarschopf seines Kumpels, der die Treppe hinaufkam und sich dann beschwerte, dass ihn seine kleine Schwester wieder einmal bedrängt hatte. Masaru schmunzelte. Auch wenn sich der Brünette immer beschwerte, wie sehr ihn die kleine Minami belagerte, wusste er doch, dass es für diesen niemanden gab, der ihm wichtiger war. Als die Kleine vor sieben Jahren auf die Welt gekommen war, hatte Dai ganz stolz herumerzählt, dass er nun ein großer Bruder war. An diesen Tag erinnerte sich Masaru noch, als sei er gestern gewesen. Eine Dose mit Cola wurde vor ihm auf den kleinen Couchtisch gestellt, bevor er beobachtete, wie sich Dai auf den zweiten Sitzsack fallen ließ und erschöpft sitzen blieb. Der Schwarzhaarige unterdessen griff nach der kleinen roten Dose und öffnete diese.

„Ach komm, du bist doch froh sie zu haben“, meinte er daraufhin, woraufhin sein Gegenüber den Blick auf ihn richtete, nur um ihn kurz darauf wieder auf die Lehne hinter sich zu legen.

„Ja schon, aber sie ist auch echt anstrengend…“, murmelte Dai anschließend, bevor Stille eintrat.

Diese hielt sich einen Moment, in der Masaru einen Schluck seiner Cola trank und seinen Kumpel beobachtete, der immer noch auf dem Sack fläzte, als hätte er zuvor einen Marathon absolviert.

„Meine Mutter war total erfreut, dass du mal wieder hier bist. Sie dachte schon wir hätten uns gestritten“, sagte dieser plötzlich und sah zu dem Schwarzhaarigen, der etwas betroffen zusammenzuckte.

Masaru senkte den Blick: „Tut mir leid, dass ich dich in letzter Zeit so oft versetzen musste…“

Ein Seufzen ließ ihn wieder zu seinem Kumpel sehen: „Schon gut. Auch wenn ich am Anfang schon etwas sauer war, weil du plötzlich so viel Zeit mit Shingetsu und ihren Freunden verbracht hast. Irgendwie sah dir das auch gar nicht ähnlich, dass du dich so sehr mit Jüngeren abgibst. Aber mittlerweile glaube ich, dass es sogar ganz gut ist, wie es ist.“

Überrascht von dieser Aussage blickte Masaru seinen Kumpel mit seinen dunkelbraunen Augen an, welcher daraufhin weitersprach: „Weißt du, nachdem auch dein Bruder Hayata ausgezogen war und dein Vater entschieden hatte, dass du den ganzen Tempel übernehmen solltest, hattest du dich echt verändert. Du warst so in dich gekehrt und ernst. Und ich wusste nicht, wie ich dir hätte helfen könnten. Ich hatte das Gefühl, dass egal was ich sage, es nichts bringt, immerhin hätte es an der Situation nichts geändert. Dann warst du plötzlich verschwunden und ich dachte, nun seist du endgültig abgehauen. Sonst warst du ja immer zu uns gekommen, wenn es bei dir Stress gab, aber dieses Mal nicht. Wir haben uns alle echt verdammte Sorgen gemacht.“

Wieder sah der Schwarzhaarige auf den Boden. Ihm war klar, dass er durch sein unverschuldetes Verschwinden anderen Sorgen bereitet hatte, doch das Dai sich mit solchen Gedanken rumquälte machte ihm ein noch viel größeres schlechtes Gewissen.

„Doch…“, die Stimme seines Kumpels ließ ihn wieder aufschauen, „Seit du wieder aufgetaucht bist und dich mit Shingetsu angefreundet hast, scheint es dir wieder besser zu gehen. Und das beruhigt mich wirklich sehr.“

„J-ja ich konnte einiges überdenken…“, murmelte Masaru.

Dai schenkte ihm ein Lächeln: „Dann ist ja gut. Du bist auch wieder viel lockerer und mehr wie früher. Und ich weiß, dass wir nicht ewig aufeinander hocken können, immerhin sind wir beide fast erwachsen. Deshalb ist es gut so, wie es jetzt ist. Solange es dir damit gut geht, kann ich auch damit leben, dass du mich öfters mal versetzt.“

Dai schenkte ihm ein breites Grinsen, dass auch ihn dazu verleitete zu Lächeln:

„Danke dir, Dai. Du bist echt der beste Freund, den man sich vorstellen kann.“

Das Grinsen des Brünetten wurde breiter: „Ist doch klar.“
 

Masaru kam erst wieder zuhause an, als die Sonne schon längst untergegangen war. Dais Mutter hatte darauf bestanden, dass er bei ihnen mit zu Abend aß; so wie sie es früher oft gemacht hatten. Ihm war also gar keine andere Wahl geblieben, als das Angebot anzunehmen. Deshalb hatte er sofort seine Mutter darüber informiert, dass es noch etwas später werden würde. Und auch wenn sie vollstes Verständnis für ihren Sohn zeigte, so wusste er doch, dass sein Vater nicht so begeistert darüber gewesen war. Mit Sicherheit durfte er sich gleich eine saftige Standpauke von diesem anhören und sich danach an seine liegengebliebene Arbeit machen. Da konnte er ja von Glück reden, dass am nächsten Tag Sonntag war; wobei es ja nichts an der Zeit änderte, zu welcher er gewöhnlich aufstand. Er seufzte, als er die letzte Stufe der Treppe erklomm, die hinauf zum Tempel führte. Dann wandte er sich noch einmal um und warf noch einen Blick über die Stadt, welche sich unter ihm leuchtend ausbreitete. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, denn trotz der Aussicht auf Ärger fühlte er sich gerade total erfrischt und erleichtert. Es war eine gute Idee gewesen den Nachmittag mit Dai zu verbringen. Das war ihm bewusst geworden, während das Lächeln in seinem Gesicht immer breiter wurde.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es wurde mal wieder Zeit für ein Masaru-Kapitel. =D Und hier ist es. Und ich mag es sehr. ^__^ Ich wollte schon die ganze Zeit auch mal mehr Einblicke in Dais Leben geben und wer ist dafür besser geeignet als Masaru, um dies durchzusetzen? =D Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen. ^^
Wir lesen uns dann wieder Anfang November. =D Bis dahin
eure Shio~ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2022-10-16T10:05:20+00:00 16.10.2022 12:05
Guten Morgen, Shio-chan ^^

Die böse Stiefmama gibt ihrem nicht ganz so geliebten Kind etwas Liebe. (Spaß beiseite, ich weiß ja, wie du drauf bist XD)
Ich kann Masaru so verstehen, wer würde nicht gerne in seinem Bett liegen bleiben, aber 05:15 Uhr ist gar nicht so viel früher als ich aufstehe *Hust* 05:40 Uhr XD
Und sofort am Morgen ne peinliche Situation für meine kleine Chisato und dann auch noch vor Masaru XD Die Arme, aber so ist das nun einmal, wenn man kein Morgenmensch ist.

Ab zur Morgenroutine und ich musste so lachen, als Chisato einfach beim Meditieren eingepennt ist XD Ich finde es schön, dass man hier wieder ein bisschen mehr von Masaru sieht. Er versucht immer der Erwachsene zu sein (sind wir mal ehrlich, bei der Gurkentruppe muss er das sein XD Yasuo ist es nämlich nicht) und da ist diese Reaktion, wenn die kleinen Fauxpas aus der Kindheit hochkommen, nur allzu verständlich.
Es ist so süß, dass Chisato ihm anbietet, seine Aufgaben zu machen, damit er einen schönen Tag haben kann, aber irgendwie klar, dass Masaru die Sache nicht annehmen kann.

Masaru hat einen für ihn normalen Schulalltag und es ist cool zu sehen, wie sehr er sich von Dai unterscheidet und wie gut sie doch miteinander auskommen. Aber ich glaube, Dai wird sich noch einiges verlangen für die Sortierarbeit XD Aber das sidn richtige Freunde, die einem in jeder Lage helfen. Ich stelle es mir irgendwie lustig vor, wie Masaru später durch die Schule schleicht, um nicht gesehen zu werden. Aber hey, Mission erfolgreich.

Ey, sogar der Wohnunterschied zwischen Masaru und Dai ist wie Tag und Nacht, aber Dai und seine Schwester sind schon süß zusammen. Jetzt legt Dai mal die Karten auf den Tisch und erzählt, was ihn bei Masaru so bedrückt, aber man sieht richtig, wie er sich freut, seinen Freund wiederzuhaben. Ich finde es ohnehin immer cool, wenn man die User so ein bisschen in Interaktionen außerhalb der Main Gruppe sieht und bei Masaru wurde ich nicht enttäuscht ^^

Da hat unser lieber Masaru etwas überzogen, was die Zeit angeht und irgendwie habe ich das Gefühl, als ob Chisato dennoch seine Aufgaben mit gemacht hat.
War auf jeden Fall ein richtig chilliges Alltagskapitel ^^

Bis zum nächsten Mal

Lg Fubuki


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