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Persona: Shadows of Mirror

Kagami no Kage
von

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CVI – Willkommen in Iwatodai

Donnerstag, 17.September 2015
 

Ein Piepen ertönte und verriet den Gästen am Bahnsteig, dass sich die Türen des Hochgeschwindigkeitszuges jeden Moment schließen würden. Durch die Fensterscheibe beobachtete Mirâ, wie vereinzelte Personen die Treppe hinaufhechteten, um noch im letzten Moment durch die sich gerade schließenden Zugtüren zu springen. Dann verstummte das Geräusch und kurz darauf setzte sich der Zug mit einem kleinen Ruck in Bewegung, nur um wenige Minuten später die Kleinstadt hinter sich zu lassen.

„Wir begrüßen unsere Fahrgäste im Zug nach…“, erklang die freundliche Stimme einer Zugbegleiterin, welche die verschiedenen Stopps der Fahrt aufzählte.

Einer dieser Halte war Iwatodai, das Ziel der diesjährigen Klassenfahrt des gesamten zweiten Jahres der Jûgôya High School. Aus Zeitgründen wurde diese mit dem Pflichtprogramm des Jahrganges zusammengelegt, in welchem sie die Gekkoukan High School in Iwatodai besuchen mussten. Den meisten Schülern sah man an, dass sie auf diesen Ausflug relativ wenig Lust hatten. Jeder hätte lieber eine richtige Klassenfahrt unternommen, als eine Schulbesichtigung. Und doch hatten sie alle keine andere Wahl, als daran teilzunehmen. Und man musste es ja auch positiv sehen… es war immer noch besser als gar keine Klassenfahrt. Mirâ wandte ihren Blick von der Landschaft außerhalb des Zuges ab und beobachtete Mrs. Masa, welche durch den Gang lief und die einzelnen Schüler zählte, die sich in diesem Abteil befanden. Die Schwarzhaarige lief an der Vierergruppe vorbei, auf welcher es sich die Violetthaarige und ihre Freunde bequem gemacht hatten, und war auch einen Moment später schon schon wieder verschwunden. Die Oberschülerin schaute zu Kuraiko, die auf dem Sitz am Gang platzgenommen und die Augen geschlossen hatte, während sie der Musik in ihren Ohren lauschte. Kaum hatten sie sich hingesetzt, hatte sie auch schon ihre Kopfhörer an ihr Handy angeschlossen und diese in die Ohren gesteckt. Seither schwieg sie. Neben der Schwarzhaarigen und somit Mirâ gegenüber saß Hiroshi, der den Arm auf dem schmalen Brett unter dem Fenster abgelegt und seinen Kopf darauf gestützt hatte. Auch er hatte Kopfhörer in den Ohren und beobachtete die Landschaft, die an ihnen vorbeizog. Er gähnte einmal genüsslich und sah dann wieder nach draußen. Unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet, die, wie sie wusste, daher kamen, weil er am Abend viel zu lange wach geblieben war, um ein Spiel zu spielen. Ein kleines Lächeln bildete sich auf Mirâs Gesicht, während sie ihren Blick nun neben sich auf Akane richtete, die in einem Manga blätterte. Gleich nachdem sie sich am Bahnhof getroffen hatten, war die Brünette in einem bereits geöffneten Buchladen verschwunden, um sich, wie sie sagte, noch schnell Lesestoff für die Reise zu besorgen. Geduldig hatte die Violetthaarige gewartet, bis ihre Freundin wiederkam und sie gemeinsam zum Bahnsteig gehen konnten, wo sie dann auf die anderen trafen. Eine Bewegung im Gang ließ Mirâ aufblicken und verwundert auf den jungen Mann schauen, welcher sich mit einem leicht genervten Seufzen auf den freien Platz neben ihrer Vierergruppe setzte.

„Senpai?“, fragte sie überrascht und veranlasste nun auch Akane dazu überrascht von ihrem Manga aufzuschauen.

„Morgen…“, grüßte Masaru ziemlich müde.

„Was machst du denn hier?“, kam es irritiert von der Brünetten.

Der Schwarzhaarige seufzte: „Ich wurde gebeten das zweite Jahr als Aufsichtsperson zu begleiten…“

Auch Kuraiko war der Ältere mittlerweile aufgefallen und sie hatte sich einen ihrer Kopfhörer aus dem Ohr gezogen: „Und was willst du mit dem ganzen Gepäck?“

Nun fielen auch den anderen beiden Mädchen die zwei Taschen auf, welche der junge Mann bei sich hatte. Masaru betrachtete diese kurz und seufzte dann erneut, bevor er erklärte, dass seine Eltern ihn als Laufburschen missbrauchten – mal wieder. Bereits im letzten Jahr, als er mit seiner Klasse auf diesem Ausflug war, hatten sie ihm eine Menge mitgegeben, was er zu Bekannten und Freunden seiner Familie bringen sollte.

„Zwei Kendoschulen… ein Tempel… Urgh… sie nutzen das jedes Mal aus, um nicht selbst den Weg auf sich nehmen zu müssen…“, murmelte der Ältere seine Nasenwurzel massierend, „Mit meinen Geschwistern haben sie das auch damals durchgezogen…“

„Glückwunsch…“, kam es mit einem sarkastischen Unterton der schwarzhaarigen Schülerin, bevor diese sich wieder ihren Kopfhörer ins Ohr steckte.

Überrascht sah Masaru sie an, bevor er mit einem leichten Lächeln seufzte.

„Wenn du möchtest und wir Zeit haben können wir dir gerne helfen, Senpai“, bot Akane an.

„Das wäre nett. Danke“, nahm ihr Senpai das Angebot dankend an, während er gähnend auf seine Armbanduhr schaute, „Naja… bis nach Iwatodai ist es noch ein Stück…“

Damit hatte er die Augen geschlossen und war kurze Zeit später auch schon eingeschlafen. Akane hatte sich derweilen wieder ihrem Manga gewidmet, während Kuraiko sich wieder auf ihre Musik konzentrierte. Mirâ unterdessen hatte Masaru noch einen Moment mit einem Lächeln beobachtet, bevor auch sie sich ihre Kopfhörer in die Ohren schob und danach aus dem Fenster auf die Landschaft schaute.
 

Kaum hatte der Zug nach einigen Stunden Iwatodai erreicht, wurden sie bereits von mehreren Bussen erwartet, die die Schüler zur Gekkoukan High School brachten; dem Ziel ihres Ausfluges. Bereits als sie an dem riesigen Gelände vorbeifuhren staunte Mirâ nicht schlecht. Da sie viele Jahre nur auf staatliche und eher kleine Schulen gegangen war, hatte sie das Gelände der Jûgôya schon als riesig empfunden. Doch diese Schule toppte alles, was sie je gesehen hatte. Sicher, wahrscheinlich war die Diamond Academy noch größer, jedoch spielte diese auch in einer völlig anderen Liga; immerhin war es eine Schule für Superreiche. Doch die Gekkoukan war nur eine normale Privatschule, wie die Jûgôya. Das jedenfalls erzählte ihre Klassenlehrerin auf der Fahrt dorthin. Umso überraschender war die enorme Größe des Geländes. Die Busse hielten vor dem weit geöffneten Schultor, wo sie bereits von mehreren Personen erwartet wurden: Einem älteren etwas gedrungenen Herren und zwei Schülern der Schule, die ihnen freundlich zuwinkten. Höflich grüßten die Lehrer der Jûgôya das Begrüßungskomitee und bedankten sich noch einmal dafür, dass es doch noch mit dem Austausch geklappt hatte. Der ältere Herr, welcher sich kurz darauf als Direktor der Schule vorstellte, begrüßte die Ankömmlinge freundlich und wies dann auf die beiden Schüler neben sich. Dabei handelte es sich zum einen um einen groß gewachsenen jungen Mann mit schwarzem Haar und strengen grünen Augen, welche er versuchte hinter einer Brille zu verstecken. Er stellte sich als Kiyoharu Saegawa und aktueller Council Präsident vor, der im dritten Jahr war. Neben ihm stand ebenfalls ein recht groß gewachsener, aber schlanker junger Mann mit braunem, leicht wüstem Haar und braunen freundlichen Augen. Sein Name war Ken Amada. Er stellte sich als Schüler des zweiten Jahres vor und erklärte, dass er der stellvertretende Schulsprecher war. Mit großen roten Augen sah Mirâ den Brünetten an. Es überraschte sie nicht nur, dass jemand im zweiten Jahr bereits Stellvertreter war. Viel mehr irritierte sie der kleine blaue Schmetterling, welcher um den jungen Mann herumflog und kurz darauf verschwand. Verwirrt rieb sie sich die Augen und konnte nicht glauben, was sie eben gesehen hatte. Es war ja nicht das erste Mal gewesen. Und bisher hatte sie noch nicht herausgefunden, was dieser Schmetterling bedeutete.

"Ich hoffe es macht Ihnen keine Umstände, wenn wir Ihre Schüler unserem lieben Amada-kun überlassen", sprach der Schulleiter zu Mrs. Masa, "Ich habe noch einige Aufgaben auf meinem Schreibtisch liegen, die ich zu erledigen habe."

"Ja sicher, das ist kein Problem", versuchte die junge Lehrerin Verständnis zu zeigen und blickte dann auf Kiyoharu, "Saegawa-kun, wirst du uns auch begleiten?"

"Leider muss ich mich auch entschuldigen. Ich muss noch einige Dinge im Student Council erledigen. Aber Amada macht das sehr gut. Zumal es ja dieses Mal nur um die Führung durch die Schule geht", er legte dem Jüngeren seine Hand auf sie Schulter, "Nicht wahr?"

"J-ja sicher...", murmelte Ken.

"Sehr gut, Amada-kun", freute sich der Rektor und verabschiedete sich dann von den Schülern der Jûgôya, bevor er sich auf den Weg zu seinem Büro machte. Auch Kiyoharu verabschiedete sich daraufhin und ging, während Ken den beiden missmutig nachblickte. Er brauchte eine Weile, um sich wieder zu sammeln, bevor er sich an die Gleichaltrigen von der befreundeten Schule wandte. Er verbeugte sich leicht und entschuldigte sich kleinlaut für das Verhalten des Rektors und seines Kollegen aus dem Schülerrat, ehe er sich in Bewegung setzte und die Gruppe über das Gelände führte. Zeitgleich erläuterte er die Entstehungsgeschichte dieser Schule. So erfuhren die Schüler der Jûgôya, dass die Schule erst in den Jahren 1999 & 2000 erbaut wurde, wenngleich auf dem Logo das Jahr 1982 stand. Dies kam wohl zustande, weil sich auf diesem künstlich angelegten Land früher einmal eine Forschungseinrichtung befand, die sich der Erforschung neuer Energiequellen verschrieben hatte. Nach einem missglückten Experiment, bei dem die Gebäude an dieser Stelle alle zerstört wurden, entschied die Kirijo Group, die das Forschungsinstitut damals leitete, stattdessen eine Schule auf dieses Gelände zu bauen.

„Das ist unsere heutige Gekkoukan High School“, erklärte Ken, während sie die Eingangshalle betraten, „Im Grunde unterscheidet sich unsere Schule jedoch nicht von anderen Schulen im Land. Wie überall gibt es verschiedene Sport- und Kulturclubs. Sehr beliebt sind der Kendo- und Fußballclub, aber auch Kurse wie Kunst und Hauswirtschaft werden sowohl von Mädchen, als auch Jungs gleichermaßen angenommen. Besonders sind der Fechtclub und der Boxclub. Soweit ich weiß gibt es nicht sehr viele Schulen, die diese Art von Sport anbieten.“

Der Brünette führte die Gruppe weiter durch die Schule, zeigte ihnen die Bibliothek, das Lehrerzimmer, sowie die Räumlichkeiten für die jeweiligen kulturellen Clubs, welche sich alle im Erdgeschoss des Gebäudes befanden. Dann traten sie durch eine zweiflüglige Tür hinaus in einen offenen Gang, der sie hinüber zu den Sportclubs führte. In der Mitte des Ganges blieb Ken kurz stehen und zeigte zur Linken der Schüler, bevor er erklärte, dass an dieser Stelle, wo sich mittlerweile ein Gebäude befand, einst ein Kakibaum stand. Dieser wurde wohl mitsamt seiner Wurzeln an eine andere Stelle des Campus‘ verpflanzt, da er einst als Andenken für die Opfer eines Unfalls gepflanzt wurde. Er jedoch kannte den Baum an dieser Stelle nicht mehr.

„Er wurde schon umgesetzt, als ich noch in der Grundschule war“, erklärter er und wandte sich dann wieder ab, um weiterzugehen und schlussendlich in den Bereich für die Sportclubs einzutreten.

Auch dort führte er die Schüler in herum und erklärte weiterhin alles, was sie sehen konnten. Zu guter Letzt gingen sie noch durch die Gänge mit den einzelnen Klassenräumen, die sich jedoch nicht wirklich von anderen Schulen unterschieden. Da es bereits früher Nachmittag und der reguläre Unterricht damit beendet war, waren kaum noch Schüler unterwegs. Deshalb haten sie alle Zeit der Welt, um sich umzusehen. Doch einigen Schülern wurde es irgendwann zu langweilig, weshalb sie begannen zu tuscheln und sich über andere Dinge zu unterhalten, die nichts mit der Führung zu tun hatten. Mirâ empfand dies als extrem unhöflich, immerhin gab sich Amada-kun wirklich große Mühe ihnen alles so gut es ging zu erklären. Trotzdem kam sie dabei nicht umher einigen ihrer Mitschüler zuzuhören, als diese sich darüber unterhielten, dass sie von merkwürdigen Vorkommnissen gehört hatten, die sich an dieser Schule ereignet haben sollen. Schüler sollen plötzlich ins Koma gefallen oder durchgedreht sein. Natürlich ließ die Violetthaarige das nicht kalt und sie spitzte die Ohren, konnte jedoch nicht wirklich viele Informationen aus dem Gespräch heraushören, weshalb sie entschloss Ken am Ende darauf anzusprechen. Vielleicht wusste er ja worum es ging. So konzentrierte sie sich wieder auf die Führung.
 

Diese führte sie noch eine ganze Weile über das Gelände, bevor Ken das Prozedere in der Eingangshalle wieder beendete. Mit einem Dank und einer Verbeugung verabschiedete er sich von den Gleichaltrigen, bevor er sich auf den Weg zum Student Council machte, um dort seine liegengebliebene Arbeit zu verrichten. Den Schülern der Jûgôya wiederum wurde noch etwas Freizeit zugesprochen, in der sie sich frei auf dem Gelände bewegen durften, bevor sie sich wieder am Schultor einfinden sollten. Mirâ und ihre Freunde hatten sich auf eine Bank auf dem Gelände zurückgezogen und erholten sich erst einmal von der Fülle an Informationen.

„Oh man… ich dachte echt die Führung hört gar nicht mehr auf…“, murmelte Akane, die auf der Bank fläzte.

„Ja ich auch…“, murrte Kuraiko.

Hiroshi beobachtete einige seiner Mitschüler, die über das Gelände stromerten: „Aber Amada kann einem echt leidtun. Er wurde ja regelrecht ins kalte Wasser gestoßen. Das war nicht nett von dem Schulsprecher…“

„Das war von Saegawa zu erwarten“, sagte Masaru, der sich unter einen Baum an den Stamm gelehnt hatte, „Letztes Jahr war er auch schon so. Damals war er noch Stellvertreter und hat auch alle Aufgaben an andere abgegeben. Dass er zum Student Council Präsident ernannt wurde wundert mich dabei schon fast.“

„Ach ja, du warst ja letztes Jahr auch schon hier…“, bemerkte der Blonde an den Älteren gewandt.

Dieser nickte: „Es lief letztes aber anders ab, als dieses. Nach der Führung haben sich noch die Schülervertreter unserer Schulen getroffen. Deshalb habe ich das mitbekommen und damals schon den Kopf geschüttelt.“

„Er wird sich auch nicht ändern. Aber ich komme schon damit klar“, erklang eine männliche Stimme.

Erschrocken drehten sich die Oberschüler um und erkannten dann Ken, welcher an sie herangetreten war.

Er lächelte die Gruppe an und wandte sich dann an Masaru: „Wie kommt es, dass du dieses Jahr nochmal hier bist, Senpai? Du bist doch jetzt im Dritten. Oder?“

Angesprochener nickte und erklärte, dass er als Aufsichtsperson mitgefahren war und extra dafür freigestellt wurde. Immerhin kam ihr Schulsprecher auch ganz gut alleine mit seinen Aufgaben klar. Den sarkastischen Unterton, welcher offensichtlich an Saegawa gerichtet war, versuchte er dabei nicht einmal zu unterdrücken, was dem Jüngeren ein Kichern entlockte. Auf die Frage von Akane hin, woher sich die beiden kannten, erklärte der Schwarzhaarige, dass Ken im letzten Jahr auch schon im Student Council war; damals jedoch als Schriftführer.

Der Brünette wandte sich an Hiroshi: „Ist ne Weile her, Makoto. Wie läuft es bei euch im Club? Seid ihr im Oktober bei dem Turnier in Inaba dabei?“

„Bisher sieht es danach aus. Wir haben aber noch ein Qualifikationsspiel Ende September, aber da mache ich mir keine Sorgen“, erklärte der Blonde mit einem breiten Grinsen, dass sein Gegenüber ebenso erwiderte:

„Konnte ich mir schon denken. Wir haben uns schon qualifiziert.“

„Und woher kennt ihr euch jetzt wieder?“, fragte Kuraiko, während sie die beiden Jungs mit hochgezogener Augenbraue beobachtete.

Hiroshi wandte sich an die Schwarzhaarige und erklärte, dass Amada im Fußballclub dieser Schule war. Sowohl die Gakkoukan, als auch die Jûgôya spielten in der Schullandesliga, weshalb sie bereits mehrmals aufeinandergetroffen waren und sich daher kannten. Die junge Frau nickte, wirkte aber nicht so, als hätten sie die Hintergrundinformationen wirklich interessiert. Mirâ jedoch hatte aufmerksam zugehört. Es war wirklich unglaublich wie sehr Sport die Menschen verbinden konnte.
 

„Ich muss dann langsam. Macht euch noch einen schönen Tag hier in Iwatodai. Vielleicht sieht man sich ja nochmal. War schön euch mal wieder zu sehen, Makoto und Shin-Senpai. Machts gut“, merkte Ken mit einer Verbeugung an und entfernte sich daraufhin von der Gruppe.

In diesem Moment fiel Mirâ ein, dass sie ihn noch etwas fragen wollte. Ihr Körper reagierte plötzlich von allein und so schnell sie konnte folgte sie dem Brünetten, welchen sich kurz vor dem Schultor eingeholt hatte.

„Amada-kun, warte einen Moment“, rang sie nach Luft, während sich ihr Gegenüber zu ihr umdrehte und sie fragte, was er für sie tun könne.

„Ähm… mein Name ist Mirâ Shingetsu. Entschuldige, dass ich dir nachgelaufen bin. Ich habe da aber eine Frage an dich“, stellte sie sich vor und erklärte dann die Situation, „Während deiner Führung haben sich Schüler unserer Schule darüber unterhalten, dass es vor ein paar Jahren hier mal ein paar Vorfälle gab, in denen Schüler ins Koma gefallen sind. Stimmt das?“

Sie beobachtete den jungen Mann ihr gegenüber ganz genau, dessen Gesichtsfarbe plötzlich vollkommen bleich wurde, während er sie mit weit aufgerissenen braunen Augen ansah. Jedoch blieb dieser Zustand nur einen Moment. Innerhalb eines Wimpernschlages hatte sich der Ausdruck in seinem Gesicht bereits wieder normalisiert. Aber Mirâ merkte sofort, dass Ken wusste, worum es ging.

Dieser jedoch lächelte nur: „Ach das… ja, da ging mal was um. Niemand wusste so genau, woran es lag. Aber die Sache hat sich mittlerweile wieder gelöst. Fast allen Schülern geht es wieder gut. Deshalb brauchst du dir darüber keine Gedanken mache.“

Er versuchte offensichtlich um das Thema herumzureden. Es war eindeutig, dass er darüber nicht sprechen wollte. Mit großer Sicherheit war er damals sogar in diese Sache verwickelt gewesen, ansonsten würde es ihm nicht so schwer fallen darüber zu sprechen. Da war sich die Violetthaarige sicher. Trotzdem wollte sie mehr darüber wissen. Sie hatte das Gefühl, dass es Ähnlichkeiten zu der Sache gab, in welcher sie und ihre Freunde gerade drinhingen.

„Kannst du mir etwas darüber erzählen?“, fragte sie deshalb nochmal nach, „Es scheint mir nicht so, als wäre das einfach so eine Sache gewesen…“

Ihr Gegenüber schwieg kurz und fixierte sie mit seinem Blick, während sie versuchte diesem ebenso entgegenzutreten. Nach einer gefühlten Ewigkeit ergab sich der Brünette letzten Endes.

Er seufzte: „Die Sache damals… es passierte zwischen den Jahren 2009 und 2010 und das Phänomen nannte sich Apathy Syndrome. Einige der davon betroffenen Menschen fielen wirklich ins Koma, einige jedoch drehten einfach nur durch und einige wenige nahmen sich deshalb sogar das Leben. Es waren aber nicht nur Schüler betroffen.“

Noch einmal legte er eine Pause ein und schien zu überlegen, was er überhaupt noch erzählen sollte: „Es gab wohl damals eine Ursache dafür, aber bitte versteh, dass ich darüber nicht reden kann und will.“

„Du warst damals darin verwickelt. Oder?“, fragte Mirâ ganz direkt.

Ken wandte den Blick ab, sagte aber nichts weiter dazu. Die Violetthaarige akzeptierte es. Sie kannte immerhin das Gefühl mit Außenstehenden nicht darüber sprechen zu können. Ihr ging es ja genauso. Abgesehen von ihren Freunden konnte sie mit niemanden über ihre aktuelle Situation sprechen, auch wenn sie dies gerne würde. Jedoch würde ihr so oder so niemand glauben. Viel eher würde sie wohl in einer geschlossenen Anstalt landen. Deshalb verstand sie das Verhalten von Ken. So langsam bekam sie auch eine Ahnung, was ihr der kleine blaue Schmetterling sagen wollte, den sie bei bestimmten Personen gesehen hatte. Und wenn sich ihre Vermutung bestätigte, so bedeutete dies, dass stimmte, was in ihrem Buch über Personas stand: Dass es vor ihr und ihren Freunden bereits mehrere Persona-User gab. Und es schien, dass Ken Amada einer von ihnen war. Zu besagtem Zeitpunkt war er allerdings noch in der Grundschule. Eine schreckliche Vorstellung. Sie wusste nicht was er erlebt hatte, wenn sie jedoch von ihrer Situation ausging, dann war es sicher nichts, was ein Grundschüler einfach so wegstecken würde.

Ein Seufzen ließ sie aus ihren Gedanken schrecken: „Ich sagte ja, dass es fast allen Menschen wieder gut geht. Jedenfalls denen, die deshalb nicht ihr Leben gelassen hatten. Einer meiner Freunde liegt allerdings noch immer im Koma. Er liegt im Zentralkrankenhaus auf einer speziellen Station. Ich weiß nicht warum du das alles wissen möchtest. Mir scheint jedoch, dass es dir am Herzen liegt. Versteh aber bitte, dass ich dir darüber von mir aus nichts sagen darf. Wenn du aber Informationen haben möchtest, solltest du dorthin gehen. Vielleicht kann dir dort jemand helfen. Nun entschuldige mich bitte.“

Ohne weiteren Aufsehens wandte sich der junge Mann von ihr ab und ging. Überrascht sah Mirâ ihm nach. Auch wenn der Gleichaltrige nicht über das sprechen konnte, was damals passiert war, so hatte er ihr letzten Endes konkrete Informationen darüber gegeben, wo sie alles erfahren konnte. Ob er bemerkt hatte, dass auch sie eine Persona-Userin war? Sollte sie dem Hinweis folgen und einen Abstecher ins Krankenhaus machen? Am nächsten Tag hatten sie Freizeit. Ihrer Lehrerin würde es also nicht auffallen, wenn sie dorthin ginge. Sollte sie ihre Freunde einweihen? Sie bezweifelte jedoch, dass sie alle zu Kens Bekannten gelangen würden, wenn sie als Meute aufkreuzten. Außerdem hatte Akane Masaru versprochen ihm bei seinen Erledigungen zu helfen. Was sollte sie also machen? Noch ehe sie sich weitere Gedanken darüber machen konnte, wurde sie von ihren Freunden bereits aus eben jenen gerissen, als diese an sie herantraten. Überrascht fragten sie, was denn los sei und wieso sie Ken so überstürzt gefolgt war. Mit einem gespielten Lächeln versicherte sie ihren Freunden jedoch, dass alles in Ordnung war und sie nur noch etwas nachfragen wollte. Innerlich hatte sie bereits entschieden, ihren Freunden vorerst nichts darüber zu erzählen, was sie vorhatte. Denn ihr Entschluss, am nächsten Tag in das Krankenhaus von Iwatodai zu fahren, stand mittlerweile fest; allerdings wollte sie dies alleine erledigen. Noch ehe die anderen weiter nachhaken konnten, mussten sie bereits wieder zu den Bussen, von welchen sie ins Hotel gebracht wurden. So machten sie sich ohne weitere Nachfragen auf den Weg, während Mirâ sich gedanklich bereits bei ihren Freunden entschuldigte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Der halbe Monat ist schon wieder rum und somit ist hier das zweite Kapitel für diesen Monat. =D Es ging nach Iwatodai und Mirâ er hofft sich nun einige Antworten. Ob sie die finden wird? =D Tja... wer weiß, wer weiß...
Wir lesen uns dann wieder Anfang des nächsten Monat. =D
LG
Shio~ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2022-08-16T13:48:35+00:00 16.08.2022 15:48
Huhu Shio~

Schönes Kapitel und es geht mit dem zweiten Jahrgang nach Iwatodai, wobei die armen Schüler erst einmal eine ewig lange Zugfahrt über sich ergehen lassen... Irgendwie klar, dass Mirâ, Hiroshi und Kuraiko sich die Zeit mit Musik vertreiben, aber das Akabe Manga liest, überrascht mich schon ein wenig O.O da hat Megumi wohl ein wenig Lesestoff empfohlen XD
Armer Masaru... dass er von seinen Eltern so dreist als Laufbursche missbraucht wird, ist echt nicht die feine englische Art, aber immerhin wird Akane ihm ein wenig unter die Arme greifen.

Willkommen an der Gekkoukan High und ernsthaft, was ist dieser Schülerrats-Präsident für ein Drückeberger? Alles auf Ken abzuwälzen... Mitsuru würde dem Typen was anderes erzählen, wenn sie das herausfinden würde. Echt cool, dass du ein bisschen was über die Schule erzählst und dann noch die Sache mit dem Baum, der in einem von Makotos Social Links vorkam.
Schon genial, dass Hiroshi und Masaru den lieben Ken kennen, wobei ich Kuraikos Reaktion lustig finde. XD "Woher kennt ihr beiden euch jetzt?" Vermutlich war die Frage reine Höflichkeit, weil ihr langweilig war.

Mirâ geht auf Informationsbeschaffung und man kann sehr gut verstehen, dass Ken nicht über die Sache reden möchte. Das war echt ziemlich heftig, aber wenn man bedenkt, dass er damals erst 11 war und er im Laufe der Geschichte Shinjiro und Makoto verloren hat, ist es ein Wunder, dass er mental noch so fit ist. AKihiko hatte da ja auch seine Finger im Spiel.
Teaser auf das nächste Kapitel, denn anscheinend wird es ein Treffen von Mirâ und Makoto geben... wobei Makoto nicht wirklich etwas sagen kann... Aber ich bin echt gespannt, was Mirâ so in Erfahrung bringen wird.

Hat mir echt gut gefallen und ich freue mich auf das nächste Kapitel.

Lg Fubuki


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