Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 95: XCV – Vorbesprechung -------------------------------- Samstag, 12.September 2015 Schweigend saßen Mirâ und ihre Freunde auf dem Dach der Schule; ihr Mittagessen vor sich ausgebreitet. Auch Megumi, Yasuo und Masaru leisteten der Gruppe Gesellschaft, sodass das Team seit langer Zeit mal wieder gemeinsam die Pause verbringen konnte. Eigentlich hatten sie sich über eine gesellige Runde gefreut, jedoch wurden sie beim Betreten des Daches jäh enttäuscht. Ihre Blicke waren auf einen Punkt ein Stückchen von ihnen entfernt gerichtet, wo Shuya zusammengekauert wie ein Häufchen Elend saß und irgendwelche unverständlichen Wörter vor sich hinmurmelte. Man konnte die düstere Aura, welche von ihm ausging regelrecht sehen. Ein Ellenbogen traf Hiroshi vorsichtig am Arm, woraufhin er neben sich auf seine Sandkastenfreundin blickte. Diese hob die Hand vor den Mund und fragte ihn leise: "Wieso ist er so niedergeschlagen?" Der Blond zuckte mit den Schultern, da er es selber nicht wusste. Als er den Blau-violetthaarigen am Morgen getroffen hatte, schien er noch super drauf gewesen zu sein. Es musste also zwischen ihrem ersten Aufeinandertreffen und der Mittagspause etwas passiert sein und das konnte nur in seiner Klasse gewesen sein. Also wanderte sein Blick zu Kuraiko, welche sich mittlerweile wieder ihrem Essen gewidmet hatte und sich auch nicht mehr an der negativen Energie ihres Klassenkameraden zu stören schien. Auch Mirâ wandte nun ihren Blick von dem Häufchen Elend ab zu ihrer Freundin: "Ist etwas passiert?" "Ach lasst ihn. Er bockt wegen des Schulfestes rum...", meinte die Schwarzhaarige nur leicht genervt und steckte sich ein bisschen Reis in den Mund. "W-was ist denn passiert?", fragte Megumi vorsichtig. Kuraiko zuckte mit den Schultern und erklärte, dass sie in der ersten Stunde, während des Homerooms, ihr Klassenevent für das Schulfest besprochen hatten. "Wir machen ein Maid & Butler Café... Echt nervig sowas. Wirklich... Keinen Plan, wer auf diese bekloppte Idee gekommen ist.", schimpfte die junge Frau vor sich hin. Kollektiv kam der Gruppe ein Gedanke, den sie niemals offen aussprechen würden, da sie ihre Freundin genau kannten: Kuraiko würde ein Maid-Kostüm mit Sicherheit super stehen, vor allem wenn es etwas Gothic mäßig angehaucht war. "Dieser Idiot wurde für Sonntagvormittag zum Butlerdienst eingetragen... Da waren sich die Weiber in unserer Klasse ziemlich schnell einig.", erklärte sie Schwarzhaarige weiter, ohne von den Gedanken ihrer Freunde Kenntnis genommen zu haben. Alle Blicke richteten sich wieder auf die zusammengekauerte Gestalt. Auch hier waren sich alle einig, dass die Wahl auf den Richtigen gefallen war. Allem voran waren die Mädchen – mit Ausnahme von Kuraiko – der Meinung, dass ein Anzug an dem jungen Mann verdammt gut aussehen würde. Nur Hiroshi machte sich Gedanken, ob das gut gehen würde. Immerhin kannte er seinen Kumpel. Andererseits würde er die Aufmerksamkeit sicher auch genießen. "Und was ist nun das Problem?", sprach Masaru die Frage aus, welche dennoch über allem schwebte, "Ihr gebt doch ein schönes Paar ab..." Ein vernichtender Blick traf den Schwarzhaarigen, welcher diesen jedoch gekonnt zu ignorieren wusste. Daraufhin gab auch Kuraiko den Versuch auf, ihn mit ihrem Blick umzubringen, und seufzte stattdessen: "Tja..." Plötzlich sprang Shuya auf, woraufhin alle außer seine Klassenkameradin erschrocken zusammenzuckten: "Das ist es ja gerade! Wir werden nicht beide kellnern!" Wieder sahen alle auf die Schwarzhaarige, welche nur erneut mit den Schultern zuckte und meinte, dass sie zum Backen eingeteilt wurde und sich deshalb auch weigerte ein Maid-Kostüm anzuziehen. Immerhin würde es dabei nur dreckig werden und man sah sie sowieso nicht. Zumal solche ausladenden Kleider sie beim Backen nur behindern würden. Shuya raufte sich die Haare: "Das ist so unfair! Dabei hatte ich mich so sehr darüber gefreut Fuka-chan in einem Maid-Kostüm zu sehen!" Er hockte sich wieder hin und malte mit dem Finger Kreise auf den Boden, während er wie ein kleines Kind schmollte. Gemeintes Mädchen fasste sich nur genervt an den Kopf und seufzte, während sie sich fragte, was sie verbrochen hatte, dass sie mit solch einem Idioten bestraft wurde. Auch die Anderen wussten nun nicht mehr, was sie dazu sagen sollten, weshalb sie sich nun endlich ihrem Mittagessen zuwandten. Es war also mal wieder viel Luft um nichts und doch konnte sich Mirâ ein kleines Kichern nicht verkneifen. Ehrlich gesagt fand sie diese Situation schon lustig. Früher hätte sie sich niemals vorstellen können mit anderen in einer solchen Situation zu landen. Gerade das machte diese jedoch für sie so besonders. Neben sich vernahm sie ein weiteres Kichern, weshalb sie zu Megumi schaute, der anscheinend ein ähnlicher Gedanke durch den Kopf gegangen war. "Mal zu was Ernstem...", wechselte Kuraiko plötzlich das Thema, "Wir sollten uns Gedanken wegen heute Abend machen. Vor allem, da sich eine Person ja selbst ausgeschaltet hat." Mit ernsten violetten Augen starrte sie auf Hiroshi, welcher sogleich zusammenzuckte und seine Stäbchen fallen ließ, während er seine rechte Hand in seinem Schoß versteckte. "Ist ja nicht so, als könnte ich deshalb nicht kämpfen...", murmelte er, "Die is ja nicht gebrochen oder so..." Eine Diskussion entbrannte; darüber wie schlimm oder auch nicht diese Verletzung nun wirklich sei. Seufzend beobachtete Mirâ das übliche Geschehen und steckte sich genüsslich einen Tamagoyaki in den Mund, als sie ein Zupfen an ihrem Ärmel spürte. Fragend blickte sie wieder neben sich und dabei in zwei besorgte grüne Augen, die von mittelbraunen Haaren eingerahmt waren. Megumi machte der jungen Frau ein Zeichen, dass sie ihr etwas zuflüstern wollte, woraufhin sich diese etwas näher zu ihr lehnte. "Ist es gut, dass Nagase-kun dabei ist, wenn wir über das Thema sprechen?", fragte sie anschließend leise mit vorgehaltener Hand. Mirâ sah kurz zu Shuya, welcher immer noch mit seinem Schicksal haderte, und lächelte die Jüngere dann an: "Ja, das ist kein Problem. Nagase-kun ist mehr oder weniger eingeweiht. Deshalb ist es okay. Er hilft uns auch ab und zu von dieser Seite aus." Verstehend nickte die Brünette und blickte noch einmal kurz zu Shuya, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Diskussion zuwandte, welche mittlerweile wieder zum wesentlichen zurückgekehrt war. "Ich bin auch der Meinung, dass du dich dieses Mal im Hintergrund halten solltest", meinte Akane, "Selbst wenn deine Hand nur verstaucht ist. Du weißt wie hart die Kämpfe aktuell sind. Das wir uns dabei noch nichts gebrochen haben gleicht an ein Wunder. Aber deine Verletzung könnte schlimmer werden, wenn du kämpfst." "Und was soll ich dann eurer Meinung nach machen?", fragte Hiroshi aufgebracht. Er ärgerte sich darüber, dass er sich seine Hand verletzt hatte und deshalb nun auf der Ersatzbank landete. Und noch mehr ärgerte es ihn, dass seine Freunde es so offen ansprachen, obwohl er wusste, dass sie es nur gut meinten. Trotzdem... Er wollte sie doch unterstützen. Er konnte doch nicht nur Däumchen drehen. "Erstmal solltest du sich beruhigen", mischte sich nun Masaru ein, woraufhin ihn der Jüngere wütend ansah, "Keiner hat gesagt, dass du gar nicht kämpfen kannst. Jedoch wäre es besser, wenn du nicht mit in der ersten Reihe kämpfst." Hiroshis wütender Blick wandelte sich zu einem erstaunten. Ein Gähnen war zu hören, woraufhin er zu Yasuo blickte, der sich im Nacken kratzte und dann zu Megumi sah, die sogleich zusammenzuckte: "Megumis Persona ist ein Supporttyp. Das heißt, sie hat keine Angriffe, wodurch sie sich nicht selbst verteidigen kann. Es wäre hilfreich, wenn immer jemand in ihrer Nähe wäre, um sie gegebenenfalls gegen gegnerische Angriffe zu beschützen. Gleichzeitig kann derjenige mithilfe seiner Persona den Kampf aus dem Hintergrund unterstützen. Meiner Meinung nach sind wir mittlerweile sowieso zu viele, um alle an den Kämpfen aktiv mitzuwirken. Wir treten uns gegenseitig auf die Füße und behindern uns. Ich finde wir sollten immer ein Team bestimmen, was kämpft und der Rest unterstützt aus dem Hintergrund und beschützt dabei Megumi." Stille legte sich über die Gruppe, während sie den Blauhaarigen anstarrten, der in diesem Moment gar nicht so wirklich wusste, wieso. Doch kurze Zeit später schien ihm aufzufallen wieso er angeschaut wurde und wandte dann den Blick Richtung Himmel: "Das ist nur meine Meinung..." "Die Überlegung ist gar nicht so falsch...", murmelte sein schwarzhaariger Klassenkamerad und sah dann zu Mirâ, "Die Entscheidung bleibt natürlich am Ende bei dir, Mirâ. Was meinst du?" Angesprochene zuckte kurz zusammen und schaute dann in die auf sie gerichteten Gesichter ihrer Freunde. Sie ließ ihren Blick kurz schweifen und senkte ihn dann, um nachzudenken. Wenn sie ehrlich war, fand sie diese Idee selber auch nicht schlecht, aber war sie auch umsetzbar? Die Gegner wurden immer stärker. War es da sinnvoll ihre eigene Gruppenstärke zu schwächen, indem man sich aufteilte? Andererseits waren die anderen ja nicht aus der Welt. Sie halfen ja, nur eben nicht aktiv im Nahkampf. Aber würde das was bringen? Wiederum war ihr auch schon aufgefallen, dass sich das Team teilweise gegenseitig im Weg stand und aufpassen musste, dass man nicht ausversehen ein eigenes Mitglied traf. Vielleicht war es also gar keine schlechte Idee. Jedenfalls... "Wir sollten es ausprobieren", sagte sie, nachdem sie ihre Gedanken geordnet hatte, "Wir sollten uns auf eine Teamgröße einigen und diese Strategie ausprobieren. Funktioniert es nicht, dann können wir immer noch auf unsere alte Strategie zurückgreifen. In dem Fall sind wir ja flexibel, sofern alle anwesend sind. Sobald wir merken, dass wir in der geplanten Stärke nicht weiterkommen, wechseln wir wieder in die aktuelle Strategie, in der alle mitkämpfen. Was dann bedeuten würde, dass auch Hiroshi-kun wieder in der Offensive ist, trotz seiner Verletzung. Aber vorerst sollten wir den Vorschlag von Yasuo-senpai versuchen. Dadurch kannst du auch deine Hand noch schonen, Hiroshi-kun." Überrascht sah der Blonde sie an und strich sich dann seufzend durchs Haar: "Gut machen wir es so." So richtig begeistert davon war er nicht und das merkte man auch, doch in der aktuellen Situation musste er es so akzeptieren. Mirâ sah zu ihren anderen Freunden, die ihr zustimmend zunickten, womit entschieden war, wie ihre Kampfstrategie für den heutigen Abend aussehen würde. "Scheint ja immer komplizierter bei euch zu werden", sagte plötzlich Shuya, der sich neben Hiroshi niederließ. "Hast du dich wieder beruhigt?", fragte ihn sein Kumpel, woraufhin er nur ein breites Grinsen erntete. Der Ältere griff nach seinem Brot, was bisher unangetastet in seiner Box lag und wollte gerade genüsslich hineinbeißen, als der erste Gong der Schulglocke ertönte und das Ende der Pause verkündete. Erschrocken sah er auf sein Handy, um die Uhrzeit zu prüfen: "Oh nein! Ich hab doch noch gar nichts gegessen!" Hektisch stopfte er sich schnell sein Brot zwischen die Zähne und verschluckte sich dabei noch heftig, woraufhin ihm sein bester Kumpel kräftig auf den Rücken klopfen und ihm eine Wasserflasche reichen musste, die er in einem Zug leerte. "Oh man... Du bist echt der größte Schwachkopf, den ich kenne", stöhnte Kuraiko genervt, während sie ihr zusammengepacktes Bento aufhob und aufstand, nur um einen Moment später das Schulhaus zu betreten. Als Mirâ endlich den Eingangsbereich der Schule betrat war der letzte Gong der Schulglocke schon eine Weile vergangen. Erleichtert darüber, dass ihre Woche mit dem Klassendienst nun vorbei war, wollte sie sich endlich auf den Heimweg begeben. Es war ratsam sich noch etwas auszuruhen, bevor sie sich am späten Abend mit ihren Freunden traf, um die Spiegelwelt zu betreten. Doch gerade, als sie die letzte Stufe der Treppe verlassen hatte vernahm sie einen erschreckten Aufschrei, welchem ein lautes Scheppern folgte. Kurz darauf rollten ihr mehrere Dosen, welche mit Tennisbällen gefüllt waren, vor die Füße. Etwas erschrocken betrachtete Mirâ die abgepackten gelben Kugeln, welche sich noch immer auspendelten, bevor sie in die Richtung sah, aus welcher der Aufschrei gekommen war. Dort richtete sich in diesem Moment ein Mädchen mit dunkelvioletten Haaren auf. Fluchend und sich den Hintern reibend betrachtete sie das Chaos vor sich, welches aus mehreren Kartons und weiteren Dosen bestand, die nun Kreuz und Quer über den Boden verteilt lagen. Mirâ erkannte die junge Frau, welche den einen Tag gemeinsam mit Shio in der Bibliothek war. Damals hatte sie sie nur von weitem gesehen. Nun jedoch stand sie direkt vor ihr. Ihre langen Haare, die eine ähnliche Farbe wie ihre eigenen hatten, waren zu zwei dicken seitlichen Zöpfen geflochten und fielen ihr über die Schultern. Anstatt der Jacke der Schuluniform trug sie einen hellblauen weiten Pulli mit weitem Kragen, der ihre Schultern frei ließ, sodass man die schwarze Bluse darunter gut erkennen konnte. Der Pullover reichte ihr bis zur Hüfte, weshalb nur noch ein Stückchen des roten Rockes zu erkennen war. Dazu trug sie eine weiß-schwarz gestreifte Strumpfhose und braune Slipper. Die rote Krawatte der Uniform war ordentlich gebunden und baumelte locker vor ihrer Brust hin und her. „Verdammter Mist“, fluchte sie leise, während sie begann das Chaos vor sich wieder einzusammeln. Nun reagierte auch Mirâ endlich wieder und hob die Rolle vor ihren Füßen auf, bevor sie auf die andere junge Frau zuging. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie anstandshalber, woraufhin sie kurz ein überraschter Blick traf, der jedoch einem kleinen Lächeln wich. „Ja. Danke der Nachfrage“, antwortete ihr Gegenüber und nahm die Dose entgegen, die Mirâ ihr hinhielt, „Ich habe mich wohl etwas mit der Menge überschätzt.“ „Kann ich dir vielleicht helfen?“, obwohl Mirâ eigentlich lieber nachhause wollte, so konnte sie nicht einfach nur zusehen, wenn ein Mitschüler vor ihren Augen Hilfe brauchte. Die Menge der Kartons ließ nämlich eindeutig darauf schließen, dass es für eine Person zu viel war. Ein erfreutes Lächeln traf sie: „Das wäre super nett. Danke.“ So machten sich die beiden Mädchen dran das Durcheinander wieder zu beheben und waren so wenige Minuten später bereits auf dem Weg zum Tennisclub, für den diese Kartons bestimmt waren. Schweigend verließen sie das Schulgebäude durch einen der hinteren Ausgänge, liefen zwischen den beiden großen Turnhallen der Schule hindurch und steuerten kurzerhand auf zwei große Tennisfelder zu. Erst kurz vor ihrem Ziel erhob die Langhaarige plötzlich die Stimme, als ihr auffiel, dass sie etwas vergessen hatte: „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Entschuldige. Mein Name ist Naru Haruna. Ich gehe ins zweite Jahr. Dein Name ist Mirâ, habe ich Recht?“ Überrascht sah Mirâ das Mädchen mit den ebenso violetten Haaren an, bevor ihr einfiel, dass Shio ihr ihren Namen wohl genannt haben musste. Andererseits kannte sie den Namen ihres Gegenübers ja auch bereits. Deshalb lächelte sie nur und stellte sich ebenfalls noch einmal vor: „Ja, ich heiße Mirâ Shingetsu. Ich gehe auch ins zweite Jahr. Und ehrlichgesagt kannte ich deinen Namen schon. Ein guter Kumpel, der öfters mit dir Basketball spielt, hat ihn mir verraten und erzählt, dass du Kapitänin der Basketballmannschaft bist.“ „Du meinst sicher Makoto. Hab ich Recht?“, Mirâ nickte auf die Frage nur, woraufhin Naru fortfuhr, „Konnte ich mir schon denken. Man sieht euch in letzter Zeit wirklich häufig zusammen.“ Mirâ nickte: „Sag. Wieso bringst du das hier zum Tennisclub, wenn du doch zum Basketball gehörst?“ Überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel, warf Naru einen Blick auf die Kartons in ihren Händen und grinste dann breit, bevor sie erklärte, dass sie auch zur Schülervertretung gehörte und dort für die Sportclubs zuständig war. Deshalb musste sie sich auch um die Verteilung von neuem Material kümmern. Da die anderen Mitglieder allerdings mit ihren eigenen Aufgaben und der Vorbereitung des Schulfestes beschäftigt waren, konnte sie niemanden um Hilfe bitten. Mehrmals Laufen wollte sie jedoch auch nicht und dabei hatte sie sich mit der Menge überschätzt. „Und so sind wir hier gelandet“, lachte sie verlegen und blieb plötzlich stehen, „Da wären wir.“ Die junge Frau setzte die Kartons in ihren Armen ab und kramte dann einen Schlüssel hervor, bevor sie die schwarze Tür vor sich aufschloss und aufschob. Tastend suchte sie nach dem Lichtschalter, woraufhin der kleine fensterlose Raum kurz darauf mit Licht geflutet wurde. Naru hob die abgestellten Kisten wieder auf und trat dann in das kleine Zimmer, welches offensichtlich als Lager für den Club genutzt wurde. Mirâ ließ ihren Blick kurz schweifen und entdeckte gegenüber der Tür ein Regal, in welchem mehrere Kisten, einige Tennisschläger und verschiedenfarbiges Klebeband lagen. In einem Netz, welches an dem Regal befestigt war, befanden sich mehrere gelbe Tennisbälle, die allerdings alle schon bessere Tage gesehen hatten und schon ziemlich abgenutzt wirkten. „So!“, Naru verstaute die letzte Kiste in dem Regal und schrieb etwas in eine Liste, die links neben der Tür an einem Brett hing. Dann verließen die beiden Mädchen das Gebäude wieder. „Danke nochmal für deine Hilfe“, bedankte sich die junge Frau, während beide den Rückweg antraten. „Kein Problem“, schüttelte Mirâ nur den Kopf, als Zeichen, dass es in Ordnung war. Doch kaum sah sie wieder zu der jungen Frau mit den geflochtenen Zöpfen, zuckte sie erschrocken zurück, als sie ein Blick traf, den sie nicht einordnen konnte. „Ich weiß, dass das jetzt ziemlich indiskret ist und es mich im Grunde auch nichts angeht, aber da gibt es etwas, was mich wirklich brennend interessiert“, merkte besagtes Mädchen an und kam danach direkt zum Punkt: „Kann es sein, dass du in Makoto verliebt bist?“ „Eh? EH!?“, reagierte Angesprochene erschrocken mit knallrotem Gesicht und lauter, als sie eigentlich wollte, „W-Wie kommst du darauf?“ „Naja… ganz davon abgesehen, dass man euch in letzter Zeit häufig zusammen sieht, habe ich euch in der Bibliothek kurz beobachtet, nachdem ich Makoto bemerkt habe. Und dabei sah es irgendwie so aus, als würdet ihr euch ziemlich nahestehen.“ Hastig schüttelte Mirâ den Kopf: „N-nein! Wir sind nur gute Freunde. Da ist nichts. Außerdem…“ Irritiert legte Naru den Kopf schief: „Außerdem?“ Das Mädchen mit den tiefroten Augen wandte den Blick ab: „Es gibt da einen anderen Jungen…“ Ihre Mitschülerin hob eine Augenbraue. Sie hatte eine ziemlich gute Menschenkenntnis und konnte Reaktionen wirklich gut einschätzen. Und so, wie Mirâ ihr gegenüber gerade reagiert hatte, war die Sache eigentlich eindeutig. Es wirkte sogar so, als hätte sie Gefühle für zwei Jungs. Anscheinend war sie sich dem nur nicht bewusst und erst recht nicht, wem von beiden sie nun den Vorzug geben sollte. Wahrscheinlich war sie diesbezüglich hin und her gerissen und redete sich ein, dass die Gefühle für einen der Jungs gar nicht so stark waren. Mit Sicherheit würde ihr das irgendwann noch Schwierigkeiten bringen. „Hör mal“, begann Naru plötzlich und blieb wieder stehen, „Ich weiß, dass ich mich da eigentlich nicht einmischen sollte. Aber du solltest über deine eigenen Gefühle wirklich gründlich nachdenken. Sonst könnte es passieren, dass du jemanden tief verletzt.“ Vollkommen überrumpelt starrte Mirâ das Mädchen ihr gegenüber an. Wie meinte sie das? Noch ehe sie sich tiefer über Gesagtes irgendwelche Gedanken machen konnte, wurde sie bereits aus diesen gerissen, als es laut neben ihr schepperte. Erschrocken machte sie einen Schritt zur Seite und starrte auf den noch immer wackelnden Maschendrahtzaun, welcher um den Tenniscourt gespannt war, damit niemand von einem Ball getroffen wurde. Ein solcher fiel plötzlich zu Boden und rollte noch ein Stückchen zurück, bevor er still liegen blieb. "Sorry! Alles in Ordnung?", hörte sie eine ihr bekannte Stimme rufen. Sie sah auf und erkannte kurz darauf Shio, welche auf sie zugelaufen kam. Sie hatte ihre schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, während ihr blonder Pony von mehreren Spangen beiseitegeschoben und dort gehalten wurde, wodurch man nun auch ihr zweites violettes Auge gut erkennen konnte. Sie trug einen kurzen roten Tennisrock mit weißem Saum, unter welchem eine kurze schwarze Hose hervorlugte. Dazu erkannte Mirâ ein weißes Tanktop mit roten und schwarzen Akzenten, über welchem ihre Freundin die offene Sportjacke der Schule trug. Schnellen Schrittes kam sie auf die beiden Mädchen hinter den Zaun zugelaufen und blieb dann kurz vor ihnen stehen. "Oh Mirâ und Naru. Was macht ihr denn hier?", kam sogleich eine erneute Frage. "Heute kam eine neue Lieferung Tennisbälle. Shingetsu-chan hat mir geholfen sie hierher zu tragen", erklärte Naru kurz, bevor sie sich wieder abwandte, "Ich muss dann auch erstmal zurück. Danke nochmal für deine Hilfe, Shingetsu-chan. Shio, bis nachher zum Karaoke." Damit hatte sich die Violetthaarige verabschiedet und war zurück zum Schulgebäude gelaufen. Mirâ und Shio sahen ihr kurz nach, bevor die Rotäugige ihren Blick wieder auf ihre Freundin richtete. "Du spielst Tennis?", fragte sie anschließend, woraufhin ein Nicken folgte. "Ja, schon seit ich... klein war", ein Lächeln zierte das Gesicht der Schwarz-blonden, während sie erzählte, dass sie froh war, als sie erfahren hatte, dass diese Schule diesen Sport anbot. Deshalb habe sie sich auch sofort in diesem Club angemeldet, auch wenn sie Aufgrund ihres späten Eintretens nicht mehr in die Stammmannschaft aufgenommen werden konnte. Sie wandte ihren Blick zurück zum Tenniscourt: "Ich bin froh, dass ich hier weitertrainieren kann. Dabei... finde ich es nicht schlimm, dass ich nicht zu den... Regulars... ähm Stammspielern gehöre. Hauptsache ich kann mich bewegen." Während sie Shio zuhörte, änderte sich ihr Blick zu einem Erstaunten, was ihrem Gegenüber kurz darauf sogar auffiel. Diese sah sie deshalb fragend an. "Ah... Ich bin nur jedes Mal erstaunt, wie gut dein Japanisch geworden ist. Jedes Mal wenn wir uns treffen, sprichst du noch fließender. Das freut mich", antwortete sie, "Ich wünschte, ich hätte dir dabei mehr helfen können. Aber... Wie es scheint hast du das auch alleine gut hinbekommen." Überrascht sah Shio sie an, bevor diese plötzlich ein kleines Lachen unterdrückte: "Hey. Schau nicht so. Alles gut. Du hast mir geholfen. Du hast doch auch mit mir japanisch gesprochen und mir damit geholfen." "Wirklich?" "Ja wirklich. Auch du gehörst hier zu meinen wichtigen Freunden, die mir helfen. Vielen Dank.", bedankte sich ihre Klassenkameradin mit einem freundlichen Lächeln. Ein warmes Gefühl breitete sich in Mirâs Brust aus und sie wusste sofort worum es sich dabei handelte. Unbewusst legte sie sich ihre Hand auf die Brust, während sich auch auf ihrem Gesicht ein kleines Lächeln bildete: "Danke, Shio. Du bist mir auch eine wichtige Freundin." Angesprochene grinste plötzlich: "Ich bin jetzt mit dem Training fertig. Magst du mit mir, Naru und Maria zum Karaoke kommen?" Gerne hätte die Violetthaarige zugesagt, lehnte jedoch ab. Sie begründete dies damit, dass sie am Abend bereits etwas vorhatte und sich bis dahin noch etwas ausruhen wollte. So ganz gelogen war das natürlich nicht, jedoch konnte sie ihrer Freundin nicht sagen, was sie wirklich vorhatte. Zudem hatte sie die Vermutung, dass Shio mit ihren Freunden ins Shādo gehen würde und ehrlich gesagt wollte sie da nicht aufschlagen. Nicht mal wirklich wegen ihren Kollegen an sich, jedoch wollte sie nicht, dass diese sie singen hörten. Das war ihr zu peinlich. Auch wenn Mirâ nicht ganz die Wahrheit sagte, so verstand es ihre Freundin und wünschte ihr daraufhin noch einen erholsamen Nachmittag, bevor sich die beiden Mädchen voneinander verabschieden und Mirâ sich endlich auf den Heimweg machte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)