Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 93: XCIII – Entscheidungen ---------------------------------- ??? Eine sanfte Melodie dringt an mein Ohr, woraufhin ich meine Augen öffne und mich in dem in dunklem Blau gehaltenen Velvet Room wiederfinde. Ich sehe mich um, doch kann niemand anderen entdecken. Das mit Samt bezogene Sofa vor mir ist leer, ebenso der mit einer blauen Tischdecke bedeckte Tisch, auf dem sonst die Tarotkarten liegen. Wo sind die beiden denn? Jemand muss mich hergerufen haben, denn ich bin mir sicher, dass ich die Option der Persona-App nicht verwendet habe. So schaue ich mich weiter um, woraufhin mein Blick auf einen der Spiegel fällt, welche diesen Raum umgeben. Erschrocken weiche ich zurück, denn in dem Spiegelbild, in welchem ich mich nach jedem Besuch immer ein Stück mehr erkennen konnte, sehe ich einen schwarzen Schatten. Er umgibt mich, folgt meinen Bewegungen und scheint, als würde er mein gespiegeltes Ich verschlingen wollen. Schemenhaft erkenne ich mich hinter dem Schwarz das mich umgibt. Erschrocken sehe ich an mir herunter und auf meine Hände, doch der Schatten ist hier nicht zu sehen. Wieder richte ich meine Augen vorsichtig auf den Spiegel, in welchem immer noch der Schatten zu erkennen ist. Dabei spüre ich, wie mir die Farbe aus dem Gesicht weicht und sich kalter Schweiß auf meiner Stirn bildet. Mein Körper beginnt zu zittern und mir wird schlecht. Was hat das zu bedeuten? "Willkommen im Velvet Room", lässt mich die Stimme Igors aus meiner Schockstarre erwachen und meinen Blick von der gläsernen Fläche nehmen. Erschrocken fahre ich herum und richte meine Augen auf den alten Mann, welcher, den Kopf auf die zusammengefalteten Hände gelegt, wie immer auf dem Sofa sitzt und mich angrinst, als sei er niemals weggewesen. Er bemerkt mein erschrockenes Gesicht, woraufhin sich auch sein Gesichtsausdruck ändert und er mich nun mit großen erstaunten Augen ansieht: "Was ist los, mein Kind? Was schaust du so erschrocken?" Für einen Moment starre ich den alten Mann an, bevor ich meinen Blick wieder auf den Spiegel richte, doch der Schatten ist verschwunden. Ich sehe nur mich mit meinem kreidebleichen und verschwitzten Gesicht. "Dort... Ich meine... Ihr... Ich versteh das nicht", stottere ich vor mich hin, "Ihr... Ihr habt mich doch gerufen. Oder? A-aber ihr wart nicht hier. Stattdessen habe ich im Spiegel einen Schatten gesehen... Ich..." Ich schaue wieder zu den beiden Bewohnern des Velvet Rooms, welche kurz einen fragenden Blick tauschen und mich dann wieder ansehen. Ich stocke. Es wirkt so, als seien sie über das erstaunt, was ich sage. Heißt das, die beiden haben mich gar nicht gerufen? Doch wie bin ich dann hierhergekommen? Ein Grinsen legt sich auf Igors Gesicht, welches er kurz darauf hinter seinen zusammengelegten Händen versteckt. "Das ist wirklich interessant.", murmelt er daraufhin, ohne seine großen Augen von mir abzuwenden. Erschrocken weiche ich ein Stück zurück, während der alte Mann weiterspricht: "Wie es mir scheint hat er es geschafft diesen Ort zu finden. Anscheinend hat er dir eine Illusion gezeigt und sie mit diesem Raum verwoben, ohne dass wir etwas bemerkt haben. Sobald wir dich bemerkt haben, verschwand die Illusion und du bist direkt hier gelandet. Nachdem, was du uns erzählt hast, will er dich wohl warnen." "W-was meinst du? Und wer in Gottes Namen ist "Er"?", meine Stimme überschlägt sich fast, während ich Igor meine Fragen stelle. Doch noch während ich spreche bemerke ich, wie meine Umgebung langsam verschwimmt, während ich dumpf ein schrilles Klingeln vernehme. "Unsere Zeit ist um. Besprechen wir das ein anderes Mal. Bis dahin... Lebewohl.", ist das letzte, was ich noch höre, bevor es schwarz um mich herum wird. Donnerstag, 10.September 2015 Mit einem lauten Knall landete Mirâs Hand auf ihrem Smartphone, welches fröhlich neben ihr auf dem Fußboden hin und her rutschte, während lautstark die Musik ihres Weckers erklang. Murrend nahm sie das nervige Ding hoch und brachte es mit einem gekonnten Griff zum Schweigen, während sie sich missmutig aufsetzte. Müde blickte sie auf das rote Gerät in Ihrer Hand und verfluchte es dafür, sie geweckt zu haben. Dabei blieb ihr gar keine andere Wahl, als aufzustehen, immerhin musste sie zur Schule. Dennoch... Mit einem dumpfen Geräusch landete der Kopf der Oberschülerin wieder auf ihrer Decke. Sie war so müde. Der Ausflug in den Velvet Room hatte ihr wieder jeglichen erholsamen Schlaf geraubt, zumal er dieses Mal auch noch eher einem Albtraum glich. Sie drehte ihr Gesicht zu ihrem Spiegel und betrachtete diesen eine ganze Weile. Was hatte es nur mit diesem Schatten auf sich? Wie hatte er es geschafft den Velvet Room zu finden und wieso hatte er ihr diese Vision gezeigt? Wovor wollte er sie warnen? Und wieso verfolgte sie dieser Schatten überhaupt? Wie hatte er es überhaupt geschafft von Igor unbemerkt zu bleiben? War seine Macht etwa so gewaltig? Was hatte das alles nur zu bedeuten? Murrend drehte sie ihren Kopf erneut und vergrub damit ihr Gesicht in ihrer Decke. Dann kehrte Stille ein, welche einige Zeit anhielt. Plötzlich streckte die Violetthaarige mit einem Ruck den Rücken durch und hob den Kopf, nur um einen Moment später die Decke beiseite zu schieben und aufzustehen. Es brachte nichts darüber zu grübeln. Wichtiger war es aktuell Arabai aus diesem Dungeon zu befreien. Um diesen merkwürdigen Schatten konnte sie sich später immer noch Gedanken machen. Die Oberschülerin lief zu ihrem Kleiderschrank hinüber, wo sie ihre Sachen für den heutigen Tag zusammensuchte und kurz darauf mit einigen Dingen davon das Zimmer verließ, um damit im Bad zu verschwinden. Gegen Mittag hatte sich die Violetthaarige gemeinsam mit ihren Freunden auf dem Dach eingefunden, um die letzten warmen Sonnenstrahlen zu genießen. Sogar Masaru und Yasuo hatten sich an diesem Tage zu ihnen gesellt. Sie alle saßen in einem Kreis, ihre Bentos vor sich stehend, und redeten über dies und jenes. Hauptthema war natürlich ihr nächster Besuch im Dungeon, wobei dieses eher im Flüsterton besprochen wurde. Immerhin musste nicht jeder erfahren, was sie in ihrer Freizeit so trieben. Ihre Unterhaltung wurde jäh unterbrochen, als die Tür zum Dach mit einem metallenen Klang geöffnet wurde und damit die Aufmerksamkeit der Gruppe auf diese richtete. Sofort stoppten die sechs Persona-User in ihren Aktivitäten und starrten mit großen Augen auf das kleine Mädchen mit den mittelbraunen, gelockten Haaren, welches sich näherte und einen Moment später neben ihnen zum Stehen kam. Dabei hielt sie den Blick gesenkt und drückte ihre schön eingewickelte Bentobox an sich. „D-Darf ich mich zu euch setzen?“, fragte sie vorsichtig. Sie hatte noch nicht einmal richtig ausgesprochen, da war Akane bereits ein Stückchen von Mirâ weggerutscht und stieß dabei auch Hiroshi noch etwas weiter weg, welcher sich lautstark beschwerte, dass sie auch einfach etwas hätte sagen können. Nicht weiter darauf eingehend, grinste die Brünette die Hinzugekommene an und wies auf die nun frei gewordene Stelle zwischen sich und ihrer besten Freundin. Ein kleines Lächeln legte sich auf Megumis Lippen, woraufhin sie sich an besagte Stelle setzte und ihre zartrosa Lunchbox auf den Boden vor sich stellte, während sie sich leise bedankte. „Du bist uns jederzeit willkommen, Megumi-chan.“, sagte Mirâ mit einem lieben Lächeln. Überrascht sah die Kleine sie kurz an, doch erwiderte das Lächeln dann: „Trotzdem Danke.“ Ohne weiter auf die Jüngere zu achten, hatte Kuraiko ihren Blick auf ihr Mittagessen gerichtet und schien zu überlegen, was sie nehmen sollte, doch sprach ihre Gedanken trotzdem laut aus: „Wo ist denn dein Schatten, Yoshiko?“ Angesprochene zuckte kurz zusammen und legte dann den Kopf schief, während sie zu überlegen schien, wen die Ältere wohl meinen könnte. Es brauchte einen Moment, bis sie registriert hatte, wer gemeint war und sie darauf reagieren konnte: „Rika wollte etwas für ihren Literaturclub erledigen.“ „Ich denke darüber werden einige nicht sehr traurig sein…“, murmelte Kuraiko mit einem kurzen Seitenblick zu Hiroshi, welcher leicht zusammenzuckte. Erneut legte die Brünette den Kopf schief, da sie nicht so recht verstand, was die Schwarzhaarige genau meinte. Matsurika war manchmal etwas aufdringlich, das stimmte. Aber so schlimm empfand es Megumi nicht. Doch Kuraiko ging nicht näher darauf ein, sondern steckte sich stattdessen ein Stück Omelett in den Mund. Eine Hand legte sich auf Megumis Schulter, woraufhin sie in die grünen Augen von Akane blickte, die nur mit dem Kopf schüttelte, als Zeichen, dass es egal sei. Deshalb nahm es die Jüngste im Bunde erst einmal so hin und blickte dann angestrengt auf ihr Mittagessen, während sie zu überlegen schien, wo sie anfangen sollte. Es gab etwas, was sie der Gruppe mitteilen wollte, doch war sie sich nicht sicher, ob dies der richtige Ort und Zeitpunkt dafür war. Andererseits wusste sie aber auch nicht, wann sie es sonst sagen sollte. Deshalb schluckte sie einmal und nahm dann all ihren Mut zusammen, bevor sie wieder die Stimme erhob: „Senpai… Ich wollte mit euch sprechen. Wegen dieser bestimmten Sache. Gestern blieb uns dafür ja keine Zeit… außerdem möchte ich nicht, das Rika etwas davon erfährt.“ Die Aufmerksamkeit aller war ihr sicher. Sechs Augenpaare waren auf sie gerichtet, woraufhin sich nun doch etwas Unsicherheit breit machte, weshalb sie verlegen auf ihre Bentobox starrte. Jedoch musste sie das nun durchziehen. Sie hatte es immerhin versprochen. Sie senkte die Stimme, hob jedoch den Blick und sah ihre Freunde fest an: „Ich werde euch bei eurem nächsten Besuch in die Spiegelwelt begleiten und helfen Ryu-kun aus dieser merkwürdigen Welt zu holen. Deshalb möchte ich euch bitten mir Bescheid zu sagen, wenn ihr euch entscheidet das nächste Mal hinüberzugehen.“ Überraschte Blicke trafen sie, welche sich jedoch schnell wieder entspannten. Eine weitere Hand legte sich auf ihre rechte Schulter und ließ sie in Mirâ rote Augen blicken, welche ihr ein Lächeln schenkten. „Wir danken dir für deinen Mut, Megumi-chan“, sagte die Violetthaarige erleichtert. Akane lehnte sich zurück und grinste: „Mit deiner Hilfe werden wir den Bossraum mit Sicherheit superschnell erreichen.“ „Schnell ist das Stichwort“, begann Kuraiko mit vor der Brust verschränkten Armen, „Wir haben nämlich nur noch drei Tage…“ Megumi senkte wieder den Kopf und entschuldigte sich dafür, dass sie so lange gebraucht hatte, um ihnen ihre Entscheidung mitzuteilen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, das viel eher zu bewerkstelligen, doch da sie noch zwei Tage länger zuhause geblieben war und am Vortag ständig Matsurika dabei war, hatte sie keine Gelegenheit gefunden. Zumal sie die Telefonnummern ihrer Senpais nicht hatte. Sie fühlte sich schlecht, immerhin hatte die Gruppe so noch mehr Zeitdruck. Eigentlich erwartete sie bereits eine Standpauke der Schwarzhaarigen. Diese blieb allerdings aus. Stattdessen erhob Masaru das Wort und erklärte, dass es sich nun nicht mehr ändern ließe. Es fiel ihnen sowieso von Mal zu Mal schwerer innerhalb der Woche die Spiegelwelt zu besuchen, wenn sie Schule hatten. Irgendwann würden ihre Angehörigen Verdacht schöpfen und dass wäre nicht gut. Ihnen blieb also gar keine andere Wahl, als in den sauren Apfel zu beißen und sich am nächsten Samstag durch den restlichen Dungeon bis zum Bossraum durchzukämpfen. Sie mussten sich nur ordentlich darauf vorbereiten. Er war sich sicher, dass sie es mit Megumis Hilfe schaffen würden an diesem Tag ihr Ziel zu erreichen. „Klingt so, als wäre damit beschlossen am Samstag zu gehen“, murmelte Hiroshi und blickte dann zu Mirâ, welche zu überlegen schien. Ihr Blick richtete sich wieder auf die Brünette neben sich: „Meinst du, du schaffst das Megumi-chan?“ Angesprochene sah auf und schluckte dann, bevor sie die Violetthaarige jedoch mit festem Blick ansah und nickte. Dass alle Hoffnungen auf ihr lagen machte sie ein wenig nervös, doch ihr Entschluss stand fest. Sie würde diese sechs Menschen, die sie aus diesem Albtraum befreit hatten, unterstützen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Auch wenn ihr diese unheimliche Welt Angst machte. Das warme Glühen, welches sie in ihrer Brust spürte, sagte ihr, dass sie sich keine Gedanken machen brauchte. Genau, Nechbet war bei ihr und gab ihr Kraft. Sie war nicht mehr hilflos und sie war nicht alleine. Eine Bewegung neben ihr ließ sie aufschauen. Akane hatte ihr Smartphone aus ihrer Jackentasche gekramt und grinste die Jüngere nun breit an: „Wo das nun geklärt ist, sollten wir Nummern austauschen, damit wir dich mit in unseren Gruppenchat nehmen können. Dann kannst du uns auch jederzeit schreiben, wenn irgendetwas ist oder du Hilfe brauchst.“ Überrascht sah die Jüngere erst zu Akane und dann in die Runde, bevor sich ebenfalls auf ihrem Gesicht ein Lächeln bildete und sie auch ihr Handy aus der Rocktasche nahm. Als Mirâ nach dem Unterricht in die Räumlichkeiten des Kyudo-Clubs trat, wunderte sie sich über die Unruhe, welche unter den Mitgliedern herrschte. Aufgeregt standen sie in kleinen Grüppchen verteilt und führten rege Diskussionen. Erst nach und nach fiel ihr ein, wieso der ganze Aufruhr stattfand. An diesem Tag wollte der Trainer bekanntgeben, ob Amy weiterhin die Managerin des Clubs blieb. Mirâ hatte bei der Abstimmung dafür gestimmt, immerhin wusste sie, wie viel Zeit die Blonde in ihre Arbeit steckte. Die Oberschülerin blickte sich um und suchte nach der Älteren, welche sie einen Moment später in der hinteren Ecke des Raumes auf einem Hocker wiederfand. Sie trug ihre Sportkleidung, da ihr als Managerin kein Hamaka oder ähnliches zustand, und starrte auf das Feld hinaus, wo bereits die Zielscheiben aufgestellt waren. In ihrer Hand hielt sie einen nicht bespannten Bogen, den sie mit dem Daumen leicht streichelte, und war dabei mit ihren Gedanken ganz weit weg. Ihre sonst so hübsch gestylten Haare hatte sie zu Mirâs Überraschung zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie wirkte so ganz anders als sonst. Natürlich kannte die Violetthaarige ihre Senpai bereits in Trainingssachen, immerhin trug sie diese meistens während des Clubs. Jedoch hatte sie trotzdem stets eine top gestylte Frisur. Sie einmal so zu sehen, irritierte Mirâ ein wenig. „Hallo Amy-senpai“, trat sie vorsichtig an ihre Freundin heran und lenkte so deren Aufmerksamkeit auf sich, „Ist alles in Ordnung? Du bist so in Gedanken versunken.“ Der Blick der Blonden blieb einen Moment an der Jüngeren hängen, bevor sie diesen wieder hinaus aufs Feld richtete: „Die Bekanntgabe der Abstimmung heute… ich glaube, dass ich abgewählt wurde.“ „Wie kommst du da drauf?“, hakte die Violetthaarige nach, woraufhin Amys Blick in Richtung der restlichen Clubmitglieder ging, welche mittlerweile in einem Pulk weiter im Raum standen. „Man muss sie doch nur beobachten… Ich glaube sie hassen mich…“, murmelte Amy und ließ ihren Blick wieder sinken, „Dabei habe ich mich doch so sehr reingehängt. Ich habe mich tagelang mit den Regeln auseinandergesetzt, habe mir zeigen lassen, wie man die Zielscheiben ordentlich aufhängt und einen Bogen richtig spannt. Ich habe den Papierkram erledigt und versucht dem Club eine Stütze zu sein… und nun soll das alles umsonst gewesen sein? Weil ich angeblich handgreiflich geworden bin?“ Die Stimme der Älteren versagte und Mirâ bemerkte, wie sie schluckte. Dass sie womöglich bald nicht mehr Managerin des Clubs sein würde, nahm sie doch mehr mit, als es anfangs vermuten ließ. Plötzliche Stille kehrte ein, als die Tür aufgeschoben wurde und der Trainer eintrat. Wie es sich gehörte stellten sich alle Schüler der Reihe nach auf und grüßten den hinzugekommenen Herren mit einer höflichen Verbeugung. Der Mann mittleren Alters, dessen schwarze schulterlange Haare zu einem lockeren Zopf gebunden waren, blickte ernst in die Runde und trat dann vollends ein. In seiner Hand hielt er ein Blatt Papier, welches er nun in die Luft hob. „Ist Iwato hier?“, fragte er ohne weiteres, woraufhin Hime langsam aufstand und dann mit gesenktem Kopf auf den Trainer zuging, „Du bist anwesend. Gut, dass du dich der Sache direkt stellst. Wie du weißt, geht es heute darum, ob du weiterhin die Managerin des Teams bleiben darfst oder nicht.“ Die Blonde hielt weiterhin ihren Kopf gesenkt, wobei Mirâ jedoch das Gefühl hatte ein leichtes Nicken wahrgenommen zu haben. Nun wurde es also ernst und wenn stimmte, was die Blonde ahnte, dann würde sie nach diesem Tag keine Managerin mehr sein. Dieser Gedanke schmeckte Mirâ nicht. Egal wie viele Probleme sie am Anfang mit Amy hatte, solch ein Schicksal hatte sie einfach nicht verdient. Doch was sollte sie tun? Sie hatte für den Verbleib der Schülerin gestimmt, jedoch wusste sie nicht, wie die anderen abgestimmt hatten. Vor allem bei den wenigen Mädchen im Club war die Ältere nicht sehr beliebt, zumal sie es immer wieder geschafft hatte andere Mädchen rauszuekeln. Dadurch hatte sie auch den Unmut der Jungs auf sich gezogen. Vor einiger Zeit hatte Mirâ einmal mitbekommen, wie sich einige der Jungs darüber beschwert hatten, dass sie so wenige weibliche Mitglieder in ihrem Club hatten und dass Amy daran schuld sei. Wenn diese auch für den Rücktritt der Blonden gestimmt hatten, so sah es wirklich schlecht aus. Mirâ schluckte. Sie musste unbedingt etwas tun. Deshalb trat sie plötzlich vor, ohne weiter darüber nachzudenken: „Hiiragi-sensei, ich bitte Sie noch einmal über den Rücktritt von Iwato-senpai nachzudenken. Es wäre ihr gegenüber nicht fair.“ Überraschte Blicke trafen sie. Allem voran von den restlichen Mitgliedern, von welchen sich einige sogleich beschwerten, was daran nicht fair sei. Immerhin sei Amy selbst schuld daran. Auch diese schaute sie mit großen grünen Augen an und wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Es freute sie, dass ihre Freundin sie verteidigte, aber im Grunde war sie ja wirklich selber schuld an der ganzen Misere. Wenn sie ihre Eifersucht besser im Zaum hätte halten können und sie sich nicht ständig wegen Dai mit allen angelegt hätte, dann wäre dieses Gerücht niemals in Umlauf gekommen und sie würde nicht in solchen Schwierigkeiten stecken. Wütend über die ganzen empörten Zwischenrufe ihrer Kameraden drehte sich Mirâ zu diesen um und blickte ihnen düster entgegen: „Iwato-senpai macht so viel für den Club, was ihr alle gar nicht seht. Was denkt ihr wer hier regelmäßig vor dem Training den Boden wischt? Oder die Zielscheiben vorbereitet und aufhängt, bevor wir kommen?“ Stille kehrte ein und alle Blicke richteten sich wieder auf die Blonde, welche leicht zusammenzuckte. Doch bevor sie etwas sagen konnte, sprach Mirâ schon weiter: „Erst vor wenigen Tagen habe ich zufällig mitbekommen, wie Iwato-senpai sich um all diese Dinge gekümmert hat, während wir anderen noch herumgetrödelt haben, anstatt uns darum zu kümmern. Eigentlich wäre es unsere Aufgabe als Mitglieder des Clubs. Stattdessen erledigt Senpai die meiste Arbeit. Außerdem kümmert sie sich wirklich hervorragend darum, dass unsere Ausrüstung immer griffbereit und in Ordnung ist. Ganz zu schweigen von dem ganzen Papierkram, den sie nebenbei noch erledigt. Ist das nicht Beweis genug, dass ihr der Kyudo-Club sehr am Herzen liegt?“ Ein männlicher Schüler trat vor: „Aber das könnte sie auch nur jetzt gemacht haben, um sich wieder bei uns einzuschleimen! Das ändert aber nichts daran, dass sie schuld ist, dass die meisten Mitglieder, allem voran die Mädchen, wieder abspringen!“ Die Violetthaarige zuckte ein Stück zurück und wusste keinen Konter auf diese Aussage, doch mischte sich kurz darauf auch ihr Trainer in die Diskussion ein. „Nein, das hat Iwato schon die ganze Zeit gemacht“, erklärte er und richtete so die Aufmerksamkeit wieder auf sich, „Anfangs habe ich sie damit beauftragt, damit sie lernt mit der Ausrüstung umzugehen und sich damit vertraut macht. Sie hat es von sich aus weiter gemacht. Hab ich nicht recht, Iwato?“ Angesprochene wirkte kurz überrascht, doch nickte dann: „J-ja… ich hatte am Anfang keinen Plan von Kyudo und hatte auch ganz andere Gründe, um hier Managerin zu werden. Aber dann habe ich gesehen, was für ein toller Sport das ist und habe Hiiragi-sensei darum gebeten mir einiges zu erklären, um den Club besser unterstützen zu können. Und nun ist es sowas wie ein Hobby geworden, alles für das Training vorzubereiten… Und wegen der Mitglieder, die ständig abspringen… also…“ „In diesem Fall ist Iwato nur teilweise schuld…“, seufzte der Trainer und kratzte sich am Nacken, „Dass die meisten abspringen hat einen einfachen Grund: Viele Mädchen kommen nur hierher, weil sie denken einen von euch hier abschleppen zu können. Sie unterschätzen wie hart dieser Sport ist. Auch die männlichen Mitglieder, die abgesprungen sind, hatten das Problem, dass sie nicht damit klarkamen. Das heißt nicht, dass Iwato ganz unschuldig ist, denn das Gerücht muss ja irgendwie entstanden sein. Diesbezüglich kam besagtes Mädchen vor einigen Tagen zu mir und erklärte, dass sie einen Streit zwischen Shingetsu und Iwato mitbekommen hatte und das zu ihren Gunsten nutzen wollte. Aber mal ganz davon abgesehen gibt es ja immer noch das Ergebnis der Abstimmung. Und was soll ich sagen, diese war zwar nicht eindeutig, aber klar…“ Mirâ presste die Lippen aufeinander und blickte zu ihrer blonden Freundin, welche betroffen zu Boden sah. Die Hoffnung, dass sich das Blatt doch noch zu ihren Gunsten wenden würde, verflog. Klar, selbst wenn die Missverständnisse aus dem Weg geräumt waren, so galt doch trotzdem das Ergebnis der Abstimmung. Amys Schultern bebten leicht und Mirâ merkte, wie diese ihre Tränen zurückhalten musste. Nun war es also vorbei… „Egal was ihr davon haltet, aber die Abstimmung hat ergeben, das Iwato weiterhin Managerin dieses Clubs bleiben wird“, ließ Hiiragi die Katze aus dem Sack. Stille breitete sich aus, während Amy mit einem Ruck den Kopf hob und den Trainer mit großen grünen Augen anstarrte. Hatte sie sich etwa verhört? Der ältere Mann zuckte jedoch nur mit den Schultern und erklärte, dass es eine wirklich knappe Entscheidung war. Es war nur eine einzige Stimme gewesen, die das Ergebnis entschieden hatte, erklärte er und legte allen das Dokument in seiner Hand vor. Erstaunt blickte Mirâ auf das Papier, um sich selbst davon zu überzeugen. Und tatsächlich: Eine einzige Stimme mehr hatte für den Verbleibt der Blonden gestimmt. Eines der Mädchen trat an die Managerin heran und erklärte, dass die Mädchen alle geschlossen für sie gestimmt hatten. Überrascht von dieser Aussage starrte die Blonde sie an, während besagte Mitglieder ihr erklärten, dass auch sie bereits mitbekommen hatten, wie sehr sie sich für den Schulclub einsetzte. Auch einige Jungs traten an sie heran und sprachen sich für sie aus. Sogar der junge Mann, welcher sich kurz zuvor noch beschwert hatte, entschuldigte sich bei ihr. Zwar merkte man, dass nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden war, jedoch nahmen es alle so hin. Erleichtert seufzte Mirâ einmal kurz und beobachtete dann lächelnd ihre Freundin, wie sie von den einzelnen Mitgliedern vereinnahmt wurde. „Das ist ja nochmal gut ausgegangen…“, trat plötzlich Dai an sie heran. Überrascht sah Mirâ ihn an, doch lächelte dann wieder, als sie bemerkt, dass auch er über das Ergebnis erleichtert war. Das Lächeln in ihrem Gesicht wurde breiter, während sie ihre Arme hinter dem Rücken verschränkte und zustimmend nickte. Anders als an den anderen Tagen versammelten sich die Mitglieder des Clubs nach dem Training noch einmal in der Halle und halfen dabei wieder Ordnung herzustellen. Es war ein seltsames Bild, denn normalerweise nahmen alle so schnell wie möglich Reißaus. In der Regel blieben nur die Mitglieder, die an diesem Tag dafür eingeteilt waren und das zumeist auch eher widerwillig. Doch heute half jeder mit, sodass die Arbeit schnell erledigt wurde. Mirâ hatte das Gefühl, dass sie alle der Blonden zeigen wollten, wie leid es ihnen tat und dass sie ihr dankbar für die Arbeit waren. „Ich danke dir, Mirâ…“, trat Amy an die Violetthaarige heran, welche damit beschäftigt war die Zielscheiben abzubauen und abzuziehen, „Dafür, dass du mir den Rücken gestärkt hast.“ Überrascht blickte Angesprochene die Ältere an, doch schüttelte dann lächelnd den Kopf: „Schon gut. Wir sind Freunde und außerdem fand ich das alles sowieso unfair dir gegenüber. Wir hatten zwar unsere Schwierigkeiten miteinander, aber haben uns darüber ausgesprochen. Und ich merke wie sehr dir der Kyudo-Club am Herzen liegt.“ „Trotzdem… sowas ist nicht selbstverständlich. Deshalb danke ich dir wirkliche sehr.“, bedankte sich Hime noch einmal nachdrücklich und mit einer Verbeugung, die die Jüngere leicht überraschte. Ein warmes angenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus und zauberte ihr kurz darauf ein breites Lächeln aufs Gesicht, welches sie der Älteren schenkte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)