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Persona: Shadows of Mirror

Kagami no Kage
von

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LXXIII – About Boyfriends

Sonntag, 30.August 2015
 

Es war bereits dunkel geworden, als Mirâ endlich zuhause ankam und ihr Zimmer betrat. Seufzend schaltete sie das Licht ein und ließ sich dann erschöpft auf ihren Schreibtischstuhl fallen. Gedankenverloren lehnte sie sich zurück und starrte an die Wand ihr gegenüber. Matsurika hatte sie zur Schule bestellt, weil Megumi verschwunden war, doch die anschließende Suchaktion der drei Oberschüler hatte nichts gebracht. Die Jüngere blieb verschwunden. Sie waren dabei einmal über das gesamte Schulgelände gelaufen, hatten in jeder Halle und jedem Raum gesucht, jedoch nichts gefunden. Als sie in den Kunstraum wollten, mussten sie feststellen, dass dieser abgeschlossen war, weshalb ihnen kurzzeitig der Gedanke kam, dass Megumi nach dem Verlassen der Schule verschwunden sein musste. Jedoch erfuhren sie dann im Lehrerzimmer, dass der Hauptschlüssel für diesen Raum ebenfalls verschwunden war, als sie dort nachfragten. Mit einem Ersatzschlüssel hatte der diensthabende und ziemlich erboste Aufsichtslehrer ihnen die Tür aufgeschlossen, damit sie sich darin umschauen konnten. Dabei fanden sie dort, einen großen Spiegel, welcher zum Eigenstudium für Anatomie genutzt wurde. Sofort waren Mirâ und Hiroshi allarmiert, da sie beide den Gedanken hatten, dass die Jüngere durch diesen in die Spiegelwelt gelangt sein musste. Anders konnten sie es sich nicht erklären. Doch auf dem Rückweg nachhause kamen Mirâ die ersten Zweifel. Was wenn Megumi gar nicht in der Spiegelwelt war, sondern auf dem Heimweg entführt wurde? Immerhin war der Kunstraum abgeschlossen gewesen und der Schlüssel verschwunden. Wieso sollte die Jüngere den Raum von innen absperren? Das ergab keinen Sinn. Auch wenn es makaber klang, so hoffte die Violetthaarige jedoch trotzdem, dass sich die Braunhaarige in der Spiegelwelt befand, denn dort war die Chance wesentlich höher, sie unbeschadet zurückzuholen, als wenn sie verschleppt worden war.

Seufzend senkte Mirâ den Blick und massierte ihre Nasenwurzel. Wieso passierte das nur alles?

„Du siehst erschöpft aus.“, ließ sie eine bekannte Stimme aufschauen und sich ruckartig zu ihrem Spiegel drehen, wo sie in das lächelnde Gesicht Mikas blickte.

Mit einem kräftigen Tritt hatte sie sich abgestoßen und war zu ihrem Spiegel herübergefahren: „Mika! Es geht dir gut. Ein Glück.“

Angesprochene lächelte etwas schüchtern: „Ja mir geht es gut. Entschuldige, wenn ich dir wieder Sorgen gemacht habe.“

Mirâ schüttelte den Kopf: „Nein, schon gut. Hauptsache mit dir ist alles in Ordnung. Das ist wichtig.“

„Wie war dein Ausflug?“, fragte die Blauhaarige nach, um offensichtlich das Thema zu wechseln.

„Er war schön…“, begann Mirâ und überlegte daraufhin, ob sie das Thema mit dem Geistermädchen ansprechen sollte.

„Schön.“, kam es nur lächelnd zurück, bevor sie überhaupt weitersprechen konnte, während die Kleine schon wieder das Thema wechselte, „Und wieso hast du so schwer geseufzt? Ist etwas passiert?“

Aus ihren Gedanken gerissen sah die Violetthaarige Mika kurz etwas irritiert an, bevor sie den Blick senkte: „Eine Freundin von mir ist verschwunden. Wir haben sie in der ganzen Schule gesucht, aber keine Spur von ihr gefunden. Aber gestern war Vollmond, deshalb… sag Mika, ist dir etwas aufgefallen? Ist jemand bei dir drüben?“

„Hm…“, die Blauhaarige legte den Kopf schief und überlegte, „Also… ich habe gestern Abend etwas Merkwürdiges gespürt, allerdings war es nur einen ganz kurzen Moment, danach war alles wieder normal. Deshalb habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht und kann dir auch nicht genau sagen, ob wirklich jemand hier ist. Ich kann dem aber gerne nachgehen.“

„Das wäre lieb, aber bitte sei dabei vorsichtig.“, meinte die Ältere.

Mika nickte lächelnd: „Sicher. Aber das interessiert mich jetzt noch. Wieso wart ihr in der Schule? Sind die Sommerferien schon vorbei?“

Überrascht sah die Oberschülerin die Kleine an und kicherte dann: „Nein. Ich war auch irritiert, dass man während der Sommerferien in die Schule kann, aber Hiroshi-kun hat mir erklärt, dass die Jugoya immer schon ungefähr eine Woche vor Ende der Ferien wieder öffnet, damit sich die Schulklubs auf das zweite Trimester vorbereiten können.“

„Ach so. Und da geht echt jemand freiwillig hin?“, verständnislos zog Mika die Augenbraue nach oben, was Mirâ jedoch nur mit einem Lachen kommentierte, „Wenigstens lachst du jetzt wieder. Du sahst vorhin so betrübt aus. Na dann mach ich mich gleich mal auf den Weg.“

„Willst du dich nicht erst einmal ausruhen?“

„Nein, alles gut. Außerdem möchtest du doch so schnell wie möglich erfahren, ob jemand hier ist. Oder?“, grinste die Kleine breit und wollte sich dann zum Gehen wenden, als die Ältere sie noch einmal zurückhielt.

Sie hatte sich nun doch dafür entschieden kurz mit ihrer Freundin über die Erscheinung in Mikadzuki-chô zu reden und berichtete ihr von dem Geist der kleinen Mika. Dabei erwähnte sie auch, dass diese der Blauhaarigen extrem ähnlichsah. Die Jüngere hörte geduldig zu, während die Oberschülerin ihr alles erzählte und auch ihre Bedenken erwähnte, dass es sich um den Geist wirklich um Mika selbst handeln könnte.

Als die Violetthaarige geendet hatte nickte Mika: „Das klingt wirklich sehr interessant, was du mir da erzählt hast. Aber… leider kann ich dir dazu nichts sagen. Wie du weißt erinnere ich mich nicht mehr an das was passiert ist, bevor ich hier aufgewacht bin. Von daher…“

„Ja, ich verstehe. Tut mir leid, wenn ich dir damit Angst gemacht habe.“, entschuldigte sich die Oberschülerin.

Mika jedoch schüttelte nur den Kopf: „Nein schon gut. Ich bin froh, dass du dein Versprechen nicht vergessen und mit mir darüber gesprochen hast. Immerhin könnte es ja wirklich ein Hinweis sein, auch wenn er irgendwie erschreckend ist. Deshalb danke, dass du diese Information mit mir geteilt hast.“

Eine angenehme Wärme breitete sich in Mirâs Brust aus, während sie im Hintergrund den Sound der Persona-App auf ihrem Smartphone vernahm. Sie hatte mit Mika eine weitere Stufe erreicht und ihre Freundschaft zu dieser um ein weiteres Stück vertieft.

„Also dann. Ich mach mich los. Sobald ich mehr weiß, melde ich mich bei dir. Bis später.“, verabschiedete sich die Jüngere daraufhin und verließ das Zimmer, noch ehe Mirâ sich selbst verabschieden konnte.
 

Sich den Kopf haltend trat Mika aus dem Haus und stützte sich an den Türrahmen, da sie drohte sonst zusammenzubrechen. Erneut hatte sie das Gefühl ihr Kopf würde jeden Moment zerspringen und wieder kam dieser Zustand nach einem Gespräch mit Mirâ. Sie schüttelte vorsichtig den Kopf und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Für solche Dinge hatte sie gerade keine Zeit… sie musste sich doch in der Jugoya umsehen, wie sie es ihrer Freundin versprochen hatte. Sie wollte sich nützlich machen, wenn sie schon nicht mitkämpfen konnte, doch mit diesen Kopfschmerzen konnte sie das nicht. Mika schloss kurz die Augen und atmete tief durch, woraufhin das Stechen hinter ihrer Stirn langsam abnahm. Vorsichtig öffnete sie ihre Rubine daraufhin wieder und sackte plötzlich auf den Boden, als ihre Beine nachgaben. Sie wusste nicht wieso, aber urplötzlich hatte sie das Gefühl ihre Beine nicht mehr zu spüren. Doch noch schockierender, als das, waren die Bilder, welche sich vor ihren Augen abspielten. Zuerst sah sie nur eine sterile weiße Decke und nichts anderes. Zwar hatte sie das Gefühl zu ihrer Rechten ein paar weiße Vorhänge zu erkennen, doch egal was sie versuchte, sie konnte ihren Kopf nicht drehen, um sich umzuschauen. Plötzlich tauchte vor ihr das Gesicht eines Mannes auf, den sie noch aus einigen der anderen Visionen kannte. Es war ihr Vater, welcher allerdings wesentlich älter und auch etwas müde wirkte, als noch bei den letzten Träumen. Seine blau-violetten Haare waren heller geworden und von grauen Strähnen durchzogen. Doch seine freundlichen roten Augen, um welche sich kleine Fältchen gebildet hatte, erkannte sie sofort wieder, auch wenn sie in diesem Moment eher erschrocken wirkten. Auf einmal wurde es turbulent um sie herum, als sie neben sich noch eine weitere Person bemerkte. Aufgrund ihrer Unbeweglichkeit jedoch, konnte sie sich dieser nicht vergewissern. Trotzdem merkte sie, wie es um sie herum plötzlich hektisch wurde.

„Kannst du mich hören?“, hörte sie dumpf die aufgeregte Stimme ihres Vaters, welcher noch über sie gebeugt war, „Mika!?“

Mit einem Schreck erwachte die Blauhaarige aus ihrem Traum und starrte auf die dunkle Straße vor sich. Was war das? Was hatte sie da gerade gesehen? Erschrocken blickte Mika auf ihre zitternden Hände. Diese Vision war anders, als die anderen zuvor. Sie schluckte schwer. Was hatte das zu bedeuten? Was geschah mit ihr? Sie schüttelte den Kopf und ballte ihre Hand zu einer Faust, um damit dem Zittern Einhalt zu gebieten, bevor sie wieder vorsichtig aufstand. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Über das warum und wieso konnte sie sich später immer noch Gedanken machen. Zuerst musste sie ihren Freunden helfen. Mika brauchte eine Weile, bis ihre Beine ihr wieder vollständig gehorchten, doch gleich darauf rannte sie bereits los und versuchte dabei nicht weiter an diese Vision zu denken.
 

Montag, 31.August 2015
 

Seufzend verließ Mirâ die U-Bahn, welche sie an diesem Tag erneut nach Kyôzô-kū gebracht hatte. Wie versprochen war sie Shios Einladung gefolgt sie zu besuchen. Umso erstaunter war sie am gestrigen späten Abend, als diese ihr den Treffpunkt für den heutigen Tag nannte. Ehrlich gesagt musste sie sogar zweimal nachschauen, ob sie sich verlesen hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass sich genannte Haltestelle wieder im Bonzen-Viertel der Stadt befand, welches sie bisher nur einmal mit Kyo besucht hatte. Dieses Mal musste sie zwar nicht so weit fahren, wie das letzte Mal, jedoch war es nicht weniger unangenehm. Wieder wurde sie mit komischen Blicken gestraft, als würden die Leute in der U-Bahn sofort bemerken, dass sie nicht hierhergehörte. Wahrscheinlich war es einfach nur Einbildung, jedoch nicht wirklich beruhigender. Dazu kam, dass sie, kurz bevor sie losgegangen war, von Mika erfahren hatte, dass anscheinend wirklich jemand in der Spiegelwelt gefangen war. Merkwürdig fand die Kleine jedoch, dass sich die Aura, welche rund um die Schule hing, komisch war. Einerseits schwach und andererseits bedrohlich. Allerdings konnte Mika nicht sagen woher es kam, jedoch versicherte sie, dass sie so etwas vorher noch nie gespürt hatte. Der Gedanke, das Megumi wahrscheinlich wirklich in der Spiegelwelt war, bereitete Mirâ Unbehagen und sorgte dafür, dass sie nun eigentlich keine richtige Lust hatte durch die Gegend zu fahren. Lieber hätte sie alles sofort mit ihren Freunden besprochen und sich auf den Abend vorbereitet. Jedoch hatte sie Shio bereits versprochen, sie zu besuchen und die Violetthaarige war niemand, der seine Versprechen brach. Während der Fahrt mit der Bahn besprach sie alles Wichtige mit ihrem Team über den Gruppenchat, sodass sie für den Abend gewappnet waren. Mirâ war froh, als sie den Wagen endlich verlassen konnte und feststellte, dass der Bahnsteig extrem leer war, immerhin war die Fahrt hierher alles andere als entspannt. Die junge Frau sah sich um und bemerkte, dass außer ihr niemand an dieser Station ausgestiegen war und sie nun alleine am Bahnsteig stand.

„Mirâ, hierher!“, ließ sie die Stimme ihrer Freundin zum Ausgang schauen, wo die Blond-schwarzhaarige stand und ihr freudig zuwinkte.

Schnellen Schrittes ging die Violetthaarige zu Shio hinüber und grüßte sie freundlich: „Hallo Shio.“

„Hattest du eine gute Fahrt?“, fragte ihr Gegenüber sie grinsend.

„J-ja. Ich war erstaunt, als ich gelesen habe, dass du in Kyôzô-kū lebst.“, erklärte Mirâ vorsichtig, „Da habe ich mich gefragt, wieso du dann auf die Jugoya gehst, anstatt auf die Diamond.“

Shio verschränkte die Arme hinter dem Rücken und blickte an die Decke der Station: „Mein Bruder meinte, dass er mich… ähm… never… niemals auf diese Bonzen-Schule schicken würde.“

„A-ach so.“, ein kleines Lächeln umspielte das Gesicht der Violetthaarigen, da sie sich ihre Freundin wirklich nicht an solch einer Schule vorstellen konnte. Jedenfalls so, wie sie sich die Schule aktuell vorstellte.

„Wollen wir dann?“, fragte das andere Mädchen plötzlich und stolzierte daraufhin ohne weitere Worte die Treppen der Station hinauf.

Mirâ folgte ihr. Die Treppe endete in einem großen Karree, welches von einem großen Gebäude und einem schmalen Grünstreifen umgeben war, wie ein Hexagon. Und es wimmelte hier regelrecht von Menschen. Erst bei genauerem Hinsehen wusste Mirâ auch wieso, denn sie befand sich mitten in einem Einkaufsviertel. Rund um sie herum erkannte sie verschiedene Geschäfte und Cafés. Ohne weiter darauf zu achten stolzierte Shio jedoch weiter, genau auf eine der Geraden des Hexagons zu, an welcher ebenso ein Geschäft an das andere grenzte. Dabei erkannte Mirâ, dass es sich hierbei hauptsächlich um teure Markengeschäfte handelte, was in diesem Viertel jedoch auch nicht anders zu erwarten war. Kurze Zeit später fiel der jungen Frau ein Durchgang zwischen den ganzen Geschäften auf, welchen Shio geradewegs ansteuerte und den die beiden einen Moment später durchquerten. Nicht mal einen Wimpernschlag drauf befanden sie sich außerhalb der Shoppingmal und inmitten eines riesigen Wohnviertels, welches von hohen Lofts umzingelt war. Erstaunt sah Mirâ sich um, während sie versuchte ihrer Freundin weiter zu folgen.

„Darf ich dich fragen, was dein Bruder beruflich macht, wenn er es sich leisten kann hier zu leben?“, fragte sie, nachdem sie endlich ihren Blick von den Gebäuden rund um sich herum abwenden konnte.

„Mein Bruder ist Sänger und Songwriter einer Band. Aber er schreibt auch für andere Songs.“, erklärte Shio kurz, als sei es das normalste der Welt, „But… die Wohnung hat er von unseren Eltern übernommen, after… ähm… nachdem Papa mit mir in die USA ausgewandert ist. Dadurch musste er sich keine eigene Wohnung suchen und Papa kommt sowieso eher selten her.“

„M-moment. Heißt das, die Wohnung gehört euch?“, hakte Mirâ noch einmal nach, woraufhin Shio nickte, „U-Und was macht dein Vater beruflich?“

„Er ist Musikmanager.“, grinste Shio schief.

„Und deine Mutter?“, auf die Frage hin wurde Miroshiro etwas langsamer und senkte den Blick.

„Sie… ist vor etwas mehr als zehn Jahren gestorben.“, erklärte sie daraufhin, woraufhin sich Mirâ geschockt entschuldigte, „No, schon gut. Das konntest du nicht wissen. Sie hatte eine… angegriffene Gesundheit. That’s why… nach ihrem Tod bin ich mit Papa in die Staaten gezogen. Mein Bruder wollte nicht mit, weil… er seinen Abschluss hier machen wollte.“

„Trotzdem, das war taktlos von mir.“, entschuldigte sich die Violetthaarige erneut, doch Shio schüttelte nur lächelnd den Kopf und beließ es dabei.

„Da sind wir.“, sagte sie jedoch einen Moment später und blieb vor einem der Gebäude stehen.

Es handelte sich dabei, um eine riesige Lagerhalle, welche von Grund auf renoviert und mit Wohnungen ausgestattet wurde. In diesem Viertel hatte Mirâ mehrerer dieser Gebäude gesehen, was ihr verriet, dass dieses Viertel wohl ursprünglich ein großes Industriegebiet gewesen sein musste. Sie selbst hatte jedoch noch nie einen Loft von innen gesehen, da diese viel zu teuer waren. Ihre Mutter verkaufte ja selber solche Wohnungen, wodurch sie sich etwas mit den gängigen Preisen auskannte. Das Klimpern eines Schlüssels ließ Mirâ wieder zu ihrer Freundin schauen, welche das Bündel aus ihrer Tasche gezogen hatte. Gemeinsam mit ihr trat sie an die Eingangstür, an der sie jedoch kein typisches Schloss für einen Schlüssel finden konnte. Auch normale Klingeln konnte sie nicht finden, stattdessen war neben der Tür ein großes Nummernfeld. Von so etwas hatte die junge Frau schon einmal gehört, jedoch bisher noch nie live gesehen. Um bei einer Wohnung klingeln zu können, musste man den jeweiligen Zahlencode beziehungsweise die Wohnungsnummer wissen und diese in das Nummernfeld eingeben. Shio jedoch gab nichts dergleichen ein, sondern hielt über das Feld einen kleinen schwarzen Chip. Dann dauerte es einen winzigen Moment, bevor ein Piepen ertönte und die Tür sich kurz darauf mit einem Summen öffnete. Miroshiro griff nach dem Knauf, zog die Eingangstür auf und winkte Mirâ hinter sich her, welche tat wie ihr geheißen. Dann folgte sie der Blond-schwarzhaarigen durch das Erdgeschoss des riesigen Gebäudes, welche sie zu einem Fahrstuhl führte, der sie in die dritte Etage führte, für welche die junge Frau die Fahrt jedoch als ziemlich lang empfand. Dort angekommen lief ihre Freundin schnurstracks auf eine Wohnungstür zu, welche sie dieses Mal mit einem richtigen Schlüssel öffnete.

„Da wären wir. Komm rein.“, wurde sie hereingebeten.
 

Drinnen bemerkte man nicht mehr viel von dem alten Charme des Lagerhauses. Viel mehr wirkte die Wohnung wie eine typische, im westlichen Stil errichtete, Wohnung. Der Eingangsbereich war, wie in den meisten Wohnungen mit einem Absatz getrennt, sodass man wusste, wo man seine Schuhe abzustellen hatte. Ansonsten wirkte die Wohnung völlig normal. Schnell zog Mirâ ihre Schuhe aus und schlüpfte in die ihr angebotenen Hausschlappen, bevor sie den eigentlichen Flur betrat und von Shio weiter in die Wohnung geführt wurde. Doch kaum hatten die beiden Mädchen das Wohnzimmer betreten, blieb der Violetthaarigen beinahe die Spucke weg, als sie auf eine große Fensterfront blickte, durch welche sie einen sehr guten Blick über das Stadtviertel hatte. Als sie sich weiter umblickte, wusste sie nun auch, wieso sie die Fahrstuhlfahrt als zu lang für die angegebene Etage empfand. Das Wohnzimmer hatte eine übertrieben hohe Decke, welche sich jedoch dadurch erklärte, weil der Raum in zwei Etagen unterteilt war. An der Wand zu Mirâs Rechten führte eine Treppe hinauf in den zweiten Stock, wo eine Art Balkon an der Wand entlangführte, über den man weitere Zimmer erreichen konnte. Wenn jede Wohnung so aufgebaut war, so war es nur klar, dass die Fahrt bis in die dritte Etage ewig dauerte, immerhin war es so eigentlich das vierte Obergeschoss, wenn man das Erdgeschoss mitrechnete.

„Cool oder?“, fragte Shio und holte die Oberschülerin so aus ihren Gedanken.

Diese nickte nur und wusste nicht so genau, was sie überhaupt sagen sollte. Sie war in einer ihr vollkommen unbekannten Welt gelandet und musste diese Eindrücke erst einmal richtig verdauen.

„Lass uns in mein Zimmer gehen. There… ähm… dort können wir in Ruhe reden.“, meinte ihre Freundin und wollte gerade die Treppe ansteuern, als aus der Tür direkt neben dieser ein junger Mann stürmte, „Onii-chan. Don’t scare me like that!“

„Gomen. Hab gar nicht bemerkt, dass du wieder da bist.“, sagte der junge Mann, dessen schwarzes wüstes Haar von einem leichten magentafarbenen Schimmer durchzogen war, erstaunt, während er sich eine schwarze Jacke überzog.

Dann wandte er sich lächelnd an Mirâ: „Dann musst du Shios Freundin sein. Freut mich sehr. Mein Name ist Yami.“

„E-Es freut mich ebenso. M-mein Name ist Mirâ Shingetsu.“, stellte sich die Violetthaarige rasch vor.

„Ich muss dann los, Shio. Falls du Tee oder irgendwas machen möchtest, tu mir einen Gefallen und setz die Küche nicht in Brand.“, sagte der junge Mann daraufhin nur grinsend und ging, „Also dann Mädels. Viel Spaß.“

Noch während die Tür ins Schloss fiel, rief Miroshiro ihrem Bruder auf englisch nach wie doof er doch sei für seinen Kommentar und dass er das hätte stecken lassen können. Allerdings war sich Mirâ sicher, dass er das nicht mehr hören konnte.

„Such an idiot!“, schimpfte die Blond-schwarzhaarige anschließend und ging nun endlich auf die Treppe zu, „Lass uns hoch gehen, bevor ich mich noch mehr über ihn aufrege.“

Mirâ jedoch konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, da sie die Situation wirklich amüsant fand, folgte dem anderen Mädchen aber dabei in das obere Stockwerk. Als die Oberschülerin das Zimmer ihrer Freundin betrat blickte sie direkt auf ein großes Fenster ihr gegenüber, unter welchem ein großer Schreibtisch stand. Auf dessen Arbeitsfläche lag ein zugeklappter Laptop und ein Tablet, ansonsten war er penibel aufgeräumt. Rechts neben dem Tisch stand ein fast schon riesiger Eckschrank, der wirkte, als könne man ihn sogar betreten. An diesen schlossen sich brusthohe Regale an, die an der Wand rechts neben der Eingangstür standen. Auf diesen befanden sich mehrere Bilderrahmen, in denen Fotos von Shio mit verschiedenen Personen eingerahmt waren, die fröhlich in die Kamera lächelten. Auch ein Foto mit den beiden Mädchen vom Vortag und eines mit dem jungen Mann von vorhin erkannte die Oberschülerin. Die anderen Personen jedoch waren ihr gänzlich unbekannt. Sie löste ihren Blick von den Fotos und sah sich weiter um. Links neben dem Schreibtisch stand ein großes Bett, auf dem mehrere Plüschtiere lagen. Gleich daneben und somit an der Wand zu Mirâs Linker, erstreckte sich eine große Fensterfront, welche auf eine Art kleinen Balkon führte. Dort erkannte die Violetthaarige auch eine Treppe, die nach unten führte. Um sich weiter umsehen zu können, musste sie noch einen Schritt in das Zimmer treten, denn direkt links neben ihr stand ein Raumtrenner, welcher so hoch war wie sie selbst. Dieser war gefüllt mit verschiedenen englischsprachigen Büchern und Mangas, sowie einigen Dekorationen. Weiter in den Raum getreten sah die junge Frau hinter dem Regal ein kleines bequemes Sofa mit einem Couchtisch, einen großen dunkelblauen Sitzsack und davor ein Lowboard mit einem großen Fernseher darauf. Alle Möbel waren in Elfenbein gehalten, wodurch das Zimmer trotz der vielen Schränke nicht beengt wirkte.

„Du hast wirklich ein schönes Zimmer.“, sagte sie anschließend hin und weg, obwohl sie nach dem Zimmer von Shuya nichts mehr hätte schocken sollen.

Shio lächelte und bot Mirâ einen Sitzplatz auf dem Sofa an, wo diese einen Moment später platznahm, während sich die Gastgeberin auf ihren Sitzsack plumpsen ließ. Im Augenwinkel fiel der Violetthaarigen etwas in den Blick, weshalb sie sich leicht umdrehte und auf ein weiteres Foto schaute. Dieses stand in einem der Fächer des Raumtrenners, wurde von der anderen Seite jedoch von einer Kerze verdeckt, weshalb es ihr beim Umsehen nicht aufgefallen war. Darauf sah man Shio welche in den Arme eines jungen Mannes lag und fröhlich lächelnd in die Kamera schaute. Auch der junge Mann hinter ihr, mit seinen blau-grünen kurzen Haaren, welcher die junge Frau umarmte wirkte auf dem Foto sehr glücklich. Mit seinen freundlichen dunkelblauen Augen lächelte auch er in die Kamera, während er seine Wange an die von der Blond-schwarzhaarigen schmiegte. Diese schien den Blick ihrer Schulkameradin zu bemerken und schaute nun ebenfalls auf das Bild, woraufhin ihr Blick weich wurde und sie lächeln musste.

„That’s my… Freund, Noah.“, erklärte sie anschließend, „Das Foto haben wir vor zwei Wochen aufgenommen, als er zu Besuch war.“

Erstaunt sah ihr Gegenüber sie an: „Du hast einen Freund? Und er war zu Besuch? Hier? Dein Bruder hat das erlaubt?“

Kurz schaute Mioshirô überrascht, doch lachte dann: „Ja. Mein Bruder sieht… das nicht so eng. He knows… dass er mir vertrauen kann. Beside that… Noah ist ein anständiger Junge.“

„Ich verstehe. Ihr gebt ein hübsches Paar ab.“, murmelte Mirâ, während sie nochmal auf das Foto blickte.

„Thanks. Aber du und dein Freund auch.“

Vollkommen überrumpelt schaute die Violetthaarige ihr Gegenüber mit großen Augen an und schien für einen Moment nicht zu wissen, was diese damit meinte. Erst nach einigen Minuten fiel ihr ein, dass Shio nur die Situation vom Vortag meinen konnte. Immerhin hatte diese sie zusammen mit Hiroshi in der Bibliothek gesehen. Sofort lief sie knallig rot an und schüttelte heftig den Kopf, während sie mit ihren Händen gestikulierte:

„N-Nein. Das verstehst du falsch. Hi-Hiroshi-kun ist nicht mein Freund… also schon, a-aber nicht wie du denkst. E-Er ist nur ein guter Kumpel. Au-außerdem gehen wir in die gleiche Klasse… und…“

Miroshiro legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch, da das, was sie am gestrigen Tag gesehen hatte, nicht zu dieser Aussage passte… irgendwie. Doch plötzlich musste sie lachen, als sie diese Situation an früher erinnerte. Irritiert schaute ihr Gegenüber sie an, doch sagte nichts, bis die Blond-schwarzhaarige sich beruhigt hatte.

„I’m so sorry. But… das erinnert mich an damals, bevor ich… mit Noah zusammenkam.“, kam es nur lachend von der jungen Frau, was Mirâ jedoch noch mehr verwirrte.

Das Lachen verebbte und Shio wischte sich eine Träne aus den Augen, bevor sie weitersprach: „Weißt du… When… als Noah und ich uns kennenlernten, da konnten wir uns absolut nicht leiden. Du musst wissen, dass wir beide ziemlich gut in der Schule waren und uns auch beide sehr stark für IT interessieren. Als wir in eine Klasse kamen, standen wir auf Kriegsfuß. Keiner von uns beiden wollte hinter dem Anderen stehen. Because of that… haben wir einen regelrechten Wettkampf geführt und uns nur gestritten. Trotzdem meinten die Leute immer, dass wir ein hübsches Paar wären. Und wir haben es immer abgestritten… just like you now.“

Mirâ blähte leicht beleidigt die Wangen auf, da sie diese Situation auf sich bezogen überhaupt nicht lustig fand. Immerhin waren sie und Hiroshi kein Paar. Doch kurz darauf wurde ihr Blick wieder weich und sie lächelte: „Darf ich fragen, wie ihr dann zusammengekommen seid?“

Ihre Freundin lächelte und zog ihre Beine an die Brust, während sie den Kopf auf die Knie legte: „Während eines Weihnachtsfestes habe ich mich ganz böse mit meinem Vater gestritten und saß vollkommen verlassen auf einer Bank auf einem Weihnachtsmarkt. Noah was… zufällig mit seiner Familie dort. Er hat mich gesehen und mich mit seiner unbeholfenen Art aufgemuntert. Da habe ich mich in ihn verliebt. Naja… und dann irgendwann hat‘s mit uns beiden geklappt.“

„Das klingt wirklich romantisch.“, ungewollt begann Mirâ zu schwärmen, „Es war sicher schwer ihn in Amerika zurückzulassen.“

Die Blond-schwarzhaarige nickte und setzte ein trauriges Lächeln auf: „Ja, but… wenn ich meinen Abschluss habe und ich… an Adult bin, dann gehe ich zurück.“

„Ich bin mir sicher, dass du bald wieder mit deinem Freund vereint sein wirst.“, sagte die Violetthaarige, woraufhin sie ein breites Lächeln traf.

In ihrer Brust breitete sich eine angenehme Wärme aus und aus ihrer Tasche hörte sie leise ihr Smartphone, welches kurz vibrierte. Auch ohne drauf zu schauen wusste sie, dass sich die Freundschaft mit Shio weiter vertieft hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Beinahe vergessen...
Hier ist also das nächste Kapitel. :) Ich hoffe es hat euch gefallen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2020-07-03T13:58:43+00:00 03.07.2020 15:58
Huhu Shio,

Ein schönes Kapitel und Mika ist wieder da ^^ ich hab die Kleine echt vermisst. Aber das wird getrübt von Megumi Verschwinden... Na klasse, aber wenigstens kommen sich Mika und Mirâ etwas näher und eine weitere Vision der kleinen Mika, die ein wenig auf einen Unfall hindeutet... Wenn ich das richtig deute...

Mirâ erneut im Bonzenviertel, aber das Shio da wohnt hätte ich nicht erwartet, tja, aber Shuya traut man es ja auch nicht zu X'D die Wohnungen sind echt beeindruckend und ich würde mich da etwas unwohl fühlen... Ich kann Mirâ also verstehen. Schön mal etwas über die Vergangenheit von Shio zu erfahren. Ihre Familie ist echt Musikorientiert, aber schade um ihre Mutter...

Ihr Bruder ist echt genial, ich mag ihn jetzt schon und da kommt das namensgebende Boyfriend Gespräch X'D Mirâ, streite es doch nicht immer ab, du gehörst zu Hiroshi, das ist sicher. Aber traurig, dass Shio ihren Freund zurück lassen musste... Vielleicht kommt er sie mal wieder besuchen, damit Mirâ ihn kennen lernen kann.

Jetzt steht aber erst mal die Rettung von Megumi und Arabai an. Bin gespannt wie es weiter geht.

LG fubuki


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