Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 71: LXXI - Kindheitsfreunde ----------------------------------- Samstag, 29.August 2015 - Vollmond Leise vor sich hin summend stieg Mirâ aus der U-Bahn, welche sie zur Zentralstation von Jugoya-ku gebracht hatte, und sah sich nach Kuraiko um. Diese hatte ihr am Abend noch eine Nachricht geschickt und angefragt, ob sie ihr noch einmal helfen könnte. Da sie sich für diesen Tag noch nichts vorgenommen hatte, sprach nichts dagegen und so verabredeten sie sich für diese Zeit an der Station. Nach nicht einmal einer Minute hatte sie Besagte auch bereits durch die wenigen Menschen, die unterwegs waren, entdecken können. Ihre Freundin stand etwas abseits an der Wand der Station und hob den Arm, damit sie sie schneller entdecken konnte. Schnellen Schrittes ging Mirâ auf die junge Frau zu und zog dabei ihre Kopfhörer aus den Ohren, die sie dann vorsichtig zusammenwickelte und in ihrer Tasche verschwinden ließ. „Guten Morgen.“, grüßte sie anschließend freundlich. „Morgen.“, entgegnete ihr die Schwarzhaarige, „Wollen wir?“ Mirâ nickte und folgte ihrer Freundin aus der Station, war jedoch etwas irritiert, als diese einen anderen Weg als den zur Schule einschlug. Eigentlich hatte sie gedacht, dass die Schwarzhaarige wieder Hilfe bei den Schulbeeten brauchte, jedoch schien sie sich geirrt zu haben. Zielstrebig machten sie sich stattdessen auf den Weg zu dem kleinen Park, welcher zwischen Jugoya-ku und Hansha-ku lag, woraufhin Mirâ eine Ahnung bekam, wohin ihre Freundin sie brachte. Wenn sie sich recht erinnerte war das der Park, in dem das Gewächshaus stand, in dem sich Kuraikos Dungeon befunden hatte. Zwar war sich die Violetthaarige nicht zu einhundert Prozent sicher, da die Spiegelwelt ja ein gespiegeltes Abbild dieser Welt war, jedoch fielen ihr einige Dinge ins Auge, an die sie sich erinnern konnte. Dabei fiel ihr auf, dass sie in den letzten Monaten, die sie hier lebte, noch nie in diesem Park gewesen war. Sie war einige Male daran vorbeigelaufen, jedoch hatte sie es nie für nötig empfunden ihn einmal zu betreten. Nun ärgerte sie sich etwas darüber, denn als sie die Parkanlage betraten fiel ihr auf, wie ruhig und harmonisch es hier war. Die Bäume, welche wie ein kleiner Wald um das Gelände herum gepflanzt und gewachsen waren, hielten den Lärm der Stadt wirklich gut von diesem Ort fern. Staunend sah sich die junge Frau um, während Kuraiko sie die Wege entlangführte, über die sie wenige Minuten später ihr Ziel erreichten. Nun standen sie vor einem alten Gewächshaus, was ein wenig fehl am Platz wirkte. Die Natur versuchte hier bereits mit aller Macht, sich zurück zu holen, was ihr einst genommen wurde, denn um das gläserne Gebäude wuchs allerhand Unkraut. Zwar erkannte Mirâ, dass bereits hier und da etwas gemacht wurde, jedoch nicht viel. „Da wären wir.“, sagte Kuraiko. „Das ist das Gewächshaus aus dem wir dich gerettet haben. Oder?“, stellte Mirâ fest. Kuraiko nickte und erklärte, dass es das Gewächshaus ihrer Großeltern war, um welches sie sich kümmerte. Ihre Eltern wollten es verkaufen, da sie keine Zeit hatten etwas daran zu machen, aber sie wollte ihnen beweisen, dass sie es alleine bewirtschaften konnte. Allerdings… Sie machte eine kurze Pause und sah sich um: „Ich komme nicht hinterher, zumal ich auch nicht ständig die Zeit habe herzukommen. Trotzdem möchte ich nicht aufgeben. Deshalb… Danke für deine Hilfe.“ Überrascht sah die Violetthaarige ihre Freundin an und lächelte dann: „Ist doch kein Problem. Ich helfe gern. Was sollen wir heute machen?“ Während die Schwarzhaarige auf das Gebäude zuging, um dort das Schloss vor der Tür zu entfernen, erklärte sie was sie sich für heute vorgenommen hatte. So war es für sie vorrangig wichtig endlich das Unkraut zu entfernen, dass um das Gewächshaus wuchs und dem sie alleine nicht Herr werden konnte. Es wuchs einfach schneller, als sie es entfernen konnte. Sie öffnete die Tür und trat in das gläserne Haus, in welchem eine drückende Hitze herrschte. Die Pflanzen, die dieser Hitze nicht standhielten und bereits verbrannt oder verwelkt waren, hatte sie schon beim letzten Mal restlos entfernt. Aus diesem Grund war es im Inneren eher trist und karg. Sie hatte sich vorgenommen neue Pflanzen hineinzustellen, wenn es etwas kühler wurde. Doch vorher wollte sie alles in Ordnung bringen. Mirâ trat hinter ihr in das Gebäude und sah sich um, bevor sie sich den plötzlich auftretenden Schweiß von der Stirn wischte. „Das ist ja wie in einer Sauna hier drin.“, meinte sie. Kuraiko musste schmunzeln: „Das ist eigentlich der Sinn dahinter. Aber wir arbeiten heute eh nicht hier drin.“ Sie bewegte sich auf einen Tisch zu und griff nach einem Stapel Stoff, welchen sie der Violetthaarigen reichte. Diese nahm den Haufen entgegen, der sich als eine Schürze und Handschuhe entpuppte, welche sie sich überzog. Gleichzeitig kramte die Schwarzhaarige gleiches aus ihrer großen Tasche, die sie anschließend unter dem Tisch verstaute. Auch Mirâ legte ihre Tasche dazu, da diese sie nur bei der Arbeit behindern würde. Währenddessen holte ihre Freundin aus einer Ecke des Gebäudes Schaufeln, Rechen, Harken und Eimer, mit denen sie dem Unkraut an den Kragen wollte. Nachdem beide Mädchen das Glashaus wieder verlassen hatten, legte Kuraiko wieder das Schloss an, damit niemand heimlich an ihre Sachen gehen konnte, während sie beschäftigt waren. Dann erklärte sie Mirâ, wie sie dem Unkraut am besten Herr wurde und es aus der Erde entfernte, bevor sie sich endgültig an die Arbeit machen konnte. Währenddessen herrschte zwischen den beiden Stille, welche die Violetthaarige allerdings nicht als unangenehm empfand. Und obwohl sie hier und da einige Pflanzen hatten, die sich wirklich vehement wehrten und denen sie sogar ohne Werkzeuge mit gebündelter Kraft an den Kragen mussten, kamen sie recht zügig voran. Plötzlich musste Mirâ kichern, als ihr ein lustiger Gedanke kam, weshalb sie von ihrem Gegenüber skeptisch angeschaut wurde: „Nächstes Mal sollten wir auch die anderen fragen, ob sie mithelfen. Das könnte lustig werden, außerdem wären wir dann noch schneller.“ „Nee du, lass mal. Akane vielleicht, aber nicht die Jungs. Außerdem versalzen zu viele Köche den Brei.“, meinte die Schwarzhaarige anschließend und harkte weiteres Unkraut aus dem Boden, welches sie in den Eimer neben sich schmiss. Mirâ kam die Erinnerung daran hoch, das Kuraiko ja schon einmal mit den Jungs vom Fußballclub die Beete wieder herrichten musste, nachdem diese sie zerstört hatten und fragte diesbezüglich nach, ob sie deshalb noch sauer war. Angesprochene schnaufte nur einmal leicht verächtlich und erklärte, dass das die reinste Katastrophe war, weil der Club nur Dummheiten im Kopf und sie deshalb mehr Arbeit hatte. Dadurch wäre sie alleine wesentlich schneller gewesen. „Nur Hiroshi und Nagase haben wirklich ernsthaft mitgemacht. Zumindest das muss ich den beiden zugute halten.“, murmelte sie anschließend, „So nett die Aktion von Masaru gemeint war, so sinnfrei war sie am Ende.“ Mirâ hörte schweigend zu und lächelte dann, als ihr etwas anderes einfiel: „Mir fällt ein, dass ihr euch gestern wieder vertragen habt. Oder? Du und Nagase-kun meine ich.“ Die Schwarzhaarige schnaufte wieder: „Ach er ist einfach ein riesiger Idiot. Echt nervig, dass er ständig an meinem Rockzipfel hängt.“ Die Violetthaarige musste schmunzeln: „Sei ehrlich. Eigentlich magst du ihn. Hey!“ Plötzlich traf sie etwas Unkraut, was sie kurz aufschrecken und dann erschrocken zu ihrer Freundin schauen ließ. „So ein Quatsch. Wer könnte so einen Weiberhelden schon mögen? Ständig schwärmen irgendwelche Weiber um ihn herum und er lässt es sich gefallen.“, meinte sie recht aufgebracht, während sie sich wieder ihrer Arbeit widmete und sich dabei wieder zu beruhigen schien, „Aber wenigstens zeige ich ihm, dass ich kein Interesse habe, auch wenns irgendwie nichts bringt.“ Überrascht sah Mirâ ihre Freundin an, als sie das ihr zugeworfene Unkraut aufhob und in ihren Eimer schmiss. Doch als Kuraiko den Blick bemerkte, schüttelte sie nur den Kopf und meinte, dass sie nur laut gedacht hatte. Die Violetthaarige legte den Kopf schief, doch beließ es dann erst einmal dabei und kümmerte sich dann weiter um ihre Arbeit. „Kuro-chan?“, ließ Mira jedoch plötzlich eine männliche Stimme aufschauen. In Richtung dieser erkannte sie einen jungen Mann ungefähr in ihrem Alter mit ungewöhnlich heller Haut und tiefroten Augen, die ihren eigenen glatt Konkurrenz machen konnten. Sein kurzes, schwarzes, durchgestuftes Haar wirkte an ihm irgendwie falsch, da es so gar nicht zum Gesamtbild passte. Seine extrem helle Haut wirkte dadurch schon fast weiß. Er trug trotz der Wärme ein langes weißes Sweatshirt, dessen Ärmel schwarz-weiß kariert waren, eine schwarze lange Hose und schwarz-weiß karierte Stoffslipper. Allein bei seinem Anblick begann die Oberschülerin bereits zu schwitzen. „Was willst du hier?“, ließ sie die Stimme von Kuraiko neben sich schauen. Diese war mittlerweile aufgestanden, hatte ihren Blick aber weiterhin auf ihren Eimer gerichtet, in welchen sie das herausgerupfte Grünzeug versenkte. Der junge Mann zuckte merklich getroffen zusammen, sah dann seine Schuhe an und schien zu überlegen, was er darauf antworten sollte. Irritiert schaute Mirâ zwischen den beiden Parteien hin und her und spürte regelrecht diese unangenehme Spannung, welche zwischen ihnen in der Luft hing. Dabei ging die größte Spannung von Kuraiko aus, welche mittlerweile einen abwertenden Blick auf den Gleichaltrigen gerichtet hatte, was diesen nur noch mehr in sich zusammenrutschen ließ. „Wie ich sehe lässt du dir von deinem Alten immer noch vorschreiben, wie du herumrennen sollst.“, murmelte die Schwarzhaarige stattdessen, „Kein Wunder also, dass du dich seit längerer Zeit nicht mehr im Club hast blicken lassen.“ „N-naja… T-tut mir leid, Kuro-chan…“, stotterte ihr Gegenüber eingeschüchtert. „Kche… Nenn mich nicht so! Du kotzt mich echt an, weißt du das? Verschwinde!“, schimpfte sie plötzlich und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Der Schwarzhaarige zuckte erschrocken zusammen, verbeugte sich dann kurz mit einer weiteren leisen Entschuldigung und ging. Mirâ sah ihm besorgt nach, da sie den Anranzer von ihrer Freundin schon etwas heftig fand. Diese schien den Jungen zu kennen, allerdings wirkte es so, als sei etwas Unangenehmes zwischen ihnen vorgefallen. Fragend richtete die Oberschülerin wieder den Blick auf ihre Freundin, die ihrem Bekannten ebenfalls nachsah und dann Mirâs Gesichtsausdruck zu bemerken schien. Sie schaute wieder auf ihre Hände, die damit beschäftigt waren das nächste Unkraut aus der Erde zu entfernen: „Das war Shirota Tsukiyama. Er geht ins erste Jahr und ist einer von den Schwänzern, die nie zum Botanik-Club kommen und nur auf dem Papier Mitglieder sind.“ Bei dem Namen Tsukiyama regte sich etwas bei Mirâ, da sie das Gefühl hatte diesen schon einmal gehört zu haben. Jedoch fiel ihr auf die Schnelle auch nicht ein woher, weshalb sie es erst einmal dabei beließ und wieder in die Richtung sah, in die der Schwarzhaarige verschwunden war. „Sei mir nicht böse, aber war der Anranzer nötig? Das schien ihn ziemlich getroffen zu haben, immerhin scheint ihr euch länger zu kennen. Ich meine, er hat dich Kuro-chan genannt. Das macht man doch nur, wenn man sich richtig gut kennt.“, sagte sie anschließend. „Ach was weißt du schon?“, ließ sie die laute Stimme ihrer Freundin kurz aufschrecken. Diese jedoch merkte schnell, dass sie wohl unbeabsichtigt wieder laut geworden war und senkte wieder die Stimme, während sie erklärte, dass sie Shirota mehr oder weniger aus dem Kindergarten kannte. Ihre Großeltern waren befreundet gewesen. Während seine das Gartencenter „Kurushima“ in Hansha-ku betrieben, gingen ihre Großeltern dort immer einkaufen, wenn sie etwas für das Gewächshaus brauchten. Die Schwarzhaarige hatte sie dann meistens begleitet und sich dort mit dem dem jungen Mann angefreundet, allerdings fügte sie im Anschluss noch hinzu, was für ein Weichei er sei. Wieder traf Kuraiko ein fragender Blick, weshalb sie etwas genervt weitersprach: „Dir ist doch sicher auch aufgefallen, dass seine Haarfarbe absolut nicht zu seiner hellen Haut passt. Oder? Dieser Vollidiot hat eigentlich sehr helle Haare und lässt sich von seinem Vater einbläuen, sie sich zu färben, damit er nicht auffällt. Und er setzt sich nicht durch und ist wie er ist. Sowas kotzt mich einfach an.“ Es war schon etwas erschreckend die junge Frau so oft fluchen zu hören. Mirâ wusste, das Kuraiko schnell aufbrausend war, doch so hatte sie diese noch nie so erlebt. Sie hatte auch das Gefühl, dass es noch mehr in dieser Angelegenheit gab, was ihr die Schwarzhaarige nicht erzählen wollte. Zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht. Zwar interessierte es die Violetthaarige schon sehr, doch wollte sie ihre Freundin nicht noch wütender machen und machte stattdessen endlich mit ihrer Arbeit weiter. Trotzdem fühlte sie sich der jungen Frau wieder etwas näher. Besonders stark wurde dieses Gefühl als sie für einen kurzen Moment eine angenehme Wärme in sich spürte. Als sich die beiden Mädchen am späten Nachmittag auf den Heimweg machten, führte Kuraiko sie dieses Mal auf einem anderen Weg durch den Park. Dabei kamen sie an einem Spielplatz vorbei, welcher von kleinen Kindern in Beschlag genommen wurde. Auf den Bänken rings um den Spielplatz herum erkannte Mirâ mehrere Erwachsene, welche wohl die Eltern der Kleinen waren und diese mit Adleraugen beobachteten. Doch nicht nur Erwachsene und kleine Kinder waren hier unterwegs. Überrascht schaute Mirâ auf einen ihr bekannten jungen Mann mit schulterlangem blau-violettem Haar. Dieser hatte sie noch nicht bemerkt und unterhielt sich stattdessen mit einem Mädchen in ihrem Alter, welches erstaunlich lange blaue Haare hatte, wie Mirâ fand. Soviel die Violetthaarige erkannte, trug die junge Frau, die mit dem Rücken zu ihr stand, ein gelb-schwarzes Oberteil und einen grau karierten Faltenrock. Dazu schwarze Overknees und gelbe knöchelhohe Chucks. Ihre Arme zierten schwarze Armstulpen und auf ihrem Kopf erkannte Mirâ eine schwarz-graue Cappi. Die Blauhaarige lachte plötzlich auf. Auch der junge Mann musste lachen und ließ seinen Blick über die Schulter seiner Begleiterin hinweg schweifen, weshalb dieser auf Mirâ fiel. Grinsend hob er den Arm, woraufhin sich die junge Frau bei ihm ebenfalls umdrehte und fragend in die Richtung der Violetthaarigen blickte. Auch Kuraiko schien Shuya nun bemerkt zu haben und stöhnte nur genervt auf, doch war es bereits zu spät um abzuhauen, da der Ältere nun mit seiner Begleitung auf die beiden Oberschülerinnen zukam. „Das ist ja eine freudige Überraschung euch hier zu sehen.“, grinste der junge Mann breit. „Von wegen freudig.“, schnaufte Kuraiko nur genervt und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie die Blauhaarige ihr gegenüber musterte. Diese bemerkte den Blick auf sich, doch lächelte nur etwas verlegen darauf, da sie nicht so recht wusste, was sie davon halten sollte. „Was verschafft uns die Ehre?“, fragte die Schwarzhaarige sichtlich genervt, was der junge Mann ihr gegenüber jedoch gekonnt zu ignorieren schien. „Ich zeige Rinacchi die Stadt.“, erklärte er stattdessen immer noch breit grinsend und zeigte dabei auf seine Begleitung. Diese lächelte nur fröhlich und stellte sich als Rin Aikawa vor. Mirâ erwiderte das Lächeln und wollte sich ebenfalls vorstellen, wurde jedoch unterbrochen, als sich Kuraiko plötzlich wegdrehte und mit den Worten „ich gehe“ verschwand. Überrascht sahen die drei anderen ihr nach, während sie schnellen Schrittes den Weg zum Ausgang nahm. Die Violetthaarige wollte ihr nach, aber bevor sie sich in Bewegung gesetzt hatte sah sie bereits ein paar blau-violette Haare an sich vorbeihuschen. Kurz darauf tauchte auch bereits Shuyas Rücken in ihrem Sichtfeld auf. Dieser drehte sich nur noch einmal kurz zu den beiden übrigen Mädchen um und bat Mirâ kurz mit Rin an dieser Stelle zu warten. Dann war er in die gleiche Richtung verschwunden wie Kuraiko. Etwas verlassen standen die beiden Oberschülerinnen nun da und wussten nicht so recht, was sie dazu sagen sollten. Sie sahen dem jungen Mann noch eine Weile nach, bevor sie die Blicke aufeinander richteten und sich etwas schüchtern anlächelten. Die Violetthaarige war die Erste, die ihre Stimme wiederfand und dabei die Arme hinter dem Rücken verschränkte: „Entschuldige bitte meine Freundin. Sie ist etwas… speziell, wenn es um Nagase-kun geht. Mein Name ist im übrigen Mirâ Shingetsu. Es freut mich wirklich sehr, Aikawa-chan.“ Sie hielt der Blauhaarigen die Hand hin, welche sie kurz überrascht anblickte und dann grinsend einschlug: „Schon okay. Aber nenn mich bitte Rin. Ich kann mit solch höflichen Floskeln nicht viel anfangen.“ Als Rin Mirâs Hand berührte spürte diese eine angenehme Wärme in sich aufsteigen. Kurz darauf bemerkte sie eine vertraute blaue Aura um die junge Frau ihr gegenüber. Diese jedoch war irgendwie besonders. Die Violetthaarige hatte das Gefühl, als würde sie aus vielen kleinen blauen Schmetterlingen bestehen, welche sich nach und nach in Luft auflösten, bis das Licht wieder verschwunden war. Als sie der Blauhaarigen daraufhin wieder ins Gesicht sah, fiel ihr auf, dass diese sie genauso verwundert ansah, wie sie es mit ihr gemacht hatte. Doch kaum hatte Rin dies bemerkt, lächelte sie nur etwas verlegen, was Mirâ ebenso erwiderte. „Dann kannst du mich Mirâ nennen.“, sagte sie anschließend. Ihre neue Bekanntschaft grinste nur und sah dann wieder in die Richtung, in welche Shuya und Kuraiko verschwunden waren: „Ich nehme mal an, dass dieses Mädchen Fuka-chan ist, von der Shû-chan immer erzählt. Bei dem Namen hab ich aber eher an ein niedliches Mädchen gedacht.“ Sie konnte sich ein kleines Kichern nicht verkneifen: „Aber irgendwie passt sie zu Shu.“ „Ich würde mal sagen, dass sich Nagase-kun einen ganze schön harten Brocken ausgesucht hat.“, lachte Mirâ, „Kennt ihr euch länger?“ „Du meinst Shû-chan und ich? Bemerkt man das?“, fragte die Blauhaarige, bis sie zu registrieren schien, wie ihr Gegenüber darauf kam, „Ach so. Wegen dem Spitznamen.“ Sie klatschte sich leicht an die Stirn und streckte kurz die Zunge heraus, bevor sie kicherte und weitersprach: „Ja. Wir kennen uns schon sehr lange. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie lange eigentlich. Irgendwie war Shû-chan schon immer da. Er ist so ein guter Mensch und steht immer für alle ein.“ „Ja das ist mir auch schon aufgefallen.“, meinte die Violetthaarige. Ein kleines Lächeln umspielte das Gesicht der anderen jungen Frau: „Ich bin wirklich froh, dass er immer noch der Alte ist. Nachdem seine Schwester gestorben war hatte ich schon meine Bedenken, aber zum Glück hatte er sich wieder gefangen, bevor er hierherkam. Ich hatte nur Angst, dass ihn das vielleicht wieder einholen und verändern könnte. Zum Glück habe ich mich geirrt.“ Mirâs Blick schnellte zu ihrem Gegenüber, als sie hörte, dass Shuyas Schwester bereits tot war: „M-moment. Nagase-kuns Schwester ist schon…!?“ Überrascht sah Rin sie an und nickte: „Ja. Hat er das nicht erwähnt?“ Die Violetthaarige senkte den Blick und schüttelte den Kopf, während sie erklärte, dass sie selber auch erst vor zwei Tagen von seiner Schwester erfahren hatte, er aber nichts dergleichen erwähnt hatte. Ein schlechtes Gewissen plagte sie, weil sie leichtfertig zu ihm gesagt hatte, dass er sie mit Sicherheit bald wiedersehen würde. Taktloser hätte sie in dem Moment wirklich nicht sein können. „Mach dir darüber keine Gedanken.“, sagte ihre neue Bekanntschaft plötzlich, während diese ihr die Hand auf die Schulter legte, „Shû-chan redet nicht gerne darüber und ich bin mir sicher, dass er euch das nicht erzählt hat, weil er euch keine Sorgen bereiten wollte. Er ist eben so. Und er ist dir deshalb auch nicht böse, immerhin konntest du es nicht besser wissen. Shû-chan ist kein nachtragender Mensch.“ „Meinst du?“, fragte Mirâ vorsichtig nach, woraufhin Rin nickte und sie sich wieder etwas beruhigen konnte, „Gut. D-danke.“ Währenddessen hatte Shuya Kuriko endlich erreicht, doch egal wie oft er sie rief, selbst mit ihrem verhassten Spitznamen, war sie nicht stehengeblieben. Nur mit Mühe hatte er es kurz vor dem Ausgang geschafft ihr Handgelenk zu fassen und sie somit zum Stehen zu bewegen. Wütend drehte sich die Schwarzhaarige um, als seine Hand nach ihr griff und versuchte sich zu befreien, doch ohne Erfolg: „Lass mich los, du Idiot!“ „Jetzt warte doch mal, Kuraiko.“, sagte er ernst, woraufhin sie ihn überrascht ansah, da er bisher noch nie ihren richtigen Namen verwendet hatte, „Warum bist du denn gleich weggerannt?“ „Das geht dich nichts an!“, schimpfte sie und zog erneut an ihrem Handgelenk, doch wieder ohne sichtlichen Erfolg. Der junge Mann ließ sie einfach nicht los. „Wegen Rinacchi?“, fragte er stattdessen und beobachtete genau, wie die junge Frau reagiert, was ihm sofort verriet, dass er Recht hatte. Erst sah die Schwarzhaarige ihn überrascht mit ihren violetten Augen an und wandte dann den Blick ab. Er musste ein Schmunzeln unterdrücken, da er dies wirklich süß fand, aber auch nicht wollte, dass sie noch wütender auf ihn wurde. Dass sie jedoch eifersüchtig zu sein schien, machte ihn irgendwie glücklich und verriet ihm zugleich, wie viel er ihr wohl doch bedeuten musste. Schade nur, dass sie ihm das nie so offen zeigte. Doch auch dass mochte er ja an ihr. Er schluckte kurz, um das Schmunzeln zu unterdrücken und ernst zu bleiben: „Oh je. Da hast du was falsch verstanden. Rin ist doch nur eine Kindheitsfreundin aus Aehara, wo ich früher gelebt habe. Du kleines Dummchen brauchst doch nicht gleich eifersüchtig werden. Au!“ Endlich hatte sich die Schwarzhaarige aus seinem Griff befreit und ihm daraufhin mit voller Wucht auf den Arm geschlagen: „Wer ist ihr ein Dummchen? Und noch dazu eifersüchtig? Bilde dir mal nicht zu viel ein, du Volltrottel!“ Nun konnte sich Shuya ein Lachen nicht mehr verkneifen: „So kenn ich dich. Das ist die Fuka-chan, die ich mag.“ Kuraiko verzog das Gesicht: „Sag mal, bist du irgendwie masochistisch veranlagt?“ „Vielleicht?“, lachte der Violetthaarige nun lauthals los, was der jungen Frau jedoch nur ein Schnaufen entlockte. Kurze Zeit später hatte er sich wieder beruhigt und zwinkerte der Schwarzhaarigen nur zu: „Komm, lass uns zurückgehen.“ „Wieso sollte ich?“, kam es nur genervt zurück. „Erstens: Weil Shingetsu noch immer dort steht und du sie einfach hast stehenlassen. Und zweitens: Weil du mich hinführen musst, sonst verlaufe ich mich.“, kam nur eine grinsende Antwort. Stöhnend fasste sich die junge Frau an die Stirn und setzte sich danach wieder in Bewegung, in die Richtung aus welcher sie gekommen waren, woraufhin ihr Shuya folgte. Beide kamen just in dem Moment zurück, als Rin Mirâ die Hand auf die Schulter gelegt und ihr gut zugesprochen hatte. Die Violetthaarige hatte noch etwas zu der jungen Frau gesagt, doch bevor diese antworten konnte, waren Shuya und Kuraiko bereits wieder zu ihnen gestoßen. „Entschuldigt bitte.“, entschuldigte sich der junge Mann. „Schon okay, Shû-chan.“, grinste Rin nur, was den Violetthaarigen wissen ließ, dass sie genau wusste, wo der Hase langlief. Dieser erwiderte nur mit einem schiefen Grinsen, doch beließ es ansonsten erst einmal dabei. Auch Kuraiko entschuldigte sich wiederwillig dafür, dass sie einfach gegangen war. Da Mirâ jedoch genau wusste, wieso sie gegangen war, schüttelte sie nur den Kopf, als Zeichen, dass es okay sei. Noch kurz unterhielten sich die vier Oberschüler, bevor sich Shuya und Rin verabschiedeten und sich auch Mirâ und Kuraiko endlich auf den Heimweg machten. Am Abend - ??? Schritte hallten durch die langen dunklen Gänge des Gebäudes. Eine kleine Gestalt erschien und wurde nur spärlich von dem hineinscheinenden Licht des Mondes beleuchtet. Die Person schluckte einmal, bevor sie um die nächste Ecke bog. Ein leises Lachen war aus der Ferne zu hören und er wusste genau, dass es sich dabei um seine Freunde handelte, die am Eingang standen und auf ihn warteten. Dass er sich um diese Zeit noch hier aufhielt und herumstreunte war nur ihre Schuld und doch hatte er den Ehrgeiz ihnen zu zeigen was er konnte. Dann würden sie ihn vielleicht endlich als einen von ihnen akzeptieren und in Ruhe lassen. Er setzte alle seine Hoffnungen in diese dämliche Mutprobe, die ihm einiges abverlangte. Ganz davon abgesehen, dass er mit einem Schulverweis rechnen musste, wenn er erwischt werden würde, so machten ihm diese dunklen Gänge Angst. Er wollte es nicht zeigen und versuchte es zu unterdrücken, doch ganz deutlich spürte er, wie ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Zudem hatte er das Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Es lag etwas Bedrohliches in der Luft, was er nicht wirklich einschätzen konnte. Doch er wusste, dass es nicht normal war. Ein lautes Knallen ließ ihn plötzlich herumfahren und in die Dunkelheit lauschen, doch es folgte nur noch Stille. Ihn beschlich das Gefühl, dass seine Freunde für dieses Geräusch verantwortlich waren, um ihn zu erschrecken, weshalb er nur mit der Zunge schnalzte und sich wieder umdrehte. Dabei fiel sein Blick auf eine der unzähligen verglasten Schaukästen, in dem er sich dank des Mondlichts spiegeln konnte. Plötzlich schreckte er zurück, als er in zwei stechend gelbe Augen blickte. Doch noch erschreckender war, dass diese zu seinem Spiegelbild gehörten, welches plötzlich hämisch grinste und nach ihm griff. Er wollte reißausnehmen, doch seine Beine waren wie festgewurzelt und als er endlich die Kontrolle über diese wiedererlangte war es bereits zu spät. Die Gestalt im Schaukasten griff nach ihm. Ein erstickter Schrei ertönte und dann war der dunkle Gang, der vom Mondlicht erhellt wurde, leer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)