Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 62: LXII – Die Bürde des Jüngsten ----------------------------------------- Samstag, 22.August 2015 Mit dem plötzlichen Einsetzen des piepsenden Weckers zuckte Masaru in seinem Bett zusammen und murrte leicht, bevor er sich umdrehte und die morgendliche Weckhilfe zum Schweigen brachte. Gähnend richtete sich der Schwarzhaarige auf und streckte sich erst einmal genüsslich, bevor er sich noch leicht verschlafen in seinem penibel aufgeräumten Zimmer umsah. Ihm gegenüber befand sich ein in die Wand eingelassener Kleiderschrank aus Echtholz, an dessen Türen sein dunkelblauer Hakama und das dazugehörige weiße Oberteil hingen. Rechts daneben befand sich seine geschlossene Zimmertür, während an der Wand zu seiner Rechten sein Schreibtisch stand, welcher ebenso ordentlich aufgeräumt war und auf welchem nichts am falschen Platz schien. Das Kopfende seines Bettes stand an der Wand mit einem großen Fenster, welches zu diesem Zeitpunkt noch von seinen Vorhängen verdeckt war, aber trotzdem schon leichtes morgendliches Licht hindurchließ. Darunter stand sein Nachttisch, auf dem sich sein Wecker befand, der in grünen digitalen Zahlen 5:35 Uhr anzeigte. An den Nachttisch angelehnt stand seine Tasche mit seiner Kendoausrüstung aus der Schule, sowie sein verpacktes Bambusschwert. Sich noch einmal streckend erhob sich Masaru einen Moment später aus seinem Bett und zog den Vorhang vor seinem Fenster beiseite, um etwas Licht in das dunkle Zimmer zu bringen. Langsam schob sich die Sonne bereits über die Berge im Osten und begann so die Stadt in ihr Licht zu tauchen. Er beobachtete dieses Naturschauspiel noch einen kurzen Moment, bevor er sich abwandte und sein Smartphone nahm, welches auf dem Schreibtisch lag, um kurz seine eingegangenen Nachrichten zu checken. Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er das Display entsperrt hatte und die einzelne eingegangene Nachricht las, die angezeigt wurde. Mit flinken Handgriffen schrieb er eine kurze Antwort und legte dann das schwarze Telefon wieder beiseite, um einen Moment später sein Zimmer zu verlassen und sich für den Tag fertigzumachen. Nicht mal eine halbe Stunde später öffnete der junge Mann, in seinen Hakama gekleidet, die Tür des Dôjôs, woraufhin ihn der erwartungsvolle Blick seines Vaters traf, der augenscheinlich auf ihn gewartet hatte. Wie es sich gehörte verbeugte sich Masaru einmal kurz, bevor er die Trainingshalle betrat, die Tür hinter sich schloss und dann auf seinen Vater zu ging. Der ältere Herr mit den grauen Haaren beobachtete seinen Sohn aufmerksam, wie dieser sich neben ihn kniete und noch einmal eine kurze Verbeugung machte. Zufrieden mit dieser Geste nickte Masarus Vater und kniete sich mit aufrechtem Rücken hin, während er die Hände auf den Schoß legte und die Augen schloss. Masaru tat es ihm nach und atmete ruhig durch. Kurz darauf war nur noch das Vogelgezwitscher von draußen zu vernehmen, während es in der Halle still wurde und man nur noch die ruhigen Atembewegungen der beiden Männer hören konnte. So lief es jeden Morgen in der Familie Shin ab. Noch vor dem Frühstück fanden sich die Familienmitglieder im Dôjô ein, um zu meditieren. Masarus Mutter hielt sich von diesem morgendlichen Ritual nur fern, wenn sie selber noch einiges zu erledigen hatte, was an diesem Morgen wohl auch der Fall gewesen war. Als Kind hatte der junge Mann dieses Ritual gehasst, denn er konnte nicht lange stillsitzen. Auch seine Geschwister hatte diese morgendliche Zeremonie genervt, denn ihre Eltern zogen es jeden Morgen durch, egal ob sie Schule oder Ferien hatten. Trotzdem waren sie jeden Tag pünktlich im Dôjô erschienen und hatten die Prozedur mit einem Murren über sich ergehen lassen. Masaru wusste jedoch auch, dass sie alle froh waren, als sie ihren eigenen Weg gehen und sich so davor drücken konnten, sodass am Ende nur noch er übrig war, der sich jeden Morgen mit seinen Eltern an diesem Ort traf, um zu meditieren. Und obwohl es ihn als Kind genervt hatte, so hatte er im Laufe des Älterwerdens auch die Vorzüge dieser einen Stunde am frühen Morgen für sich entdeckt. Denn egal wie hektisch die Tage verliefen, zu diesem Zeitpunkt konnte er seine Gedanken ordnen und zur Ruhe kommen. Vor allem jetzt, wo ihn die ganze Sache mit der Spiegelwelt beschäftigte, kamen ihm diese morgendlichen Meditationen gerade Recht. Auch dieses Mal nutze er diese Zeit, um über die ganze Sache nachzudenken. Am späten Nachmittag hatte Mirâ sie alle über das Gespräch mit Akisu informiert und dabei erwähnt, dass sich das Idol weder an ihr Verschwinden noch an die Zeit in der Spiegelwelt erinnern konnte. Auch die Persona-App hatte sich anscheinend nicht auf deren Smartphone installiert, was wohl wirklich hieß, dass sie gar keine Persona bekommen hatte. Das war alles mehr als merkwürdig und warf weitere Fragen zu dieser seltsamen Welt auf, die es zu klären galt. Als ob die ganze Sache nicht so schon merkwürdig genug wäre. „Du bist unruhig.“, holte ihn die Stimme seines Vaters aus den Gedanken, woraufhin der Schwarzhaarige leicht erschrocken die Augen öffnete und auf den älteren Mann sah. Dieser saß noch immer mit geschlossenen Augen so da, als sei er in tiefster Meditation. Trotzdem schien er die innere Unruhe in Masaru gespürt zu haben, die ihn durch die Spiegelwelt innewohnte. Der junge Mann senkte den Blick: „Verzeih.“ Seufzend öffnete sein Vater nun ebenfalls seine Augen: „Was beschäftigt dich?“ Erstaunt schnellte Masarus Blick wieder zu seinem Vater. Mit dieser Frage hatte er überhaupt nicht gerechnet, denn normalerweise überließ sein Vater ihn immer seinen eigenen Gedanken und fragte selten nach. „Wenn dich etwas so unruhig werden lässt, dann muss es etwas Wichtiges sein.“, erklärte sein Vater auf die stumme Frage seines Sohnes hin, „Wenn du allerdings nicht darüber sprechen möchtest, ist das auch in Ordnung.“ Masaru schwieg einen Moment und überlegte, wie er seinem Vater erklären sollte, was ihn beschäftigte. Die Spiegelwelt konnte er schlecht erwähnen und auch die Sache mit den Personas nicht. Er hätte Lügen können und die Sache mit dem Tempel erneut vorschieben können, aber auf die darauffolgende Diskussion hatte er keine Lust. Denn gerade wenn es um die Übernahme des Tempels ging war sein Vater ein elendiger Sturkopf, mit dem man sich nicht anlegen sollte. Trotzdem musste er sich etwas einfallen lassen, denn er spürte ganz genau den erwartungsvollen Blick auf sich Ruhen. Doch plötzlich erhob sich sein Vater neben ihm, woraufhin der Schwarzhaarige fragend aufsah und beobachtete, wie der ältere Herr den Rücken durchstreckte und leise murmelte, dass er einfach nicht mehr der Jüngste sei. Dann drehte sich der Grauhaarige wieder zu ihm und sah ihn mit dunklen braunen Augen an: „Wie gesagt, es ist in Ordnung, wenn du nicht mit mir darüber sprechen möchtest oder vielleicht auch kannst. Du bist fast erwachsen, Masaru, und du musst deinen eigenen Weg finden, um Probleme zu bewältigen. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich dir auch zugehört hätte, wenn du hättest drüber sprechen wollen.“ „Tut mir leid, Vater. Es ist nicht so, dass ich nicht drüber sprechen will. Es ist nur…“, begann Masaru mit gesenktem Blick, doch sein Vater unterbrach ihn: „Es ist okay.“ Noch einmal sah der junge Mann auf und blickte in das zwar strenge, aber auch liebevolle Gesicht seines Vaters, welcher sich erneut streckte und dann meinte, dass es Zeit für das Frühstück wäre, zumal sich beide nun eh nicht mehr konzentrieren konnten. Erstaunt beobachtete Masaru, wie sein Vater langsam auf den Durchgang zum Haupthaus zuging, durch welchen er selbst das Dôjô betreten hatte, und hatte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Gefühl ernst genommen zu werden. Die letzten Monate waren für ihn nicht immer einfach gewesen. Vor allem, wenn es um den Tempel ging, den er ja nun übernehmen sollte und wodurch er irgendwie immer zwischen zwei Stühlen saß. Trotz allem bereute er die Gedanken, welche er noch vor wenigen Monaten seinen Eltern gegenüber hatte, aufs tiefste. Nun diese Geste von seinem Vater zu erhalten, versetzte ihm dadurch erst recht einen Stich, machte ihn aber auch überaus glücklich. Vielleicht war es also doch nicht ganz unmöglich noch einmal das Gespräch mit seinen Eltern zu suchen. „Kommst du, Masaru?“, holte ihn die Stimme seines Vaters erneut aus den Gedanken. Schnell nickte der junge Mann und erhob sich aus seiner knieenden Position, um seinem Vater aus dem Dôjô zu folgen. Kurz darauf betraten beide Männer die doch recht geräumige und moderne Küche, woraufhin sie sofort von drei erstaunten Augenpaaren ins Visier genommen wurden. „Ohayou. Ihr Beiden seid aber heute zeitig dran.“, begrüßte sie Masarus Mutter, welche gerade dabei war die Miso-Suppe für das Frühstück zuzubereiten. „Konnte sich der Kleine wieder nicht konzentrieren?“, kam es schelmisch von einem jungen Mann mit schwarzen, etwas längeren Haaren, welcher es sich bereits an dem großen Esstisch bequem gemacht hatte. Die junge Frau mit den schwarzen, langen und mit einer Spange hochgesteckten Haaren lachte nur: „Hayate, sei nicht schon wieder so spitz zu unserem kleinen Bruder.“ Masaru schnaufte nur auf die Bemerkung seiner älteren Geschwister hin und setzte sich ebenfalls an den bereits gedeckten Tisch. Sein drei Jahre älterer Bruder Hayate, sowie seine sechs Jahre ältere Schwester Fuyumi hatten sich über die Sommerferien mal wieder bei seinen Eltern blicken lassen, was diese natürlich unheimlich gefreut hatte. Auch Masaru hatte sich natürlich gefreut die Beiden nach einiger Zeit endlich mal wiederzusehen, doch musste er dann wieder einmal feststellen, dass sie die Gelegenheit wieder einfach großzügig ausnutzten ihn durchgängig zu necken. So sehr ihn das Wiedersehen freute, so sehr hasste er es, dass sie ihn immer noch wie ein kleines Kind behandelten. „Wenn ihr schon da seid, warum wart ihr dann nicht auch bei der Meditation?“, konnte es sich der Jüngste der Anwesenden dadurch auch nicht verkneifen zu fragen. Ein Arm legte sich um seine Schulter und zog ihn zu seinem Bruder heran: „Och. Jetzt ist er wieder beleidigt.“ „Lass den Mist, Hayate!“, murrend befreite sich der Schwarzhaarige aus dem Griff seines Bruders, „Ich bin nicht beleidigt. Das war eine ernst gemeinte Frage.“ „Das weißt du doch, Masa. Oder?“, fragte seine Schwester daraufhin nur mit einem kleinen Lächeln. Erneut schnaufte Masaru. Natürlich wusste er wieso sie nicht da waren. Sie hatten einfach keine Lust mehr darauf. Weder auf die Meditation, noch auf den Tempel allgemein. Nicht umsonst waren sie dem Beispiel ihres ältesten Bruders Junichiro gefolgt und hatten die Stadt verlassen, um außerhalb zu studieren. Zwar blieben die Beiden in Japan, im Gegensatz zu Jun, welcher in Amerika arbeitete, doch trotzdem hatten sie sich damit vorerst aus der Verantwortung gestohlen und ihn damit alleingelassen. Und seine Eltern hatten es erst einmal so hingenommen. Wobei er es ja verstand. Was wollten sie ihren erwachsenen Kindern auch vorschreiben? Er als Jüngster hatte es da wesentlich schwerer sich durchzusetzen. "Nun aber genug gezankt, ihr Drei. Lasst uns lieber frühstücken.", kam es von ihrer Mutter, welche ein Tablett mit fünf gefüllten Suppenschüsseln auf den Tisch stellte und diese verteilte. Daraufhin kehrte Stille in der Küche ein, während sich die Fünf das Frühstück schmecken ließen, welches aus einer Schüssel Reis, zwei Sprotten, Gemüse und einer Schüssel Miso-Suppe bestand. „Da fällt mir ein, dass ich gestern Antwort von Jun bekommen habe. Und ihr werdet nicht glauben, was passiert ist.“, störte Fuyumi jedoch kurz darauf die Stille, bevor sie sich noch einen Happen Reis in den Mund steckte. Ihr Vater hob nur für einen kleinen Moment den Blick, bevor er sich wieder seinem Frühstück zuwandte, während ihre Mutter sie erwartungsvoll ansah. Auch Masaru blickte seine Schwester mit großen Augen an. Hayate allerdings schien es nicht wirklich zu interessieren. Die schwarzhaarige junge Frau schluckte ihr Essen herunter und erzählte weiter: „Jun hat jemanden kennengelernt. Also er hat jetzt eine Freundin. Naja was heißt jetzt? So wie ich das gelesen habe, sind sie wohl schon eine ganze Weile zusammen. Und der Idiot sagt nichts. Das muss man sich mal vorstellen. Dem muss man echt alles aus der Nase ziehen.“ Freudig legte Masarus Mutter die Hände zusammen: „Das ist ja schön für ihn.“ „Wenn er sich nur auch mal öfters hier blicken lassen würde.“, kam es dagegen todernst und leicht verstimmt von Masarus Vater. „Du weißt doch, dass es für ihn schwer ist jedes Mal herzukommen.“, stieß die älterer Frau ihren Mann in die Seite, welcher darauf nur murrte, bevor sie sich wieder an Fuyumi wandte und weitere Details forderte. Daraufhin erzählte die einzige Tochter des Hauses was sie wusste. Masaru jedoch hörte gar nicht mehr wirklich zu. Er hatte den Blick auf sein Essen gerichtet, doch sein Hunger war ihm in diesem Moment mächtig vergangen. Wenn sein ältester Bruder nun also anfing sich in Amerika ein eigenes Leben aufzubauen wurde die Chance, dass er wieder zurückkam und den Tempel doch noch übernahm, immer geringer. Auch von seinen anderen Geschwistern konnte der Schwarzhaarige keinen Einsatz für den Tempel erwarten, das wusste er. Egal wie er es drehte, es blieb an ihm hängen. Nun war ihm der Hunger endgültig vergangen, weshalb er nur still seinen Stuhl zurückschob und sein Geschirr zusammensammelte, ehe er dieses auf die Anrichte der Küche stellte. Aufmerksame Blicke beobachteten ihn, während er zur Tür ging und diese aufschob. „Ich kümmere mich schon mal um den Hof.“, meinte er nur, bevor er hinter sich die Tür zuschob und sich dann hinaus auf den Innenhof begab, um aus dem Schuppen einen Reisigbesen zu holen. Er wusste, dass sein Vater es nicht mochte, wenn er einfach während des Frühstücks aufstand und ging, weshalb er die Arbeit vorgeschoben hatte. So richtig Lust hatte er eigentlich auch nicht darauf, aber er hoffte, dass er dadurch eventuell auf andere Gedanken kommen würde. Außerdem wollte er nicht länger in der Küche bleiben. Da war es ihm doch lieber den Hof zu fegen. Seufzend öffnete er den kleinen Schuppen und schnappte sich einen Besen, eher er mit seiner Arbeit begann. „Hey Masa.“, hörte er plötzlich eine weibliche Stimme hinter sich, weshalb er bei seinem Tun kurz stockte und dann versuchte seine Schwester zu ignorieren. Auch wenn er wusste, dass er sich gerade wie ein trotziges Kind verhielt, so hatte er einfach keine Lust nun mit ihr zu sprechen. Ihm war es ja selbst peinlich, dass er sich so benahm, doch konnte er gegen diesen Drang in diesem Moment nichts tun. „Masa~“, hörte er erneut seinen Spitznamen, dieses Mal allerdings sehr langgezogen, was er erneut ignorierte. Seine Schwester gab jedoch nicht auf: „Och Mensch, Masaru~.“ „Urgh! Was denn nur!?“, fragte der Schwarzhaarige genervt und blickte zu Fuyumi, welche ihn nur breit angrinste. Sofort war dem Jüngeren klar, dass er wieder einmal auf den üblichen Trick seiner Schwester hereingefallen war. Diesen hatte sie schon früher benutzt, wenn er bockig war und mit ihr nicht sprechen wollte. Und auch dieses Mal hatte es wieder funktioniert, dass er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, obwohl er sie ignorieren wollte. Er seufzte und rieb sich die Nasenwurzel, während er seinen Blick senkte. Dabei merkte er nicht einmal, wie die Ältere sich auf ihn zubewegte. Erst als er bemerkte, wie er in eine Umarmung gezogen wurde, blickte er wieder auf und in das lächelnde Gesicht seiner Schwester, welches allerdings auch Mitgefühl wiederspiegelte. „Tut mir leid, dass das alles an dir hängen bleibt. Das war nicht unsere Absicht. Auch nicht Juns. Das musst du uns glauben.“, sagte die Schwarzhaarige, „Aber… niemand zwingt dich dazu, den Tempel zu übernehmen. Keiner kann dich davon abhalten, das zu tun, was du willst.“ „Das sieht Vater anders.“, murmelte der Jüngere, woraufhin seine Schwester seufzte. „Ich weiß. Die Diskussionen haben wir alle zur Genüge durch.“, meinte sie dann, „Aber auch Vater kann dich nicht davon abhalten, wenn du nach der Schule den Tempel verlassen willst. Dann muss er sich einen anderen Nachfolger suchen. Er könnte zum Beispiel wieder Schüler einstellen.“ Masaru befreite sich aus der Umarmung seiner Schwester und wandte sich wieder dem Fegen zu: „Das sagt sich so einfach.“ „Ich weiß. Er ist ein oller Sturkopf.“, lachte Fuyumi, „Aber trotzdem kann er dich nicht zu etwas zwingen, was du nicht möchtest. Und das weißt du, Masaru. Wenn du den Tempel nicht übernehmen möchtest, dann musst du das nicht tun. Jun und Hayate sind im Übrigen der gleichen Meinung. Deshalb solltest du aufhören dich damit zu belasten und das tun, was du möchtest.“ Wieder stoppte Masaru bei seiner Arbeit und ließ die Schultern sinken: „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was ich will. Ich kann mir nicht vorstellen das hier alles zu übernehmen, aber ich will mir auch nicht vorstellen, dass jemand anderes das hier alles übernimmt. Ach keine Ahnung. Ich habe die letzten Monate viel über alles nachgedacht, aber ich komme dabei einfach nicht auf ein Ergebnis.“ Die Schwarzhaarige bedachte ihren jüngeren Bruder mit einem mitfühlenden Blick: „Noch ist ja etwas Zeit und du kannst in Ruhe darüber nachdenken. Und wenn du darüber sprechen möchtest, dann haben wir alle ein offenes Ohr für dich. Ich hoffe das weißt du, Brüderchen.“ Erstaunt sah der Jüngere zu seiner Schwester. Früher haben seine älteren Geschwister jede Möglichkeit genutzt ihn aufzuziehen, weshalb er solche Worte von der Älteren nicht erwartet hatte. Doch musste er damit feststellen, dass auch sie in den letzten Jahren erwachsener geworden war. Ihn überkam ein leichtes schlechtes Gewissen, weil er sich so kindisch verhalten hatte, weshalb er wieder den Blick senkte. Jedoch sah er wieder auf, als sich seine Schwester streckte und meinte, sich nun ebenfalls an die Arbeit machen zu müssen. Erst in diesem Moment fiel dem Schwarzhaarigen auf, dass die Ältere ebenfalls ihre Tempeltracht trug: Einen roten Hakama und das dazugehörige weiße Oberteil. Ihre Haare hatte sie jedoch immer noch mit einer Spange hochgesteckt und es sah auch nicht so aus, als würde sie das ändern wollen. „Schau nicht so überrascht. Mutter hat uns gebeten zu helfen und naja… wir können uns ja hier auch nicht nur durchfuttern, ohne wenigstens etwas zu machen. Außerdem schien Vater doch etwas verstimmt und wir wollten ihn wieder etwas gnädig stimmen.“, lachte Fuyumi und machte sich auf den Weg in den vorderen Teil des Tempels, wo die Ema verkauft wurden, „Falls du mich suchst, ich bin vorne im Talisman- und Emashop.“ Damit war die Schwarzhaarige verschwunden. Masaru hatte ihr eine Weile hinterhergesehen, bis sie aus seinem Sichtfeld verschwunden war und hatte sich dann wieder dem Fegen des Hofes gewidmet. Die Arbeit ging ihm nun doch plötzlich etwas leichter von der Hand. Auch er selbst fühlte sich etwas leichter, als noch vor einigen Minuten. Zu wissen, dass seine Schwester und anscheinend auch seine älteren Brüder hinter ihm standen, machte ihn irgendwie glücklich, sodass er nun leicht summend seine Arbeit verrichtete. Am späten Nachmittag hatte sich der Schwarzhaarige mitsamt seiner Kendoausrüstung im Dôjô eingefunden, genau wie einige andere junge Männer, welche die Kendo-Schule seines Varters besuchten. Schweigend saßen sie alle in einer Reihe und warteten darauf, dass der Meister die Halle betrat, doch noch ließ er auf sich warten. Als sich eine Tür des Dôjôs öffnete waren sofort alle Blicke auf diese gerichtet, in der Erwartung, dass endlich der Meister kam, doch wurden die jungen Männer enttäuscht. Überrascht blickte Masaru auf den Neuankömmling, welcher in die Halle stolperte und sich dann mit einem breiten Grinsen neben ihn setzte. Es war sein älterer Bruder Hayate, welcher soeben Platz genommen hatte und dem der erstaunte Blick seines jüngeren Bruders aufgefallen war. Vorsichtig lehnte sich der Ältere zu ihm herüber: „Ich hab Vater gebeten heute am Training teilnehmen zu dürfen. Ich dachte es wäre schön mal wieder das Bambusschwert zu schwingen. Wie wäre es also nachher mit einem Übungskampf, Brüderchen?“ „Das haben nicht wir zu entscheiden, Hayate. Das weißt du.“, flüsterte Masaru ernst und blickte auf, als die Tür erneut aufging und nun endlich sein Vater die Übungshalle betrat. Sofort gingen alle Schüler in eine tiefe Verbeugung. Zu Masarus Überraschung sogar Hayate. In seiner Familie war es üblich, dass die Jungs ebenfalls im Kendo unterrichtet wurden. Sein Vater hatte da keine Ausnahmen gemacht, doch wusste Masaru auch, wie sehr Hayate dieses Training verabscheut hatte, denn es war hart und es gab keine Ausreden, um nicht daran teilnehmen zu müssen. Der Ältere hatte es mehrere Male versucht, damit jedoch nur den Unmut seines Vaters auf sich gezogen und sich am Ende doch gebeugt. Allerdings hatte er es dadurch nicht wirklich ernst mit den Benimmregeln genommen und gerne auch mal die Verbeugung weggelassen, was oft dazu führte, dass er gegen Junichiro oder gar gegen seinen Vater trainieren musste und dabei kläglich verlor. Hatte er einen guten Tag, dann war meist Masaru sein Gegner gewesen. Der Jüngere musste zu diesem Zeitpunkt schmerzhaft feststellen, das Hayate, obwohl er keine Lust auf diesen Sport hatte, trotzdem ziemlich gut darin war. Damals hatte der Jüngere keine Chance gegen ihn gehabt und war nicht nur einmal schmerzhaft zu Boden gegangen. Die blauen Flecken, die er sich an diesen Trainingstagen zugezogen hatte, hatte er irgendwann aufgehört zu zählen. Zudem hatte er zum damaligen Zeitpunkt das Gefühl gehabt, dass Hayate an ihm seinen Frust ausgelassen hatte. Wahrscheinlich war es sogar so gewesen, doch hatte er das niemals angesprochen. Allerdings erinnerte er sich nicht gerne daran zurück. Wiederum konnte er sich dem Gedanken nicht entziehen, dass er heute Rache dafür nehmen konnte, auch wenn er wusste, dass es der falsche Weg war an diesen Sport heranzugehen. Und trotzdem hatte er plötzlich das Bedürfnis doch gegen seinen Bruder zu kämpfen. Mit einem Räuspern verschaffte sich Masarus Vater die volle Aufmerksamkeit seiner Schüler und mit einer höflichen Begrüßung, welche ebenso höflich erwidert wurde, begann er seinen Unterricht. Jedoch nicht sofort mit dem Schwertkampf. Wie es sich gehörte begann der Meister die Stunde mit einer kurzen Sitzmeditation, wodurch sogleich wieder Stille in der Übungshalle einherging. Erst danach begann das eigentliche Training, welches aus Suburi, den Bewegungsübungen, und dem Ashi-Sabaki, der Fußbewegung, bestand. Masaru, wie auch seine Mitschüler, machten geduldig ihre Übungen, während der Schwarzhaarige an seinem Bruder etwas feststellte, was auch bereits die Jahre zuvor zu Problemen geführt hatte. Denn genau diese Übungen machte Hayate sehr ungern, weil sie ihn langweilten. Das wussten der Jüngere und auch sein Vater genau, doch wusste der Ältere auch, dass sie zum Training gehörten. Natürlich machte er seine Übungen mit, allerdings nicht wirklich mit Begeisterung. So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis seinem Vater der Geduldsfaden riss. „Genug!“, schallte es plötzlich durch die Halle, woraufhin alle kurz zusammenzuckten und sich dann in eine Reihe aufstellten, „Hayate, wenn du schon am Unterricht teilnimmst, dann mach es wenigstens ordentlich.“ Der junge Mann verdrehte die Augen: „Aber diese Übungen sind so langweilig. Da schläft man doch ein.“ Die Spitze den Bambusschwertes, welches sein Vater in der Hand hielt, wurde auf ihn gerichtet: „Disziplin, Durchhaltevermögen und Respekt gehören zu den Grundpfeilern des Kendos. Das solltest du nach all den Jahren wissen.“ Wieder hatte Hayate die Augen verdreht und seinen Vater sogar nachgeäfft, bevor er lautstark die Luft aus seinen Lungen blies: „Ja, ja. Ich weiß. Trotzdem ist das langweilig. Au…“ Das Schwert seines Vaters hatte ihn am Kopf getroffen, ebenso dessen strenger und durchdringender Blick, der sogar Masaru zusammenzucken ließ: „Wie ich sehe hast du dich nicht geändert, Hayate. Gut, wenn du meinst, dass du es nicht nötig hast, dann zeig mir was du kannst. Masaru!“ Sofort stand der Jüngere kerzengerade, während das Schwert seines Vaters auf ihn zeigte. „Zeig deinem Bruder, wie wir bei uns trainieren.“, forderte der alte Mann ernst. Masarus Blick ging zu seinem Bruder, welcher ihn schelmisch angrinste. Er konnte den Augen Hayates förmlich ablesen, wie sie ihm sagten, dass er ihn fertigmachen würde. Doch im Gegensatz zu den Jahren zuvor, wo sich der Jüngere von diesem Blick hatte einschüchtern lassen, blieb er dieses Mal gelassen. Ja, er hatte sogar richtige Vorfreude darauf, immerhin wusste er, dass sein älterer Bruder in den letzten Jahren wahrscheinlich so gut wie gar nicht trainiert hatte. Er wiederum hatte keine seiner Kendostunden verpasst, sei es in der Schule, noch in dem Dôjô seines Vaters. Angst brauchte er also gar keine zu haben. Trotzdem wusste er, dass er vorsichtig sein musste, denn Hayate kannte einige schmutzige Tricks auf die er als Kind nicht nur einmal hereingefallen war. Allerdings verhinderte dies nicht, dass sich ein leichtes Grinsen auf sein Gesicht legte, während er sich seinem Bruder gegenüberstellte. Das kurze Rascheln der Hakamas und das Klackern der abgelegten Helme, als sich alle Schüler im Raum an den Rand des Dôjôs setzten, um diesem Kampf zuzusehen, verstummte nur wenige Minuten nachdem es aufgetreten war. „Bis einer zu Boden geht oder das Schwert fallenlässt. Aber bleibt fair.“, verkündete der Meister ruhig und hob seinen Arm, um abzuwarten bis beide Gegner sich voreinander verbeugt und dann in Stellung gebracht hatten. Erst danach ließ er den Arm sinken und ging zur Seite, woraufhin der Kampf beginnen konnte. Anfangs jedoch standen sich die beiden Brüder nur gegenüber und schienen den ersten Zug des anderen abzuwarten. Masaru jedoch wusste, dass Hayate nicht der Geduldigste war und so war es auch nicht verwunderlich, als dieser seinen ersten Angriff wagte und nach vorn stürmte. Sofort machte der Jüngere einen Satz zurück und wich somit nur ganz knapp dem Schwert des Anderen aus, das ihn fast am rechten Handgelenkt getroffen hätte. Jedoch eröffnete sich ihm bei diesem Angriff eine Lücke für einen Gegenangriff, woraufhin auch er nun nach vorn stürmte und seinen Bruder mit dem Ausruf „Migi“ an der rechten Bauchseite traf. Dieser zuckte zusammen, woraufhin der Jüngere wieder zurück in seine Ausgangsposition ging und grinste. „Nicht schlecht, Kleiner.“, grinste auch Hayate und ging ebenfalls zurück in Stellung, „Ich sehe, du hast geübt.“ „Mehr als du auf jeden Fall.“, meinte Masaru nur. So standen sie sich wieder wie zu Beginn gegenüber und warteten darauf, dass der Erste seinen Zug machte. Aus seinen letzten Kämpfen jedoch hatte Masaru gelernt geduldiger zu sein und wartete deshalb ab, immerhin ging es hier nicht wie in einem Wettkampf nach Zeit. Es dauerte auch nicht lange und seine Geduld zahlte sich aus, als Hayate erneut zum Angriff überging, was der Jüngere jedoch zu parieren wusste. Anders als beim ersten Angriff seines Bruders ließ er ihm dieses Mal keine Möglichkeit für einen Gegenangriff, weshalb ihm vorerst nur die Verteidigung blieb. Doch auch als er endlich eine Lücke und somit die Gelegenheit zu einem Gegenangriff fand, so hatte sein Bruder sich darauf eingestellt und schaffte es seine Schläge dieses Mal zu parieren. Dadurch gab er diesem allerdings auch die Möglichkeit einige Treffer zu landen, welche jedoch nicht zum Sieg führten. So zog sich dieser Kampf über mehrere Minuten, in denen sich beide Brüder nichts schenkten und immer wieder gegenseitig Treffer kassierten. Den anderen Schülern in der Halle blieb dabei der Mund offenstehen, während der Vater der Beiden den Kampf mit voller Aufmerksamkeit beobachtete und sich dabei über das Kinn strich. Erstaunt darüber, dass sein älterer Sohn doch noch so viel des Trainings behalten hatte, musste er nun zusehen, wie Masaru immer weiter zurückgedrängt wurde, es jedoch schaffte trotzdem jeden weiteren Schlag Hayates zu parieren. „Hm?“, der alte Mann sah interessiert auf, als er plötzlich eine Lücke in Hayates Verteidigung bemerkte. Doch noch bevor er sich fragen konnte, ob diese auch seinem jüngsten Sohn aufgefallen war, hatte dieser seine Chance bereits genutzt und seinem Bruder mit einem lauten „Tsuki“ einen Stoß gegen die Kehle versetzt, welche durch den Helm geschützt war. Völlig überrascht über diese Aktion versuchte Hayate zu parieren, doch da war es bereits zu spät. Das Schwert seines jüngeren Bruders traf ihn hart und ließ ihn einen Moment später zu Boden gehen. Mit einem dumpfen Knall landete der Ältere auf dem Boden, während sein Schwert scheppernd ebenfalls neben ihn fiel. „AUS!“, schrie ihr Vater und hob den Arm, „Masaru hat gewonnen.“ Ein Raunen ging durch die Schüler, während Masaru schwer atmend vor seinem Bruder stand. So richtig glauben konnte er es nicht, aber er hatte tatsächlich gegen Hayate gewonnen. Zum ersten Mal. Er war so erstaunt darüber, dass er beinahe seine Manieren vergaß, wenn sein Vater ihn nicht mit einem Räuspern daran erinnert hatte. Schnell verbeugte sich der Schwarzhaarige vor seinem Bruder, welcher sich langsam wieder aufrichtete und sich die Stelle unter seinem Helm rieb, welche Masaru getroffen hatte. „Urgh… Das war hart.“, murmelte er, „Nicht schlecht, Brüderchen. Ich hätte nicht gedacht, dass du so gut geworden bist.“ Der Angesprochene wusste gar nicht was er sagen sollte, deshalb übernahm sein Vater dies für ihn: „Im Gegensatz zu dir trainiert Masaru auch regelmäßig. Es war also abzusehen. Das sollte dir aber auch eine Lehre sein, Hayate. Unterschätze niemals deinen Gegner, selbst wenn du der Meinung bist ihm überlegen zu sein.“ „Schon klar.“, langsam stand Hayate wieder auf und löste seinen Helm, um diesen von seinem Kopf zu nehmen, „War ein guter Kampf, Brüderchen. Vielleicht können wir das ja mal wiederholen. Dann kannst du dich aber auf was gefasst machen.“ „Wenn du meinst.“, Masaru konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als ihm sein Bruder die Hand entgegenhielt, in welche er einschlug. Später am Abend lag der Schwarzhaarige auf seinem weichen Bett und tippte noch eine Nachricht auf seinem Smartphone, als ihm eine eingehende Nachricht angezeigt wurde. Schnell schrieb er noch den Text zu Ende, an dem er bereits getippt hatte und schickte diesen ab, bevor er den Chat von sich und seinem besten Kumpel öffnete. Erstaunt blickte er auf die Zeilen, die der Braunhaarige geschrieben hatte, in welchen dieser ihn fragte, ob er Lust habe am nächsten Tag mit ihm und Amy gemeinsam einen kleinen Stadtbummel mit abschließendem Kinobesuch zu machen. Etwas irritiert, wieso sein Kumpel ihn bat mitzukommen, wenn er mit einem Mädchen unterwegs war, antwortete Masaru ob Dai nicht lieber mit der Blonden alleine sein wollte. So viel Anstand hatte der Schwarzhaarige, immerhin wusste er, dass sein bester Kumpel in die Managerin des Kyûdo-Clubs verliebt war. „Es war Himes Idee dich zu fragen, ob du mitkommen möchtest. Ich war auch irritiert, aber an sich habe ich nichts dagegen, wenn wir was zu Dritt machen. Außerdem ist Hime eine echte Shopping Queen. Ich könnte also Hilfe beim Tragen gebrauchen. xD“, “, war die Antwort des Braunhaarigen kurz darauf. Masaru musste schmunzeln und antwortete nur knapp, dass Dai es also nur ausnutzte, um nicht alles alleine schleppen zu müssen. Doch nachdem dieser ihm nur ein kurzes „äh x‘D“ geantwortete hatte, stimmte Masaru dem Treffen am nächsten Tag zu. Amy würde schon ihre Gründe haben, wieso sie vorgeschlagen hatte, dass auch er mitkam. Nachdem sich beide jungen Männer eine Zeit für den nächsten Tag ausgemacht hatten, stand der Schwarzhaarige auf, um sein Smartphone sorgfältig auf seinen Schreibtisch zu legen und sich danach selber ins Bett zu machen. Es war spät und er hatte einen langen Tag hinter sich, sodass die Müdigkeit nicht lange auf sich warten ließ. Mit einem gekonnten Griff schaltete er die kleine Lampe auf seinem Nachttisch aus, sodass Dunkelheit in sein Zimmer einkehrte. Es dauerte auch nicht lange und der junge Mann war mit dem Gedanken, dass es an sich doch ein ganz guter Tag war, tief und fest eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)