Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 36: XXXVI - Neue Bekanntschaften ---------------------------------------- Freitag, 17.Juli 2015 Gähnend betrat Mirâ die U-Bahn, welche sie zu ihrer Highschool fahren sollte. Vorsichtig schob sie sich an den Menschen vorbei, die sich an der Tür drängelten, ehe sie sich zu dem Platz fand, wo sie und Akane sich jeden Morgen trafen. Auch an diesem Morgen saß die Braunhaarige an ihrem bekannten Platz, jedoch schien sie dieses Mal keine Kenntnis von Mirâ zu nehmen. Auch als die Violetthaarige näher heran trat, reagierte ihre Freundin nicht, sondern starrte nur aus dem Fenster auf die kahle Wand der U-Bahnstation. Die Bahn fuhr an und Mirâ griff schnell nach oben an einen der Griffhaken, damit sie nicht gegen einen der anderen Passagiere flog. Dann tippte sie ihre Freundin vorsichtig an, welche aufschrak, sie aber auch endlich anschaute. „Oh. Guten Morgen Mirâ. Bist du schon lange hier?“, fragte sie leicht irritiert. Die Angesprochene zeigte auf den überfüllten Eingangsbereich der Bahn: „Ich bin gerade dazu gestiegen. Ist alles in Ordnung?“ Akane nickte: „Ja, ich bin nur müde. Das gestern war echt hart und hat mich ganz schön mitgenommen. Ich konnte gar nicht wirklich einschlafen.“ „Kann ich verstehen.“, murmelte Mirâ, „Deinen Beinen geht es auch wieder besser?“ Ihre Freundin nickte und lehnte ihre Stirn gegen das kalte Fenster der Bahn, während sie murmelte, wie peinlich ihr das am vergangenen Abend doch war. Untermalt wurde diese Aussage noch mit einem leichten Rotschimmer, welcher sich auf den Wangen der Braunhaarigen bildete. Mirâ lächelte leicht. Sie konnte ihre Freundin verstehen. Auch ihr war es damals peinlich gewesen, als Hiroshi sie getragen hatte. Für Akane jedoch war es wohl noch schlimmer, da sie sonst immer eine starke Persönlichkeit war und auch ihr Körper sonst großer Belastung standhielt. Dass sie in diesem Moment Schwäche zeigte, war ihr sehr unangenehm und das konnte Mirâ nachvollziehen. Nach der Eroberung des Dungeons hatte Yasuo die Braunhaarige selbstlos getragen, bis diese wieder der Meinung war selber laufen zu können. Auf dem Weg hinaus hatte Mirâ eher beiläufig mitbekommen, wie Akane den jungen Mann gefragt hatte, wieso er dies für sie tat, immerhin war die junge Frau der Meinung, dass er sicher auch erschöpft war. Doch der Blauhaarige hatte nur kurz geschwiegen und dann gemeint, dass sie sich darüber keine Gedanken machen brauche, immerhin waren sie gekommen um ihn zu retten. Außerdem hatte sie ihn wieder zur Vernunft gebracht, da sei dies das Geringste, was er tun konnte. Danach war wieder Schweigen ausgebrochen. Die Violetthaarige war sicher, dass Akane dachte, dass niemand ihr Gespräch mitbekommen hatte, deshalb sprach sie ihre Freundin auch nicht darauf an. Ein Seufzen holte sie aus den Gedanken und ließ sie zu ihrer Freundin blicken, welche wieder hinaus auf die vorbeihuschenden Wände blickte und schwieg. Mirâ war sich nicht sicher, ob wirklich alles in Ordnung war, doch ihre Freundin würde ihr auf die Frage wahrscheinlich eh nur sagen, dass alles gut sei. Deshalb beließ sie es erst einmal dabei. Sobald Akane darüber sprechen wollte, würde sie das wohl auch machen, da war sich die junge Frau sicher. Als sich die kleine Gruppe zur Mittagspause auf dem Dach verabredete schien alles wieder normal. Freudig stürzte sich Akane auf ihre, von ihrer Mutter liebevoll gefüllte, Lunchbox und beschwerte sich darüber, wie grässlich langweilig doch der Matheunterricht war, woraufhin wieder eine kleine Diskussion zwischen ihr und Hiroshi entstand, dass es doch nicht so schwer war. Dieses Verhalten beruhigte Mirâ, denn es verriet, dass wirklich alles in Ordnung war. Nachdem beide ihre Diskussion beendet hatten, kam Hiroshi auf das Thema Yasuo zu sprechen und fragte Masaru nach dessen Befinden, immerhin hatte dieser ihn am Abend nach Hause begleitet. Der Schwarzhaarige erklärte kurz, dass Yasuo recht fit wirkte, die restlichen Tage bis zum Wochenende allerdings trotzdem noch zu Hause blieb. Das war dem Blauhaarigen laut Masaru wohl nur allzurecht, immerhin war er ein notorischer Schulschwänzer. Außerdem erzählte der Ältere, dass sein Klassenkamerad bisher keine Fragen darüber gestellt hatte, was überhaupt passiert war. Er schien es einfach so hinzunehmen. Trotzdem hatte der Schwarzhaarige ihm seine Handynummer gegeben, falls dieser doch noch Fragen habe. Dem zu hatte er dem Blauhaarigen gesagt, dass er sich darauf einstellen sollte, dass die Gruppe definitiv noch einmal mit ihm sprechen wollte. "Er hat es so hingenommen.", beendete Masaru seine Erzählung. "Die Frage ist, wann wir es schaffen mit ihm zu sprechen.", sagte plötzlich Kuraiko, woraufhin sie fragende Blicke trafen. Anscheinend konnte sich in diesem Moment niemand vorstellen, wieso sie es nicht schaffen sollten mit Yasuo darüber sprechen zu können. Die Schwarzhaarige seufzte: "Vergessen? Nächste Woche sind Trimesterprüfungen." Noch ehe sie erwähnen konnte, dass danach die Sommerferien begannen, hörte sie ein synchrones genervtes Stöhnen aus Richtung Akane und Hiroshi: "Musstest du uns daran erinnern?" Eine weitere männliche Stimme hatte sich in diesem Moment zu ihnen gesellt und den gleichen Satz zeitgleich mit ihnen gesagt, was die Beiden erschrocken zwischen sich blicken ließ. Dort hockte Shuya, welcher grinsend die Hand hob und die Gruppe mit einem "Yo" begrüßte. Kuraiko stöhnte auf: "Nicht diese Nervensäge." Nörgelnd erhob sich Shuya und fragte die Schwarzhaarige, warum sie sich immer über ihn beschwerte. Doch sein Tonfall klang nicht so, als würde er ihr böse sein, sondern eher, als würde er wieder mit ihr flirten. Die junge Frau sprang allerdings nicht auf seine Flirtversuche an und fragte nur genervt, was er überhaupt hier zu suchen hatte. Der Violetthaarige schaute in den Himmel und erklärte dann, dass er eigentlich mit einigen Jungs aus dem Klub Fußball spielen wollte, diese aber plötzlich anderen Mist im Kopf hatten. Da er keine Lust hatte daran teilzunehmen, dachte er, er könne mit der Gruppe zusammen die Pause verbringen, immerhin war Hiroshi auch sein Kumpel und in letzter Zeit hatten sie diesen Luxus nur noch selten genossen. "Wie lange bist du schon hier?", fragte der Blonde plötzlich panischer, als er es wohl eigentlich wollte. Auch Mirâ fiel ein, dass sie kurz zuvor noch mehr oder weniger über die Spiegelwelt geredet hatten und dieses Gespräch eigentlich nicht für andere Ohren bestimmt war. Also auch nicht für Shuya. Hiroshis Reaktion war also vollkommen verständlich, doch Shuya sah ihn nur fragend an, überlegte dann kurz und meinte, dass er gerade dazu kam, als Kuraiko erzählte, dass in der nächsten Woche die Trimesterprüfungen waren. Die gesamte Gruppe atmete erleichtert auf, was Shuya nur noch irritierter schauen ließ. Fragend sah er zu Hiroshi: "Hab ich gestört?" Der Blonde schüttelte den Kopf und meinte, dass es ok sei und er sich darüber keine Gedanken machen sollte. Sein Kumpel legte den Kopf schief, beließ es aber vorerst dabei und setzte sich zwischen Akane und Hiroshi. "Sagt mal. Nächste Woche nach den Prüfungen beginnen die Sommerferien. Habt ihr vielleicht Lust auf das Tsukinoyo zu gehen?", fragte er plötzlich. "Das Tsukinoyo?", fragte Mirâ irritiert. Ein vertrautes Gefühl überkam die Violetthaarige, so als hätte sie diesen Begriff schon einmal gehört. Vielleicht hatte sie mal darüber gelesen, doch das Gefühl, welches sie überkam, war eher wie ein Déjà-vu. Hatte sie es einmal als Kind gehört? Aber wo? In allen Städten, in denen sie vorher war, hatte sie diesen Begriff nie gehört. Sie versuchte sich zu erinnern, aber es war, als wäre diese Erinnerung nie existent gewesen oder zu weit weg, um sie zu greifen. Leichte Kopfschmerzen überkamen die junge Frau, welche jedoch schnell wieder verschwanden, als sie versuchte nicht mehr daran zu denken. Wahrscheinlich hatte sie einen ähnlichen Begriff schon einmal gehört und assoziierte diesen nun mit dem Wort, deshalb fragte sie ihre Freunde, was das Tsukinoyo denn überhaupt sei. Masaru erklärte daraufhin, dass es sich dabei ursprünglich um einen traditionellen Tag in der Stadt handelte. Immer am ersten Vollmondabend im August strömten die Menschen in die Tempel, um für ihr Glück zu beten. Ungefähr so, wie zu Neujahr. Doch mittlerweile war daraus ein großes Volksfest geworden, welches mehrere Tage ging. Das Beten war mittlerweile eher nebensächlich geworden. Selbst sein Vater, so meinte der Schwarzhaarige, würde das Fest vor allem nutzen, um Werbung für den Tempel und das Kendo-Dojô zu machen. Dies sei auch der Grund, weshalb er nicht mit zu dem Fest gehen konnte, denn an diesen Tagen musste er immer im Tempel und im Dojô aushelfen. "Hu?", kam es langgezogen von Shuya, "Ich wusste gar nicht, dass deiner Familie ein Tempel gehört, Senpai." Masaru lächelte leicht und meinte, dass er dies ja auch nicht an die große Glocke hänge, sodass es nicht verwunderlich war. Trotzdem tue es ihm leid, dass er für das Fest absagen müsse. Akane jedoch war begeistert von der Idee, auf das Fest zu gehen, auch wenn sie sich ärgerte, dass sie nicht selbst auf die Idee gekommen war, und auch Hiroshi stimmte dem Vorhaben zu. Obwohl Kuraiko klang, als würde sie das Fest nicht interessieren, meinte sie, dass sie versuchen wolle sich für den Tag Zeit zu nehmen, um mitzukommen, was Shuya ein Strahlen auf das Gesicht zauberte. Er unternahm einen weiteren Versuch die Schwarzhaarige zu umarmen, doch bekam nur leicht ihren Ellenbogen in den Magen, weshalb er, sich den Bauch haltend, in die Knie ging. Auch Mirâ war von dieser Idee begeistert und so entschloss sich die Gruppe gemeinsam auf das Fest zu gehen. Sich streckend verließ Mirâ nach dem Unterricht den Eingangsbereich der Schule und wollte sich auf den Heimweg machen. Akane hatte sich wieder einmal vorzeitig verabschiedet, nachdem sie einen Anruf ihrer Mutter erhalten hatte und auch ihre anderen Freunde waren bereits nicht mehr vor Ort, weshalb die Violetthaarige ihren Heimweg wieder alleine antreten musste. Nach ihrem Musikplayer suchend kramte sie in ihrer Schultasche und merkte dabei nicht, wie jemand an ihr vorbeischlich. Erst als sie den gesuchten Gegenstand gefunden hatte und triumphierend aus der Tasche zog, sah sie auf und konnte gerade noch erkennen, wie Megumi aus dem Tor hinaus nach links um die Ecke bog. Ihr einfallend, dass sie mit der Kleinen noch einmal reden wollte, nahm sie ihre Beine in die Hand und folgte der jüngeren Schülerin. Aufgrund ihrer doch längeren Beine konnte die Violetthaarige den Abstand zu Megumi doch relativ schnell aufholen. Immer wieder rief sie nach der Kleinen, doch diese schien nicht reagieren zu wollen und stoppte erst, als Mirâ sie erreicht und vorsichtig am Arm gepackt hatte. Erschrocken drehte sich die Braunhaarige um und sah zu der älteren Schülerin auf. „Ist alles in Ordnung Megumi-Chan? Wieso rennst du denn vor mir weg?“, fragte diese irritiert, „Ist etwas passiert?“ „I-Ich renne doch nicht weg.“, meinte die Kleine stotternd, „I-ich ha-hab dich nur nicht gehört. E-Es ist alles in Ordnung. I-Ich hab es etwas eilig. Entschuldige mich, Senpai.“ Damit hatte sich die Kleine aus dem leichten Griff der Violetthaarigen befreit und war davon gelaufen. Total perplex sah Mirâ ihr nach. So richtig glauben, dass alles in Ordnung war, konnte sie nicht. Hatte sie Probleme? Oder hatte Mirâ der Kleinen unbewusst Unrecht getan, dass sie sauer war? So richtig wusste die junge Frau keinen Rat darauf. Vielleicht hatte es Megumi ja wirklich nur eilig. Die Prüfungen standen immerhin an. Wahrscheinlich wollte sie schnell nach Hause und lernen. So richtig beruhigen konnte Mirâ dieser Gedanke nicht, aber sie konnte sich ansonsten vorerst keinen anderen Grund vorstellen, weshalb die Kleine so schnell weg wollte. Die junge Frau seufzte und machte auf dem Absatz kehrt, um sich auf den Weg zur U-Bahn zu begeben, als sie plötzlich etwas Schweres an ihrem Arm spürte. Erschrocken blickte sie an diesen und erkannte Matsurika, welche sie breit lächelnd ansah. „Hallo Senpai!“, grüßte sie freundlich. "Ha-Hallo Watanabe.", grüßte auch Mirâ, "Uhm... gehst du nicht mit Megumi-Chan nach Hause?" "Megumi?", mit fragendem Blick ließ die Schwarzhaarige von Mirâs Arm ab, "Sie meinte vorhin zu mir, dass sie ganz schnell nach Hause müsse und wir deshalb nicht zusammen gehen können. Deshalb dachte ich, sie sei schon weg." "Aber sie ist doch gerade erst an mir vorbei...", kurz zeigte die Ältere in die Richtung, in welche Megumi verschwunden war, "Weißt du was mit ihr los ist? Ich mache mir irgendwie Sorgen um sie, aber sie geht mir seit einiger Zeit aus dem Weg." Matsurika blickte kurz in die Richtung, in welche Mirâ gezeigt hatte, doch wandte sich dann wieder der Violetthaarigen zu und meinte, das Megumi manchmal solche Angewohnheiten hatte. Sie konnte ihre Gefühle nicht gut in Worte fassen und wenn sie etwas beschäftigte, dann zog sie sich gerne zurück und versuchte dem ganzen Problem aus dem Weg zu gehen. Die jüngere Schülerin erklärte, dass sie schon oft versucht habe der Kleinen diese Angewohnheit abzugewöhnen, Megumi aber nicht aus sich heraus kam. "Hat Megumi aktuell irgendwelche Probleme, die sie beschäftigen?", fragte Mirâ gerade heraus, woraufhin die Jüngere kurz zu überlegen schien, dann aber den Kopf schüttelte, "Wird sie vielleicht wieder gemobbt?" "Megumi wird gemobbt?", kam eine Gegenfrage, was die Violetthaarige erstaunt aufschauen ließ, "Naja... Wir sind ja in unterschiedlichen Klassen, deshalb bekomme ich nicht so mit, was in ihrer Klasse so abgeht. Sie redet mit mir auch nicht darüber. Aber das würde erklären, weshalb ihre Zeichenblöcke immer so kaputt aussehen." Ein besorgter Blick umspielte Matsurikas Gesicht und sie sah noch einmal in die Richtung, in die Megumi vor geraumer Zeit verschwunden war. Mirâ beobachtete sie kurz und hatte das Gefühl, dass sich die Schwarzhaarige dieses Mal ernsthafte Gedanken um Megumi machte. "Ich werde versuchen morgen mit ihr darüber zu reden. Vielleicht kann ich was in Erfahrung bringen.", meinte die Jüngere mit einem leichten Lächeln. Zustimmend nickte die Violetthaarige und hoffte, dass sich damit auch das Problem zwischen ihr und Megumi klären würde. In ihrer Jackentasche spürte sie wie ihr Handy vibrierte, doch sie brauchte nicht nachsehen, um zu wissen, was es zu bedeuten hatte. "Da fällt mir ein. Wolltest du vorhin etwas Bestimmtes von mir, Watanabe?", fragte sie anschließend, als ihr wieder einfiel, dass sie von Matsurika mehr oder weniger überrascht wurde. Diese sah sie erst fragend an, doch begann dann zu Grinsen und hing sich wieder an ihren Arm. Irgendwie hatte Mirâ das Gefühl, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte, doch trotzdem begleitete sie die Schwarzhaarige auf deren Bitte hin ein Stück. Samstag, 18.Juli 2015 - Abend "Beehren Sie uns bald wieder.", verabschiedete sich Mirâ von dem Gast, welcher soeben die Karaokebar verließ. Argwöhnisch sah sie ihm nach. Es war Kyo, der streitsüchtige Stammgast, welcher von Shuichi immer aufs Korn genommen wurde. Er hatte der Bar wieder einen seiner üblichen Besuche abgestattet, dieses Mal allerdings viel früher als sonst. Meistens kam er erst kurz bevor Mirâ Feierabend machte. Auch an diesem Abend hatte er sich wie üblich verhalten und Mirâ war froh, dass sie ihn dieses Mal nicht bedienen musste. Sie hatte mitbekommen, wie er wieder einige ihrer Kolleginnen angegangen oder angebaggert hatte, diese allerdings kamen mit seinen Launen mittlerweile ziemlich gut aus. Außerdem meinten sie, dass er gutes Trinkgeld zahlte und sie sich das nur deshalb gefallen ließen. Mirâ wusste nicht, ob sie sich so etwas nur deshalb gefallen lassen würde. Dafür hasste sie Kyo viel zu sehr. Sie war froh, wenn sie ihm aus dem Weg gehen konnte. Seufzend betrat sie die Kabine, die Kyo wie immer gebucht hatte und rümpfte die Nase über das immsene Chaos, welches er mal wieder hinterlassen hatte. Es war immer das Gleiche. Dieses Mal hatte jedoch sie den Joker gezogen und war für die Reinigung und Herrichtung des Raumes auserkoren worden. Ihr Lichtblick in diesem Moment war, dass sie danach nach Hause gehen konnte, deshalb wollte sie sich besonders anstrengen und sich beeilen. Also nahm sie all ihre Motivation zusammen und machte sich an die Arbeit. Es dauerte eine Weile, doch dann hatte die junge Frau es fast geschafft, als ihr eine dunkelblaue große Mappe auffiel, welche an der dunkelgrünen Sitzecke der Kabine lehnte. Fragend griff Mirâ danach und musterte das Fundstück. Es handelte sich um eine große Ledermappe mit verstärkten Ecken und einem straffen schwarzen Gummiband, welches die Mappe daran hinderte unverhofft aufzugehen. Auf der Vorderseite des Umschlags stand in einem weißen Feld in sauberer Schrift "Kyo Yashiru". Irritiert betrachtete die Violetthaarige die Mappe und fragte sich, was Kyo wohl mit so einer hier wollte. Neugier packte sie und auch wenn sie wusste, dass es sich nicht gehörte, zog die das Gummiband zur Seite und öffnete die Mappe, welche mehrere Blätter zum Vorschein brachte. Auf diesen waren verschiedene Skizzen von Kleidern, Mänteln, Hosen und sonstigen Kleidungsstücken zu sehen, welche mit Notizen versehen waren. Mirâ legte den Kopf schief und betrachtete die Skizzen eine nach der Anderen. Ob Kyo sie gezeichnet hatte? Wenn dem so war fragte sich Mirâ ernsthaft, was er beruflich machte. Als sie eine weitere Skizze umblätterte gab diese den Blick auf ein Bild frei, welches anders war als die Anderen. Es zeigte das skizzierte Gesicht eines jungen Mädchens. Sie hatte schulterlange Haare, welche am Ende in Locken fielen und große strahlende Augen. Da es allerdings nur eine Skizze war, konnte Mirâ nicht erkennen, welche Haar- oder Augenfarbe sie hatte. Trotzdem hatte sie das Gefühl, als hätte sie das Gesicht schon einmal gesehen. Doch das konnte eigentlich nicht sein. Oder? Die Violetthaarige überlegte, woher sie das Gesicht kannte, doch konnte es in diesem Moment nirgendswo einordnen. Aber sie war sich sicher, dass sie es schon einmal gesehen hatte. Auch nach mehrmaligen Überlegen kam sie auf keinen grünen Zweig und gab es erst einmal auf. Seufzend schloss sie die Mappe wieder und legte das Gummiband wieder darum. "Warum so ein schweres Seufzen?", hörte sie plötzlich eine männliche Stimme, welche sie erschrocken aufblicken ließ. In der Tür erkannte sie Shuichi, welcher sie fragte, ob alles in Ordnung sei: "Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du so lange weg warst. Hm? Was hast du denn da?" Der junge Mann zeigte auf die Mappe in Mirâs Händen, welche darauf erklärte, dass es sich dabei wohl um Kyos Skizzenmappe handeln musste, die sie beim Aufräumen gefunden hatte. Shuichi lachte und meinte daraufhin, dass Kyo wohl auch seinen Kopf vergessen würde, wenn dieser nicht angewachsen war. Fragend sah die Violetthaarige ihren Kollegen an: "Du scheinst gar nicht überrascht darüber." "Worüber? Dass er seine Mappe vergessen hat oder dass er eine Skizzenmappe hat?", fragte der Braunhaarige, während er sich neben die junge Frau auf der Sitzecke niederließ. "Uhm... beides.", kam die Antwort knapp. Daraufhin erklärte Shuichi, dass er Kyo nicht nur als Stammgast kannte, sondern dass beide auch auf die Gleiche Uni gingen. Allerdings war Kyo erst im zweiten Studienjahr und studierte nicht direkt Kunst, sondern Modedesign. Mit großen Augen sah Mirâ zu ihrem Kollegen, welcher sie nur angrinste und meinte, dass sie nicht so überrascht gucken sollte. Immerhin war es heutzutage nicht mehr unnormal, dass es auch männliche Modedesigner gab und Kyo sei in diesem Fach echt unschlagbar. "Ich habe bis heute nicht rausgefunden, weshalb er Modedesign studiert, aber ich weiß, dass es seine Leidenschaft ist.", erklärte der Braunhaarige mit einem Lächeln. Mirâ nickte und hatte das Gefühl Kyo, welchen sie eigentlich nicht sonderlich gut leiden konnte, etwas besser verstehen zu können. Aus ihrer Rocktasche ertönte ein ihr bekanntes Geräusch, welches eindeutig von der Persona App kam, doch das ignoriere sie. Stattdessen hielt sie Shuichi die Mappe hin und bat ihn diese dem Blauhaarigen bei Gelegenheit zurückzugeben. Ihr Kollege nahm die Mappe entgegen und meinte, dass er es sinnvoller fände, wenn Mirâ ihm diese selber zurückgeben würde, doch erwähnte im selben Atemzug, dass er selber den Blauhaarigen wohl eher sehen würde, als sie. Danach stand er auf und begab sich wieder zurück zur Tür, während er zu der Violetthaarigen meinte, dass sie noch alles fertig machen sollte und dann Feierabend machen konnte. Mirâ nickte zustimmend, woraufhin Shuichi sie kurz anlächelte und dann den Raum verließ, während sie selbst ihre Arbeit beendete. Keine fünf Minuten später verließ sie ebenfalls den nun aufgeräumten Raum und streckte sich noch mal. Endlich hatte sie Feierabend. Sie wollte nun nur noch nach Hause und wollte sich in Richtung Umkleide in Bewegung setzen, als eine zierliche Gestalt, in weiten Klamotten und einer Cappy, eilig an ihr vorbeigelaufen kam und sie anrempelte. Dabei fiel etwas zu Boden, was Mirâs Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war ein zart rosanes Smartphone, an welchem verschiedene niedliche Anhänger hingen. Die junge Frau wollte danach greifen, doch im selben Moment griff die Gestalt ihr gegenüber danach und entschuldigte sich mit zarter Stimme dafür sie angerempelt zu haben. Erschrocken sah diese auf, als sich die Hände der Beiden kurz berührten und Mirâ erkannte unter der tief ins Gesicht gezogenen Cap zwei goldgelbe Augen, die sie überrascht ansahen. Die Violetthaarige kannte das Gesicht, welches sie dort ansah, und ihr blieb fast die Spucke weg, weshalb sie erstarrt das Handy, welches sie gerade gegriffen hatte wieder fallen ließ. Vor ihr hockte Akisu, das bekannte Idol, dessen Musik sie selbst am liebsten hörte. Akisu schien zu bemerken, dass Mirâ sie erkannt hatte und lächelte nur leicht, während sie ihren Zeigefinger vor ihren Mund legte, als Zeichen, dass die junge Frau es für sich behalten sollte. Danach griff das Idol nach ihrem rosanem Handy und ging, während die Violetthaarige ihr noch eine Weile erstarrt hinterher sah. Als sie sich eine halbe Stunde später auf den Heimweg machte, hatte sie entschlossen doch noch einmal kurz dem Konbini einen Besuch abzustatten und sich noch ein Sandwitch zu kaufen. Die späten Schichten in der Bar machten sie immer ziemlich hungrig. Zumindest, wenn sie nach der ganzen Arbeit nach Hause ging. Dann wollte sie auch nicht mehr ihre Mutter damit belästigen und um sich selbst etwas zu machen, war sie dann doch zu faul. Das gab sie auch ohne Umschweife zu. Der Konbini war in diesem Moment wirklich die einfachste Variante und sie nutzte diese Möglichkeit gerne, Geld hatte sie ja genug. Glücklich und mit einem Sandwich in der Hand wollte sie den Laden einige Minuten später wieder verlassen, als ihr an der Tür der Weg versperrt wurde. Erschrocken sah sie auf und erkannte die Schlägertypen, in welche sie vor einiger Zeit vor der Karaokebar gerannt war und vor denen sie von Shuichi gerettet wurde. Dieses Mal allerdings war kein Shuichi in der Nähe, der ihr hätte helfen können. "Hey, dich kenn ich doch.", sagte plötzlich einer der drei Männer, "Du bist doch die Kleine, die mir damals meine Jacke versaut hat." Die Violetthaarige zuckte zusammen und wollte mit gesenktem Kopf an den Dreien vorbei, doch diese versperrten ihr den Weg und ließen sie nicht vorbei. Was sollte sie nur machen? "Hey sag was! Dieses Mal kommst du nicht so einfach davon.", drohte ein weiterer, was Mirâ erneut zusammenzucken ließ. Wieso musste sie auch jetzt auf die drei stoßen? Sie hatte eigentlich gehofft sie nie wieder zu sehen. Eine Hand griff nach ihrer Schulter, doch löste ihren Griff kurz darauf wieder. "Macht es euch Spaß kleine Mädchen zu ärgern?", fragte eine tiefe männliche Stimme. Erschrocken sah Mirâ auf und erkannte hinter sich den jungen Mann, welcher sie vor einiger Zeit davor bewahrt hatte von einem Auto überfahren zu werden. Er hatte nach dem Handgelenk des einen Typen gegriffen und hielt ihn somit davon ab, nach der jungen Frau zu greifen. Wie bereits damals, als Shuichi sie gerettet hatte, wollten die Typen erneut aufmucken, doch der junge Mann blieb ruhig, wandte sich nur an den Verkäufer an der Kasse, welcher das Geschehen beobachtete, und meinte nur, dass dieser die Polizei verständigen sollte. Noch ehe der Verkäufer nach dem Telefon greifen konnte hatten die Typen daraufhin den Konbini wieder verlassen und waren verschwunden. Erleichtert atmete Mirâ auf und riskierte einen kurzen Blick neben sich, wo sich der junge Mann an ihr vorbeischob und auf ein Motorad zuging. Die junge Frau folgte ihm ein Stück: "Vi-Vielen Dank für die erneute Hilfe." Irritiert sah der Mann sie an, doch schien sie dann wieder zu erkennen: "Ach du bist das. Du scheinst das Unglück ja echt anzuziehen. Kanntest du diese Typen?" "Eher flüchtig.", meinte Mirâ nur trocken und der junge Mann schien zu verstehen, was sie damit sagen wollte. "Du solltest wirklich besser auf dich aufpassen.", meinte er dann jedoch. Die Violetthaarige senkte den Blick und seufzte: "Das sollte ich wirklich. Trotzdem vielen Dank, ähm." Mit einem Seitenblick musterte der Schwarzhaarige die junge Frau: "Alec." Irritiert darüber, gleich seinen Vornamen zu erfahren, sah Mirâ ihn fragend an, doch lächelte dann: "Alec. Mein Name ist Mirâ Shingetsu. Freut mich." "Mirâ also. Du solltest dann nach Hause gehen. Eine junge Frau sollte so spät nicht mehr unterwegs sein. Du siehst ja wozu das führt.", meinte Alec und startete sein Motorrad, "Soll ich dich fahren?" Mirâ lächelte und lehnte dankend ab, immerhin war es nicht mehr weit bis zur U-Bahn und mit dieser musste sie auch nicht so extrem weit fahren. Außerdem war sie dann doch vorsichtig genug nicht auf ein fremdes Motorrad zu steigen, zumal sie eh Angst davor hatte. Mit einem "Alles klar" wünschte er der jungen Frau einen sicheren Heimweg, bevor er mit dem Fahrzeug davon fuhr. Mirâ sah ihm kurz nach und hörte in ihren Ohren eine bekannte Stimme, welche mit "Ich bin du, du bist ich" sagte, dass sie erneut einen neuen Social Link geformt hatte. Welcher, würde sich zeigen sobald sie zu Hause war. Vorher würde sie nicht mehr auf ihr Handy schauen. In der Hoffnung die Schlägertypen nicht wieder zu sehen machte sich die junge Frau auf den Weg zur U-Bahn, um nun endlich den restlichen Heimweg anzutreten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)