Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 34: XXXIV - Überkochende Gefühle ---------------------------------------- Mittwoch, 15.Juli 2015 „Akane es tut mir wirklich unendlich leid. Bitte sei nicht mehr böse.“, entschuldigte sich Mirâ, als sie gemeinsam mit Kuraiko und einer überaus wütend wirkenden Akane das Dach betragt. Auf dem Weg zu Kuraikos Klasse, wo sie die Schwarzhaarige abgeholt hatten, hatte Akane Mirâ auf ihr Verhalten vom Vortag angesprochen. Es war ihr ganz und gar nicht Recht, dass ihre beiden Freunde ihr an dem Tag einfach so gefolgt waren und sie ausspioniert hatten. So etwas gehörte sich einfach nicht und auch wenn Akane nicht immer viel Wert auf Knigge legte, war es ihr bei ihrem Privatleben sehr wichtig. Jemandem einfach nachzuspionieren ging für sie gar nicht und deshalb war es kaum verwunderlich, dass sie sauer war. Und natürlich hatte sie die Beiden gesehen, als sie am Abend am Fluss saß und sich um Bejû gekümmert hatte. Zwar waren ihr die Beiden erst aufgefallen, als sie gegangen waren, doch sie konnte sich genau denken, was sie dort zu suchen hatten. Am liebsten hätte die ihre Freundin noch am selben Abend darauf angesprochen, doch sie hatte sich zurückgehalten und sie an diesem Tag direkt darauf angesprochen. Auch um ihr gleich zu sagen, dass sie so etwas nicht mochte. Sie wollte sich nicht mit ihrer besten Freundin streiten, aber es gab auch Grenzen und diese hatte sie gestern überschritten. „Was ist passiert?“, fragte Hiroshi irritiert, als die Mädchen sich zu ihnen gesellten. Er und Shuya, welchen er gefragt hatte, ob dieser nicht Lust hätte mit ihm und den Mädchen zusammen zu Essen, hatten sich noch vor den Mädchen auf das Dach begeben und waren dort auf Masaru gestoßen, welcher bereits auf alle gewartet hatte. Es war schon selten, dass er mit allen gemeinsam die Pause verbrachte, da ihn seine Arbeit im Schülerrat ziemlich in Anspruch nahm, doch wenn er die Gelegenheit hatte nahm er diese wahr, wenn er sich nicht dazu entschloss gemeinsam mit Dai zu Essen. Nun sahen die drei Jungs die drei Mädchen irritiert an. Es war selten, dass sie sich stritten. Vor allem zwischen Akane und Mirâ gab es noch nie Streit, deshalb war es vor allem für Hiroshi und Masaru erstaunlich. Mit einem Ruck setzte sich Akane auf die niedrige Mauer und strafte den Blonden mit einem bösen, fast tödlichen, Blick. Dieser zuckte Augenblicklich zusammen und schien nun auch den Grund für die Laune der Braunhaarigen zu wissen, weshalb er seinen Kopf zwischen den Schultern vergrub. „DAS solltest DU am besten wissen!“, schnauzte die Braunhaarige ihn an, „Wahrscheinlich müsste ich auf DICH noch wütender sein, als auf Mirâ! Ich bin mir nämlich zu hundert Prozent sicher, dass es DEINE hirnlose Idee war und du Mirâ nur mitgeschleift hast!“ „A-aber Akane. Bitte beruhige dich doch. J-ja es war Hiroshis Idee, a-aber ich hätte ihn davon abhalten sollen. Das war nicht richtig, ich weiß. Bitte sei nicht mehr böse. Wir haben uns doch nur Sorgen gemacht.“, entschuldigte sich Mirâ erneut und bestätigte damit unabsichtlich Akanes Vermutung, was Hiroshi immer weiter in sich zusammensinken ließ. Ihr böser Blick schwenkte wieder zu der Violetthaarigen: „Dir mag ich vielleicht noch glauben, dass du dir Sorgen gemacht hast. Aber ER…“ Sie zeigte auf Hiroshi, welcher noch einmal zusammenzuckte, und sprach weiter: „ER hat das nur aus Neugier gemacht. Nicht aus Sorge! Oder irre ich mich da, Hiroshi?“ Der Angesprochene zuckte erneut zusammen und ließ den Blick gesenkt, ehe er vorsichtig nickte: „Tu-tut mir leid, Akane. A-aber ich dachte, du hättest uns nicht gesehen.“ Die Braunhaarige unterdrückte ein Schreien und meckerte dann weiter: „Nicht gesehen? Du warst noch nie gut im Verstecken. Vergessen? Ich hab dich immer gefunden und auch dieses Mal habe ich dich gesehen! Noch schlimmer für mich ist, dass du Mirâ da mit reingezogen hast! Und ich denke mal, das bisschen Anstand haben dir deine Eltern noch beigebracht, dass du wissen müsstest, dass man so was nicht macht. Oder? Kapierst du das, du Hohlbirne?“ Akane war wirklich sauer. So sauer hatte Mirâ ihre beste Freundin noch nie erlebt und das machte ihr ganz schön zu schaffen. Sie wollte nicht, dass wegen so einer Dummheit ein Streit zwischen ihnen entbrannte. Ihr war in diesem Moment wirklich zum Heulen zu Mute und nur mit viel Kraft konnte sie gerade so ihre Tränen unterdrücken. Noch nie hatte sie eine so gute Freundin wie Akane gehabt und deshalb hatte sie besonders viel Angst, dass diese Freundschaft wegen so etwas zerbrechen könnte. Auch Masaru schien nun zu ahnen worum es ging. Ein fragender Blick zu Kuraiko, welche nur den Kopf schüttelte, bestätigte diese Theorie. So etwas hatte er bereits geahnt, deshalb hatte er Mirâ und Hiroshi am gestrigen Tag empfohlen sich das ganze Unterfangen aus dem Kopf zu schlagen. Nun hatten sie den Salat. Am liebsten hätte er den Beiden gesagt, dass er es ihnen ja gesagt habe und sie auf ihn hätten hören sollen, doch er ließ es. Das würde nur noch mehr Salz in die Wunde streuen und das wollte er nicht. Er seufzte und rieb sich die Nasenwurzel, während er überlegte, wie sie diesen Streit deeskalieren konnten. Shuya, welcher bisher nur teilnahmslos daneben saß und nicht wusste was gerade passierte, sah zwischen Akane und Hiroshi fragend hin und her, ehe er sich an Hiroshi wandte: „Was hast du verbrochen, Hiro? Muss ja schlimm gewesen sein, wenn Chiyo so sauer ist.“ Hiroshi schwieg und ließ den Kopf gesenkt, während er sich überlegte, wie er das wieder geradebiegen konnte. Währenddessen tippte ihn Shuya mehrmals an, doch das ignorierte er gekonnt. „Hey, Erde an Hiro.“, nervte der Violetthaarige neugierig weiter, „Red mit mir.“ „Was machst du eigentlich hier, Nagase?“, fragte Kuraiko, als selbst ihr seine Neugier auf die Nerven ging. Leicht beleidigt sah Shuya sie an und meinte, dass Hiroshi ihn gefragt habe, ob er nicht Lust habe mit ihm und den Mädchen Pause zu machen und dass er sich riesig gefreut hätte, mir ihr, Fuka-Chan, gemeinsam zu Essen. Dabei hätte er aber nicht gewusst, dass er mitten in einen Streit geraten würde, von welchem er immer noch nicht wisse worum es eigentlich ging. „Aber es wäre schön, wenn das geklärt werden könnte. Streit ist echt nicht toll.“, meinte Shuya und blickte zu Akane, „Chiyo sag, was hat er gemacht?“ „Sag mal merkst du eigentlich, dass dich das nichts angeht?“, fragte Kuraiko genervt. „Mag sein.“, plötzlich wurde der Violetthaarige ernst, was Mirâ erstaunt aufblicken ließ, da sie Shuya bisher nur sehr aufgeweckt kannte, „Aber ein Streit unter Freunden ist nicht schön und vor allem nicht, wenn das geklärt werden kann. Und Hiro hat mir erzählt, dass er Chiyo schon lange kennt, deshalb wäre es schade, wenn sie sich, wo sie sich endlich wieder vertragen, gleich wieder zerstreiten würden. Wisst ihr was ich meine? Also… was ist passiert?“ „Dein Kumpel hat mir gestern nachspioniert, weil er unbedingt wissen wollte, was ich nach der Schule treibe.“, sagte Akane wütend. „Weil du so ein Geheimnis draus gemacht hast.“, konterte nun Hiroshi, was aber von dem Blick der Braunhaarigen gleich wieder im Keim erstickt wurde. Shuya stöhnte auf und fasste sich an die Stirn: „Wirklich?“ Dann lachte er plötzlich und schlug dem Blonden freundschaftlich auf die Schulter: „Und du hast dich sogar noch erwischen lassen? Idiot. Trotzdem hat sie Recht, das war nicht in Ordnung.“ „Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“, fragte Hiroshi niedergeschlagen. Sein Kumpel wurde wieder ernst: „Auf keiner. Ich gebe zu, was Hiro gemacht hat, war nicht richtig. Aber deshalb gleich so auszurasten, ist auch nicht in Ordnung. Es wäre besser, wenn ihr lieber normal darüber reden würdet. Wenn du Hiroshi in Ruhe sagen würdest, dass es nicht richtig war und er sich wirklich aufrichtig bei dir entschuldigt, so wie es Shingetsu bereits mehrfach getan hat, dann sollte es doch in Ordnung sein. Oder haben die Beiden irgendetwas gesehen oder gehört, was so peinlich war, dass es niemand wissen darf oder dich in Schwierigkeiten bringen würde, wenn es herauskommen würde?“ Mit großen Augen sah Akane Hiroshis Kumpel an. Kuraiko tat es ihr nach. Sie kannte Shuya immer nur als dauergrinsende Nervensäge, welche fröhlich in den Tag hineinlebte und sich von den Mädchen feiern ließ. Dass er auch so ernst sein und einer streitenden Meute so den Wind aus den Segeln nehmen konnte, hätte sie nie gedacht. „D-das nicht, aber…“, begann Akane, doch wusste anscheinend nicht, wie sie weitersprechen sollte. Dafür redete der Violetthaarige weiter: „Und hast du dir vielleicht Mal darüber Gedanken gemacht, das Hiro sich vielleicht wirklich Sorgen um dich gemacht haben könnte. Ich möchte nichts schönreden. Was er getan hat, war nicht in Ordnung, aber ihm gleich zu unterstellen, dass es nur Neugier war, ist etwas übertrieben. Meinst du nicht?“ „J-ja mag sein.“, nun schien sich die Braunhaarige wieder zu beruhigen, „Trotzdem… es war nicht in Ordnung. Es ist doch nur verständlich, dass ich sauer bin.“ „Da hast du Recht.“, stimmte ihr Shuya zu, „Trotzdem. Ihr seid Freunde. Es ist besser so etwas zu besprechen und nicht sofort los zu plauzen. Ihr habt euch erst wieder vertragen und darüber solltet ihr wirklich froh sein. Normalerweise lässt sich eine einmal zerbrochene Freundschaft nicht so einfach wieder kitten. Wenn das Verhältnis einmal hinüber ist, ist es schwer das wieder aufzubauen. Ihr habt es einmal geschafft, darüber solltet ihr euch freuen. Ein zweites Mal wird es mit Sicherheit nicht funktionieren, also vertragt euch lieber wieder.“ „Du hast Recht.“, Hiroshi stand plötzlich auf und verbeugte sich ganz höflich vor seiner langjährigen Freundin, „Akane, es tut mir wirklich leid. Was ich getan habe war nicht richtig und ich werde es nie wieder tun. Also bitte sei nicht mehr böse.“ Die Angesprochene schwieg eine Weile, ehe sie seufzte: „Schon gut. Ich verzeih dir und Mirâ. Es war dumm, was ihr gemacht habt und ich möchte auch, dass so etwas nie wieder vorkommt. Trotzdem hätte ich nicht gleich so ausrasten müssen. Mir tut es also auch leid.“ Der Blonde sah auf und man merkte sofort wie ihm ein schwerer Stein vom Herzen fiel. Auch Mirâ atmete erleichtert auf. Zum Glück konnte diese Sache geklärt werden, auch wenn sie niemals gedacht hätte, dass ein Außenstehender ihnen dabei helfen würde. Sie sah hinüber zu Shuya, welcher mittlerweile wieder sein Grinsen aufgesetzt hatte und Hiroshi aufmunternd auf die Schultern klopfte. Sie war erstaunt, wie er von einer Sekunde auf die nächste von seiner sehr lockeren Art so ernst werden konnte und kurz darauf wieder zurück wechselte. So jemanden hatte sie noch nie getroffen. Innerlich musste sie grinsen. Sie hatte nicht nur von sich aus viele interessante Leute kennengelernt, sondern auch viele über ihre Freunde. Das war eine äußerst interessante Erfahrung und machte sie irgendwie glücklich. „So, dadas jetzt geklärt ist, bin ich neugierig. Was genau ist denn diese Sache, um die so ein Geheimnis gemacht wurde?“, fragte Shuya plötzlich. Mit großen Augen sahen alle nun zu dem jungen Mann, welcher plötzlich von Hiroshi ein auf den Hinterkopf gescheuert bekam: „Spinnst du? Wir hatten das Thema doch gerade erst durch!“ Der Violetthaarige rieb sich den Hinterkopf und meinte, da es nun geklärt und wohl nicht so geheim wäre, dass er es doch erfahren könnte, aber entschuldigte sich im gleichen Moment auch wieder. Doch Akane seufzte nur und erzählte, was sie seit einigen Tagen nach der Schule so machte: Mit Yasuos Hund spazieren gehen. Sie erklärte auch, dass sie es niemanden sagen wollte, weil sie meinte, dass es doch merkwürdig sei, wenn man sich um einen fremden Hund kümmere, ihr Bejû aber leidtäte, weshalb sie sich dazu entschlossen hatte. Shuya überlegte kurz, wer eigentlich Esuno-Senpai war, ehe ihm Hiroshi erklärte, dass er ein Schüler aus Masarus Klasse sei, welcher aktuell nicht zur Schule kommen konnte. Der Braunhaarigen jedoch war es peinlich, sodass sie ihren Blick gesenkt hielt. Sie fand es ja selber komisch und wusste eigentlich auch nicht, wieso sie auf diese dumme Idee gekommen war, aber sie bereute es nicht. „Das finde ich echt cool von dir.“, sagte plötzlich der neugierige junge Mann, woraufhin ihn alle fragend ansahen, „Du musst wirklich ein großes Herz für Tiere haben, wenn du dich selbstlos um einen Hund von einem fremden Schüler kümmerst. Das ist toll.“ Das Gesicht der Braunhaarigen machte derweil einer überreifen Tomate Konkurrenz, doch trotzdem bedankte sie sich etwas zurückhaltend bei dem jungen Mann, welcher sie nur angrinste, dann das Thema wechselte und versuchte mit Kuraiko zu flirten. Diese jedoch ging nicht auf seine Sticheleien ein und versuchte, mit hochrotem Kopf, den Violetthaarigen von sich zu schieben. Denn dieser hatte mal wieder versucht sie zu umarmen. Die Gruppe beobachtete die Beiden eine Weile, ehe sich Masaru nun an Akane wandte: „Das ist wirklich bemerkenswert von dir. Aber warum? Gibt es einen Grund, weshalb du dich so sehr um Bejû sorgst?“ „Nein. Keine Ahnung. Ich fühle mich irgendwie verantwortlich. Fragt mich bitte nicht warum. Ich weiß es doch selber nicht.“, antwortete die Braunhaarige leicht verzweifelt. „Kann es sein, dass du dir wegen dem einen Abend im Dungeon Gedanken machst? Das brauchst du nicht. Wirklich.“, meinte Masaru, „Wir werden Esuno schon irgendwie da rausholen.“ Akane nickte, doch entgegnete nichts weiter dazu, was wohl hieß, dass dieses Gespräch hier für sie endete und sie nichts weiter dazu sagen würde. Der Schwarzhaarige respektierte dies und fragte auch nicht weiter nach. Stattdessen nahm er einen Schluck aus seiner Wasserflasche und blickte zu Kuraiko und Shuya hinüber, welche immer noch mehr oder weniger aneinanderklebten. Plötzlich flog die Tür zum Dach erneut auf und eine grelle, nervige Stimme rief nach Hiroshi, welcher unwillkürlich zusammenzuckte, während man sofort erkannte, dass es ihm eiskalt den Rücken runter lief. Auch Kuraiko und Shuya stoppten bei dem, was sie gerade taten und sahen erschrocken zur Tür des Daches. Dort stand Matsurika im Rahmen und winkte der Gruppe, oder besser Hiroshi, freudig zu. Dieser versuchte sich krampfhaft nicht umzudrehen und sah eher so aus, als hoffe er nur in einem bösen Traum zu sein und jeden Augenblick aufzuwachen. Doch leider wurde ihm dieser Gefallen nicht getan, stattdessen setzte sich die junge Frau in Bewegung und lief ohne Umwege auf ihn zu. Dabei gab sie den Blick auf eine kleine zierliche Person frei, welche hinter ihr gestanden haben musste. Etwas schüchtern drückte sie ihre Lunchbox an ihre Brust und schien nicht genau zu wissen, was sie nun tun sollte. Es war Megumi, welche dem dunkelhaarigen Mädchen nachsah und zu überlegen schien, ob sie nun auch das Dach betreten sollte oder nicht. Es schien, als wäre sie gemeinsam mit Matsurika auf das Dach gekommen, doch diese nahm keine weitere Kenntnis von der kleinen Schülerin, sondern hing mittlerweile an Hiroshis Arm, welcher versuchte sie irgendwie wieder loszuwerden und meinte, er könne nicht essen, wenn sie so an ihm hing. Auch den Anderen fiel die Kleine nicht auf, da sie damit beschäftigt waren ihrem Kumpel irgendwie zu helfen und freundlich auf Matsurika einzureden. Shuya und Kuraiko jedoch hatten die Kleine bemerkt und waren umso erstaunter, als diese sich auf dem Absatz umdrehte und wieder zurück ins Schulhaus ging. Fragend tauschten sie kurze Blicke aus, ehe Shuya von der Schwarzhaarigen abließ und sich der Gruppe zuwandte. „Watanabe, so heißt du doch. Oder? Sag mal. War das deine Freundin, die da hinter dir in der Tür stand?“, fragte Shuya direkt, „Sie ist nämlich gerade geflüchtet.“ Kuraiko sagte nichts dazu. Warum auch immer Megumi getürmt war, es ging sie im Prinzip nichts an und so richtig interessieren tat sie es auch nicht. Die Kleine war ihr schon öfters über den Weg gelaufen, doch ihre extrem zurückhaltende und fast schon ängstliche Art ging ihr auf die Nerven, weshalb es ihr eigentlich egal war, was mit ihr war. Anders stand das mit Shuya. Dieser schien sich anscheinend sehr dafür zu interessieren, was mit der Kleinen passierte und wieso sie abgehauen war. Matsurika sah auf und blickte Richtung Tür, bevor sie mit den Schultern zückte: „Wer weiß was sie schon wieder hat. Sie flüchtet öfters mal. Ich glaube sie hat Angst vor Menschenmassen.“ „Solltest du ihr dann nicht nach? Sie ist immerhin deine Freundin.“, in der Stimme des Violetthaarigen spiegelte mittlerweile leichte Wut. „Was geht’s dich an? Vielleicht ist sie auch nur mal aufs Klo gerannt. Ich kann ihr doch nicht ständig hinterherrennen.“, motzte Matsurika ihn an. „Aber vielleicht ist es was Ernstes.“, meinte Shuya ernst, doch Matsurika schüttelte den Kopf und meinte, dass die Kleine so viel Angst vor anderen hatte, dass es schon fast krankhaft sei und sie sie ja schlecht zwingen kann sich unter Menschen zu begeben. „Es ist aber komisch, dass sie vor uns flüchtet.“, mischte sich plötzlich Kuraiko ein, weshalb alle sie fragend ansahen, „Es war Yoshiko, die dort in der Tür stand. Sie hat doch schon mit uns gemeinsam gegessen, also kennt sie uns doch.“ Irritiert sah Mirâ ihre Freundin an. Megumi war vor ihnen getürmt? Irgendwie machte ihr das Sorgen und sie überlegte, die Kleine zu suchen und sie zu fragen, warum sie vor ihnen geflüchtet war. Doch in diesem Moment hörte die Gruppe bereits den ersten Gong, welcher das Ende der Pause einläutete. Nun war es also zu spät nach Megumi zu suchen. Sie wollte mit der Kleinen reden, doch die nächste Gelegenheit würde wohl erst am nächsten Tag sein. Nach der Schule hatte sie keine Zeit, weil sie zum Kyûdo musste und danach würde Megumi wahrscheinlich schon weg sein. „Aber vielleicht finde ich sie danach noch am Fluss.“, ging ihr durch den Kopf und sie entschloss sich nach dem Kurs zu Fuß nach Hause zu gehen, um noch einmal kurz am Fluss vorbeizuschauen. Vielleicht hatte sie Glück, fand Megumi dort und konnte mit ihr reden. Es musste ja einen Grund geben weshalb sie gegangen war, anstatt zu ihnen zu kommen. Vielleicht ging es ihr plötzlich nicht gut oder sie hatte etwas vergessen. Egal wie, aber sie wollte das mit der Kleinen klären. „Mirâ kommst du?“, rief Akane ihr zu, worauf die Violetthaarige aufblickte und ihre Freunde bereits an der Tür zum Treppenhaus sah. Schnell stand sie auf und folgte ihren Freunden, welche sich gemeinsam auf den Weg zu ihren Klassenräumen begaben. Den ganzen Weg über versuchte Hiroshi sein Anhängsel los zu werden, was ihm aber leider erst im Stockwerk der zweiten Jahrgangsstufe gelang, da Matsurika dort noch weiter hinunter musste. Diese ließ nur wiederwillig los, doch verschwand dann auf der Treppe zum unteren Stockwerk. Erleichtert atmete der Blonde auf und versuchte sein nun völlig zerknittertes Hemd zu richten. Shuya verabschiedete sich mit einem kurzen Klaps auf seine Schulter, bevor er mit Kuraiko in seinem Klassenzimmer verschwand. Auch Mirâ und ihre beiden Freunde betraten nun ihren Raum, gerade noch rechtzeitig bevor ihr Lehrer für Mathematik diesen durch die zweite Tür betrat und den Unterricht begann. Auch am Nachmittag bei ihrem Kyûdo Kurs beschäftigten Mirâ die Gedanken wegen Megumi. Sie konnte sich einfach keinen Reim darauf bilden, weshalb die Kleine sich nicht mit zu ihnen gesellen wollte. Ob es an Matsurika lag? Doch die Beiden schienen befreundet zu sein, weshalb also sollte sie einfach gehen? Es wollte nicht in den Kopf der Violetthaarigen. Leider übten sich diese Gedanken schlecht auf ihre Leistungen an diesem Tag aus, denn oft genug schoss sie ihre Pfeile neben die Zielscheibe, was leider auch ihrem Coach nicht unbemerkt blieb, weshalb er ihr nicht nur einmal zurief, dass sie sich konzentrieren sollte. Sie seufzte und hätte es für diesen Tag lieber sein lassen, doch so einfach gehen durfte sie nicht. Auch hatte sie dieses Mal niemanden zum Reden, da Amy wegen einigen formellen Dingen unterwegs war. Auch Dai hatte sich heute noch nicht blicken lassen. Wahrscheinlich hatte er auch andere Aufgaben zu erledigen. Jedenfalls schien der Coach drüber im Bilde zu sein, denn er meckerte nicht darüber, dass der ältere Schüler nicht anwesend war. Mirâ war mehr als froh, als die Schulglocke endlich das Ende des Unterrichts ankündigte. Gemeinsam räumten sie und die Klubmitglieder alles zusammen und gingen sich dann umziehen, bevor sie alle das Gelände verließen. Seufzend wechselte Mirâ ihre Schuhe und wollte sich gerade auf den Weg zum Fluss machen, als sie eine ihr bekannte Stimme hörte: „So ein schweres Seufzen. Did something happened?“ Fragend drehte sich die Violetthaarige um und erblickte Shio, welche sie mit einem „Hello“ und einer gehobenen Hand begrüßte. Auch Mirâ begrüßte die Schwarzhaarige freundlich und wollte wissen, was diese denn um diese Zeit noch in der Schule trieb. Ob sie wieder gelernt hätte. Doch Shio schüttelte den Kopf und meinte, dass sie sich beim IT-Klub angemeldet hätte und gerade von dort kam, ehe sie der Violetthaarigen vorschlug doch ein Stück gemeinsam zu gehen. Freundlich stimmte Mirâ zu und so machten sich die beiden jungen Frauen auf den Weg. „Du interessierst dich also für IT?“, fragte Mirâ vorsichtig. Sie selbst konnte nicht viel mit Technik anfangen. Dass sie wusste wie ihr Smartphone und ihr Laptop funktionierten reichte ihr. Doch mehr als mit diesen Dingen arbeiten konnte sie nicht. Shio nickte: „Yes. Ich möchte später mal so etwas studieren. Aber ich arbeite allgemein sehr gerne am Computer.“ Mirâ musste erneut feststellen, dass sich Shios Japanisch erneut verbessert hatte. Sie sprach kaum noch Englisch und man bemerkte auch kaum noch den englischen Dialekt. Dieses Mädchen war wirklich erstaunlich. „But say, warum das schwere Seufzen vorher?“, fragte die Schwarzhaarige plötzlich. Fragend sah die Angesprochene sie an und schien kurz zu überlegen, dann erzählte sie ihrer Begleiterin was sie beschäftigte. Dass ihr das Verhalten von Megumi sorgen machte und sie sich keinen Reim darauf bilden konnte. Shio überlegte kurz und erzählte, dass sie einmal in Amerika etwas Ähnliches erlebt hatte, nur, dass die Person damals nicht die Flucht ergriffen hatte, sondern zum Angriff übergegangen war. Damals hatte sich ein Mädchen an ihre Clique gehangen. Es fing urplötzlich an und endete aber auch so plötzlich wieder. Doch dieses Mädchen, welches sich an ihre Fersen geheftet hatte, hatte eine beste Freundin gehabt. Jedenfalls dachte diese Freundin sie sei die beste Freundin gewesen, doch nachdem sich das Mädchen an die Clique von Shio gehangen hatte, gab es mächtigen Streit. Die Freundin des Mädchens kam urplötzlich auf die Gruppe zu und meinte, was sie sich einbildeten ihr ihre Freundin wegzunehmen. Zu dem Zeitpunkt konnte sich Shio nicht vorstellen, warum sie sich so aufregte, immerhin hatten sie das Mädchen nicht eingeladen ständig mit ihnen abzuhängen. Sie hatte es ja von sich aus gemacht. Später hatten sich die beiden Mädchen so stark zerstritten, dass sie sich sogar gegenseitig das Leben schwergemacht hatten und auch Shio und ihre Freunde waren dann zwischen die Fronten geraten. „Irgendwann hatte sich alles wieder beruhigt. Das Mädchen hatte neue Leute gefunden, an die sie sich hängen konnte und ließ uns dann in Ruhe. Dadurch hatten wir dann auch Ruhe vor ihrer Exfreundin, aber die Beiden haben sich glaube ich nie wieder vertragen.“, erzählte die Schwarzhaarige zu Ende, „That was crazy. Really. But, ich denke, dass die Kleine eher die Flucht ergriffen hat, weil sie nicht auf Angriff gebürstet ist. Sie scheint eher zurückhaltend zu sein.“ Mirâ überlegte. Es klang plausibel, aber der Unterschied zwischen der aktuellen Situation und Shios Erzählung war, dass Megumi ja auch mit ihr befreundet war. Deshalb machte es erst Recht keinen Sinn. Trotzdem fühlte sie sich etwas erleichterter, auch wenn Shios Erzählung ihr nicht weiterhelfen konnte. Aber sie sollte das mit der Kleinen besprechen. Natürlich hoffte sie nicht, dass es deshalb war, doch sie wollte sichergehen. Nach einer Weile musste sich Shio von ihr verabschieden und in eine andere Richtung, weshalb Mirâ ihren Weg alleine fortsetzte. Doch als sie an den Fluss kam, fand sie Megumi dort leider nicht vor. Also musste das Gespräch doch bin zum nächsten Tag warten. Das machte sie doch etwas traurig, aber was sollte sie machen? Seufzend machte sie sich auf den Weg zur nächsten U-Bahnstation. Den Rest des Weges wollte sie dann doch nicht mehr laufen und entschloss so den Zug zu nehmen. Sie wollte nun einfach nur noch nach Hause. Dort angekommen ließ sie sich erst einmal erschöpft auf ihren Futon fallen. Es dämmerte bereits und die letzten Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster an die gegenüberliegende Wand. Eine leichte Müdigkeit überkam die junge Frau und fast wäre sie auch eingeschlafen, wenn sie nicht plötzlich eine ihr bekannte kindliche Stimme gehört hätte, welche ihren Namen rief. Als sie sich aufrichtete erkannte sie Mika in ihrem Spiegel, welche sie freundlich anlächelte. „Hallo Mika. Ist bei dir alles in Ordnung?“, fragte die Violetthaarige sofort. Die Kleine nickte und erzählte, dass sie den Dungeon von Yasuo noch eine Weile beobachtet hätte und sie allmählich eine starke Präsenz spürte, je näher der Vollmond in ihrer Welt rückte. Etwas erschrocken blickte Mirâ auf ihren Kalender und musste feststellen, dass bereits am nächsten Tag der nächste Neumond war. Dies war gleichbedeutend mit dem Vollmond in der Spiegelwelt. Das bedeutete sie mussten morgen wieder in die Spiegelwelt und Yasuo dort herausholen. Wie konnte sie das nur vergessen? „Verdammt. Ich habe vergessen, dass es morgen schon so weit ist.“, meinte die Violetthaarige panisch, doch Mika beruhigte sie wieder, indem sie ihr sagte, dass die Anderen bereits informiert waren. Fragend blickte Mirâ ihre kleine Freundin im Spiegel an, welche nur lächelte und weitersprach: „Es hat mich zwar etwas Zeit gekostet, vor allem bei Akane und Hiroshi, aber ich habe sie gefunden und allen Bescheid gegeben. Hiroshi war zwar ziemlich erschrocken, als ich plötzlich in seinem Spiegel erschienen bin, aber ja. Sah witzig aus, als er rücklinks über sein Bett gefallen war.“ Das blauhaarige Mädchen kicherte kurz und auch Mirâ konnte sich bei dem Gedanken ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Nun war sie aber doch etwas beruhigter und beschloss, ihre Freunde nach dem Abendessen noch einmal anzuschreiben um alles Weitere für den morgigen Abend zu besprechen. Es galt Yasuo zu befreien, koste es was es wolle. „Und wie war dein Tag heute?“, fragte Mika plötzlich und schien das Thema wechseln zu wollen. „Naja, wie man es nimmt.“, begann Mirâ seufzend und begann sich ihrer Uniform zu entledigen. Währenddessen erzählte sie Mika genau das Gleiche, was sie Shio am Nachmittag erzählt hatte. Auch erzählte sie der Kleinen wer Megumi überhaupt war und dass sie sein sehr schüchternes und zurückhaltendes Mädchen war, welches gern zeichnete. Dabei erwähnte sie auch, dass ihr in ihrer Klasse leider oft übel mitgespielt wurde und sie deshalb meistens alleine war. „Das klingt ja wirklich ernst. Aber vielleicht klärt sich ja alles, wenn du morgen mit ihr redest.“, meinte Mika. „Ja das hoffe ich.“, sagte Mirâ etwas niedergeschlagen. Mika lächelte und am liebsten hätte sie der Violetthaarigen aufmunternd kurz auf die Schulter geklopft, doch das ging leider nicht, also legte sie nur ihre Hand gegen den Spiegel: „Mach dir keinen Kopf, Mirâ. Das klärt sich sicher und bestimmt war es nichts Schlimmes. Vielleicht ging es ihr wirklich nicht gut und sie ist zurück in die Klasse gegangen oder so. Das wird schon.“ „Danke, dass du mich aufmuntern willst Mika. Das ist lieb von dir.“, lächelte Mirâ. Kurz darauf wurde ihre Aufmerksamkeit auf ihr Handy gerichtet, als dieses einen Signalton von sich gab. Doch noch ehe die Violetthaarige auf das rote Smartphone schauen konnte, wurde sie bereits zum Abendessen gerufen. So verabschiedete sich die junge Frau vorerst von Mika und verließ das Zimmer. Diese winkte der Älteren lächelnd nach, bevor ihr Lächeln erstarb und sie sich an den Kopf fasste. Wieder diese Kopfschmerzen, doch sie wusste nicht woher sie kamen. Vorsichtig ließ sie sich in dem dunklen Zimmer auf den Futon sinken und hielt den Kopf gesenkt, ihre flache kalte Hand an die Stirn gelegt. Was war das nur? Vorsichtig sah sie auf und erschrak wieder, denn das Zimmer in welchem sie saß, sah plötzlich ganz anders aus. Es war hell erleuchtet und überall auf dem Fußboden lagen Unmengen von Spielsachen verteilt. Inmitten dieser Spielsachen sah sie plötzlich ein kleines Mädchen sitzen. Sie hatte schulterlange dunkelblaue glatte Haare und spielte mit einer Puppe. Vorsichtig kämmte sie der blonden Puppe die Haare und sah sich kurz darauf um. Als die Kleine ihren Blick gen Mika richtete, setzte bei dieser kurz die Atmung aus. Tiefrote große Augen sahen in ihre Richtung, doch schienen sie nicht zu erfassen. Sie schienen etwas zu suchen und dieses auch kurz darauf gefunden zu haben. Vorsichtig stand das kleine Mädchen auf, legte ihre Puppe ab und kam in Mikas Richtung gelaufen. Kurz vor ihr blieb sie stehen und hob etwas auf. Ein kleines Kleidchen. Anscheinend wollte sie ihre Puppe neu anziehen. Plötzlich öffnete sich die Tür und das kleine Mädchen drehte sich ruckartig um, ließ dabei sogar das Kleidchen fallen. In der Tür stand ein junger Mann mit violettem glatten Haar und freundlichen roten Augen, welcher sich zu dem Mädchen runterhockte. Sofort lief die Kleine auf ihn zu und rief ihn freudig Papa, ehe sie sich in seine Arme warf. Der junge Mann lächelte und strich dem Mädchen sanft über den Kopf: „Warst du auch schön brav, Mika?“ Als der Name fiel schrak Mika auf und plötzlich saß sie wieder in dem dunklen Zimmer, welches nur die gespiegelte Version von Mirâs Zimmer war. Sie sah sich um und es kam ihr so vor, als würde ihr Name noch nachschallen. Als ihr Blick wieder auf den dunklen Spiegel fiel, über welchen sie sich immer mit Mirâ unterhielt, ließ sie sich auf den Futon fallen und rollte sich wie ein Embryo zusammen. Ihr Kopf schmerzte immer noch und die Gedanken an das, was sie eben gesehen hatte machten es nicht gerade besser. Was waren das nur für Bilder? Und wieso tauchten sie immer so plötzlich auf? Sie kamen ja nicht nach jedem Gespräch mit Mirâ, aber sie kamen immer häufiger und das machte ihr Angst. Waren es Erinnerungen? Oder nur Bilder die sie verwirren sollten? Sie wusste es nicht. Schluchzend rollte sie sich immer mehr zusammen und war kurz darauf eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)