Love and Blood von -B-chan- ================================================================================ Kapitel 9: Goodbye and Encounter -------------------------------- Er stand in der Küche. Letzte Nacht hatte er entdeckt, was er war. Er hatte herausgefunden, wie er das Schlafzimmer so hatte verwüsten können. Und warum er mit solcher Leichtigkeit seinen Vater und seine Schwester... Er war ein Monster. Und er konnte es nicht kontrollieren. Er hatte es letzte Nacht versucht...vergeblich. Er war nur froh, dass er es nicht aus dem Haus rausgeschafft hatte. Und nun stand er hier. Er öffnete das Schloss eines Schrankes und dessen Tür. Ihm blitzte blank poliertes Metall entgegen. Sein Blick blieb auf einem ganz besonderen Gegenstand liegen. Vor vielen Jahren hatte er jemanden gerade noch rechtzeitig davor beschützt. Er nahm das Messer in die Hand und setzte die Spitze an seine Brust. Vielleicht wurde es jetzt endlich Zeit, dass es die Aufgabe ausführte, der es vor so vielen Jahren zugedacht war. Er berührte kurz seine Stirn mit der freien Hand. Die andere zitterte. Wieso konnte er sie nicht bewegen? »Werde glücklich.« Wie sollte er glücklich werden? Es gab nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Er war verflucht. Alles, was er wollte, war einfach nur bei ihr zu sein. Und doch schaffte er es nicht, seine Hand zu bewegen. Verzweiflung machte sich in ihm breit. Er ließ das Messer fallen. Er konnte es einfach nicht. Im selben Moment wurde ihm etwas klar. Er musste weg von hier. Er konnte unmöglich hier bleiben, er konnte hier alleine nicht leben. Hier gab es zu viele Erinnerungen, die ihn quälten. Und die Leute im Dorf waren mit ihm in der Nähe in Gefahr. Manch einer mochte sagen, dass sie es nicht verdient hatten, von ihm verschont zu werden, doch er wollte keinem einzigen von ihnen etwas antun. Er wusste, dass auch sie gute Menschen waren. Dass sie eine Familie hatten. Eine Familie, die um ihren Verlust trauern würde. Das wollte er niemandem zumuten. Er packte die wichtigsten Sachen in eine Tasche. Wasser, etwas Brot und das Märchenbuch. Es war das einzige Andenken, das er von ihr hatte. Warum er das Haus abschloss, wusste er nicht. Aber er tat es. Und dann ging er. Fort. Weit fort. An Orte, wo keine Menschen lebten, denen er gefährlich werden konnte. Die Nacht des Vollmonds rückte ein weiteres Mal näher. Das Licht des Mondes wurde immer voller und heller. Er fürchtete sich davor, denn er spürte, er wusste, dass er sich dann wieder verwandeln musste. Die körperlichen Schmerzen dabei hatten zwar mittlerweile nachgelassen, aber das war ihm alles andere als ein Trost. Er wollte sich nicht verwandeln, doch die ruhigen Nächte um die Zeit des Neumonds waren scheinbar schon wieder so lange her und mit jeder weiteren Nacht wurde es schwieriger für ihn, sich zurückzuhalten. Mit jeder Nacht wuchs seine Furcht. Was, wenn doch ein Mensch in der Nähe war? Was, wenn er wie von Sinnen plötzlich in einem Dorf auftauchte? Diese Furcht machte es noch schwieriger, sich gegen das Monster in ihm zu wehren, von dem er wusste, dass er nur darauf wartete, plötzlich hervorzuspringen. Er konnte es immer noch nicht kontrollieren. Jedes Mal, wenn er wieder zu sich kam, war er voller Blut und um ihn verstreut lagen Knochen und Fellfetzen von Tieren, an die er sich nicht erinnerte. Der Mond ging gerade auf und erleuchte das Land mit seinem sanften Licht. Es war bald so weit. Vielleicht noch zwei oder drei Nächte und er hätte seine volle Größe erreicht. Er lag schweißgebadet in einer kleinen Höhle irgendeines Waldes. Das Licht drang nur schwach herein und doch spürte er, wie sich alles in ihm regte. Es wollte wieder heraus. Und er wollte sich wehren. Er hatte es gestern nicht geschafft...er wollte es wenigstens heute... Doch sein Puls begann unter der Anstrengung zu rasen. Und das machte alles nur schlimmer. Sein Finger hatten sich in den Weichen Erdboden unter ihn gebohrt, als er sich in dem Versuch hin- und herwandt, seine menschliche Gestalt zu behalten. Der Geruch der Erde war stark und doch konnte er Beute riechen. Sie war in der Nähe. Sie war ahnungslos. Er konnte schon fast ihr Blut schmecken. Er vergrub sein Gesicht im Boden, doch es kam näher. Es war ein Reh, er konnte es nun deutlich riechen. Es sollte laufen. Es sollte rennen! Er war zu schwach! Er war es, der nun rannte. Sein letzter aufbäumender Schrei hatte sich in ein langes und tiefes Heulen verwandelt. Doch diese Warnung kam für das Reh zu spät. Ehe es sich in Sicherheit bringen konnte, war er über es hergefallen und vergrub seine Zähne in dessen Hals. Sofort sank es leblos zu Boden und er verschlang gierig seine Beute. Kaum war er damit fertig, stieg ihm ein anderer Geruch in die Nase. Er kannte diesen Geruch...und irgendwie doch nicht. Es war keine Beute, die er bis jetzt gejagt hatte. Seine Beine machten sich einmal mehr selbstständig und rannten genau auf das nächste Ziel zu. Sein so genanntes Ziel war ein Stück größer als er und es war auch um einiges älter! Außerdem stellte es die Ohren auf und hob leicht die Lefzen. Der Neuling unter den Werwölfen war gerade dabei auf einen - sagen wir mal - Artgenossen zuzulaufen und dieser witterte ihn schon gegen den Wind. Ebenfalls hatte der andere Werwolf ein Beutetier erlegt gehabt, einen stattlichen Eber. Dieser hatte zu seinem Leidwesen den Weg des zweiten Werwolfes gekreuzt und somit sein Schicksal besiegelt. Durch den Mond dazu gezwungen, aber alle Sinne unter Kontrolle, begann das Ziel des Jüngeren dennoch bedrohlich zu knurren. Einen Gegenspieler oder gar Feind wollte er jetzt nicht sehen, zu lange hatte es gedauert, um an etwas fressbares heran zu kommen. Das Blut war am schmackhaftesten wenn es noch frisch und warm aus dem erlegten Tier kam. Etwas worauf man verzichten müsste, würde einem jetzt jemand in die Quere kommen. Dass die Beute am besten war, wenn sie frisch war, darin waren sich wohl beide einig. Und mit jedem Schritt, den der rennende Wolf näher auf sein Ziel zu machte, wurde auch deutlicher, dass da nicht nur ein Geruch war. Da war die Fährte, dessen Geruch ihn irgendwie irritierte, aber gleichzeitig konnte er auch einen Keiler wahrnehmen, dessen Blut deutlich und intensiv zu riechen war. Instinktiv stellte sich sein Fell auf und ein Knurren war aus seiner Kehle zu hören. Die erste Begegnung erzeugte in ihm ein Gefühl von Überraschung. Ein anderer Wolf? Kurz dachte er, er wäre ein normaler Wolf, doch das war nicht der Fall. Diese Augen! Menschliche Augen! Kurz zögerte er, doch der Wolf in ihm war stärker. Er ignorierte jede Warnung, die der deutlich ältere Wolf aussandte. Und im nächsten Moment war er dazu bereit, um den Eber zu kämpfen. Der ältere Wolf, dessen Augen leuchtend grün waren - eines matt und von einer langen, breiten und rissigen Narbe gezeichnet - stellte ebenso das Fell am Rücken auf und ebenso legte er die Ohren an. Wieder drang ein dunkles Knurren aus seiner Kehle. Eine letzte Warnung an den Eindringling seines Reviers, bevor auch Er auf ihn zu stürzte. Der Aufprall der beiden Wölfe war heftig und auch wenn alle beide ihre volle Kraft einsetzten, wurde schnell deutlich, dass er Ältere klar im Vorteil war. Konnte das eine Chance sein, diesem Fluch endlich zu entkommen? Der Kampf bekam plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Er wurde heftiger, intensiver. Wenn er es nur schaffte, den Erleger des Ebers stark genug zu verärgern, vielleicht würde er sich dann vergessen und ihn ausschalten. Durch seine eigene Schwäche war ihm das nicht möglich, doch dieser starke Wolf...er war seine Hoffnung darauf, endlich von diesem Leid erlöst zu werden. Die Erlösung schien auch nahe, denn immer wieder verbissen sich die Kontrahenten ineinander und bald begann das erste Blut zu fließen. Wunden wurden sich auf beiden Seiden beigebracht.  Knurrend und immer wieder zuschnappend, stürzte der Größere sich auf den Jüngeren. Wieder und wieder packte Er ihn im Nacken, schüttelte ihn und stieß ihn von sich weg.  Der Mond hatte sein Licht bereits wie Schnee auf die Baumkronen und den Waldboden gelegt. Somit bildete dieses einen Kontrast mit der dunklen roten Farbe der Flüssigkeit allen Lebens. Je länger der Kampf allerdings dauerte, desto mehr bekam der Wolf, der den Eber erlegt hatte, das Gefühl, das sein Gegenspieler nicht die Absicht hatte zu gewinnen. Mochte es so sein, das ihm die Erfahrung fehlte - was Er ja noch nicht wusste - aber er gab nicht alles. Nicht alles was er hätte aufbringen können... Auch die äußeren Wunden sprachen da für sich. Der Kraftunterschied spielte zwar ohne Zweifel eine Rolle, doch trotzdem konnte man sehen, dass der jüngere Wolf stärker verletzt war. Er fletschte zwar die Zähne und gab ein bedrohliches Knurren von sich, doch wenn er zubiss oder seine Krallen einsetzte, so tat er dies tatsächlich lediglich, um den anderen noch wütender zu machen. Mittlerweile konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten und entgegen jeglicher Vernunft machte ihn das unheimlich froh. Nur noch ein gezielter Biss und alles wäre endlich vorbei. Dass sein Fell bei weitem nicht mehr so gesträubt war, wie noch zu Anfang, merkte er gar nicht und auch seine drohend nach hinten gelegten Ohren hatten sich wieder aufgestellt. Sein Knurren aber blieb unverändert. Nur noch ein Biss - ein richtiger Treffer... Greif an. Bring es zu Ende. Der größere Wolf war abermals zum Sprung bereit. Es fehlte auch nicht sehr viel, dass er dem innerlichen Wunsch des Jüngeren nachkam, doch dann... Es fiel wenigstens ihm auf, dass der Gegner das Fell nicht mehr zum Kamm sträubte, das er scheinbar darauf wartete, dass das GANZE beendet wurde. All das veranlasste ihn dazu, nicht noch einmal anzugreifen. Wieder Herr seiner Sinne, löste sich der Größere aus seiner bedrohlichen Position und nahm eine offenere und friedlichere ein. Schon von Beginn an hatte Er gespürt, dass sein Gegenüber jünger und unerfahrener war. Womöglich jemand der gewandelt worden war, nicht geboren, so wie Er. War es das, was den jüngeren dazu gebracht hatte, ihn anzugreifen, unüberlegt und halbherzig? So als wolle er, das Er derjenige war der ihn richtete?! War dem so, dann war es nichts was Er tun wollte. Noch nie war jemand Unschuldiges durch seine Hand, durch seinen Kiefer mit den spitzen Fängen oder seine Klauen gestorben. Nie hatte er ohne Grund getötet. Deshalb wartete Aran - so war sein Name - nun auch ab. Er wartete ab, was geschah. Diese Zögern und diese Zurückhaltung besiegelte den Kampf. All verbliebene Kraft war in dieses letzte falsche Aufbäumen gelegt worden, doch nun, da mehr als deutlich war, dass der Tod wieder weiter in die Ferne gerückt war, gaben seine Füße nach und er stürzte entkräftet zu Boden. Er hatte es doch fast geschafft. Was hatte ihn verraten? Warum lebte er noch? Sein Knurren verwandelte sich plötzlich in ein verzweifeltes Winseln. Warum blieb er wieder verschont? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)