Love and Blood von -B-chan- ================================================================================ Kapitel 5: Weapons and Shields ------------------------------ Saria und Bast lagen schon im Bett. Natürlich teilten sie sich ein Zimmer. So war sie immer in seiner Nähe und er konnte nachts besser auf sie aufpassen, wenn ihr Vater seinen nächtlichen 'Rundgang' machte. Anfangs war es damit noch nicht so schlimm gewesen, aber über die Jahre hinweg war er zu so später Stunde immer unruhiger geworden. Besonders schlimm war es immer, wenn der Zeitpunkt gekommen war, zu dem seine Frau gestorben war. Mittlerweile rumorte und murmelte er dann immer irgendwelche Worte herum. Bast war in diesen Momenten hellwach und ging sicher, dass die Tür zu ihrem Zimmer geschlossen blieb. Saria schlief mittlerweile zum Glück immer darüber hinweg. Er konnte sich noch gut erinnern, wie sie anfangs immer zitternd vor Angst zu ihm ins Bett gekrochen war. Jetzt gerade aber schliefen sie noch nicht. Dazu war Saria viel zu aufgedreht. Sie war mittlerweile sieben Jahre alt und deshalb hatte Bast ihr das Lesen beigebracht und nun bestand sie immer darauf, ihm eine Geschichte aus einem Märchenbuch vorzulesen, bevor sie sich schlafen legten. Charles Perrault Volksgeschichten hatten es ihr wirklich angetan. Als Bast es kurz vor Sarias Geburtstag von einem unwissenden fahrenden Händler gekauft und ihr danach geschenkt hatte, hatte er nicht gedacht, dass sie so viel Freude daran haben würde. Dafür hatte sich der hohe Preis auf jeden Fall gelohnt. Heute war einmal mehr ihr Lieblingsmärchen an der Reihe. Vom 'Gestiefelten Kater' konnte sie einfach nicht genug bekommen. Ihrem Lesetempo nach zu urteilen konnte sie das Märchen mittlerweile schon auswendig und hätte es ihm wohl auch ohne das Buch fehlerfrei erzählen können. Wann immer ihre Lieblingsstelle im See passierte, glänzten ihre Augen hell auf. Bast konnte sich gut vorstellen, dass sie manchmal selbst davon träumte, während eines Bads von einem reichen Prinzen 'gerettet' zu werden, um dann in einem Schloss zu leben. Nachdem Saria geendet hatte, legte sie das Buch sorgsam zur Seite. Für sie war es wie ein großer Schatz und sie hütete es wie ihren Augapfel. Mit einem Lächeln im Gesicht kuschelte sie sich dann ins Bett. „Gute Nacht, Bruder. Schlaf schön.“ Dieser nickte leicht lächelnd. „Du auch, Schwesterchen.“ Für ein paar Stunden würde er es schon können. Der nächste Morgen kam und weckte sie mit wärmenden Sonnenstrahlen. Zumindest Saria. Bast war wie üblich schon seit der Dämmerung wach, um die Tiere zu füttern und ein wenig Gemüse aus dem Garten zu holen. Er bereitete gerade das Frühstück zu, als sie herein kam und ihn erst mal mit einem verschlafenen Gähnen begrüßte. „Dir auch einen guten Morgen, Schlafmütze. Ich hab Milch warm gemacht. Nimm, so viel du willst.“ Momentan gab die Ziege besonders viel davon, sodass es schade gewesen wäre, sie ungenutzt wegzuschütten. Und jeden Tag Käse machen konnte er auch nicht. Zusammen genossen sie ein kräftigendes Frühstück. Es war meistens die schönste Zeit des Tages, denn ihr Vater würde wegen der nächtlichen Streifzüge erst in ein paar Stunden aus seinem Loch herauskommen. Bis dahin waren sie nahezu ungestört. Als sie schließlich fertig waren, räumte Saria das Geschirr ab, um es im Waschbecken sauber machen zu können. Sie bestand schon länger darauf, mitzuhelfen und auch wenn er anfangs abgelehnt hatte, war sie doch beständig in ihrer Forderung gewesen, bis er schließlich nachgegeben hatte. Tatsächlich war sie eine große Hilfe und zusammen mit ihr war die Arbeit doppelt so schnell erledigt, sodass sie mehr Zeit für sich hatten. Nur beim Kochen ließ er sie nicht alleine. Er war zwar genauso alt wie sie gewesen, als er angefangen hatte, sich ganz allein um sie zu kümmern, aber Saria zeigte des öfteren eine gewisse Tendenz zur Tollpatschigkeit, mit der er sie ungern allein mit Messern und Feuer arbeiten ließ. Das hatte noch Zeit, bis sie etwas älter und besonnener war. „Ich muss jetzt kurz ins Dorf. Wir brauchen ein paar Sachen.“ Keiner von beiden mochte diese Tage, darum schob Bast sie immer so lange auf, bis es nicht mehr ging. Nur heute war es wieder so weit. Saria konnte er nicht mit ins Dorf nehmen, also musste sie allein zu Hause bleiben. Bast hasste das. Dass er sie zur Vorsicht mahnte, hörte sie wohl schon zum tausendsten Mal, aber er würde keine Ruhe finden, ehe er es nicht getan hatte: „Bleib in unserem Zimmer, bis ich wieder da bin. Ich beeile mich und sollte wieder da sein, ehe er wach ist.“ Sollte Saria von diesen Worten genervt sein, so zeigte sie es jedoch nicht. „Mir passiert nichts. Pass du auch auf dich auf.“ Darauf nickte er nur stumm. Er gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn, ging dann aber mit finsterer und ernster Miene und zügigem Schritt los ins Dorf. Solange er alleine war, war er zumindest kurz geduldet, um die lebensnotwendigen Sachen, die er nicht selbst bestellen konnte, zu holen. Die Beleidigungen und Beschimpfungen, die er hier entgegengeworfen bekam, behielt er für sich. Saria brauchte davon nichts zu erfahren. Dennoch - er beeilte sich, wieder nach Hause zu kommem. Die üblichen Flüche machten ihm schon fast nichts mehr aus, aber hin und wieder schafften es die Leute im Dorf doch, sich wieder neue Bösartigkeiten auszudenken. Und er war auch nicht gegen alles gewappnet. Gerade, als er sein inneres Schild beim Anblick seines Zuhauses wieder ein wenig hatte sinken lassen, ertönte daraus ein grauenvoller Schrei, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Verdammt! VERDAMMT! Warum hatte er gerade heute ins Dorf gehen müssen?! Er ließ den voll beladenen Leiterwagen einfach da stehen, wo er war und stürmte sofort ins Hausinnere. ER stand bedrohlich über Saria, die wohl trotz Basts Warnung aus dem Zimmer herausgekommen war und die er zu Boden gestoßen haben musste. In seiner Hand hielt er ein Küchenmesser. Wo hatte er das Messer her?! Bast achtete immer darauf, dass alle gefährlichen Gegenstände außerhalb dessen Reichweite weggesperrt waren. Viel Zeit darüber nachzudenken, wie sein Vater dennoch in dessen Besitz gekommen war, hatte er jedoch nicht, denn so wie es aussah, war er gerade noch rechtzeitig in die Küche gekommen. Osmund hatte bereits ausgeholt und die Klinge sauste genau auf Saria zu! „NEIN!“ Bast war sich in die Bahn, um Saria vor jeglichem Schaden zu bewahren. Der Schmerz war heftig und Bast hatte wohl Glück, dass sein Vater die Schläfe verfehlt hatte, aber als er das Blut von der Stirn über das Auge und hinunter zum Mundwinkel fließen spürte, konnte er nichts anderes als tiefe Erleichterung spüren. Sein Herz raste zwar noch, aber die schreckliche Angst war nun großer Wut gewichen. Wut auf sich selbst, dass er so unvorsichtig gewesen war. Und dieses Gefühl richtete er nun auf seinen Vater. Bast sprang auf ihn zu und klammerte sich an den Arm, dessen Hand das Messer hielt. Nach einer kurzen Rangelei ging Bast mit einer blutigen Lippe – was längst schon nichts Neues mehr war – als Sieger hervor. Nun hielt er das Messer in der Hand. „Verschwinde. Raus aus diesem Zimmer oder du bekommst es mit mir zu tun.“ Es war ihm todernst. Osmund schien zumindest so weit bei Sinnen zu sein, dass er diese Warnung ernst nahm. Bast war kein Junge mehr. Schon lange nicht mehr. Und er war nicht schwach. Mit einem Blick, der wohl am liebsten hätte töten wollen, verzog sich Osmund schließlich wieder. Erst aber, als Bast die Tür ins Schloss fallen und das Klicken des Schlüssels hören konnte, entspannte er sich ein wenig und ließ sich mit rasendem Herzen auf die Bank neben der Feuerstelle sinken. Saria war in Tränen aufgelöst, als sie sich aufrappelte und zu Bast stolperte. „E-es tut mir leid. Es ist meine Schuld.“, begann sie mit erstickter Stimme. „Das Poltern war nur so laut und seine Stimme danach so flehend, dass ich einfach nachsehen musste.“ Man sah ihr ihr schlechtes Gewissen förmlich an. Und ihre Angst. „Du stirbst doch jetzt nicht, oder?“ Er musste schlimm aussehen. Bestimmt war sein halbes Gesicht voller Blut. Und vom Kinn tropfte es auch runter auf seinen Schoß. „Schon gut. Keine Angst, ich sterbe nicht.“ Er konnte sie doch nicht alleine lassen. „Es ist nicht deine Schuld, sondern meine. Ich hätte vorsichtiger mit den Vorbereitungen sein sollen.“ Dann wäre der Vater gar nicht erst ans Messer rangekommen. Bast merkte, dass er selbiges immer noch krampfhaft fest in der Hand hielt. Er legte es sofort beiseite, damit er nicht noch aus versehen Saria damit verletzte. „Sei bitte so gut und bring mir einen nassen Lappen.“ Er musste sich das Gesicht sauber machen und die Blutung stoppen. Sie stolperte fast über ihre eigenen Füße, so schnell eilte sie zur Wasserschüssel. Aber sie brachte ihm einen frischen und kühlen Lappen, mit dem er sich zuerst gründlich über das Gesicht wischte, ehe er ihn auf die Stirn drückte. Das Pochen an dieser Stelle hörte irgendwann auch auf und als er den dritten Lappen wegnahm, hatte die Wunde auch zu bluten aufgehört und war nur noch gerötet. Zum Glück war da nicht viel, was hätte aufgeschnitten werden können. Erst als Saria sah, dass tatsächlich kein Blut mehr floss und er trotzdem noch aufstehen und rumlaufen konnte, ließ sie sich schließlich gänzlich beruhigen und ihre Tränen trocknen. Den restlichen Tag wollten die beiden nur noch weg, also packte Bast die gekauften Waren noch schnell in die Vorratskammer und nahm dann Saria an der Hand, um mit ihr zu ihrem gemeinsamen geheimen Platz zu gehen. Sie hatten die Lichtung eines Tages per Zufall gefunden. Wie auch immer er dort hingekommen sein mochte, wuchs dort ein Apfelbaum, der sie jeden Herbst mit den allerbesten Äpfeln versorgte. Dieses Geheimnis behielten sie aber für sich. Sie nahmen nicht mal einen Apfel mit nach Hause. Lieber kamen sie hierher und aßen so viel, bis sie fast platzten. Noch war es dafür aber nicht so weit und während den Früchten noch die rote Farbe fehlte und bestenfalls als sauer bezeichnet werden konnten (Saria hatte es ja unbedingt probieren müssen, ehe sie Bast geglaubt hatte), besuchten sie diesen Ort so oft wie möglich. Hier konnten sie zumindest für kurze Zeit die Welt um sich herum vergessen. Bast legte sich in den kühleren Schatten auf das weiche Gras und schloss die Augen, während er dem leisem Gesang einer Blumen pflückenden Saria zuhörte. Am liebsten wäre er einfach hier geblieben... ...Er musste eingeschlafen sein, denn Saria rüttelte schon etwas stärker an seiner Schulter, als er wieder aufwachte. „Für dich.“ Mit einem schüchternen Lächeln reichte sie ihm einen Blumenkranz. „Als Dankeschön.“ Bast nahm ihn lächelnd entgegen. „Der ist richtig schön.“ Er setzte sich auf und ließ ihn Saria auf seinem Kopf platzieren. „Den hast du echt toll gemacht.“ Ein erfreutes Gesicht blickte ihm daraufhin entgegen. „Ich mach mir auch noch einen, dann haben wir beide einen.“ Er nickte. „Mach das.“ Müde lächelnd blickte er ihr hinter, wie sie wieder durch die Wiese zog, um abermals Blumen zu sammeln. Ja, er würde wirklich gerne hier bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)