Love and Blood von -B-chan- ================================================================================ Kapitel 3: Fear and Courage --------------------------- Bast hatte diesen Tag so lange hinausgezögert, wie es nur ging, aber irgendwann hatte es doch sein müssen: er musste ins Dorf. Die leicht verderblichen Vorräte, soweit sie sie nicht selbst unter anderem von ihren Hühnern bekamen, gingen zu Neige und Bast war schlau genug zu wissen, dass sein Vater sich nicht um Nachschub kümmern würde. Also musste er gehen. Mit Saria. Er konnte sie unmöglich alleine daheim lassen. Selbst wenn er sie einsperren würde und sie vorerst augenscheinlich in Sicherheit wäre, konnte er nicht ausschließen, dass sie irgendwann zu weinen anfangen würde. Und wäre er dann nicht da, würde sie auch sicher nicht damit aufhören. Bis zu dem Punkt – und der würde schnell kommen – an dem sein Vater seine Geduld, oder zumindest die von Wein verursachte Betäubung, verlieren und sich mit ziemlicher Sicherheit Zugang zu ihrem Zimmer verschaffen würde. Was dann passieren könnte, wagte sich Bast gar nicht vorzustellen. Nein, Saria musste mit. Nur bei ihm war sie in Sicherheit. So bereitete er den Leiterwagen vor, wo er nicht nur Saria, sondern auch nachher die besorgten Waren hineinlegen konnte. Als er seine Schwester aus der Wiege hob, war sie wach, aber ruhig. Mittlerweile hatte sie sich wohl an sein Gesicht gewöhnt. Oder an seine Stimme. Er hatte festgestellt, dass sie ihn anfangs immer forschend anschaute und erst beruhigt reagierte, wenn sie seine Stimme hörte. Nachdem er ihr also ein paar freundliche Worte geschenkt hatte, nahm er sie aus der Wiege heraus und brachte sie leise zum Leiterwagen. Den Weg zum Dorf darin zurückzulegen, schien ihr zumindest nicht zu missfallen, denn sie blieb die ganze Strecke über ruhig. Als sie im Dorf angekommen waren, waren sie gerade so gekommen, dass alle Marktstände aufgebaut, aber noch nicht so viele Leute unterwegs waren. So konnte Bast mit dem Leiterwagen leicht durch die Reihen lenken. Die Stimmung auf dem Markt allerdings war irgendwie merkwürdig. Natürlich wurde er mit einigen mitleidigen Blicken bedacht, aber da war noch etwas anderes. Bast wusste zunächst nicht, was es war, aber als er nach einer Weile an einen Gemüsestand trat, an dem schon mehrere ältere Frauen standen, fand er schnell heraus, was los war. „...wie sie gesagt hat.“, war der erste Gesprächsfetzen, den er hörte, als er sich der Gruppe näherte. Die Frauen versuchten gar nicht erst, leiser zu sprechen, selbst als er direkt neben ihnen stand. „Wie eine Hexe.“, erklang die Stimme einer Frau, die ihm schon so oft Pflaumen geschenkt hatte, wenn er auf dem Weg zur Schule an ihrem Zaun vorbeigekommen war. Bast wusste sofort, dass sie damit die roten Haare Sarias meinte, die bereits den Kopf dicht bedeckten. Dasfür sich war schon relativ ungewöhnlich für Neugeborene, die meistens eher kahl waren oder nur einen leichten Haarfilm besaßen. „So ein Unglückskind kann nur den Tod bringen.“, fügte eine zweite Frau der Gruppe hinzu. Bast stand wie angewurzelt da. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Gerade, als er etwas entgegnen wollte, hörte er hinter sich ein Poltern und das erschrockene Aufwimmern Sarias. Natürlich drehte er sich sofort um, um zu sehen, was passiert war. So entdeckte er verschiedenes Gemüse im Leiterwagen. Dass es nicht die beste Qualität war, sah er mit einem Blick. „Zahl und verschwinde dann.“, sagte die Standbesitzerin woraufhin die dritte der Frauengruppe donnerte:. „Genau. Wir wollen so ein verfluchtes Gör nicht unter uns haben.“. Da endlich fand Bast seine Stimme wieder. „Saria ist nicht verflucht!“ Böse Blickte schossen ihm daraufhin entgegen. „Natürlich ist sie das. Wer nicht als ein Monster wie sie könnte uns die geliebte Maria entreißen?“ Was sollte er nur darauf sagen? Das war doch Unsinn! „Sie hat das nicht mit Absicht gemacht.“ Das musste doch jeder hier wissen. „Widersprich meiner Frau nicht.“, ertönte daraufhin die tiefe Stimme eines Mannes, der ihm mit seiner Hand auch gleich eine belehrende Kopfnuss verpasste und die Bast erschrocken zusammenzucken ließ. Mittlerweile hatten sich mehrere Menschen vor dem Stand angesammelt, um dem Geschehen zuschauen zu können. Bast hatte das zunächst gar nicht gemerkt. Aber nun sah er klar und deutlich, was ihn vorhin neben den bemitleidenden Blicken so beunruhigt hatte: Diese vielen feindseeligen Gesichter, die ihm und noch mehr Saria entgegenblickten. Er wusste, dass es nichts bringen geschweige denn helfen würde, noch irgendetwas zu Sarias Verteidigung zu sagen, also legte er stumm die Münzen, die er der Verkäuferin schuldete, auf die Theke und sah zu, dass er seine Schwester und sich von hier wegbrachte. Sie war ohnehin kurz davor, zu weinen anzufangen. Als er ein ruhiges Eck gefunden hatte, beruhigte er erst einmal Saria, ehe er sich dann überlegte, was er tun sollte. Er hatte zwar schon fast alles beisammen, aber noch konnte er das Dorf nicht verlassen. Wie er es auch drehte und wendete, er musste noch zum örtlichen Metzger. Und er fürchtete sich davor. Die Dorfbewohner waren eigentlich nette und freundliche Leute, aber der Mann, zu dem er jetzt musste, war zuvor schon immerstreng, ernst und furchteinflößend gewesen. Bast wollte sich gar nicht ausmalen, in welcher Stimmung er nun war. Hoffentlich würde er ihm überhaupt irgendwas verkaufen. So machte er sich auf zur Metzgerei. Gerade aber, als er um ein Hauseck bog, um zu seinem Ziel zu kommen, hörte er die Stimme, die er gerne noch für die Dauer von ein paar Schritt mehr aufgespart hätte. „Bast.“ Tief und brummig machte der stämmige Mann auf sich aufmerksam und winkte den Jungen zu sich zum Hintereingang des Gebäudes. Sein Zögern herunterschluckend setzte dieser sich in Bewegung und blieb erst wieder stehen, als er etwas mehr als eine Armlänge von dem rauen Mann entfernt war. War Basts Vater schon ein kräftiger Mann, so war dieser hier wie ein Bär. Besser, Bast ging auf Nummer sicher, sodass dessen starken Arme ihn nicht sofort mich aller Wucht würden treffen können, sollte er seine höchst wahrscheinlich vorhandene Wut nicht zurückhalten können. Ein paar schrecklich lange Momente folgten, in denen er Bast und Saria still und mit scharfem Blick musterte. Und dann kam, was Bast wirklich als allerletztes erwartet hatte: „Es tut mir Leid wegen deiner Mutter. Sie war ein guter Mensch.“ Da er nicht wusste, was er darauf sagen sollte, nickte Bast nur vorsichtig. Das jedoch wiederum war wohl das, was Laurence, den Metzger, wohl wirklich wütend machte. Wie sich herausstellte, lag das aber nicht direkt an Bast scheuer Reaktion. „Ich habe von deinem Vater gehört. Das ganze Dorf redet schon über sein furchtbares Auftreten. Dabei sollten sich alle selbst an die Nase fassen. Es ist unmöglich, wie sich alle aufführen.“ Basts Anblick jedoch, der wie ein Häufchen Elend vor ihm stand, ließen seine Stimme wieder sinken. „Du siehst schlecht aus. Du schläfst nicht genug, richtig?“ Und das war nicht alles. Er sah, dass der Junge tapfer damit kämpfte, die Tränen zurückzuhalten. Es wunderte ihn nicht. Auf einen Schlag war da niemand mehr gewesen, der sich um ihn kümmerte. So reif Bast für sein Alter sein mochte, Kind blieb Kind. Und doch half alles nichts. „Du musst stark bleiben. Auch für sie.“ Laurence nickte kurz zum Wagen. Mit diesen Worten streckte er Bast ein schweres Päckchen entgegen. „Das sollte für die nächste Zeit reichen. Den Preis dafür kannst du bei mir abarbeiten. Ich werde dir alles beibringen und dir zeigen, wie man die Tiere schnell und richtig schlachtet.“ Das war mehr, als Bast sich hatte erhoffen können. Gerade von der Person, von der er am meisten Angst gehabt hatte, hatte er die einzigen freundlichen Worte erhalten und - noch viel wertvoller - Hilfe angeboten bekommen. Und doch war ein leises „Danke.“ alles, was es an Worten aus seinem Mund schaffte. Das Bündel mit Fleisch war erstaunlich schwer, was die Geste nur noch bedeutsamer machte. Sorgsam und vorsichtig verstaute Bast es im Leiterwagen. Laurence nickte zufrieden und verschränkte die Arme vor seinem Körper. „Und jetzt solltest du nach Hause. Nicht, dass dich hier noch jemand sieht. Das wäre für uns beide nicht gut. Du könntest dann nicht mal mehr hierher kommen. Und ich lege dann doch Wert auf meine Kundschaft, so ungehobelt sie sich einem Jungen gegenüber auch aufführen mag.“ Das ließ Bast sich nicht zweimal sagen. Er nickte und setzte sich dann in Bewegung, nicht aber ohne sich noch einmal bedankt zu haben. Dann ging es nach Hause. Davor fürchtete er sich noch mehr, als er es vor dem Gang zum Metzger getan hatte, denn hier wusste er, was ihn erwartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)