Fang mich doch! von punkermietz ================================================================================ Kapitel 3: Am Hafen ------------------- Eren war froh, ein paar Minuten allein mit Armin im Büro zu haben. Der Vorfall vor zwei Stunden im Club war nervenaufreibend gewesen, und sie brauchte jetzt jemandem mit dem sie darüber sprechen konnte. Die Tatsache, dass sich ein weiterer Verräter unter ihnen befand, um die Arbeit des Aufklärungskommandos zu sabotieren, verstörte sie zutiefst. Eren wusste einfach nicht mehr, wem sie noch vertrauen konnte, und sie hatte keine Ahnung was sie als nächstes tun sollte. Dass jemand, der ihr so nahestand, sie würde verletzen wollen - das war sie einfach nicht gewohnt. Die letzten Ereignisse waren schlimm genug gewesen, sie wollte sich einfach nicht vorstellen, was noch alles möglich war. Wem konnte sie jetzt übheraupt noch vertrauen? Armin behauptete weiterhin, dass er keine Idee hätte, wer der Verräter sein könnte, aber er bestand darauf, dass Eren weiterhin ihre Augen offenhalten und vorsichtig sein sollte. Auch wenn ihre Unterhaltung nichts dazu beitrug den Übeltäter zu entlarven, so half sie Eren doch, wieder runterzukommen und ihre Nerven zu beruhigen. Armin war ein verdammt guter Zuhörer, und er war einer der wenigen Menschen, denen Eren ihre verletztliche Seite offenbaren konnte. Obwohl sie taff und entschlossen war, hatte natürlich auch sie ihre Momente, in denen sie sich einfach nur macht- und kraftlos fühlen würde. Und in diesen Momenten war es gut, einen besten Freund wie Armin Arlert zu besitzen. Er hörte sich all ihre Probleme an, und er fand immer genau die passenden Worte um sie zu beruhigen. Zögernd erzählte Eren ihm über ihre Enttäuschung und die Unsicherheit, die sie seit dem Vorfall in der Fabrik empfand. „Das merkwürdigste ist, ich hätte vielleicht mit Reiners Verrat umgehen können. Aber rauszufinden, dass auch Mikasa mich hintergeht - ich weiß nicht, dass war irgendwie noch viel schlimmer.“ sagte Eren nachdenklich. „Ich meine, eigentlich haben wir uns ja erst seit 2 Monaten gekannt, aber trotzdem habe ich eine tiefe Verbindung zu ihr gespürt. Als ob ich ihr mein Leben hätte anvertrauen können. Habe ich mir all das nur eingebildet? Bin ich verrückt?“ Ein trauriger Schimmer lag in ihren Augen, als sie Armin ablickte. Er dachte ein paar Sekunden über Erens Worte nach. „Nein, das denke ich nicht. Normalerweise hast du eine gute Intuition, und wenn du sagst dass jemand ein guter Mensch ist, dann ist das meist auch so.“ Während er sprach, tippte er sich mit dem Finger gegen die Nase, eine Angewohnheit die er immer dann zeigte, wenn er besonders konzentriert nachdachte. „Außerdem habe ich nicht den Eindruck, dass Mikasa einfach nur eine bösartige Gangsterbraut ist, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist. Da ist noch mehr. Ich glaube immer noch, dass sie tief innen drin eine gutes Herz hat.“ „Ja, ich hab' ja gesehen, was für eine guter Mensch sie war. Von allen Leuten die sie hätte rufen können, musste sie natürlich ausgerechnet nach Levi schicken.“ Eren würgte diese Worte mit Verachtung heraus. „Ich kann's immer noch nicht glauben.“ Die bloße Erinnerung an sein arrogantes Grinsen brachte ihr Blut zum Kochen. „Da wir gerade von ihm sprechen...“ sagte Armin beiläufig, und kassierte sofort einen finsteren Blick von Eren. „Ich wollte dich nur fragen ... Was hälst du von ihm? Was ist er für dich?“ Fragend legte er seinen Kopf zur Seite. Seine strahlend blauen Augen schienen Erens Gesicht nach einer bestimmten Reaktion abzusuchen. Sie hasste es, wenn er ihr diesen Psychologen-Blick zuwarf. Als ob er in ihren Kopf hereinschauen könnte. Und ja, Eren wäre nicht überrascht, wenn er das tatsächlich könnte. „Was ich von ihm- ... was meinst du damit?“ fragte sie und runzelte die Stirn. „Er ist ein verdammter krimineller Arsch! Noch dazu der nervigste kriminelle Arsch, den ich kenne!“ „Hmm...“ Armin setzte sich auf den Stuhl vor Erens Schreibtisch, den seltsamen Ausdruck immer noch auf seinem Gesicht. „Was soll 'hmm' jetzt schon wieder bedeuten?“ zischte sie und verschränkte ihre Arme, während sie ihren Freund immer noch böse anstarrte. Sie wusste nicht einmal, warum sie sich plötzlich so in die Ecke getrieben fühlte. Alles was Armin getan hatte, war sie zu fragen, was sie über dieses Arschloch dachte. Warum also wurde sie plötzlich so wütend? „Eren“, seufzte er. „Du hast mir doch alles erzählt, was zwischen euch vorgefallen ist, oder nicht? Es ist ziemlich offensichtlich dass er dich die ganze Zeit lang anbaggert-“ „Weil er ein verdammter Arsch ist, wie ich schon gesagt habe!“ wiederholte Eren stur. „Er macht sich eben ständig über mich lustig.“ „- Und auch wenn du sowieso ziemlich schnell auf die Palme zu bringen bist,“ Armin ignorierte ihren Einwurf einfach, „verlierst du die Fassung ziemlich schnell, wenn er bei dir ist. Weißt du, es gibt da so ein Phänomen über die Konditionierung von Adrenalin und Emotionen in gefährlichen Situationen, du beginnst das Gefühl der Aufregung auf die Person zu übertragen, mit der du sie erlebt hast. Und lass uns nicht vergessen, dass er dich damals in der Fabrik gerettet hat und dass du-“ „Armin, komm zum Punkt, mein Gott!“ unterbrach Eren ihn ungeduldig. Ihr verärgerter Blick hätte jeden anderen vermutlich bereits eingeschüchtert, aber Armin ließ sich davon nicht beeindrucken. Er kannte sie zu gut und zu lange, um darauf hereinzufallen. „Was versuchst du damit anzudeuten?“ fragte Eren. Armin lehnte sich vor und sah ihr in die Augen. Ja, hier war er wieder. Dieser ich-kann-deine-Gedanken-lesen-Blick, den Eren so sehr versuchte zu meiden. „Hör zu, es könnte nur sein, dass du gewisse … verwirrende Gefühle ihm gegenüber entwickeln könntest. Ich weiß dass du ihn hasst und ihn verhaften willst,“ er hob seine Stimme als Eren den Mund öffnete um ihm zu widersprechen, „aber die Situation könnte sich verkomplizieren. Und ich möchte dich nur wissen lassen, dass du immer zu mir kommen und mir alles erzählen kannst. Wie unangebracht und falsch dir deine Gefühle auch vorkommen mögen, ich werde dich nicht verurteilen. Ich werde einfach nur da sein, dir zuhören und dich unterstützen. Egal was auch passieren mag.“ Erens Gesichtsausdruck wurde sanfter, und sie nahm seine Hände in die ihrigen. Auch wenn Armins Intelligenz manchmal einschüchternd wirken konnte, er würde sie niemals gegen Eren einsetzen. Das war das einzige, dessen sie sich im Moment sicher war. Eren lächelte ihn an. „Ich weiß, Armin. Du würdest nie jemanden verurteilen. Du bist wirklich der beste Mensch, den ich kenne.“ Sie schloss ihre Augen für einen Moment, und als sie sie wieder öffnete war der feurige Funke wieder darin zu erkennen. „Aber ich kann dir diese eine Sache versichern: ich habe keine 'verwirrenden Gefühle' für Levi. Er ist einfach nur ein weiterer arroganter krimineller Bastard, den ich in den Knast bringen werde.“ --- „Sasha, bist du dir sicher dass ich die Kartoffeln auch reinschneiden soll?“ rief Eren ins Wohnzimmer hinein. „Ich habe irgendwie das Gefühl, dass das nicht ganz zum Konzept einer Nudelsuppe passt!“ Es war Samstagabend und sie hatte sich mit Sasha zum gemeinsamen Kochen verabredet. Normalerweise würden sie danach noch feiern und tanzen gehen, um sich von anstrengenden Tagen wie denen der letzten Woche abzulenken. Aber aus einem bestimmten Grund konnte Eren in nächster Zeit erst einmal keine Nachtclubs mehr ertragen. Sasha kam zurück in die Küche, zwei Bierflaschen in der Hand. „Ich versteh' die Frage nicht. Natürlich bin ich mir da sicher.“ grinste sie, als sie Eren eine der Flaschen reichte. Die rollte nur mit den Augen. „Ich wusste ja, dass sie dir den Namen 'Kartoffelmädchen' nicht umsonst gegeben haben.“ Sasha schnaubte und nahm einen Schluck Bier. „Nenn mich noch einmal Kartoffelmädchen und ich übernehme vielleicht diese 'Süße'-Sache für dich.“ Sie lachte als Eren ihr Gesicht verzog. „Komm schon, schau doch nicht so an einem solchen Abend!“ rief Sasha. „Wir haben frei, einen Topf voller Essen und den Keller voller Bier! Was könnte man sich mehr wünschen?“ Eine Stunde später saßen sie auf Sashas Couch, zufrieden und vollgestopft, nachdem sie fast den gesamten Topf Suppe verschlungen hatten. Sie entschieden sich dazu, einfach nur einen Film auszuwählen und einen gemütlichen Abend auf dem Sofa zu verbringen, da keine von ihnen den Drang verspürte rauszugehen und mit anderen Menschen zu kommunizieren. Sasha rumorte durch ihre DVD-Box und stieß einen triumphierenden Schrei aus, als sie eine einzelne Scheibe herausfischte. „Endlich, nach der habe ich schon seit vier Monaten gesucht!“ strahlte sie. „Eren, lass uns 'Fear and Loathing in Las Vegas' reinziehen! Ich liebe diesen Film einfach.“ Eren rollte abermals mit den Augen. „Sasha, wir sind verdammt nochmal Bullen, ich versteh einfach nicht warum du auf diese dummen Kifferfilme abfährst.“ Zur Antwort streckte Sasha ihr ihre Zunge entgegen und bekam im Gegenzug nur ein Schnauben und ein verhaltenes „Kartoffelmädchen!“ von ihrer Chefin zu hören. „Aber die sind lustig!“ beharrte Sasha. „Hey, stell dir doch nur mal vor wie viel spannender unsere Arbeit wäre, wenn unsere Verdächtigen mehr wie Johnny Depp sein würden.“ Sie packte Eren am Kragen und senkte ihre Stimme zu einem dunklen Krächzen. „'Wir können hier nicht halten Süße, das ist Feldermausland!'“ Lachend befreite sie Eren von ihrem Griff und feierte sich selbst für diese Worte. „Ja, total lustig.“ sagte Eren trocken. „Das hat noch nicht einmal Sinn ergeben-“ Der Klingelton ihres Handys unterbrach ihren Satz, und Eren kramte es aus ihrer Tasche heraus. Seufzend las sie die eingehende Anrufnummer. „Hey Erwin, was gibt’s?“ fragte sie, als sie den Anruf entgegennahm. „Eren, es tut mir Leid deinen freien Abend stören zu müssen, aber ich habe wichtige Neuigkeiten. Meine Quelle hat mich gerade informiert, dass die Flügel der Freiheit eine Waffenübergabe in zwei Stunden durchführen wollen.“ --- So schnell wie möglich fuhren Eren und Sasha zum alten Hafengelände, dem Ort, an dem die Übergabe stattfinden sollte. Es war eine kalte und regnerische Nacht, und ein schwerer Nebel lag in der Luft. Eren atmete tief ein als sie aus dem Auto ausstieg. Sie liebte diese Momente kurz vor dem Beginn einer neuen Mission. Die meisten Leute mochten gefährliche Situationen vielleicht fürchten und meiden, aber Eren genoß einfach das prickelnde Gefühl des Nervenkitzels, der durch ihre Adern rauschen würde. Nicht zu vergessen dieser Moment der Genugtuung, wenn sie ihre Zielperson verhaften und die Straßen ihrer geliebten Stadt von einem weiteren kriminellen Subjekt befreien würde. Und oh, heute Nacht war eine dieser Nächte, in denen sie dieses Gefühl ausleben würde können. Heute Nacht würde etwas großes passieren, dessen war Eren sich sicher. Sie trafen sich mit Erwin, Jean und Connie in einem heruntergekommenen Bürogebäude am Rande des Hafens. Nur Armin fehlte; Erwin hatte es nicht geschafft ihn zu erreichen. Eren konnte sich nur zu gut vorstellen, wie ihr bester Freund weltvergessen in seine eigene kleine Welt hinabgetaucht war und auf seinem altem plüschigen Sofa die neuesten Bücher verschlingen würde. Niemals würde er in solch einer Situation das Klingeln des Telefons bemerken. Eren war jedoch nicht besorgt über diese Tatsache, schließlich würden sie es auch ohne ihn schaffen. Sie besprachen ihre Strategie ein letztes Mal mit Erwin, bevor sie losziehen und sich im Gelände verstecken würden, um die Ankunft der Flügel der Freiheit zu erwarten. „Also, nach unseren Informationen werden die Rebellen in etwa 30 Minuten eintreffen, um die Waffen zu kaufen. Wir glauben es werden 12 Personen sein, jeweils sechs Rebellen und sechs Leute von der Mafia. Levi selbst sollte heute Abend auch anwesend sein. Heute ist der Tag, an dem wir sie schnappen werden.“ fasste Erwin noch einmal mit seiner tiefen ruhigen Stimme zusammen. Er betrachtete jeden einzelnen von ihnen genau, um sicherzugehen, dass sie bereit waren. Connie unterbrach das ernsthafte Schweigen neugierig. „Woher stammen diese Informationen?“ fragte er. Eren bemerkte den berechnenden Blick in Erwins Augen, als er Connie unverbindlich anlächelte. „Das ist im Moment nicht von Relevanz. Wichtig ist nur, dass ihr heute erfolgreich sein werdet. Ich glaube an euch.“ Der Rest des Teams nickte mit feierlichen Mienen, nur Eren war tief in Gedanken verloren. Wer könnte diese Informationen geliefert haben, und warum würde Erwin ihnen nicht seine Quelle verraten? Glaubte er etwa, dass der Verräter sich in ihrem Team befand? Schon wieder? Das konnte Eren sich einfach nicht vorstellen, sie vertraute Sasha, Jean und Connie. Anderseits, sie hatte auch Reiner und Mikasa vertraut, und wohin hatte das geführt? Sie würde mehr als erleichtert sein, Levi endlich zu schnappen. Sicher würden die Flügel der Freiheit zusammenbrechen ohne ihren großen Anführer. Und wenn die Straßen ihrer Stadt endlich von dieser kriminellen Organisation bereinigt wären, würden auch die anderen kleineren Gruppen kein Problem mehr für das Aufklärungskommando darstellen. Eren hatte sich geschworen, die organisierte Kriminalität zu vernichten, und heute Nacht würde sie damit anfangen. Es wird sich einfach wunderbar anfühlen, Levi endlich in Handschellen zu legen, sein höhnisches Grinsen würde endlich von- „Eren, wisch dir dieses gruselige Lächeln aus dem Gesicht, wir machen los!“ Jean schnippte mit den Fingern vor Eren hin und her, um sie zurück in die Realität zu holen. --- Sie hatten sich zwischen alten Containern in einer großen, verrümpelten Lagerhalle positioniert, jeder von ihnen an einem anderen Fleck. Der Plan sah vor, die Gangster während der Übergabe zu überraschen, und sie allesamt zu verhaften. Mit weniger würde Eren sich nicht zufrieden geben. Das Team hatte noch Verstärkung von der örtlichen Polizeiwache bekommen, damit sie nicht in Unterzahl gegen die Verbrecher vorgehen mussten. Es dauerte nicht lange, bis sie die ersten Fußschritte hörten. „Wenn diese Schwachköpfe heute Nacht wieder zu spät sind, ramm' ich ihnen mein verdammtes Messer in den Arsch. Wie kann man nur so unhöflich sein und andere Leute dermaßen warten lassen.“ hörte Eren Levis vertraute tiefe Stimme fluchen. „Das glaube ich kaum.“ antwortete eine andere männliche Stimme. „Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt, dass sie dieses Mal pünktlich zu erscheinen haben.“ Die Agentin lugte um die Ecke und sah sechs Menschen in die Halle hineinwandern. Sie konnte Levi, Mikasa, die Frau mit dem bernsteinfarbenen Haar und den Typen namens Oluo wiedererkennen. Zwei weitere Männer, einer blond und einer schwarzhaarig, sah sie zum ersten Mal. Sie alle waren dunkel und einfach gekleidet, und Eren beobachtete, wie Levi sich eine Zigarette mit langen behandschuhten Fingern ansteckte. Die Gruppe wartete schweigend, und es dauerte nicht sehr lange bis eine Meute weiterer Menschen hineinströmte, alle in grüne Kleider gehüllt, die Gesichter hinter Schals verborgen. Eren konnte nicht erkennen, ob es sich um Frauen oder Männer handelte, aber das war auch nicht wichtig. Sie würde sich auf die Flügel der Freiheit konzentrieren, die Rebellen waren Sache der örtlichen Polizisten. Die Verbrecher wechselten ein paar wenige Worte bevor sie mit der Übergabe starteten. Eine Figur aus der Rebellengruppe sowie Mikasa traten nach vorn, beide hatten einfache schwarze Aktenkoffer in den Händen. In dem Moment, in dem sie sie wechseln wollten,gab Eren das Zeichen und sie alle sprangen aus ihrem Versteck heraus. Nun war es an der Zeit. Nun würde sie ihn endlich besiegen. „Koffer fallennlassen und Hände hoch!“ rief Eren, als sie ihre Waffe auf Levi richtete. Ihre Teamkameraden und die anderen Polizisten umzingelten die Gangster, die Finger auf den Abzügen gedrückt. Eren versuchte, die gesamte Situation unter Kontrolle zu behalten, aber ihr Hauptfokus lag auf der Zielperson direkt vor ihr. Levi drehte sich um und seine Augen weiteten sich erstaunt. „Miss Yeager!“ Er starrte sie ungläubig an; dieses Mal breitete sich kein höhnisches Lächeln auf seinem Gesicht aus. Eren gab sich selbst innerlich einen High-five. Offensichtlich hatten sie ihn unvorbereitet erwischt, er würde nicht in der Lage sein, einen seiner dummen Scherze mit ihr zu machen. Er würde nicht noch einmal entkommen können. Eren wollte ihren Befehl gerade wiederholen, als sie eine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm. Sofort drehte sie ihren Kopf in die entsprechende Richtung und erkannte entsetzt, dass einer der Rebellen dabei war, eine Rauchbombe in die Menge zu schmeißen. Sie wollte sie ihm aus der Hand schießen, aber es war schon zu spät. Mit einem unheilvollem Scheppern landete die Granate auf dem Boden, und innerhalb der nächsten Sekunden war die Halle mit dickem weißen Rauch gefüllt, der das Atmen erheblich erschwerte. Eren versuchte, sich umzusehen, doch alles was sie ausmachen konnte, war der Schatten von Sasha neben ihr. Die Frau hustete und bemühte sich, wieder zu Atem zu kommen. Ihre Stimme war rau und heiser als sie sich an ihre Teamchefin wandte. „Verdammt Eren, wir müssen hier raus-“ Bevor Sasha weiterreden konnte, zerrieß ein Schuss die Luft, und Eren fühlte die Kugel neben ihrem Ohr langzischen. Verdammt. Das hier gerät außer Kontrolle. Eren packte Sasha und zog sie mit sich, als sie zur Seite sprang. Sie schafften es, sich hinter einer dicken grauen Säule vor den nächsten Schüssen in Sicherheit zu bringen. Mittels des drahtlosen Ohrhörers fragte Eren ihre Mitstreiter, ob sie in Ordnung wären. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie erleichtert, Jeans nervige Stimme zu hören. Er versicherte ihr, dass Connie und er vorerst in Sicherheit wären, gut verborgen hinter einem Container. Gut. Dachte sie bei sich. Nun muss ich nur noch herausfinden, woher die Schüsse kommen. Eren atmete tief ein und versuchte, ruhig zu werden. Sie würde ihre gesamte Aufmerksamkeit benötigen, um diese Situation meistern zu können. Auch wenn ihr das Herz in der Brust hämmerte als sie um die Ecke schaute, fühlte sie sich ruhig und erregt zugleich. In solch bedrohlichen Momenten schien die Zeit plötzlich langsamer zu laufen, und sie war in der Lage die gesamte Situation zu erfassen. Eren konnte alles hören, alles sehen und sogar alles riechen. Ihre Sinne liefen auf Hochtouren. Darum liebte sie ihren Job; in solchen Momenten fühlte sie sich kraftvoll und lebendig. Sie würde alles erreichen können, was sie wollte. Der Rauch klärte ein wenig auf, und Eren konnte die Frau aus Levis Team erkennen. Sie hatte ihren Körper hinter einem Stapel Kisten in Sicherheit gebracht, aber sie schaute direkt in Erens Richtung. Ihre großen goldfarbenen Augen funkelten gefährlich als sie ihre Waffe hob und ein weiteres Mal auf Eren schoss. „Diese verdammte Irre!“ fluchte Eren als sie auswich. Sie ließ sich eine Sekunde Zeit um zu zielen, bevor sie selbst auf die Frau schoss. Einmal, zweimal. Ihre Gegnerin bewegte sich immer noch und versuchte, Eren abermals eine Kugel durch den Körper zu jagen. Die Agentin schoss ein drittes Mal und versteckte sich augenblichklich hinter der Säule, als die nächste Kugel abgefeuert wurde. „Petra, das reicht!“ ertönte Levi's scharfe Stimme vom anderen Ende der Halle. „Wir ziehen uns zurück!“ Erens Kopf ruckte in die Richtung, aus der sie seine Stimme gehört hatte. Als ob sie ihn jetzt entwischen lassen würde. Nicht wenn sie so nah dran war, ihn endlich zu schnappen. Bevor sie auch nur weiter darüber nachdenken konnte, sprintete Eren schon los zu der Stelle, an der sie Levi vermutete. Der Rauch hatte sich nun fast gelichtet und sie konnte seine athletetische Statur ausmachen, als er vor ihr herrannte. Verdammt, er war echt schnell. Komm schon, du hast so lange für diese Situation traniert. Trieb Eren sich selbst an. Du schaffst das. Du kriegst ihn. Ihre Lungen brannten vom Rauch und der Anstrengung des Rennens, aber sie schaffte es noch einen Zahn zuzulegen und den Abstand zu verringern. Levi schaute hinter sich und war überrascht, Eren aufholen zu sehen. Er versuchte seine Verfolgerin loszuwerden, indem er auf den nächsten Stapel schwerer Holzkisten sprang. Er hangelte sich an die Spitze und streckte die Arme aus, umd die Ballustrade des zweiten Stockes zu ergreifen. Mit einem eleganten Überschlag schwang er sich hoch und landete mit den Füßen auf der nächsten Etage. Als Eren diese gymnastischen Übungen beobachtete, konnte sie sich ein höhnisches Grinsen nicht verkneifen. Wenn er glaubte, sie so einfach loszuwerden, hatte er sich getäuscht. Bevor sie zum Aufklärungskommando gekommen war, hatte Eren den Großteil ihrer Freizeit mit Parkour verbracht, und sie ziemlich gut darin gewesen. Einfach geradeaus rennen, egal welche Hindernisse ihr in den Weg kämen, große Mauern überwinden und sich selbst immer wieder herausfordern - das war ihre Leidenschaft gewesen. Und nun würde die sich wieder einmal auszahlen. Keine Chance, dass diser zu kurz geratene Bastard sie in ihrer eigenen Disziplin schlagen würde. Ohne Zeit zu verschwenden, folgte Eren ihm mit schnellen und geübten Bewegungen. In dem Moment, in dem ihre Füße wieder den Boden berührten, sprintete sie auch schon weiter ihrem Ziel hinterher. Als Levi bemerkte, dass er immer noch verfolgt wurde, schnappte er sich einen alten Rollcontainer an der Wand und stieß ihn in ihre Richtung. Eren stolperte fast darüber, konnte sich aber im letzten Moment noch fangen und mit einem kraftvollen Sprung über das Möbelstück hinweg hechten. Levi war schon fast am Ende des Flures und schlüpfte durch eine alte Eisentür. Erens Herz klopfte wie wild, ihr Puls raste. Sie trat die Tür ein und riss sie dabei fast aus den Angeln. Als sie eintrat und sich umsah, erkannte sie dass sich eine weitere große Halle vor ihr erstreckte. Eren stand auf einer alten Plattform, deren Treppe steil bergab zum Erdgeschoss der Halle führte. Levi war schon auf der letzten Stufe angekommen und drehte sich kurz um, als er die Tür krachen hörte. Er sah Eren geradewegs ins Gesicht und zwinkerte ihr spöttisch zu, befor er weiter Richtung Ausgang rannte. Dieser verdammte Mistkerl. Eren überlegte nur einen Herzschlag lang. Es würde zu lange dauern, die Treppen normal herunter zu laufen, diese Zeit hatte sie nicht. Sie holte tief Luft, kletterte auf den Handlauf der Plattform und machte sich bereit. Das Adrenalin rauschte durch ihre Adern als sie sich von der Balustrade abdrückte und etwa vier Meter in die Tiefe sprang. Mit einer geschickten Rolle landete sie auf dem Boden, direkt vor Levi, und schnitt ihm somit den Weg ab. Dieser stoppte verdutzt und starrte sie überrascht an, als sie ihren Kopf hob um ihm einen zornigen Blick zuzuwerfen. Ohne zu zögern sprang Eren nach vorne, umklammerte Levis Taille und stieß ihn zu Boden. Sie überwältigte ihn und schaffte es sogar, ihn mit einer schnellen Bewegung zu entwaffnen, als er nach seiner Pistole greifen wollte. Das klappernde Geräusch der auf den Boden fallenden Kanone befriedigte sie ohne Ende. Das harte Training der letzten Monate hatte sich ausgezahlt. Vor Anstrengung atmete Eren schwer, aber sie war verdammt stolz auf sich. Durch ihre unermüdliche Arbeit hatte sie es geschafft, Levi ein weiteres Mal zu erwischen, und nun würde sie ihn ein für alle Mal besiegen. Dieses Mal würde sie nicht den Fehler begehen, sich von ihm entwaffnen zu lassen. Um seinen geradezu unheimlich ausgeprägten Nahkampftalenten zu entgehen, sprang Eren schnell hoch und baute sich über ihm auf. Sie hob ihre Waffe und legte den Finger auf den Abzug, nur für den Fall. Levis Augen glitzerten, als er zu ihr hochschaute. Bleib ruhig. Du bist ein Profi. Du schaffst das Ganze hier ohne auszuflippen. Dieses Mal würde Eren ihm nicht die Genugtuung verschaffen, sich von seinen dämlichen Sprüchen provozieren zu lassen. „Leidenschaftlich wie immer.“ spottete Levi, als er sich aufsetzte. „Hast du mich etwa so sehr vermisst?“ Eren stöhnte genervt auf. So viel zum Thema ruhig bleiben. „Ich halte dir gerade eine gottverdammte Pistole an den Kopf.“ knirschte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Kannst du dich nicht ein einziges Mal benehmen wie jeder andere normale Verbrecher? Ein einziges verdammtes Mal?!“ Levi klopfte sich den Staub von der Kleidung und gluckste. „Tut mir leid, Süße.“ sagte er mit rauer Stimme. „Vermutlich war ich einfach abgelenkt, als du da so keuchend auf mir drauf gesessen hast.“ Mit größter Selbstbeherrschung schaffte Eren es, ihn für diesen Kommentar nicht zu erschießen. Dieser arrogante Dreckskerl würde noch ihr Ende bedeuten. „Aber wenn du mich ganz lieb bittest, werde ich ab jetzt ein guter Junge sein.“ Levi streute noch Salz in die Wunde. „Vielleicht.“ Der altvertraute Ärger kochte schon wieder in ihr hoch, aber Eren entschied sich, seine Versuche sie aufzuziehen einfach zu ignorieren. Stattdessen nahm sie die eisernen Handschellen von ihrem Gürtel ab. „Steh auf und streck die Hände vor dir aus!“ verlangte sie in unnachgiebigem Befehlston. „Oh, also kommen wir nun endlich zu den interessanten Aktivitäten...“ sprach Levi gedehnt, als er sich aufreizend langsam erhob. Wieder einmal widerstand Eren dem Drang, ihm einfach ins Gesicht zu schlagen. Dies hier war ihr Sieg, er würde ihn ganz bestimmt nicht mit irgendwelchen dummen Sprüchen verderben können. Okay, vielleicht konnte er das. Aber sie würde ihn das verdammt nochmal nicht wissen lassen. Levi stand nun direkt vor Eren und grinste sie herausfordernd an. Er machte keinerlei Anstalten, ihren Befehlen Folge zu leisten. Sie funkelte ihn wütend an und klimperte mit den Handschellen. „Hände. Ausstrecken. Sofort.“ knurrte Eren. Bevor auch nur einer von ihnen sich rühren konnte, zog das laute Bersten einer Tür und das hektische Getrappel von Fußschritten ihre Aufmerksamkeit auf sich. Schnell drehte Eren sich um und sah den Man namens Oluo hinter sich, wie er eine Pistole auf sie richtete. Ja, natürlich. Sie hätte fast mit den Augen gerollt. Ich hab' die Scheiße hier sowas von satt. „Sorry dass wir uns verspätet haben, Boss.“ sagte Oluo, während er sich den Schweiß mit einem weißen Tuch von der Stirn wischte. Hinter ihm erschien die Frau mit dem bernsteinfarbenen Haar und dem irren Blick, und sie richtete ihre Waffe sofort wortlos auf Eren. „Kein Problem, ich hatte recht unterhaltsame Gesellschaft beim Warten.“ sagte Levi, ohne seinen intensiven Blick von Eren zu nehmen. Der Zorn in ihr hatte nun ein gefährlich hohes Level erreicht, und für einen kurzen Moment erwog sie, den Mafiaboss einfach so umzupusten, egal ob seine bewaffneten Komplizen nun hinter ihr standen oder nicht. Als ob Oluo ihre Gedanken gelesen hätte, stieß er ihr seine Pistole in den Rücken. „Jetzt lass die Knarre sinken und nimm die Hände hoch, Bulle.“ Seine Stimme klang merkwürdig gekünstelt, so als ob er sich extra Mühe geben würde, gelangweilt zu wirken. Eren fluchte vor sich hin und knirschte mit den Zähnen, tat aber letztendlich doch wie ihr gehießen. So nah. Sie war so verdammt nah dran gewesen. Wo waren ihre Kameraden wenn man sie einmal brauchte? Waren sie zu sehr damit beschäftigt, die Rebellen und den Rest der Mafia in Schach zu halten? Anstatt dieses kriminellen Arschloch hier endlich abzuführen, musste sie nun ihre Niederlage eingestehen. Schon wieder. Levis Grinsen wurde breiter als er auf Eren zuging. Mit spitzen Fingern nahm er ihr die Pistole ab und baumelte sie genüsslich vor ihrem Gesicht hin und her. „Tut mir leid, die hier werde ich mitnehmen müssen, Miss Yeager.“ erklärte er schmunzelnd. Eren knurrte, aber zumindest nahm Oluo nun seine eigene Knarre aus ihrem Rücken. Da sie nun unbewaffnet war, hoffte sie, dass die Gangster sie nun endlich in Ruhe lassen und abhauen würden. Sie hätte es wirklich besser wissen müssen. Anstatt sich nun endlich zu verziehen, trat Levi noch einen Schritt näher an sie heran, beugte sich vor und brachte seinen Mund dicht an ihr Ohr. Seine Stimme war seltsam rau und belegt, als er ihr die nächsten Worte zuflüsterte. „Keine Sorge, ich leih dir jederzeit gerne mein Gewehr aus, wenn du es brauchst.“ hauchte er anzüglich. „Du mieser kleiner-“ Eren langte vorwärts, um ihn in Stücke zu reißen, aber Oluo war schneller. Er packte sie hart und versuchte, sie im Zaume zu halten. Als Eren nicht aufhörte, sich zu wehren, schritt Petra ein und half ihrem Partner, die Agentin von Levi wegzuziehen. Sie drückte ihr den Lauf ihrer Pistole an die Schläfen, und endlich erstarrte Eren in ihren Bewegungen. Nun hielt sie still, nicht ohne Levi mit ihren Blicken zu erdolchen. Der Mafiaboss trat einen Schritt zurück und lies ein kehliges Lachen ertönen. Seine normalerweise eiskalten Augen leuchteten vor Vergnügen. „Deine Reaktionen sind einfach nur zu herrlich, Süße.“ sagte er, und sein verdammtes Grinsen war so breit dass Eren hätte schwören können, es würde nie wieder aus seinem Gesicht verschwinden. „Aber ich denke wir sollten unsere kleine Teeparty jetzt beenden.“ Er hob seine eigene Pistole auf, verstaute sie im Gürtel und drehte sich um. „Bis bald, Miss Yeager.“ Er winkte lässig und wanderte langsam Richtung Ausgang, als ob er alle Zeit der Welt hätte. Erens Zorn wurde sogar noch größer als sie sich selbst dabei erwischte, wie sie den aufreizenden Schwung seiner Hüften hinterherstarrte, anstatt darüber nachzudenken wie sie ihm doch noch eins reinwürgen würde können. Nein, auf gar keinen Fall würde sie diesen kriminellen Bastard je attraktiv finden. Keine Chance. Trotzdem tauchte die Erinnerung an das Gespräch mit Armin wieder vor ihren Augen auf. Sie versuchte ihr möglichstes, seine Warnung bezüglich der „verwirrenden Gefühle“ in die hintereste Ecke ihres Geistes zu verbannen, als Oluo und Petra sie endlich losließen um ihrem Anführer zu folgen. Natürlich nicht ohne dass Petra ihr einen letzten giftigen Blick zu warf, der zu bedeuten schien, dass sie keine Sekunde zögern würde Eren trotzdem zu erschießen, sollte sie nur einen falschen Mucks von sich geben. Eren ballte ihre Hände zu Fäusten und wartete, bis die drei Verbrecher aus ihrem Sichtfeld verschwunden waren, bevor sie selbst die Halle verließ um sich auf die Suche nach ihren Kollegen zu machen. --- Einige Minuten später hatten sie sich vor dem Eingang des Gebäudes wieder gemeinsam versammelt. Die gute Nachricht war, dass keine von Erens Teamkameraden oder von den Einsatzkräften der Polizei ernsthaft verletzt worden waren, die schlechte war jedoch, dass sie nicht einen einzigen Verbrecher hatten fassen können. Die Rauchbombenaktion der Rebellen hatte wirklich alles zunichte gemacht, aber wenigstens hatten sie nun wieder einen offiziellen Grund, um nach Levi und seinen Gesellen zu fahnden. Trotzdem wollte Eren ihre Niederlage nicht so schnell eingestehen. Nur weil sie eine Schlacht verloren hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie auch den Krieg verlieren würde. „Okay, alle zusammen.“ richtete sie ihre Worte an ihr Team. „Wir gehen jetzt herum und suchen das Gelände nach weiteren Beweisen ab. Vielleicht finden wir einen hilfreichen Hinweis oder etwas Vergleichbares.“ Jean und Connie starrten sie fassungslos an. „Was, wir können immer noch nicht nach Hause gehen? Aber Ereeen, es ist Samstag Nacht, die Forensiker können die Spurensuche übernehmen-“ Sie verengte ihre Augen und starrte die beiden böse an. „Ist mir egal ob sie auch suchen, wir werden ihnen dabei helfen. Menschen, die in einen Kampf verwickelt worden sind, haben eine ganz andere Perspektive und können wichtige Hinweise geben. Vielleicht entdeckt ihr sogar selbst etwas, einfach weil ihr dabeigewesen seid!“ „Das ist mein Mädchen, immer auf einen Sieg aus!“ rief Hange aus, als sie hinter Eren auftauchte, und umklammerte deren Schultern mit festem Griff. Da sie zum forensischen Team gehörte, war sie eine der ersten gewesen, die nach der Schießerei am Tatort eingetroffen waren. Trotz der fortgeschrittenen Stunde platzte sie wie immer geradezu vor Energie. Es war nicht das erste Mal, dass sich Eren insgeheim fragte, ob Hange nicht heimlich etwas von ihren eigenen Chemikalien naschte. Sie hatten sich in mehrere Teams aufgeteilt, um das Gelände nach mehr Hinweisen abzusuchen, aber Eren bestand darauf, alleine durch die Gegend zu streifen. Sie brauchte einfach etwas Raum, um über die letzten Geschehnisse nachzudenken. Frustriert kickte sie einen Stein vor sich her, als sie daran dachte, wie Levi ein weiteres Mal hatte entkommen können, und sie wurde immer noch verdammt wütend als ihr seine dämlichen Kommentare und sein arrogantes Grinsen wieder und wieder vor Augen erschienen. Was sie allerdings noch viel mehr beunruhigte, war, dass er es scheinbar immer wieder schaffte mit ihr herumzuspielen. Wie Armin bereits angekemerkt hatte, war Eren eine Frau mit sehr viel Temperament; aber für ihren Job hatte sie stets versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren. Doch Levi schien genau zu wissen, welche Knöpfe er drücken musste, um sie komplett auf die Palme zu bringen. Sie hatte keine Ahnung, warum sie in seiner Gegenwart so schnell die Fassung verlor, und sie wollte im Moment auch gar nicht weiter darüber nachdenken. Eren hatte verdammt nochmal einen Job zu erledigen, sie hatte Besseres zu tun als die ganze Zeit über diesen Mistkerl nachzudenken. Gedankenverloren schlenderte sie umher und merkte, dass sie bereits weit weg am anderen Ende des Hafens angelangt war. Die kühle Nachtluf kroch zwischen ihre Kleidung, und sie wollte sich gerade fröstelnd abwenden um wieder zurückzukehren, als sie plötzlich ein gedämpftes Schluchzen in ihrer Nähe vernahm. Sie blieb stehen und schaute sich verwirrt um, aber sie konnte nichts erkennen außer großen dunklen Gebäuden und Stapeln von Containern. Woher konnte dieses Geräusch stammen? Niemand sollte zu dieser späten Stunde noch hier sein. Das Schluchzen wurde lauter, und Eren beschloss, der Ursache des Geräusches auf den Grund zu gehen. Sie zog die Waffe, die sie sich von Erwin hatte leihen müssen, da ja ein gewisser Dreckskerl ihre eigene mitgenommen hatte, und schlüpfte vorsichtig um die nächste Ecke. Das Areal wurde nur spärlich vom Mondlicht beleuchtet, deswgen brauchte Eren eine gewisse Zeit um zu erkennen, dass das Häufchen dort in der Sackgasse tatsächlich ein menschliches Wesen zu sein schien. Eine junge Frau mit hellbraunen Locken saß mit hochgezogenen Knien auf dem Boden und schluchzte vor sich hin. Als Eren näher herankam, schaute die Frau mit tränennassen Augen zu ihr hinauf. „B-bitte töte mich nicht!“ flehte sie schwach. Ihr ganzer Körper begann zu zittern, als sie die Pistole in Erens Händen bemerkte. „Töte mich nicht.“ wiederholte sie mit erstickte Stimme. Eren verstaute die Waffe wieder im Holster und zeigte der Frau nun ihre bloßen Hände, um sie zu beruhigen. Langsam ging sie auf sie zu. „Hey, alles in Ordnung, Sie brauchen keine Angst haben!“ sagte sie so tröstend wie es nur ging. „Ich bin ein Special Agent, ich werde Ihnen nichts tun.“ Die Frau starrte sie weiter an, scheinbar unsicher, ob sie ihr wirklich vertrauen konnte. „Was tun Sie denn hier mitten in der Nacht, junge Frau?“ fragte Eren sanft. Der Lockenkopf ließ ein weiteres Schniefen verlauten, bevor sie wieder sprach. „Ich- Ich bin mit meinem Hund Sawney Gassie gegangen, wie jeden Abend, und plötzlich habe ich Schüsse gehört. Ich dachte, vielleicht ist da so eine Art Bandenkrieg im Gange, und habe mich hier versteckt.“ Sie wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. „Ich hatte soviel Angst.“ Eren nickte und sandte ihr ein beruhigendes Lächeln. „Es war gut, dass Sie sich versteckt haben. Keine Sorge, es ist alles vorbei.“ Sie sah sich um. „Wo ist denn ihr Hund?“ „Ich weiß es nicht... er ist ein kleiner Feigling. Vielleicht ist er in eines der Gebäude hineingerannt.“ Die Augen der Frau füllten sich wieder mit Tränen. „Weinen Sie nicht, junge Dame. Ich werde Ihnen helfen den Hund wiederzufinden, und dann bringen wir Sie sicher nach Hause.“ Eren streckte ihr eine Hand entgegen. „Ich bin Eren. Wie heißen Sie?“ Die Frau ergriff die Hand und ließ sich von ihr hochziehen. „Ich bin Hitch.“ sagte sie. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Hitch.“ Eren lächelte sie an, um sie so gut es ging zu beruhigen. Als die Frau einen Schritt vorwärts machte, stolperte sie, doch Eren konnte sie noch rechtzeitig auffangen. Hitch schlang ihre Arme um sie, und bevor Eren wusste wie ihr geschah fühlte sie plötzlich einen stechenden Schmerz in ihrem Nacken. „Autsch!“ erschrak sie. „Was zur Hölle-?“ Hitchs Gesichtausdruck verzog sich vom verzweifelten Schluchzen zu einem hinterhältigen Grinsen. Sie zog die Injektion aus Erens Hals heraus und warf die Spritze achtlos auf den Boden. „Danke.“ Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. „Die Freude ist ganz meinerseits, Miss Yeager.“ Eren starrte sie mit schreckgeweiteten Augen an und versuchte, die Situation zu erfassen. Ihre Sicht began sich zu trüben, und ihr Kopf füllte sich langsam mit einem feinen weißen Nebel. Bevor sie ihre Waffe ziehen konnte, packte Hitch die Pistole und verstaute sie sicher bei sich selbst. Dann schnippte die Frau mit den Fingern. „Balto, es ist soweit. Du kannst jetzt rauskommen.“ Ein übergewichtiger Mann in mittleren Jahren trat aus der Dunkelheit heraus und näherte sich ihnen hastig. Die Halbglatze und das selbstgefällige Lächeln auf seinen wulstigen Lippen ließen ihn wie ein großes gieriges Schwein erscheinen, und eine Welle von Panik erfasste Eren. Sie stütze sich gegen die Mauer, als ihr schwindlig wurde. Überwältigende Müdigkeit schwappte über sie hinweg, aber sie zwang sich selbst, dagegen anzukämpfen. Ihr Kopf arbeitete nicht mehr richtig, und sie war nicht in der Lage klar zu denken. Nur von ihren Instinkten geleitet begann sie, nach vorn zu stolpern. Irgendwohin, egal wohin, Hauptsache weg von hier. Bleib wach. Renn weg. Am Rande ihres Bewusstseins konnte Eren ein rauschendes Geräusch vernehmen. Sie war sich nicht sicher ob sie es sich nicht nur einbildete, aber sie hatte das Gefühl, jemand würde sie rufen. Ihr benebelter Verstand konnte die Stimme aus ihrem Ohrhörer nicht mehr identifizieren. Ein starker Griff packte Eren und schmiss sie gegen die Wand. „Na na, meine Liebe, wo wollen wir denn hin?“ kicherte der dicke Mann. „Wir sind hier noch lange nicht fertig!“ Hitchs Gesicht erschien in Erens beschränktem Sichtfeld. „Das ist also die berühmte Agentin Yeager? Ich bin enttäuscht. Hab' mir irgendwie vorgestellt, es wäre herausfordernder, sie in die Falle zu locken.“ Die Frau rümpfte ihre Nase. „Und dürr ist sie auch noch. Keine Ahnung warum er so an ihr hängt.“ Eren verstand nicht mehr, worüber die beiden sprachen. Der Nebel in ihrem Kopf wurde immer stärker, und inzwischen hatte sie Probleme, sich auf den Beinen zu halten. Ihre Knie zitterten und sie schwankte. „Mir egal, ob sie dünn ist oder nicht.“ Das Gesicht des Mannes kam näher an Eren heran, viel zu nah, und die widerliche Duftwolke von Alkohl lies sie beinahe würgen. „Hey Hitch, was meinst du, haben wir noch ein bisschen Zeit? Ich würde gern noch meinen Spaß mit ihr haben. Stell dir nur mal sein Gesicht vor, wenn er das rausfindet.“ Die junge Frau stieß ein süffisantes Lachen aus und rollte mit den Augen. „Du bist ein ganz schöner Perversling, Balto. Wie auch immer, mir egal. Stell nur sicher dass sie am Ende lebend beim Boss ankommt.“ Sie steckte ihre Hände in die Jackentaschen und schlenderte davon. „Dieser Mist hier langweilt mich eh zu Tode.“ Balto leckte sich die Lippen und began, die Schnallen an Erens Schutzweste aufzureißen. Nein. Die Müdigkeit wurde immer intensiver, aber Eren erlaubte sich nicht zu ruhen. Sie stieß seine Hände weg, seine riesigen, gierigen Hände, immer und immer wieder. Sie versuchte, ihm in den Schritt zu treten, aber ihre Beine waren zu schwach. Also konzentrierte sie ihre verbliebene Kraft darauf, den Man wegzuschubsen, doch es wurde immer schwerer und schwerer ihre tauben Glieder zur Bewegung zu zwingen. Kämpfe. Du musst kämpfen! Das war der einzige Gedanke, der sich noch in ihrem benommenen Kopf festsetzen konnte. Eren wehrte sich gegen den schweren Körper über ihr, so viel wie nur möglich, aber ihr Bewusstsein began bereits, wegzudriften. Balto schien nicht im Geringsten beeindruckt von ihrer Gegenwehr zu sein und kicherte abermals. „Es hat keine Zweck deine Kraft zu verschwenden, du kleines-“ „Miss Yeager?“ Levis scharfe Stimme hinter ihnen zog sie aus dem beginnenden Black Out heraus. Erens Blick flackerte zu der dunklen Shilhouette des Mannes. Er stand am Ende der Sackgasse, eine Fäuste geballt und die Beine gespreizt, und augenblicklich kam Eren das Sinnbild eines Jägers in den Kopf, bereit, seine Beute in Stücke zu zerfetzen. Ihre Augen trafen diese eiskalten grauen Iriden, die sie unverwandt anstarrten. Eren wunderte sich nicht einmal mehr, warum der Mafiaboss immer noch auf dem Gelände war; alles was sie fühlte war eine seltsame Erleichterung, sein vertrautes Gesicht zu erblicken. Balto stoppte überrascht, und Eren nutzte die Gelegenheit um sich aus seinem Griff zu befreien und vorwärts zu stolpern, nur weg von diesem widerwärtigen Mann. Ihre Beine zitterten und sie war nicht mehr in der Lage, auch nur einen Schritt zu tätigen. Dunkelheit senkte sich über ihren Geist, und sie wusste, dass sie nicht mehr länger würde durchhalten können. „Levi...bitte...Hilfe-“ flüsterte Eren mit ersterbender Stimme. Dann versank alles um sie herum in tiefste Schwärze. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)