Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 115: Teach me, Master (Kampf gegen die Elemente) -------------------------------------------------------- "Hier." Ronya wirft mir einen Hypertrank zu, den ich mit steifgefrorenen Händen auffange und im selben Moment fast wieder fallen lasse. Gott, der sich flach in den Schnee drückt, um den eisigen Winden des Gipfels zu entfliehen, niest herzhaft. Er schlürft den Trank in gierigen Zügen aus der Flasche und schüttelt sich, als die heilende Wirkung der Arznei seinen Körper durchströmt. Ich hopse derweil von einem Bein auf´s andere und friere unauffällig vor mich hin. "K-können wir eine Pause machen?", frage ich hoffnungsvoll und denke an die windgeschützte Höhle, die nur ein paar Minuten von unserem jetzigen Standort zwischen sich wiegenden Nadelbäumen und zugeschneiten Felsbrocken entfernt liegt. Warm ist es dort nicht, aber Gotts Rückenfeuer wird reichen, um die schlimmste Kälte zu vertreiben. Ronyas Blick zerschmettert meine Hoffnungen. "Das ist erst unser zweiter Tag, Abby", sagt sie. "Wir haben noch mindestens drei Wochen Training vor uns. Willst du jetzt schon aufgeben?" "Ich verstehe einfach nicht, warum ich Gott nicht entwickeln soll", entgegne ich und hauche mir in die Hände. "Er gehorcht inzwischen auf´s Wort." Der wahre Grund ist, dass ich mir durch Tornuptos größeren Körper mehr Wärme in diesem eisigen Wetter erhoffe, aber das muss Ronya schließlich nicht wissen. Gott knurrt zustimmend. Seit seiner Rückkehr haben Ronya und ich uns darum bemüht, ihn nur körperlich zu betätigen und nicht aktiv in Kämpfe einsteigen zu lassen, damit seine Muskulatur sich wieder aufbauen kann, aber der Silberberg hat andere Pläne. Nur ein Tag ist vergangen und Gott hat schon Level 38 erreicht, alles durch ungewollte Kämpfe, die Ronya mit Entei oder ihrem Galagladi Arthur beendet. Ronya seufzt und winkt uns nun doch zu sich. Gehorsam wie zwei Baby-Pokémon folgen wir ihrem Signal und lassen uns aus dem tosenden Wind ins Innere der Höhle leiten. Von tief innen kann ich lautes Knurren und das Ratschen von Krallen auf Stein vernehmen. Jayden ist mal wieder voll bei der Sache und hat gleich die gesamte Höhlenpopulation in seine Richtung gezogen. Soll mir Recht sein. "Setz dich", sagt Ronya und lässt sich selbst an einem Felsen nieder. Ich folge ihrem Beispiel. Gott legt sich als mobiler Heizkörper an meine Seite, während Enteis imposante Gestalt sich neben Ronya niederlässt. Auch nach zwei Tagen in seiner Nähe kann ich die Gänsehaut nicht unterdrücken, die mir beim Anblick des Legendären über den Rücken läuft. "Es wird Zeit für etwas Theorie", fährt Ronya fort. "Wenn du meinen Anweisungen nicht folgen willst, erkläre ich dir die Hintergründe und du kannst danach deine eigene Entscheidung treffen." Ich nicke. "Klingt fair." "Gott ist in einer seltenen Phase seiner Entwicklung", beginnt Ronya. "Weißt du, warum?" "Weil er sich theoretisch entwickeln könnte, aber bewusst zurückhält", sage ich sofort. Das ist schließlich das Kernproblem. "Ganz genau." Sie streicht nachdenklich durch Enteis Nackenfell. Das Vulkanpokémon grollt zufrieden, bettet seinen Kopf auf die gewaltigen Pranken und schließt ein Auge. "In deinem Fall wollten wir verhindern, dass du die Kontrolle über Gott verlierst, wenn er sich zu früh in ein Tornupto entwickelt. Deiner Einschätzung nach ist diese Gefahr nun gebannt. Aber es gibt auch nicht-psychologische Vorteile für diese Art des Trainings. Tatsächlich ist die Methode bei vielen Trainern sehr beliebt." Ich runzele die Stirn. Agnes hat in ihren Vorlesungen etwas Ähnliches erwähnt, aber ich kann mich partout nicht mehr an die Feinheiten erinnern. "Geht es darum, dass Pokémon stärker werden, wenn sie länger in einer Entwicklungsstufe bleiben?" "Nicht direkt, aber du kommst der Sache näher." Ronya zieht ihr altes Pokédexmodell aus ihrem Rucksack und durchstöbert einige Sekunden lang ihr Archiv, dann reicht sie mir das klobige Gerät. "Vielleicht ist es dir bisher noch nicht aufgefallen, aber Pokémon erlernen Attacken in ihren Entwicklungsstufen auf unterschiedlichen Durchschnittsleveln. Das bedeutet, dass unterentwickelte Pokémon durch den Nachteil ihrer Grundfähigkeiten diesen schneller ausgleichen müssen, nämlich durch das verfrühte Erlernen von Attacken. Ich habe dir die Karteikarten für Gott geöffnet. Was fällt dir auf?" Ich überfliege die Tabelle. "Als Igelavar erlernt er die nächsten Attacken im Schnitt zwei Level früher!" Ich hebe überrascht den Kopf. "Also willst du, dass Gott erst die nächsten Feuerattacken erlernt, damit er sie als Tornupto früher einsetzen kann?" Sie lächelt. "Richtig. Es ist natürlich deine Entscheidung. Zwei Level sind keine große Sache, aber da wir nicht wissen, wann wir den Silberberg verlassen müssen, halte ich es für keine schlechte Idee, Gott so lange wie möglich den Vorteil seiner Unterentwicklung nutzen zu lassen. Hier hast du die Möglichkeit, schließlich sind wir anderen da, um dich im Training zu unterstützen. Gotts mangelnde Grundfähigkeiten fallen nicht so sehr ins Gewicht, wenn er nicht alleine kämpft." "Was hältst du davon, Gott?", frage ich und schaue zu ihm hinunter. Seine Augen glühen. "Klingt gut, oder?" Er grollt zustimmend und schmiegt sich etwas enger an mein Bein. Ah, die Wärme… Ronya zögert, fährt aber fort. "Da ist noch ein anderer Grund", gibt sie zu. Ich unterbreche das Bauchkraulen und schaue zu ihr auf. "Was meinst du?" "Gott nähert sich dem Levelbereich, in dem die Blockaden ein echtes Problem werden", sagt Ronya. "Wenn er die vierzig überschreitet, hängt alles weitere von euch ab. Ich kann nur bis zu einem gewissen Grad helfen, aber Gott ist dein Pokémon. Du kennst ihn am besten, Abby. Wenn die Zeit kommt, hängt es an dir, ein Trainingsprogramm für ihn zu entwickeln, das ihn voranbringt. Und ich denke, dass es ihm leichter fallen wird, wenn er sich nicht zusätzlich an einen neuen Körper gewöhnen muss." Nachdenklich kraule ich Gotts Nacken. Über den Aspekt seiner Entwicklung habe ich noch gar nicht nachgedacht. Es stimmt natürlich, dass Gott sich erst an den neuen Körperbau gewöhnen muss. Wahrscheinlich hat Ronya mal wieder Recht. Seit ich sie kennen gelernt habe, erscheint sie mir mehr und mehr wie ein wandelndes Lehrbuch. Ronya wirft mir einen Müsliriegel zu und einige Minuten essen wir schweigend. Ihr Blick ruht auf mir, so als warte sie auf irgendeine Reaktion. Seufzend stehe ich auf. „Gott, weiter geht´s“, befehle ich und muss grinsen, als Ronya mir zuzwinkert.   ooo   Nathan tätschelt Washakwils hakenförmigen Schnabel, während er Hunter und mich mustert, wie wir schlotternd vor ihm stehen. Für Silberbergverhältnisse ist das Wetter blendend, was bedeutet, dass die tückischen Winde, die um den Gipfel fegen, nicht mit faustgroßen Hagelkörnern gespickt sind. Trotzdem bin ich nach fast einer Woche Training in diesen Temperaturen nicht sicher, ob meine Nase nicht doch abgefroren ist. „Er hat Agilität gelernt?“, fragt er nach. Ich nicke steif. „G-gestern Abend.“ Nathan Gesicht hellt sich merklich auf. „Das ist super“, erklärt er aufgeregt. „Geronimo hier ist voll auf das Fliegen ausgelegt. Mit Rückenwind kann ich eine ganze Flugtruppe pushen, Wirbelwind macht Gegnern das Fliegen schwer und wenn es wirklich hart auf hart kommt, ist sein Freier Fall erste Sahne.“ Er grinst bis über beide Ohren, hustet verlegen und krault den Adler am Kopfgefieder, bis dieser genießerisch die Augen schließt. „Aus Team Shadow bin ich der erfahrenste und beste Flieger, ohne angeben zu wollen. Du hast mit Ibitak den Nachteil, dass ihm sowohl der Level als auch das Flugtraining fehlt, aber was wir wirklich üben müssen, sind Manöver.“ Ich runzele die Stirn. „Warum?“, frage ich. „Bisher mussten Hunter und ich immer lange Strecken fliegen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir einmal Probleme dabei hatten, wie wir uns in der Luft bewegen.“ „Sicher?“, fragt Nathan und deutet mit dem Daumen auf Hunter Brustgefieder, das nach seinen Verbrennungen nur dünn nachgewachsen ist. „Ich habe gehört, dass ihr geradewegs in eine Explosion geflogen seid. Ich war nicht dabei, ich kann also nicht beurteilen, ob ihr mit meinen Techniken hättet ausweichen können, aber wenn wir gegen Team Rocket ankämpfen, werden wir in der Unterzahl sein, habe ich nicht Recht?“ „Natürlich“, sage ich und füge, etwas zögerlich, hinzu, „Wenn wir vielen Trainern gleichzeitig ausweichen müssen, wären ein paar neue Manöver sicher hilfreich.“ Nathan nickt zufrieden. „Gut. Als erstes musst du lernen, deinem Pokémon blind zu vertrauen.“ Als er passend zu dem Wort blind ein schwarzes Tuch aus seiner Jackentasche zieht, bestätigen sich meine schlimmsten Vermutungen. „Du willst, dass ich blind fliege“, sage ich. „Hier? Am Silberberg?“ „Luft ist überall, Abby“, lacht Nathan. „Du kannst es hier genauso lernen wie woanders. Na komm, an mit der Augenbinde.“ Hunter krächzt aufgeregt, als ich mich neben ihn stelle und mir die Augen verbinde. Absolute Schwärze legt sich über meine Augen. Ich atme nervös aus und versuche nicht daran zu denken, dass der Abgrund nur wenige Meter entfernt ist. „Auf Verfolgungsjagden ist es sinnvoll, wenn du das Lenken übernimmst“, erklärt Nathan. „Aber wenn die Zeit für einen ausgewachsenen Luftkampf kommt, musst du dein Pokémon fliegen lassen, wie es will, damit du dich auf die Attacken und Konterkommandos konzentrieren kannst. Wenn der Reiter lenkt, passt sich das Pokémon an, um seine Befehle zu befolgen, aber wenn ihm die Führung überlassen wird, kann es die besten Winde nutzen. Das bedeutet auch, dass du absolutes Vertrauen in seine Flugkünste haben musst. Und natürlich, dass du in Sekundenbruchteilen Situationen erfassen und dir eine neue Strategie zurechtlegen kannst.“ „Ist ja quasi nichts“, sage ich sarkastisch und taste vorsichtig nach Hunter, der mir seinen Kopf entgegen streckt. „Niemand sagt, dass es leicht ist“, erwidert Nathan. „Luftkämpfe gehören neben Unterwasserkämpfen zu den anspruchsvollsten, die es gibt, weil mehr Dimensionen im Spiel sind und der Trainer das Geschehen nicht in Ruhe aus der Ferne analysieren kann, sondern selbst mitten drin ist. Also, steig auf und dann lass dich ein bisschen spazieren fliegen. Wenn du dich sicher fühlst, gib mir ein Zeichen, dann kommt die nächste Aufgabe.“ Hunters Kopf stupst gegen meine Hand. „Ich mach ja schon“, murmele ich gutmütig, taste mich zu seinem Körper vor und klettere vorsichtig auf seinen Rücken. „Du hast Nathan gehört, Hunter. Lass dich nicht aufhalten.“ Das lässt er sich nicht zweimal sagen. Ich habe gerade genug Zeit für einen erstickten Schrei, da hat er schon abgehoben und lässt Nathan und den Berg unter uns zurück. Ich persönlich verabschiede mich von meinem Magen, der irgendwo unter mir rumschwirrt und schlinge in Todesangst meine Arme um Hunters Hals. Am liebsten würde ich mir sofort die blöde Binde abziehen oder Hunter zurück zu Boden lenken, aber mein Stolz verbietet es mir. Ich habe mich für das Trainingscamp am gefährlichsten Ort Kantos mit den gnadenlosesten Lehrern der Welt entschlossen, also werde ich das Ganze auch durchziehen. Es dauert eine Weile, bis ich meinen Griff lockere. Ohne die visuellen Eindrücke bin ich nicht sicher, was für Manöver wir eigentlich fliegen, nur, dass ich ab und an kopfüber hänge oder der Wind sich dreht. Alles in allem ist es bei weitem nicht so schlimm, wie ich erwartet habe und so gebe ich Nathan das Zeichen, weiterzumachen. Meine geschärften Sinne hören Washakwils Flügelschläge von weitem. Kurze Zeit später meine ich sogar, die veränderten Luftströme auf meinem Gesicht zu spüren. "Was jetzt, Meisterflieger?", rufe ich ihm zu. "Darf ich wieder sehen?" "Noch nicht. Bist du bereit für den ultimativen Vertrauenstest?" "Muss ich wohl, sonst lässt du mich hier oben verrotten!", entgegne ich lachend. Nathan stimmt nicht ein. "Dieses Mal meine ich es ernst, Abby", sagt er. "Vertraust du Hunter voll und ganz? Und vertraust du mir, im Notfall einzugreifen?" Ich muss nicht lange nachdenken. "Sag schon, was ich tun muss, es wird kalt." "Ruf Hunter zurück und beschwöre ihn sofort wieder." "Was?!" "Traust du dich nicht?" Ich beiße mir auf die Lippen. Um Vertrauen geht es nicht. Hunter will mir nichts Böses, das ist gar keine Frage, aber ihn zurückzurufen, wie ein Stein zu Boden zu fallen… Jaydens Stimme hallt in meinen Gedanken wieder, als er mich zum Sprung vom Berg überredet. Darum geht es also. Eine andere Erinnerung nagt unterdessen ihren Weg an mein Bewusstsein. Gold, der Lugia mit eben diesem Trick durch den Maschendraht der Safari-Zone manövriert hat. "Wann kann ich loslegen?", rufe ich schließlich zurück. Nathan lacht und von dem plötzlichen Windstoß, der uns abdriften lässt, nehme ich an, dass er und Washakwil etwas Abstand nehmen, um Hunter Raum zum fliegen zu geben. "Leg los, wenn du bereit bist!" Ich hole tief Luft und fahre durch Hunters Federn, so als wäre es das letzte Mal in meinem Leben. Wenn Nathan mich nicht zu dem Superwichtigen Flugtraining Spezial abgeholt hätte, könnte ich jetzt noch bei Ronya sein, die gerade mit Gott und den anderen trainiert. Meine Finger umschließen Hunters Pokéball und rufe ihn zurück. Ich falle. Kaum eine Sekunde vergeht, da aktiviere ich mit zittrigen Fingern den Ball und warte, während unter mir der Boden immer näher kommt und der Wind schmerzhaft in meinen Ohren rauscht. Alles vergeht in Zeitlupe und obwohl ich absolutes Vertrauen in Hunter habe, frage ich mich plötzlich, ob er mich nicht einfach zu spät erreichen wird oder ob ich vorher auf einem Stein aufschlage, der ungünstig aus der Felswand ragt. Gerade, als ich über meinen Tod nachdenke, packen mich Krallen, ziehen mich schwungvoll auf meinem Fall heraus und wenige Sekundenbruchteile später finde ich mich auf Hunters Rücken wieder, während Adrenalin durch meinen Körper pumpt, so als gäbe es kein Morgen mehr. Ich reiße mir die Binde von den Augen und blinzele gegen den Wind und das Sonnenlicht. Hunter krächzt, hochzufrieden mit seiner Leistung und Nathan fliegt auf Geronimo näher, bis er mir eine Hand entgegenstreckt. Seine Wangen sind rotgefleckt und er grinst breiter, als anatomisch möglich sein sollte. "Hervorragend", sagt er und gibt mir eine High-Five. "Und jetzt üben wir Agilitätspurts!"   ooo   Ronya sitzt im Schneidersitz auf einem verschneiten Felsbrocken und beobachtet mich. Ich spüre ihren Blick im Nacken, als ich mich dem Sniebel entgegenstelle, das bedrohlich mit den fingerlangen Krallen klappert. Gott hat sein Rückenfeuer voll entfacht; auf Level 41 ein beachtliches Schauspiel. Seine Beinmuskulatur ist unter dem vernarbten Schuppenpanzer deutlich erkennbar, denn er hat in der letzten Woche stark an Gewicht und Größe zugelegt. Mit einem herkömmlichen Igelavar ist er lange nicht mehr zu vergleichen. Trotzdem hat er seit zwei Tagen keine Fortschritte mehr gemacht. Ronya ist sicher, dass wir seine Blockade erreicht haben. Nun liegt es an mir. Sein Knurren reißt mich zurück in die Gegenwart. "Du weiß, was zu tun ist", sage ich, als er vortritt und das Klauenwiesel in Augenschein nimmt. "Verschaff dir einen Vorteil mit Rauchwolke, dann starten wir durch mit Nitroladung. Auf geht´s!" Sniebel hat seine Klauen wie Fäuste erhoben und tänzelt von einem Bein auf´s andere. Gott fletscht knurrend die Zähne und presst sich flach in den Schnee, während er Sniebel langsam umrundet. Das Wiesel schärft seine Krallen und knurrt bedrohlich zurück. Plötzlich springt es vor. Gotts Rauchwolke schießt explosionsartig aus den erstickten Flammen auf seinem Rücken und füllt die Luft mit undurchdringlichem, schwarzen Ruß, der Sniebels Schlitzer im Schnee landen lässt. Das Fauchen und Spucken der beiden Kontrahenten hallt am Berghang wieder, als Gotts rot glühender Köper im Rauch sichtbar wird und er in einem Sprint auf Sniebel zu prescht, das sich zur Seite fallen lässt und ihn mit seinen Klauen am Bauch trifft. Ich beiße mir auf die Lippen, während Gott keuchend zurückspringt und sich unter Schmerzen einrollt. Der Einigler wird zumindest seine Verteidigung stärken, aber gewinnen werden wir so nicht. Sniebel keckert selbstgefällig, als der Rauch von dem eisigen Wind davon geweht wird und die Sicht auf die beiden Pokémon freigibt. "Werd kreativ, Abby", ruft Ronya mir zu. "Mit normalen Strategien wirst du nicht gewinnen." "Gott, Planänderung!", rufe ich ihm zu. "Zermürb es mit Sternschauer und warte auf mein Kommando." Gott rappelt sich auf, gerade rechtzeitig, um mit einem Hechtsprung Sniebels Eissplitter auszuweichen, den das Pokémon in Sekundenschnelle aus der Luft kristallisiert und mit geübter Präzision in seine Richtung geschleudert hat. Noch halb im Flug schießen goldene, rotierende Lichter aus seinem Maul und verfolgen Sniebel, das mehrere Meter zurückspringt, bei seinem letzten Rückwärtssalto von dem Sternschauer in die Magengrube getroffen wird und heftig gegen eine Tanne prallt. "Jetzt!", schreie ich und Gott sprintet vor, baut Hitze in seinem Körper auf, bis das Feuer auf seinem Rücken seinen gesamten Schuppenpanzer zu umhüllen scheint und rammt Sniebel, das verdattert vom vorigen Aufprall keine Gelegenheit findet, auszuweichen. Sniebels Körper zischt bei Gotts Körperkontakt und mit einem verzweifelten Hieb seiner Klaue ratscht es einmal Gotts Gesicht entlang. Funken spuckend und keifend springt Gott zurück, halt ein Auge aber geschlossen. Der Schlitzer hat nicht optimal getroffen, aber trotzdem hinterlässt der Kampf seine Spuren. Sniebel schüttelt sich inzwischen und streicht vorsichtig über das versengte Fell an seinem Bauch. Es zischt leise und hebt ruckartig den Kopf. Plötzlich ist es verschwunden. Erschrocken reißt Gott den Kopf herum, während ich mich panisch umsehe. Da fällt ein Schatten auf uns herab. "Über dir!", kreische ich und sehe gerade noch, wie Sniebel seinen Agilitätsschub abbricht, zwei Eissplitter formt und auf Gott herabschleudert. Er reißt das Maul auf und beschwört einen Sternschauer gegen die Eisattacke. Beide zerspringen in einem Meer aus goldenem Glitzern zu kleinsten Fragmenten, die wie Neuschnee zu Boden rieseln. Sniebel landet gekonnt auf beiden Hinterbeinen, schießt vor und schlitzt eine tiefe Wunde in Gotts verwundete Seite. Er schnappt hilflos nach ihr und kugelt sich ein weiteres Mal ein. Mein Blick huscht zu Ronya. Noch eine Attacke und es ist aus, das wissen wir beide, aber sie macht keine Anzeichen, einzugreifen. Entei steht an ihrer Seite. Seine Pfoten haben den Schnee zu einer Wasserpfütze geschmolzen. Plötzlich erklingt das laute Grollen eines Ursarings irgendwo hinter Sniebel. Ronya schnalzt mit der Zunge und Entei trottet davon, um unsere Rücken für den Kampf freizuhalten. Sniebel hält derweil in seinen Angriffen inne, um nach Atem zu schnappen, während Gott mit bebenden Flanken am Boden kauert und auf mein Kommando wartet. Panisch denke ich nach. Meine Gedanken rasen durch meinen Kopf, während ich mir alle Informationen in Erinnerung rufe, die ich aus meinen langen Gesprächen mit Ronya aus ihr heraus gequetscht habe. Eine Blockade ist die Stagnation des Stärker-Werdens, wenn das herkömmliche Training nicht mehr ausreicht. Gott ist stark, aber seine Feuerattacken maximieren nicht seine Fähigkeiten. Was er jetzt braucht, ist eine Spezialattacke, die er auch noch problemlos benutzen kann, wenn sein Körper angeschlagen ist. So wie jetzt. Ich nehme ihn in Visier. Die nächste Attacke, die er lernen sollte, ist Flammensturm. Ein mächtiger Feuerangriff, die seine Stärken voll ausspielen würde. Er muss sie lernen, wenn wir weiter kommen wollen, da bin ich sicher. Was tun, was tun? Ursarings Brüllen verstummt, als es sich für einen Angriff bereit macht, doch das legendäre Wanderpokémon ist schneller. Entei stemmt die Vorderpfoten in den Schnee und holt tief Luft. Eis klettert seine Pfoten empor. In dem Moment, da Ursaring vorspringt, reißt Entei das Maul weit auf und ertränkt den Schläferbären in einem Flammenmeer, das wie ein Sturm um den mannshohen Körper strömt und das Pokémon in Sekundenschnelle brennend und vor Schmerzen brüllend in den Schnee sinken lässt. Meine Gedanken sind blank. Da ertönt Sniebels Fauchen. Ich reiße mich von dem Anblick der beiden anderen Kämpfer los und widme mich unserem Gegner, der keckernd vorgeschossen ist und auf Gott zusprintet. "Rauchwolke und ausweichen", befehle ich, plötzlich ganz ruhig. Gotts Flammen ersticken und schwarzer Rauch hüllt ihn wie ein Mantel ein. Sniebel hustet, als es den dichten Smog einatmet und verfehlt den Schlitzer, der harmlos im Schnee landet. Es zischt und ich kann mir förmlich vorstellen, wie es blind und mit brennenden Augen nach Gott Ausschau hält. "Hast du Entei eben gesehen?", schreie ich Gott zu. "Er ist ein Vulkanpokémon, so wie du! Wenn du nicht genug eigene Hitze für einen Flammensturm generieren kannst, dann zieh sie aus der Erde!" Einige Sekunden herrscht relative Ruhe, in der nur Sniebels Winseln und der pfeifende Wind zu hören sind. Der Rauch lichtet sich und gibt den Blick auf Gott und Sniebel frei, die etwa fünf Meter entfernt voneinander stehen. Sniebel reißt den Kopf herum, kreischt triumphierend und bildet zwei spitzzulaufende Eiszapfen in seinen Händen, die es wie Speere auf Gott zuschleudert. Gott weicht dem ersten aus, in dem er sacht zur Seite wankt. Dann frieren seine Beine zu, seine Kehle beginnt von innen heraus zu glühen und er öffnet sein Maul so weit, wie seine Kiefer erlauben. Eine spiralförmige Feuersbrunst explodiert aus seinem Rachen, schmilzt den Eissplitter zischend zu Wasser, das mit einem lauten Knall verdunstet und umhüllt Sniebel in einem Meer aus Flammen und unerträglicher Hitze. Das Wiesel gibt keinen Laut von sich, als es regungslos in sich zusammensackt. Gott spuckt selbstgefällig eine kleine Flamme in den Schnee, der bei genauerem hinsehen entlang seiner Attacke völlig geschmolzen ist. Einige Momente kann ich nicht glauben, dass wir es tatsächlich geschafft haben. Dann springe ich in die Luft und lasse einen lauten Jubelschrei los, bevor ich zu Gott stürze, ihn emporhebe und im Kreis drehe. "Das war clever", sagt Ronya, die frohen Mutes von ihrem Felsen springt und sich zu uns stellt. Sie tätschelt Gotts Kopf. "Ich habe mich schon gewundert, wann du auf seine Vulkannatur kommen würdest. Enteis Geduld war jedenfalls zu Ende, sonst hätte er dir die Lösung nicht auf dem Silbertablett serviert." Ich strecke ihr verlegen die Zunge heraus. "Ich wäre schon noch alleine drauf gekommen", sage ich und setze Gott neben mir ab, wo ich ihm einen von Ronyas Hypertränken zu trinken gebe. "Aber wir haben keine Zeit und außerdem wollten wir diesen Kampf unbedingt gewinnen." Gott knurrt zustimmend. Als er jetzt sein Rückenfeuer auflodern lässt, ist es fast größer als sein restlicher Körper. Erschrocken springe ich zurück, bevor meine Haare Feuer fangen und schaue ihn fassungslos an. "Das war doch nur ein Level", sage ich an Ronya gewandt. "Warum ist es so ein plötzlicher Schub?" "Blockaden zu überwinden ist der beste Weg, dein Pokémon langfristig stark werden zu lassen", sagt Ronya und tätschelt Enteis Flanke, das in dem Moment zu uns zurückkommt. Es senkt den Kopf und heißer Atem strömt über Gott, der sich klein macht und unterwirft. "Ab jetzt solltest du mit Gotts Training keine großen Probleme mehr haben. Bleib kreativ, nutze deine Vorteile und ihr werden euch hier oben bald alleine austoben können." "Ich habe nachgedacht", sage ich, während wir gemeinsam für unsere Mittagspause zurück zur Höhle stapfen, während der eisige Winds des Silberbergs unser Haar gefriert und unsere Nasen taub werden lässt. "Sku wird bald auch ihre Blockade erreichen. Denkst du, Chris´ Nachtara könnte ihr helfen?" "Skus nächste Attacke ist Nachthieb, oder?", fragt Ronya. Ich nicke missmutig. Wir stehen so kurz vor ihrer ersten Unlichtattacke, aber bislang habe ich es nicht geschafft, sie auf den nötigen Level zu bringen. Ohne Unterstützung durch Gott oder einen der anderen ist sie den Pokémon hier noch nicht gewachsen. "Ich hätte dir Amys Snibunna empfohlen, weil es die gleiche Attacke lernt und mehr auf Angriff getrimmt ist, als ein Nachtara. Leider ist sie nicht hier." "Nachtara ist eher passiv und benutzt viele Statusattacken", überlege ich laut. "Und Skus Verteidigung könnte wirklich besser sein. Einen Versuch ist es wert." "Du kennst dein Pokémon besser als ich, Abby", sagt Ronya und wirft mir ein strahlendes Lächeln zu. "Tob dich aus." "Das werde ich", sage ich grinsend und streiche abwesend über Gotts Kopf, als wir die Höhle betreten und vom Silberberg verschlungen werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)