Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 113: Der Wahnsinn beginnt (Die Kaskadenhöhle) ----------------------------------------------------- Schweiß strömt mein Gesicht und meinen Rücken herab. Ich wische mir einige Tropfen vom Kinn und schaue hinauf zu dem Höhleneingang, der uns laut Chris in die Kaskadenhöhle bringen sollen. Nadelbäume, die sich trotz aller Widrigkeiten in die felsigen Steinhänge krallen, verdecken meine Sicht, aber ich bin ohnehin zu erschöpft, um mich für die Streckenplanung zu interessieren. Der Aufstieg, den ich mir als Wanderung durch die Höhle vorgestellt hatte, begann mit einem kurzen Flug zu dem letzten Abschnitt des Berghanges, der flach genug war, um dort gefahrlos zu landen. Danach folgte, was ich nur als Höllentrip bezeichnen kann. Zwei Stunden kraxeln wir bereits über zugewachsene Wege, klettern über umgeworfene Baumstämme oder hangeln uns an Felswänden entlang, wenn Steinschläge den Weg darunter eingerissen haben. Melissa hat sich bereits auf dem flachen Gelände von unserer Gruppe getrennt und jetzt, da meine Hände rissig, mein Gesicht staubig und meine Haare schweißverklebt sind, kann ich sehr gut verstehen, warum sie den unteren Abschnitt des Berges für sich beansprucht hat. "Wie lange noch?", frage ich keuchend und bemühe mich, nicht wie ein quengeliges Kind zu klingen. Ich bleibe stehen und stütze mich erschöpft auf meine Knie. Chris und Nathan sind uns schon ein gutes Stück voraus und unterhalten sich, scheinbar unberührt von dem Aufstieg. Jayden, der mir am nächsten ist und den ganzen Aufstieg über eine mir entfernt bekannte Melodie summt, dreht sich überrascht um. "Was, bist du schon am Ende?", fragt er grinsend. Er schultert den Rucksack mit unserem Proviant und erinnert mich unbewusst daran, dass ich als einzige kein zusätzliches Gewicht in meinem Rucksack tragen muss. Bevor wir losgegangen sind, habe ich alles ausgeleert, was ich nicht unbedingt brauche. "Ich… bin nicht gerade ein Kletterfreund", gestehe ich, richte mich auf und trete bei meinem nächsten Schritt geradewegs auf ein Stück brüchige Erde, das unter meinem Gewicht nachgibt und zur Seite rutscht. Mein Fuß wird mitgerissen und einige Momente lang hänge ich in der Schwebe, spüre, wie ich Richtung Abhang falle. Panisch greife ich ins Leere, bevor ich endgültig zur Seite kippe.  Jaydens Hand packt mich am Unterarm. Mit einem Stöhnen und vor Anstrengung verzerrtem Gesicht wuchtet er mich zurück Richtung Berg, wo ich auf ihn stürze. Schwer atmend drücke ich mich von ihm weg und lasse mich neben ihm auf den Hosenboden fallen. "Scheiße, war das knapp", murmelt Jayden. Chris fragender Ruf ertönt von weiter oben. "Alles okay!", schreit er zurück. "Hab Abby nur vor ´nem ungemütlichen Absturz bewahrt!" "Danke", flüstere ich, komme auf die Beine und ziehe ihn hoch. "Das ist das zweite Mal, dass mir hier jemand das Leben rettet." "Ach, halb so wild", meint Jayden nur und wischt sich über das Gesicht. Von nahem kann ich erkennen, dass er bei weitem nicht mehr so frisch aussieht, wie ich gedachte hatte. Seine Ohren und Wangen sind rot und Schweiß klebt sein T-Shirt an seinen Oberkörper. Wo der Kragen bei seinem Sturz zur Seite gerutscht ist, erkenne ich die tiefroten Einschnitte, die der Rucksack in seinen Schultern hinterlassen hat. "Hast du meinen Anteil mitgenommen?", frage ich mit einem Nicken zu seinem zum Bersten gefüllten Rucksack. Er zuckt mit den Schultern. "Hab mir gedacht, dass du so ´nen Aufstieg nicht gewohnt bist. Chris und ich sind bei unserem ersten Mal hier kaputt gegangen." "Gib mir die Hälfte", sage ich, bevor ich es mir anders überlegen kann. Er hebt eine Augenbraue. "Sicher? Ich kipp schon nicht um, wenn du davor Angst hast." "Ich profitiere auf diesem gesamten Trainingstrip von euren Fähigkeiten", entgegne ich, ziehe meinen eigenen Rucksack aus und öffne ihn. "Da kann ich zumindest meinen eigenen Proviant tragen." Jayden lacht. "Na gut, aber mach schnell. Chris und Nathan sind schon fast oben." Ich lasse mir einige Brotdosen, einen Sack getrocknete Beeren und drei Flaschen Wasser anreichen und verstaue alles in meiner Tasche. Als ich den Rucksack dieses Mal hebe, muss ich bei dem Gedanken an den Rest der Strecke schlucken, aber Jaydens erleichterter Blick, als seine eigene Last sich so stark verringert hat, ist es mir wert. Resolut stapfen wir voran. Eine letzte Kletterstrecke und einen steilen, von Wurzeln durchbrochenen Aufstieg später, entdecke ich Chris und Nathan, die neben einem schmalen und unscheinbaren Höhleneingang sitzen, aus ihren Flaschen trinken und mit den Beinen baumeln. Der Felsvorsprung ist kaum breit genug, um dort zu gehen und von einigen Überhängen verdeckt. Flugpokémon hätten uns hier nie absetzen können. "Hallo", begrüßt Chris uns. Jayden lässt sich ächzend neben ihr auf den Vorsprung fallen, nimmt ihr die Flasche aus der Hand und trinkt sie in einem Zug aus. Er reicht ihr die leere Flasche, zieht seinen Rucksack aus und lehnt sich gegen die Felswand. Ich folge seinem Beispiel. Der Moment, in dem das Gewicht von meinem Rücken weicht, atme ich erleichtert aus und schließe die Augen. "Nur so aus Neugier…", beginne ich und schiele zu den anderen drei, die bereits mit ihren Broten beschäftigt sind, "…wie oft werden wir diesen Trip machen?" "Wir müssen zweimal pro Woche runter, um neuen Proviant zu kaufen", erklärt Chris ohne das kleinste bisschen Mitleid. "Wenn du im Pokécenter schlafen willst, müsstest du jeden Tag los, aber das rentiert sich nicht. Wir sind schließlich zum Training hier." "Genau!", ruft Nathan, wirft eine getrocknete Pirsifbeere in die Luft und fängt sie aus dem Flug im Mund auf. Seufzend füge ich mich in mein Schicksal und mache mich an meinem Rucksack zu schaffen, aus dem ich Wasser und ein Sandwich ziehe. Während ich mit meinem Essen beschäftigt bin, nimmt Jayden sein Summen wieder auf. Nur wenige Momente später stimmt Chris ein und plötzlich wird mir klar, woher ich die Melodie kenne. "Ist das der Titelsong vom Lehrkanal?", frage ich lachend. "Der läuft doch schon seit Jahren nicht mehr!" "Ein Klassiker", entgegnet Jayden. "Jayden hat jede Folge geguckt", erklärt Chris. "Mehrmals", fügt Jayden grinsend hinzu. Ich schüttele den Kopf, muss aber ebenfalls grinsen. So hat eben jeder seine Macken.   Warme Sonnenstrahlen weichen klammer Kälte, als wir endlich den Silberberg betreten. Das Licht, das durch den Eingang fällt, wirft lange weiße Streifen auf das silbrig-graue Geröll, über das wir einer nach dem anderen steigen. Aus den Tiefen der Höhle erschallt das Tosen der Wasserfälle, vor denen Chris mich bereits gewarnt hat. Kleine Seen schimmern im schwachen Licht der Höhle und ein kühler Luftzug zeugt von den zahlreichen Durchgängen, die uns weiter oben erwarten. Chris und Nathan rufen ihre Flugpokémon zurück, die uns beim Aufstieg den Rücken freigehalten und wilde Pokémon vertrieben haben. Stattdessen rufen die drei jetzt Pokémon, die besser für das gewaltige Höhlengewölbe geeignet sind. Nathans Milotic ist sechs Meter lang und bäumt sich angewidert auf, als es seine düstere Umgebung erblickt. Die dünnen Fühler der Wasserschlange winden sich wie Tentakel durch die Luft und das blau-pinke Schuppenmuster endet in einem fächerförmigen Schweif, der zusammengelegt ist, bereit, bei einem Anzeichen von Gefahr bedrohlich ausgeklappt zu werden. Das Gewaldro erkenne ich als das von Chris wieder, das im Kampf gegen Craig in Teak City mit von der Partie war und Jaydens Voltenso knurrt mit gefletschten Zähnen die Dunkelheit an. Seine elektrisch aufgeladene Mähne steht golden von seinem Nacken und Schweif ab und bildet einen scharfen Kontrast zu dem himmelsblauen Fell, das seinen restlichen Körper bedeckt. Ein schräger Blick in Richtung der anderen Pokémon und anschließendes Bellen stellt die Rangordnung der drei Pokémon unmissverständlich klar. Chris und Jayden nicken sich zu. "Willst du nicht Sku rufen?", fragt Nathan, während er mit einer Hand über Milotics Stirn streicht und die pinken Hautfalten massiert, die wie zwei Enden eines Schals von ihrer Braue abgehen. Erschrocken nicke ich und rufe Sku, die sich neben den anderen Pokémon materialisiert und bei Voltensos Anblick winselnd zu Boden presst. Zufrieden schnaubt das Elektropokémon und trottet voran. Wir anderen kramen Taschenlampen aus unseren Rucksäcken und folgen den vier Pokémon. Schon bald merke ich, wie gut der Schutz durch Ho-Oh und Washakwil war. Kaum dass wir die ersten Schritte über den schmalen Höhlengrad hinter uns gebracht haben, ertönt aus den Tiefen der Höhle das Brüllen eines Ursarings, dessen Klang mir seit gestern Nacht ins Gedächtnis gebrannt ist. Stein schrammt über Stein und im Schein von Jaydens Taschenlampe flackert der gewaltige Schädel eines Onix auf, begleitet von zahllosen Augenpaaren, die ich nicht identifizieren kann. Mit zittrigen Fingern leuchte ich zuerst nach links. Der Lichtstrahl verliert sich in den Tiefen der Höhle. Der Weg, dem wir folgen, fällt zu dieser Seite hin steil ab. Zweifellos lauern Georok ungesehen in dem Geröll und zwischen den Kanten und Furchen der Felskluft. Meine Taschenlampe schwenkt nach rechts. Der bleiche Lichtkegel hüpft über die Wasseroberfläche, gerade rechtzeitig, um ein langes Schemen unter der schwarzen Oberfläche ausmachen zu können. Kleine Wellen schwappen gegen die glattgeschürften Steinwände. Ein Kräuseln erfasst die Wasseroberfläche. Im nächsten Moment schießt ein Golking aus den Tiefen des Höhlensees empor, schwarze Kugelaugen bedrohlich geweitet. Es versinkt mit einem widerhallenden Platschen im Wasser, nur um gefolgt von zwei weiteren Golking erneut aus dem See zu springen. Zwei der Goldfische begnügen sich mit einem Wasserstrahl, den sie auf uns niederregnen lassen, aber der letzte der drei katapultiert sich Horn voran aus der Senke und rast geradewegs auf mich zu. Sku springt vor und kracht mit gezückten Klauen geradewegs in ihn hinein. Sie kombiniert einen grellen Kreideschrei mit ihrem Schlitzer und zerfetzt die Schuppenhaut des wild zappelnden Golkings mit mächtigen Prankenhieben. Jaydens Stimme reißt mich aus meiner Starre. "Voltenso, verfolg ihren Nassmacher mit Donnerblitz!" Voltenso sträubt sein Fell, weicht durch einen geschickten Seitensprung einem der Wasserstrahle aus und schleudert zwei knisternde Blitze in Richtung der Fische. Die Elektrizität wird durch den Nassmacher zu seinem Ursprung geleitet und beide Fische platschen röchelnd zurück in den See. Sku lässt unterdessen von dem Golking ab, das vergebens versucht, sie mit seinem Horn von sich fernzuhalten. Nun liegt es mit bebenden Seiten auf dem Trockenen. Stolz schaut Sku zu mir und leckt sich das Maul. "Abby!", schreit Nathan. "Golking kann Dreschflegel!" "Sku, weg da!", schreie ich und greife nach ihrem Pokéball. Golking spannt mit letzter Kraft all seine Muskeln an und schleudert sich Sku entgegen, die panisch zur Seite hechtet. Gerade schließen meine Finger sich um das runde Plastik, da schießt ein Eisstrahl knackend vor meinem Gesicht durch die Luft und gefriert den meterlangen Goldfisch zu einem Eisblock, der zu Boden fällt und in tausend Splitter zerspringt. Zurück bleibt nur das besiegte Golking, das regungslos inmitten der Eisbrocken auf dem Steinpfad liegt. Sku landet schlitternd vor meinen Füßen und schaut sich panisch nach dem Golking um. Ich falle neben ihr auf die Knie und schlinge meine Arme um ihren zitternden Körper. Mein Blick wandert zu Nathan, der weiterhin eine Hand auf Milotics schuppigem Körper presst. Der Atem vor dem Maul der Seeschlange bildet weiße Wölkchen und Eiskristalle bedecken einen Teil des spitzen Gesichts. "Gute Arbeit, Milo", stellt er fest und tätschelt seine Flanke. "Versuch nächstes Mal, den Energieverlust geringer zu halten. Dein ganzes Gesicht ist vereist." Empört reckt Milotic seinen Nacken und schnaubt eisigen Atem auf seinen Trainer herab, der lacht und sich mir zuwendet. "Alles okay bei dir?" "Ja, geht schon", sage ich und erhebe mich. "Sku hat das meiste abgekriegt." "Dafür hat sie sich ziemlich super geschlagen", meint Jayden lachend, der zu uns gejoggt ist, Voltenso dicht auf den Fersen. Chris und Gewaldro halten etwas entfernt Wache. Von dem, was ich erkennen kann, zapft Gewaldro seine gesamte Umgebung mit Egelsamen an. Keine schlechte Taktik. Steinbrocken, die auf ihn und Chris niederregnen, wehrt das Pflanzenpokémon mit seinem Scanner ab, der wie eine gleißende Kuppel um es herum schimmert, wenn es sich bewegt. "Tut mir leid, wir hätten dich warnen sollen", entschuldigt Jayden sich grinsend und reicht mir zur Versöhnung eins seiner geliebten Bonbons. "Aber hier versucht eh´ alles, dich umzubringen, deshalb hab ich die Fische voll vergessen." "Ich merke es", sage ich und schiele zu Chris zurück, deren Pokémon ganz alleine die Stellung hält. Aus den Tiefen der Dunkelheit erhebt sich der Umriss des Onix, das ich schon zuvor bemerkt habe. Nathan folgt meinem Blick und nickt beeindruckt, Jayden wirft sich nur selbst ein Bonbon in den Mund und kaut es in Sekundenschnelle zu Pulver. "Also, hier ist der Crashkurs für kleine Shadows", sagt er und breitet die Arme aus. "In der Kaskadenhöhle sind die Pokémon nicht so stark wie weiter oben, aber trotzdem ist hier alles auf Level 40 oder höher. Wenn du nicht aufpasst, wird dich etwas angreifen, und zwar von wo auch immer du gerade nicht hinguckst." Das Onix bäumt sich auf und katapultiert Gewaldro mit gigantischen Steinbrocken, die das Dschungelreptil einen nach dem anderen an seinen muskulösen Armen abprallen lässt oder aus der Luft packt und zur Seite schleudert. "Am gefährlichsten sind die Steinschläge hier", fährt Jayden fort und deutet mit einem Daumen hinter sich auf das Schauspiel, das seine Kindheitsfreundin und das Onix veranstalten. "Intensität, Katapult, Steinhagel, Felsgrab… wenn du dagegen nicht gewappnet bist, frisst der Silberberg dich lebendig." Als Onix merkt, dass seine Steinangriffe nicht wirken, hämmert es mit seinem Steinschweif auf den Höhlenboden, bis der Boden unter Gewaldro und Chris aufbricht und sich scharfkantig empor bohrt. Gewaldro schnappt sich seine Trainerin, setzt sie auf seine Schulter und springt von einer Steinkante zur nächsten. Frustriert brüllt die Steinschlange und bohrt sich in den Boden, bis sie verschwunden ist. "Was noch…" Er verzieht das Gesicht. "Ich bin sicher, dass ich etwas vergessen−" Weiter kommt Jayden nicht, denn ein Garados bricht brüllend aus dem See und windet sich in einem hypnotisierenden Drachentanz, bevor es das Maul aufreißt und eine Hydropumpe auf ihn abfeuert. Voltenso wirft sich dazwischen, fängt die Wassersbrunst ab und nutzt den Kontakt, um seinen Donnerblitz via Hydropumpe zu der Wasserschlange zu leiten. Garados gibt ein ohrenbetäubendes Brüllen von sich und sinkt inmitten eines Rings aus schäumender Gischt zurück in den See. "Ach ja, der See", sagt Jayden und wischt sich lachend über das Gesicht, als Voltenso sich das Wasser aus dem blauen Fell schüttelt. "Danke, Kumpel. Die Golking sind an sich harmlos, aber wenn du nicht aufpasst, greifen sie mit ihrem Hornbohrer an und wenn der dich trifft, dann gute Nacht. Meist geht er daneben, aber es sind schon ganz andere unwahrscheinliche Sachen hier passiert. Die Garados sind harmlos, wenn man sie schnell unter Strom setzt. Richtig mies sind die Donphan, wenn−" Kleine Steinkaskaden bröckeln von den Wänden und der Decke und hüpfen über den Steinpfad. Das Beben unter unseren Füßen wird stärker. Fluchend ruft Jayden Voltenso zurück und ich folge hastig seinem Beispiel, als Sku droht, in einer aufbrechenden Felsspalte zu verschwinden. "−sie mit Erdbeben angreifen", beendet Jayden zähneknirschend seinen Satz. "Chris, wofür bezahle ich dich, wenn du da vorne nur rumspielst!" "Du bezahlst mich nicht", erwidert Chris ungerührt und springt vom Rücken ihres Pokémon. Gewaldro steht inmitten der Steinkantenverwüstung, die das Onix hinterlassen hat, bevor es sich zu einem Schaufler vergraben hat. Nun liegt es besiegt hinter den beiden und wird von herabrieselnder Erde bedeckt. "Ist doch egal!", wirft Nathan ein und springt zur Seite, um einem etwas größeren Steinbrocken auszuweichen, als er zu Boden kracht. Sein Schrei wird von einem dumpfen Schleifgeräusch unterbrochen, dicht gefolgt von einem Donphan, das zusammengerollt durch den Schutt walzt und auf uns zusteuert. "Zur Seite!", schreit Nathan. Ich springe hinter ihn, Jayden hinterher. "Jetzt du, Milo", befiehlt Nathan grimmig. "Wir räumen hier auf. " Milotic windet sich aus seiner Berührung, hebt sein Haupt und wiegt seinen cremefarbenen Körper von links nach rechts. Zuerst geschieht nichts. Ich spüre, wie mein Herz in meiner Brust hämmert. Weder Jayden noch ich haben unsere Pokémon zum Schutz draußen. Wenn Milotic es nicht rechtzeitig schafft… Der See zu unserer Rechten erhebt sich in einer gigantischen Welle und schwappt über die meterhohe Felsenwand. Der Surfer überschwemmt den gesamten Steinpfad mit unbändiger Gewalt. Wasser spritzt mir ins Gesicht und feiner Niesel verdeckt mir für einige Sekunden die Sicht. Das Rauschen der zerschellenden Welle, vom Echo der Höhle vielfach verstärkt, hallt in meinen Ohren und drückt Donphan zurück. Der Panzerfant trompetet kraftlos, während das Seewasser ihn verschlingt und geradewegs über die Kante des Steinpfads spült.  Die Welle fließt zu beiden Seiten zurück und mündet in die Kaskaden und übrigen Seen, die im Dunkeln verborgen liegen. Einige junge Karpador und Goldini bleiben gestrandet und zappelnd zurück. Ich blinzele Wasser aus meinen Augen. Obwohl wir hinter Milotic standen, haben die rückwärtigen Ausläufer der Welle uns alle bis zu den Knien durchtränkt. Meine Schuhe schmatzen, als ich einen vorsichtigen Schritt vorwärts mache. Missmutig verziehe ich das Gesicht. Weder Nathan noch Jayden scheinen ein Problem mit dem veränderten Zustand unserer Kleidung zu haben, daher halte ich den Mund. Einzig Chris, die hinter dem Scanner ihres Gewaldros Schutz gesucht hat, ist noch trocken. Während ich den Pfützen ausweiche, die sich in den Erdbebengräben von zuvor gesammelt haben, sind Nathan und Milotic bereits dabei, die gestrandeten Fischpokémon zurück in den See zu befördern, Nathan mit gezielten Würfen und Milotic mit sanften Schlägen seines Schweifs. Jayden und ich folgen, um zu den anderen aufzuschließen. "Damit hast du die meisten Gefahren im Silberberg aus erster Hand kennengelernt", fährt Jayden seine Lektion von zuvor unbekümmert fort. "Fehlen nur noch die Golbat." "Keine Zubat?", frage ich skeptisch und denke an den Schwarm der gehässigen Blutsauger, die mich damals im Flegmonbrunnen an Team Rocket verraten haben. Vielleicht bin ich ungerecht, aber ich bin kein großer Fan der Fledermäuse mehr. "Nur Golbat. Zubat überleben hier nicht lange, und wenn, entwickeln sie sich." Ich nicke nachdenklich und schaue hinauf in die Dunkelheit. Mit dem Strahl meiner Taschenlampe suche ich das Deckengewölbe ab. Zumindest versuche ich es, denn die Höhle ist so weitläufig, dass der Lichtstrahl sich verliert, bevor er auf Stein trifft. Einzig die schmalen Augenpaare der mannsgroßen Fledermäuse bestätigen Jaydens Erklärung. "Langsam bezweifle ich, dass wir diesen Höhlenabschnitt heute noch verlassen werden", sage ich schließlich und folge Jayden zu Chris und Nathan, die bereits auf uns warten. "Wir sind seit einer guten halben Stunde hier drin und haben kaum fünfzig Meter geschafft." "Es ist der Silberberg", sagt Chris lediglich, so als wäre das eine ausreichende Erklärung. Ist es vielleicht sogar. "Jetzt verstehst du bestimmt, warum wir hier oben übernachten, wenn wir schon mal da sind", fügt Jayden grinsend hinzu. Ich nicke. Dann fällt ein Schwarm Golbat über uns her. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)